Schulstreik in Österreich: Ein starkes Zeichen gegen Bildungsraub!

In Österreich soll es neue Einschnitte für Lehrer_innen und Schüler_innen geben, in Form neuer Prüfungsordnungen und einem neuen Dienstrecht für Lehrer_innen. Dagegen regt sich seit Ende November Widerstand an den Schulen, an dem REVOLUTION sich tatkräftig beteiligt und zusammen mit anderen Organisationen zu zwei Schulstreiks im Dezember aufrief. Der folgende Text ist ein Bericht vom Schulstreik am 12. Dezember. Weitere Informationen über die Bewegung und ihre Perspektiven findest du auf der Homepage unserer österreichischen Sektion.

Wir waren dort, wir waren laut und wir waren viele: Beim Schulstreik am 12.12.2013 in der Wiener Innenstadt gingen ersten Schätzungen nach mindestens 5000 Schülerinnen und Schüler auf die Straße, in ganz Österreich waren es mindestens 10 000. Nicht nur die Schwächen und Fehlentwicklungen der Zentralmatura, auch das neue Lehrer_innendienstrecht und zahlreiche Mängel im Bildungssystem bis zum dahinter stehenden Kapitalismus wurden unter dem Motto der Demonstration „Geld für Bildung statt für Banken!“ lautstark angegriffen. Doch auch wenn der Streik größer und kämpferischer war, als die meisten sich vorstellen konnten und sogar Vertreter_innen des BMUKK zu Gesprächen zwangen stellt sich mehr denn je die Frage: Wie kann der Kampf weitergeführt werden, so dass unsere Ziele erreicht werden?

Die ersten Demonstrationen des Tages hatten schon um 8:00 Uhr gestartet – von der Hegelgasse bewegten sich mindestens 300 Schüler_innen zusammen mit REVOLUTION-Aktivist_innen in einer Demonstration zum Treffpunkt vor dem Parlament, und auch aus anderen Schulen fuhren Schüler_innen zusammen zu der Aktion. Der unglaubliche Andrang, die lauten und koordiniert gerufenen Forderungen, die Schüler_innen immer wieder spontan riefen machten offensichtlich, dass die Bewegung sich nicht abwürgen würde lassen. „Weder die leeren Versprechungen der Bundesschüler_innenvertretung noch die Drohungen des BIFIE können uns am streiken hindern!“ stellte ein REVOLUTION-Aktivist in einer Rede vor dem Bundeskanzler_innenamt fest.

Nach einer kurzen, lauten und politisch starken Demonstration war die Demonstration schon am Ballhausplatz zu Ende, wo es schließlich noch zu Provokationen durch die Polizei kam. Weil einige Aktivist_innen mit Eiern auf das Kanzler_innenamt, in dem zu dem Zeitpunkt gerade Koalitionsverhandlungen stattfanden, geworfen hatten „musste“ die Polizei sich mit Schild, Helm und aggressivem Gestoße vor das Haupttor des BKA stellen. Schnell wurde klar, dass die Schüler_innen sich das nicht einfach so gefallen ließen und Gegenstände wie Plastikflaschen und Obst flogen in Richtung der Polizei. Die eskalierte ihr Vorgehen bis zur Auflösung der Demonstration mit Spezialeinheiten von der WEGA und der Hundestaffel, nahmen wahllos Personalien auf und bedrohten Demonstrant_innen mit Anzeigen. Wir von REVOLUTION lehnen diesen durchsichtigen Versuch, den Protest zu kriminalisieren und zu spalten klar ab und fordern die Einstellung aller Verwaltungsstrafen gegen die Demonstrant_innen! Es mag zwar nicht die effektivste Protestform sein, ein Gebäude mit Eiern zu bewerfen, der Unmut und die Gegenwehr der Schüler_innen gegen die Polizei-Provokationen war aber verständlich.

Auch die Verantwortlichen des BMUKK konnten sich der Durchsetzungsfähigkeit der Demonstrant_innen nicht entziehen und luden zum Ende Vertreter_innen der beteiligten Organisationen – aber keine Schüler_innenvertreter_innen – zum Gespräch ein. Dieses Gespräch war eine Farce, wobei es den Regierungsvertreter_innen auch nichts gebracht hätte, einen faulen Kompromiss anzubieten: Bis auf einige Personen aus der AKS forderten alle Beteiligten, dass Gespräche mit gewählten Vertreter_innen der Schüler_innen stattfinden müssten und live im Internet übertragen werden. Außerdem darf niemand irgendeiner Einigung zustimmen, ohne davor eine bindende Abstimmung unter den Schüler_innen durchzuführen.

Wenn die zahlreichen Forderungen aber mit Druck und transparenten, demokratisch kontrollierten Verhandlungen durchgesetzt werden sollen sind zwei Sachen wichtig.

Erstens müssen alle Schüler_innen und Aktivist_innen, die mit dieser Zentralmatura nicht zufrieden sind in Aktionskomitees ihre Forderungen sammeln und ausarbeiten. Eine gewählte und jederzeit abwählbare gemeinsame Struktur soll sich in Räumlichkeiten (oder österreichweit online) treffen, um die sich die beteiligten Organisationen kümmern können und über die Forderungen abstimmen. Wenn eine Einigung angeboten wird, muss es zudem zu einer Abstimmung in den Schulen kommen, ob sie angenommen werden soll. Nur so können wir Umfaller und Rückzieher, wie sie die BSV vorgemacht haben, verhindern!

Zweitens aber muss der Druck aufrecht erhalten werden und Kämpfe miteinander verknüpft werden. Die fürchterliche Zentralmatura, die Verschlechterungen die mit dem neuen Lehrer_innendienstrecht kommen und dort wo es in unserer Bildung noch an allen Ecken und Enden fehlt (von Mitbestimmung über baufällige Schulen und sozialer Auslese in den Schulen), das sind alles Probleme, gegen die wir kämpfen müssen – und wir können es gemeinsam tun. Darum müssen gemeinsam mit den Lehrer_innen für bessere Bildung und gegen das neue Dienstrecht, das massive Verschlechterungen für Lehrer_innen und Schüler_innen bringt, demonstrieren. Mit einem starken, lauten und solidarischen Schüler_innenblock können wir hier auch die Unterstützung der Lehrer_innen und Lehramtsstudierenden für unsere Anliegen einholen!

Bildungsklau im ganzen Land – uns’re Antwort Widerstand!




Blockupy goes Arbeitskampf – Solidarität mit den Streikenden im Einzelhandel!

Heute, am 20.Dezember, fand vom Berliner Blockupy-Aktionsbündnis eine Solidaritätsaktion für die Streikenden im Einzelhandel statt. Ziel war es eine H&M-Filiale in der Friedrichstraße zu blockieren. So sollte Aufmerksamkeit für die prekären Beschäftigungsverhältnisse im Einzelhandel geschaffen werden. Während die Einzelhandelskapitalist_innen ein großes Geschäft während der Weihnachtszeit machen, kämpfen die Beschäftigten nach wie vor für einen Tarifvertrag.

H&M Blockade im EInzelhandelsstreikNachdem die Verhandlungen im Verlauf dieser Woche wiederholt ergebnislos ausgingen, entschied sich die Gewerkschaft ver.di für den heutigen Tag erneut in den Streik zu treten. Jedoch nicht um, wie vom Aktionsbündnis geplant, in Berlin einen Streik stattfinden zu lassen oder sich an der Blockade zu beteiligen, sondern um eine zentrale Streikversammlung in Cottbus zu veranstalten. Wochen zuvor ließ die ver.di-Führung dem Bündnis verlauten, dass sie nicht fähig dazu sein für diesen Tag in den Streik zu treten, da ein Großteil ihres Apparats sich zu diesem Zeitraum angeblich im Urlaub befände. Dies offenbart wiedermal die Angst und Unfähigkeit der Gewerkschaftsbürokratie den Streik auszuweiten und zu radikaleren Aktionsformen zu schreiten.

An der bunt gemischten Blockadeaktion beteiligten sich circa 50-70 Aktivist_innen. Auch Mitglieder von Revolution und der Gruppe Arbeitermacht waren sowohl an der Vorbereitung, als auch der Aktion beteiligt. Mit einer Trommelgruppe, Materialien für die Kund_innen der Einzelhandelsfiliale und frohen Mutes bewegten wir uns in 2 Gruppen von einem Platz nahe der Humboldt-Universität in Richtung Friedrichstraße. Bei H&M angekommen stürmten Einige in den Laden und versuchten, den schmählich von Streikbrecher_innen offen gehaltenen Laden, in seinem Betrieb zu stören. Einige setzten sich vor die Kasse, andere traten in Diskussion mit den Kund_innen.

Doch die Polizei beschuldigte die Aktivist_innen des „kollektiven Landfriedensbruchs“ und warf sie aus der Filiale. Nach einer einstündigen Blockade zog die Gruppe geschlossen in Richtung S+U Friedrichstraße. Während die Polizei bereits auf der Demonstration vereinzelte Anzeigen verteilte, verhaftete sie noch zwei unserer Genoss_Innen unter dem Vorwand der Redelsführerei. Beide kamen jedoch nachdem wir die Polizeifahrzeuge an der Abfahrt hinderten nach kurzer Zeit wieder frei und dürfen sich nun höchstwahrscheinlich auf ihre Verfahren freuen.

Gemessen an der kurzen Mobilisierungszeit und der Tatsache, dass sich die ver.di-Führung einer gemeinsamen Aktion verweigerte, war die Aktion ein Erfolg. Auch viel der Passant_innen reagierten positiv auf die Blockade, die mit Flugblättern und Slogans wie „Löhne rauf“ oder „Tarifvertrag jetzt“ auf sich aufmerksam machte. Positiv war auch die Verbindung, die die antikapitalistische Blockupybewegung damit zu real stattfindenden Arbeitskämpfen geschaffen hat.

Doch sie hat auch eine wichtige Frage aufgeworfen. Wie verhalten sich die Aktivist_innen gegenüber der Gewerkschaftsbürokratie, die gemeinsame Aktionen ablehnt oder wie bereits in fünf Bundesländern noch vor dem Weihnachtsgeschäft einen schlechten Tarifvertrag mit einer Laufzeit über 24 Monate abgeschlossen hat. Die Antwort ist simpel. Solche Aktionen müssen fortgesetzt werden und die Forderung an gemeinsame, breite und kämpferische Mobilisierung müssen weiter an die Gewerkschaft und ihre Führung gerichtet werden. Doch es braucht auch einer unabhängigen Perspektive, einer klassenkämpferischen Basisopposition in ver.di, die die zehntausenden Beschäftigten, die während des Streiks gewonnen werden können, für ihre Forderungen konsequent organisiert. Denn eins ist sicher, die Kampfansage, die die Kapitalist_innen schon vor dem Streik mit der Aushebelung des Manteltarifvertrags gemacht wurde, wird auch in den kommenden Jahren zu Auseinandersetzungen führen. Das die reformistische Führung darauf keine Antwort geben kann und will, hat sie mit den jetzigen Abschlüssen, die weit hinter den Forderungen der Beschäftigten blieben bewiesen.

Ein Artikel von Wilhelm Schulz und Georg Ismael, REVOLUTION-Berlin




Refugee Protest Camp Vienna: Jetzt oder nie!

Seit vor etwas mehr als einem Jahr das Refugee Protest Camp Vienna (RPCV) nach einem Fußmarsch von Traiskirchen aus im Votivpark Zelte aufschlug waren die Kämpfe der Flüchtlinge das bestimmende Thema für revolutionäre Politik in Wien. Während sich die Flüchtlinge durch den Winter quälten, Rechtsradikale die Votivkirche „gegenbesetzten“ und die Bewegung schließlich erst aus der Kirche und dann aus dem Ausweichquartier Servitenkloster vertrieben wurden warf sich immer wieder die Frage auf: Können wir gemeinsam den Kampf gegen Rassismus und Abschiebungen gewinnen? Und trotz regelmäßigem Versagen der „Linken“ bei der Mobilisierung für Aktionen, einer Innenministerin die die Aktivist_innen als „brutale Schlepperbande“ verleumdete und konstanter Medienhetze aus allen Richtungen kämpft die Bewegung noch. Doch nach einem Jahr, vier Quartieren und mindestens 8 Abschiebungen ist klar: Etwas muss sich ändern, damit hier noch gewonnen werden kann.

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Wir von REVOLUTION waren seit der Besetzung der Votivkirche aktiv im und um das Refugee Protest Camp Vienna aktiv, haben zu den Aktionen mobilisert, an einigen Plena teilgenommen und uns an der Verteidigung der Votivkirche gegen die rechtsradikalen „Identitären“ beteiligt. Eine der größten Stärken der Bewegung ist es, dass sie es geschafft hat den wichtigen Kampf von Flüchtlingen gegen staatlichen und alltäglichen Rassismus den meisten politischen Aktivst_innen ins Bewusstsein zu rufen. Größere und kleiner Mobiliserungen, gelungene und weniger gelungene taktische Schritte gegen staatliche Repression und rechte Hetze wurden zum Teil auch von linken Organisationen und Aktivst_innen unterstützt und weitergetragen, die Bewegung selbst machte es Betroffenen und Supporter_innen bis zu einem gewissen Grad möglich, gemeinsam politisch zu arbeiten.

Die Strukturen, die sich herausgebildet haben waren jedoch nicht in jeder Situation ideal: Gerade die langwierigen Plenumssitzungen und manche scheinbar unkoordinierten Aktionen machten es neuen Aktivist_innen und interessierten Supporter_innen schwierig, ihren Platz in der Bewegung oder auf den Aktionen zu finden. Eine demokratischere Form mit gewählten und jederzeit abwählbaren Aktivst_innen, die Aktionen vorbereiten und die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsbereiche und Arbeitsgruppen zusammentragen und die Umsetzung koordinieren wären dringend nötig. So könnte auch Verwaltungsarbeit transparent aufgeteilt werden, die sonst immer an denselben Aktivist_innen hängen bleibt. Wir glauben, dass eine demokratische und klarere Struktur die Kämpfe und Mobilisierungen nur stärken können.

Die erfolgreichen Aktionen der Bewegung haben jedoch vor allem von erfolgreichen Mobilisierungen und gelebter Solidarität gelebt. Das es nicht gelungen ist, diese Menschen dazu zu bewegen das RPCV längerfristig zu unterstützen und wichtige Aktionen wie die Kämpfe gegen die Abschiebungen Anfang August oder die Demonstration in Traiskirchen zum Jahrestag mitzutragen, das ist vor allem die Schuld der linken Organisationen. Auch wenn einige sich ihren Möglichkeiten entsprechend im Protest engagiert haben gelang es nicht, die gemeinsame Mobilisierungskraft und Erfahrungen zusammenzuschließen. Es wäre wichtig, Solidaritätsstrukturen an Schulen, Universitäten und im direkten Umfeld von Aktivist_innen zu schaffen die die Bewegung direkt unterstützen können, ohne direkt Teil davon zu sein. Wir schlagen vor, solche Solidaritätskomitees aufzubauen und mit Informations- und Mobilisierungsmaterial zu unterstützen. Die Vorgehensweise der Komitees könnte durch eine gewählte und abwählbare Delegiertengruppe koordiniert werden. Auch wäre es wichtig, andere fortschrittliche Kämpfe mit der Bewegung der Flüchtlinge zu vernetzen. Vor allem die Strukturen gegen den rechten Akademikerball im Januar („Offensive gegen Rechts“ und „noWKR“) sind hier gefragt, den Schritt auf die Bewegung zu zu machen um Antirassismus und Antifaschismus Hand in Hand gehen zu lassen. Auch in anderen Fällen kann und muss der Kampf gegen Ausgrenzung mit den Auseinandersetzungen beispielsweise an den Schulen und rund um das Lehrer_innendienstrecht verknüpft werden.

Nach dem Erfolg der „Rise Together!“ Konferenz im September müssen wir auch eine Aktionskonferenz zur Perspektive und vor allem zum politischen Programm der Bewegung organisieren. Denn wenn ein Jahr offenen Kampfes eines gezeigt hat, dann dass es sich bei den Ungerechtigkeiten im Asylsystem nicht um „Fehler im System“ handelt sondern um kapitalistische Ausgrenzungsmechanismus. Rassismus, also das Überausbeuten einer Gruppen aufgrund ihrer Herkunft ist ein Spaltungsmechanismus im Kapitalismus, der einem gemeinsamen Widerstand auf zwei Arten entgegenwirkt. Auf der einen Seite werden Unterdrückte verschiedener Herkunft gegeneinander aufgehetzt, um den Widerstand zu schwächen. Und auf der anderen Seite werden die „privilegierten“ Staatsbürger_innen an den Extraprofiten aus der Überausbeutung anderer Länder oder ihrer migrantischen Kolleg_innen minimal beteiligt. Viele der Flüchtlinge, die jetzt an den Grenzen der „Festung Europa“ mit Drohnen und Militärschiffen vertrieben werden sollen oder in den europäischen Ländern unter dem täglichen Rassismus leiden kommen außerdem aus Teilen der Welt, in denen Krieg oder Regimes herrschen. Diese Kriege, wie zum Beispiel in Afghanistan werden aber zum größten Teil zum Vorteil der Länder geführt, die die Flüchtlinge jetzt um ihr Recht zu Bleiben betrügen wollen!

Der Kampf gegen Abschiebungen ist also notwendigerweise ein Kampf gegen das kapitalistische System: Gegen ein System von Ausbeutung, Unterdrückung und Ausgrenzung. Gegen imperialistische Kriege und wirtschaftlich kolonialisierte Länder, gegen Stacheldraht an den Grenzen und gegen staatlichen Rassismus. Diese Mechanismen und wie sie angegriffen werden können muss eine solche Konferenz thematisieren, so wie der Aktivismus der RPCV sie seit seinem Bestehen frontal angreift.

We demand equal rights!

Ein Artikel von REVOLUTION Austria www.onesolutionrevolution.at




Legalisierte Ausbeutung? – Leiharbeit!

Knapp 1 Mio. ArbeiterInnen sind „LeiharbeiterInnen“. Leiharbeit ist ein Phänomen, welches seit Ende der 50er Jahre in Europa rumgeistert und offiziell als Mittel verkauft wird, Auftragsspitzen abzufangen oder in Bereichen mit saisonalen Auslastungen, die Einstellung zu erleichtern. Es fallen Begriffe wie: Mehr Flexibilität für Leiharbeiter und Entleiher, zur Einstiegserleichterung in den Beruf für Neuanfänger und Arbeitslose, als Job-Motor für die Wirtschaft und so weiter und so fort – Kurzum, wird es als das Wundermittel für jede Art von Problem auf dem Arbeitsmarkt verkauft. Dabei können die meisten Firmen von Auftragsspitzen im Moment nur träumen. Trotzdem beglücken sie die Arbeitslosen mit diesem „Job-Motor“.

Die Realität für die Beschäftigten ist jedoch eine ganz andere. Dieses Beschäftigungsverhältnis dümpelte bis Mitte der 80er Jahre unter 100.000 Beschäftigten vor sich hin, gänzlich nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Das Kapital erkannte, dass sich mit der Leiharbeit ein äußerst gelegenes Mittel bot, den Kündigungsschutz zu umgehen, die Zahlen stiegen kontinuierlich an. Die rot-grüne Koalition verschaffte dieser Entwicklung einen immensen Auftrieb, als man ganz im Interesse der Wirtschaft, die Arbeitsvermittlungen dazu verpflichtete, fortan Arbeitslose auch an Leiharbeitsfirmen zu vermitteln – wer Arbeitsämter kennt, weiß, dass dies nicht als freundliches Angebot zu verstehen ist.

Zusätzlich deregulierte die Agenda 2010 die Leiharbeit: Abschaffung der Überlassungsdauer von höchstens 3 Monaten, Abschaffung des Synchronisationsverbots – die Beschäftigung durfte nicht auf die Dauer der Entleihung befristet sein – und des Wiedereinstellungsverbots, welches der Umgehung der Überlassungsdauer entgegen wirken sollte. Man schnürte ein ganzes Paket von Angriffen gegen Arbeits- und Tarifrechte und griff in aller Öffentlichkeit, dass propagierte System des Sozialstaats an, um Deutschland „fit für die Globalisierung zu machen“. Tatsächlich war es auch genau das, zumindest für das Deutsche Kapital. Man konnte billiger beschäftigen, schneller entlassen und trieb einen immensen Keil in den Zusammenhalt der Beschäftigten. Die Leiharbeit wurde entfesselt und die Zahlen stiegen auf den Rekordwert von knapp 1 Millionen LeiharbeiterInnen, bei gleichzeitiger Verdrängung von regulären Stellen.

Damals wie heute -Gerechtigkeit bleibt zeitlos 

LeiharbeiterInnen sind bei den meisten betrieblichen Aktionen außen vor, da sie ständig mit einer Kündigung rechnen müssen, sehen sich durch keinen Betriebsrat vertreten, außer vielleicht in ihrem eigenen Unternehmen – was sie meist nie zu Gesicht bekommen. Zu gerne werden sie aus diesen Gründen als StreikbrecherInnen eingesetzt und zur Arbeit verpflichtet, sonst folgt die doppelte Kündigung: Erst von dem Entleiher, dann direkt vom Verleiher.

Man wird zu großer Arbeitsleistung getrieben, immer mit der Hoffnung vor Augen doch noch eine Festanstellung zu erhalten. Dieser Arbeitsdruck bleibt auch nicht ohne Auswirkung auf die restlichen Beschäftigten. Erhöhtes Auftreten psychischer und physischer Erkrankungen sind die Folgen unter denen Leiharbeiter zu kämpfen haben. Wie ist es auch anders möglich, wenn man immer ArbeiterIn zweiter Klasse ist, ohne Sicherheit und Perspektive. Von dem versprochenen Einstieg ins Arbeitsleben bleibt meist nicht viel, da viele die einmal in diesem Kreislauf gefangen sind, nicht mehr raus kommen. Die finanziellen Auswirkung sind nicht weniger haarsträubend: 13,1 % sind sogenannte AufstockerInnen, ArbeiterInnen die zu ihrem Gehalt noch Harz IV beziehen. Der durchschnittliche Verdienst beträgt 60% eines regulär Beschäftigten. Anspruch auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld besteht nicht. Die Differenzen bei den sogenannten Werkverträgen sind noch gravierender.

Auch die Gewerkschaften konnten vor diesen Verhältnissen die Augen nicht verschließen. Hat man einerseits „wohlwollend“ die Agenda 2010 abgesegnet, untermauerte man die Ausbeutung sogar noch rechtlich. Ein Abschnitt des Arbeitsüberlassungsgesetzes schreibt vor, dass bei gleicher Arbeit auch gleiche Bezahlung zu erfolgen hat, mit Ausnahme wenn ein entsprechender Tarifvertrag verabschiedet wird. Diese Hintertür wurde natürlich seitens der Unternehmer 2006 mittels der christlichen Scheingewerkschaft CGZP genutzt, die Löhne „aushandelte“ weit unter den regulären Tarifen. Das Gegensteuern des DGB bestand darin, ebenfalls einen Tarifvertrag auszuhandeln der jedoch nur minimal besser war. Trotz der nachfolgenden Aberkennung der Tariffähigkeit der CGZP 2011, verlängerte der DGB diesen Tarifvertrag sogar noch. Die IGM erhöhte den Druck etwas in dem Branchenzuschläge ausgehandelt wurden bis zu 50%, was immer noch nur 90% des regulären Lohns beträgt. In schwächeren Branchen gab es jedoch maximal 23%, außerdem werden die Zuschläge erst nach mehrmonatiger Beschäftigung gezahlt, die durchschnittliche Beschäftigungsdauer ist aber weniger als 3 Monate.

Im Oktober diesen Jahres lief der Leiharbeitstarifvertrag wieder aus, aber wieder kämpfte der DGB nicht für eine rechtliche Gleichstellung, sondern handelte einen neuen Tarifvertrag aus. Man vergab also die Chance auf einen Kampf um rechtliche Gleichstellung! Statt Equal Pay gibt es nun eine lausige Lohnerhöhung über drei Jahre hinweg auf 9€ im Westen und 8,50€ im Osten – Beste Vorrausetzung für Harz IV-Aufstockung. Wenigstens als StreikbrecherInnen dürfen Leiharbeiter nicht mehr eingesetzt werden und besitzen das Recht, die Leistung zu verweigern. Der Verleiher darf dann jedoch an andere Betriebe weiterverleihen. Somit eher ein Trostpflaster, statt einerstichfesten Lösung.

Wieso kämpfen die DGB-Gewerkschaften nicht für eine Abschaffung der Leiharbeit, statt sie weiterhin abzusegnen? LeiharbeiterInnen müssen sich in den Gewerkschaften organisieren und zusätzlich eigene, unabhängige Kampfstrukturen bilden um diesen Verrat und die Spaltung durch die reformistischen GewerkschaftsführerInnen zu stoppen!

 Ein Artikel von Baltasar Luchs, REVOLUTION Karlsruhe




Filmkritik: Catastroika

Catastroika ist eine Low-Budget-Dokumentation des griechischen Regisseurs Aris Chatzistefanou (Debtocracy ) und behandelt die Auswirkungen der neoliberalen Politik, an aktuellen Beispielen wie Griechenland oder Italien und bringt sie in den historischen Kontext mit Ländern, an denen dieses Konzept bereits desaströs Anwendung fand.

Manche mögen nun denken, dass der im Frühjahr 2012 erschienen Film, doch bereits ein alter Hut sei. Ganz im Gegenteil jedoch besitzt diese Thematik noch immer, dramatische Aktualität, da die grundlegende Situation die gleiche geblieben ist.

Das immer wiederkehrende Hauptthema des Films sind die seitens des IWF, EZB, der führenden Gläubigerländer wie Deutschland und Frankreich, sowie beteiligter Großbanken, auferlegten Sparmaßnahmen für Griechenland und der damit verbundenen systematischen Zerstörung des öffentlichen Besitzes. Verglichen mit der Massenprivatisierung die während des Zusammenbruchs der Sowjetunion und der DDR stattfand, wird dargelegt, wie ohne jedes Zutun der Öffentlichkeit, der Besitz an Infrastruktur und Produktionsunternehmen verschachert wird. Bestechung von sogenannten „Treuhand-Gesellschaften“ oder Politikern sind dabei ein gängiges Mittel. Der Besitz an Boden, Anlagen oder Immobilien wechselt zu Schleuderpreisen den Besitzer, das Geld wird sogar durch Weiterverkauf aus den Gütern selbst geholt.

Die aus der Privatisierungs-, Deregulierungs- und Sozialkürzungswelle enstandenen Konsequenzen sind immens und lassen auch keine Besserung erwarten. Massenarbeitslosigkeit, Armut, Prostitution und Kriminalität sind die direkten Folgen, unter denen die Bevölkerung zu leiden hat. Die Dokumentation arbeitet dabei besonders auffällige Wirtschaftsbereiche ab, die auch im Zentrum der griechischen Politik stehen. Verglichen mit der Privatisierung der britischen Eisenbahn, der Pariser und der italienischen Wasserversorgung, des Stromversorgung in Kalifornien – also ein Rundumschlag gegen den öffentlichen Sektor. Die Folgen sind identisch: Preisanstieg um mehrere hundert Prozent, Verschlechterung der Versorgung und Qualität und massenhafter Verlust von Arbeitsplätzen.

Demokratische Vorgänge wie gewählte Regierung oder Volksentscheide werden dabei umgangen. Mittels Propaganda-Kampagnen der Medien schürt man Stimmungen in der Bevölkerung oder „schafft“ erst noch Probleme, wo keine sind. Die Gewinne werden selbstverständlich ebenfalls Privatisiert, die Milliardenschulden verstaatlicht – von den generationenlang aufzubringenden Reparationskosten für die heruntergewirtschafteten, überlebenswichtigen Bereiche ganz zu schweigen.

Der Film führt den Zuschauer*innen erschreckend klar die Auswirkungen der durch die Medien sonst verklärten Politik des Neoliberalismus vor Augen. Eine direkte Schlussfolgerung, wie eine politische Antwort der Bevölkerung darauf auszusehen hat oder wie gezielt der Protest zu organisieren ist, wird nicht präsentiert. Doch dies ist auch gar nicht die Absicht des Films. Die Konsequenzen die man daraus zu ziehen hat, werden dem Beobachter selbst überlassen.

Trotz des „niedrigen“ Budgets von 25.000 Euro wird eine extrem intensive Atmosphäre, durch ausgewählte Film- und Fernsehausschnitte erzeugt, eingestreute Interviews und einer gekonnten musikalischen Untermalung. Auch bekannte Personen wie Slavoj Zizek , Naomi Klein , Ken Loach oder Greg Palast kommen zu Wort. Catastroika ist dabei komplett von Spenden finanziert worden. Im Internet ist er kostenlos zu finden und dank der hohen Auflösung, auch zur öffentlichen Ausstrahlung gedacht.

Man merkt dem Machwerk an, dass es dabei nicht um eine arrogant-überhebliche Betrachtung des Geschehenen geht, sondern um das Informieren breiter Massen der Gesellschaft. Die Dokumentation will Aufmerksamkeit schaffen, wo noch keine ist und dem Betrachter vor Augen führen, dass der Widerstand der Bevölkerung das einzige Mittel ist, auf diese Angriffe zu reagieren. Ein entscheidender Punkt wird dabei jedoch außen vor gelassen: Die Rolle des bürgerlichen Parlamentarismus. Es wird keinerlei Aussage darüber getroffen, ob diese Probleme innerhalb des bestehenden Wirtschafts- und Politiksystems lösbar sind oder nicht. Die Verstrickung der politischen Vertreter kommt zwar zur Sprache, die Systematik dieser Zusammenarbeit wird aber nicht beleuchtet.

So ist das Schlusswort: „Die Antwort auf Privatisierung kann dennoch nicht sein, die Rückkehr zu einer Situation, die uns dahin brachte, wo wir jetzt stehen. Das Ziel heißt Kontrolle des öffentlichen Eigentums durch die, die es geschaffen haben: die Werktätigen.“, zwar einerseits eine Kampfansage an die bestehenden Verhältnisse, kann in seiner Konsequenz aber sehr weit interpretiert werden. Die Überlegung, was das probate Mittel ist die Allianz aus Kapital und Politik zu zerschlagen, ist aufseiten des Publikums.

Ein Artikel von Balthasar Luchs, REVOLTUION Freiburg




„Government Shutdown“ wegen „Obamacare“

Das neue Haushaltsjahr begann für die USA mit einigen Schwierigkeiten. Da am Stichtag 1. Oktober die Haushaltsmittel noch nicht vom Kongress bewilligt waren, mussten am nächsten Tag rund 800.000 Staatsbedienstete in unbefristeten, unbezahlten Urlaub geschickt werden. Touristische Ziele wie Nationalparks und die Freiheitsstatue blieben geschlossen, die Zollstellen arbeiteten mit halber Besetzung, Gerichtsverhandlungen und andere Verfahren der US-Bürokratie mussten verschoben werden unangetastet blieben jedoch beispielsweise Polizei, Geheimdienste und Teile des Militärs. Problematisch wurde es außerdem für diverse Rüstungskonzerne wie BAE Systems und United Technologies, welche das US-Militär direkt beliefern, aber auch für andere Unternehmen (z.B. Boeing, Airbus), die aus den USA exportieren. Bei allen gingen tausende Angestellte ohne Gehalt nach Hause und auf Grund fehlender Dokumente und einem verzögerten Zollverfahren wurden hohe Profiteinbußen verzeichnet, was sich auch an der Börse bemerkbar machte. Die Schätzung der Schäden des insgesamt 16 Tage andauernden Shutdowns liegen bei 24 Milliarden Dollar. Die Gehälter der Beamt*innen sollen nun rückwirkend bezahlt werden. Doch wie kam es überhaupt dazu zu einem derartigen Debakel?

Senat, Repräsentantenhaus und Präsident müssen sich über eine neue rechtliche Grundlage für die Bewilligung von Haushaltsmitteln einigen, wenn die bisherige ausläuft. Der Vorschlag der Demokraten sah eine Anhebung der Schuldengrenze, sowie die Krankenversicherungsreform von Präsident Obama vor. Die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus jedoch lehnt „Obamacare“ ab. Die Opposition gibt die damit verbundenen erhöhten Gesundheitsausgaben und Steuererhöhungen als Grund an undwollen verhindern, dass sich der Staat vermehrt in das unübersichtliche Versicherungssystem einmischt. Das wäre ja schon fast Kommunismus. Seit Monaten läuft die Kampagne gegen die Reform, welche den Versicherungsmarkt transparenter gestalten soll. Um diese also zumindest zu verzögern verabschiedeten sie einen Gegenvorschlag und blockierten so die Haushaltsbewilligung. Der Regierungsapparat musste herunterfahren. Hinzu kommt noch, dass ohne eine neue Schuldenobergrenze am 17. Oktober das Maximum der Staatsverschuldung von 16,7 Billionen $ erreicht worden wäre. Ohne die Möglichkeit, neue Kredite aufzunehmen, wäre ein Staatsbankrott unumgänglich gewesen, welcher ein Chaos in Finanzsystem und Wirtschaft ausgelöst und die Situation der Bevölkerung noch verschlimmert hätte.

Nach mehr als zwei Wochen einigten sich Demokraten und Republikaner endlich auf einen Übergangshaushalt. Die Schuldenobergrenze wird soweit angehoben, dass die USA mindestens bis zum 7. Februar 2014 liquide bleiben. Alle lahmgelegten Verwaltungen und Einrichtungen haben mittlerweile ihre Arbeit wieder aufgenommen. Die Republikaner haben eine Verschiebung von „Obamacare“ auf nächstes Jahr und die Abschaffung einer Steuer auf medizinische Geräte erreicht. Als Sieg kann man das jedoch nicht bezeichnen, ein großer Teil der Menschen ist mit dem Vorgehen der Republikaner unzufrieden und gibt ihnen die Schuld an den Auswirkungen der Blockade, wie den nicht erhaltenen Gehältern, der Gefährdung ihrer Arbeitsplätze sowie der gesamten Wirtschaft. Besonders die Tea Party ist laut Umfragen in ihrem Ansehen gefallen, immer weniger Amerikaner*innen haben Illusionen in die Politik der Konservativen. Doch der Shutdown ist auch ein Armutszeugnis für die gesamte amerikanische Regierung und den bürgerlichen Staat an sich. Es wurde wieder einmal deutlich gemacht, dass er unfähig ist, die Interessen der lohnabhängigen Bevölkerung zu vertreten, nur ein Werkzeug der Kapitalistenklasse darstellt und abgeschafft gehört.

 Ein Artikel von Felix Ernst, REVOLUTION




Remagen 2013 – Antifa in der Überzahl

Nazis verschiedener Gruppierungen und Parteien (DIE RECHTE, der dritte Weg) hatten für vergangenen Samstag zu einem „Trauermarsch“ für die angeblich 1.000.000 Wehrmachtssoldaten, die in Kriegsgefangenenlagern starben, aufgerufen.

 

Bereits zum vierten Mal sollte dieser Aufmarsch stattfinden. Die antifaschistischen Gegenaktionen fielen in den vorigen Jahren klein aus und wurden von der Polizei kriminalisiert.

 

In diesem Jahr gelang es durch breitere Mobilisierung über 450 Antifaschist*innen ins abgelegene Remagen zu bringen und den antifaschistischen Protest so in die Provinz zu transportieren.

Schon früh morgens sammelten sich die Teilnehmer*innen der Gegendemo am Remagener Bahnhof und bereiteten sich darauf vor zunächst quer durch das Städtchen, parallel zur Naziroute zu ziehen und anschließend die Nazidemo möglichst wirkungsvoll zu stören.

afademoremagen2013

Der bunte Demozug setzte sich in Bewegung und gut gelaunte Antifaschist*innen zogen friedlich durch die Straßen. Am Ort der Zwischenkundgebung angelangt wurden Reden gehalten bevor sich die Demonstration wieder auf den Weg zum Bahnhof machte. Schon auf dem Weg gab es Versuche der Polizei die Teilnehmer*innen durch das Bilden eines Spaliers zu provozieren.

Am Bahnhof angekommen war nun das Ziel nach Möglichkeit auf die Route der Faschos zu kommen. Nach längerem Katz-und-Maus Spiel mit der Polizei fanden sich jedoch alle hinter den Absperrungen und Polizeiketten wieder.

Die erhebliche Polizeipräsens sorgte zwar dafür, dass es keine(wirksamen) Blockaden gab, allerdings ist es auch ein Erfolg, dass zum ersten Mal mehr Gegendemonstrant*innen als Nazis in der Stadt waren und es zumindest schafften bis auf Ruf- und Hörweite an die Route heranzukommen.

Nächstes Jahr: Nazis in Remagen stoppen!




Große Koalition: Koalition fürs Kapital

Vor rund 8 Wochen gab es nun Bundestagswahlen in Deutschland. Dabei erreichte die bürgerliche CDU ein historisches Ergebnis von 41,5% und gewann somit 7,7% im Vergleich zu 2009 hinzu. Dass die liberale FDP mit 4,8% aus dem Parlament geflogen ist, ist für uns Jugendliche zwar ein Trost, wenn auch nur ein kleiner. Denn trotz FDP Wahlniederlage konnte sich Merkel als Symbol für wirtschaftliche Stabilität und den insgesamt noch recht guten Stand der deutschen Wirtschaft etablieren und ihr Amt als Kanzlerin behalten. Hinzu kommt, dass die konservativ rechts-populistische AfD um Haaresbreite in den Bundestageingezogen wäre, und das 6 Monate nach ihrer Parteigründung. Somit ist die Schwarz/Gelbe Regierung zwar abgewählt, Grund zum Jubeln besteht aber trotzdem nicht.

Die Taktik der SPD sich im Wahlkampf durch Forderungen nach einem Mindestlohn und der Erhöhung der Steuern für Reiche, als links dazustellen um somit mehr Stimmen der Jugend und Arbeiterklasse auf sich zuziehen ging nur minimal auf, sie bekam am Ende nur 25,7 % was ein minimales Plus von 2,7% der Stimmen bedeutet. Die LINKE hingegen, welche im Wahlkampf die weitest gehenden Forderungen im Interesse der Jugend und Arbeiterklasse gestellt hat(Mindestlohn, Abschaffung der Rente67/Hatz4, Ende des Afghanistan Einsatzes, etc. . .) und im Gegensatz zur SPD dies auch schon immer tat kam auf nur 8,6% der Stimmen was ein Verlust von 3,3% im Vergleich zur Wahl vor 4 Jahren bedeutet. Doch was sind die Gründe hinter diesem Wahlergebnis der Partei, die sich trotz ihrer reformistischen Ausrichtung, am kritischsten dem Kapitalismus gegenüber gab?

Einerseits waren wohl viele früheren LINKE Wähler*innen enttäuscht von deren Politik auf Landes und Kommunalebene, auf denen sich die Partei genauso in das bürgerliche Krisenmanagement einordnet wie alle anderen auch, andererseits zeigte sich die LINKE in den letzten Jahren vielen Aktivistin*innen auf der Straße alles andere als kämpferisch, zwar wurden alle Groß-Mobilisierungen formell unterstützt, selbst mobilisierte sie aber meistens nie dem Ausmaß ihrer Möglichkeiten entsprechend, genauso wie sie oft versäumte sich aktiv in soziale Bewegungen, Kämpfe und Streiks einzubringen und diese voranzutreiben. Dasselbe gilt für die Beteiligung in Gewerkschaften, dort hätte sie ihre Strukturen und ihren Einfluss ausnützen müssen um eine kämpferische Plattform aufzubauen die in Opposition zur gängigen Sozialpartnerschaftlichkeit, dem Krisenmanagement und dem häufigen Verrat der SPD dominierten DGB Gewerkschaften steht.

Insgesamt kann gesagt werden, dass die relative soziale Ruhe und die wirtschaftliche Stabilität Deutschlands genau in die Hände der CDU spielte, und die beiden bürgerlichen Arbeiterparteien SPD und LINKE Stimmen kostete. Da sich die CDU mit der Absage für eine Zweitstimmenkampagne für die FDP, schon im Vorhinein indirekt für eine große Koalition ausgesprochen hat, und die SPD kategorisch jede Zusammenarbeit mit der LINKEN ablehnt, stehen wohl alle Zeichen auf Schwarz/Rot.

In den laufenden Koalitionsverhandlungen wurde auch schnell klar wie es wirklich um die Forderungen der SPD und die zukünftige Regierung bestellt ist. Um der CDU entgegenzukommen wurden relativ schnell viele Forderungen fallengelassen, so z.B. die Erhöhung der Reichensteuer. Der lächerliche Mindestlohn von 8,50€ (ungefähr. 1000€ Netto bei einer 40 Stundenwoche) steht zwar noch zur Debatte, aber auch nur weil sonst die verbliebene Parteibasis, die ohnehin schon mehrheitlich gegen eine große Koalition ist, nur noch weiter in Aufruhr gebracht werden würde. Dabei ist davon auszugehen, dass der Mindestlohn falls er wirklich von Schwarz/Rot durchgesetzt wird, an Versprechen an das Kapital knüpfen wird, so sind schon Infrastruktur Investitionen von 12 Milliarden € beschlossen. Zudem sind im Fall eines neuen wirtschaftlichen Abschwungs Kürzungen und soziale Angriffe der kommenden Regierung wohl außer Frage um den bürgerlichen Staat sowie das deutsche Industrie- und Finanzkapital zu retten.

Das die Sozialdemokraten hierzu bereit sind zeigten sie spätestens ab 2001 unter Schröder mit Einführung der Agenda 2010, welche heutzutage immer noch von Mitgliedern des Parteivorstandes als wichtigster Schritt für die Zukunft „Deutschlands“ in den letzten 10 Jahren dargestellt wird. Zudem hat die SPD in der letzten großen Koalition alle Kürzungsentscheidungen, sowie Bankenhilfen in Deutschland und Europa in der Krise 2008/2009 mitgetragen.

Für uns Jugendliche hat die neue Regierung also nicht viel übrig. Bei den nächsten Anzeichen des ökonomischen Abschwungs – und die momentane Lage sieht sehr nach einer Wiederkehr einer globalen Kriese aus – werden wieder Bildungs- und Sozialausgaben gestrichen und den Kapitalisten unser Geld hinterher geschmissen. Deswegen muss es vor dem Hintergrund der Krise für uns Jugendliche vor allem darum gehen Widerstand gegen Staat und Kapital aufzubauen und uns selber zu organisieren. Die Beispiele aus Spanien und Griechenland zeigen aber, dass trotz massenhaftem Widerstand und mehreren eintägigen Generalstreiks die Lage nicht zwangsläufig verbessert werden kann bzw. Staat und Kapital ihre Angriffe und Kürzungen zurück nehmen.

Deshalb ist es umso wichtiger für uns ein einheitliches Aktionsprogramm gegen die Krise aufstellen und gemeinsam zu beschließen. Dieses Programm muss aufzeigen wie wir gemeinsam aktiv gegen die Krise und deren Verursacher vorgehen und diese in unserem Interesse lösen. Darin dürfen wir uns nicht in unsren Aktionsformen beschränken – nur der unbegrenzte politische Generalstreik wird so viel Druck aufbauen können um die Herrschenden wirklich zu bewegen und anzugreifen.

Zusätzlich wird es unabdingbar sein, dass wir uns mit kämpfenden Jugendlichen in anderen Ländern verbinden und gemeinsam organisieren. Die Handlungen der Troika zeigen, dass die einzelnen nationalen Kapitalfraktionen längst international organisiert sind und dort wo es ein gemeinsames Interesse gibt, wie 8 bei der Abwälzung der Schuldenlasten auf die Arbeiterklasse und Jugend koordiniert vorgehen. Dem müssen wir eine ebenso Internationale Bewegung und Organisation der Jugendlichen und Arbeiter*Innnen entgegensetzen. Die „europäischen“ Streikaktionen am 14. November 2012 waren ein erster Schritt in diese Richtung und zeigen im Kleinstmaßstab, dass dies möglich ist. Ein erster Schritt wäre eine militante Massendemonstration gegen die EZB Eröffnung im Frühjahr 2014. Denn schlussendlich liegt es an uns den europäischen Widerstand zu organisieren und für unsere Interessen gegen Schwarz/Rot und das Krisenmanagement des Kapitalismus zu kämpfen.

Your Crisis – Our Solution – Revolution!

Ein Artikel von David Pfeifer




Lampedusa ist Mord!

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Vor wenigen Wochen kenterte ein Boot mit über 500 Flüchtlingen aus Afrika, nur 155 konnten gerettet werden, dies war allerdings kein Unglück, sondern die logische Folge der EU-Außen- und Asylpolitik.

Im Mittelmeer ist das seit Jahrzehnten der
Normalfall. Seit Anfang Oktober gab es 4 (bekannte) weitere Kenterungen mit mindestens 50 Toten. Nach Schätzungen der Hilfsorganisation Fortress Europe kamen allein im Jahr 2011 mehr als 2300 Menschen bei ihrer Flucht in den Gewässern rund um Lampedusa ums Leben. Seit 1994 ertranken mehr als 6800 Flüchtlinge auf dem Weg zur Mittelmeerinsel.

Die Toten werden nicht nur billigend in Kauf genommen, es wird sogar aktive Beihilfe zum Ertrinken geleistet. In Italien und Malta gibt es Gesetze, die es z.B. Fischern verbieten Flüchtlingen zu helfen, es droht eine mehrjährige Haftstrafe. Augenzeugenberichte aus Lampedusa prangern vor allem die Küstenwache an, welche Fischer, die Menschen retteten, behinderten. Für eine Rettungsaktion in 500m Entfernung zur Küste, brauchte es schließlich 45 Minuten bis man sie aufs Wasser ließ und sie bei der Unglückstelle eintrafen. Von der EU-Grenzschutzagentur Frontex ganz zu schweigen. Diese sind zwar auf offenem Meer immer in Aktion, wenn es darum geht, Flüchtlingsboote aufzubringen (stoppen und entern) und ihnen Wasser und Hilfe zu verweigern, vor Lampedusa waren sie und ihre Hightech-Ausrüstungen nicht einmal vor Ort. Nach eigenen (! ) Angaben gibt es jedes Jahr 5 bis 10 Fälle, bei denen Boote in internationalen Gewässern illegal zurückgeschickt werden. Die Dunkelziffer ist nur zu erahnen.

 In Deutschland hat Innenminister Friedrich das Problem freilich sofort erkannt: „Fest steht, dass wir noch stärker die Netzwerke organisierter und ausbeuterischer Schleusungskriminalität bekämpfen müssen“, sagte der CSU-Politiker der „Welt am Sonntag“. Dass Tausende Menschen vor Armut, Bürgerkrieg und politischer, ethnischer oder sexueller Verfolgung fliehen, interessiert also nicht. Dass die BRD nur 1,5 % aller Asylanträge zustimmt, fällt genauso unter den Tisch. Sind die Flüchtlinge aber bis nach Deutschland gekommen, erwartet sie so einiges. Seien es rassistische Angriffe, wie in München oder Berlin Marzahn-Hellersdorf, Verweigerung von Notunterkünften, wie in Hamburg und rassistische Gesetze jeglicher Couleur, sei es die Residenzpflicht, die es Asylbewerbern verbietet ihren Landkreis zu verlassen, Polizeirepression durch ständige Kontrollen von Menschen anderer Hautfarbe rund um Asylheime und Quartiere. Viele Menschen- und Bürgerrechte gelten für Geduldete und AsylbewerberInnen erst gar nicht, z.B. das Recht auf Arbeit oder das passive, wie aktive Wahlrecht.

Die Grundlage für die EU-Grenzpolitik ist das Schengener Abkommen, dass 1995 in Kraft trat, damit wurden die inneren Grenzen aufgehoben, gleichzeitig regelt es die Asyl- und Einwanderungspolitik der beigetretenen Länder. Der Auftrag von Frontex lautet, die Mitgliedsstaaten darin zu unterstützen, die Schengen-Außengrenzen vor „illegalen Aktivitäten“ wie Schlepperei, Drogenhandel oder illegaler Migration zu schützen. Dafür stellen Kommission, EU-Parlament und die Mitgliedstaaten der Agentur mehrere Millionen Euro jährlich zur Verfügung, aktuell sind es ca. 88 Millionen Euro. Seither wird der Kampf gegen Flüchtlinge mit immer perverseren Mitteln geführt, Herzschlagdetektoren, LKW- und Schiffs-Röntgengeräte und Atemluftscanner sind in Ländern wie Frankreich, Italien oder Spanien Teil der Standardausrüstung.

Neben dem Schengener Abkommen sorgt vor allem die Dublin II-Verordnung für soziale Ungerechtigkeit. So ist dadurch geregelt, dass sich alle Länder zwar an der Migrationsbekämpfung beteiligen, die Möglichkeit für einen Asylantrag ist aber nur im Einreiseland möglich. Die meisten Abschiebungen in Deutschland gehen daher nicht zurück in das jeweilige Ursprungsland des Flüchtlings, sondern jede 5. Abschiebung geht nach Italien. Dort, und in anderen Grenzländern der EU landen sie dann in völlig menschenunwürdigen Unterkünften, bzw. Zeltstädten, die viel zu klein sind, meist gibt es nicht einmal sauberes Wasser. Es ist kein Einzelfall, dass Lager, die für 200 Menschen ausgelegt sind von 1000 oder mehr bewohnt werden. Die Lage hat sich in den letzten Jahren so dramatisch verschlechtert, dass selbst deutsche Richter die Abschiebung nach Italien, im speziellen Süditalien, vereinzelt verhindert haben. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagte, nach Auswertung aller vorliegender Erkenntnisse ergebe sich das Bild, „dass Italien trotz vorhandener Mängel und einzelner Missstände über ein funktionierendes Asylverfahren gemäß den Standards der Europäischen Union verfügt“. Es gebe daher keinen Grund, die bisherige Rückführungspraxis zu ändern.

 ALL REFUGEES ARE WELCOME!

Bei allem Respekt für die RichterInnen, die sich vereinzelt über geltendes Recht hinweggesetzt haben, verbessert sich so die Situation leider für nicht einmal ein Dutzend Flüchtlinge und für die auch nur marginal. Deutsche Asylbewerberheime sind meist abgelegen von Innenstadt und Nahverkehr oder auch in Schulen, die z.B. aufgrund wegen Asbestverseuchung schließen mussten, aber für Flüchtlinge, so ist sich unser Innenminister Friedrich sicher, reicht das vollkommen aus.

Also ist es mal wieder an uns, an den RevolutionärInnen, den Jugendlichen und allen Menschen, die sich mit Flüchtlingen und Verfolgten solidarisieren, auf die Straße zu gehen, mit ihnen für unsere Rechte zu kämpfen und den staatlichen Rassismus zu bekämpfen, wo es nur geht.

Kampf dem Rassismus!

Volle StaatsbürgerInnenrechte für alle, die in Deutschland leben!

Weg mit den Beschränkungen durch Schengen und Dublin II, für offene Grenzen!

Volles Asylrecht für alle Flüchtlinge! Für das Recht der Verwendung der Muttersprache v.a. bei Ämtern, Behörden und Verträgen!Für mehrsprachige Kitas und Schulen durch die Einstellung migrantischer LehrerInnen und ErzieherInnen!

Kostenloser Deutschunterricht für alle MigrantInnen! Für den Kampf gegen Diskriminierung, ob bei der Wohnungssuche, in Gewerkschaften und für die Kontrolle des Asylrechts durch MigrantInnenausschüsse und ArbeiterInnenorganisationen!

Hans Peter Friedrich und Co. nach Süditalien abschieben (entspricht ja EU-Standards)!

Ein Artikel von Carl Marks, REVO Freiburg




„Nationaler Dialog“ auf dem Rücken der Revolution

In Tunesien ist immer was los – nach dem Sturz Ben Alis 2011 und den darauffolgenden Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung kam es immer wieder zu großen Streiks und Demonstrationen – die Mehrheit davon richtete sich gegen die islamistische Regierungspartei Ennahda. Sie bekam bei der Wahl 2011 die meisten Stimmen und stellte somit die Leitung der Versammlung. Jedoch ist sie dem Auftrag der Tunesier*innen, eine neue Verfassung zu entwerfen und Neuwahlen zu organisieren bis jetzt nicht nachgekommen. Die wirtschaftliche Lage des Landes wird immer schlechter, besonders für die Armen werden grundlegende Lebensmittel immer schwerer erschwinglich – zudem steigt der islamistische Terror auf Linke und Oppositionelle, was in den vergangenen Monaten die Massen immer wieder spontan auf die Straße brachte, so im Februar, als Chokri Belaid ermordet wurde, aber auch als Mohammed Brahmi im Juli diesen Jahres vor seiner Haustür auf dieselbe Art und Weise umkam – von bewaffneten Männern auf einem Motorrad erschossen. Beide Male wurde Ennahda von der Öffentlichkeit als verantwortlich erklärt. Wohl um massiveren Druck von der Straße und größere Proteste zu verhindern, einigten sich die hohen Herren der Regierung und Opposition nach monatelangen Verhandlungen nun auf einen „nationaler Dialog“ – unter Einbeziehung aller politischen Lager. Der Fahrplan, der ausgehandelt wurde beinhaltet das Einsetzen einer Technokraten-Regierung, die Fertigstellung eines Verfassungsentwurfs nach einer 4-wöchigen Frist, die Ausarbeitung des Wahlrechts und das Einsetzen einer Wahlkommission.

Der nationale Dialog

Am 25. Oktober gab der Gewerkschaftsverband UGTT bekannt, dass der lange angekündigte „nationale Dialog“ unter seiner Vermittlung begonnen habe. Ministerpräsident Ali Larayedh hat versprochen, drei Wochen später zurückzutreten. Was sich für manche nach einer netten, friedlichen Lösung anhört, kann nichts Gutes bringen – zumindest nicht für die tunesischen Arbeiter*innen. Ein „nationaler Dialog“, der alle politischen und wirtschaftlichen Kräfte der „Nation“ einbezieht, bedeutet die Interessen des Proletariats denen der Bourgeoisie unter zu ordnen. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass es ein gemeinsames Interesse aller Tunesier*innen gäbe und ein nationaler Dialog für alle Verbesserungen beinhalte – wie sollen denn Kapitalist*innen dasselbe wollen wie Arbeiter*innen? Und wie lässt sich die Politik der islamistischen Reaktionären mit der der Säkularen vereinbaren? Leider sind die tunesischen Massenparteien, die die Mehrheit der Arbeiter*innen organisieren, eben keine Kampfinstrumente dieser – die UGTT, der größte Gewerkschaftsdachverband, der eine tragende Rolle inden Verhandlungen spielt, sowie die „Arbeiterpartei“ sind reformistische Kräfte, die im Großen und Ganzen bürgerliche Politik mit sozialem Anstrich betreiben. Im Quartett, das sich um die Ernennung einer „neutralen Person“ zur Durchführung des Fahrplans kümmert, sitzen die UGTT, der Arbeitgeberverband UTICA, die Menschenrechtsliga und die Anwaltskammer. Ein bunter Haufen voller Klasseninteressen. Doch genauso wenig wie das Proletariat Hoffnungen in diesen nationalen Dialog setzen sollte, darf es auch keine Illusionen in die kommenden Wahlen haben – selbst die bürgerliche Demokratie (nach „europäischem Vorbild“), welche das halbkoloniale Land noch nie erleben durfte, ist immer noch eine Herrschaftsform der Bourgeoisie, jener, die die Produktionsmittel in den Händen halten – eine Diktatur also gegen die Lohnabhängigen, gegen Arbeitslose, Jugendliche, Frauen und die arme Landbevölkerung.

Kurzum: Die Krise in Tunesien rührt aus tiefen sozialen Widersprüchen in einem halbkolonialen und kapitalistischen Land her und kann nicht einfach beendet werden, indem sich einfach alle an einen Tisch setzen und mal miteinander reden. Die ursächlichen Probleme der Revolution sind nicht gelöst – Jugendarbeitslosigkeit, Polizeirepression, Armut, Verelendung der Massen, die hohe Inflation usw. Doch darum soll es in dem Dialog gar nicht gehen. Man muss also kein Hellseher sein, um das Ergebnis des „nationalen Dialogs“ vorwegzunehmen: die Interessen der Massen werden sich unter die „nationalen Interessen“ unterordnen, und das sind die Interessen der nationalen Bourgeoisie, der Staatsbürokratie und der imperialistischen Verbündeten. Es stellt sich nur die Frage, warum sich auch die mächtige UGTT in den Versöhnungskurs mit Ennahda einreiht, die eigentlich niemand mehr haben möchte.

Die UGTT-Gewerkschaften haben insgesamt etwa 700.000 Mitglieder – gemessen an der Einwohnerzahl Tunesiens von etwa 10 Mio. und am niedrigen Industrialisierungsniveau eine sehr hohe Zahl. Sie hat eine lange Tradition als politisch kämpfende Gewerkschaftsbewegung – unter der französischen Besatzungsmacht ebenso wie unter dem Regime von Habib Bourgiba von 1956 bis 1987. Gleichzeitig waren aber Führende Gewerkschafter*innen mit dem bürgerlichen Staatsapparat verbunden, und besonders unter Ben Ali wurde die UGTT für die Regierung zum Instrument, um die Arbeiter*innenklasse politisch zu kontrollieren. Das konnte aber nicht verhindern, dass regionale Gewerkschaften gegen diese Kontrolle rebellierten, wie 2008 die Rebellion in Gafsa zeigte. 2011 hat die UGTT erst sehr spät die Proteste gegen Ben Ali unterstützt, als bereits absehbar war, dass er stürzen wird – und hat selbst dann noch die letzten verzweifelten Versuche unterstützt, das Regime mit einer „Übergangsregierung“ von Ben Alis Anhängern zu retten, in der 3 UGTT-Vertreter u.a. als Arbeitsminister vertreten waren.

Die Führer*innen der UGTT vertreten nicht die Interessen der Arbeiter*innenklasse, zu oft hat sie diese in ihrem Kampf verraten und an die Regierung oder die Bourgeoisie verkauft und obwohl sie Massendemonstrationen organisierte, doch nie konsequent den Kampf weitergeführt, sondern schlussendlich nur die Arbeiter*innen demobilisiert und deren unabhängige Organisation verhindert. Auch jetzt arbeitet sie für eine Klassenkollaboration, die das Proletariat ruhig stellen, verstärkte Proteste verhindern und das „Nationalbewusstsein“ stärken soll.

Kampf gegen Islamismus

Auch wenn Ennahda einen großen Teil ihrer Anhänger*innenschaft mittlerweile verloren hat, ist das noch nicht das „Ende des Islamismus“ in Tunesien. Seit dem Sturz Ben Alis hat der islamistische Terror massiv zugenommen. Anschläge auf Gewerkschaften, Frauenorganisationen, sowie Linke und Oppositionelle wurden besonders durch die „Liga zur Verteidigung der Revolution“ zu einer tagtäglichen Bedrohung. Diese, aus den in der Revolution entstandenen Nachbarschaftsmilizen hervorgegangenen, militärischen Einheiten stehen Ennahda nahe und sind für einige reaktionäre Attacken verantwortlich, viele Tunesier*innen sehen in ihnen auch die Verantwortlichen für die Morde an Chokri und Brahmi. Auch liefern sich seit einiger Zeit islamistische Rebellengruppen besonders an den Grenzen zu Algerien und Libyen Scharmützel mit dem Militär, wobei immer wieder Soldaten ums Leben kommen. Vor Kurzem gab es sogar einen Selbstmordanschlag, vermutlich durch einen Anhänger der Ansar Al-Scharia (eine der Al-Qaida nahen Terrororganisation) in dem Urlaubsort Sousse und kurz darauf einen gerade noch verhinderten Anschlag in Monastir vor dem Mausoleum Bourgibas. Der reaktionäre Terror wird immer mehr zu einer Bedrohung für die Zivilbevölkerung, aber besonders auch für fortschrittliche Kräfte. Der tunesische Staat muss hilflos zusehen, wie die Wut über den mangelnden Schutz der Bevölkerung mit jedem Anschlag steigt.

Doch der bürgerliche Staat war noch nie und wird niemals ein geeignetes Mittel darstellen um den Islamismus zu unterdrücken oder gar zu zerschlagen. Die Geschichte Nordafrikas und des Nahen Ostens hat uns gezeigt, dass auch ein noch so „weltliches“ bzw. “westliches“ oder mit dem Imperialismus kooperierendes Regime, das islamistische Organisationen radikal unterdrückte und ihre Führungsmitglieder massenhaft verhaften ließ, es doch nie schaffte ihren Einfluss zu brechen, sondern zum Teil genau das Gegenteil erreichte: den Widerstand gegen das Regime anzuführen oder zumindest ein wichtiges Element dessen zu sein. Gleichzeitig bedeuteten diese Verbote islamistischer Kräfte auch immer Verbote fortschrittlicher Kräfte, vor allem revolutionärer und linker Parteien. Und genauso kann der bürgerliche Staat einen Kampf gegen den Islamismus auf einen Kampf gegen den Kommunismus umlegen und Demonstrationen der Arbeiter*innen und Revolutionär*innen mit derselben Legitimation niederschlagen. Stattdessen müssen es die Betroffenen sein, die am meisten unter dem Terror der Reaktion zu leiden haben –Arbeiter*innen und fortschrittliche Organisationen von Frauen_ und Homosexuellen. Die bürgerlichen Parteien und der Staat können noch so radikale Worte gegen die Reaktion fallen lassen, sie haben weder die Macht noch das wirtschaftliche Interesse die Organisierung der Rechten und Faschist*innen tatsächlich zu zerschlagen. Der reaktionären Ideologie muss auch der Nährboden in der armen Bevölkerung entzogen werden, denn sie sind nicht die Erlöser ihres Elends, ihr Ziel ist es, einen religiösen Staat zu errichten, in dem ihre Moralvorstellungen Gesetz sind und die herrschende Ordnung zu sichern. Die Befreiung der Arbeiter*innen und Unterdrückten kann nur das Werk ihrer selbst sein. Genauso muss der Kampf gegen Islamismus letztendlich ein proletarischer sein – der Sozialismus ist der größte Feind der Reaktion, weil er der bürgerlichen Ideologie, egal ob reaktionär oder liberal, das Wasser abgräbt und die arme Bevölkerung unter einem Banner vereint, unabhängig von Religion, Geschlecht oder Herkunft.

Keine Neuwahlen und kein nationaler Dialog können also die politische Farce in Tunesien beenden. Die bürgerliche Demokratie hat keine Antworten auf die politische und wirtschaftliche Krise. Das Land wird vom Islamismus und der imperialistischen Ausbeutung immer mehr zugrunde gerichtet und die Betroffenen sind die Arbeiter*innen, die immer weiter wachsende Armee der Arbeitslosen, die Jugend, die Frauen, die gegen politische und soziale Unterdrückung und Polizeigewalt kämpfen. Die Bürgerlichen haben lange genug geredet und falsche Versprechungen gemacht, es ist an der Zeit ihnen eine proletarische Partei entgegen zu stellen, die die Interessen der Arbeiter*innen konsequent vertritt – eine Partei, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter*innenbewegung vereint. Die Revolution die 2011 begonnen hatte muss vollendet werden, sie muss das System tatsächlich radikal verändern und die Herrschaft des Kapitals stürzen.

Dazu bedarf es einer Organisierung der Arbeiter*innen und der Jugend in den Betrieben und Stadtteilen, sowie der armen Landbevölkerung, in Räten – um geeint agieren zu können, um einen Generalstreik zu organisieren und selbst zu entscheiden wie lange gestreikt wird um Forderungen durch zu setzen. Eine auf diese Massenbasis gestützte Regierung muss die dringendsten Probleme der armen Bevölkerung bekämpfen – ein Programm gegen Armut muss umgesetzt werden – Beschäftigung der Arbeitslosen für einen fairen Lohn, Einführung eines Mindestlohns und Enteignung der Großgrundbesitzer*innen und Kapitalist*innen, Besteuerung der Reichen – jede*r in Tunesien muss sich ein gutes Leben leisten können, Schluss mit der Bereicherung einzelner, Schluss mit Hungerlöhnen! Außerdem muss sich eine Regierung um die Versäumnisse der angebrochenen Revolution von 2011 kümmern: Schluss mit Polizeigewalt und Repression gegen Aktivist*innen und Arbeiter*innen – die Polizei und das Militär des alten Regimes müssen zerschlagen werden und durch demokratische Milizen der Arbeiter*innen und armen Massen ersetzt werden. Nur diese können auch die islamistischen Banden tatsächlich zerschlagen, die genauso konterrevolutionär und antiproletarisch sind! Die Generäle und Folterknechte in den Gefängnissen sowie alle Hintermänner und die islamistischen Terrorist*innen, die Mörder Belaids und Brahmis, die korrupten Richter sollen mit ihren Verbrechen nicht davon kommen, sie müssen vor ein von den Massen gewähltes Tribunal gestellt und demokratisch verurteilt werden! Verstaatlichung aller Unternehmen unter Arbeiter*innenkontrolle, egal ob tunesisch oder US-amerikanisch oder europäisch. Die Fabriken denen, die darin arbeiten und das Land denen, die es bewirtschaften.

Ein Artikel von Ilona Szemethy, REVOLUTION Wien