Neues Hoffnungsprojekt: Volkseinheit

Von Georg Ismael

Würde das Verhältnis der breiteren deutschen Linken zur griechischen Linken eine zwischenmenschliche Beziehung darstellen so müsste ihr im Grunde genommen die Schamesröte ins Gesicht steigen. Ihr Verhalten drückt sich nicht nur durch außerordentliche Oberflächlichkeit, Sprunghaftigkeit sowie einen Mangel an Reflektionsfähigkeit aus. Es beweist darüber hinaus auch, dass die eigene Unfähigkeit die Verhältnisse zu verstehen und grundlegende Antworten darauf zu finden, versucht wird durch den Bezug auf die „Anderen“ zu überspielen.

Konkret sprechen wir auf das Verhältnis der deutschen Linken zur Partei SYRIZA unter Alexis Tsipras an. Sowie auf den Wahlblock und der möglicherweise neuen Partei „Laiki Enotita“ (Volkseinheit). Nachdem am 5. Juli 2015 61% der griechischen Wähler_innen, unter ihnen vorwiegend Jugendliche, Arbeiter_innen und Arbeitslose, in einem Referendum gegen ein weiteres Spardiktat unter der Troika aus Europäischer Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) gestimmt hatten, verriet SYRIZA kurz danach genau jenes Mandat und unterzeichnete gar ein härteres Sparpaket. Dieser Verrat am „OXI“, des Neins zu den Angriffen des griechischen, aber insbesondere auch des französischen und deutschen Kapitals auf die griechischen Arbeiter_innen und Jugendlichen, führte letztlich zu einer Spaltung innerhalb SYRIZA´s und der Gründung der heutigen Volkseinheit.

Griechenland Volkseinheit

Griechenland Volkseinheit

Altes Hoffnungsprojekt SYRIZA

Bis dahin war die reformistische Partei SYRIZA das große Hoffnungsprojekt der LINKEN im allgemeinen, der meisten Organisationen welche sich in der LINKEN befinden, sowie eines beträchtlichen Teils des Autonomen Spektrums wie beispielsweise Teilen der Interventionistischen Linken (IL).

Doch leider weilten sich Organisationen wie Marx21 oder der Internationalen Sozialistischen Linken (ISL) in unkritischer Unterstützung, anstatt eine grundlegende Kritik an SYRIZA auf ihrem Weg von einer vermeintlichen „Anti-Kürzungspartei“ hin zu einer offenen Partei des Spardiktats zu formulieren. Aber gerade dies wäre und ist die Aufgabe von Revolutionär_innen.

SYRIZA war von Beginn an eine reformistische Partei, das heißt eine Partei die ihrer eigenen Ideologie nach den Kapitalismus zum besseren hin reformieren wollte. Das bedeutet aber auch, dass ihre gesamte Politik, ihr Schicksal unweigerlich an den Kapitalismus gebunden war und ist. Das sich ihre Politik im Zweifelsfall auf die Rettung des Kapitalismus und gegen die revolutionäre Aktivität der Klasse richten muss. Uns war das von Anbeginn klar und es wäre jedem und jeder Revolutionär_in klar gewesen, die sich das Wahlprogramm von Thessaloniki angesehen hätte.

Sehr wohl war uns aber auch bewusst, dass Millionen von griechischen Arbeiter_innen und Jugendlichen ihre Hoffnungen in SYRIZA legten. Es war also die Aufgabe von Revolutionär_innen bei ihnen zu sein, während sie ihre Erfahrungen mit SYRIZA machten. Aber nicht alleine das „bei ihnen sein“ im Sinne eines unkritischen Weggefährten war die Aufgabe von Revolutionär_innen, so wie es fast ausnahmslos die deutsche Linke tat, sondern das bei ihnen sein im Kampf gegen die Memoranden. Dies hätte einhergehen müssen mit dem gleichzeitigen Aufzeigen der Unmöglichkeit diese Memoranden mit der reformistischen Politik und Passivität SYRIZA´s und der bürgerlichen Regierung aus ANEL und SYRIZA zu bekämpfen.

Nach diesem unvermeidlichen Verrat SYRIZA´s, können wir zwei vorherrschende Tendenzen in der deutschen Linken beobachten. Ein Teil sammelt sich um den rechten Flügel der Linkspartei, der weiter, als wäre nichts geschehen, die SYRIZA Führung unterstützt. Gregor Gysi drückte das auf der zentralen Wahlkampfveranstaltung von SYRIZA folgendermaßen aus „Ihr hattet sehr schwere Verhandlungen mit meiner Regierung, aber ihr habt das bestmögliche Ergebnis herausgeholt. Außerdem war die Situation vor der Vereinbarung unkalkulierbar. Jetzt, wo die Gefahr eines Grexit gebannt ist, ist alles kalkulierbar.“

Nicht nur das Gysi die Offenheit besitzt von der derzeitigen reaktionären, deutschen Regierung aus CDU und SPD als „seiner“ Regierung zu sprechen. Er stellte zusätzlich diesen historischen Betrug SYRIZA´s praktisch als alternativlos dar. Vor allem macht er sich aber Gedanken über die Kalkulierbarkeit der kapitalistischen Krise und möglicher Unkalkulierbarkeiten eines entschiedenen Neins zu Krise und Sparpaketen, welches große Klassenkämpfe mit sich bringen könnte. So sprechen tatsächlich die Vertreter der Kapitalisten. Die deutsche Regierung hätte es selbst nicht besser ausdrücken können.

Das Problem ist aber, dass die Linken in der LINKEN zwar diese Aussage von Gysi ablehnen, dass sie gefühlt auf der Seite des OXI stehen, sie aber keine konsequente politische und programmatische Alternative artikulieren und sich damit selbst zur Passivität verdammen.

Es ist ja auch nicht so, als ob die Regierung aus ANEL und SYRIZA nicht bereits vorher größere soziale Angriffe durchgeführt hätte. Die Halbierung der Subventionen für Benzin und Petroleum, die vor allem die ländliche Armut trifft und jene, die nun im Winter frieren müssen kann als Beispiel herangezogen werden. Selbst schon durch die Gründung der Regierung mit einer nationalistischen, rechtspopulistischen ANEL war ein offensichtlicher Bruch mit dem Wahlversprechen zur Bildung einer „Linken Regierung“. Darüber hinaus wurde dieser Partei der Posten des Verteidigungsministers, das heißt die Kontrolle über das Militär zugeschachert. Ein weiterer unglaublicher politischer Einbruch, den in Deutschland breite Teile der Linken herunterspielten.

Tatsächlich hätten damals Revolutionär_innen gerade jede Schwäche, jedes Versäumnis und jeden Bruch mit den gemachten Versprechen SYRIZA´s aufzeigen sollen. Sie hätten schonungslos Forderungen an SYRIZA stellen müssen diese zu verwirklichen und im Zweifelsfall die Basis SYRIZA´s gemeinsam mit anderen Arbeiter_innenorganisationen und Gewerkschaften in Griechenland mobilisieren müssen, um Druck auf die Regierung auszuüben. Solche Mobilisierungen, wie die OXI-Mobilisierung eine war, wäre ein wichtiger Ansatzpunkt zur Schaffung von Aktionskomitees und eigenständigen Gegenmachtorganen der Arbeiter_innenklasse zum bürgerlichen Staatsapparat gewesen. Auf ihrer Grundlage wäre es zweifach möglich gewesen, SYRIZA aufzufordern mit der kapitalistischen und reaktionären ANEL zu brechen und ihre Regierung stattdessen auf die Komitees und die Mobilisierung der Arbeiter_innen, Jugendlichen und Migrant_innen zu stützen. Eine solche Herangehensweise, verbunden mit einer grundlegenden Darlegung der Notwendigkeit der sozialistischen Revolution gegenüber der reformistischen Politik der SYRIZA Führung hätte möglicherweise den geschehenen Verrat in dieser Form verhindern, zumindest aber die Kräfteverhältnisse bedeutend besser gestalten können.

Zu dieser alternativen Politik war jedoch die deutsche Linke, und leider auch die griechische Linke, nicht bereit. Stattdessen wurde SYRIZA bis zum Schluss beinahe unkritisch unterstützt. Die Zeche allerdings muss die griechische Arbeiter_innenklasse, Jugendlichen und die Migrant_innen bezahlen. Mit Sicherheit eine unangenehmere Erfahrung, als in der gemeinsamen Aktion eine kritische Diskussion zu führen. Diese kritische Diskussion wurde von breiten Teilen der deutschen Linken abgelehnten, da dies nicht ihrem Verständnis von „internationaler Solidarität“ entspräche.

Neues Hoffnungsprojekt Volkseinheit



Das Verhältnis insbesondere der deutschen Linken zu SYRIZA war problematisch. Grundlegend kann auch gesagt werden, dass die Fehler welche die reformistische und zentristische Linke in Deutschland zum Zeitpunkt des Hypes rund um SYRIZA begingen, vorausgesehen werden konnten. Aber gehen wir einmal für einen Augenblick davon aus, dass dem nicht so wäre. Wir müssten nun eigentlich davon ausgehen, dass man nach SYRIZA schlauer sei. Das man die Erfahrungen bilanzieren müsste und einen genaueren Blick auf die grundlegende Politik die zum Verrat SYRIZA´s führte anschaut und die neuen Perspektiven und Alternativen dazu beleuchtet. Aber leider ist dies zumindest bei führenden Figuren der deutschen Linken und etlichen Organisationen Fehlanzeige. Denn es gibt ja bereits das nächste Hoffnungsprojekt, auf das man sich unkritisch stürzen kann. Es heißt Laiki Enotita, zu deutsch Volkseinheit.

Man könnte gerade behaupten, dass sich so ungestüm auf dieses neue Phänomen gestürzt wird, gerade um nicht einmal tief einzuatmen und das Geschehene zu reflektieren. Die Politik SYRIZA´s noch einmal grundlegend zu hinterfragen und sich ernsthafte Gedanken um das Programm als Ganzes zu machen.

Ja, es ist richtig, dass sich nun um eine spezielle Frage eine politische Debatte entfaltet: um die Frage der EU und des Euros. Aber wenn Janine Wissler und Nicole Gohlke, Mitglieder von Marx21 sowie Abgeordnete des Bundestages für die LINKE, schreiben, dass der Bruch der „Volkseinheit“ mit SYRIZA nun ein großer
Fortschritt wäre sowie die Linke in Europa nun kritisch die EU hinterfragen müsse, so drückt dies nur die Rückschrittlichkeit der LINKEN aus. Aber leider keinen Fortschritt in der revolutionären Gedankenwelt. Denn es könnte auch erwidert werden, dass vor rund 10 Jahren hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen von Menschen gegen die neoliberalen EU-Verträge von Lissabon demonstrierten und stimmten. Nachdem aber die europäische Bourgeoisie sich durch Verhandlungen in den Hinterzimmern hinten rum doch durchgesetzt hatte, wurde es in der reformistischen Linken Europas salonfähig von einem „sozialen Europa“ unter der kapitalistischen EU zu träumen.

Warum diejenigen, die sich als Kapitalismuskritiker_innen verstehen und bis vor kurzem noch SYRIZA unterstützten aber erst jetzt darauf kommen, dass möglicherweise ein Bruch mit den Illusionen in die EU und im Zweifelsfall auch mit dem Euro nötig ist, um die Spardiktate zu bekämpfen, kann gerne als Frage formuliert werden. Eine andere, fast spannendere Frage ist aber, was eigentlich die Alternative zur EU und dem Euro darstellen soll?

Die Führer_innen der Volkseinheit um Lafazanis oder Zoe Konstantopoulou geben darauf eine einfache und simple Antwort. Die Alternative ist ein Austritt aus der EU und ein Ausscheiden aus dem Euro, welches zu einem Belebung des griechischen Kapitalismus führen soll. Doch dieses Programm ist nicht nur von Beginn an utopisch, weil es davon ausgeht, dass Schäuble und Merkel Griechenland einen geordneten kapitalistischen Ausstieg und somit dem Rückzug aus dem Einzugsgebiet des deutschen Imperialismus erlauben würden. Gleichzeitig ist es utopisch zu glauben, dass die griechische Wirtschaft unter den aktuellen Bedingungen auf nationaler kapitalistischer Grundlage genesen könnte. Es ist aber neben seinen utopischen Zügen auch ein reaktionäres Programm von Lafazanis und Konstantopoulou, da es letztlich genauso auf die Rettung des Kapitalismus gerichtet ist, wie das SYRIZAs.

Der Weg auf dem die Volkseinheit dieses Ziel erreichen will, ist fast noch katastrophaler, nämlich wie der Name es bereits sagt, durch eine „große patriotische Front des Volkes“, die alles von der Arbeiter_in bis zum mittleren Unternehmer einschließt. Neben der berechtigten Frage, wo die Volkseinheit eigentlich diese „fortschrittlichen“ Teile der Kapitalistenklasse auftreiben möchte, ist es eine politische Kampfansage an einen unabhängigen Klassenstandpunkt der Arbeiter_innen. Aber gerade dieser ist in einer Situation in welcher nicht nur die Nea Demokratia, sondern auch die Faschisten an Kraft gewinnen, doppelt wichtig.

Die Politik der Volkseinheit ist, wenn man sie genau betrachtet also nicht linker als das Programm von Thessaloniki, das Parteiprogramm von SYRIZA von 2012. Es ist insgesamt bedeutend unkonkreter, zielt ebenfalls auf die Rettung des Kapitalismus ab und ist in wichtigen Fragen sogar rechter, weil es offen zu einem nationalen, klassenübergreifenden Bündnis aufruft, dass Teile der Kapitalisten miteinbeziehen soll.

Doch solch Kritik, hört man von den Organisationen in Griechenland, die sich an dem Wahlblock beteiligen herzlich wenig. Ähnlich verhält es sich mit ihren Schwesterorganisationen in Deutschland von SAV, bis Funke, als auch Organisationen wie Marx21 oder der ISL, die sich nun positiv auf das neue Hoffnungsprojekt stürzen.

In ihrer zweiten Stellungnahme zur Volkseinheit kritisierte die SAV zwar zurecht die undemokratischen Verhältnisse in dem neuen Wahlblock. Dies war aber scheinbar hauptsächlich dadurch motiviert, dass sie letzten Endes keinen Platz auf den Wahllisten angeboten bekamen. In ihrer ersten Stellungnahme, klang es noch fast so, als wäre die neue antikapitalistische Massenpartei in Griechenland gegründet worden („Das Programm, das derzeit von der Basis der „Volkseinheit“ diskutiert wird, ist stark antikapitalistisch“). Eine Kritik an der grundlegenden Programmatik der Volkseinheit bleibt aber auch in der zweiten Stellungnahme aus. Obwohl gerade dies dringend nötig wäre, besonders wenn man dieser Partei eine kritische Wahlunterstützung zukommen lässt wie es die SAV tat.

Auch abschließend bleibt die Frage, wie viel Konsequenz und Mut von den Führer_innen eines Wahlblocks und einer entstehenden Partei erwartet werden kann. Vor allem von den Personen, die den Kampf gegen den rechten Flügel in SYRIZA so lange herauszögerten hatten bis es schlussendlich zu spät war. Denn der letztliche Bruch mit SYRIZA kam nicht durch die Initiative der „Linken Plattform“ und DEA (Werktätige Linke) zustande, sondern dadurch, dass Tsipras kurzerhand Neuwahlen ansetzte und vorher die Linke im ZK damit beruhigt hatte, dass der nächste Parteikongress im September stattfinden würde. Das bedeutete schlicht, dass die linkeren Abgeordneten in SYRIZA nicht erneut auf die Wahllisten gesetzt worden wären. Das war der Punkt an dem die reformistischen und zentristischen Führer_innen geknickt SYRIZA verließen. Nicht nach einer politischen Auseinandersetzung oder gar einem ausgefochtenen Fraktionskampf.

Welches Programm brauchen wir? Für welche Einheit kämpfen wir?

Wer nicht will, dass sich die Dinge wiederholen, der sollte diese Partei einer grundlegenden politischen Kritik unterwerfen und klar und offen ein alternatives, revolutionäres Programm artikulieren. Ein Programm, dass sich nicht auf die Rettung des griechischen Kapitalismus bezieht, sondern auf dessen Sturz. Das sich nicht primär auf den nächsten Parlamentsposten fixiert, sondern wenn es Parlamentsposten gibt, diese genutzt werden, um die Aktivität der Klasse außerhalb des Parlaments zu 100% zu unterstützen.

Natürlich ist es wichtig dieses Programm insbesondere mit den rund 10´000 Mitgliedern, die SYRIZA in Richtung Volkseinheit verlassen haben zu diskutieren. Auch ist es für Revolutionär_innen nicht irrelevant, ob in den jetzigen Wahlen die Kräfte, die für die Spardiktate stehen oder jene Organisationen der Arbeiter_innenkalsse, die dagegen stehen an Stimmen gewinnen. Daher war eine kritische Wahlunterstützung für Parteien wie Laiki nicht nur möglich, sondern auch gerechtfertigt. Das zentrale Ziel einer solchen Wahlunterstützung muss es aber eben sein, die Diskussion über eine grundlegende politische Alternative und ein anderes Programm über die Grenzen von Laiki hinaus anzustoßen. Wenn dieser Prozess angestoßen werden sollte, in Griechenland, sowie auch in ganz Europa, wären wir tausendmal weiter, als wenn die Volkseinheit 1 oder zwei Prozentpunkte mehr in den Wahlen gewonnen hätte.




Grundlagen des Marxismus: Der Staat – Teil 3: Das Absterben des Staates

Von Lukas Müller

Durch die Vergesellschaftung aller Produktionsmittel wird der Staat zum Repräsentanten der gesamten Gesellschaft. Je mehr dabei die Klassenunterschiede verschwinden verschwindet auch der Staat und das Volk nimmt die Verwaltung der Gesellschaft selbst in die Hand. Je größer die an der Ausübung der Staatsmacht beteiligen Personen, desto weniger ist eine eigene Staatsmacht von Nöten. Die Institutionen hören in dem Maße auf zu existieren, wie sie nichts mehr zu tun haben. Der Staat wird also nicht einfach abgeschafft, er stirbt ab. Allerdings nicht durch Reformen, durchgesetzt in den Parlamenten. Sondern nach der gewaltsamen Erkämpfung der Staatsmacht durch das bewaffnete Proletariat und der Ersetzung des bürgerlichen durch den proletarischen Staat.
Engels schrieb dazu:
„Das Proletariat ergreift die Staatsgewalt und verwandelt die Produktionsmittel zunächst in Staatseigentum. Aber damit hebt es sich selbst als Proletariat, damit hebt es alle Klassenunterschiede und Klassengegensätze auf, und damit auch den Staat als Staat. Die bisherige, sich in Klassengegensätze bewegende Gesellschaft hatte den Staat nötig, das heißt eine Organisation der jedesmaligen ausbeutenden Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer äußeren Produktionsbedingungen, also namentlich zur gewaltsamen Niederhaltung der ausgebeuteten Klasse in den durch die bestehende Produktionsweise gegebenen Bedingungen der Unterdrückung (Sklaverei, Leibeigenschaft oder Hörigkeit, Lohnarbeit). Der Staat war der offizielle Repräsentant der ganzen Gesellschaft, ihre Zusammenfassung in einer sichtbaren Körperschaft, aber er war dies nur, insofern er der Staat derjenigen Klasse war, welche selbst für ihre Zeit die gesamte Gesellschaft vertrat: im Altertum Staat der sklavenhaltenden Staatsbürger, im Mittelalter des Feudaladels, in unsrer Zeit der Bourgeoisie. Indem er endlich tatsächlich Repräsentant der ganzen Gesellschaft wird, macht er sich selbst überflüssig. Sobald es keine Gesellschaftsklasse mehr in der Unterdrückung zu halten gibt, sobald mit der Klassenherrschaft und dem in der bisherigen Anarchie der Produktion begründeten Kampf ums Einzeldasein auch die daraus entspringenden Kollisionen und Exzesse beseitigt sind, gibt es nichts mehr zu reprimieren, das eine besondere Repressionsgewalt, eine Staat, nötigt machte. Der erste Akt, worin der Staat wirklich als Repräsentant der ganzen Gesellschaft auftritt – die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft -, ist zugleich sein letzter selbständiger Akt als Staat. Das Eingreifen einer Staatsgewalt in gesellschaftliche Verhältnisse wird auf einem Gebiet nach dem andern überflüssig und schläft dann von selbst ein. An die Stelle der Regierung über Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht „abgeschafft“, er stirbt ab.“1

Der proletarische Staat beginnt also von Anfang an abzusterben. Die Pariser Kommune war für Marx und Engels ein Beispiel für das Zerschlagen der bürgerlichen Staatsmaschinerie und die Errichtung eines proletarischen, absterbenden Staats und somit für Engels „schon kein Staat im eigentlichen Sinne mehr.“2 Doch auch ein absterbender Staat wird erst ganz verschwinden können, wenn eine neue Generation herangewachsen ist, die in Verhältnissen ohne die Ausbeutung der Lohnarbeit und die Unterdrückung des Staates der Kapitalisten groß geworden ist. Eine Generation, die sich von Geburt an daran gewöhnt die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens auch ohne Zwang einzuhalten, die daran gewöhnt ist Teil der Gesellschaft zu sein und diese mitzuverwalten, also auch die Trennung von Hand- und Kopfarbeit vollständig überwindet. Diese wird dann endlich in der Lage sein „den ganzen Staatsplunder von sich abzutun“3, denn es wird niemand mehr da sein, der niedergehalten werden muss. Auch dann erst kann das bürgerliche Recht übertreten werden. Jeder wird nicht nur nach seiner Arbeitsleistung, sondern nach seinen Bedürfnissen Zugriff auf die von allen hergestellten und im Voraus geplanten, ausreichend vorhandenen Konsumgüter haben. Dies ist möglich, da ALLE gesellschaftlich notwendige Arbeit ohne die Hemmnisse einer Klassengesellschaft leisten. Marx:
„In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz körperlicher und geistiger Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch die Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen.“4

Wie lange es dauern wird, bis dieser Prozess des Hineinwachsens in die höhere Phase der kommunistischen Gesellschaft abgeschlossen ist, lässt sich nicht wissenschaftlich ergründen.
Natürlich denkt Marx hier im internationalem Maßstab. Kommunismus kann nicht existieren, während auf dem Rest der Welt noch eine ausbeutende Kapitalistenklasse ihr Unwesen treibt, welche es niemals zulassen würde, dass eine befreite Gesellschaft parallel zu ihr existiert. Diese könnte sich dann, ohne Staat, auch gar nicht effektiv zu Wehr setzen. Kommunismus kann nur international funktionieren.

Dieser Text ist Teil einer Serie zu Staatstheorie. Hier sind die ersten beiden Teil der Serie:

Teil 1 Der bürgerliche Staat
Teil 2 Der proletarische Staat






Anschlag in Ankara: Das größte Massaker der jüngeren türkischen Geschichte

Von Svenja Spunck

Was eine große Demonstration für Frieden und gegen den Staatsterror der AKP werden sollte, endete im blutigsten Massaker der jüngsten Geschichte der türkischen Republik. Über 10.000 junge Menschen aus dem ganzen Land waren über Nacht angereist, um sich vor dem Hauptbahnhof in Ankara zum sogenannten „Miting“ zu versammeln. Hauptsächlich hatten die Gewerkschaften DISK, KESK, TMMOB und TTB mobilisiert, sowie natürlich auch die HDP und viele weitere linke Gruppierungen. Alle schätzten die Demo im Vorhinein als einen gemächlichen Marsch ein, bei dem vielleicht höchstens am späten Nachmittag Ausschreitungen der Polizei gegenüber den Jugendlichen zu erwarten seien. Als wir uns vor dem Bahnhof trafen, herrschte ausgelassene Stimmung, lange nicht gesehene GenossInnen wurden begrüßt, Halay getanzt und kurdische Lieder für Rojava gesungen.

Die Menschen trugen Schilder und Plakate, auf denen stand „Wie haben wir es vermisst, einen Himmel ohne Blut zu sehen“.

Schock, Trauer, Wut


Um 10:04 Uhr detonierten dann inmitten des HDP-Blocks direkt hintereinander zwei Bomben, wovon mindestens eine von einem Selbstmordattentäter gezündet wurde. Fahnen und Körperteile wurden durch die Luft geschleudert, sofort verbreitete sich der Geruch von verbranntem Fleisch und Blut. Die Menschen gerieten in Panik, begannen zu schreien und zu rennen. In den ersten Minuten begriff niemand, was geschehen war. Das menschliche Gehirn reagiert im Schutzmodus: man versucht das Gesehene mit Bekanntem zu verknüpfen. Kam der Knall von einem schweren Gegenstand, der heruntergefallen war? Hatte die Polizei vermutlich in die Menge geschossen? War das Fleisch auf dem Boden vielleicht nur vom Köfte-Stand heruntergefallen? War das dort wirklich ein Herz und daneben eine Leber? Noch während wir rannten und versuchten, unsere GenossInnen zu finden, griff die Polizei die Menschenmenge mit Tränengas an. Dies versperrte den ohnehin ungenügenden Krankenwagen (2!!) den Weg, was sicherlich dazu beitrug, dass im Laufe der nächsten Stunden über 100 Menschen ihr Leben verloren und mehr als 500 verletzt ins Krankenhaus kamen. Ein Video zeigte uns später, dass einige GewerkschafterInnen sich mit Holzlatten gegen die Angriffe der Polizei wehrten – wenigstens eine kleine Möglichkeit, den Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

Nachdem wir uns auf einer nahen Wiese gesammelt hatten, teilten wir uns selbst die glücklichste Nachricht des Tages mit: alle unsere GenossInnen waren gesund, keiner verschwunden oder verletzt. Im Schockzustand, viele in Tränen aufgelöst, liefen wir los, um uns in der Innenstadt im Parteibüro zu versammeln. Als wir am Krankenhaus vorbeikamen, standen Menschen vor der Tür, die jeden nach seiner Blutgruppe fragten und um Spenden baten. Noch die ganze Nacht über gingen Leute in die Krankenhäuser, um zu helfen, sei es nur mit warmen Decken oder Schokolade.

Im Büro angekommen, setzte Stille ein, Totenstille, wie auf einem Friedhof. Die platonische Frage an neu dazukommende Leute „wie geht’s“ wurde mit einem platonischen „gut“ beantwortet. Jedes Telefonat begann mit „Ich lebe“. Im Laufe der nächsten Stunden stieg nicht nur die Zahl der Toten, sondern auch die Zahl der absolut hirnlosen Pressemitteilungen und Interviews von AKP-Politikern im Fernsehen.

Hinter dem Attentat würden vermutlich Terroristen stecken, entweder von der PKK, zwei anderen linken Gruppen, oder auch vom IS. Da sei man sich noch nicht sicher, aber alles sei möglich. Angeblich sei das Motiv der PKK, Mitleid zu erregen und dadurch mehr Stimmen für die HDP bei den kommenden Wahlen am 01. November zu erpressen. Im Grunde zeigen diese zynischen Unterstellungen und Lügen nur, wie die AKP-Führung denkt. Sie unterschiebt der kurdischen Befreiungsbewegung, eine Politik, die sie selbst gegenüber den unterdrückten Massen seit Jahren betreibt.

Wahrscheinlich zutreffend ist auch daher, was der HDP-Vorsitzende Demirtas der Regierung vorwirft, nämlich dass die Anschläge unter Billigung durch die staatlichen Dienste, vielleicht durch deren (Mit-)Organisation stattfanden. Das Attentat von Ankara ist seit dem Verlust der AKP-Mehrheit der dritte Anschlag in Folge auf linke Versammlungen. Kurz vor den Wahlen starben dabei mehrere Menschen in Diyarbakir, danach in Suruc. Erdogan selbst hatte vor kurzem erst deklariert, wenn das Volk ihm und seiner Partei die 400 Sitze im Parlament gegeben hätte, würde das Land nicht im Chaos versinken. Es scheint, als ob dieser Drohung nun Taten folgen, um die gewünschten Tatsachen zu schaffen.

Erst am 09. Oktober hatte die PKK bekannt gegeben, dass sie einen Waffenstillstand ausrufe, einen einseitigen, solange ihre Stellungen nicht angegriffen werden. In Zeiten eines sich anbahnenden Bürgerkrieges und massiver Repressionen gegen die kurdische Bevölkerung im Land ist dies wirklich ein bemerkenswertes Angebot. Die nach wie vor auf die Wahlen konzentrierte HDP könnte auch Anfang November wieder über die 10-Prozent-Hürde kommen. Ihre Hauptforderung, die sie von anderen Parteien unterscheidet, ist der Ruf nach Frieden im Land.

Dass die Spaltung in der Bevölkerung zunahm, zeigten die kürzlich verübten faschistischen Angriffe auf 400 Büros der HDP im ganzen Land. Um ihre Unterstützung zu halten, vielleicht sogar noch zu verstärken, macht die HDP deshalb deutlich, dass sie die Partei sei, die als einzige ernsthaft um Frieden und um das gleichberechtige Zusammenleben der Völker im Land bemüht ist.

Ankara Anschlag Vergeben Vergessen

Wie weiter?


Doch wie weit kommt man mit einer stetig pazifistischen, „reformistischen“ Politik, in einem Land, das von der eigenen Mitgliedschaft als faschistisch bezeichnet wird, in dem die Pressefreiheit ausgesetzt wird und in dem Attentate verübt werden, ohne dass ein Verantwortlicher dafür zur Rechenschaft gezogen wird?

Diese Frage beschäftigt nun viele in der Linken hier. Die Diskussionen über das „Wie weiter?“ finden statt in einer Zeit, in der Blut und Tod auf den Straßen klebt, in der dennoch viele Menschen Hoffnungen auf eine Besserung und auf mehr Demokratie durch die kommenden Wahlen haben und in der alle einer neuen Qualität der Gewalt gegenüberstehen, die auf jeder kommenden Demonstration wiederkehren könnte.

Kann man weitermachen wie bisher? An den Unis kleine Demonstrationen abhalten, zu Generalstreiks aufrufen, an denen sich dann doch nur wenige Betriebe beteiligen und auf facebook Bilder der Verstorbenen teilen, die mit Phrasen unterschrieben sind, die Gerechtigkeit fordern? Oder ist nicht langsam der Punkt erreicht, an dem andere Mittel notwendig sind?

Das Massaker von Ankara zeigt, dass wir es in der Türkei mit einer zunehmenden Tendenz zur nur noch notdürftig verhüllten diktatorischen Herrschaft zu tun haben, dass das AKP-Regime alles andere als ein „normales“ parlamentarisches Regime darstellt. Allein die Existenz einer legalen Massenpartei, die die kurdische Befreiungsbewegung mit großen Teilen der türkischen Linken verbindet, ist trotz ihrer reformerischen Ausrichtung und ihrer oft kleinbürgerlichen sozialen Basis und Programmatik zu viel für den türkischen Staat.

Gegen die zunehmende Repression und die Provokationen des Staates ist es notwendig, eine Einheitsfront aller Organisationen der Linken und ArbeiterInnenbewegung aufzubauen – nur so kann auch die Basis für politische Massenstreiks gelegt werden, die das Regime in die Defensive zwingen können und die ihrerseits gegen Angriffe von faschistischen und halb-faschistischen Kräften sowie gegen staatliche Repression verteidigt werden müssen.




REVOLUTION vor Ort #1

Fulda

Fulda: Kundgebung gegen reaktionären Kongress

Von REVOLUTION Fulda

In Fulda fand vor kurzem der Kongress „Freude am Glauben“ statt. Dabei wurde offen für homo-, bi- und transgenderfeindliche Ideologien geworben. Gegen diesen Kongress hatte sich auch Protest organisiert an welchem REVOLUTION Fulda sich beteiligte. Unter dem Motto „Fulda ist bunt“ hatten sich ca. 30 Menschen versammelt um vor dem Esperanto zu demonstrieren. Gleich am Anfang tauchten einige alte Männer und Pfaffen auf um die Kundgebung mit ihren Kameras zu fotografieren. Unsere Kundgebung begann mit einer guten und informativen Rede, die hauptsächlich aufklären wollte. Es kamen nach und nach jüngere Gläubige und auf Grundlage unseres Flyers, den wir verteilt hatten, kam zu einigen Diskussionen. Einige junge Menschen wollten den Kongress verteidigen und haben sich relativ klar von dem offenen Hetzen gegen LGBTIQ-Personen und auch von Hetze gegen Geflüchtete distanziert, aber die bürgerliche Familie verteidigt und behauptet, dass „man leider nicht alle aufnehmen könnte“.

Auch wenn uns bewusst ist, dass kleine Kundgebungen nicht ausreichend sind um effektiv gegen Diskriminierung von LGBTIQ-Personen zu kämpfen, sehen wir die Kundgebung als kleinen Erfolg an.

Suhl

Suhl: Störaktion gegen den Naziaufmarsch

Von Revolution Berlin/ Fulda

Am 17. August lief Südiga nach ihrer Sommerpause wieder auf. Neben Genoss_innen von REVOLUTION Fulda, waren auch Genoss_innen von REVOLUTION Berlin dabei um gegen die Neonazis zu demonstrieren. Der Kundgebungsort der Nazis war direkt vor einer Aufnahmestelle für Geflüchtete angemeldet, was die Faschisten dazu veranlasste, ihre Reden auf „Englisch“ zu halten. Highlights davon waren: „This ist not anymore funny“, „The money is over“ oder „This Land is insolvent“

Die Gegendemonstration, welche positiverweise von vielen Geflüchteten geprägt war, hatte die Redner der Faschos ausgebuht, beschimpft und mit Parolen wie „Geflüchtete bleiben, Nazis vertreiben“ kommentiert. Der MDR gab einem Geflüchteten die Möglichkeit sich in einem Interview zu äußern: „Wir wollen hier leben, wir wollen hier bleiben. Wir wollen Frieden“ und bringt damit die simple Hauptforderung der Geflüchteten nach einem sicheren Leben gut auf den Punkt. Wir müssen jedoch klar feststellen, dass die Mobilisierung der Linken sehr schlecht war. Mit 150 Leuten kann man einen Naziaufmarsch nicht blockieren und ist einer derart aktuellen und politisch wichtigen Frage wie der Flüchtlingsproblematik nicht würdig. Hier müssen die großen Organisationen der Arbeiter_innenbewegung gefragt sein, den Aufbau einer antifaschistischen Arbeiter_inneneinheitsfront aufzubauen um koordiniert und mit Selbstschutz gegen die Angriffe von Faschisten und Rassisten auf Flüchtlinge und deren Unterbringungen vorzugehen.

Köln

Köln: Solidarität mit Griechenland

Von Revolution Bonn

Am 03.Juli kam es in Köln zu einer Demonstration im Rahmen des europaweiten Aktionstages für OXI! und in Solidarität mit Griechenland statt. Trotz der relativ kurzfristigen Entscheidung zur Demonstration waren ca. 600 Menschen auf der Straße, unter ihnen auch viele junge Griech_innen.

Wir von REVOLUTION waren auch mit einer kleinen Anzahl an Genoss_innen vor Ort und konnten auf der Demonstration hunderte Flyer verteilen. Unsere Flugblätter kamen vor allem bei Passant_innen gut an. Von der deutschen Oma bis zum somalischen Geflüchteten. Gefreut hat uns auch, dass wir nicht nur einmal nach einem größeren Stapel Flyer gefragt wurden um diese auch noch an Freunde oder Familie weiterzugeben.

Wir sagen weiterhin OXI! Nein! No! Hoch die internationale Solidarität!

Lasst das Kapital und nicht die europäische Arbeiter_innenklasse und Jugend die Krise bezahlen!




REVOLUTION-Camp 2015

Von Seamus Longbottom

In der letzten Augustwoche fand unser Camp und die Sommerschulung der deutschen und österreichischen Sektion der Liga für die 5. Internationale statt. Neben Gästen aus der Ukraine, England und Mazedonien beteiligten sich über 100 Personen an dieser gemeinsamen Schulung. Erfreulich hervorzuheben war der hohe Anteil an weiblichen Teilnehmer_innen.

Es gab mehr als 100 Workshops mit vielen verschiedenen Themen, welche sich durch die gesamte Schulung zogen. Ein Schwerpunkt stellte der Imperialismus im 21. Jahrhundert dar und wurde mit 16 Workshops bearbeitet. Außerdem haben wir uns neben Grundlagen des Marxismus für Einsteiger_innen, intensiv mit der Frage von Partei und Programm, geschichtlichen Themen, Gewerkschaftsarbeit und verschiedenen Formen sozialer Unterdrückungen beschäftigt. Abgesehen von den theoretischen Themen gab es auch Praxisworkshops, wie Demotraining, Layout- oder Rhetorikworkshops.

Highlights waren zwei abendliche Podiumsdiskussionen mit den Themen „Krise, antimilitarismus_und_antiimperialismus und Anti-Kapitalismus“ sowie „Feminismus oder proletarische Frauenbewegung – wie kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung?“. In diesen Debatten stellten nicht nur die veranstaltenden Gruppen ihre Positionen dar, sondern auch Vertreter_innen von ANTARSYA Berlin, der Antikapitalistischen nicht-weißen Gruppe Berlin, Borotba und CareREVOLUTION Wien.

Als es am Donnerstag wegen eines Brandanschlages auf eine Unterkunft von Refugees in Berlin zu einer Solidaritätsdemonstration kam beteiligten wir uns daran. Als wir an der Demonstration ankamen und uns positionierten, kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen von Seiten der antideutschen Organisator_innen, welche zuvor mit Hilfe der Polizei (!!) linke Aktivist_innen von der Demo entfernen ließen, da diese ein Pali trugen. Wir ließen uns durch diese Provokationen seitens der Antideutschen nicht provozieren, blieben in der Demonstration und konnten somit ein Sammelpunkt für antiimperialistische Gruppen und Aktivist_innen darstellen.

Neben all den theoretischen und praktischen Workshops veranstalteten und feierten wir am letzten Abend ein Konzert mit Boykott, Kaveh und Thawra sowie spontanen Kurzauftritten. Das Konzert war nicht nur tanztechnisch, sondern auch politisch „feinste Sahne“ und machte Lust auf mehr.

Insgesamt sehen wir das Camp mit über 100 Teilnehmer_innen, vielen neuen Gesichtern und internationalen Gästen als Erfolg an und hoffen, dass wir im nächsten Jahr daran anknüpfen können.

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Resolution: Flüchtlinge Willkommen, Fluchtgründe Bekämpfen!

Internationale Resolution von REVOLUTION

More and more people are fleeing the civil war in Syria and from the breakdown of the Iraqi state. The refugee camps in Turkey and the states surrounding Syria have been overrun way past their capacities for years but recently pressure on the European states has increased as refugees make their way into the imperialist heartlands.

The first signs could be seen in Lampedusa or Calais – in the last month though the number of refugees has significantly surpassed the capacities of the camps and registration infrastructure provided by the bourgeois states of Europe. The barbed wire fences in Hungary and the other border states will not stop people who have come so far to escape Assad’s barrel bombs and the terror of ISIS. Right now there are police and military stationed at the borders shooting teargas and rubber bullets at refugees trying to enter. The Hungarian military has even received permission to use firearms in a non-lethal way. That is what capitalist human rights look like when it comes down to it. The imperialist core of the EU is trying to make it seem like this is just Hungary’s right wing, nationalist government going buck wild. But looking at the billions of Euros that have been invested into the Hungarian border this is hard to believe. It is just the scenario easiest to sell to the public while screening heartening pictures of individual activists who are trying to compensate for the shortcomings of the European governments, a task that can not be accomplished by them. At the same time the EU is preparing more coordinated military actions in the Mediterranean Sea to simply sink the boats trying to cross over to Europe.

Die Festung Europa zerschlagen!

As a result of EU policy the hungarian government is now able to using the current “refugee crisis” in order to push through a variety of anti democratic and racist laws which will not only enable the hungarian police to search all places where they suspect illegal immigrants without any sort of search warrant. They have also now pushed through a law, making it a criminal offence to enter hungary illegally and set up a system of speed trials in order to deport and criminalize refugees. As an enormous number of refugees are young people and children they are also legally treating 14 to 18 year olds as adults to get rid of them. The ruling party in Hungary, FIDESZ under Viktor Orban, has been pushing through antidemocratic measures and austerity policies in the last couple of years and has recently lost its absolute majority in parliament[1]. Since the fascist party Jobbik are now the second strongest parliamentary force in the opinion polls, almost catching up with Fidesz[2], this might lead to a future coalition of Fidesz and Jobbik furthering the right wing backlash.

The rest of the european countries is currently trying to make it look like they have nothing to do with the actions of the military or FRONTEX at the EU borders. The German and Austrian governments are praising their great “welcoming culture”, while closing the borders. Especially the weapon industries in Germany and France have profited from both the wars in Syria, Ukraine and Africa and the investments into border security.

The ruling classes of Europe have also found another way to exploit the precarious situation refugees are faced with when fleeing to countries like Germany. It is no coincidence that capitalists are all of a sudden calling for a work permission for refugees, the welcoming culture is limited to the principle that refugees are welcome as long as capitalists are welcome to exploit them. They hope to create a completely vulnerable, powerless strata of the working class which they can exploit as much as possible. We fully support the right of refugees to work and lead an emancipated life in the countries they had to flee to, but we need to force the unions into organizing a campaign in support of refugee rights as well as organizing refugees as fellow union members and workers.

As for the war in Syria it has also developed more characteristics of an imperialist conflict.The US are bombing oil refineries and sometimes even ISIS, the CIA tries to put forth a force acting in their interest, Russia is exporting aircraft, battle tanks and even personnel to Assad and regional powers such as Qatar and Saudi-Arabia are investing in the war as well. The rigorous continuation of this brutal conflict has lead to a wave of of refugees not matched in decades.

To meet the needs of these people, which is our duty since our wealth is founded on their misery, we need to coordinate internationally. We need to force the European governments into opening the borders, providing safe passage for every refugee and organizing sea rescue initiatives. We need to force them into providing appropriate housing, food and healthcare for everybody. We oppose the idea of creating „nicer“ forms of detention camps but we argue for the right of refugees to live in socially funded housing, not segregated and hidden away from society but as an equal part of it. We need to fight against racism, the growing right wing in Europe and the ongoing attempts to divide us. Therefore, we also oppose every concept of discrimination between economic and political refugees – freedom of movement is everyone’s right, no matter if they are fleeing war, hunger or poverty. We need to demand full citizenship for everyone, the right to vote, to work, to live wherever they want and the right to organize.

Right now we see the individual effort of thousands of volunteers and their great sacrifices all over Europe, which is admirable and a natural reaction to the suffering of others. But it is not a possible solution. We need to address the issues that are really responsible for this situation; the Assad regime which has slaughtered tens of thousands and displaced countless more, the imperialist governments and economies that are profiting from war, exploitation and poverty and finally ISIS who are a creation of imperialist interventions. We need to demand that they stand up to their crimes and pay for them. The struggle for the refugees is not fought or won in the camps, at the registration sites or borders. It must be brought to the streets, into the imperialist centers if we want to solve it. The war that has been brought upon the Syrian or Iraqi people needs to return to those who caused it, the bourgeois class.

Though the demands we are raising against the governments of Europe are based on the dire necessities of being a human, it would be foolish to expect the bourgeois states to try to fulfill them as they attack the very base of their power and wealth. The recent development, the crisis, shows with even more vigor that we have all the right to do so. This tragedy cannot be ended until we eradicate the real cause for it, the capitalist system. A social structure based on ever growing exploitation of the majority of people has not the potential to solve this crisis for it is the cause of it. If we want to help the refugees, if we want to fight the rising racist and nationalist movements we need fight capitalism as a whole and bring it down.

[1] http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-02/ungarn-orban-verliert-popularitaet

[2] http://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn-rechte-jobbik-partei-macht-auf-nett-a-1031915.html




Aktionseinheit: Antirassistisches Aktionsbündnis aufbauen!

VON REVOLUTION Germany

Die rassistische Politik der Bundesregierung und der EU zeigen ihre grausamen Auswirkungen und das Sterben, der rassistische Terror und die brutale Repression nehmen weiter zu. Während im Mittelmeerraum Tausende an den Außengrenzen der EU sterben, sind in Europa hunderttausende Geflüchtete der Willkür von Orban, Seehofer und Merkel ausgeliefert. Während die Ströme von Geflüchteten zunehmen, formiert sich eine rassistische Bewegung neuer Qualität. Die schrecklichen Übergriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte steigen rasant an, bundesweit häufen sich rassistische Mobilisierungen und vereinzelt kommt es sogar zu faschistischen Ausschreitungen, wie zuletzt in Heidenau oder Freital. Der rechte Terror forderte mittlerweile erste Tote.

Während uns die herrschende Klasse etwas von „Willkommenskultur“ erzählt, zeigt uns die Realität ein anderes Bild: Grenzkontrollen sind wieder eingeführt und die „Schengen“ Verträge abgeschafft; Frontex verschärft die Jagd auf Geflüchtete und Grenzpolizist_innen im östlichen Teil Europas erhalten Schießbefehle.

Dass die Linke und die ArbeiterInnenbewegung dem etwas entgegen setzen muss, ist uns wahrscheinlich allen klar. Die Frage ist nur was?

Wenn die herrschende Klasse geeint ihre Interessen durchsetzten kann, können wir das schon lange! Für uns steht fest, dass wir nur zusammen in einer Einheitsfront aus den Organisationen der Linken, Geflüchteten, Migrant_innen und der Arbeiter_innenbewegung – das heißt auch mit Gewerkschaften, der Linkspartei und selbst der SPD – eine Chance haben, den aktuellen Angriffen Etwas entgegenzusetzen. Wir rufen euch deshalb auf, ein gemeinsames Bündnis mit uns und allen Unterzeichner_innen dieses Schreibens zu gründen und unsere zersplitterten Kräfte in der gemeinsamen antirassistischen Aktion zu einen!

Als politische Grundlage für die Zusammenarbeit schlagen wir folgende Forderungen vor:

• Volle Staatsbürgerrechte für Alle! Kein Mensch ist illegal!
• Keine Grenzkontrollen – volle Bewegungsfreiheit für alle Geflüchteten!
• Nein zur Festung Europa! Abschaffung des Grenzregimes und aller Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen! Für offene Grenzen!
• Nein zur menschenunwürdigen Lagerpolitik! Stattdessen Enteignung des leer stehenden Wohnraumes zur Unterbringung von Geflüchteten! Öffentlicher sozialer Wohnungsbau statt Privatisierung!
• Finanzierung von Geflüchtetensupport durch Besteuerung der Kapitalist_innen!
• Für das Recht auf Arbeit für alle Geflüchteten!
• Recht auf Selbstverteidigung der Betroffenen gegen Polizeigewalt, rassistische und faschistische Angriffe!

Wie könnte eine solche gemeinsame Bündnisarbeit aussehen? Unserer Meinung nach sollte dieses Bündnis in erster Linie unsere Ressourcen im Kampf gegen rassistische Politik, Rechtspopulismus und Faschismus bündeln und eine Plattform sein, in der wir aus unseren eigenen Erfahrungen und denen, die wir in der gemeinsamen Aktion gemacht haben, lernen können. Dabei ist es elementar, dass sich auf einen demokratischen Abstimmungs- und Aktionskonsens geeinigt wird und vollste Kritikfreiheit für jede der Teilnehmenden Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen herrscht. Gemeinsame Aktionen sollten von Allen nach Kräften unterstützt werden aber dabei auch eigene Materialien verteilt werden dürfen.

Ein solches Bündnis sollte eine bundesweite Struktur besitzen und in lokale Aktionskomitees gegliedert sein. Neben gemeinsamen Aktionen und dem Ausüben von Druck auf Staat, Politik und die Organisationen der Arbeiter_innenklasse, könnten lokale antirassistische Komitees auch effektive Unterstützung bei der Verteidigung von Geflüchteten gegen rassistische Angriffe, staatliche Willkür oder Abschiebungen leisten. Denn nur durch einen gemeinsamen Kampf lässt sich der Rassismus, mit welchem uns die Herrschenden zu spalten versuchen, überwinden!

Für den 19. November ist in Berlin ein Schulstreik in Solidarität mit den Refugees geplant, zudem wir euch aufrufen teilzunehmen und diese Idee bundesweit aufzugreifen. Dies kann jedoch nur der Beginn einer neuen Bewegung sein. Erfolgreich werden wir erst durch den gemeinsamen Kampf von Arbeitenden, Jugendlichen und Geflüchteten sein. Wir schlagen deshalb im Anschluss an die Schüler_innenproteste vor, dass wir zusammen möglichst zeitnah eine bundesweite Demo (oder regionale Großdemos) um obige Forderungen organisieren Nach einer solchen Aktion könnten Perspektivtreffen stattfinden, in welchen wir die Aktionen auswerten, unsere Schlüsse aus diesen Erfahrungen zu ziehen und neue Aktionen planen.

Lasst uns unsere Kräfte bündeln anstatt vereinzelt, getrennt und schwach zu agieren! Lasst uns ein Bündnis gründen, das kämpferisch gegen die rassistischen und faschistischen Angriffe vorgehen kann! Auf zur Formierung einer neuen antirassistischen (Jugend-)Bewegung! Nur zusammen können wir den Terror stoppen!

Die Festung Europa zerschlagen!




Türkei: Das Regime will Bürgerkrieg

Von Svenja Spunck

In den letzten Tagen spitzte sich die Situation in der Türkei drastisch zu. Im ganzen Land wurden Parteizentralen der HDP angegriffen oder gar in Brand gesetzt. Gleichzeitig bilden sich faschistische und nationalistische Mobs, die durch die Straßen laufen und pogromartig kurdische Geschäfte zerstören und Menschen kurdischer Herkunft angreifen. Allein in zwei Tagen wurden 400 HDP Büros angegriffen. In Istanbul wurde ein junger Mann sogar erstochen, weil er an einer Bushaltestelle auf kurdisch telefonierte.

Der Konflikt zwischen den Kurd_innen und türkischen Nationalist_innen existiert zwar schon seit der Gründung der türkischen Republik, doch wurde er in den letzten Jahren vor allem durch viele Zugeständnisse der Kurdischen Arbeiterpartei PKK und ihrer politisch legalen Kraft, der BDP, „friedlicher“. Doch nun müssen Menschen wieder Angst haben.

Seit dem Attentat von Suruç kommt es zu Massakern an der kurdischen Bevölkerung im Osten des Landes, die Stadt Cizre ist komplett vom Militär belagert, die Bevölkerung hat Ausgangssperre. Gleichzeitig greift das Militär diejenigen an, die sich oder ihre Familien verteidigen wollen. Allein in der Nacht, vom 10. zum 11. September, gab es 20 Tote.

Vor einigen Tagen machte sich eine Delegation von HDP-Abgeordneten auf den Weg nach Cizre. Ihre Busse wurden von der Polizei gestoppt. Sie liefen danach zu Fuß weiter, darunter auch die Vorsitzenden Figen Yüksekdag und Selahattin Demirtas. Auf dem Weg über die Landstraße und den Fluss Tigris wurde die Kolonne mehrmals von der Polizei angegriffen.

Erdogan und seine AKP nutzen die Konflikte gegen die Kurd_innen und in den kurdischen Gebiete außerhalb der Türkei bewusst aus, um die HDP zu delegitimieren, sie im Idealfall sogar zu illegalisieren und sich selbst als „stabilisierenden Faktor“ zu präsentieren.

Eine „Politik der Spannung“ soll Erdogan helfen, seine bei den letzten Wahlen gescheiterte Präsidialverfassung erneut durchzupeitschen. Sei es über eine Mehrheit der AKP, einen Ausnahmezustand oder ähnliches. Es ist jedenfalls eindeutig, dass die diktatorischen, bonapartistischen Züge des Regimes immer deutlicher hervortreten – und der Krieg gegen das kurdische Volk als Mittel dient, diese Entwicklung in den Augen zu legitimieren.

Repression in der Türkei

Die Strategie der HDP?

Demirtas wirft der AKP und dem Staat zurecht Kriegstreiberei und eine bewusste Ausnutzung der Situation vor. Doch bleibt es bei mahnenden und moralistisch abschellenden Worten. Die Führung der HPD hofft mit ihren offiziellen Stellungnahmen zur „Deeskalation“ beizutragen und sich als „Friedenspartei“ zu halten – und schwankt so zwischen Opposition und Opportunismus. Mit der Verkündung der Neuwahlen wurde eine Übergangsregierung gebildet, die aus AKP, einem (von seiner Partei deswegen ausgeschlossenen) MHP-Mitglied und zwei HDP-Abgeordneten (!) besteht.

Während Demirtas unter den Kurd_innen die PKK-Guerilla verteidigt, ruft er im Parlament zur Niederlegung der Waffen auf. Dies zeigt das ganze Dilemma nicht nur der Politik der HPD, sondern letztlich auch der PKK, die beide eigentlich den „Friedensprozess“ wieder beleben wollen, den Erdogan längst aufgekündigt hat. Das AKP-Regime will keine Verhandlungen, sondern die Kapitulation.

Was jedoch dringlichst gebraucht wird sind zum einen Selbstverteidigungsstrukturen, nicht nur für die HDP Büros, sondern auch für den Wähler_innen und Mitglieder, die auf offener Straße attackiert werden. Zum anderen muss aber auch die Debatte um die Perspektive des kurdischen Befreiungskampfes vorangetrieben werden. Es vergeht kein normales Gespräch unter den Menschen hier, das nicht nach fünf Minuten zur politischen Debatte wird. Jede_r ist betroffen, jede_r spricht vom Krieg und vom sehnlichen Wunsch nach Frieden und Menschlichkeit.

Doch diese kann nicht erbeten oder durch moralische Überlegenheit erreicht werden.

Man muss klar Stellung beziehen und zwar für die der Unterdrückten, die ihrer politischen Stimme beraubt werden. Der Selbstverteidigungskampf der Kurd_innen ist legitim. Auch die HDP sollte sich klar dazu äußern, statt um jeden Preis zu versuchen, bis zu den nächsten Wahlen ihr Mantra des unbewaffneten Widerstandes zu wiederholen.

Eine solche Position ist keineswegs mit einer Rückkehr zur Guerilla-Strategie gleichzusetzen. Der aktuelle Krieg gegen das kurdische Volk kann letztlich nur gestoppt werden, wenn Erdogan in der ganzen Türkei auf Widerstand trifft, sprich wenn die städtische Arbeiter_innenklasse und alle unterdrückten Schichten mobilisiert werden, mit Massendemonstrationen auf die Straße gehen, wenn die Gewerkschaften für Solidarität mit dem kurdischen Volk eintreten, wenn politische Streiks organisiert werden, wenn gegenüber den türkischen Soldaten agitiert wird, sich nicht als Kanonenfutter Erdogans missbrauchen zu lassen. Nur wenn die türkischen Arbeiter_innen ihre Gefolgschaft oder jedenfalls passive Hinnahme der AKP-Politik und des türkischen Nationalismus aufkündigen und den kurdischen Massen beistehen, werden sie auch in der Lage sich, sich gegen das Joch der Ausbeutung und Unterdrückung Erdogans zu erheben.




Warum Flüchtlingspolitik politische Klarheit bedarf

Ein Beitrag von REVOLUTION Freiburg zur Debatte mit der Linksjugend [’solid] Freiburg.

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Mit diesem Schreiben wollen wir von REVOLUTION Freiburg zu allererst der Linksjugend [’solid] Freiburg für ihre Antwort (1) auf unsere Stellungnahme (2) danken. Wir begrüßen die allgemeinen Bemühungen sich einer politischen Debatte zu widmen, anstatt sich vor dieser zu scheuen. Auch deuten wir das Antwortschreiben von solid dahingehend, dass es durchaus Diskussionsbedarf darüber gibt, wie sich die deutsche Linke der Flüchtlingsthematik politisch nähert und welche Art Bündnispolitik hier angebracht ist.

Wir wollen dieses Schreiben jedoch auch dazu nutzen, um Punkte richtigzustellen bzw. unsere Kritikpunkte an der Entscheidung des Bündnisses, sowie der angewandten Bündnispolitik solid Freiburgs genauer auszuformulieren.

In den Diskussionen nach der Veröffentlichung unserer Stellungnahme auf Facebook sowie in der offiziellen Stellungnahme solid Freiburgs, wurde uns mehrmals indirekt vorgeworfen, wir würden die Lage der Flüchtlinge für unsere politischen Zwecke missbrauchen und sie dadurch instrumentalisieren.

„Menschen gehen vor Klassenpolemik. Oder: Warum machen wir ein offenes Bündnis?”

Diese Vorwürfen möchten wir zuerst von uns weisen und deutlich hervorheben, dass wir nichts dagegen haben, Flüchtlinge auf der Kundgebung zu Wort kommen zu lassen und ihnen einerseits ein Gesicht und zum anderen die Möglichkeit zu geben, ihre Geschichten und politischen Forderungen zu artikulieren. Dass wir dies nicht nur in Worten bekunden, sondern auch in der Praxis tun, haben wir bei den Berliner Refugeeschul- und Unistreiks gezeigt, welche von unseren Berliner Genoss_innen, sowie von RedBrain initiiert und maßgeblich vom Refugeeschul- und Unistreikbündnis (RSUS) organisiert und getragen wurden. Unsere Praxis zeigt dadurch, dass hier ein schwarz-weiß Denken wie von solid Freiburg zelebriert (wie auch von weiteren Teilen der deutschen Linken) unangebracht ist. Wenn wir vorschlagen, auf politische Klarheit zu setzen und Vertreter_innen politischer Organisationen die Möglichkeit geben wollen ihre Lösungsansätze in Reden vorzustellen, heißt dies noch lange nicht, dass somit Refugees bevormundet und instrumentalisiert werden. Die Refugeeschul- und Unistreiks in Berlin haben uns gezeigt, dass gerade Refugees besonders daran interessiert sind, was für politische Lösungen ihnen die politischen Organisationen in Deutschland bieten. Wissen die Refugees (trotz allem persönlichen Leid) sehr wohl, dass es sich bei ihrem Schicksal um ein gesellschaftliches und somit politisches Problem handelt, welches nach politischen Antworten verlangt. Zusätzlich sprechen unsere Erfahrungen in Berlin klar gegen das Argument von solid Freiburg, dass nur mit breiten und politisch unklaren Bündnissen politisch unorganisierte Personen zu Aktionen mobilisiert werden können.

„Wir wollen Menschen dazu bringen über das Thema zu reflektieren, die nicht schon eine Position haben wegen der sie auf den häufigen „Refugees Welcome“ Demos in Freiburg mitlaufen. Sprich ganz klassisch in die Gesellschaft hineinwirken.“

Die oben genannten Schul- und Unistreikaktionen hatten in Berlin bis zu 6.000 Schüler_innen für die Belange von Refugees auf die Straße gebracht und das mit politisch klaren Forderungen und Aussagen. Wichtig hierbei anzumerken ist auch, dass unter den mobilisierten Schüler_innen auch eine nicht zu vernachlässigende Zahl an Schüler_innen mit Migrations- sowie Fluchthintergrund, wie z.B. palästinensischen oder syrischen Jugendlichen, anwesend waren.

Um der politischen Bevormundung jedoch effektiv entgegenzuwirken, reicht es nicht aus, Refugees ab und an mal Reden halten zu lassen. Wir fordern daher schon seit Beginn der Refugee-Bewegung, dass die Organisationen der deutschen sowie europäischen Arbeiter_innenbewegung den Refugees das Recht einräumen sollten sich in ihnen zu organisieren und die Politik der Organisationen mitzugestalten. Nur so kann wirklich verhindert werden, dass Parteien oder Organisationen die Lage der Refugees für Stimmenfang missbrauchen. Davon ist jedoch von Seiten solid Freiburgs nichts zu hören. Sie begnügen sich lieber damit ein breites, politisch ausdrucksloses Bündnis aufzubauen, welches darüber hinaus denjenigen Parteien die Möglichkeit gibt sich den Mantel der Fürsorglichkeit überzuwerfen, deren Politik maßgeblich Schuld an den Fluchtgründen vieler Refugees ist. Stattdessen sollte ihnen, sowie den Refugees klar vermittelt werden, dass die Politik der bürgerlichen Parteien Schuld an der derzeitigen Situation trägt. Dies war auch der Grund, weswegen wir uns gegen die Beteiligung der FDP am Bündnis ausgesprochen haben, sowie das Streichen der Fluchtgründe aus dem Aufruf kritisierten. Solid Freiburg rechtfertigt dies dadurch, dass der Aufruf als weniger wichtig eingestuft wurde, als die Aktion selber. Die Beteiligung der FDP würde der Aktion mehr Öffentlichkeit geben und somit könnten mehr Menschen erreicht werden als von einem linken Bündnis.

Erneut zeigen unsere Erfahrungen in Berlin, dass auch ohne bürgerliche Parteien und mit einem klaren politischen Aufruf viele Menschen und vor allen Dingen Jugendliche erreicht werden können. Durch eine klare Bündnispolitik und einer gemeinsamen aktiven Mobilisierung, können durchaus viele Menschen erreicht und für linke Perspektiven, welche sich auf die arbeitende Bevölkerung fokusieren, mobilisiert werden. Der Aufbau von Streikkomitees an Berliner Schulen im Vorfeld der Refugeeschul- und Unistreiks erwiesen sich als gutes und erfolgreiches Mittel. Diese Streikkomitees hatten im Vorfeld Mobilisierungsveranstaltungen, Diskussionsveranstaltungen und Schulvollversammlungen abgehalten um die politischen Anliegen der Demonstrationen zu diskutiert.

In ihrem Antwortschreiben, versucht solid uns aber nicht nur dahingehend in die Ecke zu drängen, wir würden Flüchtlinge für unsere Politik vereinnahmen, sondern auch, dass wir Konkurrenzveranstaltungen zu schon existierenden radikalen Strukturen aufbauen wollen:

„Eine radikale Systemkritik wird gerade von „NoLager“ (3) in Freiburg geäußert, wo auch wir uns beteiligen. Unsere Anstrengungen welche in die selbe Richtung gehen, stecken wir lieber in die bestehenden autonomen Strukturen, statt als weitere Organisation Parallelveranstaltungen zu machen.“

Dieser Abschnitt wirft für uns unterschiedliche Fragen in Bezug zum ersten Teil des Textes auf. Während uns solid Freiburg eine Instrumentalisierung der Flüchtlinge für radikale Politik vorwirft, hat sie gleichzeitig kein Problem damit, radikale Proteste von „NoLager“ aktiv zu unterstützen. Wieso nun unsere Politik vereinnahmend und instrumentalisierend sein soll, die von „NoLager“ aber nicht, darüber lassen uns die solid Genoss_innen im Dunkeln tapsen.

Entweder ist den Genoss_innen von solid Freiburg beim Verfassen des Textes ein Fehler unterlaufen oder sie weisen hier ein unklares Verständnis von Bündnispolitik auf. Solch ein Verständnis würde darin bestehen, radikale Proteste von gemäßigten, bürgerlichen Protesten zu trennen, was wiederum die Auswirkung hätte, radikale politische Alternativen nur für die Szene zu betreiben, anstatt in die Gesellschaft zu wirken. Da dies im Laufe des Textes sehr wohl von solid gefordert wird, hoffen wir, dass den Genoss_innen eher ein Fehler unterlaufen ist. Ansonsten würden sie sich in ihrer Praxis selbst wiedersprechen, entgegenarbeiten nur um sich ein radikales Mäntelchen umzulegen.

Unser Vorschlag ein großes linkes Bündnis mit klaren politischen Forderungen aufzubauen, hatte nicht die Intention eine Parallelveranstaltung zu „NoLager“ zu bilden, sondern eine Aktion zu organisieren, welche eine Brücke schlagen könnte zwischen der Politik, die „NoLager“ propagiert und Teilen der Freiburger Bevölkerung außerhalb der linksradikalen Szene. Durch das Einladen und das Akzeptieren der Bedingungen der FDP auf dem Bündnistreffen hat jedoch solid Freiburg (wie auch die anderen Gruppen die dafür stimmten) diese Brücke niedergerissen. NoLager wird sich vermutlich kaum an einer Kundgebung beteiligen, bei welcher die Grünen (ganz zu schweigen von der FDP) mitwirken. Sind die regierenden Grünen im Freiburger Rathaus rund um Salomon für etliche Abschiebungen aus Freiburg sowie der Räumung der Welcome-Zelte vor einigen Tagen in Freiburg verantwortlich. Die angepeilte Strategie von solid, linke Positionen einer breiteren Schicht zu öffnen, wurde somit verfehlt. Einerseits, da sie durch ihre Bündnispolitik und das Beschneiden des Aufrufes der Kundgebung politischen Inhalt raubten und andererseits da sie die Spaltung zwischen „linksradikaler“ Politik und „gemäßigter“ Politik bedienen.

Für uns kann der Kampf in Solidarität mit Flüchtlingen nur ein politischer sein. Auch wenn humanitäre Hilfe angebracht und von Nöten sind, kann sich die deutsche Linke nicht davor verstecken,Lösungsansätze für die Flüchtlingsthematik zu entwickeln und zwar auf gesellschaftlicher wie auch auf politischer Ebene. Eine solche politische Frage kann in einer Klassengesellschaft wie dem Kapitalismus nur von einem klaren Klassenstandpunkt – für uns den der lohnabhängigen Bevölkerung – aus beantwortet werden. Entgegen ihrer Ansprüche keinen Wahlkampf durch die geplante Kundgebung aufkommen zu lassen, spielt die Taktik der Linksjugend [’solid] Freiburg jedoch jeder beteiligten Partei in die Hände und bezieht keinerlei Klassenstandpunkt. Der FDP, und den Grünen dient es, weil sie sich einen humanen Anstrich geben und in die „Willkommenskultur“ miteinstimmen dürfen. Auf der
anderen Seite hilft es der Linken sowie der SPD, da diese sich davor drücken können politische Lösungen im Sinne der Geflüchteten sowie der deutschen und europäischen Lohnabhängigen vorzuschlagen. Ein Schelm, wer hier an Instrumentalisierung von Geflüchteten denkt.

REVOLUTION Freiburg

(1) https://www.facebook.com/groups/27708317552/permalink/10153009022622553/?comment_id=10153012401612553&offset=0&total_comments=30&comment_tracking={%22tn%22%3A%22R%22}&__mref=message_bubble
(2) http://www.onesolutionrevolution.de/allgemein/freiburger-linke-klassenkollaboration-statt-linke-einheit/
(3) http://nolagerfreiburg.blogsport.eu/




Freiburger Linke: Klassenkollaboration statt linke Einheit

Am 10.09 kam es in Freiburg zu einem Bündnistreffen um eine Kundgebung am 26.09 vor dem Stadttheater zu organisieren. Initiiert und eingeladen wurde zu diesem Treffen von der Linksjugend [‘solid] Freiburg, welche auf größtmögliche Breite wert legte. Es wurden neben etlichen linken Gruppen zusätzlich die Kirchenverbände, die CDU sowie die FDP aus Freiburg zum Treffen eingeladen. Mal ganz davon abgesehen, dass es absurd und geradezu zynisch ist im Zeichen der derzeitigen Entwicklung der Refugeeproblematik, Vertreter der Parteien auf dieses Treffen einzuladen, deren Politik maßgeblich an der Fluchtproblematik verantwortlich ist, verdeutlichte das Treffen auch, wie schnell sich ein breites, über Klassengrenzen hinweg reichendes Bündnis schnell ins eigene Bein schießt.

Die FDP nahm die Steilvorlage dankend an, sich als progressive Partei in der Refugeeproblematik darzustellen. Somit saß ein Vertreter von ihnen u.a. neben der Linksjugend [’solid], den Jusos, Einzelpersonen des Linken Zentrum Freiburgs (LIZ), des Offenen Antifatreffens (OAT) Freiburgs sowie eines Genossen von REVOLUTION an einem Tisch.

Der anwesende Vertreter der FDP machte gleich zu Beginn deutlich, wie ein möglichst breit aufgestelltes Bündnis zu politischen Zugeständnissen führen kann. Die FDP forderte, dass der Aufruf dahingehend umgeschrieben werden müsse, dass er nicht mehr die Flüchtlingsursachen der Refugees benenne. Nach einer Diskussion in welcher wir dagegen argumentierten und auch dafür plädierten, dass beteiligte Gruppen über Reden ihre unterschiedlichen politischen Vorstellungen und Perspektiven darlegen sollten, kam es zu einer Abstimmung. Anstatt eigene politische Positionen zu vertreten und auf eine proletarische Politik zu bauen, stimmten die meisten Anwesenden für den Vorschlag des FDP-Vertreters. Das Bündnis sprach sich mit einer klaren Mehrheit dafür aus, den Aufruf nach dem Wunsch der FDP hin umzuschreiben sowie politischen Organisationen nicht die Möglichkeit zu geben, eigene Reden zu halten.

Außer uns stimmten nur noch die Vertreter_in des OAT sowie eine Einzelperson des LIZ gegen den Vorschlag der FDP. Was schlussendlich bedeutet hätte, dass sich die FDP nicht am Bündnis beteiligte. Eine Tatsache, die leicht zu verkraften gewesen wäre und dem Bündnis politisch eine stärkere Schlagkraft gegeben hätte. Leider jedoch wurde von Seiten der Linksjugend [’solid], der Jusos und den anderen teilnehmenden Gruppen lieber ein klares Einknicken gegenüber der FDP zelebriert und die politischen Vertreter des Kapitals hofiert: die Vertreter des deutschen imperialistischen Kapitals, welche maßgeblich für die Flüchtlingsgründe vieler in Deutschland ankommender Refugees verantwortlich sind. Es war dadurch auch nicht verwunderlich, dass die Hauptforderung der FDP war, die Fluchtgründe aus dem Aufruf zu streichen.

Unserer Meinung nach war dieses Bündnistreffen ein Paradebeispiel dafür, wie hinderlich die Taktik der Klassenkollaboration (Einbeziehung so vieler Organisationen wie möglich über Klassengrenzen hinweg) im Kampf gegen Rassismus und Faschismus ist. Das heißt nicht, dass wir Kräfte, die ihre Basis nicht in der Arbeiter_innenbewegung gänzlich ausschließen – aber wir sollten nicht vor diesen einknicken, sondern sie ausnutzen. Sie sollten vor der Wahl stehen: Annahme unserer Forderungen oder Verlassen des Bündnisses. Alles andere bedeutet ein Ausbremsen, ja ein Verhindern proletarischer Forderungen.

Faschismus, Rassismus und ihre Wurzel der Kapitalismus können nicht effektiv bekämpft werden, wenn nicht die Ursachen – die kapitalistische Krise benannt und klare Alternativen und Perspektiven aus Sicht der Arbeiter_innenklasse und Jugend international erarbeitet und aufgezeigt werden.

Antifa heißt Klassenkampf!

Eine Stellungnahme von REVOLUTION Freiburg