4 Fragen und 4 Antworten zur aktuellen Inflation: Woher sie kommt und was wir dagegen tun müssen

Von Romina Summ

Unser Alltag ist seit den letzten Monaten von andauernden Preissteigerungen geprägt. Früher konnte man sich in der Mittagspause mal einen Döner für 3,50 € holen, mittlerweile bekommt man für unter 5 € kaum noch ein Mittagessen am Imbiss nebenan. Genauso sieht es mit den meisten Lebensmittelkosten und sonstigen Lebensunterhaltungskosten aus. Alles wird teurer. Das stellt für fast alle lohnabhängigen Menschen, aber besonders auch für uns junge Menschen ohne festes Einkommen ein riesiges Problem dar.

Welche Ursachen hat die aktuelle Inflation?

Preisschwankungen können verschiedene Ursachen haben. Die Preise auf kapitalistischen Märkten sind im Grund immer und zu jeder Zeit gewissen Preisschwankungen ausgesetzt. Oft sind zum Beispiel Preise gerade am Anfang des Monats höher als am Ende des Monats. Das liegt daran, dass am Anfang des Monats nach Gehaltszahlungen mehr Geld bei den arbeitenden Menschen vorhanden ist und mehr konsumiert werden kann. Gegen Ende des Monats sinkt dann die Nachfrage, womit ein Überschuss an Waren auf dem Markt ist. Um diese Waren überhaupt noch loszuwerden, muss der Preis sinken. Schließlich ist es für das Kapital besser eine Ware etwas billiger zu verkaufen als gar nicht.

Preisschwankungen können jedoch auch auf eine Veränderung von Angebot oder Nachfrage zurückgehen. Wenn zum Beispiel die Menge an angebotenen Produkten auf dem Markt zurückgeht (z.B. wegen Lieferengpässen), kann dieses Angebot die gleichbleibende Nachfrage nicht bedienen. Es kommt zu einer Steigerung des Preises, wodurch sich nun weniger Leute die Produkte leisten können und die Nachfrage zurückgeht und sich so dem Angebot angepasst hat. Die derzeitige Inflation hat ihre Ursachen genau in einem solchen Rückgang des Angebotes. Wenn also weniger Waren angeboten werden, steigen die Preise, da das Weniger an Waren stärker nachgefragt wird. Die Ursachen für die aktuelle Inflation liegen in den globalen Krisen, die gerade unser Leben bestimmen. Angefangen hat es damit, dass durch pandemiebedingte Lockdowns globale Lieferketten unterbrochen wurden, was zu einer mangelnden Auslastung der Produktionskapazitäten führte. Viele Rohstoffe oder Vorprodukte konnten nicht geliefert werden oder nur mit starken Verzögerungen. Die Auswirkungen zeigen sich bis heute noch und haben zu einem Angebotsschock geführt. Die gleichbleibende Nachfrage ist auf ein extrem sinkendes Angebot gestoßen. Das hat die Preise zunächst in die Höhe getrieben.

Als im Februar der Angriffskrieg auf die Ukraine von russischer Seite begann, antworten die Regierungen der NATO-Staaten mit historisch unvergleichbar harten Sanktionen, welche das Angebot weiter reduzierten. Diesmal beim Gas. Außerdem legte der Krieg die Wirtschaft in der Ukraine, ein Land, welches einen großen Teil der Welt mit Getreide versorgt, (10 % des weltweiten Getreidemarktes, 15 % des Maismarktes) lahm. Dies hatte Auswirkungen auf das Angebot von Lebensmittelpreisen, wodurch auch hier die Preise in die Höhe schießen. Dass sich die Preissteigerungen aber mittlerweile auf fast alle Produkte bei uns niederschlagen, liegt daran, dass für die Produktion Energie benötigt wird. Die gestiegenen Energiekosten schlagen sich somit auf die Endprodukte nieder und spiegeln sich im Preis wider. Dadurch dass die meisten Energiekonzerne und Mineralölkonzerne eine Monopolstellung im Markt inne haben, können sie leichter Preise heben, da es wenig Konkurrenz gibt, die günstiger anbietet. Daher zeichnen sich in dieser Branche in den letzten Monaten Rekordgewinne ab, während immer mehr Menschen verarmen.

Gab es auch vor Pandemie und Ukraine-Krieg schon Inflation?

Die Ursachen der Inflation dürfen jedoch nicht losgelöst von der wirtschaftlichen Entwicklung im letzten Jahrzehnt betrachtet werden. Denn bereits vor der Corona-Pandemie gab es Inflationstendenzen, welche anhand von 3 Faktoren, 1. der niedrigen Kapitalverwertung, 2. der steigenden Verschuldung und 3. der Tendenz zur Deglobalisierung deutlich wurden. Schon seit den 2000er Jahren sank die Produktivität der Weltwirtschaft, was letztlich auch zur großen Finanzkrise im Jahr 2008 geführt hat. Erholen konnte sich die Wirtschaft davon nie wirklich und die Verwertung von Kapital blieb bis heute niedrig. Das bedeutet, dass aus investiertem Kapital durchschnittlich nur niedrige Gewinne abflossen. Dadurch gingen Investitionen und Handel zurück und führten zu einer stagnierenden Kapitalakkumulation (Anhäufung von Kapital durch Investitionen) und niedrigen Profitraten.

Auch die hohe Verschuldung von Staaten und Unternehmen begünstigt in diesem Zusammenhang die Inflationstendenz. Zu Beginn der Coronakrise lag die Verschuldung bei dem 2,6-fachen des Welt-GDP (Bruttoinlandsprodukt aller Länder), mittlerweile sind wir beim über 3-fachem. Schulden sind allerdings nur dann inflationstreibend, wenn die Verwertung der aufgenommenen Kredite nicht mehr produktiv ist. Einfache Verbraucherkredite hingegen führen nicht zur Inflation. Beispiel: Wenn ein Land oder Unternehmen Kredite zu einer Kondition von 7 % Zinsen aufnimmt, aber dieses Geld im Verwertungsprozess (Investition in Produktion, Verkauf von produzierten Waren, Gewinnabschöpfung) nur 3 % Gewinn abwirft, ist die Produktivität geringer und es würde durch die Aufnahme von Krediten nur eine weitere Verschuldung stattfinden. Eine solche Schuldenentwicklung, wie sie sich in Ländern wie Italien zeigt, treibt die Inflation voran.

Zuletzt ist es die Entwicklung zur Deglobalisierung, die die Inflation, am schlimmsten in den abhängigen halbkolonialen Ländern vorantreibt. Weg von der Globalisierung geht der Trend hin zur Verlagerung der Produktion aus den halbkolonialen Ländern zurück in die imperialistischen Länder. Mit entsprechend schlimmen Folgen für die abhängigen Länder: Durch den Abzug von imperialistischem Kapital sinkt der Handel vor Ort, was wiederum dazu führt, dass die lokale Währung nicht mehr so gefragt ist und verfällt. Hinzu kommt, dass durch den Abzug von Fabriken und Kapital mehr importiert werden muss und die Arbeitslosigkeit steigt. Sowohl der Verfall der Währung als auch die teureren Importe feuern die Inflation besonders in diesen abhängigen Ländern an und führen zu einer Verelendung der Menschen. Aufgrund dieser Entwicklung hat sich schon vor dem Krieg und vor der Coronapandemie in vielen südlichen Ländern eine starke Inflation abgezeichnet. Wir sehen also, dass es direkte Ursachen für die aktuelle Inflation im Krieg und in der Pandemie gibt. Diese Aspekte haben aber eine schon dagewesene Krise des Wirtschaftssystems mit inflationären Tendenzen verschärft.

Was bedeutet das für uns?

In genau diesen Ländern ist die Krise nun besonders drastisch und führt teilweise zur Hyperinflation. In Argentinien sind die Menschen teilweise aufgrund der Inflation von knapp 80 % zum Tauschhandel übergegangen. Im Sudan liegt die Inflationsrate sogar bei über 200 %. Der Hunger und der Kampf ums tägliche Überleben bekommen gerade in diesen Ländern eine immer wichtigere Bedeutung. Doch auch hierzulande sind die Auswirkungen der massiven Preisanstiege insbesondere für Menschen ohne festes Einkommen, wie Jugendliche, Studierende oder Arbeitslose, ziemlich verheerend. Alles wird teurer, aber Geld ist sowieso nicht vorhanden. Viele von uns haben bereits vorher schon am Existenzminimum gelebt und haben keine Ersparnisse, sodass wir nun nicht wissen, mit welchem Geld wir die Preissteigerungen bezahlen sollen. Ebenso haben auch Arbeiter_Innen mit einem festen Einkommen bereits große Probleme. Auch ihnen droht durch die Inflation Verarmung. Durch die höheren Preise verlieren sie immer größere Teile ihres Lohns. Die Gewerkschaften hätten die Möglichkeit höhere Löhne, die nicht sofort wieder von der Inflation aufgefressen werden, für die Arbeiter_Innen zu erkämpfen. Anstatt in die Offensive zu gehen, halten sie sich jedoch in den aktuellen Tarifverhandlungen (IG-Metall fordert lediglich 8% Lohnerhöhung) viel zu stark zurück.

Und während die Armut weltweit größer wird, werden die Gewinne einiger Konzerne, vor allem die der Ölkonzerne, immer größer. Besteuerung oder Umverteilung? Fehlanzeige! Die Regierung hat zwar drei Entlastungspakete auf den Weg gebracht, doch diese beinhalten unzulängliche Einmalzahlungen für Heiz- und Energiekosten, für Empfänger_Innen von Sozialleistungen und Arbeitslosengeld und die Anhebung von Kindergeld. Das ist jedoch angesichts der eben beschriebenen Probleme nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Selbst das eher unternehmerfreundliche Institut für Wirtschaftsforschung hat berechnet, dass von 10 Milliarden Euro des 3. Entlastungspaketes ganze 70% an die oberen 30% der Gesellschaft gehen. Die Armen gehen also weiterhin ziemlich leer aus. Das liegt nicht daran, dass die deutsche Regierungskoalition zu unfähig ist, sich effektive Entlastungsmaßnahmen auszudenken, sondern daran, dass ihre Politik in erster Linie die Profite der Unternehmen sichern soll, um der deutschen Wirtschaft ihren Ruf als „Exportweltmeister“ zu erhalten. Die geplante Gasumlage war ein gutes Beispiel dafür. Nur durch massiven Druck von der Straße konnte ihre Umsetzung letztlich verhindert werden.

Was können wir tun?

Nicht wir sollen für diese Krise zahlen, sondern diejenigen, die sie selbst verursacht haben. Vorschläge wie die Einführung einer Übergewinnsteuer gehen dabei schon einmal in die richtige Richtung. Dabei sollen Unternehmen, die besonders hohe Profite durch die Krise gemacht haben, stärker besteuert werden, um Sozialleistungen für Lohnabhängige, Arbeitslose, Jugendliche und Rentner_Innen zu finanzieren. In Spanien wurde eine solche Steuer bereits eingeführt und damit ein kostenloser ÖPNV finanziert. Maßnahmen wie diese müssen wir unterstützen, auch wenn sie noch nicht weit genug gehen. Mit einer kurzzeitig höheren Besteuerung können zwar die Symptome der Inflation ein wenig abgefedert werden, jedoch bleiben ihre Ursachen unangetastet. Dafür müssen wir die Energiekonzerne enteignen und unter demokratische Kontrolle der Konsument_Innen und Beschäftigten stellen. Nur so können wir sicherstellen, dass die Unternehmen ihre Verluste nicht zu Lasten ärmerer Länder ausgleichen und dabei eine ökologische Transformation weg von fossiler Energiegewinnung organisieren. Eine Umgestaltung der Wirtschaft, hin zu einem ausgeglichenen Kreislauf zwischen Mensch und Natur, kann jedoch letztlich nur in einer demokratischen Planwirtschaft erfolgen, in der nicht der Profit, sondern die Bedürfnisse von Mensch und Natur die Produktion bestimmen. Um dahin zu kommen, müssen wir im Hier und Jetzt Forderungen aufwerfen, die eine Antwort auf die sozialen Verwerfungen der Inflationskrise geben und zugleich den Massen aufzeigen, dass sie selbst die Macht erobern müssen, um der Barbarei zu entkommen.

Wir fordern:

  • Lehrmittelfreiheit! Schulbücher, Hefte, Stifte, digitale Endgeräte und auch das Schulessen müssen kostenlos für alle sein!
  • Eine Erhöhung des Mindestlohns und der Renten! Für ein elternunabhängiges Grundeinkommen für Jugendliche von 1600 € monatlich!
  • 9€-Ticket vorbei? Macht den ÖPNV endlich kostenlos!
  • Für eine gleitende Skala der Löhne, die automatisch an die steigende Inflationsrate angepasst wird!
  • Stoppt die Preisexplosionen! Sofortige Preisdeckel für Energie, Lebensmittel und Mieten!
  • Für eine stärkere Besteuerung derjenigen, die an der Krise verdienen! Legt ihre Geschäftsbücher offen und enteignet die, die sich weigern, die Steuer zu bezahlen!
  • Geld für Soziales, Bildung und Gesundheit statt 100 Milliarden für die Bundeswehr!

Diese Forderungen werden sich nicht von selbst umsetzen. Wir müssen schon selbst dafür kämpfen, dass die Krise nicht auf unserem Rücken ausgetragen wird. Dabei müssen wir auch klar machen, dass wir den hinterhältigen Angriff Russlands auf die Ukraine klar ablehnen, jedoch in den Sanktionen kein Mittel sehen, das den Krieg aufhält. Vielmehr versuchen imperialistische Staaten wie die USA oder Deutschland mit den Sanktionen eine missliebige Konkurrenz wie Russland zu schwächen, und das auf dem Rücken der Ukraine, der russischen Arbeiter_Innen und von uns. Was wir brauchen ist internationale Klassensolidarität unter dem Slogan „No Putin, No NATO“.

Auch wenn die Positionen der Organistor_Innen zum Ukraine-Krieg weit auseinandergehen, gibt es bundesweit bereits regelmäßig Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Folgen der Inflation. Verschiedene Bündnisse wie „Genug ist genug“ oder „Brot, Heizung, Frieden“ versuchen linke Initiativen und Organisationen hinter gemeinsamen Forderungen zu vereinen. Zentral ist dabei, ob sie es schaffen werden, die Gewerkschaften und auch linke Teile der SPD und der Linkspartei für sich zu gewinnen und diese zur Mobilisierung ihrer Mitgliedschaft zu bewegen. Nur mit Massendemonstrationen und Streiks werden sich diese Forderungen auch tatsächlich durchsetzen lassen. Jedoch wäre das nicht die erste soziale Bewegung, in der SPD, Linkspartei und Gewerkschaften am Start waren, und die Bewegung jedoch vielmehr ins System integriert anstatt im Kampf gegen das System unterstützt haben. Deshalb müssen wir Aktionskomitees in unseren Schulen, Unis, Stadtteilen und Betrieben aufbauen, uns von unten organisieren und verhindern, dass die Reformist_Innen die Führung an sich reißen. Aktuell bleibt jedoch noch offen, ob der viel beschworene „Heiße Herbst“ eine rechte oder linke Richtung annehmen wird. Mit bürgerlichen Forderungen nach einem Wiedereinstieg in die Atomenergie oder einer Verschiebung des Kohleausstieges versuchen die Rechtspopulist_Innen die sozialen Verwerfungen für sich zu nutzen. Auch Forderungen nach Aufhebung der Sanktionen gegen Russland finden sich bei den Rechten. Ihnen geht es dabei jedoch nicht um internationale Klassensolidarität, sondern um’s „deutsche Volk“. Es geht ihnen darum, deutsche Kleinunternehmen, die durch die Sanktionen in Bedrängnis geraten sind, wieder zahlungsfähig zu machen. Es liegt an uns, die Rechten von unseren Demos zu schmeißen und eine klarere und entschiedenere Perspektive von links aufzuzeigen, wollen wir die Folgen der Inflation abfedern und aus dieser Defensive in die revolutionäre Offensive übergehen!