Antizionismus heißt Antirassismus

VON SVENJA SPUNCK


Erzählt man in anderen Ländern von der „politischen Landschaft“ der deutschen Linken, von den Anti-Deutschen, die sich selbst als „israel-solidarisch“ bezeichnen, dann bekommt man meistens verwunderte Blicke zu sehen und die Frage gestellt: „Wie, israel-solidarisch, hast du nicht gesagt, dass wir über Linke reden?“


Diese erstaunte Frage trifft den Nagel auf den Kopf, denn links, also anti-kapitalistisch, anti-imperialistisch, anti-rassistisch etc. ist wohl kaum vereinbar mit der Politik des israelischen Staates. Doch die Anti-Deutschen beziehen sich eher weniger auf die aktuelle Politik Israels, über die sie meistens nur wenig informiert sind, außer es findet gerade wieder eine Invasion in den Gaza-Streifen statt. Es geht ihnen um die historische Entstehung des Staates als „Schutzgebiet“ für Jüd_Innen, die vor dem Holocaust fliehen konnten oder ihn überlebten.


Deshalb ist es für die Anti-Deutschen nur ein kurzer Weg von Israel-Kritik zu Antisemitismus. Zwar gibt es in Deutschland und Österreich immer wieder Bündnisse und gemeinsame Aktionen mit den Gruppen dieser politischen Strömung, die sich für Solidarität mit den Refugees in Europa und gegen Neonazi-Aufmärsche einsetzen. Doch ihr Auftreten in der Linken, sobald sie eine gewisse Stärke erreicht haben, führt auch immer wieder zu massiven Angriffen auf revolutionäre, anti-kapitalistische Politik. Dabei scheuen sie auch vor der Zusammenarbeit mit dem bürgerlichen Staat und seinen Repressionsorganen wie vor Verleumdung und reaktionärer Hetze nicht zurück. Aktuell erleben wir wieder eine solche Offensive, wie wir an folgenden Beispielen zeigen.


Israel Apartheid Week


Wie bereits im letzten Jahr rief die BDS-Kampagne (Boykott – Deinvestition – Sanktionen) zur sogenannten „Israel Apartheid Week“ viele unterschiedliche Künstler_Innen und politische Aktivist_Innen weltweit auf. Auch der aus Jerusalem stammende und in Berlin lebende Regisseur Dror Dayan wollte sich mit der Vorführung seines Filmes „Even Though My Land Is Burning” beteiligen.


Schon mehrere Wochen vor der Veranstaltung hatten dann anti-deutsche Gruppen versucht, die Betreiber_Innen des Berliner Movimiento-Kinos zu erpressen, dass entweder der Film nicht gezeigt oder das Kino für immer als „antisemitisch“ gebrandmarkt sein würde. In dem Film selbst geht es um die Zusammenarbeit von jüdischen Antizionist_Innen und Palästinenser_Innen, die gemeinsam Widerstand leisten. Er zeichnet damit das gegenteilige Bild dessen, als welches Anti-Deutsche gerne Zionismus und Widerstand konstruieren. Ihnen zufolge wäre der Zionismus keine koloniale Siedlerideologie, wäre der zionistische Staat kein rassistischer Staat, der auf der Vertreibung des palästinensischen Volkes beruht, sondern „Schutz“ „der Jüd_Innen“. Damit wird erstens unterschlagen, dass der Alleinvertretungsanspruch des Zionismus für die Interessen des jüdischen Volkes selbst eine Lüge, eine Anmaßung ist, die die unterschiedlichen Klasseninteressen ignoriert und die Arbeiter_Innenklasse an einen reaktionären, rassistischen Unterdrückerstaat binden soll.


Gleichzeitig hetzen Anti-Deutsche und Zionist_Innen besonders gern und forsch gegen Filme, gesellschaftliche und politische Initiativen, wo Palästinenser_Innen und Jüd_Innen gegen die zionistische Politik zusammenarbeiten. Es kein Zufall, dass die Anti-Deutschen dabei auch vor Drohungen gegen Palästinenser_Innen nicht zurückschreckten, die gemeinsam mit vielen Jüd_Innen an der Filmpremiere teilnehmen wollten, aber Angst vor rassistischen Angriffen hatten. Ebenfalls ist diesem rassistischen Mob wohl nicht bekannt, dass die Hauptdarstellerin, eine Frauenrechtsaktivistin gegen die Besatzung, mittlerweile im israelischen Gefängnis sitzt, in der angeblich einzigen Demokratie im Nahen Osten. Für Anti-Deutsche ist das aber eher ein Grund zum Feiern. Sie verteidigen nicht nur die Unterdrückung des palästinensischen Volkes, sondern auch die imperialistische (Un-)Ordnung im ganzen Nahen und Mittleren Osten und damit nicht nur die Interessen des US-Imperialismus, sondern auch des deutschen.


Amerlinghaus Wien


Doch wie eingangs bereits erwähnt, legen Anti-Deutsche allgemein wenig Wert auf die tatsächliche Verteidigung demokratischer Werte, solange sie damit ihre These des „strukturellen Antisemitismus“ der Linken in Deutschland und Österreich aufrecht erhalten können. Ebenfalls im Rahmen der BDS-Kampagne sollten im Amerlinghaus in Wien Veranstaltungen und Referate im Rahmen der „Israel Apartheid Week“ stattfinden, die jedoch kürzlich abgesagt und verlegt wurden. Die Stellungnahme von BDS Austria gegen diese Diffamierungen findet sich auf www.bds-info.at.


Die Betreiber_Innen des Amerlinghauses beugten sich letztlich dem öffentlichen Druck auf einen „offenen Brief“ hin, der von mehreren Akademiker_Innen, Politiker_Innen diverser bürgerlicher Parteien (Grüne, ÖVP) unterzeichnet wurde. Darin stand nicht nur, dass die Veranstaltung mit dem Jerusalemer Aktivisten Ofer Neiman abgesagt werden, sondern dass man gleich dem ganzen Amerlinghaus die Subventionen streiche sollte, falls es noch einmal mit der BDS-Kampagne in Kontakt käme.


Konkret bedeutet das, dass ein kulturelles Zentrum aus der Wiener Innenstadt verschwinden würde, in dem Geflüchteten kostenfreier Deutschunterricht angeboten wird, in dem linke Gruppen ihre Plena abhalten und viele öffentliche Veranstaltungen zu Arbeitskämpfen, gewerkschaftlicher Organisierung und eben auch Antifaschismus und Antirassismus stattfinden. Natürlich applaudiert bei diesem Vorschlag sofort die FPÖ, die rechtspopulistische Partei Österreichs, deren Umfragewerte sich in schwindelnden Höhen bewegen.


In vollem Bewusstsein der möglichen Konsequenzen dieser rufschädigenden Kampagne gegen das Kulturzentrum begeben sich „Junge Linke“ und der „Kommunistische Student_innenverband Linke Liste“ in eine unheilige Allianz mit dem ÖVP-Landtagsabgeordneten Juraczka, mit dem sie gemeinsam zur Protestaktion gegen BDS aufriefen. Auch der unterstützende „Club der Freunde Israels“ glänzt nicht gerade vor Antirassismus. Der „Standard“ berichtet, dass dieser den FPÖler Norbert Hofer zu einer Veranstaltung „freundlich empfangen und schließlich mit Applaus verabschiedet“ hat. Wir rufen alle fortschrittlichen, demokratischen und anti-imperialistischen Initiativen zur Solidarität mit dem Amerlinghaus und BDS und den verleumderischen Vorwurf des Antisemitismus zurückzuweisen auf. Andernfalls werden sich die Anti-Deutschen nur zu weiteren Angriffen ermutigt fühlen.


Revolution Dresden


Das letzte Beispiel betrifft unsere eigenen Genoss_Innen und die Jugendorganisation REVOLUTION. Die Stadt Dresden ist seit der Gründung der PEGIDA-Bewegung schon fast zum Symbol rassistischer Aufmärsche und Angriffe auf Migrant_Innen geworden. Die vor kurzem gegründete REVOLUTION-Ortsgruppe hat deshalb natürlich antirassistische Arbeit zum Schwerpunkt.


Aus diesem Grund hatte sich REVOLUTION an dem Bündnis „Solidarity without Limits” beteiligen wollen, wurde jedoch durch Initiative der sogenannten „Undogmatischen Radikalen Linken“ (URA) soweit hinausgedrängt, dass das offene Auftreten mit Fahnen etc. verboten gewesen wäre. Das weitete sich dann auch noch dahingehend aus, dass es parteinahen Gruppen wie der Linksjugend solid verboten wurde teilzunehmen. Als Begründung wurde auch hier wieder einmal das anti-deutsche Argument verwandt, wer sich mit Palästinenser_Innen solidarisiert und den israelischen Staat ablehnt, der sei ein Antisemit. Hierbei wird mal eben der Antizionismus mit dem Antisemitismus gleichgesetzt. Damit wird einerseits mit dem Zionismus eine rassistische Ideologie gerechtfertig, andererseits der Antisemitismus selbst bodenlos verharmlost. Linke Gruppen aus antifaschistischen und antirassistischen Bündnissen zu verdrängen, stärkt am Ende genau diese rechten Parteien und ihre Aufmärsche, die den brutalsten Antisemitismus der Weltgeschichte zu verantworten haben.


Doch es blieb nicht nur bei dieser Auseinandersetzung. Darüber hinaus sollte die Frauenkampftagsveranstaltung von REVOLUTION/ArbeiterInnenmacht verhindert werden, indem sämtlichen Betreiber_Innen von den Orten, die REVOLUTION nutzen wollte, gedroht wurde. Der Höhepunkte war erreicht, als dem kurdischen Verein erzählt wurde, dass REVOLUTION eine terroristische Organisation sei, die Terrorist_Innen unterstütze und die meiste Zeit für den Tod von IDF (Israel Defence Force) argumentiere. Wie muss man wohl drauf sein, wenn man versucht, einem kurdischen Verein, der selbst ganz genau weiß, was es bedeutet, unter dem Vorwurf des „Terrorismus“ unter Repressionen zu leiden, solche Lügen aufzutischen, um anderen Linken politische Arbeit unmöglich zu machen?


Anti-Deutsche, die wahren Deutschen


Der besonders autoritäre Charakter also, den Anti-Deutsche dem Konstrukt des „deutschen Wesens“ zuordnen, ist in erster Linie bei ihnen selbst zu finden. Sollte es dieses deutsche nationale Wesen geben, so findet man es wahrscheinlich in seiner Reinform bei den Anti-Deutschen selbst.


Keine Spur von Klassenbewusstsein und kein Verständnis des imperialistischen Weltsystems, das es eben unmöglich macht, dass ein von den USA gestützter Staat im Nahen Osten politisch neutral und allein für das Wohlergehen von Menschen jüdischer Konfession verantwortlich gegründet wird. Jegliches Verständnis dafür, dass auch in Israel selbst Klassenkämpfe stattfinden und dass man
sich mit den progressiven Teilen solidarisieren muss, dass man sich gegen den Rassismus gegen Araber_Innen und afrikanische Geflüchtete in Israel einsetzen muss, fehlt ihnen.


Der von ihnen verteidigte Zionismus ist eine völkisch-nationalistische Ideologie, die das Judentum nicht als Religion, sondern als „Volk“ ohne Klassengegensätze darstellt, welches angeblich ein „Fremdkörper“ in Europa sei. Statt also dem wirklichen Rassismus und dem Antisemitismus entgegenzuwirken, baut der Zionismus sich selbst sein rassistisches Konzept, nach dem die Heimat des „jüdischen Volkes“ einzig und allein im Heiligen Land liegen kann, egal wer da gerade vorher gewohnt hat oder noch vertrieben werden muss.


Doch diese Ideologie, dass Menschen in Rassen, in feste Kulturkreise einzuordnen sind und danach bestimmt wird, wo sie zu leben haben, gehört nicht in die Linke, sondern in die aufsteigende rechte Bewegung, die wir mit aller Entschlossenheit bekämpfen. Die realen Gegensätze der Gesellschaft verlaufen nicht zwischen „Rassen“, sondern zwischen den Klassen. Daher müssen wir Unterdrückten, Arbeiter_Innen, Jugend, Migrant_Innen gemeinsam kämpfen! Wir appellieren deshalb an alle, die in antirassistischen Bündnissen aktiv sind, solchen anti-demokratischen Manövern wie den oben genannten klare Kante zu zeigen: nicht nur, um die Verharmlosung des wirklichen Antisemitismus zu verhindern, sondern um gerade in der heutigen Zeit, wo antifaschistische und antirassistische Aktionen aller Strömungen der Arbeiter_Innenbewegung, der Migrant_Innen, der Linken extrem nötig geworden sind, die Solidarität und die Schlagkraft der Linken zu stärken, für die israelische, die palästinensische und die weltweite Arbeiter_Innenklasse!


Freiheit für Palästina