Blockupy: Welchen Antikapitalismus brauchen wir?

Am 18. März soll es soweit sein: Nach mehrmaligen Verzögerungen wird in Frankfurt/M. der neue Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeweiht.

Die EZB ist Teil der „Troika“ – bestehend aus EZB, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Kommission -, die für das EU-Spardiktat verantwortlich ist, welches in Ländern wie Spanien oder Griechenland einen drastischen Sparkurs auf dem Rücken der Bevölkerung durchsetzt. Innerhalb der Troika spielt die deutsche Regierung eine zentrale Rolle.

Von den „Rettungsmaßnahmen“ haben die Menschen in Südeuropa freilich kaum etwas. Im Gegenteil: etwa 90% der „Hilfsgelder“ zahlt Griechenland zur Begleichung seiner Schulden direkt an die Banken und Gläubiger. So werden eben jene Banken, die mit ihren Spekulationen die Krise 2008 auslösten, durch die Krise noch reicher. Gerettet werden also nicht die „faulen Griechen“, wie uns Merkel, Schäuble und die Medien einreden wollen, sondern v.a. das Großkapital in Deutschland, das auch von der Privatisierung öffentlichen Eigentums und dem Ausschalten von europäischer Konkurrenz profitiert und auf die Eurozone angewiesen ist. Wenn die deutsche Bourgeoisie nichts von dieser Politik hätte, würden sie diese wohl kaum durchführen.

Gegen diese Politik regte sich schon sehr bald Widerstand, auch in der Linken. Eine dieser Widerstandsbewegungen trat 2012 erstmals in Aktion: Blockupy. Wir wollen diese Bewegung in diesem Text einer Kritik unterziehen und unsere Antworten auf die Krise darstellen.

Blockupy und der Kapitalismus

Nach eigener Aussage ist Blockupy ein Bündnis u.a. aus der Interventionistischen Linken (IL), attac, Occupy Frankfurt, Gewerkschaften, Jugend- und Studierendenverbünden, dem Erwerbslosen-Forum Deutschland, der Linkspartei, dem Netzwerk Friedenskooperative und dem Bündnis „Ums Ganze”.

Was hat dieses Bündnis inhaltlich zu bieten? Hierzu wollen wir exemplarisch den Aufruf zu den Aktionen gegen die EZB betrachten.

Neben einer Beschreibung des EU-Krisenregimes, der EZB-Politik, ihren Folgen und der Ablehnung dieser Politik findet sich dort u.a. dieser Satz: „Sie repräsentieren uns nicht, ja sie wollen uns gar nicht mehr repräsentieren! Die herrschenden Eliten haben uns nichts mehr anzubieten.“ (https://blockupy.org/18m/aufruf)

Hier fehlt eine Analyse der Klassengegensätze und der Klasseninteressen. Eine solche würde schnell feststellen, dass die Politik der Herrschenden nie etwas mit „Repräsentation“ oder sozialer Verantwortung zu tun hat, sondern den System- und Profitzwängen des Kapitalismus folgt. Die herrschenden Eliten „haben uns nichts mehr anzubieten“ – und sie hatten uns noch nie etwas anzubieten. Der Aufruf sagt im Grunde indirekt, dass Blockupy eigentlich froh wäre, wenn die Eliten ihm etwas anzubieten hätten, wenn sie in Dialog treten würden. Das ist zwar unrealistisch, verweist aber darauf, dass Blockupy – so wie auch die LINKE oder die Gewerkschaftsbürokratie –  doch als Verhandlungspartner gern mit am kapitalen Tisch sitzen will. Statt Kampf und Sieg gegen den Klassengegner hofft man auf einige Krümel. Wie elend für eine Szene, die sich zum großen Teil gern super radikal gibt!

Dass diese Elite „uns“ manchmal etwas anzubieten hatte, lag u.a. daran, dass ihre Lage sehr prekär war, wie nach dem Zweiten Weltkrieg, oder die Arbeiter_Innenbewegung ihr im Kampf etwas abgerungen hatte. Zugleich wurde dieses „Anbieten“ auch durch die imperialistische Überausbeutung der „Dritten Welt“ möglich.

Im Blockupy-Aufruf wird die gefährliche, für den Reformismus typische Illusion erzeugt, dass der Kapitalismus und seine Probleme innerhalb des Systems zu bändigen seien. In dem Zusammenhang werden dann auch die üblichen Illusionen in mehr oder „wahre Demokratie“ im Kapitalismus oder gar „Demokratie ohne Kapitalismus“ geschürt. Auch hier wird weder berücksichtigt, dass jede Demokratie nur eine betrügerische, die realen Machtstrukturen verschleiernde Herrschaftsform in der Klassengesellschaft ist, noch wird etwas darüber gesagt, wie die soziale Basis, wie die Struktur, wie die Funktionsweise einer Demokratie jenseits des Kapitalismus – wir würden dazu „Arbeiter-Räte-Demokratie“ sagen – aussehen würde. Doch hier handelt es sich nicht nur um nichtssagende Sprechblasen, dahinter verbirgt sich eine durch und durch reformistische Praxis. Der Aufruf lässt komplett offen, wie selbst die bescheidenen Ziele von Blockupy erreicht werden sollen. In der  Praxis bedeutet das dann immer, sich der Politik, den Zielen und Methoden der reformistischen Großorganisationen Linkspartei oder DGB weitgehend unkritisch anzupassen. Und die wissen recht gut, wie man die Massen betrügen und deren Kämpfe in für das System ungefährliche Bahnen leiten kann.

Blockupy: perspektivlos und rein symbolisch

Das Motto der ersten Blockupy-Aktionstage 2012 „besetzen, blockieren, demonstrieren“ ließ auf effektive politische Aktionen hoffen. Mittlerweile heißt es: „talk, dance, act“ (Blockupy-Aufruf vom November 2014) oder „let’s take over the party“ (Blockupy-Aufruf März 2015) – die „Kreativität” ist offenbar wichtiger als ein konkreter politischer Inhalt. Bei solchen Gegnern kann sich das Kapital die Kabarett-Karten sparen.

Die jüngsten Mottos von Blockupy zeigen, dass die Bewegung – genauer: deren Führungen – nichts aus der weitgehenden Wirkungslosigkeit ihrer rein symbolischen Proteste der letzten Jahre drei gelernt haben. Auch die Tatsache, dass die Mobilisierungen von Mal zu Mal schwächer geworden sind, ist offenbar kein Grund zum Nach- oder gar zum Umdenken. Jeder konkrete Inhalt, jede konkrete Schlussfolgerung wird durch unverbindliche Phrasen ersetzt. Es gibt keine weiterführende  Perspektive – weder hinsichtlich der Mobilisierung noch hinsichtlich einer allgemeinen politischen Zielsetzung. Hier zeigen sich die fatalen Ergebnisse der total verkürzten Kapitalismuskritik und der fehlenden Programmatik, des fehlenden taktischen Verständnisses und der offensichtlichen Unkenntnis historischer Erfahrungen, die dazu führen, alte Fehler zum tausendsten Mal zu wiederholen und das auch noch als besonders „kreativ“ hinzustellen.

Dieses Dilemma wurzelt auch in einer falschen Bündnispolitik, bei welcher die radikaleren Teile des Bündnisses (IL, Ums Ganze, diverse autonome, anarchistische, kommunistische Gruppen) vor dem reformistischsten Teil (Linkspartei, attac) einknicken. Anstatt sich auf wenige, gemeinsame Forderungen und v.a. Aktionen zu verständigen, werden Inhalte verwischt und konkrete Aussagen zu Zielen und Methoden der Aktionen vermieden. Dieses opportunistische Vorgehen wird dann noch als Alternative zum – sicher auch falschen – Sektierertum innerhalb der (europäischen) Linken, z.B. bei der MLPD hier oder der KKE in Griechenland hingestellt.

Blockupy hat es 2012 und 2013 zwar geschafft, jeweils um die 20.000 auf die Straßen zu bringen und den Betrieb in Frankfurter Bankentürmen etwas zu stören, doch wirklich weh tut das weder dem Finanzkapital, noch dem Kapitalismus. Das soll es ja auch nicht unbedingt. Den Blockupy-Spitzen geht es ja auch mehr darum, ein politisches Zeichen zu setzen, ein Symbol zu kreieren, um in die Bevölkerung „auszustrahlen“. Das ist an sich richtig, nur funktioniert das so nicht. Um breitere Schichten über die Linke hinaus, v.a. die Vorhut der Arbeiter_Innenklasse, erreichen zu können, bedarf es eines völlig anderen Vorgehens. Zum einen müssen Mobilisierungsstrukturen geschaffen werden, die kontinuierlich arbeiten und die Basis ausweiten. Geschieht das nicht, muss die Bewegung jedes Mal wieder „bei Null“ beginnen. Diese Aufgabe wurde bisher von Blockupy abgelehnt. Zum anderen muss die Abwiegelungs- und Bremspolitik der reformistischen Führungen  von Linkspartei und DGB kritisiert und eine Alternative aufgezeigt werden. Auch das wird abgelehnt. Drittens muss Blockupy aktiv den Widerstand anderer Milieus aufgreifen und unterstützen, z.B. Streiks. Auch das erfolgt nicht. Somit blockiert sich Blockupy selbst. Warum? Um den Schulterschluss mit dem Reformismus nicht zu gefährden und dessen Politik nicht wirklich attackieren zu müssen. Die radikalen Phrasen vieler Blockupy-Bündnis-Gruppen ändern daran überhaupt nichts.

Was ist Antikapitalismus?

Um dem Kapitalismus wirklich weh zu tun, um den sozialen Angriffen der Banken, Konzerne und Regierungen wirklich etwas entgegenzusetzen, reichen keine Farbbeutelwürfe auf die EZB.

Dazu braucht es Aktionen, die wirklich ökonomischen Druck aufbauen, z.B. Streiks und Betriebsbesetzungen. Auf generelle Angriffe des Kapitals braucht es auch genereller Antworten der Klasse und nicht nur symbolischer Aktionen der Linken. Um die Macht des Kapitals und der Troika in Frage zu stellen, brauchte es einen europaweiten, unbefristeten Generalstreik!

Stattdessen hat Blockupy das Motto „18 03 ich nehm mir frei“, das sozusagen „indirekt“ vermitteln soll, dass wir die Arbeit für Blockupy an diesem Tag niederlegen sollen. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass dadurch tatsächlich viele Beschäftigte einen Urlaubstag für Blockupy opfern oder gar richtig streiken. Wer glaubt, dass das so funktioniert, hat wirklich übehaupt keine Ahnung von Klassenkampf, Arbeiter_Innenklasse und Reformismus – Hauptsache es klingt radikal. Hingegen zu den  aktuellen Tarifrunden von IGM und ver.di – die es ja real und nicht nur in den Träumen von Blockupy gibt – sagt man nichts.

Für eine offensive Antwort auf die Krise ist der Aufbau einer europaweiten Einheitsfront der organisierten Arbeiter_Innenklasse notwendig. Damit meinen wir nicht inhaltsschwache, verwaschene Bündnisse wie Blockupy,
sondern eine europaweite Koordinationsstruktur von Linken, kämpfenden Milieus und der Arbeiter_Innenbewegung, die sich auf konkrete Aktionen und Forderungen verständigt. Dazu gehört auch, an die vorhandenen Organisationen – an deren Basis und an deren Führungen – zu appellieren und jede Politik offen zu kritisieren, die versucht, das zu boykottieren.  Diese Kritik an der reformistischen Politik muss damit verbunden sein, eine antikapitalistische,  revolutionäre Alternative zu vertreten und konkrete Aktionsvorschläge zu machen. Auf diese Art kann sich herausstellen, wer es ernst meint mit dem Widerstand und die Macht der Kapitalisten ernsthaft infrage stellt oder das nicht will oder nur protestieren will. So können die Massen selbst in der Praxis testen, was reformistische Politik wirklich taugt.

Die Frage einer Einheitsfront drängt sich auch angesichts des europaweiten Aufstiegs rechter und faschistischer Kräfte um so dringlicher auf. Nur in der geeinten Aktion der Arbeiter_Innen und der Jugend kann dieser Gefahr begegnet werden!

Für den Aufbau wirksamen Widerstands bleibt nicht ewig Zeit. Der Imperialismus und ist von immer härterer Konkurrenz und von immer größeren Widersprchen geprägt. Die Krise ist alles andere als vorbei und wird sich weiter verschärfen. Damit sind auch neue Angriffe auf die Lohnabhängigen vorprogrammiert. Die Ukraine-Krise, die forcierte Aufrüstung und Ausdehnung der NATO, die Interventionen des Westens in Nahost und Afrika und der Aufstieg des chinesischen Imperialismus verweisen auf eine stärkere Tendenz Richtung imperialer Neuaufteilung der Welt.

Als Forderungen für eine europaweite Einheitsfront schlagen wir vor:

• Streichung der Schulden Südeuropas! Nein zum Fiskalpakt u.a. Sparauflagenvon IWF, EZB und EU (Troika)! Offenlegung aller Verträge und Auflagen dieser Institutionen!

• Rücknahme aller Kürzungen im Öffentlichen Dienst und der Renten! Keine weiteren Privatisierungen! Fr ein öffentliches Beschäftigungsprogramm mit gesellschaftlich nützlichen Arbeiten – unter Kontrolle von Beschäftigten und lohnabhängigen Nutzer_Innen!

• Verkürzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche in ganz Europa – ohne Lohn- und Personalabbau! Einführung eines Mindestlohns in allen Ländern, um die Lebenshaltungskosten zu decken!

• Geschlossene Betriebe oder solche, wo Schließung, Entlassungen oder Lohnkürzungen drohen, sollen verstaatlicht und unter Arbeiter_Innenkontrolle weitergeführt werden!

• Reichen sollen zahlen! Massive Steuererhöhungen für Reiche, Kapitalisten und Spitzenverdiener!

• Entschädigungslose Enteignung aller Banken und Finanzinstitutionen! Keinen Cent für deren Krise! Zusammenfassung zu einer Zentralbank unter Arbeiterkontrolle!

Doch darüber hinaus brauchen wir v.a. eine revolutionär-sozialistische Organisation, eine Partei,  die in Kämpfe eingreift, sie koordiniert und eine Perspektive vorschlägt. Wenn z.B. die reformistischen Führer einen Kampf verraten und ausverkaufen und sich daher die Massen von den reformistischen Organisationen wegbewegen, muss es eine revolutionäre Organisation als Alternative geben.

Diese sollte ein klares revolutionäres und internationalistisches Programm haben, das eine Perspektive zum Sozialismus weist und die heutigen Tageskämpfe mittels der Übergangsmethode  mit dem Aufbau von Machtorganen der Arbeiter_Innenklasse und deren Machtergreifung verbindet.

Das Fehlen einer solchen revolutionären Massenpartei ist ein, ja das zentrale Problem der ArbeiterInnenbewegung und jedes Widerstands. Welche Perspektive hätte z.B. der Arabische Frühling mit einer solchen Kraft gehabt?!

Deshalb treten wir von der Jugendorganisation REVOLUTION zusammen mit der Gruppe Arbeitermacht für die Schaffung einer neuen, revolutionären Fünften Internationale sowie einer neuen Jugendinternationale ein. Deshalb sind wir auch aktiv am Aufbau der Neuen antikapitalistischen Organisation (NaO) beteiligt.

Mit dieser Perspektive werden wir auch in die anstehenden Bewegungen intervenieren und an  Protesten teilnehmen, sei es bei Blockupy oder den Protesten gegen den G7-Gipfel in Bayern im Juni 2015. Wir laden alle Teilnehmenden und Interessierten zur Diskussion ein – wir sehen uns am 18. März in Frankfurt/M.!

Ein Artikel von Lars Filder, REVOLUTION Fulda