Bundestagswahl: Der deutsche Imperialismus und seine Parteien

Von Romina Summ

Der Druck auf den deutschen Imperialismus wächst. Die Weltwirtschaft steckt seit 2008 in einer kapitalistischen Krise, die nunmehr durch die Pandemie extrem verschärft wurde. Hinzu kamen in der Ära Merkel die Schuldenkrise, Schwäche der EU, Migrationsfrage, Kampf um die Neuaufteilung der Welt und Umweltfrage. Diese strukturellen Probleme sind miteinander verwoben, kombiniert und komplex aber vor allem ungelöst. Jahrelang hat Angela Merkel mit der CDU in verschieden Koalitionen die Krise gemanagt. Dieses Krisenmanagement ist jedoch selbst in die Krise geraten. Die Bourgeoisie benötigt eine neue Strategie, um die strukturellen Herausforderungen des deutschen Imperialismus meistern zu können und um als Macht mithalten zu können.

Die unterschiedlichen Strategien zur Lösung der Krise des deutschen Kapitals wird bei der kommenden Bundestagswahl eine entscheidende Rolle spielen. Wir haben uns die Positionen der einzelnen Parteien genauer angeschaut. Welche Vorschläge haben sie, um die Krise abzuwenden und vor allem zu wessen Lasten gehen sie? Im Raum stehen momentan eine Schwarz-Grüne bzw. Grün-Schwarze Koalition oder eine Ampel-Koalition (Grüne, SPD, FDP). Eine Regierung aus Grüne, SPD und Linke scheint unwahrscheinlich und die Grünen wenden sich davon zunehmend ab.

Die bürgerlichen Parteien

Die Grünen

Die Grünen sind momentan im Umfragehoch und wahrscheinlich führt in der nächsten Regierung kein Weg an ihnen vorbei. Vieles spielt ihnen in die Karten: Ein gesellschaftliches Bewusstsein zur Klimafrage und die Krise der Union sowie der SPD, als auch die Stagnation von Linke und FDP.

Die Grünen bieten mit dem Green New Deal im Gegensatz zur CDU / CSU den deutsche Kapitalist_Innen eine klare Strategie an, hinter der die Partei geschlossen steht, wie sie überhaupt als einzige Partei einen in sich geschlossenen Weg aus der Krise vorschlägt. Das Programm spricht vor allem städtische Mittelschichten und liberale Angestellte an, aber auch Jugendliche aus FFF sowie gut gestellte Teile der Arbeiter_Innenklasse. Die Grünen wollen einen „nachhaltigen Strukturwandel“, mit dem sie den Industriestandort und die EU stärken wollen, sowie (mehr oder weniger) grüne Technologien mit staatlichen Investitionen ausbauen wollen, betroffen sind vor allem die zentralen Wirtschaftssektoren, Metall- und Elektroindustrie. Letztlich geht es den Grünen dabei darum, die deutsche Exportindustrie hinsichtlich der Green Technologies auf einen Spitzenplatz in der Weltkonkurrenz zu heben und so im Wettlauf mit China und den USA um die Neuaufteilung der Welt mitzuhalten, was ohne die EU nicht geht. Dass ein kapitalistisches System niemals nachhaltig sein kann, weil es dazu gezwungen ist, die Produktion immer weiter auszuweiten, kommt bei den Ideen der Grünen natürlich nicht vor.

Dass bei den Grünen die wirtschaftlichen Interessen vor den sozialen stehen, geben sie offen zu. So heißt es in ihrem Programm, dass die Wirtschaftskraft zentral für den gesellschaftlichen Wohlstand ist. Dabei sehen sie die tatsächliche Ursache von Jobverlust und Wirtschaftskrisen nicht in der kapitalistischen Produktionsweise. Dass soziale Programme bei ihnen hintenanstehen und nur durch eine starke Wirtschaft möglich sind, betonen sie auch in ihrem Wahlprogramm: „Wir können nicht versprechen, dass nach Corona jedes unserer Projekte noch finanzierbar ist.“ Sie nehmen die Krise als Vorwand, um eine grüne Transformation, welche im Sinne der deutschen Bourgeoisie ist, durchzusetzen und auf den Rücken der Arbeitenden und sozial Schwachen auszutragen.

Die humanitäre und progressive Rhetorik der Grünen verschleiert, dass sie im Interesse des deutschen Imperialismus handelt. Sie verbreiten die Illusion, dass vom Green New Deal alle Klassen und Länder profitieren würden, dahinter machen sie aber eine eindeutige und verlässliche Politik für die deutsche Konzerne, solange diese zumindest einen umweltfreundlichen Anschein haben. Dass Baerbock bei den Verschmähungen gegen die revolutionäre 1.Mai-Demo mitgemacht hat, ohne ein Wort über den offensichtlich beabsichtigten Angriff der Polizei auf unser Demonstrationsrecht zu verlieren, zeigt zweifellos, dass sie auch zu einer Law-And-Order-Politik gegen linken Protest bereit ist. Das macht die Grünen zu einem perfekten Koalitionspartner für die CDU, wie es in Hessen und Baden-Württemberg auch schon jahrelang erprobt ist.

Junge Menschen und die arbeitenden Massen können sich nicht viel von den Grünen versprechen. Investitionen wird es für die Umsetzung der grünen Transformation geben. Die Umwelt wird damit nicht gerettet, noch weniger werden wir mehr Löhne oder eine bessere Gesundheitsversorgung erwarten können. Profitieren werden die Kapitalist_innen, die E-Autos herstellen.

CDU/CSU

Die CDU als klassische Hauptpartei der deutschen Bourgeoisie verliert immer mehr Stimmen. Die inkompetente Regierungspolitik der Union bildet eine unmittelbare Ursache ihrer Wahlniederlage bei den diesjährigen Landtagswahlen ab. In ihrer Corona-Politik stehen Gesundheitsschutz der Allgemeinheit und Profitinteressen der Wirtschaft einander gegenüber. Sie verbinden sich zu einem inkonsequenten, in sich unschlüssigen Ganzen, zu Maßnahmenpaketen, die weder den Erfordernissen der Bevölkerung nach Gesundheitsschutz und sozialer Absicherung entsprechen noch die Rufe des Kapitals nach Freiheit des Geschäfts voll befriedigen. Hinzu kommt noch der Absturz durch Korruptionsaffären. In sich ist die Union mehr und mehr gespalten, was sich auch im Kanzlerkandidatenclash zwischen Söder und Laschet zeigte. Profitiert haben die Grünen.

Außenpolitisch steht die CDU für eine starke EU unter deutscher Führung und den Ausbau der Grenzagentur Frontex an den Außengrenzen der EU. Sie unterstützen eine Starke NATO und die Partnerschaft zur USA, um so gemeinsam gegen China gewappnet zu sein und deutsches Kapital vor der chinesischen Übernahme zu schützen. Dass die CDU militärische Interventionen gutheißt, haben wir in den letzten Jahrzehnten erlebt und daran wird sich auch nichts ändern.

Letztlich ist für die CDU die Grüne Partei deshalb die liebste Partnerin, weil sie am ehestens das Gesamtinteresse der KapitalistInnen im Blick haben und sie die sozialen Angriffe problemlos mittragen wird, das aber mit der weniger angestaubte Begleitmusik einer Habeck-Rhetorik und durchgesetzt von einer Führungsfigur Baerbock, gegen die Laschet halt einfach lasch wirkt.

FDP

Von der Schwäche der CDU kann die FDP bisher kaum profitieren, was wohl an ihrer starken Klientelpolitik liegt. Die Grünen und die SPD sind auf die neoliberale Partei angewiesen, wenn es um die Bildung der Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP) gehen sollte.

Hinsichtlich der Stellung des deutschen Kapitals in der Welt setzt die FDP auf einen stabilen Exporthandel. Das setzt wiederum eine Souveränität der EU voraus, damit „wichtige Bereichen wie zum Beispiel Energieversorgung, Rohstoffimporte und digitale Technologie weniger abhängig und verwundbar werden“, wie es im Wahlprogramm der FDP heißt. Deutschland brauche die EU, um „einen Beitrag zur liberalen Weltordnung zu leisten“. Auch hier wird wieder von einer Weltordnung gesprochen, die schlichtweg die Vorherrschaft über Halbkolonien mit Hinblick wirtschaftlicher Interessen meint. Ihre interventionistische Politik wird offen dargelegt, wenn sie von einer Fortsetzung des deutschen und europäischen Engagements im Nahen Osten sprechen, von der Integration Afrikas in globale Wirtschaftskreisläufe, vom Ausbau von Frontex oder vom Vertiefen transatlantischer Handelsbeziehungen. Des Weiteren betonen sie die Begrenzung von Haushaltsdefiziten, was im Rückschluss Sozialabbau heißen wird.

Bei der Bekämpfung des Virus setzt und setzte die FDP darauf „mit dem Virus leben“, um ihre vehementen Forderungen nach Öffnungen der (Mittelstands-)wirtschaft zu rechtfertigen, was heißt, den Tod Tausender hinzunehmen. Nichts geht den Liberalen über die Freiheit der Wirtschaft!

AfD

Die AfD stagniert. Sie versuchte einerseits die rechte Querdenkenbewegung abzuholen, gleichzeitig betonte sie aber auch, nicht deren politischer Arm zu sein.

Neben der massiven physischen Gewalt, welchen diese rassistische Partei mitzuverantworten hat, dienen ihre rassistischen Narrative dem imperialistischen Kampf, wie beim Krieg gegen den Terror deutlich wurde. Die AfD spricht immer wieder von einer Rückbesinnung auf den Nationalstaat und schürt so den Rassismus an. Gleichzeitig fordert sie eine hohe Priorität der Außenwirtschaft. Sie fordern einen „diskriminierungsfreien Zugang“ zu ausländischen Import- und Exportmärkten für deutsche Unternehmen mit Zugang zu Rohstoffen und Freiheit der Handelswege. Der Rassismus, den sie ständig reproduzieren, dient nicht nur als Rechtfertigung für die Abschottung des Nationalstaates, sondern auch der Legitimation von Ausbeutung halbkolonialer Länder, auf deren Rohstoffe das deutsche Kapital angewiesen ist. So wollen sie auch „deutsche Unternehmen dabei unterstützen, in diese Länder zu investieren“. Die Politik der AfD ist rechtspopulistisch und rassistisch und kann bei einer Verschärfung der Krise einen Zuwachs für die Partei bedeuten, was für die Arbeiter_Innenklasse und alle Unterdrückten eine weiterhin nicht zu unterschätzende Gefahr darstellt.

Die bürgerlichen Arbeiter_Innenparteien

SPD

Die SPD ist jene der beiden bürgerlichen Arbeiter_Innenparteien auf dem absteigenden Ast. Für die Krisenbewältigung setzen die Sozialdemokrat_Innen auf Investitionen in sogenannte zukunftsfähige Arbeitsplätze und klimaneutrales Wachstum. Auch hier sind Teile des Green New Deals erkennbar. Sie wollen „aus der Krise gestärkt hervorgehen“ und propagieren ein Europa, das „als selbstbewusste Friedensmacht auftreten und so eine kooperative, multilaterale Weltordnung mitgestalten“ soll. Doch die Weltordnung von der gesprochen wird, bedeutet letztendlich die Unterdrückung anderer Länder unter die herrschenden Staaten. Dabei wirbt auch die SPD für ein Europa, das geschlossen auftritt und sich zu der neuen US-Regierung öffnet und tritt für eine verteidigungspolitische Eigenständigkeit der EU ein. Sie fordern auch die Stärkung der Welthandelsorganisationen, da Deutschland auf offene Märkte angewiesen ist. Wenn es als imperialistisches Land wieder Macht erreichen möchte, muss es Exportüberschüsse erwirtschaften.

Die gesamte Politik der SPD und ihre enge Verbindung zum DGB und vor allem der IG Metall lief und läuft darauf hinaus, die deutsche Exportindustrie mitsamt ihrem Spitzenplatz in der Welt zu stärken um einem Teil der Arbeiter_Innenklasse ein hohes Einkommen zu verschaffen, was damit einhergeht, einen anderen anzugreifen. Diese Strategie der Vermittlung zwischen Kapital und gehobeneren Arbeiter_Innen erweist sich aber als immer untauglicher. Die Krise der SPD ist das Ergebnis.

Die Linken wählen?

Die Linken stagnieren trotz der Fülle drängender sozialer Themen, vor allem da sie innerlich gespalten sind und sich daher kaum zu einer klar antikapitalistischen oder auch nur schärferen reformistischen Strategie entscheiden können.

Sie wollen eine Finanzierung der Corona-Krise durch eine Vermögensabgabe. Beim Thema Außenpolitik wollen die Linken Frieden fördern und die Zivilgesellschafts unterstützen, „statt nur Wirtschaftsinteressen zu dienen und Deals mit Diktatoren zu machen.“ Weiter heißt es in ihrem Programm, dass es faire Handelsabkommen mit einem Regelwerk für Produktionsbedingungen, ein gerechtes Lieferkettengesetz und ein globales Arbeitsrecht geben soll. Auch den Export wollen sie beschränken durch einen internationalen Ausgleichsmechanismus, der die Staaten mit Exportüberschüssen auf ausgeglichene Handelsbilanzen verpflichtet.

Auch wenn sich die Linkspartei in ihrer Regierungspolitik in den Bundesländern nicht wirlich von der SPD unterscheidet und sie sich immer wieder als treue Verwalterin des deutschen Kapitalismus erwiesen hat, hat sie andererseits auch eine reale Verbindung zu sozialen Bewegungen wie „Deutsche Wohnen und Co enteignen“.

Doch was heißt das für uns? Als Kommunist_Innen müssen wir die parlamentarischen Wahlen nutzen, um für unsere Ideen zu werben und Illusionen in den Reformismus zu bekämpfen. Das Ergebnis einer Wahl ist für den Klassenkampf nicht egal, sondern spiegelt das Kräfteverhältnis in der Arbeiter_Innenklasse wider.

Wir rufen zur kritischen Wahl der Linkspartei auf, und zwar trotz ihres Programms. Für die Punkte, die wir unterstützen, wie eine Vermögensabgabe zur Krisenbekämpfung wollen gemeinsam mit deren Wähler_innen und Mitgliedern kämpfen. Doch wir tun dies nicht um die Linkspartei aufzubauen, sondern um ihre Versprechen auf den Prüfstand zu stellen, uns als konsequenter zu erweisen und somit Jugendliche und bewusstere Arbeiter_Innen vom Reformismus weg hin zu einer revolutionären Politik zu bringen.

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