Wie befeuert der Nahostkonflikt Rassismus und Antisemitismus in Deutschland?

Von Urs Hecker, REVOLUTION Zeitung, Januar 2024

Seit dem 7.Oktober geht eine immer stärkere Welle des anti-muslimischen Rassismus durch Deutschland, welcher oft mit dem Kampf gegen den Antisemitismus begründet wird. In einem neuen Podcast titelt die Tageszeitung „die Welt“ „free Palestine“ sei das „neue Heil Hitler.“ Die CDU veröffentlicht einen Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm, in dem sie erklärt: „nur wer sich zur Leitkultur bekennt kann sich integrieren und ein deutscher Staatsbürger werden“ Zu dieser „Leitkultur“ soll laut CDU auch die Anerkennung des „Existenzrechts Israels“ zählen. Aber auch die „linken“ bürgerlichen Parteien beteiligen sich an der rassistischen Rhetorik. Neben der rassistischen Politik und Rhetorik der bürgerlichen Parteien und Medien, steigt aber auch die Zahl antisemitischer Aktionen. Es wurden zum Beispiel die Häuser von Jüd:innen in Berlin mit Davidsternen beschmiert.

Um Antisemitismus und Rassismus und ihre Funktion in der kapitalistischen Gesellschaft zu verstehen, müssen wir uns mit der Geschichte beider auseinandersetzen. Der „moderne“ Antisemitismus entwickelte sich aus dem Antijudaismus des Mittelalters. In der ständischen Gesellschaft des Mittelalters mit ihren starren ökonomischen Strukturen übernahmen Jüd:innen eine ökonomische Sonderrolle und waren vor allem als Kaufleute oder im Geldverleih tätig. In der neu entstehenden dynamischen kapitalistischen Gesellschaft verloren Jüd:innen ihre Sonderrolle und wurden immer mehr in prekäre Lebensbedingungen gedrängt. Sie wurden von den neuen Herrschenden von nun an als Sündenböcke verfolgt bzw. benutzt, um die Wut des von Abstiegsängsten geplagten Kleinbürger:innentums zu befriedigen und dem wachsenden und sich bewusst werdenden Proletariat seine revolutionäre Richtung zu nehmen. Der Kapitalismus wurde als eigentlich funktionierendes System dargestellt und die „fremden Jüd:innen“ seien Schuld an Verelendung, Korruption, Krise und Revolution. Besonders das zaristische Russland, in dem ein Großteil der jüdischen Bevölkerung lebte, verbreitete aufgrund der revolutionären Lage im Land besonders aggressiv Antisemitismus. So erfand seine Geheimpolizei die „Protokolle der Weisen von Zion“, wonach eine jüdische Weltverschwörung hinter den Revolutionen der Welt stecke. Und so popularisierte die weiße Reaktion die „jüdisch – bolschewistische Weltverschwörung.“ Diese Verschwörungsmythen fanden großen Anklang bei Reaktionären weltweit und wurden so in Deutschland mit dem generell grassierenden Antisemitismus verbunden zum Vernichtungsantisemitismus der Nazis, welcher in der Shoa seinen barbarischen Höhepunkt fand.

Rassismus wie wir ihn heute kennen entstand dagegen zuerst in den imperialistischen Ländern und ihren Kolonien, zusammen mit dem bürgerlichen Nationalismus. Er wurde zum einem genutzt, um Sklaverei sowie die Überausbeutung und Genozid an den indigenen Bevölkerungsgruppen zu rechtfertigen und zu begründen. Zum anderen war sein Zweck zusammen mit dem Nationalismus eine Identifikation der Arbeiter:innen mit ihren nationalen Bourgeoisien in den imperialistischen Ländern und ihren Siedlungskolonien zu schaffen. Dies gelang zuerst in den Siedlungskolonien, allen voran in den heutigen USA, da hier die einwandernden Arbeiter:innen von Landnahme, Genozid und Sklaverei profitierten und ihre Dasein als Lohnabhängige oft nur zeitlich beschränkt war. Nach einigen Jahren des Lohnarbeitens winkte das eigene durch Landraub in Besitz genommene Stück Land im Westen. Dieses kleinbürgerliche Bewusstsein breitet sich mit Beginn der imperialistischen Epoche in privilegierten Teilen der Arbeiter:innenklasse erst in Großbritannien und später in allen anderen imperialistischen Ländern, so auch Deutschland, aus. Die materielle Basis hierfür war, dass sich die imperialistischen Bourgeoisien durch die Stärke der Arbeiter:innenklasse gezwungen sahen, ihr Zugeständnisse zu machen, wovon die besonders gut organisierten Teile der Arbeiter:innenklasse stark profitierten. Diese Zugeständnisse waren und sind aber erst durch die besonders starke Ausbeutung anderer Teile der Arbeiter:innenklasse (meistens in den Halbkolonien und/oder aus diesen migrierte Arbeiter:innen) möglich. So ist zum Beispiel der „Sozialstaat“ durch Steuern auf die Superprofite finanziert, welche imperialistische Unternehmen in den Halbkolonien erzielen. Dies führte dazu, dass das falsche Bewusstsein des Nationalismus und der „gemeinsamen nationalen Interessen“ der Arbeiter:innen und „ihrer“ nationalen Bourgeoisie entstand. Dieser privilegierte Teil der Arbeiter:innenklasse in den imperialistischen Ländern, die sogenannte Arbeiter:innenaristrokratie, war und ist dominierend in den großen Arbeiter:innenparteien und Gewerkschaften, womit sich ihr falsches Bewusstsein auf den Großteil der Klasse ausbreiten konnte. In Deutschland richtete sich der Rassismus zuerst vor allem gegen die national unterdrückten slawischen Arbeiter:innen Ost- und Mitteleuropas, da diese vom deutschen Imperialismus national unterdrückt wurden und einen Großteil der frühen Arbeitsmigrant:innen darstellten. Dieser anti-slawische Rassismus spielte zusammen mit dem Antisemitismus eine zentrale Rolle in der Nazi-Ideologie und war entscheidende Rechtfertigung für den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Als in den 50er und 60er Jahren immer mehr Arbeitsmigrant:innen aus südeuropäischen und westasiatischen Ländern in die BRD einwanderten, entwickelte sich auch ein starker Rassismus gegen diese, wobei sich hier vor allem auch der anti-muslimische Rassismus herausbildete, welcher durch den sogenannten „Krieg gegen Terror“ massiv befeuert wurde. Die sogenannten „Gastarbeiter“ besaßen so gut wie keine Rechte und wurden lange von den großen Gewerkschaften ausgeschlossen. Seitdem wurde der anti-muslimische Rassismus nur stärker in Deutschland, obwohl einige Rechte erkämpft werden konnten. Anti-muslimischer Rassismus genießt weiterhin eine hohe Popularität innerhalb des (Klein)Bürger:innentums und unter reaktionären Teilen der Arbeiter:innen.

Heute wird oft von „importierten Antisemitismus“ gesprochen, um Migrant:innen den Antisemitismus in Deutschland in die Schuhe zu schieben. Das ist großer Unfug und extrem gefährlich. Der Großteil aller antisemitischen Straftaten in Deutschland wird von Rechten begangen und zuletzt in der Corona-Pandemie gingen noch zehntausende Deutsche unter antisemitischen Parolen auf die Straße. Solidarität mit Palästina ist kein Antisemitismus, wie wir auch schon in anderen Artikeln erklärt und begründeten. Dennoch stimmt es, dass auch einige offen antisemitische Rechte sich vordergründig palästinasolidarisch geben. Sie Kritik am Staat Israel, um antisemitische Hetze zu verbreiten, indem sie Jüd:innen und den Staat Israel gleichsetzen. Oft wird Israel in der Tradition antisemitischer Verschwörungstheorien als Zentrum der jüdisch (-bolschewistischen) Weltverschwörung gesehen. Ihnen geht es also gar nicht um die Freiheit der Palästinenser:innen, sondern nur darum, Antisemitismus zu verbreiten.
Es soll hier jedoch nicht verschwiegen werden, dass auch einige palästinasolidarische Menschen antisemitischen Denkmustern anhängen, indem sie z.B Israel mit Jüd:innen gleichsetzen (wie es ja selbst der deutsche Staat tut) und/oder behaupten, die westlichen Imperialist:innen seien vom Zionismus gesteuert und damit die realen Verhältnisse auf den Kopf stellen. Diese Positionen resultieren aber, im Gegensatz zu den deutschen Rechten, aus berechtigter Wut gegenüber der israelischen Besatzungspolitik, im Zuge derer aber falsche Schlüsse gezogen und rechten und bürgerlichen Mythen geglaubt wurde. Wir wollen diese Einstellung hier aber natürlich nicht verharmlosen, sie ist falsch und stellt eine reale Gefahr für Jüd:innen dar. Sie ist aber nicht Teil der Palästinasolidarität als solcher und es ist unsere Aufgabe als Revolutionär:innen diesen Einstellungen in der Bewegung entgegenzutreten.

Trotz dessen nimmt der anti-muslimische Rassismus weiter zu! Wir erleben eine schärfere Einschränkung migrantischer Rechte, eine immer rassistischere Hetze der bürgerlichen Medien und den bundesweiten Aufstieg der AfD, wobei sich auch die klassischen bürgerlichen Parteien nach rechts bewegen und immer rassistischer vorgehen. Die außenpolitische Unterstützung für Israel wird im Inneren genutzt, um Migrant:innen pauschal Antisemitismus vorzuwerfen und somit ihre Entrechtung zu begründen. In Sachsen-Anhalt wurde vor kurzem das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels Teil der Voraussetzungen zur Einbürgerung von Migrant:innen, Faeser spricht davon, „kriminelle“ Migrant:innen abzuschieben und die CDU fordert, dass bundesweit ein Bekenntnis zu Israel Voraussetzung für eine Einbürgerung wird, bzw. dass Migrant:innen sogar ihre Staatsbürger:innenschaft entzogen werden soll, wenn sie sich palästinasolidarisch äußern.
Natürlich wird der Rassismus in Bezug auf Palästinasolidarität auch genutzt, um die „Heimatfront“ ruhig zu halten, Deutschland unterstützt Israels Genozid aus seinen imperialistischen Interessen heraus und will den Dissens so marginal wie möglich halten. Hier wird der Rassismus genutzt, um Palästinasolidarität als etwas Fremdes, nicht-Deutsches darzustellen und unseren Protest zu isolieren und die deutsche Mehrheitsgesellschaft dagegen aufzubringen. Auch migrantische Gruppen, die palästinensisch oder palästinasolidarisch sind, erfahren besonders harte Repression, wie Samidoun oder Zora.
Der Rassismus und die Entrechtung dienen dem deutschen Kapital. Denn so können sie migrantische Arbeiter:innen noch stärker ausbeuten, sie politisch kaltstellen und die Arbeiter:innenklasse als Ganzes weiter spalten, Solidarität unterbinden und die Kampffähigkeit massiv schwächen. In der aktuellen Krise ist das für das deutsche Kapital besonders nötig, weswegen sich diese Politik auch weiter verschärfen wird.

Wir müssen also konsequent gegen Rassismus und Antisemitismus kämpfen!

Dazu müssen wir uns gegen den bürgerlichen Staat, seine Staatsräson und gegen den generellen Rechtsruck der bürgerlichen Gesellschaft stellen! Beide Formen der Diskriminierung haben ihre materielle Basis im kapitalistischen System und können nur mit diesem überwunden werden. Wir müssen auch gegen das falsche rassistische und antisemitische Bewusstsein innerhalb der Arbeiter:innenklasse kämpfen! Dazu müssen wir hier in Deutschland den palästinensischen Befreiungskampf, antirassistische – und antifaschistische Kämpfe vorantreiben und unterstützen! Wir müssen diese in unsere Schulen, Unis und Betriebe tragen und den Schulterschluss mit Arbeitskämpfen, wie denen am Hamburger Hafen, suchen. Wir müssen eine revolutionäres Programm der Jugend und der Arbeiter:innen vertreten, denn nur im Kampf mit dem System können Rassismus und Antisemitismus besiegt werden!




Die neue rechte Normalität in Deutschland

Von Night Ophelia, REVOLUTION Zeitung Dezember 2023/Januar 2024

„Einwanderung ist Völkermord, denn dann gibt es ein Mischvolk, dann sind wir Deutsche weg.” -Maximilian Krah, AfD (August 2023)

„Deutschland kann nicht noch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Wir haben genug antisemitische junge Männer im Land.“ – Friedrich Merz, CDU (Oktober 2023)

„Wir müssen die Wirklichkeit annehmen und die konkreten Probleme lösen – auch, wenn es bedeutet, moralisch schwierige Entscheidungen zu treffen.“ – Robert Habeck, Grüne (September 2023 zu den Asylverschärfungen)

„Ein Land, wo man nicht Anspruch auf Leistungen hat, ist natürlich auch kein Zielland für Migration, weil dann geht man da nicht hin.“ – Sahra Wagenknecht, ehemals Linke (November 2023)

„Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“ – Bundeskanzler Olaf Scholz (Oktober 2023)

Wenn es um Rassismus und vor allem das Thema Asyl geht, hat sich in den letzten Jahren der Ton dramatisch gewandelt. Wo vor einigen Jahren wenigstens der Anschein von Menschenrechten, Solidarität und Mitgefühl angesichts so unglaublichen Leids, wie an den europäischen Außengrenzen, gewahrt wurde, ist das nun einer zunehmend offen rassistischen und nationalistischen Argumentation gewichen. Und das betrifft letztendlich auch nicht nur die politisch Herrschenden, sondern der Rechtsruck fegt durch die ganze Gesellschaft. Persönliche Angriffe, Isolation, Hass und Hetze gehören mittlerweile wieder mehr zum Alltag und der Aufschrei dagegen verstummt  zusehends.

Wie konnte es so weit kommen? Wie kann es sein, dass Statements, die vor einigen Jahren nur von der extremen Rechten zu erwarten war, jetzt zum Alltäglichen im  Establishment gehören? Und wie können wir uns dagegen auflehnen und das Recht auf Migration und die Rechte rassistisch Unterdrückter verteidigen?

Druck von rechts

Begeben wir uns erstmal auf die Suche nach den Ursachen. Klar ist erstmal: Dieses Phänomen beschränkt sich nicht auf Deutschland. Für große Teile der Welt gilt,dass rechtspopulistische Bewegungen und Parteien eine bedeutende Rolle spielen. Durch eine gezielte Rhetorik, die zum einen die Angst, zum anderen aber auch die nationalistischen und andere Reaktionäre Tendenzen innerhalb der Bevölkerung anspricht, haben sie ihre Ideen immer weiter politisch normalisiert, während sie auch selbst zunehmend nach rechts rücken. Dabei werden u.a. Bilder gezeichnet vom Widerspruch zwischen den „guten, arbeitsamen Deutschen“ und den „bösen, kriminellen Ausländern“. Diese Ängste und Vorurteile werden direkt mit politischen Forderungen gekoppelt, die auf Abschottung und Abschiebung abzielen. Sie nutzen Strategien wie das Heraufbeschwören von vermeintlichen Sicherheitsbedenken in der Bevölkerung dazu, Unterstützung für restriktive Maßnahmen gegenüber Migrant:innen zu gewinnen. Dabei versuchen sie, die realen Sorgen und Notlagen der unteren Schichten anzusprechen, aber wegzulenken vom eigentlichen Verursacher: Das kapitalistische System und seine herrschende Klasse. Stattdessen fahrfen sie eine Sündenbockrhetorik , in welcher sie Migrant:innen oder Asylsuchende als Hauptverursacher:Innen für soziale oder wirtschaftliche Probleme darstellen.

Druck von außen

Wirtschaftliche Unsicherheit und damit verbundene Ängste vor Arbeitsplatzverlust, sozialem Abstieg oder einem Rückgang der Lebensqualität stellen dementsprechend die Grundlage für diese rechtspopulistische Mobilisierung dar. Wir befinden uns in Zeiten heftiger wirtschaftlicher Krisen und Inflation und dadurch suchen Menschen immer verzweifelter nach Antworten für ihre Probleme. Der wirtschaftliche Niedergang verschärft die Konkurrenz um Arbeitsplätze oder knappe Ressourcen und da eine linke Perspektive fehlt, die den Klassenkampf als Perspektive gegen diese realen Probleme geben könnte, gewinnen die Rechten an Boden, indem sie den Schwachen versprechen, die noch Schwächeren weiter runterzudrücken.

Aber das ist nur die eine Seite. Die herrschende Klasse selbst ist auch dem verschärften Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt ausgesetzt. Die Häufung von Kriegen und der Zusammenbruch der internationalen Beziehungen ist das deutlichste Zeichen dafür. Aber das befeuert auch den Rassismus: Zum einen muss der Frust innerhalb der Arbeiter:innenklasse aufgrund der heftigen sozialen Angriffe irgendwohin umgeleitet werden, am liebsten auf einen Sündenbock. Dass hier die Rechtspopulist:innen ganze Arbeit geleistet haben, das in reaktionäre Bahnen zu lenken, wird nun von den  anderen bürgerlichen Parteien dankend angenommen. Schließlich hat die AfD schon rassistische Hetze normalisiert und wenn man nur nicht ganz so plump ist, kann man sich in den jetzigen Zeiten fast noch als Menschenfreund:in verkaufen, wenn man mehr Abschiebungen ohne direkte Beleidigungen fordert. Vor der eigenen Basis verkaufen dann CDU, SPD und Grüne diese Politik damit, dass man ja den Rechten nicht das Feld überlassen darf und deren politischen Punkte aufnimmt, um ihre Wähler:innen zurückzuholen. Die ganzen letzten Jahre haben aber ein ums andere Mal gezeigt: Die Menschen lassen sich nicht für Dumm verkaufen und wählen dann „das Original“, das durch die anderen bürgerlichen Parteien nun endgültig politisch normalisiert wurde. Und selbst wenn nicht, ist das natürlich abzulehnen, denn die rechte Politik ist das Problem und nicht in erster Linie das Label, was darauf steht.

Zum anderen ist durch die wirtschaftlichen und politischen Krisen die Zahl der Flüchtenden international massiv angestiegen und damit ein wirklich gutes Zusammenleben möglich ist, muss ein Staat diese supporten, was im Zweifelsfall natürlich Geld kostet. Da die Kohle aber aktuell für die Aufrüstung, Steuererleichterungen für die Reichsten oder Bankenrettungen landet, will man hier keinen weiteren „Kostenpunkt“ hinzufügen und im Zweifel stirbt zuerst die Menschlichkeit.

Unsoziale Medien

In den letzten Jahren haben Medien, sowohl traditionelle als auch soziale, die öffentliche Meinung und das Sagbare immer weiter nach rechts verschoben. Sensationsorientierte, eindimensionale und polarisierende Berichterstattung und eine Darstellung, die Vorurteile gegenüber Migrant:innen scheinbar bestätigt, verkaufen sich nun mal am besten. Wirklich kritischer oder gar staatskritischer Journalismus hat es hingegen schwer. Zeitgleich wird die Taktrate erhöht, denn die sozialen Medien geben durch die schnelle Verbreitung die Form von „Nachrichten“ vor. Die Viralität von bestimmten Nachrichten oder Meinungen lassen eine wirkliche Überprüfung nicht mehr wirklich zu, selbst von den eigentlich so respektierten großen Zeitungen. Da rechte Standpunkte höchst ideologisch sind und sich zumeist über Verzerrungen legitimieren, profitieren sie davon.

Hierbei gehen viele davon aus, dass die großen Zeitungen einfach nur sachlichen Journalismus betreiben und soziale Plattformen neutrale Räume sind. Das ist aber mitnichten so, denn letztendlich stehen sie immer unter der Kontrolle und der Ideologie der herrschenden Klasse. Inwiefern das nach rechts führt, zeigen 2 Extrembeispiele: Zum einen wäre die Bildzeitung, die auflagenstärkste Zeitung in Deutschland, die seit Jahrzehnten mehr oder weniger die Standpunkte der AfD vertritt und ihr die politischen Bälle zuspielt. Zum anderen ist seit der kürzlichen Übernahme Twitters durch Elon Musk die Plattform deutlich rechter geworden und gibt diesen Akteur:innen praktisch freie Bahn. Man kann also den ideologischen Rechtsruck nicht ohne den Einfluss der Medien verstehen!

Politische Folgen

Da wir jetzt die Ursachen gesehen haben, sollten wir uns fragen, was die politischen Auswirkungen des verschärften Rechtsrucks sind. Denn der massive rechte Einfluss schlägt sich direkt auf die Gesetzgebung und politischen Entscheidungen nieder.

Da wäre zunächst die Asylrechtsverschärfung: Durch die Anpassung von Gesetzen und Richtlinien an eine ablehnende Haltung gegenüber Migrant:innen und Asylsuchenden wurde in den letzten Jahren der Zugang zu Schutz und Unterstützung für Menschen in Not eingeschränkt. Die neuesten Angriffe auf das Asylrecht bestehen aus Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb Europas (Drittstaatenregelung), Migrationsabkommen mit anderen Ländern und Grenzverfahren, die massive Grenzkontrollen beinhalten. Menschen sollen möglichst noch an den Außengrenzen ins Heimatland zurückgeschickt werden. Identitäten von Asylsuchenden sollen schon an der EU-Außengrenze festgestellt werden und in der Zeit der Überprüfung sollen betroffene in Lagern an den Grenzen ausharren. Die bisher nach 18 Monaten gezahlten Analogleistungen in Höhe der regulären Sozialhilfe werden nun erst nach 36 Monaten gezahlt und die Bargeldleistungen durch Bezahlkarten ersetzt. Diese sollen die Menschen daran hindern, Geld an ihre Familien in der Heimat zu schicken und den angeblichen Anreiz der Flucht nach Deutschland mindern. Die menschenverachtende Krisenverordnung der Länder droht ein Standard zu werden.

Aber auch nicht nur hier, sondern auch die Rhetorik gegenüber der palästinensischen Befreiungsbewegung hat sich verschärft und damit auch die offene Kriminalisierung: Verbote von Demos, Symbolen, Organisationen und Sprüchen, dazu Hausdurchsuchungen, Abschiebungen und bei erlaubten Demos viele Festnahmen und enge Überwachung. Das wurde legitimiert von rassistischer Hetze vom „importierten Antisemitismus“, der mittlerweile von CDU bis Grüne propagiert wird und letztendlich einer AfD-Linie entspringt: Solidarität mit Israel heißt Hass und Ausgrenzung von Muslim:innen.

Wie können wir dagegen vorgehen?

Trotz des massiven Rechtsrucks, den wir aktuell erleben, gibt es die Möglichkeit hin zu einer solidarischen Gesellschaft. Wir müssen hierzu eine antirassistische und klassenbewusste Bewegung aufbauen, die den Rechten in Form antifaschistischer Mobilisierungen die Stirn bietet und sie angreift, zugleich aber auch eine Lösung für die Sorgen, Nöte und Krisen hat, indem sie Chancengleichheit erkämpft, wie eine gerechte Verteilung von Ressourcen und den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung für alle. Das bedeutet, dass wir den Klassenkampf wieder aufleben lassen und dabei ein besonderes Augenmerk darauflegen müssen, dass hierbei die Kämpfe gemeinsam gekämpft werden. Gerade der gemeinsame Erfolg über die ethnischen Grenzen hinweg kann all die Hetze und Spaltung tatsächlich beginnen einzureißen. Wir müssen hierfür die Gewerkschaften unter Druck setzen, dass sie Geflüchtete und besonders migrantische Sektoren organisieren und die Kämpfe zusammenführen. Hierbei kann auch Aufklärung eine Rolle spielen, um Vorurteile und Stereotype abzubauen und ein besseres Verständnis für die Realität von Migration und Asyl zu fördern. Die Förderung eines kritischen Denkens in der Öffentlichkeit, unterstützt durch unabhängige Medien, ist unabdingbar, um die Verzerrung von Migrationsdiskursen zu verringern. Und letztendlich müssen wir auch den Blick heben und eine internationale, antiimperialistische und antikapitalistische Bewegung aufbauen, die dazu in der Lage ist, die eigentlichen Fluchtursachen wie Umweltzerstörung, Krieg und Ausbeutung effektiv zu bekämpfen.




Offener Brief an die Klimabewegung in Deutschland

Erstunterzeichnende/First signatories

Organisationen/Organisations:

REVOLUTION Germany, palestine speaks, pa_allies, MigrAntifa Braunschweig, Jüdische stimme für gerechten Frieden im nahen Osten, Ende Gelände Düsseldorf, FightforFalastin, Gruppe ArbeiterInnenmacht

Einzelpersonen/Persons:

Betül Çınar, Hasan Özbay(@migrantischewut), Georg Ismael, Ela Sommer 

Hier könnt ihr auch unterzeichnen:

https://docs.google.com/document/d/1OLa9YQBTulQA-AdZz8QPC7QaxaLKqkbVmUgTxcQzU54/

-english below-

Offener Brief an die Klimabewegung in Deutschland

Liebe deutsche Klimabewegung,

hiermit distanzieren wir uns von Fridays for Future Deutschland. Unter dem Deckmantel einer Stellungnahme gegen Antisemitismus hat FFF-Deutschland in den vergangenen Wochen mehrmalsdie Sache eines gemeinsamen, globalen Kampfes gegen die Klimakrise und für Gerechtigkeit & Freiheit verraten. Sie brechen dadurch nicht nur das Vertrauen der anderen FFF-Sektionen, die sich seit dessen Beginn gegen einen genozidalen Krieg in Gaza gestellt haben. Sie lassen auch herzlos die Menschen Palästinas im Stich und damit nicht nur von Krieg und Besatzung, sondern auch von der Klimakrise „most affected people and areas“. Wir sind der Meinung, dass Klima-Aktivismus ohne Internationalismus nicht funktionieren kann! Imperialistische Länder wie Deutschland oder USA exportieren Klimaschäden in die Länder des Globalen Südens, die in künstlicher Abhängigkeit gehalten werden. Dies geschieht z.B. indem besonders umweltschädigende Abschnitte von Produktionsketten in diese Länder verlegt werden oder indem direkt Müll und giftige Abfälle dort abgeladen werden. Es sind auch diejenigen, die am härtesten durch Dürren und Überschwemmungen, das Artensterben oder den steigenden Meeresspiegel bedroht sind, während ihnen die Mittel, sich dagegen zu schützen, verwehrt bleiben. Die Antwort darauf kann nur in einer internationalen Bewegung bestehen. Wir dürfen nicht auf die Taschenspielertricks der deutschen Regierung reinfallen, wenn sie uns ihren Green New Deal verkaufen wollen. Und genauso wenig, wenn sie über das „Selbstverteidigungsrechts Israels“ reden, es in Wirklichkeit jedoch nur um geopolitische und wirtschaftliche Interessen geht. FFF International veröffentlichte schon im Oktober ein Statement, in welchem sie sich solidarisch mit dem palästinensischen Kampf, dem Widerstand, der Befreiung und der Selbstverteidigung erklären. Sie schreiben sehr deutlich, dass sie im Angesicht von Aggression, Genozid und Faschismus nicht neutral bleiben können. Sie benennen die Besatzung als Resultat eines kolonialen Prozesses, angestoßen durch die westlichen Imperialmächte, damit diese ihre geopolitischen Interessen umzusetzen. FFF international schreibt deutlich, dass sie nicht schweigen werden, während die westlichen Mächte den Genozid in Palästina beklatschen. Wir unterstützen dieses klare Statement der internationalen Strukturen und lehnen die Position des deutschen Verbands und die unfundierte und politisch nicht begründete Abgrenzung von den internationalen Strukturen ganz klar ab. Außerdem solidarisieren wir uns mit dem Aktivisten Hasan, der für die Internationalen Statements verantwortlich gemacht wurde und dann von diesen Medien angegriffen wurde. Diese Hetzkampagne unterstützt Fridays for Future Deutschland. Wir sehen, wie FFF Deutschland Hand in Hand mit dem Deutschen Staat für Israel kämpft.

Nachdem FFF Deutschland schon seit Jahren linke oder antikapitalistische Kräfte systematisch aus der Bewegung drängt, zeigen sie mit diesen Statements erneut, dass antikapitalistische und antiimperialistische Positionen in dieser Bewegung nicht zur Diskussion stehen. Die Nutzlosigkeit von fünf Jahren Appellen an die Politik und das Nachlassen der Mobilisierungen in Folge dessen führen offenbar nicht zu einem radikalen Bruch mit dem deutschen Klimaimperialismus, sondern zu fortgesetzter Anbiederung an Grüne &Co.

Wir rufen alle linken Kräfte in der Klimabewegung, die dieser Kritik zustimmen, auf, den offenen Brief

zu unterstützen und zu teilen. Tretet mit uns in Kontakt und lasst uns gemeinsam in Diskussion treten, wie die Klimabewegung mit antikolonialen Kämpfen weltweit verbunden werden kann und wie wir vom Kuschelkurs mit dem Grünen Kapitalismus hin zu einem vereinten Kampf für Klimagerechtigkeit und Befreiung international kommen.

Dafür wollen wir uns schon am 24.02.24 um 10 Uhr in Berlin treffen, um darüber gemeinsam zu diskutieren und uns zu vernetzen! Wenn ihr kommen wollt, gebt uns Bescheid. 

Wann: 24.02.24 // 10 Uhr 

Wo: Rungestr. 20, 10179 Berlin

Brief unterschreiben?! Hier.

Open letter to the climate movement in Germany

Dear German climate movement,

We hereby distance ourselves from Fridays for Future Germany. Under the guise of a statement against antisemitism FFF Germany has repeatedly betrayed the cause of a common, global fight against the climate crisis and for justice & freedom. In doing so, they are not only breaking the trust of the other FFF sections, which have fought against a genocidal war in Gaza since its inception. They also heartlessly abandon the Palestinian people and thus not only the people most affected by war and occupation, but also the people most affected by the climate crisis.

We are of the opinion that climate activism cannot work without internationalism!

Imperialist countries like Germany or the USA export climate damage to the countries of the Global South, which are kept in artificial dependency. This happens, for example, by transferring particularly environmentally damaging sections of production to these countries or by dumping waste and toxic waste there directly. It is also these countries which are hit hardest by droughts and floods, the extinction of species or rising sea sea levels, while at the same time they are denied the means to protect themselves against these catastrophes. The answer to this can only be an international movement. We must not fall for the not fall for the sleight of hand of the German government when they try to sell us their Green New Deal. And just as little when they talk about Israel’s „right to self-defense“, while in reality it’s all about geopolitical and economic interests. FFF International published a statement back in October in which it expressed its solidarity with the Palestinian struggle, resistance, liberation and self-defense. They write very clearly that they cannot remain neutral in the face of aggression, genocide and fascism. They name the occupation as the result of a colonial process, initiated by the Western imperial powers to realize their geopolitical interests. FFF international writes clearly that they will not remain silent while the Western powers applaud the genocide in Palestine.

We support this clear statement by the international structures and reject the position and the politically unfounded distancing from the international structures by FFF Germany. We also show our solidarity with the activist Hasan, who was made responsible for the international statements by the German media and was then attacked by this same media. A smear campaign is supported by Fridays for Future Germany. We see how FFF Germany fights hand in hand with the German state for Israel.

FFF Germany has been systematically pushing left-wing or anti-capitalist forces out of the movement for years. They show once again with these statements that anti-capitalist and anti-imperialist positions are not up for discussion in this movement. The uselessness of five years of appeals to politicians and the decline in mobilizations as a result of this are obviously not leading to a radical break with German climate imperialism, but to continued pandering to the Greens etc.

We call on all left forces in the climate movement who agree with this criticism to support and share the open letter. Get in touch with us and let’s get together to discuss how the climate movement can be linked to anti-colonial struggles worldwide and how we can move from cuddling up to green capitalism to a united struggle for climate justice and liberation internationally.

For this we want to meet on February 24th at 10am in Berlin to discuss this together and to network! If you want to come, let us know. 

When: 24.02.24 // 10:00

Where: Rungestr. 20, 10179 Berlin

Wanna sign the letter? Here.




AfD zerschlagen statt verbieten!

von Flo Rojo, REVOLUTION-Zeitung Januar 2024

Mehr als eine Viertelmillionen Menschen waren am 21.01.24 gegen die AfD auf der Straße und haben lautstark deutlich gemacht, was sie von Rassismus, Queerfeindlichkeit, Sexismus, Neoliberalismus und Antisemitismus halten! Dass diese Massenproteste plötzlich entflammt sind, ist kein Wunder, denn die AfD ist auf dem Vormarsch. Von radikaler Linke, Regierungs- und Oppositionsparteien bis hin zu verschiedensten bürgerlichen Akteuren steigt die Angst, dass die Rechtspopulist:innen in den anstehenden Landtagswahlen im Osten, bei der Europawahl und auch bei der Bundestagswahl nächstes Jahr Wahlgewinne erzielen werden. Migrant:innen, queere Menschen und Linke fürchten die Repressionen, die sich aus einer Regierungsbeteiligung oder starken Opposition der AfD ergeben könnten. Aus diesem Klima von Angst und Unsicherheit erwächst nun eine Forderung, die schnell an Popularität gewonnen hat: Das Parteiverbot der AfD. Doch wie sollten radikale Linke zu einem Parteiverbot stehen und kann ein solches die Rechten auf ihrem Vormarsch stoppen? In dem Artikel wollen wir darauf eingehen und eine Antwort liefern, wie ein wirklicher Kampf gegen die Rechtspopulist:innen aussehen sollte.

Kann man die AfD überhaupt verbieten?

Die Antwort darauf ist: theoretisch schon, auch wenn unklar ist, ob das Programm der AfD nicht zu schwammig formuliert ist, um ihr Verfassungsfeindlichkeit juristisch nachzuweisen. Dafür müssten die Bundesregierung, Teile des Bundesrats oder Bundestags erst einmal Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Wenn dieses entscheidet, dass die Partei gegen die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ agiert und somit verfassungsfeindlich ist, kann diese verboten werden. In der Geschichte der BRD wurden bis jetzt zwei Parteien verboten: die Nachfolgepartei der NSDAP (SRP) und auf derselben rechtlichen Grundlage kurz darauf auch die stalinistische KPD.

Die Geschichte hat uns somit einmal mehr vor Augen geführt, warum Kommunist:innen nicht für Parteiverbote eintreten sollten: Denn jede Ausweitung seines rechtlichen Handlungsspielraums zur Repression bietet dem Staat die Möglichkeit, gegen Linke vorzugehen. Hintergrund dessen ist das verquere Bild, es existiere eine „demokratische politische Mitte“, die von den extremistischen Rändern von rechts und links gleichermaßen bedroht werde und gegen die sich die Demokratie, beispielsweise mit Parteiverboten, verteidigen müsse. Damit wird zum einen Rechts und Links gleichgesetzt, so als ob es keinen Unterschied mache, ob Menschen Geflüchtetenunterkünfte in Brand setzen oder davor stehen, um eben das zu verhindern. Zum anderen verschleiert die Idee vom Hufeisen mit den extremistischen Rändern, dass rechte Ideen in eben jener „demokratischen Mitte“ produziert werden und allgemeine demokratische Rechte hingegen eine Errungenschaft linker Kämpfe ist.

Ein oft angeführtes Beispiel, um auch den möglichen Erfolg eines solchen Verfahrens zu untermauern, sind die Parteiverbotsverfahren gegen die NPD (heute: Die Heimat). Am Ende des zähen und jahrelangen Verfahrens kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Entschluss, dass ein Verbot wegen der fehlenden Relevanz der NPD nicht umgesetzt werden muss. Die AfD unterscheidet sich natürlich in mehreren Punkten von der NPD. Entgegen der offen faschistischen NPD versucht die AfD rechtsextreme Positionen nicht durch faschistische Milizen auf der Straße, sondern durch den bürgerlich-demokratischen Staat zu drücken. Wie das praktisch aussehen kann, sieht man z.B. in der Meloni-Regierung in Italien. Darüber hinaus stellt die AfD durch ihren Einfluss und Größe ein viel größere Gefahr dar als die Nazi-Kleinpartei.

Doch was würde ein Verbot bringen?

Was viele Befürworter:innen des AfD-Verbots anführen, sind die Vorteile, die ein solches Parteiverbot mit sich bringen würde. Allen voran der Wegfall der Finanzierung, Vermögen und Räume, die sonst weiterhin extreme Rechte nutzen können. Darüber hinaus würden die Strukturen der Rechten angegriffen und auch die Teilnahme an Wahlen vorerst (!) erschwert werden. Doch obwohl wir uns dann erstmal nicht mehr das hässliche Blau der AfD ansehen müssten, hat das Ganze für uns mehr Nachteile als Vorteile.

Denn so ein Verfahren würde ziemlich sicher nicht in ein paar Tagen abgeschlossen werden, denn auch wenn das Verbot dieser Partei die Teilnahme an Wahlen verhindern würde, bis zu den Landtagswahlen im Osten und auch bei der Europawahl wird das Ganze nicht umgesetzt werden. Darüber hinaus werden die Hunderttausenden, die aktuell auf den Straßen sind, dadurch in eine passive Haltung gebracht, denn es erscheint so, als sei der einzige Weg, der AfD Einhalt zu gebieten, in den bürgerlichen Staat und seine Gerichte zu vertrauen. Doch spätestens seit den staatlichen Verstrickungen in die rassistischen Morde des NSU oder der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl durch die aktuelle Bundesregierung wissen wir, dass der bürgerliche Staat keinen Verbündeten im Kampf gegen Rechts darstellen kann. Im Kapitalismus ist der Zweck des Staates die Absicherung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse. Wie rechtspopulistisch oder wie faschistisch die Politik dieses bürgerlichen Staates in der konkreten historischen Situation ausfällt, hängt letztlich von diesem Zweck ab, nämlich der Absicherung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse. So kann derselbe Staat, der heute noch „vielfältig“, „demokratisch“ und „solidarisch“ sein will, in einer revolutionären Situation, in der die organisierte Arbeiter_Innenklasse diese Eigentumsordnung bedroht, seine faschistische Fratze offenbaren.

Der Kampf gegen die AfD kann also nicht mit Staat und Kapital, sondern nur gegen diese erfolgreich sein. So ist die AfD nicht Ursache des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks, sondern ein Produkt dessen. Somit ist also auch nicht der Rechtsruck weg, nur weil die AfD potenziell von der Bildfläche verschwinden könnte. Die Ursachen des Rechtsrucks liegen vielmehr in den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 2007/2008, der Niederlage linker internationaler Massenbewegungen, der Passivität der Gewerkschaften angesichts der sozialen Angriffe und den gesellschaftlichen Abstiegsängsten der kleineren Kapitalfraktionen und des Kleinbürgertums. Der Rechtsruck lässt sich also nicht verbieten, er lässt sich samt seinen materiellen Ursachen nur mithilfe einer organisierten antikapitalistischen Perspektive überwinden.

Wer fordert das Verbot eigentlich und warum?

Nach Offenbarung des Geheimtreffens in Potsdam bildeten sich Bündnisse von Jusos, Grüner Jugend, Gewerkschaften bis hin zu zahlreichen NGOs, um unter Mottos wie „Demokratie stärken“ Demonstrationen und Kundgebungen zu organisieren. Wie schon an dieser Forderung zu sehen ist, verharren diese in einem recht bürgerlichen Rahmen und greifen die AfD schlichtweg als undemokratische Kraft an. Diese Darstellung nutzen die anderen bürgerlichen Parteien, um sich als die „Besseren“ oder die „wahren Demokrat:innen“ zu profilieren, während erst am letzten Donnerstag das Asylgesetz durch die Bundesregierung verschärft wurde. Die AfD konnte nur stark werden, in einem politischen Klima, in dem eine Ampelkoalition und vorherige Bundesregierungen Rassismus verbreiten, Geflüchtete entmenschlicht und migrantische Kämpfe (wie zB. die palästinensische Solidaritätsbewegung) kriminalisieren. Während sich Grüne, SPD, FDP und Teile der CDU am Rassismus der AfD abarbeiten, haben sie, wo immer sie in der Regierungsverantwortung standen, Forderungen der AfD umgesetzt. Der bürgerliche Staat kann den Rechtsruck in der Gesellschaft selbst nicht aufhalten, sondern ist Teil seiner Grundlagen. Genauso wie der tagtägliche Schrecken, welcher der bürgerliche Staat mit sich bringt, ob Abschiebung, Polizeigewalt, Ausbeutung am Arbeitsplatz oder Unterdrückung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen.

Doch was braucht es dann?

Zusammengefasst liegt der Erfolg der AfD nicht an der Partei selbst, sondern ist nur ein Symptom der gesellschaftlichen Entwicklung nach rechts, welche ihren Ursprung in der Krise und der Schwäche der politischen Linken hat. Ihre soziale Basis hat die AfD im krisengeschüttelten und von Abstiegsängsten bedrohten Kleinbürgertum und auf den binnenmarktorientierten kleineren Teilen des Kapitals. Doch auch unter prekarisierten Arbeiter:innen bekommt die Partei Zulauf. Nach der Pandemie und der damit einhergehenden Wirtschaftskrise ebenso wie der Inflation nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges sind viele Teile der Gesellschaft ärmer geworden. Wir sehen eine Welt in Trümmern sowie Lohn- und Jobverlust bei großen Teilen den arbeitenden Bevölkerung, während die Linkspartei es nicht auf die Reihe bekommt, ein ordentliches Programm gegen Krieg und Krise aufzustellen. Durch fehlende Angebote der Linken wenden sich dann die verunsicherten Kleinbürger:innen und Arbeiter:innen bei der Suche nach der Ursache des Problems den Rechten zu, die ein utopisches „Zurück“ zur Vergangenheit versprechen. Doch diese ganze Ordnung, die den Rechtsruck erst hervorgebracht hat, wird tagtäglich aufrechterhalten durch eben den bürgerlichen Staat, welcher jetzt angebettelt wird, die Probleme, die er selbst schafft, zu bekämpfen.

Doch nur, weil eine illusorische Forderung wie das AfD-Verbot die aktuellen Massenproteste dominiert, heißt das auf gar keinen Fall, dass wir ihnen den Rücken zukehren. Vielmehr müssen wir dort in voller Stärker am Start sein und die Perspektive einer Arbeiter:inneneinheitsfront im Kampf gegen die AfD aufwerfen. Als Jugendorganisation müssen wir uns den Rechten schließlich in den Weg stellen, wo immer sie auftauchen. Doch allein durch Blockadeversuche und große Demos werden wir sie noch nicht aufhalten können. Wir müssen den Kampf gegen Rassismus auch mit sozialen Forderungen, wie höheren Mindestlöhnen für alle oder bezahlbarem Wohnraum verknüpfen, um auch die materiellen Ursachen des Rechtsrucks anzugreifen. Gleichzeitig darf Antirassismus kein Lippenbekenntnis sein, sondern benötigt Organe des Selbstschutzes von Betroffenen und Unterstützer:innen. Die einzige Kraft, die dem Rechtsruck durch ihre besondere Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess die Grundlage entziehen kann, ist die organisierte Arbeiter:innenklasse. Obwohl bereits in vielen Anti-AfD-Bündnissen Gewerkschaften dabei sind, dürfen diese es nicht beim symbolischen Unterzeichnen des Demoaufrufs belassen. Vielmehr müssen die Gewerkschaften ihre Basis aktiv zu den Protesten mobilisieren und zum Streik gegen die sozialen Angriffe aufrufen. Doch die bewusstesten Teile der Arbeiter:innenklasse organisieren sich nicht nur in Gewerkschaften, sondern auch in der Linkspartei und linken SPD-Gliederungen. Diese müssen wir zur gemeinsamen Aktion mit Migrant:innenorganisationen und der radikalen Linken gegen AfD, Asylrechtsverschärfungen und Sparpläne auffordern. In der gemeinsamen Aktion gilt es sie von einer revolutionären Perspektive zu überzeugen und mit ihrem reformistischen Bewusstsein zu brechen. Was es letztlich braucht ist ein revolutionäres Programm der Jugend und Arbeiter:innenklasse, welches eine echte Perspektive gegen den Rechtsruck und somit der Krise bietet.

Wir fordern:

  • Unabhängige Antidiskriminierungsstellen an Schulen, Unis und Betrieben!
  • Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle!
  • Massive Lohnerhöhung und automatischer Inflationsausgleich in Form einer gleitenden Lohnskala!
  • Investitionen in Bildung, Gesundheit und Soziales finanziert durch die Gewinne der Reichen, die aktuell noch einmal so richtig Profit aus der Krise schlagen!
  • Für demokratisch aufgebaute antirassistische Selbstschutzkomitees!
  • Kampf der AfD heißt Kampf dem Kapital! Für ein revolutionäres Programm der Jugend und Arbeiter:innenklasse!



Der Genozid als Brennpunkt globaler Machtkämpfe

Von Lia Malinovski, Dezember 2023/Januar 2024, REVOLUTION Zeitung

Die globale Konkurrenz unter den großen Mächten verschärft sich zusehend. Sichtbar ist es in zunehmenden Rivalitäten zwischen zwei Polen der Weltordnung: USA und China, um die herum sich Blöcke bilden. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen, verstärkt sich aber zunehmend mit den zunehmenden globalen Konfliktherden. Schon vor dem Krieg in der Ukraine und vor dem Genozid in Gaza gab es Tendenzen der Deglobalisierung. Internationale Wertschöpfungsketten wurden und werden zunehmend aufgespalten in die einzelnen Einflussbereiche der Imperialistischen Zentren. Wirtschaftlich und politisch hat sich im Zuge des Ukraine-Krieges relativ klar ein „westlicher“ Block bestehend aus EU, USA und Japan gebildet, sowie eine zunehmende Blockbildung rund um China und Russland. Dieser Prozess wird teilweise verstärkt durch die Ereignisse im Nahen Osten.

Hauptantagonismus USA – China

Rund um den 7. Oktober und die darauffolgende Bombardierung und Bodenoffensive in Gaza unterscheiden sich die Positionen von USA und China massiv. So unterstützen die USA Israel nahezu bedingungslos, während China eher eine vermittelnde Rolle einnehmen will und kritisiert dabei mitunter Israel scharf. In einem Positionspapier von Ende November fordern sie eine Waffenruhe, Schutz von Zivilist:innen und eine Stärkung der UN. Politisch dürfte dabei das Ziel Chinas sein, vor dessen internationalen Partner:innen die Doppelmoral der USA aufzuzeigen, die sich beim Krieg in der Ukraine voll und ganz auf die Seite der Ukraine, in dem Fall der Unterdrückten, in Palästina aber auf die Seite Israels, also der Unterdrücker, stellen. China gibt sich dabei gerne als der große Fürsprecher der sogenannten dritten Welt, wo der Parteinahme für Palästina relativ weit verbreitet ist, und dadurch diese ideologisch an sich zu binden. Damit verbunden ist vermutlich die Hoffnung, sich sowohl weltweit als auch in der Region politisch, wie wirtschaftlich stärker zu verankern und den Einfluss der USA zurückzudrängen.

Die USA verfolgen hingegen eher das Ziel, ihre Stellung im Nahen Osten nicht zu verlieren. Insbesondere ist für den US-Imperialismus Israels Bedeutung als dessen Außenposten dabei entscheidend, da die USA so größeren Einfluss auf die Politik im Nahen Osten nehmen kann. Gleichzeitig hat die USA aber auch kein Interesse daran, dass sich der „Konflikt“ stärker ausbreitet und zu einem regionalen Krieg entfachen könnte, sondern hoffen auf eine schnelle Lösung der aktuellen Situation. In den letzten Jahrzehnten lief nämlich ein Prozess, in dem recht geräuschlos einige benachbarten arabischen Staaten ihre Verhältnisse zu Israel und den USA normalisiert haben. Ein Krieg würde diesen Prozess zurückwerfen und damit auch die Stellung des US-Imperialismus. Dazu kommen auch militärische Überlegungen: Für den Krieg in der Ukraine wurde teilweise aus Israels Waffenlagern Artillerie für die Ukraine versprochen, die durch die Eskalation nun nicht mehr dorthin kann, sondern von Israel gebraucht wird. Sollte der Konflikt also lange weitergehen oder sogar zu einem regionalen Krieg ausarten, würde das für die Ukraine bedeuten, deutlich weniger Unterstützung seitens der USA zu bekommen. Damit würde aber das Ziel, Russland politisch und wirtschaftlich so zu schwächen, dass es für längere Zeit aus dem internationalen Geschäft und der bevorstehenden Neuaufteilung der Welt rausgehalten werden würde, zunichte gemacht oder zumindest deutlich schwerer zu erreichen.

Auch sorgt die Eskalation dafür, dass die USA ihrem außenpolitischen Fokus auf den „großen Feind“ China weniger Aufmerksamkeit schenken kann. In einer potenziellen Eskalation des Konfliktes zwischen USA und China, insbesondere rund um Taiwan, könnte die Reaktion verlangsamt sein, weil die anderen Brandherde gerade schon so viel Raum einnehmen. Dass das nicht im Interesse der USA ist, erklärt die Versuche, humanitäre Feuerpausen zu erreichen und Israel zur Zurückhaltung zu ermahnen.

Krise der EU

In der EU ist, anders als beim Ukraine-Krieg, die Positionsfindung ziemlich schwierig. Innerhalb der EU gibt es Staaten, die eine Unterstützung Israels klar ablehnen und stattdessen für einen sofortigen Waffenstillstand sind, andere Staaten, insbesondere Deutschland und Österreich, sprechen sich gegen einen Waffenstillstand und halbherzig für „humanitäre Pausen“ aus. Speziell Irland und Spanien stellen sich offen auf die Seite der palästinensischen Zivilbevölkerung und polemisieren gegen die israelische Offensive. Frankreich nimmt eine schwankende Rolle ein, wirbt zwar für einen Waffenstillstand, aber auch für eine Unterstützung Israels. Die seit Jahren vorherrschende Krise der EU wird aktuell vertieft durch die Debatte um Palästina.

Wir sehen, dass sich der Hauptantagonismus zwischen den USA und China/Russland auch in der Frage zu Palästina weiter verschärft, während sich innerhalb der EU und des „westlichen Blocks“ zunehmend Risse auftun. Ob diese Risse dazu führen werden, dass sich einzelne Staaten vom US-Imperialismus abwenden oder nicht, kann nicht abschließend beantwortet werden. Es darf jedoch bezweifelt werden, da Gaza zwar eine hohe moralische und politische Bedeutung hat, aber im Gegensatz zu den Konflikten um die Ukraine oder um Taiwan keine besonders hohe wirtschaftliche. Dennoch sollten Revolutionär:innen auch das im Auge behalten, um so Brüche innerhalb der imperialistischen Cliquen zu verschärfen und den Klassenkampf voranzutreiben.

Deutschland und seine „Staatsräson“

Im Gegensatz zur EU steht die deutsche Bourgeoisie geschlossen hinter Israel. Die „Staatsräson“ ist uns allen bekannt. „Israels Sicherheit ist nicht verhandelbar“ – so oder so ähnlich äußern sich alle relevanten deutschen Politiker:innen zu der Offensive der Hamas am 7. Oktober, sowie zu den Massakern, die Israel nun begeht. Anders als noch beim Ukraine-Krieg gibt es keine Stimmen, die das infragestellen. Von AfD bis LINKE sind sich alle einig. Und das nicht ohne Grund: Zum einen, wie wir auch schon an anderer Stelle erklären, kann sich Deutschland mit der Unterstützung des Zionismus als Staat präsentieren, der aus seiner Vergangenheit, dem Holocaust, gelernt hat. Zum anderen hat Deutschland gute wirtschaftliche Beziehungen zu Israel und profitiert, ähnlich wie die USA, von dessen geopolitischer Rolle. Nicht umsonst wurden die Waffenexporte an Israel seit Oktober 2023 verdreifacht – von etwa 100 Millionen Euro auf etwas über 300 Millionen. In Deutschland gibt es auch kaum Teile der Bourgeoisie, die ein Interesse darin hätten, dass Israel geschwächt wird, anders als im Krieg in der Ukraine, wo Teile der deutschen Bourgeoisie ein Interesse daran hatten, zumindest die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland nicht völlig zu zerstören.

Das erklärt auch die massiven Angriffe auf die demokratischen Rechte, insbesondere von migrantischen Personen und Organisationen. Man will das Bild wahren, voll und ganz, geschlossen hinter Israel zu stehen. Aber das tut die deutsche Gesellschaft nicht. Insbesondere in migrantischen Communities findet sich große Unterstützung für das palästinensische Volk und dessen Befreiung. Und der deutsche Staat reagiert entsprechend darauf mit massiven Repressionen: Verbote von Organisationen wie Samidoun, Hausdurchsuchungen bei mehreren Organisationen, die sich auf die Seite Palästinas stellen, monatelange Verbote von Demonstrationen, teilweise sogar das Verbot von Gebeten und der Ausübung der Religionsfreiheit für muslimische Menschen.

Kampf dem Rechtsruck, Kampf dem Imperialismus!

Für uns als Revolutionär:innen und Internationalist:innen bedeutet all das, dass wir, wenn wir es ernst meinen mit unserer Solidarität mit dem palästinensischen Volk, uns entschlossen gegen den deutschen Imperialismus stellen müssen. Wir können und müssen uns ein Beispiel an den Arbeiter:innen Englands, Belgiens und Italiens nehmen, die Waffenlieferungen bestreikt haben. Wir müssen offensiv die Doppelmoral Deutschlands in der Unterstützung Israels aufzeigen, dass es nicht um den notwendigen Schutz von jüdischem Leben geht, sondern um die Unterstützung eines rassistischen Projektes. Aber genauso müssen wir diesen Kampf mit einem Kampf um unsere demokratischen Rechte verbinden. Gegen die rassistischen Organisations- und Demonstrationsverbote, gegen den massiven Rechtsruck und für Selbstschutzmilizen für alle Unterdrückten, um sich gegen ihre Unterdrücker zur Wehr zu setzen. Das gilt es in die Gewerkschaften, in die sozialen Bewegungen und in die reformistischen Parteien zu tragen und darum zu kämpfen.




Gegen den Komplott aus AfD, Neonazis und Kapital!

von Sani Meier, REVOLUTION-Zeitung Januar 2024

Die CORRECTIV-Redaktion veröffentlichte gestern ihre Undercover-Ermittlungen zu einem geheimen Treffen der Neuen Rechten im November bei Potsdam. Mit dabei waren hochrangige AfDler:innen, Neonazis der Identitären Bewegung, CDU-Politikerinnen und superreiche Unternehmer. Gemeinsam wurde am „Masterplan“ gearbeitet unter anderem mit dem Ziel: Die Ausweisung mehrerer Millionen migrantisierter Menschen aus Deutschland, egal ob mit deutschem Pass oder ohne.

Eigentlich sollte keine:r von dem Treffen erfahren, die Organisatoren nutzten zur Kommunikation nur Briefe – niemandem sollte man etwas nachweisen können. Doch die Reporter:innen von CORRECTIV wurden informiert und konnten verdeckt vor Ort recherchieren: Gemeinsam mit führenden Köpfen der Identitären Bewegung wie Martin Sellner und der rechten Hand von AfD-Vorsitzender Alice Weidel trafen sich Politiker:innen der CDU mit reichen Konzernbossen und Juristen, die bereit sind, eine neue rechte Bewegung in Deutschland zu finanzieren. 5 Tausend Euro mussten im Voraus gespendet werden, um teilnehmen zu dürfen. Das Ziel: Vor der nächsten Wahl soll bewusst durch Flugblätter und Werbung Misstrauen gegenüber den Wahlen und öffentlich-rechtlichen Medien erzeugt werden. Gleichzeitig wollen sie hohe Summen in den Aufbau rechter Influencer-Netzwerke stecken, um vor allem junge Menschen für ihre rassistischen Ziele zu gewinnen.

Das alles soll dem sogenannten „Masterplan“ von Martin Sellner dienen: Menschen nicht-deutscher Herkunft sollen trotz deutschem Pass aus Deutschland ausgewiesen werden und gemeinsam mit allen, die Flüchtlingen helfen, auf eine „afrikanische Insel“ umgesiedelt werden. Ähnliches planten die Nazis bereits 1940, als sie vier Millionen Jüdinnen & Juden nach Madagaskar deportieren wollten. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy beteuert, sie träume davon schon lange. Deshalb sei die AfD auch nicht mehr gegen die doppelte Staatsbürger:innenschaft: „Denn dann kann man die deutsche wieder wegnehmen, sie haben immer noch eine.“ Menschen mit Migrationsgeschichte sollen also bewusst hinters Licht geführt werden, um sie später von Wahlen auszuschließen und abzuschieben. Ulrich Siegmund, AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt ergänzt, man wolle das Straßenbild ändern, ausländische Restaurants unter Druck setzen und Sachsen-Anhalt „für dieses Klientel“ möglichst unattraktiv zum Leben machen. Was hier passiert, ist die geplante Vertreibung von Millionen von Menschen, juristisch vorbereitet und finanziert durch das Kapital und gewaltbereiten Neonazis.

All das ist kein verschwörerisches Treffen ungefährlicher rechter Spinner, sondern eine reale Bedrohung: Laut aktuellen Umfragen wäre die AfD in mehreren deutschen Bundesländern aktuell stärkste Kraft. Was hier von Neonazis der Identitären Bewegung ausgearbeitet wurde, wird durch die anwesenden AfDler:innen in die Partei getragen und politische Realität – die Vorbereitungen darauf laufen schon jetzt. Im Hintergrund werden hohe Summen Geld locker gemacht und Netzwerke ausgebaut. Als möglicher Verbündeter wird wohl der ehemalige Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen gehandelt, über dessen Parteigründung schon länger spekuliert wird. Über die sozialen Medien sollen bewusst junge Menschen geködert werden. Bereits jetzt berichten Schüler:innen in Berlin von Neonazis, die vor ihren Schulen Flyer verteilen.
Es ist also allerhöchste Zeit, uns zu organisieren und den Aufstieg rechter Bewegungen zu verhindern!

Spätestens seit dem NSU, NSU 2.0 & den rassistischen und antisemitischen Anschlägen von Hanau & Halle ist klar, dass uns der Staat nicht vor rechter Gewalt schützen kann. Auf Polizei & Verfassungsschutz ist kein Verlass, denn sie sind selbst durchsetzt von Rechten und setzen rassistische Kontrollen und Abschiebungen durch. Es ist unsere Aufgabe uns als Schüler:innen, Studierende, Arbeitende und Unterdrückte dieses Systems zusammenzuschließen und Neonazis den Kampf anzusagen. Das bedeutet sowohl, ihre Demonstrationen zu blockieren und ihre Veranstaltungen zu stören, als auch an Schulen, Unis und Betrieben Komitees zu bilden. In diesen können wir Besuche von Rechten an den Schulen melden, uns vernetzen, Aktionen dagegen planen & für unsere Sicherheit sorgen. Gleichzeitig muss unsere Bewegung die realen sozialen Probleme & Fragen der Menschen beantworten. Rassismus & weitere Unterdrückungen haben ihre Wurzel im kapitalistischen System, welches durch unsere Spaltung weiter Profit macht. Deshalb brauche wir ein revolutionär-antikapitalistisches Programm, das für die sozialen Interessen der Lohnabhängigen, Krisengebeutelten und Unterdrückten kämpft, um den Aufstieg der AfD aufhalten zu können.

Für die Zerschlagung des Verfassungsschutz und die Entwaffnung der Polizei- Wir brauchen stattdessen antifaschistischen Selbstschutz durch Arbeiter:innenmilizen!

Für den Aufbau einer antifaschistischen Einheitsfront aus allen linken Organisationen und Organisationen der Arbeiter_Innenklasse!




10 Forderungen für den palästinensischen Befreiungskampf

Dezember 2023

Seit dem 7. Oktober findet ein erbarmungsloser Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung statt. Gefangen in einem Freiluftgefängnis haben die Bewohner_innen keine Möglichkeiten zur Flucht vor dem Tod durch Bomben oder die Bodentruppen der IDF. Israels Regierung stellt diesen Staatsterror kaum widersprochen als Akt der „Selbstverteidigung“ dar. Dabei sind sie nicht die einzigen, die mit Rassismus und Nationalismus die Bevölkerung hinter sich vereinen. Auch in imperialistischen Ländern wie Deutschland wird jegliche Palästina-Solidarität kriminalisiert und unter dem Vorwand des Kampfes gegen Antisemitismus findet eine zutiefst rassistische Politik statt, in welcher Migrant_innen als die Übeltäter gelten. Wir möchten hiermit 10 Forderungen aufstellen, die wir zum einen in Palästina und dann in Deutschland diesen Verhältnissen entgegensetzen.

In Palästina: 

1. Sofortiges Ende der brutalen und kriegsverbrecherischen Angriffe auf Gaza! Aufhebung der Blockade! Abzug aller Truppen der IDF aus Gaza und Westbank! Für die Freilassung aller Gefangenen! 

Nach der kurzen Waffenruhe, gehen die Angriffe in unverminderter Härte weiter und die IDF unter der Führung einer ultrarechten Regierung haben keine Probleme damit, abertausende Zivilist_innen zu ermorden und die dort lebende Bevölkerung als Tiere zu bezeichnen. Das sofortige Ende der brutalen und kriegsverbrecherischen Angriffe auf Gaza ist dabei mehr als die Forderung nach einer erneuten Waffenruhe! Eine unbefristete Waffenruhe und ein Durchlassen der Hilfslieferungen sind in der aktuellen Situation überlebensnotwendig für die Bevölkerung, jedoch beendet dies nicht Besatzung, sondern bedeutet, dass die jetzigen Konflikte eingefroren werden. Was wir zudem nicht fordern, ist die Demilitarisierung der Palästinenser_innen, denn das Recht aufSelbstverteidigung und der Kampf nach Freiheit muss auch militant durchgesetzt werden. Alle Truppen der IDF müssen Gaza sowie die Westbank verlassen, sie sind unterdrückerische Truppen, die die Herrschaft des Staate Israels mit allen Mitteln durchsetzen. Der Abzug der IDF sowie die Forderung nach einem sofortigen Ende des Mordens müssen bedingungslos durchgesetzt werden! Wir stehen ein für die Freilassung der Gefangenen. Ca. 4500 Palästinenser_innen, darunter viele Kinder und Jugendliche, waren schon vor dem 7.10. in israelischen Gefängnissen. Seitdem wurden weitere 4-5000 verhaftet, die auf israelischem Staatsgebiet gearbeitet hatten. Freigekommene berichten in den meisten Fällen über Misshandlungen und Folter.

2. Für das Recht der israelischen Soldat_innen sich zu weigern, in Gaza und Westbank zu kämpfen. Löst die bürgerliche Armee und die Polizei auf und bildet demokratische Arbeiter_innenmilizen, die sich dem palästinensischen Widerstand anschließen! 

Wie wir es in Gaza zur Zeit sehen, haben die palästinensischen Streitkräfte allein wenige Chancen, sich gegen das von USA und BRD hochgerüstete Militär Israels zu verteidigen. Daher ist es unabdingbar, auch innerhalb der israelischen Gesellschaft nach Verbündeten zu suchen. Wir wissen, dass aktuell die israelische Bevölkerung mehrheitlich vereint für den Krieg gegen die Palästinenser_innen steht. Dieser Umstand liegt allerdings nicht nur an der reaktionären und kriegstreiberischen Rhetorik der Regierung und an der engen ideologischen Bindung der israelischen Bevölkerung an den Zionismus, die historisch auch durch diemateriellen Vorteile aus der Besatzung entstanden ist. Sondern zudem an dem harten Vorgehen gegen all jene Menschen, die nur ansatzweise gegen diese vorherrschende Meinung stehen. Umso wichtiger ist es daher, die wenigen Kriegsdienstverweigernden und Antizionist_innen in Israel zu unterstützen. Der Aufbau einer antizionistischen Opposition in Israel ist notwendige Voraussetzung für eine Abschaffung von Militär und Polizei und für die Befreiung der israelischen Arbeiter_innenklasse. Wir sehen schon heute in kleinen Teilen wie antizionistische Juden und Jüdinnen weltweit die Proteste mit antreiben und unterstützen. In Israel ist es Aufgabe von Fortschrittlichen und Revolutionär_innen sich von den prozionistischen und staatstragenden Organen wie der gelben Gewerkschaft Histadrut zu lösen, diese durch eine gemeinsame Organisierung mit ihren palästinensischen Geschwistern zu ersetzen und offen aufzuzeigen, dass der Krieg nicht in dem Interesse der israelischen Arbeiter_innen sondern dem der Herrschenden liegt, wie es zum Beispiel lange wichtiger zu sein schien, die Vernichtung der Palästinenser_innen voranzutreiben, als die Befreiung der Geiseln durchzusetzen. Der Klassenkampf, wie er sich zuletzt auch in den Protesten gegen die Justizreform geäußert hatte, darf nicht zurückgestellt werden zu Gunsten der vermeintlichen „Vaterlandsverteidigung“. 

3. Nieder mit der Apartheidsmauer und allen Freiheitsbeschränkungen für Palästinenser_innen. Für die völlige rechtliche Gleichstellung aller Einwohner_innen zwischen Mittelmeer und Jordan! Verstaatlichung allen Landbesitzes und Gewährung des Rückkehrrechts aller Palästinenser_innen weltweit. 

Palästinenser_innen sind Menschen dritter Klasse in Israel, sie sind billige Arbeitskräfte, nicht gleichgestellt vor dem Gesetz und werden systematisch in sozialen wie in ökonomischen Bereichen ihres Lebens unterdrückt. Israelische Institutionen, staatliche oder nicht-staatliche, entscheiden über Häuserbau, Wohnungen und in Gaza über Strom, Wasser, Rohstoffe. Checkpoints, stundenlange Kontrollen, Hausdurchsuchungen, Razzien oder Verhaftung stehen an der Tagesordnung, wenn man Palästinenser_in ist. Darum muss die Apartheidsmauer niedergerissen werden und alle Freiheitsbeschränkungen müssenaufgehoben werden. Wir fordern die völlige Gleichstellung aller Menschen vor Ort und das Recht auf Rückkehr aller vertriebenen Palästinenser_innen. Grundlage dafür ist das vergesellschaftete Eigentum an Produktionsmitteln, Grundstücken, Fabriken, Büros und ebenso die gleichberechtigten Bereitstellung von Gesundheit, Bildung und Wohnen, koordiniert durch einen demokratischen Plan. Deshalb kämpfen wir für eine sozialistische Lösung, die auf dem gemeinsamen Besitz des Landes und aller wichtigen Produktionsmittel basiert. 

4. Für ein vereinigtes säkulares, sozialistisches Palästina, mit Gleichheit für alle seine Bürger_Innen, israelische wie palästinensische, als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens.  Für einen neuen arabischen Frühling!

Die Befreiung des palästinensischen Volkes und die Freiheit der Völker des Nahen Ostens von westlicher Herrschaft und Ausbeutung erfordern den revolutionären Sturz Israels als rassistischen Staat und seine Ersetzung durch einen einzigen bi-nationalen Staat, sowohl für sein palästinensisches als auch für sein israelisch-jüdisches Volk. Das bedeutet weder die Vertreibung der israelischen Bevölkerung noch ihre Zerstörung als Nation. Die „Zweistaatenlösung“ ist in Wirklichkeit tot. Ihre Anerkennung in Worten existiert als Feigenblatt für israelische Übergriffe. Für die USA und die westeuropäischen Staaten rechtfertigt sie die anhaltende Unterstützung Israels, und für reformistische Parteien wie die britische Labour ermöglicht sie es, vermeintlich Gesicht zu bewahren vor ihrer muslimischen Wähler_innenschaft, ohne sich jedoch zum palästinensischen Widerstand zu bekennen. Es ist Aufgabe der Palästinenser:innen sowie der Arbeiter:innenklassen der umliegenden Länder den israelischen Staat zu stürzen. Letzteren kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie sind es, die ihren Diktatoren und Herrschernentgegentreten müssen, denn weder die Assads noch die Khomenies, die Sissis oder die Erdogans dieser Region haben ein Interesse an einem befreiten Palästina. Es braucht ein Auflammen eines zweiten arabischen Frühlings, in welchem sich die Arbeiter_innen in den umliegenden Ländern gegen ihre Unterdrücker_innen organisieren und siestürzen, die Grenzen nach Gaza öffnen und unter gemeinsamer Kontrolle Hilfsgüter und den Kampf vor Ort unterstützen.

5. Für die Schaffung einer unabhängigen Arbeiter_innenpartei Palästinas, die gestützt auf Gewerkschaftenund regionale Komitees der Unterordnung der palästinensischen Linken unter Hamas und Fatah ein Ende bereitet!

Um für ein freies, säkulares und sozialistisches Palästina zu kämpfen, sowie für die davor genannten Forderungen, ist es notwendig die fortschrittlichsten Kräfte in einer Partei zu bündeln, die sich auf Räte und Komitees stützt, diese Forderungen durchsetzt und der Bewegung ein politisches Programm gibt. Mit dem Kampf für nationale Befreiung müssen hierbei soziale und ökonomische Forderungen der Arbeiter_innenklasse wie z.B. nach einem angemessenen Mindestlohn, nach Frauenrechten oder Rechten von LGBT+! Es braucht zudem einen Bruch mit der Politik der Hamas und Fatah. Beide haben sie oft genug gezeigt, dass sie keine Strategie haben, den Befreiungskampf zu gewinnen und dass ihnen die Interessen der palästinensischen Massen letztlich egal sind. Sie beweisen dies nicht zuletzt, indem sie, unter dem Deckmantel einer falschen Einigkeit, soziale Proteste niederschlagen, womit sie sich praktisch als Instrument der Besatzungsmacht erweisen. Wir stehen für die Interessen der Arbeiter_innen, kleinen Bäuer_innen, Jugendlichen und Frauen, die nicht nur gegen die zionistische Besatzung, sondern am Ende auch gegen die palästinensischen Kapitalist_innen durchgesetzt werden müssen!

In Deutschland

1. Sofortiger Stopp aller Waffenlieferung, Stopp der militärischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Unterstützung Israels! Weg mit den Kriegsschiffen vor Gazas Küste! Für gewerkschaftliche Aktionen zur Blockade von Kriegsgütern! 

Die deutsche Rüstungsindustrie liefert schon seit langem mit Vorliebe Kriegsgüter an Israel. Eine Auswertung der statistischen Daten von 2011 bis 2022 ergibt, das Israel auf Platz vier aller Staaten ist, in die Deutschland Waffen exportiert. Seit dem Kriegsausbruch sind diese Zahlen noch einmal explodiert: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich schon jetzt das Volumen an Rüstungsexporten mehr als verzehnfacht! Es ist einerseits eine grauenhafte Vorstellung, wie sich deutsche Konzerne an dem Morden in Palästina bereichern. Andererseits werden diese Lieferungen auch durch Steuergelder gefördert, denn die Unterstützung von Ordnungsmächten wie Israel und die Aufrechterhaltung der Verhältnisse von halbkolonialer Abhängigkeit und Ausbeutung durch den Imperialismus ist deutsche „Staatsräson“. All das zu verhindern, ist unsere beste Chance hier in Deutschland dem Krieg in Palästina entgegenzutreten und internationale Solidarität praktisch werden zu lassen. Die Arbeiter_innen in der Logistik und in der Rüstungsindustrie haben kein Interesse an der Unterdrückung ihrer Klassengeschwister in Palästina. Sie müssen zu Streiks, Blockaden und Protestaktionen gewonnen werden!

2. Schluss mit der Kriminalisierung des Befreiungskampfes! Keine Verbote von Demos mehr und Aufhebung der Verbote von Samidoun, PFLP, Hamas und PKK! 

Während AfD, holocaustleugnende Nazis oder antisemitische Querdenker_innen unter Polizeischutz ihre Ideologie auf die Straße tragen durften, wurden Solidaritätsdemos und Gedenkveranstaltungen mit den Opfern des Krieges in Palästina reihenweise verboten. Dort wo sie stattfinden, geht dies mit Schikanen der Polizei einher: Menschen werden geschlagen, verhaftet und angezeigt. Wir haben schon länger an der Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung gesehen, wie der deutsche Staat seine außenpolitischen Interessen auch z. B. mit dem Verbot der PKK ins Innere übersetzt. Nun werden ebenso die Organisationen des palästinensischen Widerstands mehr und mehr verboten: ob links, so wie Samidoun oder PFLP oder religiös-fundamentalistisch wie die Hamas. Auch wenn wir viel Kritik an diesen Gruppen haben, ihre Ideologien nicht teilen und ihre Taktiken ablehnen, stellen wir uns gegen ihr Verbot durch den deutschen Staat. Eine Überwindung der reaktionären Führung des Widerstandskampfes in Gaza wird nur als Teil dieses Kampfes möglich sein, nicht durch staatliche Repression von Israel oder Deutschland.

3. Weg mit dem Kuffiyah-Verbot in den berliner Schulen! Mitbestimmung von Schüler_innen und Lehrer_innen über die Behandlung des Kriegs statt Senatsvorgaben!

Während auf der Staat auf der einen Seite das „Selbstverteidigungsrecht“ Israels, d.h. den Angriff auf Gaza als zentrale Botschaft des Schulunterrichts vorgibt, wird auf der anderen Seite im Namen einer vermeintlichen „politischen Neutralität“ den Schüler_innen eine eigenständige Stellungnahme verwehrt. Dies drückt sich auf symbolischer Ebene z.B. in dem Verbot aus, eine Kuffiyah zu tragen. Eine Kleidervorschrift, die, ausgedehnt auf weitere arabische Tücher, gleichzeitig einen rassistischen Charakter trägt, weil sie auch politisch unbeteiligte Schüler_innen trifft, die das Tuch einfach aus kulturellen Gründen tragen. 

4. Abschiebestopp jetzt! Gegen den heuchlerischen Vorwand des Antisemitismus‘ für eine rassistische Asylpolitik! Bildet antirassistische Selbstverteidigungskomitees gegen Angriffe von Bullen und Faschos!

5. Offene Grenzen und Staatsbürger_innenrechte für alle, die vor Krieg, Armut und Klimaschäden flüchten!

Wir können gerade bezeugen, wie in Europa das Recht auf Asyl systematisch ausgehebelt und abgeschafft wird. Fluchtwege werden blockiert, Grenzkontrollen werden verstärkt und auch innerhalb des Schengen-Raums eingeführt, Geflüchtete werden in überfüllte Lager gepfercht und in Krieg und Krisen abgeschoben. Vorschläge ein Bekenntnis zum Staat Israel zur Bedingung für eine Einbürgerung zu machen oder die Ankündigung, dass vermeintlich antisemitische Geflüchtete „endlich im großen Stil“ abgeschoben werden müssten sind ein zynischer Versuch, diese Absage an grundlegende Menschenrechte in eine moralisch positives Licht zu rücken. Wir stellen dem die Forderung nach Bewegungsfreiheit für alle entgegen! Im Kampf dafür ist es notwendig, dass sich die Gewerkschaften endlich öffnen und die gewerkschaftliche Organisierung der Geflüchteten voranbringen!




Wie können wir Antisemitismus beenden?

Von Felix Ruga, November 2023

Heute ist der 9.11. und damit der Tag, an dem man sich an die mörderischen antisemitischen Pogrome in Deutschland vor 85 Jahre erinnert. Die Hoffnung, dass die Gesellschaft aus der Shoah gelernt hat und der Antisemitismus überwunden ist, hat sich mitnichten erfüllt: Davidsterne an Hauswänden jüdischer Bewohner_Innen, Brandanschläge auf Synagogen, der antisemitische Angriff in Dagestan, rechtsextreme Angriffe auf KZ-Gedenkstätten, ein weltweiter Aufstieg der extremen bis faschistischen Rechten, Rekordzahlen für die Freien Wähler nach dem Aiwanger-Skandal, blinde Flecken des Staates auf Nazi-Strukturen in und um ihn herum, die Schuldzuweisung und Attacken auf jüdische Menschen für die Taten Israels, das Silencen jüdischer Menschen, die gegen das Unrecht des Israelsischen Staates eintreten.

In diesem Artikel wollen wir runterbrechen, wie wir uns den Antisemitismus und die Möglichkeit dessen Überwindung erklären. Wegen der Komplexität wird das nicht vollständig möglich sein, aber wir können euch noch weitere Texte empfehlen.

Was ist Antisemitismus?

Antisemitismus ist zunächst erst einmal Rassismus gegen Jüd_Innen und trägt damit auch viele Eigenschaften, die auch sonstige Formen rassistischer Unterdrückung haben: Ausschluss aus der Mehrheitsgesellschaft als „die Anderen“, konstruierte Vorurteile, systemische Unterdrückung durch Entrechtung, Unsichtbarmachung oder Mystifizierung der Geschichte und kultureller Eigenheiten, um nur einige Aspekte zu nennen. Aber gleichzeitig ist der Antisemitismus auch eine besondere Form des Rassismus. Während beispielsweise der Rassismus meist von einer Art kulturellen Überlegenheit der „weißen Herrenrasse“ ausgeht, um Überausbeutung und Versklavung zu rechtfertigen, wird im Antisemitismus von einer Bedrohung der „weißen Herrenrasse“ durch angebliche „Weltherrschaftspläne der Juden“ ausgegangen. Anti-jüdische Pogrome, Massenmord und Verschwörungstheorien waren und sind die schrecklichen Konsequenzen dieser Ideologie. Die Geschichte des Antisemitismus ist mit der von Vertreibung und Unterdrückung geprägten, vielfältigen jüdischen Geschichte verbunden, auf die an dieser Stelle jedoch nicht tiefer eingegangen werden kann.

Rolle im Kapitalismus

Es gab auch schon lange vor der Entstehung des Kapitalismus antijüdischen Hass, aber wir wollen uns hier besonders auf die Funktion des Antisemitismus im Kapitalismus beziehen. Er versucht nämlich, der abstrakten Gewalt des Kapitalismus ein konkretes und angreifbares Ziel zu geben. Denn das Besondere am Kapitalismus ist, dass sich seine Logik durch eine stumme Rationalität durchsetzt. Konkurrenz und Krisen existieren ohne den Willen von irgendwem. Die herrschende Klasse lenkt die Gesellschaft zwar, muss sich aber selbst an die Gesetze der Warenproduktion halten und kann sich im Zweifelsfall auch auf diese „Alternativlosigkeiten“ zurückziehen. Alle anderen spüren diese Gewalt an der eigenen Haut und es ist nur schwer auszuhalten, wenn man den eigenen Frust nicht wirklich adressieren kann, weil man entweder den Kapitalismus als unveränderlich akzeptiert, Klassenkampf verunmöglicht wird oder weil man selbst vom eigenen, wenn auch meist kleinen, Kapital lebt.

Deswegen ist der Drang nach einer antisemitischen Auflösung dieser Frustration, vor allem innerhalb des Kleinbürgertums, in Krisenzeiten und nach großen Niederlagen der Arbeiter_Innenbewegung besonders groß. Der Antisemitismus gibt der kapitalistischen Gewalt ein Gesicht, indem das mittelalterliche Zerrbild des „wuchernden Juden“ mit allem identifiziert wird, was man für „schlecht“ am Kapitalismus erklärt. Dabei wird jedoch der Kapitalismus nicht als Ganzes kritisiert, denn man muss nur den „guten, deutschen“ Kapitalismus vom „Schlechten“ befreien. Damit wird ein Aufstand auf ein Ersatzobjekt gerichtet. In der Shoah hat sich gezeigt, dass die Gesellschaft von einem Volk zu „befreien“, im Endeffekt bedeutet, dieses auszulöschen.

Es gibt Ideologien, die nicht konkret Jüd_Innen angreifen, aber ebenfalls imaginieren, dass eine kleine Gruppe die eigentlich gesunde kapitalistische Gesellschaft verdirbt. Diesen Mechanismus findet man in Verschwörungsideologien wieder. Das muss nicht automatisch Antisemitismus sein, ist aber dennoch gefährlich und hat fast immer eine offene Flanke dazu.

Und was ist mit Israel?

Reden wir also nun über den Elefanten im Raum. Denn schaut man sich die „Debatte“ in Deutschland an, scheint der israelbezogene Antisemitismus zu dominieren. Der häufigste Vorwurf ist wohl, dass Palästinenser_Innen und Antiimps mit ihrer Kritik am Staate Israel getarnt ihrem Antisemitismus Luft verschaffen würden, weil das weniger sozial geächtet ist. Diese „Kritik“ ist bloße Unterstellung und wird in der Regel komplett entkoppelt von den tatsächlichen Verhältnissen im Nahen Osten, von der Siedlungspolitik Israels und der Unterdrückung der Palästinenser_Innen. Solcherlei Vorwürfe weisen wir entschieden zurück.

Israelbezogener Antisemitismus existiert jedoch sehr wohl. Zum Beispiel dann, wenn die Brutalität Israels als etwas „jüdisches“ oder Israel als Zentrum einer Weltverschwörung dargestellt wird, aber auch dann, wenn „die Jüd_Innen“ mit Israel identifiziert werden, zum Beispiel indem sich Jüd_Innen für israelische Politik rechtfertigen sollen oder, in den schlimmsten Fällen, angegriffen oder ermordet werden.

Aber auch wenn der imperialistische deutsche Staat denkt, er könne sich von der historischen Schuld gegenüber den Jüd_Innen befreien, indem er kritikloser Verfechter Israels ist, trägt das etwas Antisemitisches in sich, denn das setzt den Zionismus mit den Jüd_Innen gleich und macht all jene von ihnen unsichtbar, die sich nicht mit der zionistischen Ideologie identifizieren können. Werden dann auch noch linke Jüd_Innen für ihre Positionen als antisemitisch kriminalisiert, kann es wirklich absurd werden.

Wie wollen wir dagegen kämpfen?

Das offensichtlichste zuerst: Wir dürfen nicht auf den rassistischen Versuch reinfallen, den Antisemitismus als „importiert“ darzustellen. Antisemitische Position werden zwar in manchen islamistisch geprägten Ländern offen verbreitet, aber auch in Deutschland hat es eine tiefgreifende und kollektive Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus nie gegeben, denn das würde eine Kritik des Kapitalismus, des Mitläufertums, der Schuldabwehr und so weiter voraussetzen.

Viele Beispiele und Statistiken zeigen: Der Antisemitismus blieb immer integraler Bestandteil der deutschen Gesellschaft und kommt meist von rechts. Antisemitismus ist aber nicht ausschließlich ein Problem des „falschen Weltbildes“, sondern ein Produkt von sozialen Strukturen und damit heute der kapitalistischen Produktionsweise. Radikal gegen Antisemitismus zu sein, bedeutet auch radikal antikapitalistisch zu sein, denn radikal heißt, das Problem an der Wurzel anzupacken. Antisemitismus zu bekämpfen, bedeutet auch, dem Nationalismus seine Grundlage zu entziehen und das deutsche Kapital als unseren größten Feind zu betrachten. Dafür brauchen wir ein antikapitalistisches Programm, das uns Jugendlichen einen Weg aufzeigt, wie wir unseren Kampf gegen Rassismus, Rechtsruck und Nationalismus zu einem Kampf für eine befreite Gesellschaft ausweiten können. Um die kapitalistische Produktionsweise durch eine neue ersetzen zu können, gilt es dabei, die Arbeiter_Innenklasse für unsere Ziele zu gewinnen. Antisemitischen Vorurteilen müssen wir dabei auf schärfste kritisieren und bekämpfen.

Wenn wir uns nicht gegen Antisemitismus organisieren, werden wir den Kapitalismus nicht abschaffen können und andersherum wird Antisemitismus immer weiter existieren, solange ihn die kapitalistische Produktionsweise anfeuert. Im Rahmen dessen müssen wir im Hier und Jetzt Forderungen aufstellen, die Antisemitismus entgegenwirken und die Widersprüche mit dem Kapitalismus zuspitzen. Dazu gehört die Verteidigung des Rechts auf die freie Ausübung von Religion und Kultur. Ebenso müssen wir das Recht auf Schutz gegenüber Angriffen auf jüdische Einrichtungen und Menschen einfordern und antirassistische Selbstverteidigungsstrukturen organisieren. Auch kann kein kapitalistischer Nationalstaat vollständigen Schutz gegenüber Antisemitismus gewähren. In Israel müssen wir deshalb für die Beendigung der Besatzung und eine sozialistische Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes eintreten, damit die dort ansässige Bevölkerung Ruhe und Frieden finden kann. Lasst uns den rechten Pseudokämpfen gegen Antisemitismus eine revolutionäre antikapitalistische Perspektive auf der Grundlage einer marxistischen Analyse entgegensetzen, damit sich die Shoah niemals wiederholt!




Warum wir Schüler_Innen die Streiks der Lehrer_Innen unterstützen!

Revolution Zeitung September 2023

Mit einem Geräuschpegel von 90 Dezibel für eine Klassenarbeit zu lernen, ist schon daheim schwer, wenn sich jemand im gleichen Raum föhnt. Aber bei diesem dauerhaften Geräuschpegel im Unterricht wird es dann völlig unmöglich. Die Klassen sind massiv überfüllt mit sehr häufig mehr als 30 Schüler_Innen. Dies werden dann auch nur von einer Lehrkraft betreut und sie muss sich um alle Probleme während des Unterrichts kümmern, während Unterrichtsinhalte vielfach auf der Strecke bleiben. Das stellt eine massive Belastung für die Lehrer_Innen und uns Schüler_Innen dar.

Ebenfalls erlaubt dies keine faire Bewertung, wenn, wie man es vielleicht selber noch kennt, die Lehrkräfte nach einem halben Jahr immer noch nicht einmal alle Namen kennen und dies das Würfeln der Noten nur noch verschärft. Eine Methode für eine „fairere“ oder zumindest vergleichbarere Bewertung wäre eine größere Menge an schriftlichen Abgaben. Diese würden jedoch die Lehrkräfte nur noch weiter belasten und eine individuelle Förderung noch schwieriger gestalten. Eine individuelle Förderung basiert auf den Stärken, Schwächen und Interessen und ist aktuell so gut wie unmöglich, da wenige Lehrkräfte die Möglichkeit haben, so einen Mehraufwand zu leisten. Das ist ein strukturelles Problem vor Allem für Schüler_Innen mit größeren Förderbedarf!

Aber was hat das jetzt mit den Streiks zu tun?

Die Lehrkräfte haben im Gegensatz zu uns Schüler_Innen eine Organisation, welche sie vor ihrem Vorgesetzten (= die Bundesländer) geeint repräsentiert und Forderungen erhebt: die Gewerkschaften. Gegenüber den Bundesländern bestehen die Streiks als Möglichkeit, Druck aufzubauen. Doch gerade bei Lehrer_Innen gibt es da Probleme: Zum Beispiel, dass die Streikenden ihrem Ziel, eine gute Bildung uns Schüler_Innen zu bieten, damit auch teilweise entgegenwirken. Dazu ist ein Streik von Lehrer_Innen nicht mit so viel Druck verbunden wie bei Angestellten in Unternehmen, da dies einen deutlich direkteren finanziellen Druck aufbaut, wenn die Produktion stillsteht. Dies macht es umso wichtiger, dass wir Schüler_Innen die Streiks und das Tarifvorhaben unterstützen, weil die Herstellung von öffentlichem Druck eine größere Rolle spielt.

Das Tarifvorhaben (TV-L) richtet sich jedoch nicht ausschließlich an die Lehrer_Innen, sondern an alle im Öffentlichen Dienst, die bei den Bundesländern angestellt sind. Dabei sind sehr viele Arbeiter_Innen aus unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen mitbetroffen, wie Erzieher_Innen, bei denen Kita in der Hand des Landes sind, auch reguläre Beamte und aber leider auch Polizei, die eigentlich Feinde der Arbeiter_Innenbewegung sind. Insgesamt sind also neben der Lehrer_Innengewerkschaft GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften) noch ver.di, IG BAU, DBB (Deutscher Beamtenbund) und die GdP (Gewerkschaft der Polizei) mit von der Partie.

Diese müssen sich zuvor noch auf einen Forderungskatalog einigen, was den Prozess noch komplizierter macht. Hierbei müssen die Lehrkräfte darauf drängen, dass auch eine Entlastung durch Verkleinerung der Klassen gefordert wird. Der TV-L hat jedoch einen Unterschied zu dem Letztens abgeschlossen Tarifverträgen: Dieser ist nämlich zwischen Bund und Kommunen und den bei ihnen Angestellten. Diese Unterteilung von Bund und Kommunen auf der einen, Bundesland auf der anderen Seite schwächt die Position der Angestellten, da sie nicht geeint auftreten.

Wie können wir da mitsprechen?

Wir Schüler_Innen haben nur eine Repräsentation über die Schulsprecher_Innen. Diese haben jedoch keine tatsächlichen Machtbefugnisse. Sie sind ebenfalls nicht ein politisches Gremium, was die Interessen der Schüler_Innen tiefergehend vertritt. Denn es besteht keine jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit und die Schulsprecher_Innen bewegen sich meist nur im „offiziellen“ Rahmen, weniger in Aktionen und Aufklärung an der Schule. Ebenfalls ist die Vorstellung der Schule und Schüler_Innenvertretung als etwas Unpolitisches problematisch, da schlussendlich die Beliebtesten der Klasse oder der GSV (Gesamtschüler_Innenvertretung) gewählt werden. Weiterhin ist eine Transparenz des Gremiums der GSV nicht wirklich die Norm.

Um für einen Tarifvertrag zu kämpfen, welcher die Ziele der Lehrer_Innen und dem entsprechend auch teilweise der Schüler_Innen erfüllt, braucht es eine organisierte Bildungsbewegung, welche für unsere Interessen kämpft und dabei nicht davon zurückscheut, auch radikale Forderungen aufzustellen und ein anderes Bildungssystem vorzuschlagen. Ebenfalls sollten wir versuchen, als Schüler_Innen gemeinsam mit unseren Lehrer_Innen für eine Gerechtere Bildung zu kämpfen und Solidarität aufzubauen, da nicht nur sie von der Misere des aktuellen Bildungssystems betroffen sind. Wir als Schüler_Innen sollten versuchen, auch zu einer Schüler_Innengewerkschaft zu kommen, welche unsere Forderungen vertritt und für diese kämpft. Hierbei kann es helfen, die bestehenden Schüler_Innenvertretungen als eine Plattform zu nutzen, um eine Perspektive in die Schüler_Innenschaft zu tragen. Aber wir müssen auch unabhängig Druck aufbauen! Deswegen versucht, euch mit anderen Schüler_Innen zu vernetzen und unabhängige Schüler_Innen-Komitees aufzubauen, welche sich an Bildungsprotesttagen und Streiktagen der Lehrer_Innen beteiligt und das Perspektiven gegen die Bildungskrise in die Schüler_Innenschaft trägt.

Dabei sollten wir auch die Frage der Macht über die Bildung stellen. Diese ist nämlich in eindeutiger Hand der Bundesländer und damit dem bürgerlichen Staat, also einem Organ, für das nicht an erste Stelle das Interesse an einer möglichst guten Bildung für alle basierend auf ihren Interessen steht, sondern das ihres Machterhalts. Dementsprechend würden Unterrichtsinhalte, welche das Machtsystem in der BRD infrage stellt, nicht zugelassen werden. Vielleicht lernen wir dann irgendwann im selbstbestimmten Politik-Unterricht mal etwas über den Kapitalismus und wie eine Welt nach ihm aussehen könnte!




Rechte Parolen an der Schule: Was wir als Schüler_Innen dagegen tun können

Von Sani Meier, September 2023, Revolution Zeitung September 2023

Hitlergrüße auf dem Schulhof, Nazi-Parolen und Beleidigungen gegen migrantisierte Mitschüler_Innen. All das ist laut den Aussagen von zwei Lehrkräften Alltag an einer Schule im brandenburgischen Buch. Um auf diese und weitere rechtsextreme Vorfälle aufmerksam zu machen, veröffentlichten sie diese im April in einem offenen Brief und hofften auf Unterstützung im Kampf gegen rechte Gewalt an Schulen. Passiert ist das Gegenteil: Kolleg_Innen grüßen sie nicht mehr, Sticker mit ihren Gesichtern und der Aufschrift „Verpisst euch nach Berlin“ kleben im ganzen Ort, auf Instagram wird zur Jagd auf die beiden aufgerufen und das Schulamt verbietet ihnen, über interne Details der Schule zu sprechen. Letztendlich haben sich die beiden Lehrkräfte an andere Schulen versetzen lassen.

Das Problem ist klar: Schüler_Innen äußern rechtsextreme Aussagen, doch die Schule schaut weg. Wenn sich einzelne Lehrer_Innen dagegen stark machen, werden sie alleine gelassen und müssen aus Angst sogar die Schule verlassen. Kolleg_Innen befürchten, selbst angefeindet zu werden, die Schule bangt um ihren Ruf und mit den Schüler_Innen, die sich dagegen stellen, redet sowieso niemand. Dieses Muster ist kein reines Problem Brandenburgs, sondern zeigt sich in ganz Deutschland, wie aus zahlreichen Solidarisierungsschreiben anderer Lehrkräfte aus dem Bundesgebiet hervorgeht.

Rechtsruck & Jugendliche

So schockierend diese Vorfälle sind, so sind sie in Zeiten des internationalen Rechtsrucks doch nicht überraschend. Während die AfD ihr absolutes Umfragehoch erreicht, zum ersten Mal einen Landrat stellt und bürgerliche Parteien wie die CDU einfach mit nach rechts gehen, um diese Wähler_Innen zurück zu holen, schafft es die Ampelregierung nicht, ein Sozialprogramm gegen die Auswirkungen der Krise auf den Weg zu bringen und beteiligt sich an menschenverachtenden Asylrechtsreformen. Diese Entwicklungen und den Frust der betroffenen Menschen bekommen wir alle zu spüren, ob beim Abendessen mit unseren Eltern, in den Medien oder auf dem Schulhof. Auch wir Jugendliche schauen derzeit in eine eher düstere Zukunft: Wir sollen unbezahlte Praktika und soziale Pflichtjahre leisten, wissen nicht ob wir uns nach der Schule noch eine eigene Wohnung leisten können und sind schon jetzt mit den verheerenden Konsequenzen des Klimawandels konfrontiert, gegen den die Regierung nichts unternimmt. Da es darauf aktuell keine stabile linke Antwort zu geben scheint, ist es also nicht verwunderlich, dass die AfD und andere rechte Kräfte es schaffen, mit ihren verkürzten und simpel erscheinenden Forderungen auch Jugendliche abzuholen. Das Resultat davon sehen wir dann logischerweise auch an Schulen als den Orten, an denen wir uns täglich aufhalten und sozial verankert sind.

Warum gerade an der Schule aktiv werden?

Und gerade deshalb dürfen wir den Rechten nicht unsere Schulen überlassen! Wir verbringen mindestens 9-10 Jahre unseres Lebens hier, legen Prüfungen ab, die für unser weiteres Leben entscheidend sind, sammeln Erfahrungen, lernen und treffen unsere Freund_Innen. Deshalb muss die Schule ein Ort sein, an dem alle Schüler_Innen sicher sind und diskriminierende Aussagen nicht toleriert werden. Doch wie können wir das erreichen? Erst einmal ist es wichtig, dass wir uns nicht mehr erzählen lassen, die Schule sei ein unpolitischer Ort. Dieses Argument wird vor allem seit den Fridays For Future-Streiks gerne benutzt, um politischen Aktivismus an der Schule zu verhindern. Tatsächlich ist aber so ziemlich alles an unseren Schulen politisch, von den Inhalten, die wir lernen, über die Größe unserer Klassen, bis hin zur Frage des Streikrechts von Schüler_Innen. Und eine Sache haben all diese Fragen gemeinsam: Wir haben dabei nicht mitzureden. Um uns optimal auf unsere Ausbeutung auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt vorzubereiten, sollen wir möglichst brav und folgsam sein, der Prüfungsstress gewöhnt uns schonmal an den Leistungsdruck im Beruf, wir hinterfragen die Anweisungen unserer Lehrer_Innen nicht und haben meistens keine Ahnung, wie wir daran etwas ändern können. Quasi perfekte Arbeitskräfte. Die Schule stützt damit also die herrschenden Verhältnisse, denn wenn ich mich neutral verhalte, akzeptiere ich die Welt so, wie sie aktuell ist. Schlimmer noch: Ich überlasse denen das Feld, die nicht neutral sind – aktuell also der AfD und anderen rechten Kräften. Deshalb ist es wichtig, dass wir politische Räume in der Schule schaffen, in denen wir gegen Diskriminierung und für unsere Mitbestimmung kämpfen. Sowas kann zum Beispiel in Form von Schüler_Innenkomitees erreicht werden. Damit könnt ihr eine erste Anlaufstelle für eure Mitschüler_Innen sein, die diskriminierendes Verhalten erlebt oder beobachtet haben. In Ergänzung zu den Schüler_Innenvertretungen seid ihr hier unabhängig und habt die volle Freiheit über die Aktionen, die ihr organisieren wollt. Alle Mitglieder der Komitees können also demokratisch entscheiden, was als nächstes zu tun ist: Infoflyer, Diskussionsveranstaltungen, Kunstaktionen, Kundgebungen oder Besetzungen sind nur einige Beispiele. Um an eurer Schule möglichst viele Mitschüler_Innen auf Probleme aufmerksam zu machen, habt ihr das Recht, gemeinsam mit eurer SV eine Vollversammlung einzuberufen. Hierfür muss der Unterricht unterbrochen werden und allen Schüler_Innen muss es ermöglicht werden, an dieser teilzunehmen. Fordert auch eure Freund_Innen an anderen Schulen auf, eurem Beispiel zu folgen, um euch zu vernetzen und schulübergreifende Aktionen zu organisieren.

Schüler_Innen und Lehrer_Innen gemeinsam in die Offensive!

Unter Rassismus, Sexismus und fehlender Mitbestimmung leiden aber nicht nur wir Schüler_Innen, sondern, wie wir gesehen haben, auch unsere Lehrkräfte. Deshalb müssen wir sie in unsere Aktionen miteinbeziehen und uns mit ihnen solidarisieren, wenn sie auf Missstände aufmerksam machen. Gemeinsam müssen wir die Kontrolle über die Lehrpläne einfordern, um über die Fragen zu sprechen, die uns wichtig sind, bevor es die Rechten tun. Wir müssen im Politikunterricht über kapitalistische Ausbeutung, Imperialismus, Kolonialismus und das Massensterben im Mittelmeer sprechen, um nicht auf die menschenverachtende Hetze gegen Geflüchtete hereinzufallen. Unser Geschichtsunterricht muss aufzeigen, warum eine Auseinandersetzung mit der Shoa auch heute noch relevant ist und der Biologieunterricht muss zeitgemäß und an unserer Lebensrealität orientiert sein. Um all diese Dinge behandeln und lernen zu können, braucht es Zeit zum Diskutieren und Fragen stellen und deshalb auch kleinere Klassen, in denen jede_r Schüler_In den Raum dazu hat. Kleinere Klassen bedeuten mehr Lehrkräfte und mehr Geld für Schulen. Für die Interessen unserer Lehrer_Innen einstehen, heißt also letztendlich auch, für unsere Interessen als Schüler_Innen einzustehen. Wir müssen den Kampf im öffentlichen Dienst – also Streikaktionen und Demos – mit Schüler_Innenkontingenten unterstützen, um eine massenhafte und kämpferische Bildungsbewegung aufzubauen.
Wir müssen Vernetzungs- und Aktionsstrukturen mit den Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen (bsp. Arbeitsloseninitiativen, Migrant_Innenorganisationen, Sozialforen, Antifa-Gruppen usw.) und antirassistischen Bewegungen auf der Straße aufbauen. Die Schüler_Innenbewegung kann nur im gemeinsamen Kampf mit anderen Unterdrückten erfolgreich sein gegen Rassismus, Sexismus und Kapitalismus.