Aufstände in Kenia – Worum geht es und wie können wir sie unterstützen?

von Jona Everdeen, Juli 2024

Seit etwas mehr als 2 Wochen finden in Kenia Massenproteste statt. Ihr Ursprung lag in der breiten Ablehnung eines Gesetzes, das Steuererhöhungen einführen sollte, die ausschließlich Arbeiter:innen und Arme treffen. Doch obwohl der Präsident des ostafrikanischen Landes diese inzwischen zu großen Teilen zurückgenommen hat, gehen die Proteste weiter – und richten sich nun gegen ihn selbst, die korrupte Machtelite sowie auch den Imperialismus, der Kenia im Würgegriff hält.

Imperialismus als Ursache der Krise

Auslöser der Proteste waren die vom 2022 gewählten Präsidenten William Ruto vorgeschlagenen Steuererhöhungen, in erster Linie in Form von Mehrwertsteuern auf Waren, die zum Leben essentiell sind. Dadurch sollten insgesamt 2,7 Milliarden US-Dollar aufgebracht werden, um den Staatshaushalt zu stabilisieren und die Rückzahlung von Krediten sicherzustellen. So sollten sie auf Brot, Speiseöl sowie den Besitz eines Fahrzeugs deutlich angehoben werden. Als besonders dreist empfunden wurde auch die Ankündigung, die Steuer auf Menstruationsprodukte zu erhöhen, nachdem im Wahlkampf eine Politikerin aus Rutos Partei angekündigt hatte, diese in Zukunft kostenlos zur Verfügung stellen zu wollen.

Diese Steuern kommen noch zu den durch hohe Inflation massiv gestiegenen Preisen hinzu, die jetzt schon dafür sorgen, dass sich viele in Kenia nur noch eine oder maximal zwei Mahlzeiten am Tag leisten können. Großen Teilen der kenianischen Bevölkerung droht absolute Armut. Wer davon hingegen weit entfernt ist und auch nicht mit zusätzlichen Steuern belastet werden soll, sind die kleine kenianische Bourgeoisie sowie, was die Wut der Massen besonders anheizt, die herrschende Politiker:innenschicht. Denn die Gehälter von Politiker:innen sind im Vergleich zum Durchschnittseinkommen mit die höchsten der Welt und Präsident Ruto selber lebt im Luxus.

Auch auf dem Korruptionsindex steht Kenia auf dem nicht besonders rühmlichen Platz 126 von 180. Doch auch wenn die Korruption und der Luxus der Politiker:innen, während die Massen verelenden, besondere Wut hervorrufen, haben viele in Kenia erkannt, dass diese nur das oberflächliche Problem darstellen, und pfeifen auf Rutos nun einsetzende Schlichtungsversuche nach dem Motto, man könne nochmal neu über die konkreten Sparmaßnahmen diskutieren und, als Zeichen des guten Willens, auch im Präsidialamt beginnen. Denn das Problem liegt nicht darin, so dreist das auch klingt, dass Rutos Frau im Jahr 5 Millionen Euro ohne wirklichen Grund aus der Staatskasse bekommt oder der Präsident mit schickem, 2.800 Dollar teurem Gürtel in die Kirche geht, sondern es verursachen die Sparmaßnahmen als solche. So gibt Ruto selber an, dass Kenia mehr als 60 % seines Staatshaushaltes zur Tilgung von Schulden aufwenden muss. Die Gläubiger:innen? Die ehemalige Kolonialmacht Britannien, die USA, China, die EU und ganz oben natürlich der Internationale Währungsfonds. Dieser hat auch der kenianischen Regierung den neuen Haushalt mit den massiven Steuererhöhungen „empfohlen“. Diese Empfehlung dürfte in etwa den Charakter haben wie Schäubles Rat an die Syriza-Regierung in Griechenland, man sollte vielleicht doch lieber das Diktat der Troika akzeptieren, wenn man nicht wolle, dass diese mit einem brutalen Wirtschaftskrieg das Land ins absolute Elend stürze.

Ruto, der sich selber so wie die meisten Staatschef:innen halbkolonialer Länder nur zu gerne in den Dienst des Imperialismus stellt, in seinem Fall vor allem des westlichen, hatte versucht, die Abgabenforderungen von IWF und Co. einzig und allein auf dem Rücken der Massen zu erfüllen und seinen eigenen Reichtum und den seiner politischen Freund:innen unangetastet zu lassen. Auch wenn er nun bereit zu sein scheint, persönliche Abstriche zu machen, um seine Position irgendwie zu retten, darf die Bewegung nicht dabei stoppen und muss ihre Wut nicht nur gegen die imperialen Statthalter:innen, sondern gegen das System der globalen Unterdrückung selbst richten!

Jugend und Arbeiter:innen haben es satt

Die Massenbewegung, die sich im ganzen Land seit einigen Wochen auf der Straße befindet, mit dem vorläufigen Höhepunkt am 25. Juni beim Sturm auf das kenianische Parlamentsgebäude, ist eine Reaktion auf die Ungerechtigkeit. Die Arbeiter:innenklasse Kenias und besonders die Jugend, die große Teile der Bevölkerung ausmacht (rund zwei Drittel sind unter 25 Jahre alt) leben sowieso häufig in prekären Verhältnissen. 80 % der Beschäftigten arbeiten informell, also ohne jede Jobsicherheit oder Arbeitsschutz. Auch die Arbeitslosigkeit ist hoch, besonders unter Jugendlichen. Die Krise der letzten Jahre, der massive Preisanstieg vor allem für Lebensmittel im Zuge des Ukrainekriegs und die hohe allgemeine Inflation haben die Lage vieler massiv verschlechtert und die schon zuvor nur recht kleine Mittelschicht zusammenbrechen lassen. Die Steuerpläne der Regierung haben das Fass dann zum Überlaufen gebracht. Die Menschen haben Ruto, die Privilegien der Politiker:innenkaste, ihr Elend, ihre Armut, den IWF und die imperialistischen Mächte satt, die dafür verantwortlich sind. Und das zeigen sie auch.

Trotz Rutos „Versprechen“, das Gesetz zurückzunehmen, was jedoch nicht einmal wirklich in seiner Macht steht, nachdem das Parlament es bereits gebilligt hat, gingen die Proteste weiter. Am 27. Juni ließen Protestierende verlauten, dass sie nicht aufhören werden, bevor Ruto zurückgetreten ist. Auch die massive Gewalt von Polizei und Militär konnte die Entschlossenheit bislang nicht brechen. Diese setzten massenhaft Tränengas und immer wieder scharfe Munition ein, töteten damit mehr als 30 Menschen und verletzten hunderte weitere. Auch wurden Menschen von der Polizei entführt, ihr aktueller Verbleib ist unklar. Diese brutalen Repressionen haben die Entschlossenheit der Bewegung jedoch eher bestärkt. Immer wieder gelang es, die massiv mobilisierte Polizei zum Rückzug zu zwingen. In der Bewegung tut sich besonders die Jugend hervor, weshalb Medien auch von einem „Generation-Z-Aufstand“ schreiben. Zu Protesten wird massiv auf sozialen Medien mobilisiert und an Schulen und Unis entstehen Protestkomitees. Die Jugend kämpft für ihre Zukunft und, wie alle Arbeiter:innen und Armen, für ein besseres Leben. Doch wie kann die Bewegung siegen?

Nur die Revolution kann die Menschen befreien!

Es ist gut, dass die Bewegung sich nicht von Rutos Zugeständnissen und seiner vermeintlichen Einsicht täuschen lässt und stattdessen seinen Rücktritt fordert! Und es ist gut, dass die Menschen auf die Repressionen der Staatsgewalt mit Widerstand antworten! Doch das alleine wird nicht reichen, um die Krise zu lösen. Will die Bewegung wirklich den Präsidenten stürzen und das korrupte System, an dessen Spitze er steht, gleich mit, will sie das Land ein für alle Mal von der Ausbeutung durch  den Imperialismus, seit 1963 in seiner halbkolonialen Form, befreien, dann muss sie bereit sein, den nächsten Schritt zu setzen. Die Gründung von Komitees an Schulen und Unis zeigt, was auch anderswo geschehen muss: nämlich in den Betrieben und Armenvierteln, wo die Menschen leben, die keine oder informelle Jobs haben. Diese Komitees könnten nicht nur die Proteste effektiver organisieren und zum Sieg führen, sondern wären auch die Organe, die nach einem möglichen Sturz der Ruto-Regierung in der Lage wären, eine neue, gerechte Ordnung zu etablieren.

In der Protesten wurde immer wieder die Forderung nach einem Generalstreik laut. Diese gilt es, aufzugreifen und durchzuführen! Denn nur ein Generalstreik, der das komplette Land lahmlegt, ist wirklich in der Lage, Regierung und System zu besiegen. Auch hierfür wären Streikkomitees in Betrieben und Stadtteilen zentral. Zur Verteidigung der Bewegung gegen die Repression durch Polizei und Armee ist es ebenfalls nötig, organisierte Selbstverteidigungseinheiten zu schaffen, die eine militante Gegenmacht zu den Truppen des Staates darstellen.

Welche Führung braucht es?

Es sind letztendlich die Arbeiter:innen, die den Kampf anführen müssen, den sie gemeinsam mit Jugend und Kleinbäuer:innen gegen die Regierung und ihre imperialen Herr:innen auszufechten haben. Und diese Arbeiter:innen brauchen eine politische Führung.

Anders als in vielen anderen Ländern gibt es in Kenia eine kommunistische Partei, die eine reale Verankerung in den proletarischen Massen besitzt und in der Bewegung eine aktive Rolle spielt. Diese Partei, als sozialdemokratische Arbeiter:innenpartei entstanden, wandte sich in den letzten Jahren dem Maoismus (Marxismus-Leninismus) zu. Diese Entwicklung nach links führte außerdem auch zu weiteren Abspaltungen, teilweise Richtung chinesischem „Kommunismus“, teilweise unter der Jugend aber auch in Richtung Trotzkismus. Auch wenn die KP Kenias (CKP) eine reale Verankerung in der Arbeiter:innenklasse darstellt, so bleiben ihr Programm und ihre Politik weiter bürgerlich und von der stalinistischen Etappentheorie geprägt, derzufolge heute eine nationale, demokratische Revolution anstehe. So ruft sie in ihrem 10-Punkte-Programm zum Bruch mit dem IWF, Sturz der Regierung, zur Umsetzung einer Reihe sozialer Reformen und Einstellung jeder staatlichen Gewalt gegen die Bewegung auf. Es enthält aber keine einzige darüber hinausgehende Übergangsforderung, geschweige denn ein Konzept, wie der Kampf mit dem für eine sozialistische Umwälzung verbunden werden könne.

So wichtig es daher ist, an die CKP die Forderung zu stellen, mit allen Flügeln der kenianischen Bourgeoisie zu brechen, so wenig stellt sie mit ihrem Programm nichtsdestotrotz die Lösung der Führungskrise der kenianischen Arbeiter:innenklasse dar, sondern vielmehr einen Teil des Problems. Dazu braucht es vielmehr eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei, die den Kampf für die Enteignung der internationalen wie nationalen Konzerne mit dem für eine Regierung aus Räten der Arbeiter:innen und Armen verbindet! Wenn dieser Kampf erfolgreich geführt wird, dann können die kenianischen Arbeiter:innen, Armen und Jugendlichen die Krise tatsächlich lösen und ein neues System schaffen, das ihre Bedürfnisse an erste Stelle stellt. Dann kann Kenia zum Beispiel für Dutzende halbkoloniale Länder in ähnlichen Situationen und für Milliarden Menschen werden, wie sie ihre Unterdrückung und ihr Elend beenden können!

Was können wir in den Zentren tun?

Doch der Kampf der Arbeiter:innen und Jugendlichen in Kenia ist nicht nur relevant für Menschen in anderen Halbkolonien, sondern auch für uns. Denn auch wir haben, wenn auch weniger konkret, akut und scharf mit den Folgen der Krise zu kämpfen. Auch wir spüren die gestiegenen Lebensmittel-, Heizkosten und Mieten. Auch wir merken, wie Infrastruktur, Bildung und Soziales durch die neoliberale Ampelregierung dem Dogma des „Sparen, Sparen, Sparen“ geopfert wird. Unsere Länder, Deutschland, Britannien, die USA, sind es, die in der imperialistischen Pyramide ganz oben stehen. Doch nicht wir stehen oben, sondern unsere Bosse und Vermieter:innen. Diejenigen, die in Kenia die Menschen auspressen und ins Elend stürzen, sind dieselben, die das auch mit uns tun. Wir haben nichts gemein mit ihnen, dafür vieles mit den mutigen Kenianer:innen, die gerade in Massen gegen das System ankämpfen, das uns alle knechtet! Zeigen wir ihnen unsere Solidarität, indem wir hier im Herzen der Bestie für die Streichung aller Schulden der halbkolonialen Länder kämpfen und gleichzeitig auch für unsere eigene Freiheit! Kämpfen wir gegen ungerechte Steuern, die die Massen treffen, und holen wir uns, was wir brauchen, bei denjenigen, die fürs Nichtstun massenhaft Geld in Form von Dividenden, Miete und anderen Kapitalrenditen bekommen! Ob Nairobi, London oder Berlin – Sieg für Proletariat und Jugend! Nieder mit dem Imperialismus und seinen Lakai:innen!

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Wahlen in Frankreich – Scheiß auf Volksfront, Jugend in die Offensive!

von Flo Rojo, Juli 2024

Vorgestern fand der erste Wahlgang bei den Neuwahlen des französischen Parlaments statt. Aus dieser ging Le Pens RN als stärkste Kraft hervor. Wie in den meisten Ländern Europas aber auch weltweit, ist dass einer der Ausdrücke des vorranschreitenden Rechtsrucks in Folge der Führungskrise der Arbeiter:innen. Doch was können wir als Jugendliche dagegen tun?

Demokratie oder Faschismus?

Nach dem immensen Erfolg des Rassemblement National (RN, deutsch: Nationale Sammlungsbewegung) bei den EU-Wahlen letzten Monat, beschloss noch am selben Tag der französische Präsident Emanuel Macron die Auflösung des Parlaments und somit Neuwahlen.

Kurz darauf bildete sich ein linkes Bündnis aus der linkspopulistischen La France Insoumise, den bürgerlichen Arbeiter:innenparteien (Sozialistische und Kommunistische Partei) und den französischen Grünen, die zwar linker als die deutschen, aber trotzdem eine kleinbürgerliche Partei sind. Unter dem Banner der „Neuen Volksfront“ (Nouveau Front Populaire, NFP) schließen sie an eine Taktik an, die schon 1936 kläglich gescheitert ist. Doch warum ist das so?

Der Zusammenschluss, will unter dem Motto „Alles gegen den RN“ die politische Krise Frankreichs herunterbrechen auf die Frage von „Demokratie gegen Faschismus“. Das zeigt sich auch daran, dass sie nun ankündigten in den Wahlkreisen wo sie hinter den Liberalen liegen, ihre Kandidatur zurückzuziehen und somit ganz offen Macrons Bündnis zu unterstützen. Das hat den Zweck, dass „keine einzige Stimme an das RN geht“. Wie richtig es auch ist sich den Rechten entgegenzustellen, kann dieses Bündnis deren Aufstieg nicht verhindern. Das erkennt man auch schon ganz praktisch am Programm der Volksfront selber. Denn selbst ohne die offenen bürgerlichen Parteien bereits im Boot zu haben, ordnen sie sich dem Imperialismus unter, so in der Frage der Wiederaufrüstung oder selbst der Aufrechterhaltung der kolonialen Herrschaft über Kanaky (Neukaledonien). Ihr Ziel ist es dabei im Parlament zusammen mit Macrons Liberalen (welche in der ersten Runde hinter der NFP und dem RN liegen) ein Bündnis aufzustellen um somit eine RN-Regierung zu verhinden. Doch selbst wenn ihr Plan aufgeht, stellt sich die Frage was sie damit bewirkt haben? Werden die Arbeiter:innen nicht mehr ewig schuften müssen bis sie in die Rente können? Werden Migrant:innen weniger rassistisch angegangen werden und wir Jugendlichen Geld für unsere Billdung haben? Wird die Kriegstreiberei ein Ende finden? Die Antwort ist Nein, denn die Taktik der Volksfront bekämpft eben nicht die Ursachen, welche den Aufstieg der Rechten begünstigen.

Denn der Kampf gegen Rechtsruck und Faschismus kann nie ein Kampf mit sondern nur gegen die Kapitalist:innen, ihre Parteien und ihre Ordnung sein! Denn ihr System ist es, welches erst die Bedingungen für den Aufstieg des Rechtspopulismus bis hin zum Erstarken von offen faschistischen Kräften schafft. Sich ihnen in einem „Kampf gegen den Faschismus“ unterzuordnen heißt unsere Kampfkraft abzugeben und die Lösung des Problems faktisch zu verhindern.

Denn die geballte Stärke der Jugend und Arbeiter:innenklasse ist es, die durch Streiks, Besetzungen und Aufstände, bis hin zu einer Revolution, die Überwindung der Probleme erreichen kann. Den Rechtsruck aber auch das was diesen erst geschaffen hat, wie die hohen Lebenserhaltungkosten oder ganz generell die tägliche Ausbeutung und Unterdrückung.

Wenn wir jedoch den Illusionen der netten Fratze der Diktatur des Kapitals, also der „Demokratie“, hinterherrennen, kann unser Kampf kein erfolgreicher sein! Denn der demokratische Staat ist es, der unsere Armut, Ausbeutung und Unterdrückung aufrechterhält. Der demokratische Staat ist es der Kriege führt und Genozide unterstützt. Der demokratische Staat ist es der uns abschiebt und durch seine Handlanger, die Polizei, ermordet. Der demokratische Staat ist es, der uns bis zum Zusammenbruch arbeiten lassen will, damit er auf dem Weltmarkt besser konkurrieren kann. Wenn wir also den demokratischen, bürgerlichen Staat und die Ordnung die er aufrecht erhält wählen, wählen wir nicht das kleinere Übel sondern schaufeln fleißig weiter unser eigenes Grab! Denn die Leute haben die bürgerliche Demokratie und ihre Politik, ob von Macron, Biden oder Habeck, satt und zwar völlig zu Recht!

Der ganze Aufstieg der Rechten ist letztendlich auch ein Ausdruck davon, dass die Organisationen der Arbeiter:innenklasse den Kampf gegen diese Ordnung, an der nicht die Rechten die schlechten Stellen sind, sondern die als ganzes ein Übel ist, nicht konsequent geführt haben. So haben wir es bei den Rentenreformen gesehen, wo die großen Gewerkschaften und linkspopulistischen sowie reformistischen Parteien notwendige und mögliche Generalstreiks verhindert, den Kampf in die Bahnen des Parlaments verschoben und somit geschwächt haben.

Was braucht es dann?

Anstatt mit bürgerlichen Kräften zu liebäugeln und am liebsten zusammen mit Macron eine Regierung zu bilden, braucht es einen Zusammenschluss der Organisationen der Arbeiter:innenklasse und der Gewerkschaften zu einer Einheitsfront, welche die geballte Kampfkraft der Jugend und Arbeiter:innen entfesselt. Dabei müssen wir als Revolutionäre die Jugendlichen und Arbeiter:innen von den Illusionen der reformistischen, bürgerlichen Arbeiter:innenparteien wegbrechen und für ein revolutionäres Programm gewinnen. In einem gemeinsamen Kampf gegen und nicht mit dem Klassenfeind!

Die spontanen Proteste nach der Europawahl und auch nach den Neuwahlen zeigen das Potenzial für eine Bewegung welche diesen Kampf führen kann. Wir als Jugend müssen in diesen Kämpfen eine militante und führende Rolle einnehmen, was in den letzten Jahren schon teilweise passiert ist. Doch darauf müssen wir aktiv ausbauen und, im Bündnis mit der Arbeiter:innenklasse, den Umsturz des Systems vorrantreiben! Auch in der Jugend selber müssen wir die Überzeugung festigen, dass eine revolutionäre Perspektive notwendig ist um unsere Probleme zu lösen.

Um das zu tun müssen wir uns organisieren, an unseren Schulen sowie in Unis und Betrieben. Wir müssen die Orte an den wir uns täglich aufhalten zur Agitation nutzen und Organe wie Schul- und Unikomitees schaffen. Diese können auch langfristig den Grundstein der Selbstverwaltung legen, die eine Ordnung nach dem Zerschlagen des bürgerlichen Staats braucht. Darauf aufbauend müssen wir Schul- und Unistreikkomitees initiieren, um unseren Kampf zu organisieren und als geballte Front den Rechten und den Kapitalist:innen entgegenzutreten!

Um diese Arbeit zu koordinieren und zum Erfolg zu führen braucht es eine unabhängige Jugendorganisation die diesen Kampf vorrantreibt. Sie muss international den kämpfenden Jugendlichen eine revolutionäre Perspektive aufzeigen und dabei den Aufbau einer Jugendinternationale anstreben. Die Organisierung der Jugend in Europa und Weltweit, über die nationalen Grenzen hinaus, ist notwendig, denn wir uns muss klar sein: Genauso wie die Arbeiter:innen, hat die Jugend kein Vaterland und kann nur international organisiert siegen!

Wir fordern:

  • Schluss mit der Volksfront! Es braucht eine Einheitsfront der Jugend und Arbeiter:innenklasse!
  • Nieder mit Macron – Nieder mit der RN! Für ein revolutionäres Programm der Jugend und der Arbeiter:innen!
  • Aufbau von Schul- und Unikomitees sowie einer schlagkräftigen Bewegung gegen die Angriffe der Kapitalist:innen und den Aufstieg der Rechten!
  • Für den Aufbau einer Jugendinternationale!



Ein neues Wir-Gefühl – mit dem Klassenfeind?

Von Maximilian Macht und Felix Ruga

Menschenmassen mit Deutschlandfarben im Gesicht bemalt oder schwarz-rot-goldene Mützen oder Fahnen sieht man nicht nur bei den vielen organisierten Public Viewings, sondern auch in Restaurants, Kneipen oder Spätis, wo die EM-Spiele übertragen werden. Falls ein Tor fällt oder das Spiel gewonnen wird, hört man lautstark den Namen des Landes und vielleicht gibt’s sogar am Ende ein Autokorso oder ein Feuerwerk. In der Halbzeit kommen dann die Tagesthemen, in denen es darum geht, dass Scholz es jetzt mit aller Gewalt versucht, doch noch Abschiebungen in „sichere“ Drittstaaten zu ermöglichen. Oder Pistorius erklärt uns, dass es mit der Kriegstüchtigkeit endlich mal vorwärts gehen müsse, damit Deutschland „Verantwortung übernehmen“ kann.

Die meisten in der radikalen Linken werden sich verständlicherweise von Fanzonen und einem Check24-Trikot fernhalten. Aber wie sollten wir politisch dazu stehen und welche Fragen wirft das für uns auf?

Endlich unverkrampft

Bis noch vor gar nicht allzu langer Zeit hatte es noch etwas Anrüchiges, wenn man stolz die schwarz-rot-gelbe Fahne im Garten stehen hatte oder sich damit einhüllte. Das war eher etwas, was man mit rechtem Gedankengut verbunden hat, und sicherlich hat es auch heute noch was davon, auch wenn es sich ändert. Denn mit der Wiedervereinigung, dem damit verbundenen nationalistischen Taumel und der Neuausrichtung des deutschen Imperialismus wurde hier eine Bresche geschlagen, und das hat das „Sommermärchen“, also die Fußball-WM 2006 in Deutschland, vollends normalisiert. Damals wurde voller Begeisterung von Presse und Politik verkündet, dass man nun endlich wieder ohne politische Hintergedanken patriotisch und stolz auf Deutschland sein dürfe. Bei diesem Gefühl hat zum einen der millionenfach verkaufte Deutschland-Merch von Fähnchen bis Autospiegelüberzieher eine große Rolle gespielt, aber auch das erstmalige Aufkommen von großangelegten Public Viewings, bei denen man in der Sonne mit seinen Freund:innen, der Familie und hunderten anderen Leuten das Spiel geguckt hat und so eine Volksfest-Stimmung aufgekommen ist.

Und das ist mit Sicherheit auch der größte Reiz, weswegen internationale Fußballturniere so massenhaft die Menschen bewegt: Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, denn alle sind jetzt hier auf der gleichen Seite, nämlich „für Deutschland“. Wenn man mal kritisch nachfragt, werden viele auch erstmal sagen, dass es dabei vor allem darum geht, dass man halt gemeinsam die Fußballmannschaft („unsere Jungs“) unterstützt. Aber auch, dass es halt normal sei oder sein sollte, dass man „sein Land“ unterstützt. Und sowieso ruft man ja auch nicht „Olé DFB!“, sondern „Deutschland, Deutschland!“. Auch wenn es für Viele in erster Linie ein spaßiges Event zu sein scheint, normalisieren und verbreiten sich damit nationalistische Annahmen von Zugehörigkeit und „wir gegen die“.

Nationalismus und seine Funktion

Nationalismus schafft ein verfälschtes Gemeinschaftsgefühl von Familie, Heimat und dessen „Schutz“. In der Realität sind das aber höchst widersprüchliche Dinge und mit Sicherheit nicht die wohlig-weichen Gemeinschaften, wie sie von bürgerlicher Seite gemalt werden: In der Familie reproduziert sich die Unterdrückung von Frauen, von queeren Menschen und von Jugendlichen. „Das Heimatland“ wird bestimmt und kontrolliert durch das Kapital und seinen Staat und damit auch sicherlich nicht „unser Land“. Und „Schutz“ eben dieser bedeutet meist Angriff auf äußere und innere „Feinde“, also Krieg und Repression. 

Dennoch spielen diese Vorstellungen eine sehr wichtige Rolle für den Kapitalismus, nämlich als eine ideologische Grundlage der Verblendung und Ausbeutung, um seine Existenz zu sichern. Nationalismus zu stärken ist in Krisenzeiten vom Kapitalismus eine wichtige Technik des bürgerlichen Staates, denn die „notwendigen“ Sparmaßnahmen, kriegerischen Entbehrungen und Angriffe auf die demokratischen Rechte müssen ja irgendwie gerechtfertigt werden, da sie offensichtlich gegen die Interessen der großen Mehrheit der Gesellschaft, der Arbeiter:innenklasse, stehen. Also sagen Staat und Kapital: „Schaut her, wir sind doch alles Deutsche und wir müssen nun gemeinschaftlich die Interessen Deutschlands vertreten“, was zuverlässig immer bedeutet, sich den Interessen des Staates und des Kapitals unterzuordnen, indem man sich den „Notwendigkeiten“ der internationalen Konkurrenz ergibt. Letztendlich geht es darum, die Arbeiter:innenklasse in solchen Momenten ideologisch zu integrieren und zu spalten, ob durch Rassismus, Sexismus oder Anderem, um diese verstärkt auszubeuten. Das Kapital versucht also, reelle Gemeinschaften und Solidarität mit Mystischen zu ersetzen.

Rassisten und ihre Widersprüche

Für die Spieler ist es ein Moment, in welchem sie sich als nationalistisches Aushängeschild des Staates hergeben müssen, um im Wettbewerb gegen andere zu gewinnen. Für diesen Wettbewerb stellt der deutsche Staat seinen Rassismus momentan beiseite, um nicht-weiße Spieler für sich spielen zu lassen, um dann kurz davor wieder Rassismus als Wahlkampfthema Nummer eins zu verwenden. Deutlich wird dies durch die Kommentare von Olaf Scholz, welcher vor einiger Zeit forderte, wieder „im großen Stil abzuschieben“. Gleichzeitig seien die Spieler „alles Deutsche“ und „unsere Jungs“, um ein Zeichen gegen den Rassismus jener 30 % zu setzen, welche sich laut einer Umfrage der ARD wünschten, weniger Menschen mit Migrationshintergrund in der Nationalmannschaft zu haben. Problematisches Verhalten von Fans im Kontext von „Wir gegen die“ schlägt nicht selten in offenen Rassismus um, wenn nun ein Spieler die „Frechheit“ hat, bei der Nationalhymne nicht mitzusingen oder schlichtweg nicht wie erhofft performt, oder ein anderer Fan die falsche Fahne mit sich trägt.

Mit dem internationalen Rechtsruck ist ein Anwachsen von Nationalismus für Rechte vorteilhaft, und die EM kommt dort sehr gelegen. Denn auch innerhalb des bürgerlichen Lagers gibt es einen Kampf darum, welche konkrete Bedeutung nun der deutsche Nationalismus haben sollte. Liberale sprechen davon, dass Deutschland ja jetzt zeigen könnte, wie offen, gastfreundlich und tolerant es sei, und dass das sei, was man meine, wenn man „stolz auf Deutschland“ ist. Ausdruck dessen sollte auch das neue, pinke Ausweichtrikot sein, das laut dem ehemaligen DFB-Geschäftsführer Bierhoff „den Nerv der Kids“ treffen sollte, also gewissermaßen dem etwas angestaubten Nationalismus neuen Lack verleihen. Die Rechten sehen das natürlich anders: Nicht nur gab es online schwere Wutausbrüche wegen des Trikots, was als „unmännlich“ wahrgenommen wird. Die AfD will den Pride Month zum „Stolzmonat“ umdeuten und dieser fällt dieses Jahr in die EM. Maximilian Krah sagte deshalb, dass der Stolzmonat das „Gegenmodell zum Pride Month, zur Pride EM, zum Regenbogen“ sei.

Was machen wir daraus?

Aus all dem sollte klar geworden sein: Diesen nationalistischen Taumel zu jeder WM und EM sollten wir kritisieren und ablehnen. Aber es macht dabei keinen Sinn, uns über die einzelnen Fans zu erheben und dafür zu maßregeln, denn die Allermeisten gehören zur Arbeiter:innenklasse und haben den nachvollziehbaren Wunsch, in einer widersprüchlichen und unterdrückerischen Gesellschaft etwas Gemeinschaft zu erleben und einfach für ein paar Stunden eine gute Zeit zu haben, auch wenn man dabei als Linke ziemlich Bauchschmerzen haben dürfte. Im privaten Umfeld kann es auch durchaus sinnvoll sein, etwas kritische Reflexion anzustoßen. Auf politischer Ebene sollten wir aber selbstverständlich dagegen agitieren, wenn dies in rassistischen oder sexistischen Angriffen mündet – sei es von Fans oder der Regierung, die die EM-Stimmung als Rückendeckung missbraucht.

Vielmehr macht es eine Frage für fortschrittliche Kräfte auf: Wie können wir selbst kollektive Erlebnisse der Gemeinschaft schaffen? Neben massenhaften politischen Aktionen können solche Dinge wie Fußball dabei sogar eine Rolle spielen: Denn Fußball ist gewissermaßen ein Sport der Arbeiter:innenklasse, ein Massensport mit Vereinsstrukturen mit 7 Millionen Mitgliedern allein in Deutschland. Fußball hat erst so eine große gesellschaftliche Relevanz bekommen, als die Arbeiter:innen sich den 8-Stunden-Tag und höhere Löhne erkämpft haben, denn so war nach der Arbeit Zeit, zum Training zu gehen und samstags zum Spiel. Man muss sich dafür nur mal angucken, wann die meisten großen Vereine gegründet wurden.

Andererseits ist der Fußball fest unter der Kontrolle des Kapitals. Dagegen müssen wir auch kämpfen, um uns den Fußball wie den Sport allgemein zurückzuholen. Hierbei macht es zum einen Sinn, uns die Geschichte der Arbeiter:innensportvereine ins Bewusstsein zu rufen, aber auch als klassenbewusste Jugendliche und Arbeiter:innen organisiert in den existierenden Vereinen und Verbänden zu wirken, dabei den Sport zu politisieren, zu demokratisieren und den Einfluss des Kapitals zurückzudrängen. Letztendlich muss es gesellschaftlich darum gehen, den Breitensport gegenüber dem Spitzensport zu fördern, zu verallgemeinern und für weite Teile des Proletariats überhaupt erst zu ermöglichen. Damit würde auch den Spitzenwettbewerben gänzlich ihr Charakter als unerreichbare und vergötterte Ereignisse verloren gehen. Somit könnten wir diesen passiven Konsumnationalismus des Fernsehschauens ersetzen durch echte und erlebte Gemeinschaft, was letztendlich nur durch die Überwindung der gesamten Ausbeutergesellschaft vollends möglich wird!




Gegen Pistorius’ „freiwillige“ Wehrpflicht: Die Herrschenden wollen Krieg, wir wollen eine Zukunft!

von Pippine Garterbelt, Juni 2024

Boris Pistorius (Bundesminister der Verteidigung, SPD) warnt vor einem nahenden russischen Angriff auf die NATO und stellte daher am Mittwoch, dem 12.06.2024, seine Pläne für ein neues Wehrdienstmodell vor. Diese Pläne sehen vor, dass in Zukunft alle Jugendlichen nach ihrem 18. Geburtstag einen Online-Musterungsbogen von der Bundeswehr zugesendet bekommen. Männer zwischen 18 und 25 Jahren sind dann nach diesem Gesetz verpflichtet, diesen Bogen auszufüllen und zurückzusenden. Wenn man dann im Zuge dessen genügend Motivation und Kriegstauglichkeit zeigt, wird man verpflichtend zur Musterung eingeladen, also einer Untersuchung zur Eignung zum Wehrdienst. Dass man dann schlussendlich zum Dienst an der Waffe verpflichtet wird, lehnt Pistorius noch ab. Frauen wird dieser Bogen auch zugesendet. Sie sollen jedoch nicht verpflichtet sein, diesen Musterungsbogen auszufüllen und wieder zurückzusenden. Das alles entspricht einer ersten Stufe wieder zurück zur Wehrpflicht, das heißt: der massenhaften Mobilmachung von Arbeiter:innen und Jugendlichen, um als Soldat:innen für die Interessen der Herrschenden zu morden – und zu sterben.

Also jetzt doch?

Denn am Ende des Tages sind es wir, die Jugend, die ihr Leben gefährden und für die Herrschenden in den Krieg ziehen und mörderische Konflikte in ihren Namen bestreiten müssen. Mit dem neuen Wehrdienstmodell möchte die SPD jährlich 40.000 bis 50.000 neue Soldaten rekrutieren. Dies sei notwendig, um einen Krieg gegen Russland zu bestehen, sagt Pistorius. Er vermutet einen Angriff Russlands bereits im Jahr 2029. Bis dahin möchte er die Zahl der Reservist:innen auf 460.000 erhöhen – also mehr als verdoppeln. Betont wird, dass das Modell keine neue Wehrpflicht sein soll, sondern auf Freiwilligkeit basieren soll. Netterweise wirst du in dem Musterungsbogen, zu dessen Ausfüllen du gezwungen wirst, nämlich auch gefragt, ob du überhaupt Interesse an der Bundeswehr hast. Bekommst du eine Einladung zur Musterung, ist die zwar deine Pflicht, aber hey, wenigstens wirst du mit einem Kreuzchen mal nach deiner Meinung gefragt. Parteien wie die CDU/CSU, SPD und AfD positionieren sich klar für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. So schreibt die CDU/CSU in ihrem neuesten Grundsatzprogramm: „Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen […] Das Bekenntnis zur Wehrpflicht ist ein wichtiges Bekenntnis zur Stärkung der Bundeswehr.“ Die Pläne der SPD sind als vorbereitende Maßnahmen für eine langsame Wiedereinführung der Wehrpflicht einzuordnen. SPD, FDP und Grüne betonen die Wichtigkeit der Freiwilligkeit beim Wehrdienst und schaffen Anreize, sich noch länger als die vorgesehenen 6 Monate zu verpflichten. Um sich die Bereitwilligkeit der Jugend zu erkaufen, packt die SPD die Kostenübernahme für einen (mittlerweile extrem teuren) Führerschein oder eine berufliche Ausbildung obendrauf. Besonders gefährdet sind Schulabgänger:innen und Jugendliche aus sozialschwachen Hintergründen, aus ihrer finanziellen Not heraus in den Wehrdienst gelockt zu werden. Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages (SPD) Eva Högl begrüßt die Pläne ihres Parteikollegen und setzt, ebenso wie CDU-Politiker Johann Wadephul, noch einen obendrauf: Unter dem Deckmantel der Gendergerechtigkeit fordern sie die Pflicht für Männer und Frauen. So sagt die SPD-Politikerin dazu: „Es ist nicht mehr zeitgemäß, nur junge Männer anzusprechen. In die Bundeswehr gehören alle Geschlechter, auch Frauen wollen ihren Beitrag leisten.“ – Um auch Frauen verpflichten zu können, müsste eine Änderung im Grundgesetz vorgenommen werden, die dies legitimiert. Währenddessen hetzt die BILD-Zeitung munter gegen die Jugend: „Pistorius plant neuen Wehrdienst: Ist unsere Jugend zu weich für die Bundeswehr?“ und schreibt weiter: Die heutigen Jugendlichen „können doch nur Hafermilch trinken, TikTok-Videos glotzen und gendern.“ Pseudowissenschaftlich versucht der Artikel, die Verweichlichung der Jugend zu beweisen. Im Interview mit der BILD soll die Zuständige für die Werbung der Bundeswehr Sabine Castenow dazu gesagt haben: „Klar ist, dass die Generation Z völlig anders tickt als ihre Vorgängergenerationen. Sie ist einerseits sehr behütet aufgewachsen und die Eltern sind enge und wichtige Berater ihrer Kinder.“ Das klingt rhetorisch sehr nach der autoritären und völkischen Erziehungspädagogik, in der Kinder von Anfang an gefühlskalt und streng für Gefolgsamkeit in Krieg und harter Arbeit erzogen werden sollen. Während die jahrelange Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht aus dem Bundestag nun bittere Realität zu werden scheint, trifft dies in der Jugend auf wenig Zustimmung. Laut Umfragen sind nur 16% der Jugendlichen für die Wehrpflicht. Das ist kaum verwunderlich. Denn es sind am Ende nicht die Politiker:innen im Bundestag, die an der Front für die Verteidigung des Kapitals sterben sollen, obwohl sie behaupten, wir alle müssten uns für unsere Demokratie in den Schützengraben werfen. Stattdessen sind es wir Arbeiter:innen und Jugendlichen, die morden sollen, während die Reichen durch die Kriege noch reicher werden und der bürgerliche Staat seine geostrategischen Interessen verfolgen kann.

Denn tatsächlich: Mit der dringenden Stärkung des deutschen Militärs streben die Regierungsparteien an, sich auf verstärkte weltweite Konfrontationen unter den imperialistischen Blöcken vorzubereiten, was gemeinhin als „Zeitenwende“ bezeichnet wird. Die Abschaffung des Wehrdienstes 2011 wurde zwar durch gesellschaftlichen Protest begleitet, aber in erster Linie war sie eine Sparmaßnahme während der Wirtschaftskrise und eine politische Entscheidung zur Neuausrichtung der Bundeswehr, indem ein Fokus auf eine deutlich kleinere, aber gut ausgebildete Berufsarmee gesetzt wurde. Das war damals auch gut für die Weltlage zugeschnitten, denn die Kriegseinsätze der Bundeswehr in Halbkolonien wie Afghanistan, Kosovo oder im Libanon waren keineswegs Materialschlachten ebenbürtiger Kriegsparteien wie in den Weltkriegen, sondern glichen einem unterdrückerischen Polizeieinsatz im Ausland. Daher brauchte man eher wenige Soldat:innen, die dafür in der Lage waren, die hochtechnologischen Kriegsgeräte zu bedienen oder einzelne Ziele anzugreifen. Auf der anderen Seite ist der russische Angriff auf die durch die NATO aufgerüstete Ukraine seit vielen Jahrzehnten der erste Krieg, der ganz anders abläuft: Hunderte Kilometer lange Feindeslinien mit schweren Verteidigungsanlagen, ständigem Artilleriebeschuss und zehntausenden Toten auf beiden Seiten. Hier wird der Krieg dadurch entschieden, wer sowohl die größere (Kriegs-)Industrie als auch wehrfähige Bevölkerung hat, um länger eine Massenarmee mit Hunderttausenden Soldat:innen zu unterhalten. Und da sich im Zuge von politischen und wirtschaftlichen Krisen der Konflikt zwischen den imperialistischen Blöcken eher noch verschärfen dürfte, will die Bundesregierung für genau so einen Krieg die Bundeswehr zu einer Massenarmee umstellen, um so die Arbeiter:innen und Jugendlichen für ihre Interessen in Stellung zu bringen. Aber nicht, wenn wir das verhindern können!

Für eine internationale Jugendbewegung gegen Krieg und Krise!

Die Reaktion des westlichen Imperialismus, auf immer stärkere Aufrüstung und Wehrdienst-Rekrutierung zu pochen, ist also nur logisch. Logisch für uns muss daher sein, dass die Interessen der Herrschenden nicht unsere sind! Wir können uns nicht auf den Staat verlassen, wenn es um die Sicherung unserer Zukunft geht. Wir müssen also eine unabhängige, internationale Bewegung der Jugend und Arbeiter:innen gegen Krieg und Aufrüstung aufbauen. Gewerkschaften und traditionelle Arbeiter:innenorganisationen sollten dabei unsere Bündnispartner sein. Nur durch Aktionen des Klassenkampfes in internationaler Absprache können wir die Spirale der Aufrüstung und der aggressiven „Verteidigung“ durchbrechen und das kapitalistische System angreifen, das Kriege und Krisen verursacht. Jugendliche müssen sich gegen Aufrüstung und für soziale Verbesserungen organisieren, sowohl lokal als auch international.

Dabei setzen wir uns für folgende Forderungen ein:

  • Nein zur Wehrpflicht und dem neuen Wehrdienstmodell der SPD unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit! Wir wollen kein Kanonenfutter sein!
  • 100 Milliarden für Soziales, Bildung und die Jugend und nicht für die Bundeswehr! Gegen jede Aufrüstung aller imperialistischen Nationen, ob Russland oder Deutschland!
  • Bundeswehr raus aus den Schulen! Kein Werben für’s Sterben!
  • Für den Aufbau einer Schüler:innengewerkschaft, die unsere Interessen gemeinsam mit der Arbeiter:innenklasse vertritt und durchsetzt!
  • Für eine Antikriegsbewegung international! Nur die Arbeiter:innen können den Konflikt lösen.
  • Für eine revolutionäre Jugendinternationale! Die Jugend braucht eine unabhängige und internationale Vertretung.



UEFA-EM 2024: Fußtritte gegen demokratische Rechte

von Bruno Tesch, ursprünglich erschienen in der Neuen Internationale 283 der Gruppe Arbeiter:innenmacht, Juni 2024

Am 14. Juni beginnt die Fußballeuropameisterschaft (EM 2024) der Männermannschaften und endet einen Monat später. Sie wird dieses Mal In Deutschland an 10 Spielstätten ausgetragen. Das rein sportliche Spektakel wird jedoch von innen- und weltpolitischer Krisenhaftigkeit und Unsicherheit in Beschlag genommen. Regierungen nutzen solche Großveranstaltungen, die massenhafte Aufmerksamkeit auf sich ziehen, gerne, um sich gleichzeitig im Licht erfolgreicher Nationalteams zu sonnen und währenddessen bspw. unpopuläre Gesetze zu installieren. Diesmal wird die Öffentlichkeit jedoch bereits im Vorwege hellhörig durch Pläne der deutschen Bundesregierung, die EM als Vorwand für verschärfte politische Repression zu projektieren.

Ausbau des EU-Sicherheitsapparats

Die Vorbereitungen zur Großveranstaltung laufen auf Hochtouren und auch die Bundespolizei bereitet sich sehr gründlich darauf vor. „Die Sicherheit der Fußball-EM bei uns im Land hat höchste Priorität. Alle Sicherheitsbehörden bereiten sich hochprofessionell vor. An allen Spielorten und überall, wo sich viele Menschen bewegen, gilt: Die Polizei wird hohe Präsenz zeigen. Dafür bin ich den Landespolizeien und unserer Bundespolizei sehr dankbar“, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

„Dabei intensivieren wir die Maßnahmen auf allen Verkehrswegen für die Sicherheit der Fußballfans und Reisenden. In Zügen und Bahnhöfen wird die Bundespolizei die Präsenz erhöhen“. Alle Maßnahmen wären eng mit den Polizeien der Länder, Grenzpolizeien der deutschen Anrainerstaaten, Eisenbahnverkehrsunternehmen, Flughafenbetreiber:innen und relevanten Sicherheits- und Ordnungspartner:innen abgestimmt.

Die Bundespolizeidirektion Koblenz wird hier an insgesamt neun Grenzübertrittsorten zu Frankreich, Luxemburg und Belgien die Reisebewegungen überwachen. Von dort aus erfolgen gemeinsame Streifen mit der Bundespolizeiinspektion Saarbrücken und den Kolleginnen und Kollegen der französischen Police aux Frontières (Grenzpolizei) sowie des Service National de la Police Ferroviaire (französische Bahnpolizei). Außerdem gibt es für Schwerpunkteinsätze ein gemeinsames Kommissariat.

Mit Frankreich sind etwa gemeinsame Polizeieinheiten und Streifen im grenzüberschreitenden Bahnverkehr geplant. Die Ministerin hob hervor, dass auch bei der Abwehr hybrider Bedrohungen und beim Schutz vor Terrorismus eng mit Frankreich zusammengearbeitet wird.

Regierungsoffziell heißt es: Im Fokus stehen der Schutz vor Islamist:innen und anderen Extremist:innen, vor Hooligans und weiteren Gewalttäter:innen sowie die Sicherheit der Netze.

Diese Konzeption wird ergänzt durch eine stärkere Kooperation des Staatsapparats auch auf Länderebene. So hat etwa der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul für die Fußball-Europameisterschaft erhöhte Sicherheitsmaßnahmen angekündigt. Teil des Konzepts: Urlaubssperre für Polizist:innen und ein internationales Polizeizentrum in Neuss. Teil dieser Aufrüstungspläne ist auch ein besserer Datenaustausch zwischen Behörden. Die derzeitige Kommunikation sei unter anderem aus Datenschutzgründen eingeschränkt und wichtige Informationen dürften nicht weitergegeben werden. Um dem entgegenzuwirken, seien Reuls Ansicht nach verbesserte Instrumente wie die umstrittene Vorratsdatenspeicherung erforderlich. So wird die Fußball-EM zum „zivilen“ Test für weitere staatliche Überwachung.

Staatsräson im DGB: die Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Als spezielle Scharfmacher:innen für Hass und Hetze erweisen sich wieder einmal die Spitzen der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der Bezirksvorsitzende für Bundespolizei und Zoll, Andreas Roßkopf, meinte: Im Visier der Kontrollen stünden vor allem „die Fangruppierungen, gewaltbereite Hooligans, aber natürlich auch – islamistische Vereinigungen“.

„Und da brauchen wir – und haben auch – die Hinweise aus nationaler und internationaler Zusammenarbeit.“ Mit dieser besonderen Belastung zur EM habe man aber bereits gerechnet und sei vorbereitet.

Da muss dann sogar der Anschlag in einem „befreundeten“ Land auf eine Moskauer Konzerthalle Ende März 2024 herhalten, der mutmaßlich von ukrainischen Nationalist:innen verübt worden ist, ebenso wie ein Posting einer islamistischen Gruppierung in den sozialen Medien, das plakativ drei EM-Spielorte als Anschlagsziele nennt, um den aufgefahrenen Sicherheitsapparat zu verteidigen.

Ein Hintergedanke der sicherheitspolitischen Kooperation ist nicht zuletzt das imperialistische Interesse der Bundesrepublik, ihre Führungsposition in der Europäischen Union zu stärken und auch die noch nicht kriegstüchtige eigene Bevölkerung an die angebliche Notwendigkeit von polizeilicher Präsenz und finanziellen Opfern für Aufrüstung zu gewöhnen. Sie kann sich der stetigen Unterstützung durch staatslammfromme DGB-Gewerkschaften dabei sicher sein.

Die Positionierung der GdP verdeutlicht außerdem einmal mehr, dass die Polizeigewerkschaft im DGB nichts verloren hat. Gewerkschafter:innen, die gegen Spaltung und Repression am Arbeitsplatz, gegen Rassismus, Überwachungsstaat und Militarisierung kämpfen, brauchen keine Interessensvertretung des Staatsapparates in den eigenen Reihen, sondern müssen für den Ausschluss der GdP aus dem DGB eintreten.

Repression und Rassismus

Selbstverständlich ist diese Sicherheitslawine nicht erst in Erwartung einer solchen Veranstaltung überstürzt losgetreten worden. Dieses Paket reiht sich vielmehr als strategisches Kalkül der herrschenden Klasse ein, das eine rassistische Politik mit repressiven Maßnahmen gegen linkere Opposition verbindet. Die Asylgesetzgebung der bürgerlichen „Mitte“ passt nahtlos mit der Erstickung von Solidaritätsbekundungen für die palästinensische Bevölkerung zusammen, die in die Ecke „terroristischer Bedrohung“ gestellt werden. Die Verschärfung des Strafrechts beinhaltet auch eine Neudefinition von Gewalt, die Vollzugsmaßnahmen wie Abschiebung und Zwangsexmatrikulation unmittelbarer und auf höherer Eskalationsstufe spüren lässt.

Die EM nahm Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dankbar als Steilvorlage auf und forderte rasche Konsequenzen für Gewalttäter:innen. Er teilte der Zeitung „Bild am Sonntag“ mit, auch Hooligans und Krawalltourist:innen würden sich auf den Weg nach Deutschland machen. Wenn Straftaten begangen würden, sollte dort, wo es möglich sei, die Strafe auf dem Fuße folgen.

Kritik

Es erhebt sich aber auch Kritik im bürgerlich-liberalen Lager gegen den Sicherheitshype. So moniert bspw. der Deutsche Anwaltsverein drei problematische Überwachungstechnologien, die nun auf keinen Fall etabliert oder weiter ausgeweitet werden dürften. Dazu gehören Staatstrojaner, die Zugriffe auf PCs legitimieren, durchgängiger Einsatz biometrischer Gesichtserkennungsprozeduren sowie anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Zu den Eckpunkten des Sicherheitskatalogs zählt neben den genannten Pfeilern auch Präventionsarbeit durch die Unterstützung von Fanprojekten, z. B. durch das Fanbetreuungsprogramm „Fans welcome“.

Für die Polizei und den Staat stehen die Fangruppen selbst im Visier der verschärften Überwachung. Gegen diese, gegen die Kommerzialisierung des Sports, die bei den Großveranstaltungen besonders krass und überteuert hervortritt, gegen die verordnete Fankultur sollten sie sich organisiert zur Wehr zu setzen. Viele Fangruppen aus den Vereinen haben durch ihre bundesweit organisierten Proteste gegen die Machenschaften des DFL Deutsche Fußball Liga e. V. und Mauscheleien hinter ihrem Rücken mit zweifelhaften sportfremden Investor:innen nicht nur Erfolg gehabt, sondern auch bewiesen, dass sie als organisierte Kraft Kapitalkraken widerstehen können.

Diese Gruppen sind auch an den jeweiligen Spielorten stark vertreten. Sie könnten dabei die Kritik an der Kommerzialisierung der Veranstaltungen bis zum Public Viewing mit der am Überwachungswahn verbinden. Sie müssten sich dazu aber sowohl mit gewerkschaftlichen Organisationen abseits von GdP und Deutscher Polizeigewerkschaft (DPolG) wie auch mit internationalen Fanverbänden verbinden, Kontrollen und Einreisebeschränkungen entgegentreten. Statt der Polizei könnten die Fanclubs eigenständige Ordner:innendienste organisieren und so für einen geregelten Ablauf der Veranstaltungen sorgen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund überlässt es leider „seiner Fachvertretung“, der GdP, sich mit dem Thema Staatsaufrüstung im Namen der Sicherheit aller zu beschäftigen und klassenfeindlich hervorzutun.

  • Keine Grenzkontrollen!
  • Keine migrant:innenfeindliche Repression!
  • Keine Legitimierung von Überwachungseinrichtungen!
  • Nein zu allen Strafgesetz- und Sicherheitsverschärfungen!
  • Keine Mittel und Personal für polizeiliche Aufrüstung!
  • GdP raus aus dem DGB!
  • Organisierung von Sicherheitsvorkehrungen und Gegenwehr gegen staatliche Kontroll- und  Einreisewillkür durch internationale Fangruppierungen und Gewerkschaften!



EU-Wahl 2024: Krise, Krieg und Rechtsruck lassen sich nicht abwählen!

Von Leonie Schmidt, Juni 2024

Wir haben eine Welt zu gewinnen, organisiert euch JETZT!

Die EU-Wahl-Ergebnisse liegen vor und während sich viele sehr darüber ärgern, dass die AfD und die CDU so viele Stimmen eingeheimst haben, bestätigen die Ergebnisse nur, was seit Monaten in Prognosen erfasst wurde. Es ist verständlich, wütend darüber zu sein, dass die rechtskonservativen und rechtspopulistischen Parteien so gut abgeschnitten haben. Aber, anstatt jetzt pessimistisch zu werden, sollten wir uns lieber anschauen, was die Gründe dafür sind und auf dieser Basis eine Strategie finden, wie wir den Rechtspopulist:innen einen Strich durch die Rechung machen können!

Wir müssen der Realität ins Auge blicken, das Wahlergebnis kommt nicht davon, dass die Leute zu viel auf TikTok abhängen. Stattdessen basieren ihre Wahlentscheidungen auf realen Problemen im Zusammenhang mit Wirtschaftskrise und Krieg, die ausschließlich von Rechts aufgegriffen werden. Natürlich sind weder CDU/CSU noch AfD wirklich in der Lage, diese Probleme zu beheben. Aber sie verstehen es zumindest, diese zu thematisieren.

Der Ampel und der Linkspartei fällt hingegen nichts besseres ein, als Appelle für den Schutz der Demokratie mantraartig zu wiederholen. Das mag zwar ein paar Tausend Leute auf die Straße bringen, aber Jugendliche und Arbeiter:innen, die sich in diesen krisengeschüttelten Zeiten Sorgen um ihre Zukunft machen, überzeugt das nicht. Die Wahlentscheidung basiert nicht auf abstrakter Moralvorstellung von Demokratie, sondern auf sehr reellen Abstiegsängsten. Anstatt also mit konkreten Inhalten gegen die Krise und Sorge der Arbeiter:innenklasse ein Zeichen zu setzen, stellen sich SPD und Linke oberlehrerhaft hin, und behaupten, die Leute würden schon noch wachgerüttelt werden. Lars Klingbeil von der SPD am Sonntagabend bei NTV: „Ich glaube auch, dass das Ergebnis dieser Wahl viele noch wachrüttelt, dass die Nazis stärker geworden sind. (…) da wachen viele auf und kämpfen auch für die Demokratie.” Mit anderen Worten: die SPD macht wie bisher weiter. Naja, fast.

Hinzu kommt selbstverständlich die Unterstützung für Abschiebungen. Wie auch schon Scholz verkündete, sprach nun auch Klingbeil davon, zu 100 % hinter Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan zu stehen. Die Ampel macht also einfach schon heute die Politik, gegen die sie eigentlich die Demokratie schützen will. Wir sehen also: die bürgerlichen Parteien und ihr Fetisch für den Schutz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung in der wir leben, wird uns nicht befreien. Sie stehen nur blöd daneben, während die Krise auf unser Kosten ausgetragen wird und verteidigen die Interessen des Kapitals. Denn der Kapitalismus ist die Grundlage von Krisen, Kriegen, Ausbeutung und Un-terdrükung und lässt sich auch nicht wegreformieren.

Selbst aktiv werden!

Was es stattdessen braucht, ist eine massenhafte Jugendbewegung gegen Rassismus, gegen Armut und Krise, gegen Krieg und Umweltzerstörung. Vernetzen wir uns dafür mit anderen Jugendlichen! Wir müssen die Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung auch als einen Nährboden für sozialistische Ideen wahrnehmen, auch wenn das erstmal absurd scheint. Es ist unsere Aufgabe, der Krise etwas entgegenzusetzen und aufzuzeigen, warum nur eine Überwindung des Gesellschaftssystems zu einem guten und gerechten Leben für Alle führt. Daher müssen wir auch als Jugend eng mit der organisierten Arbeiter:innenklasse, also u.a. den Gewerkschaften zusammenarbeiten. Deshalb müssen wir uns auch organisieren, wo wir uns tagtäglich aufhalten: in den Schulen, Unis und in den Betrieben. Hier gilt es Komitees aufzubauen und Gleichgesinnte zu finden, in Aktion zu treten und Streiks zu organisieren.

Für die folgenden Forderungen lohnt es sich, zu kämpfen, auch wenn wir nie verschweigen werden, dass unser Ziel der Kommunismus ist!

  • Massive Lohnerhöhungen mit gleitender Skala! Mindestlohn auf 15 Euro!
  • Mindesteinkommen für Jugendliche, Schüler:innen und Studierende! Erhöhung von Sozialleistungen!
  • Enteignung und Kollektivierung von Wohnraum!
  • Selbstverwaltete Antidiskriminierungsstellen an Schulen, Unis & in Betrieben!
  • Demokratische Selbstverteidigungskomitees von gesellschaftlich Unterdrückten, Jugendlichen & Arbeiter:innen!



EU-Wahl 2024: Wählt links, aber organisiert den Kampf für ein sozialistisches Europa!

Gemeinsame internationale Resolution von REVOLUTION, Juni 2024

Auch wenn es für die meisten von uns kaum im Alltag präsent ist: Die vielen Wahlplakate erinnern uns daran, dass alle fünf Jahre mal wieder ein neues EU-Parlament gewählt werden muss. Dieses Jahr dürfen auch wir Jugendliche über 16 ran, aber die Zeichen stehen auf Rechtsruck. Laut den aktuellen Prognosen werden die größten Stimmengewinne in fast allen Ländern an rechtspopulistische Parteien gehen. Gleichzeitig hat die EU auch ohne rechtspopulistische Mehrheit erst kürzlich durch die sogenannte GEAS-Reform das Asylrecht für Einzelpersonen faktisch abgeschafft, Abschiebungen erleichtert und wochenlange Inhaftierungen von Geflüchteten legalisiert. Während jede:r vierte Jugendliche in der EU in Armut lebt, nutzt sie den Krieg in der Ukraine, um allen Schein vom angeblichen „Friedensprojekt Europa“ endlich in die Tonne zu treten und fleißig aufzurüsten. Es geht schnell in so einer Situation die Hoffnung zu verlieren. Warum sollten wir als Kommunist:innen also überhaupt wählen gehen? Und wo sollten wir unser Kreuzchen machen?

Wahlboykott ist Unsinn!

Zuallererst müssen wir uns klar machen, dass Wahlen nur selten wirklich Veränderung bringen und ganz sicher nicht den Kapitalismus stürzen können. Die Hoffnung, dass wir den Kommunismus herbeiwählen können, wird immer enttäuscht werden. Da der bürgerliche Nationalstaat als Organisationsstruktur entstanden ist, um die Herrschaft des Bürgertums abzusichern, wird sich die herrschende Klasse auch nicht mit ihren eigenen Mitteln entwaffnen lassen. Wenn politische Mehrheiten entstehen, die es dem Kapital zu brenzlich werden lassen, kann es immer noch auf Militärputsche, faschistische Mobs oder Spardiktate zurückgreifen, um parlamentarisch gewählte unliebsame Akteure oder Reformen in die Knie zu zwingen. Unser Verhältnis zu bürgerlichen Wahlen ist deshalb ein taktisches.

Im Falle des EU-Parlamentes ist die Situation noch absurder, da dieses im politischen System der EU nur eine sehr begrenzte Macht hat. So ist es nicht mit einem normalen gesetzgebenden Parlament wie dem Bundestag oder dem Nationalrat zu verwechseln, da es weder eigene Gesetze initiieren kann noch die EU-Kommission direkt wählt. Doch auch wenn das EU Parlament keine wirkliche Macht hat, können Linke es als Bühne nutzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen oder um Korruption und Lobbyarbeit zu bekämpfen. Ebenso gilt es, den Massen, die Illusionen in dieses Parlament haben, aufzuzeigen, dass sie eine wirkliche Verbesserung ihrer Lebenssituation schon selbst erkämpfen müssen. Wir nutzen das Parlament als eine historische Errungenschaft für uns und zeigen gleichzeitig durch den praktischen Kampf auf, dass die Möglichkeiten zu parlamentarischen Reformen, die die herrschende Klasse einschränken, sehr gering sind. Es bleibt unsere Aufgabe praktisch zu zeigen, wo die Grenzen der bürgerlichen Demokratie liegen und dass nur eine sozialistische Revolution der Arbeiter:innen in der Lage ist, den Kapitalismus zu stürzen und seinen Krisen ein Ende zu setzen. Deshalb nutzt die politisierte Stimmung rund um die EU-Wahl in euren Schulen, die Podiumsdiskussionen, Jugendwahlen, Politikstunden etc. aber auch eure Wahlstimme, um die Illusionen einer „Friedens-EU“ zu zerstören und den Kampf gegen Asylrechtsverschärfungen, Rechtspopulismus, Umweltverschmutzung, Massenarmut und Militarisierung zu organisieren.

Die EU wird von der eigenständigen imperialistischen Macht zur Juniorpartnerin der USA!

Die EU ist mit dem Versprechen angetreten, das vom Weltkrieg zerrüttete Europa friedlich und sozial zu vereinigen und genoss deshalb lange eine große Popularität in weiten Teilen Europas. Doch davon ist angesichts von Krieg, Spardiktaten, Brexit, Rassismus, Umweltzerstörung und Inflation kaum noch was übriggeblieben. Uns überrascht dies nicht, denn eine Einigung Europas ist auf kapitalistischer Grundlage unmöglich. Als Marxist:innen ist uns klar, dass eine politische Einigung Europas nicht ohne ökonomische Grundlage erfolgen kann. Doch eine gemeinsame ökonomische Grundlage konnte sich aufgrund der verschärften Konkurrenz zwischen den einzelnen Nationalstaaten angesichts ihrer widersprüchlichen Interessen nicht herausbilden. Lange hat die Idee eines immer enger zusammenwachsenden Europas, das sich als eigene imperialistische Macht neben den USA, Russland, China etabliert, die verschiedenen Staaten der EU zusammengeschweißt und bei der Stange gehalten. Es fehlt der EU an einem integrierenden strategischen Projekt, das die auseinanderdriftenden Fliehkräfte der Einzelstaaten zusammenhalten kann. Dafür hat die EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen bei der letzten EU-Wahl einen Green New Deal versprochen, der mithilfe massiver Subventionen die Kapitale der führenden EU-Staaten auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger machen sollte (mit „green“ hatte das leider nicht so viel zu tun). Doch der Krieg in der Ukraine und die Wirtschaftskrise haben diesem Projekt einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Widersprüche zwischen den einzelnen EU-Staaten verstärkt.

So sind die exportorientierten Kernstaaten der EU – Deutschland und Frankreich – durch den Zusammenbruch der weltweiten Lieferketten im Zuge der Corona-Pandemie aber auch durch die Sanktionspolitik im Zuge des Ukraine-Krieges stark angeschlagen. Die relative Unabhängigkeit der EU gegenüber den USA hat nur so lange funktioniert, wie ihre Produktionsketten nach China ausgedehnt werden konnten und billige Rohstoffe aus Russland flossen. Durch die verschärfte Blockbildung und die Sanktionen musste die EU ihre relative Unabhängigkeit aufgeben und sich den USA als „Juniorpartner“ unterordnen. Das von deutschem und französischem Kapital vorangetriebene Projekt einer eigenständigen imperialistischen EU-Macht wurde damit weitestgehend beerdigt. Ähnliche Interessen in geringerem Maße verfolgt der erweiterte Kern der EU aus Italien, Spanien, den BeNeLux-Staaten und Österreich. Südeuropa (Griechenland, Malta, Zypern, Portugal) hat dagegen auf der EU-Bühne kaum was zu sagen. Allen voran das deutsche Kapital hat seinen Arsch aus der Wirtschaftskrise 2007/2008 gerettet, indem es die Kosten der Krise Südeuropa durch brutale Sparprogramme und die Entmachtung ihrer gewählten Regierungen aufgedrückt hat. Südeuropa wurde damit vollständig und gewaltvoll untergeordnet und gefügig gemacht. Bekannt für ihre EU-kritische Haltung sind vor allem die Staaten Osteuropas wie zB. Polen oder Ungarn. Osteuropa aber insbesondere das Baltikum versucht seine Stellung in der EU dadurch auszubauen, dass sie als Partner der USA und enger NATO-Verbündeter ihre Interessen durchsetzen.

Wenn wir uns die aktuellen Wahlplakate anschauen, wird ganz deutlich: Der EU, und allen voran den Staaten, die die EU dominieren, fehlt es an einem integrativen Projekt, dass diese auseinanderdriftenden Tendenzen zusammenhalten kann. Die Folge dessen ist eine Zersplitterung im bürgerlichen Parteienlage, da die verschiedenen nationalen Kapitalfraktionen nach strategischer Orientierung suchen. Außerdem bedeutet dies, dass die Mitgliedsstaaten nun verstärkt auf ihre eigene Aufrüstung setzen, um eine eigenständigere Rolle zu spielen. Für uns in Deutschland und Österreich bedeutet das Kürzungswellen in unseren Schulen und Unis, um die massiven Aufrüstungsprogramme zu finanzieren und Debatten um die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Der Rechtsruck in der EU ist nicht die Ursache der Krise, sondern ist ein Ausdruck dessen!

In den Sonntagsreden vieler EU-Abgeordnete hören wir, dass sich Europa gegen die wachsende Macht der Rechtspopulist:innen verteidigen müsse. So weit so richtig. Allerdings tun diese Reden häufig so, als ob in der EU eigentlich alles tutti wäre, nur die Rechtspopulist:innen versuchen in die paradiesische EU einzudringen und wollen alles kaputt machen. Für uns Jugendliche ist die EU jedoch kein Dreamland, sondern bedeutet Militarisierung, Rassismus und Neoliberalismus. Außerdem sind die Rechtspopulist:innen nicht vom Himmel gefallen, sondern sie sind ein Produkt ebendieser Krise der EU und der zunehmenden Unzufriedenheit mit ihr in Teilen des Kapitals und des Kleinbürger:innentums. Wie wir eben aufgezeigt haben, hat die Krise der EU ihre Ursache in der kapitalistischen Krise selbst und nicht im wachsenden Rechtspopulismus. Dieser macht sich die Krise jedoch zunutze, um die Unzufriedenen und Abgehängten angesichts eines Mangels an einer linken Alternative hinter sich zu versammeln.

In Österreich haben wir die Situation, dass die rechtsextreme FPÖ in allen Umfragen auf Platz 1 liegt. Zwar kommen die Stimmen zu großen Teilen von der ÖVP, trotzdem bedeutet das weiterhin eine rechte parlamentarische Mehrheit und eine Stärkung der organisierten Rechten. Die AfD erreicht selbst in der U-16-Wahl in Brandenburg Spitzenwerte von 38 Prozent! Laut aktuellen Prognosen wird vermutlich jede vierte Stimme in Europa an rechtspopulistische Parteien gehen. Diese massiven Stimmenzuwächse verteilen sich jedoch auf die „Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer“ (zu deren stärkster Kraft die Partei von Italiens Ministerpräsidentin Meloni gehört) und „Identität und Demokratie“ (zu der auch AfD und FPÖ gehören). Wo sich beide Fraktionen in ihrem Rassismus einig sind, so uneinig sind sie sich in der Positionierung gegenüber dem Krieg in der Ukraine. Die „Konservativen und Reformer“ scheinen dabei die meisten Stimmenzuwächse zu erwarten und unterscheiden sich außenpolitisch nicht wesentlich von der herrschenden EU-Linie.

Doch auch die anderen europäischen Fraktionen sind von einem Rechtsruck geprägt. So versuchen die Europäische Volkspartei (CDU/CSU, ÖVP) und die Liberalen ihre Stimmenverluste an die Rechtspopulist:innen dadurch auszugleichen, in dem sie sich als stärkere Verfechter:innen der Festung Europa zu präsentieren versuchen. Doch auch die Grünen und Sozialdemokraten (SPD, SPÖ) stimmen in den Chor aus Abschottung, Krieg, Militarisierung und Aufrüstung ein. Einig sind sie sich ohnehin alle darin, dass man im Falle des genozidalen Kriegs in Gaza an der Seite Israels stehen müsse. Dabei hat die österreichische SPÖ doch dieses Jahr das erste mal seit langem wieder einen Parteiobmann, der sich positiv auf den Marxismus und die Arbeiter:innenbewegung bezieht? Der Linksruck, den manche damit herbeigesehnt haben, blieb leider aus. Vielmehr gehen die abgehobenen Streitigkeiten weiter. Die um einiges rechteren Landeshauptläute schießen regelmäßig gegen Babler, damit er ja nicht vergisst, dass die Sozialdemokratie schon lange nicht mehr auf die kleinen Leute schaut. In Deutschland hat sich der Rechtsruck auch in der Linkspartei ausgedrückt. So hat sich das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ von der Partei abgespalten und hofft mit rechteren Positionen zur Migration und gegen den angeblichen „Genderwahn“ Wähler:innen von der AfD zurückzuholen. Ihr wirtschaftspolitisches Programm wird in den Medien häufig als links bezeichnet, steht jedoch in erster Linie nur für eine ein wenig sozialere Marktwirtschaft, welche angesichts der aktuellen Krise ein utopisches Modell zu sein scheint.

Wählt die Europäische Linke, aber organisiert den Widerstand!

Wir rufen euch zur Wahl der Europäischen Linken (Linkspartei, KPÖ) auf. So finden wir mit ihren Forderungen nach einem Stopp der Privatisierungen und Kürzungswellen an unseren Schulen und Unis, einem EU-weiten Mindetslohn, einem Stopp der Aufrüstungsspirale und legalen und sicheren Fluchtwege in die EU noch die größte Übereinstimmung. Während die Linkspartei in Deutschland überhaupt darum kämpfen muss, ins Parlament einzuziehen zu dürfen, hat die KPÖ in Österreich dieses Jahr mehrere Erfolge einfahren können. Allen voran die Wahl in Salzburg, wo sie über 20% geschafft haben, aber auch für die EU-Wahlen stehen ihre Chancen gut. Die Parteien der Europäischen Linken eint die Idee von einem sozialeren Europa. Doch wie diese Forderungen genau umgesetzt werden sollen, insbesondere wenn sie auf den erbitterten Widerstand der herrschende Klasse stoßen werden – darüber schweigt die Fraktion. Doch dennoch vereint sie die Illusionen und Hoffnungen der fortschrittlichsten Teile der europäischen Arbeiter:innenklasse, der Gewerkschaften, der Klimabewegung auf sich. Mit diesen müssen wir brechen und den Massen aufzeigen, dass – wie oben schon näher erläutert – nur auf revolutionärem antikapitalistischen Wege eine soziale, friedliche, antirassistische und ökologische Vereinigung Europas unter kooperativer sozialistischer Planung der Produktion möglich ist.

Doch dafür dürfen wir nicht die kommunistischen Besserwisser:innen am Gartenzaun sein. Unsere Aufgabe ist es die richtigen Forderungen der Europäischen Linken zu unterstützen und im gemeinsamen Kampf aufzuzeigen, dass diese nicht auf parlamentarischem Wege und nur eingebettet in ein revolutionäres Programm durchgesetzt und verteidigt werden können. Die Basis und Wähler:innen dieser reformistischen Parteien müssen wir dazu auffordern, ihre Führung auf die Probe zu stellen und von ihnen einen tatsächlichen Kampf für ihre Forderungen einzufordern. Unsere Aufgabe ist es, Teil dieses Kampfes zu sein, das reformistische Bewusstsein in der Klasse zu brechen und ihn anhand unseres Programms auch zum Erfolg zu führen.

Die Wahl von irgendwelchen „linken Kleinstparteien“ wie DKP, MLPD, MERA25, SGP oder auch der Letzten Generation lehnen wir ab. Während DKP und MLPD versuchen aus dem Friedhof der Untoten des Steinzeitstalinismus auszubrechen, versucht sich die vom ehemaligen griechischen Finanzminister Varoufakis gegründete MERA25 als einzige palästinasolidarische Partei zu präsentieren. Sie alle eint jedoch, dass sie keinerlei Rückhalt in irgendwelchen Teilen der Arbeiter:innenklasse besitzen. Ihre Wahl hat keinerlei Einfluss auf das Bewusstsein der Klasse, sodass wir die Klasse auch nicht erreichen, wenn wir unser Kreuz für ihre zusammengekleisterten, reformistischen und sektiererischen Wahlprogramme machen.

In einer Zeit in der Wirtschaftskrisen und Genozide zu unserem Alltag gehören, braucht es massenhaften und organisierten Widerstand in unseren Schulen und Unis. Einen Zettel in eine Box werfen kann dabei maximal eine Nebenbeschäftigung sein.




Solidarität mit der queeren Hausbesetzung in Hannover! Für die Enteignung von Wohnraum!

von Revolution Hannover (geschrieben von Leni Kronstadt, Jail, Peter & Charlie), Mai 2024

In Hannover wurde in der Nacht vom 17.5. zum 18.5. am Klagesmarkt ein Haus besetzt. Zeitgleich zum CSD wurde die Besetzung bekannt gemacht. Aktivist:innen hingen Transparente aus den Fenstern, es wurde Pyrotechnik in den Farben der Trans* Fahne gezündet. Von Seiten der CSD-Besucher:innen gab es großen Jubel, Applaus und zustimmende Rufe. Eine Menschenmenge bildete sich vor dem Haus. Es gab antisexistische und antiqueerfeindliche Parolen. Das besetzte Haus steht seit zehn Jahren leer und dient den Besitzer:innen als Spekulationsobjekt. Bereits vor fünf Jahren wurde es schon einmal besetzt, kurz nach der Besetzung allerdings geräumt. Die Besetzer:innen zeigten sich kooperationsbreit, was die Besitzer:innen des Hauses nicht davon abhielt, Anzeige zu erstatten und eine Räumung zu fordern. Nur wenige Stunden nach dem Bekanntwerden der Besetzung griffen Bullen die Kundgebung vor dem Haus mit Pfefferspray und Schlägen an, nahmen Menschen fest und riegelten das Haus ab. Viele Menschen, Besetzer:innen sowie CSD-Teilnehmer:innen wurden verletzt. Die Polizei gab später auf X (ehemals Twitter) an, sie seien vor dem Haus angegriffen worden. Diese Behauptung konnte nicht durch Videos oder Fotos bestätigt werden. Gegen Abend wurde das Haus dann mit Hilfe der Feuerwehr geräumt, da sich Aktivist:innen auf dem Dach des Gebäudes positioniert hatten. Die Besetzer:innen erhielten einen Platzverweis.

Und das alles, obwohl auf jeden obdachlosen Menschen in Hannover gleich mehrere leerstehende Wohnungen kommen und die Stadt Hannover sechs Millionen Euro an Geldern für Jugend und Sozialarbeit streichen will. Die Besetzung hätte eine Türöffnung für einen queeren Safer-Space darstellen können, denn queere Menschen sind immer noch überdurchschnittlich oft von Obdachlosigkeit und Gewalt betroffen. Zudem mangelt es an allen Ecken und Enden an Angeboten und Unterstützung für queere Jugendliche. Statt Wohnraum zu schaffen und ernsthaft das Problem von Wohnungslosigkeit im Kapitalismus anzugehen, werden Wohnungen als Spekulationsobjekt genutzt und Mietpreise in die Höhe getrieben. Sobald dann das Elend, das durch dieses inhumane Wirtschaften mit Grundbedürfnissen von Menschen sichtbar wird, wird eine Verdrängungspolitik mit Bullenwachen und wie in Hannover am Raschplatz mit Freizeitangeboten, die von Security rund um die Uhr bewacht werden, durchgesetzt. Dass diese Verdrängungspolitik allerdings nicht zur Lösung des Problems führt, ist offensichtlich.

Wohnraum muss enteignet werden!

Wir sind solidarisch mit den Hausbesetzer:innen, da besetzte Häuser sicherere und selbstverwaltete Räume ermöglichen können, auch wenn es keine komplett sicheren Räume im kapitalistischen System geben kann. Besonders für diejenigen, die unter den katastrophalen Bedingungen des aktuellen Wohnungsmarktes kein bezahlbares Zuhause mehr finden, stellen sie aber oft eine letzte Rettung dar. Gleichzeitig ist es jedoch wichtig aufzuzeigen, dass Besetzungen allein das Problem der Wohnungslosigkeit nicht lösen können. Es ist ein fester Teil des kapitalistischen Systems und dient dazu, dieses zu stützen: Wer sich nicht genug ausbeuten lassen kann oder will, landet auf der Straße. Um dieses grundlegende Ausbeutungsverhältnis aufzuheben, müssen wir den Kapitalismus überwinden. Da dieser auf Eigentumsverhältnissen beruht, können Besetzungen durchaus ein Werkzeug sein, da sie die Differenzen zwischen den Interessen des Kapitals, das durch den Staat verteidigt wird mit Hilfe der Polizei, und den Interessen der Arbeiter:innenklasse aufzeigen können. Eine wirkliche Problemlösung für die Wohnungsnot stellen sie allein deswegen schon nicht dar, da es meistens für Menschen, die nicht in der linken Szene vernetzt sind, quasi unmöglich ist, die besetzten Räume zu nutzen. Eine reine Besetzung sollte also nicht das einzige Ziel sein, sondern mit dem Fokus auf der Enteignung durchgeführt werden. Es braucht die Kontrolle von Mieter:innen über die Wohnungen, die Enteignung von Vermieter:innen und Immobilienkonzernen und Wohnungsbau unter Arbeiter:innenkontrolle, um das Problem ernsthaft zu lösen.

Queer-Unterdrückung & Kapitalismus

Gerade in Zeiten des Rechtsruckes ist es wichtig aufzuzeigen, dass das Ideal der bürgerlichen Familie im Kapitalismus der Profitmaximierung der Kapitalist:innen dient. Es dient zur Unterdrückung der Frau, ermöglicht eine für den Staat möglichst kostengünstige Reproduktionsarbeit und ist somit behilflich dabei, Gewinn zu maximieren: Care-Arbeit ist Privatangelegenheit und Frauen leisten diese unentlohnt und oftmals allein, während Männer durch ihre Lohnarbeit die Familie finanziell versorgen sollen. Da von diesem Gehalt allein kaum eine Familie überleben kann, leisten Frauen neben ihrer Care-Arbeit meist noch zusätzliche Lohnarbeit. Queere Menschen passen nicht in dieses Weltbild, da sie sich eben nicht so leicht in die vorgeschriebenen Rollen quetschen lassen, was dazu führt, dass queere Menschen angefeindet und als „anders“ angesehen werden. Im Kapitalismus werden also einerseits queere Menschen unterdrückt und ihnen wird zum Beispiel durch unnötige Verbote oder unzureichende Gesetze das Leben schwer gemacht. Zum anderen werden Pride-Fahnen und die CSDs auch immer wieder für Marketing von Konzernen und auch Polizei und Armee genutzt. So auch in Hannover.

Keine Pride mit der Polizei!

Gerade im Pridemonth gibt es unzählige Produkte mit Pridefahnen zu kaufen, und die Polizei hat Infostände und eigene Wagen auf den CSD-Demonstrationen. Obwohl sie es waren, die vor nicht einmal fünfzig Jahren noch prügelnd durch queere Bars randaliert sind und queerfeindliche Gesetze durchgesetzt haben, was überhaupt erst zur Tradition des Christopher Street Days führte. Wie wir wissen: The first pride was a riot! Auch heute prügeln die Cops immer noch auf Queers ein, wie es bei der Kundgebung vor dem besetzten Haus auf unzähligen Videos festgehalten wurde. Die Bullen scheuen immer noch nicht davor zurück, queere Menschen zusammenzuschlagen, die an friedlichen Veranstaltungen teilnehmen. Solche Szenen sind keine „Einzelfälle“, sondern zeigen, welche Rolle die Polizei im Kapitalismus spielt: Sie ist die institutionalisierte und monopolisierte Gewalt des Staates. Das bedeutet, dass sie die Politik des Staates mit Gewalt durchsetzt. Im Kapitalismus steht dieser im Dienste der herrschenden Klasse und verteidigt deren Eigentum, da sie durch diesen Profit erzeugt. Hausbesetzungen stellen diese Eigentumsverhältnisse des Wohnraums eindeutig in Frage und werden damit automatisch von der Polizei zerschlagen. Auch Queers stellen die Herrschaftsordnung des Kapitalismus in Frage, wie weiter oben bereits erläutert. Die Polizei hat also auf dem CSD nichts zu suchen. Sie führt die Interessen des bürgerlichen Staates aus und ist kein Teil der Arbeiter:innenklasse.

Was können wir also aus diesen Erkenntnissen schließen?

Unsere Befreiung wird uns nicht geschenkt werden, wir müssen sie selbst erkämpfen. Vollständige queere Befreiung ist erst nach der Überwindung des Kapitalismus möglich, da dieser Queerfeindlichkeit braucht, um seine Unterdrückungsmechanismen durchsetzen zu können. Trotzdem werfen wir im Hier und Jetzt Forderungen auf, die unsere Situation verbessern können:

  • Polizei und Bundeswehr raus aus dem CSD und unseren Schulen!
  • Enteignung aller Immobilienkonzerne und Kontrolle der Arbeiter:innen über Wohnraum!
  • Für unabhängige Aufarbeitungsstellen zur Untersuchung von Polizeigewalt unter Kontrolle der Arbeiter:innenbewegung!
  • Für demokratisch legitimierte und kontrollierte Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter:innen, Jugendlichen, Queers & Frauen, sowie allen Unterdrückten und Ausgebeuteten des Kapitalismus!

Um erfolgreich gegen unsere Unterdrückung kämpfen zu können, ist es wichtig, dass wir uns organisieren. Wenn du Interesse hast, schreib uns eine DM auf Instagram und komm zu unseren Ortsgruppentreffen!




Warum rückt die Welt nach rechts?

Von Felix Ruga, April 2024

Wenn wir uns auf der Welt umschauen, läuft uns ein Schauer über den Rücken: In Deutschland ist die AfD in allen Landesparlamenten und dem Bundestag vertreten und stellt mittlerweile Bürgermeister, es drohen Mehrheiten bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland. Zeitgleich sind alle Parteien bis auf die Linkspartei auf eine rassistische Politik gegenüber Geflüchteten eingeschwenkt und wollen sich gegenseitig übertreffen, wer am besten abschieben kann. Bundeskanzler Scholz höchstpersönlich sprach davon, endlich „im großen Stil“ abschieben zu wollen.

Nicht nur in Deutschland hat sich die Lage verschlechtert. Schauen wir in der Welt umher, sieht’s in anderen Ländern nicht besser aus: Trotz seiner Niederlage 2020 steht Trump wieder für die Republikaner:innen in den Startlöchern. Gegen seinen schwachen Kontrahenten Joe Biden hat er gute Karten, diesen November bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen klar zu gewinnen.

Georgia Meloni, die Regierungschefin Italiens, gehört der Partei „Fratelli d’Italia“ an, welche aus einer faschistischen Tradition stammt und sich auf einen neoliberalen Rechtspopulismus eingestellt hat. Hier wurde kurzerhand das Bürger:innengeld gestrichen und weitere Angriffe drohen.

Davon kann auch die argentinische Arbeiter:innenklasse ein Lied singen: Dort unternimmt der selbsternannte „Anarchokapitalist“ Javier Milei gerade den Versuch, den Staat autoritär umzubauen und mit der Kettensäge den Sozialstaat zu zerlegen.

Doch dabei hört es nicht auf. Auf dem Großteil der Welt können wir einen Rechtsruck verzeichnen. Von Europa bis zu den Philippinen können wir beobachten, wie Rechtspopulist:innen Erfolg haben. Klar ist: Dem Rechtsruck müssen wir uns entgegenstellen. Aber wie?

Woher kommt der Rechtsruck?

Wenn wir uns effektiv wehren wollen, müssen wir verstehen, wie dieser Rechtsruck zustande kommt. Dazu müssen wir uns anschauen, in was für einer Welt wir leben.

Um dies gleich zu beantworten: Aktuell leben wir im Stadium des Imperialismus. Dieses ist die höchste Stufe des Kapitalismus. Es gibt einen internationalen Weltmarkt samt einer internationalen Arbeitsteilung. Dadurch gibt es zwei Formen von Ländern: imperialistische und unterworfene.

Aus dem Schulunterricht kennen die einen oder anderen den Begriff der „Kolonisierung“. Damals gab es Länder, die offen andere Länder, also Kolonien, abhängig gemacht haben – wirtschaftlich und politisch. Imperialistische Länder machen in einer gewissen Weise das gleiche. Sie halten unterworfene Länder wirtschaftlich abhängig, jedoch politisch formal unabhängig, weshalb wie sie Halbkolonien nennen.

Oberflächlich erscheinen die meisten Halbkolonien als eigene Staaten. Schaut man sich an, wem die Firmen gehören, welche Zuschüsse der Staat bekommt und wie verwoben die Beziehungen mancher Politiker:innen sind, wird klar: Komplett unabhängig agieren die Länder nicht.

Hinzu kommt die fortschreitende Monopolisierung. Konzerne fusionieren, kaufen auf und übernehmen den Markt, während kleinere Firmen und Händler verdrängt oder aufgekauft werden. Das ist ein Prozess, der innerhalb der kapitalistischen Produktionsverhältnisse nicht gänzlich aufzuhalten ist.

Einer kleinen Bäckerei im Dorf ist es unmöglich, in der gleichen Zeit so viele Brötchen herzustellen wie eine Bäckereikette mit mehr Maschinen und Arbeiter:innen. So wird der Preis der Dorfbäckereibrötchen teurer und mehr Menschen gehen zur Bäckereikette, weil es günstiger ist.

Dadurch wird zwar die Produktion effizienter und die Zentralisierung legt die Grundlage für eine demokratische Planwirtschaft, aber die großen Firmen müssten dafür auch enteignet werden, anstatt sich in der finanziellen Konkurrenz zu zerfleischen.

Daneben stehen die kleineren Firmen, die Angst haben, ihre Stellung zu verlieren. Getrieben von der Angst des sozialen Abstieges fangen sie an, herumzubrüllen: Protektionismus, Nationalchauvinismus, Standortborniertheit, das sind ihre Forderungen, um sich zu schützen. Kurz gesagt: Sie wollen das Rad der Zeit aufhalten, um nicht ihren Reichtum zu verlieren, indem sie sich gegen die internationale, arbeitsteilige Struktur des Gesellschaftssystems stellen.

In diesen Verhältnissen werden die Kapitalist:innen gezwungen, immer nach einem Weg zu schauen, wie sie mehr Profit anhäufen können. Profit macht das Kapital mit der Ausbeutung der Arbeiter:innen. Diese arbeiten mit Maschinen und Rohstoffen, und schaffen ungeheure Werte, wovon sie nur einen Bruchteil als Lohn bekommen. Durch immer weitere Investitionen in neue Maschinen werden die Arbeiter:innen aus der Produktion verdrängt und die Investitionen werden immer teurer, während sich der Markt sättigt, woraus sich schnell eine Überproduktionskrise entwickeln kann.

Auswege für diesen Prozess gibt es für Kapitalist:innen nicht viele. Sie müssen andere aufkaufen, fusionieren oder spekulieren. Sind alle Möglichkeiten ausgeschöpft, wird zu rabiateren Methoden gegriffen. Dies kann zum einen durch Sparpolitik und soziale Angriffe auf die Arbeiter:innen umgesetzt werden, zum anderen durch wirtschaftlichen oder militärischen Krieg. Die stärkere Kapitalfraktion kann verstärkt in neue Märkte eindringen, während die Verliererin zurückgelassen wird.

Die Bedeutung der Krise

Der Rechtsruck vollzieht sich verstärkt seit den 2010er-Jahren. Aber wo liegt der Ursprung der Stärke von AfD und Co.?

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2007/08 standen viele Banken kurz vor dem Bankrott. Viele wurden mit extrem viel Geld gerettet. Die Kosten dafür haben nicht jene getragen, die viel Geld besaßen. Nein, die Kosten wurden auf die Arbeiter:innen abgewälzt. Praktisch wurden die Armen noch ärmer gemacht, durch Leiharbeit, Kürzungen bei Sozialleistungen, sozialen Einrichtungen und so weiter.

Parteien, die die Stimme dagegen erhoben haben, gab es kaum. Im Kern Europas haben Sozialdemokrat:innen wie die SPD dabei geholfen, die Kosten der Krise auf die Arbeiter:innen abzuwälzen. Viele linke Reformist:innen wie die Linkspartei haben es verpasst, kräftig dagegen zu kämpfen. So scheiterten europaweite Streikversuche oftmals an der Blockade durch Gewerkschaftsbürokratien imperialistischer Nationen.

Aktuell passen sie sich dem Rechtsruck an und versuchen, die Wähler:innen, die sie an die AfD verloren haben, mit rechter Rhetorik wiederzugewinnen. Doch andere linksreformistische Parteien, wie SYRIZA in Griechenland, haben offen gegen die Sparpolitik der EU mobilisiert und konnten damit ganze Länder für sich gewinnen. Letztlich mussten sie aber einknicken und haben damit Verrat begangen.

Diese schwere Niederlage hat heute in doppelter Hinsicht Bedeutung für uns: Zum einen wurde die politische Linke schwer geschädigt und konnte sich davon bis heute nicht erholen. Zum anderen konnten die Regierungen alle neoliberalen Tricks wie Sparmaßnahmen und Sozialabbau ausspielen, um die Krise abzuwehren. Nun rollt eine neue Krise über uns hinweg, bei der die alten Tricks ausgeschöpft sind. Deshalb müssen wir mit einem härteren Kampf rechnen, der sich darum dreht, wessen Kapital nun zerstört wird.

An dieser Stelle haben sich die Rechten mit ihrer „Krisenlösung“ positioniert: Rückzug in die nationalen Grenzen, zusammen mit einer extrem neoliberalen Politik, welche die Ausbeutung verschärft und das nationale Kapital bevorzugt, indem Reallöhne und sozial- und arbeitsrechtliche Bestimmungen abgesenkt werden.

Anstatt eine Perspektive aus der globalen Konkurrenz herauszuweisen, erkennen sie diese als unumstößliche Naturgewalt an. Sie stürzen sich mit einer Kompromisslosigkeit hinein, bei der die Arbeiter:innen gezwungenermaßen unter die Räder kommen werden. Um das zu verschleiern, begleiten sie das alles mit reaktionären Ideologien von Vaterland und Familie.

Was für eine Perspektive haben wir?

Wir müssen das Ganze nicht hinnehmen! Es gibt Wege, dieser tristen Zukunft zu entkommen. Das Beispiel von SYRIZA zeigt, dass man auch mit „radikalen Forderungen“ den Rückhalt in der Bevölkerung finden und damit immense Sprengkraft entwickeln kann.

Als REVOLUTION treten wir für eine antirassistische Bewegung ein, bestehend aus Gewerkschaften, Sozialdemokratie, Reformist:innen sowie Sozialist:innen, die sich dem Rechtsruck entgegenstellt. Aktuell sind es die ersteren, die einen Großteil der organisierten Arbeiter:innen hinter sich führen.

Rassismus ist nicht einfach nur so beschissen. Er schwächt auch den Kampf für das objektive Interesse aller Arbeiter:innen: Anstatt zusammen für eine bessere Lebensgrundlage zu kämpfen, bekämpft man sich gegenseitig. Deswegen ist es wichtig, auch soziale Forderungen aufzustellen, wie nach bezahlbarem Wohnraum oder Mindestlohn für alle. Diese Forderungen müssen konsequent mit Antirassismus verbunden werden. Daneben muss auch die Frage der Selbstverteidigung aufgeworfen werden. Denn neben rassistischen Gesetzen gibt es auch Rassist:innen auf der Straße, die Migrant:innen und Linke angreifen.

Aber eine Bewegung reicht nicht aus. Für uns Jugendliche sieht unsere Zukunft beschissen aus: mehr Ausbeutung, mehr Überwachung, weniger Freiheiten und Perspektiven. Es wird immer schwerer, einen Ausbildungsplatz oder einen Job zu finden, von dem wir leben können, ohne den Spießrutenlauf der unbezahlten Praktika oder befristeten Jobs durchlaufen zu müssen. Für diejenigen, die weiblich, queer, migrantisch oder geflüchtet sind, ist das Ganze nochmal bedeutend härter.

Nebenbei werden die Ausgaben für Bildungseinrichtungen gekürzt und unser Selbstbestimmungsrecht über Körper und Sexualität eingeschränkt, oftmals geleugnet. Deswegen brauchen wir Jugendlichen eine eigene internationale Organisation mit einem revolutionären Programm. Ein Programm, das deutlich macht, dass es keine Spaltung aufgrund Herkunft, Geschlecht, Alter oder Sexualität geben darf. Nur so können wir der Unterdrückung von Jugendlichen, auch in der Arbeiter:innenbewegung selbst, entgegentreten.

Wir müssen die aktuelle Problematik mit einer revolutionären Perspektive verbinden. Konkret heißt das: Wir beteiligen uns an aktuellen Kämpfen wie Streiks oder Bewegungen und tragen eine revolutionäre Perspektive hinein, insbesondere an den Orten, an denen wir uns täglich befinden, wie Schulen, Unis oder Betriebe.

Nicht nur für Jugendliche brauche es eine Organisation mit revolutionärem Programm. Uns ist bewusst, dass wir Jugendlichen nicht die einzigen sind, die unter dem System leiden und dass wir allein nicht das System umwälzen können. Für uns ist die Arbeiter:innenklasse die einzige Kraft, die eine Revolution anführen kann, wird doch durch ihre schöpferische Kraft der Großteil des gesellschaftlichen Werts produziert, den sich einzelne privat aneignen. Aus diesem Grund unterstützen wir die Anstrengungen, neue Arbeiter:innenmassenparteien aufzubauen, die offen für ein revolutionäres, sozialistisches Programm kämpfen.




Eurovision Song Contest 2024 – United by Genocide?

von Leonie Schmidt, Mai 2024, zuerst veröffentlicht in der Infomail 1254 der Gruppe Arbeiter:innenmacht

Gestern Abend fand in Malmö das Finale des 68. Eurovision Song Contest unter dem Motto „United by Music“ statt. Überschattet war es, völlig zu Recht, von verschiedenen Protesten gegen die Teilnahme Israels und Boykottaufrufen. In den letzten Jahren hat sich das Schauen des ESCs besonders bei einem jüngeren und queeren Publikum zu einem festen kulturellen Bestandteil gemausert. Jährlich schalten für das Finale um die 162 Mio. Menschen weltweit ein. In diesem Artikel wollen wir die verschiedenen Aktionen, Vorfälle und Proteste näher beleuchten und auch auf die kulturelle Bedeutung des ESC eingehen.

Der ESC ist nicht unpolitisch!

Die erste Frage, die sich stellt, ist für viele sicher erst einmal, warum Israel überhaupt beim ESC teilnehmen darf. Immerhin liegt es nicht in Europa und begeht gerade einen Genozid in Gaza. Das lässt sich damit erklären, dass es Teil der Europäische Rundfunkunion (EBU) ist. Tatsächlich sind nicht nur europäische Staaten und ihre Sender vertreten, jedoch ist Israel historisch gesehen das erste Land, was außerhalb der EU liegt und beim ESC antrat. Allerdings könnte man ja meinen, dass die EBU Kriegsverbrechen sanktioniert, immerhin wurde Russland nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine auch ausgeschlossen. Doch diese Doppelmoral erklärt die EBU mit dem Verhältnis des russischen und israelischen Senders zu ihrer jeweiligen Regierung. Beim israelischen Sender KAN bestünden keine Verletzungen der Werte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seltsam in Anbetracht der Tatsache, dass auf X (vormals Twitter) Videos kursieren, auf denen zu sehen ist, wie der Sender KAN seinen Namen auf Panzergranaten schreiben lässt, die dann nach Gaza geschickt werden. So scheint es sich ja doch um eine kriegstreiberische Rundfunkanstalt zu handeln.

Vor allem aber möchte sich die EBU darauf ausruhen, dass der ESC unpolitisch sei. Das gelte selbstverständlich auch für die israelische Kandidatin Eden Golan, die ihren ESC-Song „October Rain“ in „Hurricane“ abändern musste. Doch beugen wollte sich Israel anfangs nicht direkt, ursprünglich wollte es die Teilnahme absagen, wenn das Lied abgeändert werden müsste. Letztendlich trat Golan doch an, zu symbolisch sei der Auftritt beim ESC. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen: Es handelt sich immer noch um dasselbe Lied, welches inspiriert ist von den Folgen des Angriffs der Hamas für die Israelis im Oktober 2023 und in diesem Kontext auch als Propaganda für den Krieg in Gaza gegen die Palästinenser:innen verstanden werden muss. Interessanterweise gibt es im Allgemeinen gerade in Israel eine Welle an Propagandasongs von jungen Künstler:innen, vornehmlich aus dem Bereich Hip-Hop, die den Krieg in Gaza und auch den Genozid glorifizieren und so IDF-Soldat:innen und die gesamte Bevölkerung bei der Fahnenstange halten sollen. Ein Beispiel ist der Song „Harbu Darbu“ von Ness und Stilla, die Zeilen wie „Wait for it to rain on you, whores. Every bad person comes for his punishment in the end“ (Deutsch: „Wartet, bis es auf euch regnet, Huren. Jeder schlechte Mensch kommt am Ende für seine Strafe auf“) beinhalten. Das Lied von Eden Golan ist zwar sicher nicht derart vulgär und gewaltverherrlichend, doch es muss dennoch als Inszenierung der Opferrolle des israelischen Staats verstanden werden. Schließlich ist es ein sehr emotionales Lied, was den Anschein erweckt, dass nicht gerade 35 Tausend Palästinenser:innen in Gaza durch die Hand des israelischen Militärs ermordet worden wären, zumal Eden Golan bereits angekündigt hat, nach ihrem ESC-Auftritt der IDF beizutreten.

Der diesjährige ESC wurde im Übrigen auch von einer israelischen Firma massiv gesponsert: Moroccanoil. Die Haarpflegeprodukte, die sie produziert, werden auch teilweise in besetzten palästinensischen Gebieten hergestellt. Sie profitiert also direkt von der Apartheid, und indem sie Teil des ESCs ist, erhält sie mehr Reichweite, Kredibilität und kann so noch mehr Produkte verkaufen.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass Israel die Teilnahme beim ESC nutzt, um sich und seine Apartheid gegenüber Palästina in ein besseres Licht zu rücken. 2019 konnte es sich bereits als unfassbar queerfreundliches Land inszenieren, was, wie wir in diesem Artikel näher ausgeführt haben, nicht der Realität entspricht. Auch der US-amerikanische Sender CNN bestätigt die Softpower, die durch die Teilnahme am ESC aufgebaut werden kann, besonders für Länder, die Menschenrechtsverletzungen begehen. Der israelische Staatspräsident Jitzchak Herzog unterstreicht ebenso die Beweggründe, die hinter der Teilnahme stecken, wie die Times of Israel berichtete: Eine Teilnahme Israels an dem Wettbewerb sei wichtig für das Land und auch ein Statement. Es gebe Juden-/Jüdinnenhasser:innen, die versuchten, Israel von jeder Bühne zu vertreiben. Selbstverständlich geht es hier nicht wirklich um Antisemitismus, aber mit dieser Behauptung kann sich Israel eben wieder besser als Staat inszenieren, der ein Recht darauf hat, sich gegen Angriffe zur Wehr zu setzen, um seine proimperialistischen Absichten zu verschleiern. Den Beweis für diese These lieferte Israel gleich selbst: Während Eden Golan schmerzerfüllt in Malmö ihre Ballade trällerte, bombardierte die IDF den Gazastreifen, schoss auf einen Krankenwagen, der gerade verletzte Palästinenser:innen transportierte.

Der ESC ist also alles andere als unpolitisch. Auch wenn man sich das Abstimmungsverhalten der Vergangenheit anschaut, offenbart sich, dass „politische Spannungen“ keinen unwichtigen Einfluss haben und selten Punkte an Länder gehen, mit denen das jeweilige Land aus politischen oder kulturellen Gründen im Zwist bzw. in Konkurrenz steht. Beispielsweise erhielt Großbritannien 2021 0 Punkte sowohl von der Jury als auch Zuschauer:innen als Reaktion auf den Brexit.  Auch hinsichtlich des europäischen Imperialismus stellt es keinen unwichtigen Aspekt dar. Immerhin wurde der ESC 1956 gegründet, um die Einheit der teilnehmenden Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg zu fördern. Dahinter steht auch die Idee eines vereinten Europas als Wertegemeinschaft, welches dieselben (imperialistischen) Interessen vertritt. Genau genommen sind das natürlich die der imperialistischen Kernzentren Deutschland und Frankreich, auch wenn ihre Macht innerhalb der EU und des imperialistischen Weltsystems am Bröckeln ist. In dem Fall des diesjährigen ESC sollte daher ganz klar unterstrichen werden, dass der europäische Imperialismus hinter Israel steht. Selbstverständlich fördert der ESC auch nationalistische Gefühle durch die Konkurrenz der verschiedenen Länder und Identifikation mit der „eigenen“ künstlerischen Vertretung. In den letzten Jahren wurde das von einem queeren Publikum vermehrt aufgebrochen: Dadurch, dass offen queere Personen antreten und die Show seit jeher extravagant ist, empfinden viele auch abseits von nationalistischen Gefühlen Spaß an der Show.

Kein Sieg für Israel

Gewonnen hat Nemo, Vertretung der Schweiz, mit einem Lied über their Nichtbinarität. Dabei waren die Jurypunkte entscheidend. Zusätzlich tritt Nemo auch offen für einen Waffenstillstand in Gaza ein. Bei der Übergabe der Auszeichnung sprach sich they unkonkret für Frieden aus.

Israel hat trotz des Versuchs, viele Leute zu motivieren, für Golan zu stimmen, nicht gewonnen. Immerhin. Der 5. Platz jedoch wurde ihr sicher. Interessanterweise waren die Jurypunkte dabei nicht entscheidend, auch wenn sich Deutschland und Israel gegenseitig damit beschenkten. Stattdessen waren es die Televotes der Zuschauenden, die alle zusammengerechnet werden. Israel erhielt hier 328 Stimmen, 12 Punkte kamen unter anderem aus Deutschland. Wären also nur diese ausschlaggebend, hätte Israel tatsächlich gewonnen. Im Kontext der Boykottaufrufe ist es zwar nicht allzu verwunderlich, immerhin haben so Zionist:innen mehr Macht gehabt, wenn Fans, die für Palästina sind, gar nicht erst abstimmen. An diesem Ergebnis zeigt sich aber auch, wie gut die Propagandamasche und die Opferrolle ankommen. Aber es hätte eigentlich gar nicht so weit kommen dürfen, dass der Apartheidstaat Israel solch einen Auftritt hinlegen darf, um die Sympathien des TV-Publikums zu erheischen.

Gegenstimmen von Künstler:innen

Vor dem diesjährigen ESC hatten sich 2.000 Künstler:innen aus Schweden, Finnland und Island gegen eine Teilnahme Israels ausgesprochen. Auch hat die schwedische Gewinnerin des ESC 2023 Loreen verkündet, dass sie nicht Eden Golan den Preis überreichen würde, hätte diese gewonnen. Statt die vermeintliche politische Neutralität des ESC hinzunehmen, haben außerdem einige Künstler:innen, die am ESC teilnehmen (sollten), sich gegen die unkommentierte Teilnahme Israels ausgesprochen. Während einer Pressekonferenz zeigten sich Bambi Thug, Irlands Kandidat:in, Joost Klein, niederländischer Kandidat und Marina Satti, Griechenlands Vertreterin wenig begeistert von Eden Golans Statements gegenüber der Presse. Des Weiteren unterzeichneten einige von ihnen einen offenen Brief, der für Frieden, einen Waffenstillstand und die Freilassung aller Geiseln plädiert und Israel als Apartheidstaat bezeichnet. Nemo, Sieger:in des ESC für die Schweiz, unterschrieb diesen ebenfalls. Auch der vormalige schwedisch-palästinensische ESC-Gewinner von 2011, Eric Saade, setzte ein Statement, indem er bei der Eröffnung des Halbfinales eine Kufiya um sein Handgelenk geschlungen trug. Auf Instagram teilte er mit, dass die EBU seinen Auftritt nicht geteilt hatte, er aber keinesfalls schweigen wolle, wenn Kinder abgeschlachtet werden, unabhängig davon, wer die Täter:innen seien. Politische Statements und Palästinafahnen wurden von Seiten der EBU untersagt, das Tragen der Kufiya kann dabei allerdings als Grauzone interpretiert werden. Auch Bambi Thug trug sie während eines Presseinterviews, they durfte aber nicht mit Körperbemalung in mittelalterlicher-keltischer Schrift auftreten, die Freiheit für Palästina und Waffenruhe fordert. Die portugiesische Vertreterin Iolanda zeigte ihre Palästinanägel in Kufiyamuster beim Finale, bisher ohne weitere Konsequenzen, außer, dass ihre Performance nicht auf Youtube hochgeladen wurde wie alle anderen Songs, sondern stattdessen ihr Auftritt vom Halbfinale. Auch die italienische Vertreterin Angelina Mango setzte laut X ein Zeichen, indem sie bei der Flaggenparade absichtlich die italienische Flagge so mit ihrem Kleid kombinierte, dass es wie eine Palästinafahne aussah.

Konsequenzen scheint es aktuell für Joost Klein zu geben. Dieser wurde ausgeschlossen, wenig ist jedoch bisher bekannt. Nachdem er von der israelischen Delegation massiv bedrängt wurde, die seine toten Eltern, wegen welchen er überhaupt erst am ESC teilnehmen wollte, verhöhnte, wurde nun spekuliert, dass er deswegen verbal ausfällig geworden sei. Es wurden polizeiliche Ermittlungen eingeleitet und der niederländische Broadcaster des Eurovision Song Contest, AVROTROS, schildert den Vorfall wie folgt: Nach seinem Auftritt habe Joost mehrfach zu verstehen gegeben, dass er nicht gefilmt werden möchte. Dem wurde von nicht nachgegangen, trotz Wiederholung von Joosts Bitte. Daraufhin habe er sich in bedrohlicher Gestik auf die Kamera einer schwedischen Kamerafrau zubewegt, mehr sei jedoch nicht passiert. AVROTROS weigerte sich danach, die niederländischen Punkte zu übermitteln, und bezeichnet den Ausschluss von Joost Klein als völlig überzogen.

Es drängt sich jedenfalls das Gefühl auf, dass hier mit allen Mitteln versucht wird, die Künstler:innen, die sich kritisch zur Teilnahme Israels äußern, unter Druck zu setzen und ihnen notfalls die Plattform zu entziehen. Und das, während es der israelischen Delegation erlaubt bleibt, in sozialen Medien zu teilen, dass in ihrer Nähe kein/e Antisemit:in atmen dürfen solle, und Bambi Thugs Nichtbinarität durch den Kommentator des israelischen Übertragungssenders im Halbfinale durch den Dreck zu ziehen (seltsam, Israel ist wohl doch nicht so queerfreundlich?). Letzteres wird übrigens von der EBU mittlerweile als Regelverstoß gewertet. Er ist scheinbar jedoch nicht gravierend genug für eine Disqualifikation. Es häufen sich außerdem auch Berichte von kritischen Journalist:innen und anderen Teilnehmenden, die aussagen, dass sie von der israelischen Delegation ungefragt gefilmt, beleidigt und bedroht wurden.

Manipulation beim ESC?

Einen weiteren wichtigen Punkt stellen die Vorwürfe gegen verschiedene Aspekte des Wettbewerbs dar. Auf X (vormals Twitter) wurde geteilt, die EBU habe die Buhrufe des Publikums bei Eden Golans Auftritt im Halbfinale mit Applaus ersetzt. Obwohl im Stadion in Malmö die ablehnende Haltung klar zu hören war und auch durch Handyaufnahmen nachzuprüfen ist, schien es im Stream ganz anders: Hier erntete sie stattdessen tosenden Applaus. Auch der deutsche Vertreter für den ESC aus dem Jahr 2021, Jendrik, kritisierte diese Praxis auf X. Beim Finale selbst waren die Buhrufe zumindest deutlich zu hören und wurden auch vom deutschen Kommentator der Übertragung, Thorsten Schorn, aufgegriffen. Aber auch hier zeigen die Aufnahmen aus dem Stadion eine ganz andere Geräuschkulisse als die, die vor dem Fernseher ankam. Eine solche Manipulation der Reaktion von Zuschauer:innen ist nicht hinnehmbar und wird zu einem politischen Akt, auch wenn es im Namen des vermeintlich Unpolitischen durchgesetzt wird.

Die Abstimmungen für die Teilnahme am Finale haben ebenso Spekulationen nach sich gezogen. So veröffentlichte der italienische Broadcaster aufgrund von technischen Fehlern die Abstimmungsergebnisse, was eigentlich nicht erlaubt ist. Zuschauenden fiel auf, dass diese für Israel ungewöhnlich hoch seien. Auch das Televoting im Finale verwirrte einige – so hätten die Zuschauenden aus Irland 10 Punkte für Israel verteilt. Gerade in Anbetracht der irischen Kolonialgeschichte und des offenen Supports vieler Ir:innen für Palästina wirkt das doch ein bisschen seltsam. Natürlich gibt es nicht nur in Israel Zionist:innen, die für dieses Land abstimmen würden, daher muss nicht gleich von einer Manipulation ausgegangen werden. Jedoch gab es auch in der Vergangenheit Untersuchungen, das letzte Mal nach dem ESC 2022, aufgrund von „Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe“. Aufzuklären ist das durch Spekulationen jedenfalls nicht, stattdessen sollten die Abstimmungsergebnisse offengelegt und von Arbeiter:innenorganen überwacht und ausgewertet werden, um eine bessere Transparenz gewährleisten zu können.

Proteste

Doch auch außerhalb der Arena in Malmö kam es zu massiven Protesten. Auch die Sektion Arbetarmakt der LFI war vor Ort. Laut schwedischer Polizei strömten dabei in den vergangenen Tagen bis zu zwanzigtausend Menschen durch die Straßen bei Demonstrationen in der schwedischen Stadt, darunter auch Klimaaktivistin Greta Thunberg. Sie bezeichneten den ESC als Genocide Song Contest, forderten ein freies Palästina und einen sofortigen Waffenstillstand. Des Weiteren forderten sie den Boycott des ESC, als Teil der BDS-Kampagne im Bereich des kulturellen Boykotts. Durch den Aufschwung der Palästinasolidaritätsbewegung im Rahmen der weltweiten Unibesetzungen wurde auch dem Gegenprotest gegen den ESC eine besondere Aufmerksamkeit zuteil und viele Leute gingen auf die Straße.

Daneben gab es in anderen Ländern Aktionen. So schalteten belgische Gewerkschaften beim Halbfinale am Ende und Anfang der Übertragung eine Texttafel, die #Ceasefirenow und #StopGenocide beinhalteten. Das war nicht abgesprochen mit dem Sender, der in Belgien den ESC übertrug, jedoch ist das auch scheinbar nicht nötig.

Perspektive

Die belgische Gewerkschaft kann man sich jedenfalls definitiv in dieser Hinsicht zum Vorbild nehmen. Genau solche Aktionen wären unter anderem notwendig, um eine noch größere Öffentlichkeit zu schaffen für den Genozid in Gaza, die Vorkommnisse und Zensur beim ESC sowie Doppelmoral bezüglich der israelischen Teilnahme. Dafür müssten sich die Gewerkschaften in der Unterhaltungsbranche der teilnehmenden Länder und die Arbeiter:innen dieser zusammentun, könnten auch zusammen mit den Künstler:innen die Plattform des ESC nutzen, um ein Zeichen zu setzen und die israelische Teilnahme zu blockieren, wenn die EBU hier schon mit zweierlei Maß messen will. Im Zusammenhang mit gewerkschaftlicher Aktion kann auch die Boykottkampagne sinnvoll sein. Ebenso wäre natürlich auch eine komplette Bestreikung des ESCs oder die Besetzung der Arena in Malmö eine Möglichkeit gewesen.

Grundsätzlich müssen die Strukturen des ESCs transformiert werden. Die höheren Tiere der EBU haben bewiesen, dass sie durch ungerechtfertigte Entscheidungen, Ausschlüsse und Zensur alles versuchen, den Protest verstummen zu lassen. Ein solcher Song Contest, der fair und für Künstler:innen ein sicherer Ort ist, während imperialistische Staaten keine Plattform für die Legitimierung ihrer Kriegsverbrechen erhalten, kann nur durch Rätestrukturen von Arbeiter:innen, Zuschauenden und Künstler:innen gewährleistet werden! Zusätzlich kann man sich überlegen, ob die Zentrierung um die Herkunft der antretenden Künstler:innen abgeschafft werden kann. Aber erstmal ist klar: Der ESC darf nicht zum Propagandamittel für den Genozid werden! Take back the ESC! Oder um es mit den Worten von Bambie Thug zu sagen: „Fuck the EBU, we are what the Eurovision is!“ (Deutsch: „Scheißt auf die EBU! Wir sind die Eurovision!“)