Es sind nicht wir die, die behindert sind, sondern der Kapitalismus, der uns behindert!

Wir verstehen den Begriff Behinderung* nicht als
medizinische Kategorie, wie es die in kapitalistischen Gesellschaften geläufige
Begriffsverwendung ist (deshalb immer das Sternchen * dahinter). Unserer
Ansicht nach ist niemand behindert, sondern Menschen werden behindert gemacht.
Eine Behinderung* entsteht also nicht als Strafe Gottes, als Laune der Natur
oder aufgrund biologischer Defizite sondern durch gesellschaftliche
Ausschlusspraktiken. Kapitalistische Gesellschaften verfolgen nicht den Zweck,
allen Menschen auf der Basis ihrer individuellen Bedürfnisse ein gutes Leben zu
ermöglichen, sondern möglichst schnell möglichst viel Profit zu erwirtschaften.
Sie versuchen sich deshalb also nicht an besondere Bedürfnisse anzupassen
sondern unprofitable Elemente zu selektieren.

Ihren grausamsten Ausdruck fand diese kapitalistische Praxis
im Nationalsozialismus, in dem sogenanntes „lebensunwertes Leben“ planmäßig
ausgelöscht wurde. Doch auch nach 1945 wurden Menschen mit Behinderung* zwar nicht
mehr systematisch ermordet, waren aber weiterhin ähnlichen
Aussonderungsmechanismen unterworfen. Weiterhin wurde ihnen jegliches Recht auf
Selbstbestimmung aberkannt. Unter schlimmsten Bedingungen wurden sie abseits
der Gesellschaft in Heime und andere Institutionen gesperrt, in denen lediglich
das totale Gesetz der Heimleitung galt. Diese Institutionen definieren die
Grenzen, die Menschen mit Behinderung* von gesellschaftlicher Teilhabe abhalten.
Insbesondere Frauen mit Behinderung* leiden unter dieser Entrechtung, da sie in
dieser Situation noch häufiger Opfer sexueller Gewalt werden.

Durch die Selbstorganisation von Menschen mit Behinderung*
und politische Kämpfe konnten bis heute erhebliche Verbesserungen für die
Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung erkämpft werden. Dennoch gilt im
Kapitalismus weiterhin die Verwertungslogik, die Behinderung als medizinisches
Problem versteht. Wenn überhaupt nach Lösungen gesucht werden, dann lediglich
medinizinisch-technische. Sattdessen braucht ein gesellschaftlich-gemachtes
Problem auch gesellschaftliche Lösungen.

In einer Zeit der Krise und damit verbundenen
Sparprogrammen, sind Menschen mit Behinderung* die ersten, die unter Kürzungen
im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich leiden müssen. Die Kürzungspolitik
von Regierungen auf der ganzen Welt wird zur „Hexenjagt“ gegen jene, die als
„zu krank zum arbeiten“ betrachtet werden und keine eigene Stimme in Politik
oder Mainstreammedien haben. Menschen mit Behinderung* sind systematisch dazu
gezwungen, niedrigere Gehälter und schlechtere Positionen in Konzernen zu
akzeptieren. So weigern sich private Firmen auch dagegen Arbeiter_Innen mit
mentalen Beschwerden oder körperlichen Einschränkungen – die nicht selten aus
ihrer Arbeit heraus entstehen – zu unterstützen. Im Gegenteil versuchen die
Bosse diese Einschränkungen noch als Entschuldigung dafür zu nutzen, sie mehr
auszubeuten als andere. Nicht einmal ein Anspruch auf den gesetzlich garantierten
Mindestlohn wird ihnen zugesprochen.

Aber auch außerhalb der Arbeitsstätten sind Menschen mit
Behinderungen* andauernder Diskriminierungen und Einschränkungen unterworfen. Der
öffentliche Nahverkehr und öffentliche Plätze sind oft nicht für sie ohne die
Hilfe anderer zugänglich. Wenn nicht das, dann sind Menschen mit Behinderung*
oft von sozialer Ausgrenzung, Vorurteilen, Mobbing oder sogar der Aufhebung
grundlegender Menschenrechte betroffen. Das trifft besonders auf halbkoloniale
Länder wie zB. Indien zu, in denen Menschen mit Behinderung* am absoluten Rand
der Gesellschaft leben und nur mit Hilfe der Familie oder als Bettler_Innen auf
der Straße überleben können. Dort wo es keinerlei oder wenig staatliche
Unterstützung für jene gibt, die sich am wenigsten selbst helfen können, wird
diese Aufgabe meistens den Frauen aus der Familie aufgebürdet. Doch
Behinderungen* sind nicht die Angelegenheit des_der Einzelnen – insbesondere da
viele von ihnen direkt oder indirekt aus der kapitalistischen Ausbeutung, Stress,
gefährlichen Arbeitsplätzen, einem unzureichenden Gesundheitssystem, ungesunder
Ernährung oder Hunger erwachsen. Gegen die Diskriminierung und Entrechtung von
Menschen mit Behinderung* vorzugehen ist daher ein elementarer Bestandteil des
Klassenkampfes!

Revolution fordert deshalb:

  • Gleiche Bezahlung und die
    Überwachung der Löhne durch Arbeiter_Innenkomitees!
  • Zurücknahme aller Kürzungen
    und für den massiven Ausbau von Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen.
    Bezahlt durch die Besteuerung der Reichen.
  • Umfassende finanzielle
    Hilfe durch den Staat. Niemand sollte ein_e Gefangene_r des eigenen Heims
    aufgrund körperlicher Behinderung sein.
  • Bessere Arbeitsbedingungen
    für Pflegepersonal, um Überarbeitung und das damit verbundene Leiden der zu
    Betreuenden und deren Familie zu verhindern.
  • Überwachung der
    Arbeitsbedingungen in den Betrieben, sowie der Pflege von Menschen mit Behinderung,
    durch Komitees der Betroffenen und die Organisationen der Arbeiter_Innenklasse!
  • Für das Recht von Menschen
    mit Behinderung Caucuse in den Organisationen der Arbeiter_Innenklasse zu
    gründen.
  • Schluss mit jeder Form der
    Diskriminierung, insbesondere mit reaktionären und religiösen Ideen, dass
    Behinderungen eine Bestrafung oder eine Art moralischer „Test“ wären!



Die Rote Armee – Befreiungsarmee gegen den Faschismus

Wilhelm Schulz

Am 9. Mai jährt sich zum 75. Mal der Sieg der Sowjetunion über den deutschen Faschismus. Die Rote Armee stellte hierbei eine besondere, gar die bedeutendste Kraft in der Befreiung vom Faschismus dar. Sie kämpfte an der sogenannten Ostfront fast vier Jahre lang. Hier wurden der Wehrmacht die stärksten Verluste zugefügt, die Sowjetunion hatte mit rund 25 Millionen Toten die größten Opferzahlen des Krieges zu beklagen, ein Großteil waren zivile Verluste.

Heute werden die
Leistungen der Roten Armee zumeist gegenüber denen der
Westalliierten heruntergespielt oder „vergessen“, deswegen werden
wir hier auf diese Leistungen eingehen und damit verbunden die
Sowjetunion als eine außerordentliche Kriegspartei beleuchten.

Die Rote Armee

Sie wurde am 28.
Januar 1918 gegründet, um die Errungenschaften der Oktoberrevolution
gegen die die kapitalistische Weiße Armee zu verteidigen. In der
Eidesformel verpflichtete sie sich der internationalen
sozialistischen Revolution. Die Rote Armee war keine bürgerliche
Armee. Die innere Hierarchie wurde auf das Nötigste begrenzt, z.B.
gab es keine Unterschiede in den Uniformen. Die Rotarmist_Innen
konnten ihre Vertreter_Innen wählen und es gab demokratische
Kongresse, dies wurde jedoch bereits Anfang der Zwanziger aufgrund
des schweren Krieges gegen die Weiße Armee ausgesetzt. Bis 1925 war
Leo Trotzki der Volkskommissar für Kriegswesen. Zu Zeiten des
Bürger_Innenkriegs gab es auch weibliche Kommissarinnen, ein
bekanntes Beispiel ist Larissa Reissner.

Doch mit dem Sieg der
Konterrevolution durch Stalins Bürokratie in der Kommunistischen
Internationalen (KomIntern) und der Sowjetunion (SU), wurden diese
Errungenschaften angegriffen. Die Rangzeichen wurden wieder
eingeführt. Die Eidesformel wurde so verändert, dass fortan auf das
Vaterland statt auf die internationale Befreiung der Arbeiter_Innen
geschworen wurde. Im Rahmen von
Stalins Säuberungen (u.a. Moskauer Prozesse) wurden knapp ein
Viertel der Offiziere bis zur untersten Ebene abgesetzt oder
ermordet, was für die Rote Armee eine deutliche Schwächung im Kampf
gegen den Faschismus bedeutete.

Die Sowjetunion im zweiten Weltkrieg

In
der Zeit von 1928 bis ’33 lehnte die bürokratisierte KomIntern jede
Einheitsfrontpolitik mit der Sozialdemokratie ab und verleumdete die
SPD als „Zwillingsgesicht des Faschismus“. Die Folge war eine
Isolation der Kommunist_Innen und der Sieg Hitlers über die deutsche
Arbeiter_Innenbewegung.

Anstatt daraus eine korrekte Einheitsfrontpolitik als Lehre zu ziehen, arbeite die KomIntern nach 1933 nicht nur mit der Sozialdemokratie zusammen, sondern auch mit angeblich progressiven Teilen der Bourgeoisie – ohne offenen politischen Kampf zu führen. Auch das führte zu Niederlagen wie z.B. in Spanien 1939 gegen den Franco-Faschismus.

Am
24. August 1939 unterzeichnete die SU den
Ribbentrop-Molotow-Nichtangriffspakt, auch bekannt als
Hitler-Stalin-Pakt. Dieser verschaffte der SU zwar Zeit bis zu ihrem
wirklichen Kriegseintritt, jedoch auf Kosten der Niederschlagung
weiter Teile Osteuropas, darunter die Aufteilung Polens zwischen der
SU und Nazi-Deutschland. Das NS-Regime überfiel am 22. Juni 1941 die
SU und beendete somit den Pakt. Zwei Tage später propagierte die
Prawda (sowjetische Tageszeitung) den „heiligen Krieg“ – später:
„Großer vaterländischer Krieg“ – gegen das „faschistische
Böse“. Die Losung der sozialistischen Revolution gegen den
Faschismus wurde nicht aufgeworfen. Hingegen wurde in der
faschistischen Propaganda der Krieg in Osteuropa als „Rassenkrieg“
dargestellt.

Bis
zum Sieg der Roten Armee in Stalingrad im Februar 1943 befand sich
die SU weitgehend in der Defensive, sodass die Wehrmacht kurz vor
Moskau stand. Mit dem heldenhaften Sieg in Stalingrad wendete sich
das Blatt und die Wehrmacht konnte über die kommenden Jahre bis nach
Berlin zurückgedrängt werden. Hier ist auch die Bedeutung der
Partisan_InnenkämpferInnen hervorzuheben, die in den vom deutschen
Faschismus besetzten Gebieten im Widerstand standen und dabei oftmals
ganze Divisionen banden.

Die
gigantischen Potentiale der Planwirtschaft, selbst in ihrer
bürokratischen Abart, zeigte die kurzfristige Reorganisation der
Produktion beim Ausbruch des zweiten Weltkriegs. Nicht nur die
Produktion wurde schnell auf Kriegsmaschinerie umgerüstet, sondern
auch 1.300 Betriebe innerhalb weniger Jahre weg von der drohenden
Front in den Osten des Landes verlagert.

Am
8. Mai 1945 kapitulierte die Wehrmacht bedingungslos gegenüber den
Westmächten und dann am 9. Mai gegenüber der Sowjetunion. Der
imperialistische Vernichtungskrieg kostete 60 Millionen Menschen das
Leben. In seinem Schatten fand die verbrecherische industrielle
Massenvernichtung politischer Gegner_Innen und vor allem von
Jüd_Innen in der Shoa statt.

KASTEN: Die Rote Armee und die Frauen

Etwa 800.000 Frauen kämpften in der Roten Armee, ob im Heer, in der Luft, zur See oder im Innendienst. Ab 1941 begann die Anwerbung von Frauen, die bis dato die „traditionellen Männerberufe“ an der „Heimatfront“ übernehmen sollten, zuerst nur in Zuarbeit als Funkerinnen oder Sanitäterinnen, wurde ab ’42 die Ausbildung ausgeweitet. Die Möglichkeit für Frauen für einen, wenn auch degenerierten, Arbeiter_Innenstaat zu kämpfen, ist eine Errungenschaft, die keine andere Armee in dieser Form freiwillig einführte. Es gab aber auch negative Seiten. So mussten sich Frauen vor allem gegenüber den männlichen Rotarmisten und deren Vorurteilen durchsetzen. Viele gingen aus Angst vor Vergewaltigungen und Übergriffen ‚Liebesbeziehungen‘ ein. So stellte die Menstruation als auch ihr Ausbleiben im Gefecht eine hohe Gefahr für die Soldatinnen dar. Nach dem Krieg hielten viele ihre Vergangenheit geheim, um weiterhin als heiratsfähig, somit weiblich, zu gelten. Ausführlicher hierzu, aber auch zu Heldinnentaten, können wir „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ von Swetlana Alexijewitsch empfehlen.

Die Rote Armee gegenüber zivilen Frauen

Es wird geschätzt, dass zwei Millionen Frauen und Mädchen im Zuge der Felderoberungen der Roten Armee Vergewaltigungen zum Opfer gefallen sind. Dies ist ein abscheuliches Verbrechen und zeigt die Verrohung der Roten Armee im Krieg, doch im Nachhinein wurde dies oft als antikommunistisches Argument benutzt, indem es verzehrt dargestellt wird, denn die Gewalttaten der Faschisten und des gesamten imperialistischen Krieges waren unbeschreiblich und haben erst zu dieser Verrohung beigetragen.

Der Umgang unter den Rotarmisten mit Frauen ist ein Beispiel für den Bruch mit der alten Eidesformel des Rates der Volkskommissare, hier hieß es u. a. „Ich verpflichte mich, mich selbst und die Genossen von Handlungen abzuhalten, die die Würde eines Bürgers der Sowjetrepublik herabsetzen, und mein ganzes Tun und Denken auf das große Ziel der Befreiung aller Arbeitenden zu richten.“

Rote Armee eine besondere Kraft

Die
Sowjetunion war keine Kriegspartei wie die anderen kapitalistischen
Staaten. Die Politik der anderen Alliierten bestätigt das: Neben dem
Sieg über den Faschismus (der in erster Linie eine wild gewordene
imperialistische Konkurrenz darstellte) war auch die Schwächung der
Sowjetunion ihr Ziel. Die SU war zu dieser Zeit ein sogenannter
degenerierter Arbeiter_Innenstaat: Die Fabriken und Ländereien waren
zwar verstaatlicht und die Bourgeoisie entmachtet, jedoch lag die
Kontrolle über die Produktionsmittel nicht in den demokratischen
Händen der Arbeiter_Innen, sondern in denen einer Bürokratie. Diese
verfolgte ihre eigenen privilegierten Interessen und wurde so zu
einem Hindernis in der internationalen Revolution. Vielmehr ging es
der Bürokratie um einen Kompromiss mit dem Imperialismus – der
Hitler-Stalin-Pakt, aber auch die Zusammenarbeit mit den Alliierten
zeigen das. Dies bedeutete einen Verrat an der Losung Lenins der
„Umwandlung des
gegenwärtigen imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg
[,
als] […]

die einzig richtige proletarische Losung.“

Wir kritisieren dabei nicht die taktisch-militärischen Absprachen,
sondern die politische Dimension dieses Paktes. Letztlich schloss die
Bürokratie ihren Frieden mit dem Kapitalismus auf Weltebene.

Im
Februar 1946 wurde die Rote Armee in Sowjetarmee umbenannt, was den
falschen Frieden der Sowjetunion mit dem kapitalistischen Ausland
unterstreicht. Leo Trotzki analysierte in seinem Werk „Die
verratene Revolution“ von 1936 die Sowjetunion als einen
degenerierten Arbeiter_Innenstaat, in der die Bürokratie der
Arbeiter_Innenklasse die politische Macht entrissen hat. Die SU
verharrte in einem Zwischenstadium zwischen Kapitalismus und
Sozialismus und in nationaler Isolation. Dieser Zustand musste
entweder zum Sturz der Bürokratie durch eine politische Revolution
mit Wiedereinführung einer Arbeiter_Innendemokratie und zur
Internationalisierung der Revolution führen oder zur
konterrevolutionären Restauration des Kapitalismus – die 1989
eintrat.

Trotzdem
war die Sowjetunion mit dem vergesellschafteten Eigentum eine
historische Errungenschaft, die es auch für Internationalist_Innen
und Gegner_Innen Stalins zu verteidigen galt. Deshalb war auch der
Kriegseintritt berechtigt und notwendig. Er führte zur Zerschlagung
des Faschismus als Rammbock gegen die Arbeiter_Innenbewegung,
beendete den Völkermord und erhielt zeitweilig die Errungenschaften
der Oktoberrevolution. Deshalb sagen wir, damals, wie heute: Dank
euch ihr Sowjetsoldat_Innen!




4 Gründe warum Corona im Sozialismus ein weniger großes Problem wäre

Florian Hiller

Nachdem China*, wo der SARS-CoV-2 zuerst ausgebrochen ist, die Lage einigermaßen in den Griff zu bekommen scheint, sind es aktuell die beiden imperialistischen Zentren USA und Europa die besonders hart mit dem Virus zu kämpfen haben. Aber auch der Rest der Welt ist von der Pandemie betroffen und besonders für halbkoloniale Länder lässt sich keine positive Prognose abgeben, da die aktuelle nationale Abschottungspolitik nicht auf eine internationale Zusammenarbeit hoffen lässt.
„Länder wie Deutschland oder den USA kann so ein Virus nichts anhaben“ hätten wahrscheinlich viele Menschen behauptet. So auch Jens Spahn, der Ende Januar noch sagte „wir sind gut vorbereitet“. Auch das Robert-Koch-Institut stufte damals die Gefahr auf „sehr gering“ ein. Einige werden jetzt vielleicht immer noch sagen, dass Deutschland ja „verhältnismäßig gut da steht“, da in Deutschland bisher die Todesrate relativ niedrig geblieben ist.
Doch nichts ist einfach „gut“, solange es „verhältnismäßig gut“ ist. Zum Beispiel ist im Vergleich mit dem Feudalismus der Kapitalismus auch ein Fortschritt, ändert trotzdem nichts daran, dass er zerschlagen werden muss, um endlich Schluss zu machen mit Ausbeutung, Unterdrückung, Rassismus, Krieg, Sexismus – um nur einige Probleme zu nennen, die in unserm „tollen System“ vorherrschen.
Außerdem wollen wir auch nicht nur schauen, was Deutschland besser machen könnte, wir stehen schließlich für eine internationale Revolution und deshalb schauen wir natürlich über unsere Nationalstaatsgrenzen hinaus.
In diesem Artikel soll es aber nicht nur darum gehen, aufzuzeigen welche Probleme des Kapitalismus gerade verstärkt zum Vorschein kommen, sondern 4 Gründe angeben warum Corona im Sozialismus ein weniger großes Problem ist.

Dazu müssen wir uns erst mal
gedanklich in diese Situation begeben. Weltweit wurden alle
Kapitalist_Innen enteignet und die Produktion vergesellschaftet. Der
bürgerliche Staat wurde durch eine Rätedemokratie ersetzt. In
dieser gibt es Basisebenen aus Betrieben, Stadtteilen, Schulen etc.
die Delegierte für die nächst höhere Räteebene wählen usw. Dabei
sind die Delegierten rechenschaftspflichtig und können jederzeit
abgewählt werden, wenn die Basis mit ihnen unzufrieden ist. Diese
Struktur wird auch genutzt, um demokratisch die Wirtschaft nach den
Bedürfnissen aller Menschen zu planen, durchzuführen und zu
kontrollieren.

1. Forschung

Bevor wir in das Szenario gehen, dass
eine Pandemie durch einen Virus auftritt, stellt sich die Frage, ob
ein Auftreten so eines Virus nicht auch schon vorher hätte im
Sozialismus verhindert werden können?
Die Frage muss erst Mal
mit Nein beantwortet werden. Ähnlich wie andere Naturkatastrophen,
wird es in keiner Gesellschaft zu verhindern sein, dass neue Viren
auftreten, die einen großen Teil der Menschen infizieren und auch im
Sozialismus wäre so eine Pandemie eine Herausforderung.
Trotzdem
wären wir besser darauf vorbereitet. Denn wie bereits gesagt, können
wir davon ausgehen, dass Pandemien ausbrechen werden. Es erscheint
aktuell wie ein blöder Zufall, dass so etwas passiert, aber es gab
in der Geschichte immer große Seuchen, und es gibt auch Forschung
die besagt, dass es gerade bei unserer aktuellen Form der
industriellen Massentierhaltung ein besonders
hohes Risiko für
das Ausbrechen von neuen gefährlichen Krankheiten gibt. Auch zu
Corona-Viren wurde bereits geforscht. Betrachten wir das Bedürfnis
der Menschen nach Gesundheit, dann wird klar, dass es wichtig ist
sich mit solchen Bedrohungen für die Gesundheit auseinanderzusetzen.
Das Problem in unserer Marktwirtschaft ist, dass die Bedürfnisse der
Menschen nicht im Vordergrund stehen, sondern der Profit. Das führt
zu einem paradoxem Phänomen. Das Forschungsinstitut, dass forscht um
Leute vor Pandemien zu schützen braucht eine Pandemie um dies zu
tun. Denn erst mit Eintreten der Krankheit, ist es profitabel und
unbedingt notwendig etwas gegen die Krankheit zu tun.
Im
Sozialismus hätten wir uns schon bereits vor Ausbrechen der
Krankheit mehr mit dem Risiko von Pandemien auseinandergesetzt, da es
wichtig ist für das Bedürfnis nach Gesundheit sich mit dem
Verhältnis des Menschen und der Natur auseinanderzusetzen und die
Forschung dahingehend einem gesellschaftlichen Bedürfnis entspricht
und in der Planwirtschaft umfassender berücksichtigt würde.

2. Gesundheitssystem

Ein weiterer Punkt, der sich auf die Vorbereitung auf eine Pandemie bezieht, aber auch auf deren Bekämpfung, ist die Situation des Gesundheitssystem.
Spätestens jetzt zeigt sich was für Folgen es hat, wenn die neoliberale Profitlogik bis tief in die Grundbedürfnisse der Menschen hineindrängt. Wenn heute viel von „Flatten the curve“ geredet wird, dann bedeutet das, dass die Zahl der Infizierten und besonders der Leute, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssen, so gering zu halten, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet ist. Es gibt eine Grenze an Verfügung stehenden medizinischen Personal und Geräten und wird diese Grenze überschritten kommt es zu der Situation in der abgewogen werden muss, wer behandelt wird und wer sich selbst überlassen bleibt. Dass diese „Grenze“ überall sehr tief liegt, lässt sich zurückführen auf die Privatisierung des Gesundheitssystems und die damit einhergehenden Folgen, wie z.B die schlechten Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Dass Diese Grenze liegt aber noch niedriger in Länder wie Italien und Spanien. Das liegt daran, dass ihnen, unter anderem von Deutschland, Spardiktate aufgezwungen wurden, was die Zerrüttung der Gesundheitsversorgung noch schneller vorantrieb. In Ländern die noch schlechter dastehen ist für viele Menschen mit unzureichender Wasserversorgung der „Hände waschen“-Slogan blanker Hohn.

Im Sozialismus ist Gesundheit ein Bedürfnis, dessen Schutz gesellschaftliche Aufgabe ist, und keine Ware mit der Profit gemacht werden kann. Da Gesundheit ein grundlegendes Bedürfnis der Menschen ist, hat es auch einen ziemlich hohen Stellenwert und dementsprechend ist das Gesundheitssystem gut ausgebaut und mit mehr medizinisches Personal versorgt. Außerdem ist die Versorgung für jeden frei zugänglich. Zudem wären die Hygienestandards weltweit gesichert und nicht nur in einzelnen imperialistischen Zentren, die nur einen Teil der gesamten Weltbevölkerung ausmachen.

3. Maßnahmen

Die bisherigen Punkte bezogen sich größtenteils darauf, dass der Sozialismus im Allgemeinen besser vorbereitet ist auf eine Pandemie, sei es durch Forschung, aber vor allem durch das Gesundheitssystem.
Welche Maßnahmen können nun getroffen werden? Aktuell wird viel darüber diskutiert, wann die Maßnahmen (z.B Soziale Distanzierung) wieder gelockert werden und wieder zu einem „normalem Leben“ zurückgekehrt werden kann. Der Gedanke dahinter kümmert sich nicht in erster Linie darum den Menschen das Bedürfnis nach sozialen Kontakten wieder zu ermöglichen. Es geht darum, dass die Leute wieder arbeiten sollen um die wirtschaftlichen Folgen fürs Kapital möglichst gering zu halten – schon jetzt wird eine Schrumpfung der Wirtschaft erwartet. Wenn nun wegen der Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona in vielen Bereichen die Arbeit stillsteht, wird das die Wirtschaft stark treffen, die Folgen dessen werden letztendlich wieder besonders an der Arbeiter_Innenklasse ausgelassen.

Auch im Sozialismus müssen wir
arbeiten und auch im Sozialismus ist es ein Problem, wenn manche
Arbeiten eingestellt werden. Wie könnten wir also im Sozialismus
handeln und was wären dabei Vorteile?
Tritt so ein Virus auf,
ist es wichtig schnell, auf Grundlage der wissenschaftlichen
Kenntnisse und einheitlich zu handeln. Da eine Pandemie die ganze
Welt betrifft, würde in einer Rätedemokratie hier der höchste Rat
zunächst die wichtigsten Entscheidungen über Maßnahmen treffen.
Wie bereits zu Beginn erklärt, werden diese Entscheidungen aber von
den unteren Ebenen kontrolliert was verhindert, dass es zu
Machtmissbrauch kommt, wie aktuell in einigen bürgerlichen
Staaten.
Die soziale Distanzierung wäre dann wahrscheinlich
auch dann ein gängiges
Mittel neben besseren und mehr Masken. Während der Kapitalismus
dabei bemüht ist möglichst viele Arbeitsfelder aufrecht zu erhalten
um Profit zu machen, (siehe Italien, wo trotz starker Ausbreitung von
Corona die Produktion lange aufrecht erhalten wurde, was letztendlich
auch zu Streiks führte), ist es im Sozialismus viel leichter die
Arbeit auf gesellschaftlich notwendige Arbeit zu reduzieren. Die
Fabriken sind nicht auf Profit angewiesen. Das ist auch der Grund
warum solche Maßnahmen über einen längeren Zeitraum aufrecht
erhalten werden können, was wiederum die Bekämpfung des Virus stark
erleichtert. Während im Kapitalismus abgewogen werden muss zwischen
Rettung der Wirtschaft und Rettung von Menschenleben, kann sich im
Sozialismus auf Letzteres fokussiert werden.
Die soziale
Distanzierung bis zur Quarantäne ist natürlich auch für Menschen
einer sozialistischen Gesellschaft eine neue und eher unangenehme
Situation. Sie wäre aber für den Großteil der Menschen deutlich
angenehmer als in der heutigen Situation und vor allem deutlich
gerechter. Wenn deine 1900 Quadratmeter Villa auf einem 22000
Quadratmeter großen Grundstück steht (Jeff Bezoz, Amazonbesitzer
Präsident von Amazon) lässt
es sich schon etwas leichter aushalten, als wenn dir nur eine kleine
Wohnung für deine ganze Familie zur Verfügung steht, oder gar
keine. Es muss sich in der Zeit auch keine Gedanken darüber gemacht
werden wie ich in der Zeit meine Miete bezahlen soll. Wohnen ist für
alle eine Grundversorgung. Es gäbe genug Frauenhäuser zum Schutz
vor häuslicher Gewalt.

Ein weiterer Punkt betrifft die
Bekämpfung des Virus. Die Corona-Pandemie wird erst vorbei sein,
wenn entweder Herdenimmunität eintritt, das heißt ca. 70% der
Menschen infiziert waren, oder ein Impfstoff entwickelt wurde.

4. Impfstoff

Wie bereits am Anfang erwähnt, hätte es im Sozialismus bereits mehr Forschung über Corona-Viren gegeben, sodass wir vermutlich einem Impfstoff näher stehen würden. „Wäre uns das Geld nicht ausgegangen, dann hätten wir womöglich schon eine Impfung gegen Covid-19 in der Hand“ (Peter Hotez, Mediziner und Dekan des Baylor College of Medicine in Houston, Texas). Er meint damit eigentlich einen alten Sars-Virus, der aber dem jetzigen Sars-CoV-2 sehr ähnlich ist und deshalb wahrscheinlich auch aktuell genutzt werden könnte. Von vielen wird der Wettbewerb im Kapitalismus immer als Entwicklungsgarant angepriesen, so auch jetzt, wenn viele einzelne Unternehmen in Konkurrenz auf der Suche nach dem großen Deal mit ihrem Patent ihre Forschung nach einem Impfstoff beginnen. Wir sehen das eher als großes Hindernis. Im Sozialismus können sich ForscherInnen der ganzen Welt austauschen und ihr gesammeltes Wissen und Ressourcen nutzen um schnell einen Impfstoff zu entwickeln. Dabei geht es auch nicht darum schnellstmöglich „seine Nation“ von dem Virus zu befreien um gegenüber anderen Nationen gestärkt aus der Krise herauszukommen, sondern darum allen Menschen auf der Welt schnellstmöglich einen Impfstoff kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Zusammenfassen lässt sich der Inhalt des ganzen Artikels eigentlich gut in wenigen Worten: „Gesundheit für Alle, anstatt Profite für Wenige!“. Von da aus konsequent weitergedacht, wird klar, dass wir dafür unser kapitalistisches System überwinden müssen. Wie wir uns uns den „road to revolution“vorstellen könnt ihr in unserem Programm nachlesen.

*In unseren Augen ist China nicht sozialistisch, sondern ein imperialistisches Land.




„Aktuell denken wir von hier bis zur Türklinke“

Interview mit einer Betriebsrätin im Einzelhandel, geführt von Wilhelm Schulz, zuerst erschienen auf arbeiterinnenmacht.de

In Zeiten von Corona wird eines deutlich. Es ist nicht der Virus, der
die soziale Spaltung verstärkt, dies bewerkstelligen die Umstände,
unter denen er wirkt. Wir haben, um die Auswirkungen von Corona zu
beschreiben, ein Interview mit einer Betriebsrätin im Einzelhandel in
einem großen Kaufhaus geführt.

Der Einzelhandel läuft hier schon seit Jahren auf dem Zahnfleisch,
ist er doch von einer massiven Umstrukturierung betroffen. Durch
Internetkonzerne wie Amazon, die sich bis heute weigern, nach den
Tarifbedingungen des Einzelhandels zu vergüten, und nicht mehr als den
schlechter entlohnten Tarifvertrag Logistik zu zahlen bereit sind, die
zudem systematisch Union-Busting betreiben. Schon vor der Corona-Krise
kam es hier zu Fusionen – wie z. B. von Karstadt und Galeria Kaufhof –,
Schließungen und Personalabbau. Karstadt hat eine über ein Jahrzehnt
andauernde Insolvenzgeschichte: Verkauf für 1 Euro; Einfrieren der
Gehälter; Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld. Jahre andauernde
begrenzte Streiks vermochten die Talfahrt für die Beschäftigten
allenfalls zu verlangsamen, nicht zu stoppen.

Es ist davon auszugehen, dass es zu einer Verstärkung dieser
Verschiebung in der momentanen Situation kommt. In der Branche herrscht
Teilzeitarbeit vor und die Beschäftigten sind mehrheitlich Frauen.
Allein diese Zahlen zeigen, dass die Krise uns nicht alle gleichsam
treffen wird.

Interviewer: Bitte beschreibe die aktuelle Situation in Deinem
Betrieb. Wie wirkt sich Corona auf Deine KollegInnen und Dich aus?

Seit dem 18. März ist das Unternehmen, in dem ich arbeite, geschlossen, so wie der gesamte Einzelhandel außerhalb der Lebensmittel- und Baumärkte. Seitdem sind die Beschäftigten auf Kurzarbeit null und das Unternehmen macht keine Umsätze. Kurzarbeit null bedeutet dabei einfach, dass die Kollegen und Kolleginnen nicht arbeiten und vom Staat KurzarbeiterInnengeld von 60 % beziehungsweise 67 % bekommen, falls sie Kinder haben. Das ist alles demnächst hart an der Kante. Das Kurzarbeiter_Innengeld zahlt jedoch der Staat und nicht das Unternehmen, in dem ich arbeite. Das wird aus dem pauschalisierten Nettoentgelt des letzten Kalenderjahres errechnet.

Viele im Einzelhandel sind in Teilzeit. Über die Hälfte der
Angestellten arbeiten in Teilzeit. Das bedeutet für viele vermutlich,
demnächst noch zusätzliche Gelder beantragen zu müssen, wie Wohngeld.
Bis dahin konnten sich viele meines Wissens noch über Wasser halten und
die wenigsten mussten aufstocken, jedoch sind die Reserven auch aufgrund
der aktuellen Mietlage vermutlich sehr gering.

Der Betrieb verspricht aktuell individuelle Lösungen für jede einzelne Person in akuten Problemfällen, aber davon wissen wir noch nichts. Denn aktuell merken unsere KollegInnen das noch nicht so sehr. Wir sind am 18. März geschlossen worden. In der Gehaltsabrechnung wurde vorerst der Lohn für einen vollen Arbeitsmonat ausgezahlt, der Überhang soll vom kommenden Gehalt abgezogen werden, somit kann es zu deutlich weniger als den 60 % kommen. Das Kurzarbeiter_Innengeld wird somit erst zum 30. April auf dem Konto der Kolleg_Innen sein, dann wird’s heftig.

Bis dahin hat der Betrieb versucht, alles loszuwerden, was er
offiziell an Beschäftigten entlassen konnte. Als Betriebsräte konnten
wir rein rechtlich unmittelbar nur die Festkräfte retten. Zum 30. April
sind jetzt die gegangen worden, die unter 6 Monate Betriebszugehörigkeit
aufwiesen. Auch die 450-Euro-Kräfte sind betroffen. Sogar das Personal,
das zur Anpassung unseres Personalschlüssels eingestellt wurde und
bitter nötig ist, wurde kurzfristig entlassen.

Das Unternehmen selbst macht in diesem Moment offiziell Minus. Die Investor_Innen unseres Hauses besitzen die Immobilien mit der einen Gesellschaft und vermieten sie an die andere. Die Miete wird nicht gestundet.

Interviewer: Die Bundesregierung hat Rettungspakete in
Milliardenhöhe verabschiedet. Auf welche Art hilft das Deinen
KollegInnen?

Am ehesten durch das Kurzarbeiter_Innengeld. Auch die Sozialabgaben zahlt die Arbeitsagentur. Sehr aktuell bei unseren Kolleg_Innen ist das Thema Nebenjob in systemrelevanten Berufen. Dies geht kurzfristig im Haus. Solange unter dem regulären Nettogehalt geblieben wird, ist dies abgabenfrei. Es ist unklar, wie viele Kolleg_Innen dies angenommen haben. Die Zustimmung von Arbeit„geber“_Innenseite ist aktuell beschleunigt. Mehr ist hier momentan nicht absehbar für uns.

Interviewer: Welche Sicherung gibt es für Alleinerziehende oder Familien?

Da gibt es bei uns nichts, was über das Kurzarbeiter_Innengeld, also die 67 % hinausgeht. Interessant wird es eigentlich erst, wenn wir wieder öffnen. Zu Beginn ist davon auszugehen, dass wir zwischen der Öffnung und dem 30. Juni auf 50 % Kurzarbeiter_Innengeld gehen, also das mit dem geringeren Gehalt bis mindestens Ende Juli andauern wird. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 3 Monate nach Ende Kurzarbeiter_Innengeld nicht möglich. Der Betriebsrat wollte 6 Monate. Aktuell weiß aber niemand, wie es dann aussehen wird.

Besonders schwer für Alleinerziehende wird die Zeit auch. Durch die Kurzarbeit wird auch die Schichtplanung verkürzt. So erfahren die Kolleg_Innen in der Zeit nur noch eine Woche im Voraus, wie sie im kommenden Monat arbeiten werden. Das macht die Planbarkeit schwerer. Von kurzfristigen Krankheitsfällen sprechen wir dabei noch überhaupt nicht.

Interviewer: Kurzarbeiter_Innengeld trifft im Einzelhandel, der seit Jahren auf dem Zahnfleisch läuft, vermutlich die Arbeiter_Innen hart. Wie geht Ihr im Betrieb damit um? Was macht ver.di?

Ver.di schreibt im Fachbereich jeden Tag Newsletter, vor allem zur Rechtsberatung. Die Prüfungen der Azubis sind bis Ende Juni verschoben. Arbeitsverträge gehen hier nur bis zum 31. Juli. Hierzu wird aktuell verhandelt. Ansonsten hat ver.di eine Petition zur Erhöhung des Kurzarbeiter_Innengeldes herausgegeben von 60 % auf 90 %. Das ist schön und gut. Wer es später zahlt, bleibt offen.

Den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen halten wir aktuell über Telegram, WhatsApp und E-Mail. Hier schicken wir regelmäßige FAQs zu den uns am häufigsten gestellten Fragen. Die lauteten in den ersten Tagen in der Regel etwa: „Was ist mit Krankschreibung?“, „Was ist mit Urlaub?“; „Was ist mit den Gutstunden?“. Die Fragen sind vielfältig. Wir versuchen über alle Kanäle so transparent wie möglich zu sein. Ob und wie Diskussionen unter den Kolleg_nnen stattfindet, kann ich aktuell nicht sagen.

Das Thema Gutstunden ist ein wichtiges. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Überstunden, die das faktisch sind, nicht abgebummelt werden, bevor das Kurzarbeiter_Innengeld wirkt. Eigentlich ist unser Ziel, dass überhaupt keine Gutstunden mehr rauskommen sollen, sondern neue KollegInnen eingestellt werden.

Aber aktuell denken wir von hier bis zur Türklinke. Nach Corona
müssen die Beschäftigten hier vermutlich zahlen, beispielsweise durch
Entlassungen, Personalmangel, Wegfall der Kundschaft. Wir sind sehr
stark vom Tourismus abhängig bei uns im Haus und der liegt auf
unabsehbare Zeit brach.

Interviewer: In den momentanen Debatten wird, vor allem im
Einzelhandel, von massiven Veränderungen für die Zukunft gesprochen.
Inwiefern trifft das Euch bereits jetzt?

Ja, wie sich das alles verschieben wird, bleibt offen. Amazon boomt.
Wir werden sehen, wohin das führt. Bei uns wird versucht, ein
Online-Shopping-System einzuführen. Das war auch vor Corona am Anlaufen
und soll jetzt auf Biegen und Brechen beginnen. Soll passieren, damit
sich das Geschäft über Wasser hält. Aber mal sehen, wie es nach Corona
in unserer Branche aussieht.

Interviewer: Wie ist die Stimmung bei den Kolleg_Innen?

Die Decke fällt ihnen auf den Kopf. Auch wenn die Stimmung momentan
ruhiger ist, muss klar sein: Die finanziellen Auswirkungen, die drohen
ja erst. Die Sorge verschiebt sich um 4 Wochen. Noch klingt das recht
positiv. Die Fragen per Telefon werden momentan weniger. Die Leute
finden sich momentan damit ab und hoffen, dass bald wieder die
Normalität eintritt.

Interviewer: Der DGB hat dem BDA den Burgfrieden für die laufende
Pandemie angeboten. Wie soll der Widerstand gegen Entlassungen dieser
Tage organisiert werden?

Streiks und ähnliches sind aktuell unsicher. Erst muss die Situation klarer werden. Noch gibt es kaum Entlassungen. Es ist unklar, wie lang das dauern wird. Die Tiefe der Rezession lässt sich nicht abschätzen. Jedoch ist noch die Arbeit„geber“_Innenseite kooperativ, da sie noch auf ihre Angestellten hoffen und sie eh unterbesetzt waren. Somit müssen wir ihnen auf die Finger gucken. Nach der gesundheitlichem Krise, wenn die Personaldecke so gering bleibt, dann muss über Streiks und Arbeitskämpfe geredet werden.

Interviewer: Vielen Dank für das Interview und einen erfolgreichen
Kampf, nicht nur um den Erhalt der Stellen, sondern auch um die
Verbesserung des Personalschlüssels.

Nachwort

Hier sind wichtige Punkte angesprochen worden. Die Erhöhung des Kurzarbeiter_Innengeldes ist für die Arbeiter_Innenklasse bitter nötig, vor allem für die unteren Schichten dieser, aber die Frage der Bezahlung ist wichtig zu beantworten. Vor wenigen Tagen wurde ein Milliardenpaket der Bundesregierung zur Rettung der Wirtschaft verabschiedet. Nicht nur die Gewichtung geht an den Bedürfnissen eines Großteils der Bevölkerung vorbei. Beispielsweise sind gerade 3 Milliarden von 600 Milliarden Euro für das Gesundheitssystem vorgesehen.

Auch die Frage steht im Raum, wer am Ende die gemachten Schulden begleichen darf. Sparprogramme sind in eben jenen Bereichen zu befürchten, in denen jetzt systemrelevante Held_Innen gefeiert werden. Da sie aber außer im privatisierten Sektor keinen Mehrwert schaffen, sondern „nur“ erhalten – u. a. in Form von Menschenleben – können sie die sein, die diese Einsparungen wieder als Erste spüren. Auch eine mögliche allgemeine Steuererhöhung würde eine Umlagerung der Kosten auf die ärmere Bevölkerung darstellen. Kämpferische Arbeiter_Innen in Betrieben und Gewerkschaften müssen jetzt schon gegen die Sozialisierung der Schulden und die Privatisierung der Gewinne eintreten. Wir brauchen Beschlagnahmen von jenen, die Millionen besitzen. Die Arbeiter_Innen in allen Bereichen, die nicht für die Sicherung der Bedürfnisse (Gesundheit, Lebensmittel, Kommunikation, …) nötig sind, müssen bei vollen Bezügen freigestellt werden. Sollten Unternehmer_Innen Beschäftigte entlassen und Betriebe schließen wollen, sollten diese ohne Entschädigung und unter Kontrolle der Arbeiter_Innen verstaatlicht werden. Wir brauchen auch ein Herabsetzen der Miete auf die zum Erhalt notwendigen Kosten – dort wo selbst dies nicht stemmbar ist, ein vollständiges Einfrieren eben jener.

Aber der Einzelhandel alleine wird vermutlich wirklich vor recht leeren Kassen stehen. Das zeigt für uns aber noch deutlicher die Notwendigkeit eines breiten Kampfes der Arbeiter_Innenklasse gegen die Auswirkungen der Corona-Krise, die sich somit nicht nur ökonomisch in ihren Gewerkschaften organisieren müssen, sondern dort auch den Druck aufbauen, um sich für einen Wertschöpfungsketten übergreifenden Arbeitskampf einzusetzen. Dafür stellt die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) bereits heute einen möglichen Keim dar, in dem sich kämpferische Arbeiter_Innen sammeln können.




Corona und die kommende Wirtschaftskrise – eine Analyse

REVOLUTION Österreich

Die Corona-Gesundheitskrise bedroht nicht nur den Alltag, sondern das Leben von Millionen Menschen weltweit. Die weitgehenden Quarantänemaßnahmen bedeuten auch einen Zusammenbruch der weltweiten Produktion. Wir stehen am Beginn einer Wirtschaftskrise, die höchstwahrscheinlich noch schlimmer sein wird als die nach 2008. Wenn es nach den Politiker_Innen und Bossen geht, werden die Kosten auf uns Arbeiter_Innen, Unterdrückte und Jugendliche abgewälzt werden. Das müssen wir verhindern!

In den vergangenen zwei Wochen haben in Österreich 200.000 Menschen ihren Job verloren, nochmal 250.000 sind in Kurzarbeit. In den USA haben sich in der Zeit sogar 10 Millionen arbeitslos gemeldet. In beiden Ländern sind prekär Beschäftigte und Scheinselbstständige (zum Beispiel Uber-Fahrer_Innen oder 24-Stunden-Pfleger_Innen) gar nicht mitgerechnet. Das kapitalistische Wirtschaftssystem lebt davon, dass Arbeiter_Innen produzieren und für Profit ausgebeutet werden. Wenn sie zuhause bleiben, wackelt das ganze System.

Krisen zeigen, wie das System läuft

Es ist offensichtlich, dass die Corona-Pandemie in vielen Ländern eine schwere Gesundheitskrise ausgelöst hat. Nicht nur verbreitet sich das Virus sehr schnell und stellt eine echte Lebensgefahr dar, die Auswirkungen drohen auch die Gesundheitssysteme an ihre Kapazitätsgrenzen zu bringen. In Norditalien ist das beispielweise schon passiert – viele Patient_Innen konnten nicht mehr versorgt werden. Diese Krise zeigt schmerzhaft klar auf, was im Gesundheitssystem schon seit Jahren schiefläuft, Einsparungen, Privatisierungen und zu wenige Pfleger_Innen und Ärzt_Innen.

Eine Krise ist immer ein Moment, wo die Entscheidungsträger_Innen nicht mehr so weiter machen können wie bisher. Wenn sie sich weiter an die bisherigen Regeln, Strukturen, und so weiter halten, produziert das System nicht die Ergebnisse, die man eigentlich möchte. Zum Beispiel, dass Menschen an heilbaren Krankheiten sterben, weil keine Betten frei sind. In einer Krise ist es deshalb besonders einfach zu verstehen, wie ein System wirklich funktioniert. Unter anderem, weil die blödsinnigen Versprechen von ewigem Wachstum oder gerechter Verteilung wegfallen. Aber auch, weil wir sehen können was für Auswirkungen es hat, wenn ein „Rädchen“ sich nicht mehr weiterdreht.

Die Wirtschaftskrise, die jetzt schon begonnen hat, ist von den Auswirkungen der Gesundheitskrise ausgelöst worden. Die Gründe sind
aber vielfältig, haben ursprünglich nichts mit Corona zu tun und hatten
sich schon länger angekündigt. Im Grund genommen kann man sagen, dass
(1) ein kurzfristiger Zusammenbruch von Produktion und Nachfrage auf (2)
seit längerem eskalierende internationale Spannungen und Handelskriege,
(3) eine seit Jahren fallende Profitrate bei Güterproduktion und
Dienstleistungen und (4) zwei riesige „Blasen“ auf den Finanzmärkten
trifft.

Produktion, Reproduktion und Verteilung im Kapitalismus

Eine kapitalistische Krise bedeutet immer einen zeitweisen Zusammenbruch des Kapitalkreislaufs. Die kapitalistische Warenproduktion funktioniert so, dass Arbeiter_Innen in der Produktion bereits bestehende Waren (zum Beispiel Rohmaterialien oder Zwischenprodukte) physisch verändern, also andere Waren daraus machen – „weiterverarbeiten“. Dazu verwenden sie Werkzeuge und Maschinen, so genanntes fixes Kapital, das von den Kapitalist_Innen zur Verfügung gestellt wird.

Das Produkt ihrer Arbeit gehört aber den Kapitalist_Innen, die sie dann auf dem Markt verkaufen und den Erlös behalten. Der Unterschied zwischen Erlös und Fixkosten ist der in Geld ausgedrückte Unterschied zwischen Materialien und Produkt. Also wird zum Beispiel für die Produktion von Schrauben ein gewisser Betrag an Fixkosten (Maschinen, Rohstoffe, etc.) benötigt und nach dem Verkauf der Schrauben wird hoffentlich ein höherer Betrag, der Erlös, eingenommen. Dieser Unterschied entspricht dem Ausmaß an menschlicher Arbeit im Produktionsprozess, und teilt sich auf in Löhne und Profite. Profite entsprechen also dem Anteil unbezahlter, vom Lohn nicht abgedeckter Arbeit – mit anderen Worten ist der von den Arbeiter_Innen unbezahlt produzierte Mehrwert essentielle Grundlage des Profits. Dieselbe Logik gilt bei Dienstleistungen. Auch hier fußt der Profit darauf, dass die vollbrachte Arbeit mehr Wert schafft als der ausbezahlte Lohn ausdrückt. Der Unterschied zur Warenproduktion ist im Wesentlichen nur ein zeitlicher. Während bei Waren der Verkauf und die Realisierung des Kaufpreises erst nach der Produktion stattfindet, passiert dies bei Dienstleistungen zeitgleich. Ich konsumiere die Taxifahrt, den Haarschnitt und ähnliches während sie „produziert“ werden.

Am Anfang des Kapitalkreislauf wird also Geld in Waren, nämlich fixes Kapital und Arbeitskraft, verwandelt. Waren sind eben nicht nur Dinge, die man im Supermarktregal kaufen kann, sondern auch abstraktere Dinge, wie die menschliche Arbeitskraft. Im Produktionsprozess werden Kapital und Arbeitskraft verbraucht, am Ende stehen andere Waren, das Produkt (in unserem Beispiel: Arbeiter_Innen verwenden Maschinen und Rohstoffe, um Schrauben herzustellen). Diese werden dann auf dem Markt wieder in Geld verwandelt, den Erlös. Marxistische Ökonom_Innen beschreiben diesen Prozess als G – W – W‘ –  G‘, Geld – Ware – andere Waren – Mehr Geld.

Das
„Mehr Geld“ wird dann wieder in fixes Kapital und Arbeitskraft
investiert, ein neuer Produktionsprozess begonnen. Die Höhe des Profits
bestimmt, wie schnell der Kapitalismus wachsen kann, je höher das „Mehr
Geld“ am Ende ist, desto mehr kann man in der nächsten „Runde“
produzieren und investieren. Man kann auch sagen, dass der Verwertungsprozess im Kapitalismus gleichzeitig der Reproduktionsprozess ist – das System reproduziert sich ständig selbst über diesen Ablauf, wie eine größer werdende Spirale der Kapitalanhäufung.

Wettbewerb und Krise

Die grundlegende Funktion des Kapitalkreislauf ist auf jeder Ebene, von der einzelnen Firma, über regionale Wirtschaftskreisläufe bis zum globalen Kapitalismus, dieselbe. Wie der Prozess genau gestaltet wird, ist aber die Entscheidung der einzelnen Kapitalist_Innen. Die stehen aber miteinander in ziemlich brutalem Wettbewerb: Wem es nicht gelingt, die Konkurrenz zu auszuschalten, der oder die wird wahrscheinlich selbst bankrottgehen.

Die wichtigsten Waffen in diesem Krieg sind neue Maschinen und Preispolitik. Wenn man es sich leisten kann, in neue Maschinen zu investieren, kann man die eingesetzte Arbeitskraft produktiver machen, also mehr Profit aus jeder_M Arbeiter_In herausbekommen. Wer niedrigere Produktionskosten hat, kann auch einen Preis festsetzen, der unter den Kosten der Konkurrent_Innen liegen. Die machen dann Verluste und nach einiger Zeit gehen sie pleite, so dass ihr Marktanteil erobert werden kann.

Diesen Prozess nennt man auch Kapitalisierung: Es wird mehr Geld für fixes Kapital ausgegeben, damit die Arbeitskosten gesenkt werden können, das Kapital-Arbeitsverhältnis steigt (von Marx auch „organische Zusammensetzung des Kapitals“ genannt). Weil aber nur menschliche Arbeit Wert und Profit schafft, untergräbt das auf lange Sicht das Verhältnis Profit zu Kapital, die Profitrate. So führt das Streben der Kapitalist_Innen nach mehr Profit immer zu einer sinkenden Profitrate, also auch weniger Wachstum, und größeren Schwierigkeiten den Kapitalkreislauf zu reproduzieren.

Der Verfall der
Profitrate im Kapitalkreislauf ist der Grund für regelmäßige Krisen. Ausgelöst
werden diese aber meistens durch die Reaktion auf die Schwierigkeiten im
Kapitalkreislauf.

Zum Beispiel investieren Kapitalist_Innen gerne in Finanzprodukte (z.B. Wertpapiere, Aktien, u.ä.), wenn die Profite in ihren „eigenen“ Produktionsprozessen zu wünschen übriglassen. Der kurzfristige Gewinn auf den Finanzmärkten hängt vor allem davon ab, dass die Nachfrage weiter steigt und man die eigenen Aktien und Wertpapiere über dem Kaufpreis verkaufen kann. Das führt in einer Situation von fallenden Profitraten auch tatsächlich zu mehr Nachfrage nach Finanzprodukten, die Investitionen scheinen ein gutes Geschäft zu sein. Der Preis der Wertpapiere, egal ob es Aktien, Hauskredite oder Derivate sind, steigt dann immer höher über den tatsächlich erwarteten Ertrag des Papiers selbst (den nennt man auch je nach Wertpapier Dividenden, Zinszahlungen oder Ausschüttungen). Der erwartete Profit beruht also nicht nur auf der Investition, sondern zu einem immer größeren Teil auf Spekulation.

Investitionen im Kapitalismus sind meistens durch Kredite finanziert, sowohl in der Produktion als auch auf den Finanzmärkten. Auch an Arbeiter_Innen werden Kredite für Konsum oder Hausbau angeboten, damit sie ihren Lebensstandard trotz eventuell fallender Löhne halten können. Diese finanziellen Blasen sollen die Krisenauswirkungen der fallenden Profitrate aufhalten, aber wenn sie platzen stellt sich heraus, dass diese nur verzögert wurde.

Börsencrash im März 2020

Tatsächlich sind im
März die wichtigsten amerikanischen, europäischen und asiatischen Börsen zusammengebrochen,
noch bevor die Pandemie in den meisten Ländern zu strengen Isolationsmaßnahmen geführt
hatten. Der Dow Jones (ein wichtiger amerikanischer Börsenindex) ist in den
ersten drei Märzwochen um 30 % gefallen, der schnellste Kurssturz seit Beginn
der Aufzeichnungen.

Hier waren zwei Faktoren zusammengekommen. Auf der einen Seite hatten Saudi-Arabien und Russland einen Preiskrieg auf dem Ölmarkt begonnen, also Öl bewusst günstig verkauft, um der Gegenseite die Profitgrundlage zu entziehen. Investitionen am Energiemarkt hatten daraufhin eine schlagartig niedrigere Profiterwartung und Anleger_Innen versuchten ihre Wertpapiere in bares Geld zu verwandeln.

Außerdem wurden die Folge des umfassenden „Lockdown“ in China spürbar, die viele Zwischenprodukte für weltweite Produktionsketten liefern. Auch hier mussten sich Kapitalist_Innen nach Krediten umsehen, um den erwarteten Umsatzverlust zu überstehen, und verkauften andere Anlagen.

Das Ergebnis ist eine klassische Finanzkrise, in der die Nachfrage nach Wertpapieren und daher die Kurse zusammenbrechen, Kreditnehmer_Innen nicht mehr in der Lage sind zurückzuzahlen, und viele Firmen Überbrückungskredite anfordern, die aber nur teuer zu bekommen sind, weil die Rückzahlung unsicher ist.

Die Nachwirkungen der Krise 2008

Ähnlich hatte auch die
Krise 2008 begonnen, wo eine massive Blase auf den Hypotheken- und Hausmärkten
geplatzt war als die Rückzahlungsausfälle sich häuften. Das hatte die
Profitkrise in der europäischen und US-amerikanischen Produktion offengelegt
und zur größten globalen Krise seit 1929 geführt.

Üblicherweise führen
Krisen zu einer Reihe von Firmenpleiten und damit zu einer Vernichtung (also
Außerdienststellung) von deren fixem Kapital. In der Folge ist eine Erholung
möglich, weil der Anteil der menschlichen Arbeitskraft wieder steigt und in der
Tendenz die produktiveren Kapitale überleben.

Die Antwort 2008 bestand aber aus einer Kombination aus Niedrigzinspolitik, internationaler Koordination, und der kaum beschädigten Produktivität in China und Lateinamerika (vor allem Brasilien), die den Weltwirtschaftsmotor wieder ankurbelte. Außerdem wurden viele sozialstaatliche Errungenschaften der Arbeiter_Innenklasse mit massiven Austeritätsprogrammen angegriffen und beseitigt. Die Kosten, die nicht verhindert werden konnten wurden also auf die Bevölkerung abgewälzt.

Mit der Niedrigzinspolitik wurde das Reproduktionsproblem des Kapitalismus nach ersten Geburtsschwierigkeiten teilweise gelöst, aber nicht die Verwertung angekurbelt. Die Kapitalist_Innen blieben auf ihren Produkten und dem fixen Kapital der Vorkrisenperiode sitzen, ein neuer Zusammenbruch war vorprogrammiert.

Auch internationale Koordination hat bestimmte Grenzen, die durch den globalen und brutalen Wettbewerb im Kapitalismus gegeben sind. Dass dieses Instrument überstrapaziert war konnte man an den Handelskriegen, vor allem zwischen den USA und China, und der EU und Russland, sehen. Die nationalen Kapitale verlangten hier von ihren Regierungen sie bei der Durchsetzung gegen die internationale Konkurrenz tatkräftig zu unterstützen.

Und China, wo die
Produktivität sich schon vor 2020 verlangsamt hatte, ist besonders hart von der
Pandemie getroffen. Zumindest in den nächsten Monaten wird es nicht in der Lage
sein, die Weltwirtschaft mit Investitionsmöglichkeiten und Nachfrage
auszuhelfen.

Politische Spielräume und internationale Spannungen

Die unmittelbaren Auswirkungen der Coronakrise sind vor allem ein Anstieg der Arbeitslosigkeit, ein Zusammenbrechen der kapitalistischen Investitionen, für die im Moment kein hoher Ertrag zu erwarten ist. Weder Arbeiter_Innen noch Kapitalist_Innen haben im Moment die Mittel oder die Lust, groß einzukaufen, was zu einem Zusammenbruch der globalen Nachfrage (außer für Medizinprodukte) führt. Das bedeutet, um den Begriff von vorhin zu verwenden, eine Realisierungskrise.

Gleichzeitig stehen auch viele bereits bezahlte Investitionen still, weil Arbeiter_Innen und Zwischenprodukte fehlen, es kommt also eine weltweite Produktionskrise dazu. Nachdem die Verwendung menschlicher Arbeitskraft in der Produktion die Grundlage des kapitalistischen Profits ist, bricht der Kapitalkreislauf auch an diesem Punkt zusammen.

Der Zusammenbruch der Finanzmärkte ist eine Folge der Krisentendenz der fallenden Profitrate, die im Kapitalismus immer auftreten wird. Sie wird noch verschärft durch die internationalen Spannungen und deren Auswirkungen auf die Energiemärkte (Preiskrieg) und die Produktionsketten (Handels- und Zollkrieg). Das führt dazu, dass Kapitalist_Innen nicht an die Mittel kommen um sich über die Krise zu retten, oder neue Investitionen zu finanzieren, also einer tiefen Kreditklemme.

Die Kombination dieser
drei Krisendynamiken und die Kosten der Gesundheitskrise lassen erahnen, dass
uns eine Rezession bevorsteht, die sehr wahrscheinlich noch schlimmer sein wird
als 2008 oder sogar 1929. Auf der einen Seite ist das so, weil die Auswirkungen
der drei Faktoren sich aufsummieren. Aber auch der Weg aus der Krise heraus ist
schwieriger, weil nicht nur ein Problem (vorübergehend) gelöst werden muss.
Außerdem sind die Lösungsstrategien, die 2008 halbwegs funktioniert haben, fast
restlos ausgeschöpft.

Darauf können sich auch die ökonomischen Vertreter_Innen der Kapitalist_Innen, in den großen Banken und Universitäten, einigen. Die Bank of America erwartet bis zu 20 Millionen mehr Arbeitslose und einen Einbruch des Wirtschaftswachstums um 10 Prozentpunkte. Das würde die tiefste Krise seit dem zweiten Weltkrieg bedeuten. Und selbst dieses Szenario geht optimistisch davon aus, dass die Weltwirtschaft schon im Oktober wieder normal läuft und kräftig wächst.

Auch die Washington
Post titelt „Die Coronakrise zeigt, dass unsere Wirtschaft nicht so stark
ist wie gedacht
“. Nouriel Roubini, der das Buch „Crisis Economics
geschrieben hat und unter bürgerlichen Ökonom*innen als Experte gilt, schreibt,
dass die Krise tiefer als 2008 und die Erholung weniger erfolgreich sein wird.

Wer leidet unter, wer bezahlt für die Krise?

Sowohl die Pandemie als auch die ersten Auswirkungen der Krise treffen die unterdrücktesten Teile der Arbeiter_Innenklasse am härtesten. In New York City, wo diese Daten bezirksweise veröffentlicht werden, liegen die Infektionen in den ärmsten Bezirken teilweise um das Fünffache über denen in den besten Gegenden von Manhattan. Besonders junge und migrantische Arbeiter_Innen sind von Entlassungen, besonders Frauen von der gefährlichen Arbeit mit mangelhafter Schutzausrüstung betroffen. Und die UN warnt davor, dass der Virus in afrikanischen Ländern zu Millionen Toten führen könnte. Gleichzeitig nimmt die Gewalt gegen Frauen und rassistische Hetze, vor allem gegen Menschen aus asiatischen Ländern und Geflüchtete, massiv zu.

Im Moment verschlechtert sich die Lage in Österreich sowohl für Arbeiter_Innen, die mit Arbeitslosengeld oder Kurarbeit zwischen 10 % und 40 % ihres Gehalts verlieren, aber auch für die Kapitalist_Innen und Unternehmer_Innen die ganz ohne Einkommen dastehen. So eine Unsicherheit lässt sich in der eigenen Villa und mit dickem Sparkonto aber besser überstehen als für die 20 % der Bevölkerung deren Gesamtvermögen unter 10.000 Euro liegt.

Ein großes Problem ist, dass unsere politische und gewerkschaftliche Aktivität im Moment fast stillsteht, während Regierung und Kapitalist_Innen ihre politischen Vorstellungen direkt in Gesetze gießen können, und das auch tun. Dass die Überbrückungshilfen vor allem an große Unternehmen ausbezahlt werden, oder dass Arbeiter_Innen im „Home-Office“ den Jahresurlaub aufbrauchen sollen, zeigen das ganz klar.

Wir müssen sicherstellen, dass die Kosten der kommenden Krise nicht auf die Arbeiter_Innen, Jugendlichen und Unterdrückten abgewälzt werden. Das bedeutet auf der einen Seite schon jetzt Bündnisse zu schmieden, mit Bekannten, Kolleg_Innen und politischen Aktivist_Innen zu reden und uns vorzubereiten. Es würde wohl Sinn machen, am „Tag X“ nach der Quarantäne eine Großdemonstration gegen alle Entlassungen, Lohnkürzungen und geplanten Sparpakete zu organisieren, aus der eine kämpferische Bewegung entstehen kann.

Bis dahin müssen wir uns um ein politisches Aktionsprogramm sammeln. Eckpunkte müssen ein (1) Verbot aller Entlassungen und Wohnungskündigungen, (2) Weiterbezahlung der vollen Löhne, (3) ausreichende Bereitstellung von Schutzmaterial in den Berufen die weiterarbeiten müssen, festgelegt von den Arbeiter_Innen selber, (4) die Öffnung der Grenzen für Geflüchtete die jetzt besonders gefährdet sind, (5) Ausbau der Schutzeinrichtung für Betroffene von häuslicher Gewalt, und (6) Bereitstellen von Wohnmöglichkeiten in leerstehenden Häusern und Hotels für Geflüchtete, Obdachlose und andere die es brauchen, sein.

KURZ ERKLÄRT I: Krise ist immer dann, wenn einer dieser Übergänge nicht mehr gelingt. Wenn die Produkte nicht mehr verkauft, also in Geld umgewandelt werden können, heißt das Realisierungskrise, wenn man gerne investieren möchte aber nicht an die notwendigen Mittel kommt sagt man Kreditklemme, und wenn der Produktionsprozess zusammenbricht (zum Beispiel, weil die Arbeiter_Innen in Quarantäne müssen) kann man das Produktionskrise nennen.

KURZ ERKLÄRT II: Niedrigzinspolitik ist eine Strategie mit den Zentralbanken versuchen mit sehr geringen bis 0%-Zinsen Investitionen anzukurbeln. Da der der (Nominal-) Leitzinssatz jedoch nicht weiter als auf null fallen kann hat diese Strategie gegenwärtig eine begrenzte Effektivität.




Rechtsruck: Warum sind die Rechten so reaktionär gegenüber Frauen?

Saskia Wolf, Revolution Deutschland, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

Ob nun in den USA durch Trump, Duterte auf den Philippinen,
Modi in Indien, Le Pen in Frankreich oder die AfD in Deutschland, seit mehreren
Jahren erleben wir international ein Erstarken der Rechten. Dies geht einher
mit Asylgesetzverschärfungen, Abschiebekampagnen, Angriffen auf Geflüchtete und
Migrant_Innen. Aber nicht nur Nationalismus und Rassismus nehmen zu. Auch
Angriffe auf demokratische Grundrechte und fortschrittliche Gesetze für Frauen
und die Frauenbewegung gehen damit einher. Wir schreiben also das Jahr 2020.
Anstatt dass wir der Befreiung aus der sexuellen Unterdrückung näherkommen,
gibt es ein Rollback für Frauen, ein Zurückwerfen auf ihre Rolle als Mutter und
Hausfrau. Aber warum haben rechte und konservative Kräfte es auf die Freiheit
der Frauen abgesehen?

Seit der Weltwirtschaftskrise 2007/08 hat sich die
Konkurrenz zwischen den einzelnen Kapitalist_Innen und ihren Staaten verschärft.
Es kam zu einer massiven Konzentration von Kapital. Gerade die größeren
Monopole konnten davon profitieren, während kleinere Unternehmen nicht
mithalten konnten.

Kleinere UnternehmerInnen,
auch gerne als Mittelstand bezeichnet, haben Angst, ihre Stellung zu verlieren
und pleitezugehen. Getrieben von der Angst des sozialen Abstieges fangen sie
an, laut herumzubrüllen: Protektionismus, Nationalchauvinismus,
Standortborniertheit, das sind ihre Argumente, um sich zu schützen. Kurz
gesagt: Sie wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen, um nicht ihren Reichtum
zu verlieren. Sie wollen den globalen Kapitalismus also auf reaktionäre Art
bekämpfen.

Mit der Fokussierung
auf Nationalstaat und Protektionismus geht auch einher, dass das Ideal der
„bürgerlichen Familie“ gestärkt werden muss. Denn im Kapitalismus ist die
Arbeiter_Innenfamilie der Ort, wo unbezahlte Reproduktionsarbeit stattfindet.
Ob nun Kindererziehung, Altenpflege, Waschen oder Kochen – all das reproduziert
die Arbeitskraft der einzelnen Arbeiter_Innen und sorgt gleichzeitig dafür,
dass dem Kapital die Produktivkraft nicht ausgeht. Oftmals wird diese
unbezahlte Hausarbeit von Frauen verrichtet. Diese Arbeitsteilung wird dadurch
gefestigt, dass Frauen weniger Lohn als Männer bekommen und sie somit nach
einer Schwangerschaft eher zu Hause bleiben. So verdienen beispielsweise Frauen
im Schnitt 22 % weniger als Männer, machen 75 % der Beschäftigten in
sozialen Berufen aus und arbeiten immer noch doppelt so lang im Haushalt wie
Männer. Im Kontrast dazu stehen erkämpfte Rechte von Frauen und LGBTIAs. Ob nun
Legalisierung von Homosexualität, die Gleichstellungsgesetze, das
Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper – all das lehnen die Reaktionär_Innen
mit aller Macht ab. Denn diese Errungenschaften greifen das Idealbild der
Familie an, auf das sie stark angewiesen, sind damit ihre protektionistische
Vorstellung der Nation Wirklichkeit wird.

Warum sind sie erfolgreich?

Um erfolgreich gegen rechts zu kämpfen, müssen wir
verstehen, warum diese überhaupt so stark geworden sind. Ein zentraler Grund
dabei ist die Führungskrise der Arbeiter_Innenklasse. Nach der Finanzkrise
stieg nicht nur die Konkurrenz unter den Kapitalist_Innen. Große Teile der
Krisenkosten wurden auf die Arbeiter_Innenklasse abgewälzt in Form von Sparmaßnahmen,
Entlassungen und dem Ausbau des Niedriglohnsektors. Das sorgte dafür, dass
große Teile der Klasse in Armut abrutschten. Dabei konnten weder
Sozialdemokratie noch Gewerkschaften die Lage verbessern. Vielmehr verwalteten
sie diese Politik im Interesse des Kapitals mit. Die desillusionierten Teile
der Arbeiter_Innenklasse wenden sich daraufhin den Versprechungen der
Populist_Innen zu.

Was tun?

Gegen Rechtspopulist_Innen und Reaktionär_Innen bedarf es
einer antirassistischen Arbeiter_Inneneinheitsfront, nicht nur gemeinsamen
Kampfs mit den Bürgerlichen gegen rechtliche Einschränkungen. So nennen wir
einen Zusammenschluss zwischen Organisationen der Arbeiter_Innenklasse für
Klassenziele, die z. B. die liberalen Elemente nicht teilen, und mit
Kampfmitteln wie Streiks, über die andere Klassen nicht verfügen. Im Zuge
dessen bedarf es zentraler Aktionstage, bei denen alle Beteiligten
mobilisieren. Dabei ist es wichtig, nicht nur formal zu einer Demo aufzurufen,
sondern klar zu fordern, dass die Basis der Organisationen in die Mobilisierung
einbezogen wird. Das bedeutet, dafür einzutreten, dass es Vollversammlungen und
Aktionskomitees  an Schulen, Unis und in
Betrieben gibt, die sich im Rahmen der Mobilisierungen mit der aktuellen
Politik auseinandersetzen und sich fragen: Wie kann hier konkret eine
fortschrittliche Politik aussehen? Das sorgt dafür, dass an den Orten, an denen
wir uns tagtäglich bewegen müssen, eine bewusste politische Auseinandersetzung
anfängt und zeitgleich mehr Leute erreicht werden als jene, die sich eh schon
für Antirassismus und Antifaschismus interessieren. Zentral ist es, Kämpfe
miteinander zu verbinden und nicht nur aktuelle Angriffe abzuwehren, sondern
auch für konkrete Verbesserungen, um aus der Defensive herauszukommen. Um die
Situation von Geflüchteten unmittelbar zu verbessern, müssen Revolutionär_Innen
für offene Grenzen und Staatsbürger_Innenrechte für alle eintreten. Darüber
hinaus müssen wir die Integration in die Gewerkschaften verlangen, um gemeinsam
der Spaltung entgegenzutreten, besser gemeinsame Kämpfe führen zu können wie
beispielsweise für einen höheren gesetzlichen Mindestlohn, aber auch das Selbstbestimmungsrecht
über den eigenen Körper.

Wenn wir erfolgreich dem Rechtsruck entgegentreten wollen,
müssen wir aktiv gegen rassistische, sexistische Spaltung und für
Verbesserungen der Klasse kämpfen. Nur so können wir die Reaktionär_Innen
aufhalten!




Woher kommt Sexismus?

Svea Hualidu, Revolution Deutschland, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

Sexismus
zieht sich durch alle Bereiche unseres Lebens. Ob nun in der Schule, bei der
Arbeit oder auf dem täglichen Heimweg. Beispielsweise werden Geschlechtern
immer wieder bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Mädchen sollen immer schön
zurückhaltend, fürsorglich und freundlich sein. Jungs sollen hingegen immer
noch nicht über ihre Gefühle reden und die „starken Beschützer“ sein. Dadurch,
dass uns diese Werte durch Medien, Familie und unser Umfeld von Geburt an
vermittelt werden, stellen wir diese oft nicht in Frage.

Sobald
wir in die Schule kommen, werden diese Rollenverteilungen noch durch
nebensächliche Behandlung von der Rolle der Frau in der Geschichte verhärtet.
Frauen aus der Wissenschaft finden sich hier kaum bis gar nicht wieder. Mädchen
sollen gut in Kunst sein und werden für ihre Handschrift gelobt. Wenn sie sich
in einen naturwissenschaftlichen Kurs einschreiben, müssen sie sich dafür dumme
Sprüche anhören. In der Ausbildung oder an der Uni gehen die dummen Sprüche in
der Pause über Frauen, die sich sowieso nur schminken und von technischen
Sachen keine Ahnung haben, weiter. Das sind alles nur Beispiele für  Alltagssexismus. Dieser macht aber nur einen
Teil der Frauenunterdrückung aus. Denn gleichzeitig findet in unserer
Gesellschaft eine strukturelle Unterdrückung der Frau statt. So bekommen  Frauen 2020 immer noch 21 % weniger Lohn
als Männer insgesamt, 8 % mit der gleichen oder vergleichbaren
Arbeitsstelle. Dies führt dazu, dass sie nach der Schwangerschaft oder einem
Krankheitsfall in der Familie häufiger in Teilzeitarbeit gedrängt werden.

So
entstehen mehrere Nachteile: Frauen sind viel häufiger von (Alters-)Armut
betroffen, von ihrem Partner finanziell abhängig und müssen mehr im Haushalt
arbeiten. Daneben gibt es noch gesetzliche Hürden wie Einschränkungen/Verbot
der Abtreibung, während gleichzeitig sexuelle Straftaten kaum geahndet werden.
Klar ist also: Sexismus ist kein Hirngespinst und hat eine materielle Basis in
der Gesellschaft, die stetig reproduziert wird.

Feminismus

Vielen
Leuten ist Feminismus mittlerweile ein Begriff. Dabei gibt es unterschiedliche
inhaltliche Strömungen, die jeweils andere Ansätze entwickelt haben, wie man
gegen Frauenunterdrückung  kämpfen
sollte. Der Queerfeminismus wirft beispielsweise die Frage auf: „Wie definiert
man Geschlechter?“ und sieht das Hauptproblem in der Konstruktion sämtlicher
Geschlechternormen an sich. Der Radikalfeminismus hingegen sieht die Ursache in
der männlichen Natur, sucht die Lösung in der autonomen Organisierung von
Frauen. Intersektionalität fragt „Sind manche Frauen durch die Kombination
mehrerer Unterdrückungsmechanismen mehrfach unterdrückt?“, zeigt allerdings
keinen Lösungsansatz auf und setzt alle Unterdrückungen gleich. Der bürgerliche
Feminismus hat viele Spielarten, konzentriert sich in erster Linie auf die
rechtliche Gleichstellung aller Frauen. Dabei kann es auch dazu kommen, dass
die bürgerlichen Feminist_Innen rückschrittliche Positionen annehmen,
beispielweise Alice Schwarzer, die sich in ihrem Magazin EMMA ganz offen gegen
Sexarbeit und das Tragen eines Kopftuchs ausspricht. Diese Positionen lehnen
wir offen ab.

Alle
diese Spielarten haben mehrere Probleme. Zum einen gibt es selten eine
wirkliche Erklärung, woher Frauenunterdrückung eigentlich kommt. Zum anderen
betrachten sie meist alle Frauen als „Einheit“ und schreiben ihnen ein gleiches
Interesse zu. Das ist problematisch. Zwar ist es positiv, dass
Feminismusmagazine oder Self-Love-Instagramprofile sich mit den eigenen
Gefühlen von erlebter Unterdrückung auseinandersetzen, doch Worte formen leider
nicht die Realität. Diese wird von der ökonomischen Basis der Gesellschaft
geprägt. Da es unterschiedliche Klassen gibt, gibt es auch unterschiedliche
Interessen. So sind Frauenquoten in Chefetagen nur für einen kleinen Teil der
Frauen relevant und eben dieser hat auch ein Problem mit Forderungen, die eine
reale Verbesserung für alle darstellen würden wie bspw. kostenlose Abtreibungen
und Verhütungsmittel oder gleicher, höherer Lohn. Aber woher kommt denn nun
Frauenunterdrückung?

Entstehung der Familie und des Privateigentums

Am
Anfang der menschlichen Geschichte gab es eine klassenlose Urgesellschaft. Hier
waren alle Geschlechter gleichgestellt. Anthropologische Forschungen belegen,
dass sich erwachsene Frauen wegen Schwangerschaft und langer Abhängigkeit der
Kinder von der Mutter nicht an den langen Hetzjagden auf Großwild beteiligen
konnten. Diese war Domäne der erwachsenen, bewaffneten Männer. In dem Sinne
können wir von einer geschlechtlichen Arbeitsteilung sprechen, die genau wie
die noch ursprünglichere (Gebären, Stillen; Zeugen) biologische Ursachen hatte.
Frauen sammelten Früchte, Samen und andere Pflanzenteile und erbeuteten kleine
Tiere. Diese Arbeitsteilung der Jäger- und Sammlergesellschaften hatte so gut
wie nichts mit anderen physischen Unterschieden (Körperkraft, Ausdauer) zu tun.
Frauen trugen geschätzt 60 % zum Nahrungserwerb der Horden bei.

Mit
der Sesshaftwerdung, also ab der Jungsteinzeit, entwickelte sich dann Stück für
Stück ein Überschuss. Dies geschah insbesondere durch die Viehzucht und die
Durchsetzung des Ackerbaus (insbesondere in Verbindung mit Zugtieren zum
Pflügen). Eben jene Entwicklung ist hierbei hervorzuheben. Sie legte die Basis
für die Umgestaltung der Verhältnisse in Produktion (Ausbeutung,
Klassengesellschaft, Staat) und Reproduktion. Durch den erwirtschafteten systematischen,
dauerhaften Überschuss konnte erstmals ein Teil der Gesellschaft aus der
Produktion ausscheiden, sei es nur im Alter oder zeitlebens bei ehemaligen
Oberhäuptern (Häuptlingen). In diesem Zuge bildete sich auch die Familie
heraus. Diese unterschied sich von der heutigen dadurch, dass neben dem
Oberhaupt auch Haussklav_Innen oder Gesinde (nicht verheiratete Mägde und
Knechte) dazugehörten.

Auch
wenn die Übergangsperiode zur Klassengesellschaft mehrere Tausend Jahre
dauerte, so erwuchs sie aus dieser Formation und legte ebenfalls den Grundstein
für die Entstehung des Staates. Ein wichtiges Element hierbei nimmt der Übergang
zur Monogamie ein. Damit das Eigentum in an die eigenen Nachkommen vererbt
werden konnte, wurde diese essenziell. Diese war in erster Linie verbindlich
für Frauen, da durch die Monogamie die leibliche Vaterschaft der besitzenden
Männer gesichert werden sollte. Herauszustellen ist, dass
die Unterdrückung der Frau ab Entstehung der ersten Klassengesellschaften
unumkehrbar geworden ist und ihre Beseitigung darum die Errichtung einer
klassenlosen Gesellschaft erfordert.

Übergang
in den Kapitalismus

Mit
Beginn des Kapitalismus und der Entstehung des Proletariats hörte der Haushalt
auf, die grundlegende Produktionseinheit zu sein. Statt in der Familie selber
zu produzieren, musste es nach seiner Vertreibung von Grund und Boden, nach
Verlust seiner Produktionsmittel die eigene Arbeitskraft bei KapitalistInnen
verkaufen. Im Zuge des wachsenden Fortschritts, der Einführung von Maschinen im
Zuge der industriellen Revolution wurde es notwendig und möglich, mehr
Arbeitskräfte als nur Männer (Lohnarbeit von Frauen und Kindern) in die
Fabrikproduktion einzubeziehen. Zuvor, im Verlagssystem (Zwischenglied zwischen
Handwerk und Industrie), waren die Produzent_Innen schon keine Handwerker_Innen
mehr, weil sie allein von Aufträgen der Kaufleute vollständig abhängig waren,
aber noch keine Proletarier_Innen, weil sie formal noch über ihre
Produktionsmittel und Werkstatt verfügten. Mit dem Ruin des Handwerks wurden
sie zu Lohnabhängigen in industrieller Kooperation und Manufaktur. Die
Fabrikarbeit stellt für die Emanzipation der Frauen insofern einen Fortschritt
dar, als sie durch Mechanisierung etliche Schranken der nach Gewerk getrennten
Arbeitsteilung zwischen Männern, Frauen und Kindern einreißt und Aufhebung der
geschlechtlichen Arbeitsteilung vom technischen Prinzip, vom Stand der
Produktivkräfte her überhaupt ermöglicht. Muskelkraft spielt nur noch eine
untergeordnete Rolle.

Doch die kapitalistischen Produktionsverhältnisse verwandeln das
fortschrittliche Potenzial des Fabriksystems in eine Hölle für die
Arbeiter_Innenklasse, für die Frauen zudem noch in ein Fegefeuer. Da erstens
nämlich der Lohn von Arbeiter_Innen nur das enthält, was zur Reproduktion der
eigenen Familie notwendig ist und er im Fabriksystem auf die gesamte
Arbeiter_Innenfamilie verteilt wurde, sank der des Ehemannes, der zuvor die
Bestandteile für Gattin und nachwachsende zukünftige Arbeitskräfte enthielt.
Dies sparte den Kapitalist_Innen Geld und verschärfte auch die Konkurrenz
innerhalb der Klasse. Diese Abwertung des männlichen Arbeitslohns liegt dem
reaktionären proletarischen Antifeminismus zugrunde. Zum zweitens wurde die Arbeiter_Innenfamilie nun
als Ort, an dem die Arbeitskraft wieder hergestellt werden musste, zur zweiten,
aber unbezahlten Schicht für die Lohnarbeiterin.

Für die Arbeiter_Innenklasse  hat sie
also einen doppelten Charakter. Zum einen ist die Familie der einzige
„Ruheort“, zum anderen jedoch für die Frau eine Doppelbelastung. Sie musste
arbeiten und sich gleichzeitig um den Haushalt kümmern. So sparen die
Kapitalist_Innen zusätzlich viel Geld dadurch, dass sie die Reproduktion ins
Private auslagern. An Stellen, wo dies nicht (mehr) möglich ist wie
beispielsweise der grundlegenden Ausbildung, greift dann der bürgerliche Staat ein, um das
Interesse der gesamten Kapitalist_Innenklasse zu vertreten (allgemeine
Schulpflicht, Verbot der Kinderarbeit).

Auf der anderen Seite blieb Familie funktional für das Bürger_Innentum, um
die Vererbung innerhalb der herrschenden Klasse zu legitimieren. Das klassische
Bild der Arbeiter_innenhausfrau, was vor allem in westlichen, imperialistischen
Ländern präsent war, ist dabei etwas, das erst im späteren Verlauf der
Geschichte entstand. Für die Bürgerlichen und ebenso die besser gestellten
Kleinbürger_Innen war dieses zweifelhafte Ideal hingegen schon immer möglich.
Als sich dann vor allem in imperialistischen Ländern eine Schicht von
Arbeiter_Innen (Arbeiter_Innenaristokratie) durch erfolgreiche Streiks sowie
Extraprofite herausbildete, die besser verdient, wurde von ihr diesem Bild der
bürgerlichen Familie als Privileg nachgeeifert. Allerdings ist dies, wie wir
wissen, auch heute nur für einen kleinen Teil möglich.

All das beweist, dass Sexismus eine Klassenfrage ist und somit auch der
Kampf um die Frauenbefreiung einer um die Herrschaft einer Klasse über die
andere ist. Der Kapitalismus hat sich als unfähig und unwillig erwiesen, die im
Haushalt verrichtete Arbeit systematisch zu vergesellschaften. Er ist daher
unfähig, die Unterdrückung der Frauen zu beenden.

Doch
wie dagegen ankämpfen?

Für
die Praxis heißt das anzuerkennen, dass zwar auch die Männer der
Arbeiter_Innenklasse in einem gewissen Maß von Frauentundrückung profitieren,
allerdings keinen historischen Nutzen daraus ziehen. Vielmehr werden sie
dadurch an der Verwirklichung ihrer grundlegenden Klasseninteressen gehindert. Nur
ein gemeinsamer Kampf aller Proletarier_Innen gegen die herrschende Klasse kann
ein erfolgreicher sein. Als
Revolutionär_Innen müssen wir uns entschieden gegen jegliche Form der
Frauenunterdrückung stellen. Um diese jedoch effektiv zu beseitigen, müssen wir
sie an der Wurzel packen – dem Kapitalismus. Gleichzeitig muss klar
herausgestellt werden: Wir müssen den Kampf für eine bessere Welt mit Reformen
und konkreten Verbesserungen im Hier und Jetzt verbinden!

Beispielsweise durch einen gemeinsamen höheren
Mindestlohn oder das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper kann man
die existierende Spaltung innerhalb der Arbeiter_Innenklasse anfangen zu
beseitigen. Ebenso müssen diese Kämpfe an allen Orten unseres täglichen Lebens
und somit auch an denen, wo Politik stattfindet, geführt werden. Durch
Diskussionen am Arbeitsplatz, gewerkschaftliche Organisierung auch mit dem
Ziel, den Kampf gegen Frauenunterdrückung dort mit einzubringen,
antisexistische Veranstaltungen an Schulen und eine Schüler_Innengewerkschaft.
Komplett aufgelöst werden kann sie nur in einer klassenlosen Gesellschaft, in
der die Reproduktionsarbeit nicht mehr nur auf die Familie und somit die Frauen
ausgelagert wird. Ziel muss es sein, die tägliche Hausarbeit
gesamtgesellschaftlich zu organisieren. Durch beispielsweise Großküchen,
Waschräume sowie Kinder- und Angehörigenbetreuung, die kollektiv organisiert
wird.

Für den Kampf im Hier und Jetzt muss uns dabei klar sein, dass in der
heutigen Gesellschaft, in der wir alle nicht frei von unterdrückender
Sozialisierung leben, es auch in linken Organisationen Mechanismen bedarf, die
dem entgegenwirken. So brauchen wir jetzt schon kollektive Kinderbetreuung,
aktiven Umgang mit sexuellen Grenzüberschreitungen, Bewusstsein, Frauen und
sexuell Unterdrückte von technischen Aufgaben zu befreien sowie sie zu
ermutigen, aktiv nach außen zu treten. Auch Caucuses, also gesonderte Treffen
von sozial Unterdrückten, bei der sie sich über Erlebtes austauschen können,
sind ein notwendiges Mittel. Ebenso müssen Männer regelmäßig ihre
Sozialisierung und unterdrückendes Verhalten reflektieren.

Quellen: Hausarbeit https://www.beziehungen-familienleben.de/ergebnisse/wie-teilen-sich-maenner-und-frauen-die-arbeit-im-haushalt/




Aus unserer neuen Zeitung: Nachgefragt!

Felix Ruga+ Resa Ludivin

Was ist Enteignung?

Oft stößt mensch bei uns auf die Forderung nach Enteignung: Wir wollen die Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen enteignen, die „Klimakiller“ wie Kohle- und Automobilindustrie oder Verkehrsunternehmen. Dabei ist die Idee, dass die Wirtschaft sich nach den Bedürfnissen der Menschen ausrichten soll. Einige spielen dabei eine besondere Rolle, weil sie sehr grundlegend für uns (Wasser, Wohnen, Essen, …) oder wichtig für das Klima (Transport, Energie) sind. Im Besonderen jene, deren Sicherung zentral sind (Wohnen, Wasser, Transport,…) oder die eine besondere Rolle in einem schwerwiegenden Problem haben (ÖPNV kostenlos machen, damit es weniger Autos weniger gefahren werden gibt). Wenn diese Dinge jedoch in privater Hand sind, dann sind sie vor allem für die Gewinne der Eigner_Innen statt für unsere Bedürfnisse da. Daher also diese Sache mit der Enteignung.

Dafür gibt es im Groben zwei Formen:
Zum einen wäre da die einfache Verstaatlichung. Dann geht es schon einmal nicht mehr um ein privates Profitinteresse und die Verwaltung wird von Beamt_Innen übernommen. Die Preise, Qualität und Produktion wird also zu einer Frage der Politik. Allerdings wird trotzdem noch für einen Markt produziert wird, es wirken also immer noch Zwänge wie eine gewisse Wirtschaftlichkeit und zum Teil tauchen wieder die gleichen Probleme wie Personalmangel, Verteuerung usw. auf. Das grundlegende Problem dabei ist, dass im Kapitalismus der Staat nicht dazu da ist, das Interesse der Gesamtheit zu vertreten. Vielmehr hält er die Klassengesellschaft aufrecht und wird daher auch nie effektiv unsere Bedürfnisse in der Produktion erfüllen. Bei Verstaatlichungen werden außerdem die ehemaligen Eigner_Innen oft viel zu hoch entschädigt. Ein Fortschritt stellt es trotzdem meistens dar!

Wir sprechen eigentlich von einer anderen Art der Enteignung: Es bilden sich demokratische Arbeiter_Innenräte, die die Betriebe besetzen. Diese entwickeln auch einen demokratischen Plan, was und wie zu produzieren sei. Alle könnten mitwirken, sodass sich die Produktion wie auch die Produkte am Menschen orientieren.

Wie sollten wir mit der Wissenschaft umgehen?

Fridays For Future, Extinction Rebellion sowie viele andere in der Umweltbewegung sehen sich als ein Sprachrohr oder die Vorkämpfer_Innen der Wissenschaft. Eine der großen Forderungen, die oftmals an die Regierung gestellt wird, ist: “Hört auf die Wissenschaftler_Innen!“, die klar belegen können, dass die Emissionen schleunigst gesenkt werden müssen und was für Reformen nötig wären. Und diese unterstützen wiederum auch die Klimabewegung, etwa in Form von Scientists For Future oder den vielen Vorträgen auf Demos und Veranstaltungen.
Die Wissenschaft auf unserer Seite zu wissen, ist eine große Stütze, denn sie gilt als objektiv und scheint somit als wertneutrale Stimme nach Vernunft, auf die zu hören im Interesse aller wäre. Ohne deren Urteil könnten, wir auch niemals sicher sein, dass wir überhaupt unsere Welt zu retten haben!
Jedoch führt dieser Anspruch der Objektivität auch dazu, dass sie keine konkreten politischen Handlungsvorschläge machen können: Sie sagen zwar, was getan werden muss, aber um das wirklich zu erreichen, müssen wir auch erklären, wie wir dorthin kommen! „Hört auf die Wissenschaft“ reicht aber nicht aus. Die Wissenschaft, schwebt nämlich nicht über der Klassengesellschaft. Sie hat richtig erkannt, das etwas getan werden muss, sie kann aber das Problem nicht lösen, was genau passieren muss und welche politischen Veränderungen notwendig sind. Darin besteht unsere Aufgabe: eine Perspektive zur gesellschaftlichen Veränderung umsetzen, die Klassenstandpunkt hat. Es darf dabei keine Kompromisse mit Profitinteressen geben, wir müssen es international machen, wir müssen es gemeinsam mit den Beschäftigten machen, wir müssen eine Gesellschaft schaffen, in der die Erkenntnisse der Wissenschaft unmittelbar umgesetzt werden können!
Und vor allem brauchen wir hierfür eine ausfinanzierte Wissenschaft, unabhängig von Geld und Karriere. Viele Technologien, die eine große Hilfe gegen den Klimawandel sein könnten, werden nicht ausreichend erforscht, da sie nicht profitabel genug sind. Werden doch einmal zum Beispiel klimafreundliche Produkte entwickelt, werden diese oft patentiert und versauern im schlimmsten Fall in irgendeiner Schublade, während weiter die alten, rentableren Produkte verkauft werden. Das alles passiert, wenn das die Geldgeber_Innen der Wissenschaft selbst eigene Profitinteressen haben. Sogar vor 50 Jahren sagten schon viele Wissenschaftler_Innen, dass es den Klimawandel gibt, aber durch große Energiekonzerne (wie Exxon mobil) wurden viele gekauft und haben Fehlinfos verbreitet.

Was können die Gewerkschaftsjugenden für die Klimabewegung machen?

Trotz der stärksten Umweltbewegung seit Jahren rief der DGB bisher nicht mal zu den Großstreiks auf, obwohl er das gekonnt hätte und die Klimakrise nicht nur ein Problem von Schüler_Innen ist, sondern von Arbeiter_Innen weltweit. Es liegt jetzt an den Gewerkschaftsjugenden das zu ändern.

Zwar sind die meisten Ortsgruppen stark an den Gewerkschaftsapparat angebunden, doch können sie gerade dies nutzen, um Klimaforderungen in die Gewerkschaft zu tragen. Die Forderungen von FFF, ebenso wie ein „sozialverträglichen Umweltschutz“ aussehen kann, werden derzeit schon diskutiert. Wir sagen: der einzig „sozialverträgliche Umweltschutz“ ist, sich das Geld bspw. für Umschulungsmaßnahmen von Kohlearbeiter_Innen usw. bei den großen Klimasünder_Innen selbst zu holen!
Das Ziel aller jungen Gewerkschafter sollte nicht sein eines Tages an der Spitze des Apparates zu stehen, sondern gemeinsam mit anderen Teilen der Bewegung für die Rechte und Lage von Arbeiter_Innen sowie unserer aller Zukunft zu kämpfen. In der Klimabewegung bedeutet das: Umweltschutz mit Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitszeitverkürzung und Neuaufteilung der Arbeit zu verknüpfen. Eine ökologische Wirtschaft ist unvereinbar mit der kapitalistischen Produktionsweise, denn sie kann nur funktionieren, wenn sie nicht profitorientiert ist. Wir müssen daher den Kern des Problems angehen. Doch diese Ziele können nur durch Druck auf die Kapitalist_Innen umgesetzt werden, durch einen Generalstreik für das Klima- sprich einem politischen Streik. Um das zu organisieren und eine Perspektive der Bewegung zu diskutieren, müssen sich alle kämpferischen Teile bei einer Strategiekonferenz 2020 verbinden. Lasst uns gemeinsam für eine nachhaltige Produktion in den Händen der Beschäftigten kämpfen!

Wozu brauchen wir Internationalismus in der Klimabewegung?

Die derzeitige Klimabewegung ist besonders stark in imperialistischen Ländern wie Deutschland. Hier wird über Klimanotstand, erneuerbare Energien und die Einhaltung irgendwelcher Grenzwerte diskutiert. Doch allzu oft verliert sie dabei aus den Augen, dass es in einigen Regionen der Welt bereits einen „Klimanotstand“ gibt, Menschen unter Wasserknappheit leiden und sterben oder aufgrund der sich verschlechternden Umweltbedingungen fliehen müssen.
Nehmen wir E-Autos als Beispiel, da sie von vielen Aktivist_Innen als Lösung der durch Autos abgesonderten Abgase gesehen werden. Zum Betrieb davon braucht man u. a. Cobalt, der in afrikanischen Ländern wie dem Kongo abgebaut wird. Die Arbeitsbedingungen: miserabel, zum Teil auch Kinderarbeit. Die Profite gehen nicht etwa an die Arbeiter_Innen vorort, sondern erst in imperialistischen Ländern, in denen man sich die heute noch sehr teuren E-Autos kaufen kann, wird der große Reibach von Konzernen wie BMW, VW oder Mercedes gemacht. Eine teure Lösung für reiche Imperialist_Innen also, bei dem im besten Falle die lokale Emission minimal verringert wird. Wo bleibt hier die Debatte um Arbeitsbedingungen? Globale Strategien zur Lösung der Klimakrise?
Outsourcing von Klimasünden bringt rein gar nichts fürs Klima! Lediglich die Klimabilanz imperialistischer Nationen wie Deutschland werden dadurch geschönt. Nationale „Lösungen“ bringen bei globalen Problemen gar nichts und sind nur Scheinlösungen zum Nachteil der Länder und ihrer Bevölkerungen, die heute schon im größeren Maße von Klimakatastrophen, verschmutzter Luft oder Wasser betroffen sind. Klimagerecht ist anders. Internationalismus heißt Klimagerechtigkeit für alle und eine Perspektive für alle. Daher muss die Antwort der Bewegung auf die Klimakrise heißen: Solidarität, Internationalismus, Antikapitalismus!

Interesse an unserer neuen Zeitung? Dann schau mal hier nach: http://onesolutionrevolution.de/zeitung/ oder schreib uns einfach unter http://onesolutionrevolution.de/kontakt/ an für eine gedruckte Version 😉




Welchen Antisexismus brauchen wir?

Jaqueline Katherina Singh, REVOLUTION, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung, März 2019

Wir leben in unruhigen Zeiten. Rechte Populist_Innen und Reaktionär_Innen gewinnen an Popularität. Mit ihnen wird rassistische Hetze wieder salonfähig sowie neoliberale Kürzungspolitik Alltag. Emanzipation wird ersetzt durch tradierte Rollenbilder und das konservative Bild der bürgerlichen Familie. Begleitet wird dies mit einer Zunahme an internationalen Spannungen: Handelskriege, zunehmende kriegerische Auseinandersetzungen und fortschreitende Militarisierung.

Doch so düster das Ganze aussieht, so erleben wir, wie auf der ganzen Welt Frauen für ihre Rechte demonstrieren und streiken. So gingen am 8. März 2018 in über 177 Ländern Menschen für die Rechte der Frauen auf die Straße. Allein in Spanien streikten 6 Millionen Frauen gegen sexuelle Gewalt, für gleiche Löhne und das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. In der Türkei demonstrierten mehrere Tausende trotz der großen Repression seitens des Erdogan-Regimes. Darüber hinaus gab es in den letzten Jahren immer wieder große Proteste: Ob nun im Rahmen des Women’s March in den USA, des „schwarzen“ Protests gegen das Verbot von Abtreibungen in Polen, von Ni Una Menos in Lateinamerika – überall auf der Welt demonstrierten Millionen Frauen für ihre Rechte.

Als Revolutionär_Innen müssen wir uns die Frage stellen: Welche Perspektive haben die Proteste? Wie können wir uns gegen die Angriffe der Rechten wehren? Kurzum stellt sich die Frage: Welchen Antisexismus brauchen wir?

Ursprung der Frauenunterdrückung

Um diese Frage gut zu beantworten, müssen wir verstehen, woher eigentlich Frauenunterdrückung kommt. Schließlich wollen wir nicht nur gegen Auswüchse des Problems kämpfen, sondern es gleichzeitig an seiner Wurzel packen, um es für ein alle Mal zu beseitigen!

Als Marxist_Innen gehen wir davon aus, dass die Unterdrückung der Frau nicht in der Biologie oder „Natur des Menschen“ wurzelt. Weder wohnt es Frauen von „Natur aus“ inne, unterdrückt zu werden, noch Männern, Gewalt gegenüber Frauen auszuüben.

Vielmehr müssen die Wurzeln der Jahrtausende alten Unterdrückung der Frauen selbst in der Geschichte, in sozialen Entwicklungen gesucht werden. In seinem Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ setzt sich Friedrich Engels nicht nur systematisch mit der Frage auseinander, er skizziert auch eine materialistische Erklärung der Unterdrückung der Frauen, des Patriarchats und seines Wandels in der Geschichte.

Engels weist darauf hin, dass Frauen nicht immer unterdrückt oder das „schwache“ Geschlecht waren, sondern – wie auch die moderne Forschung belegt – erst ab einem bestimmen Zeitpunkt der Entwicklung der Menschheit die Unterdrückung der Frauen beginnt und nach einer langen Periode systematische Formen annimmt.

Kurz zusammengefasst: Frauenunterdrückung gab es nicht schon immer und ist auch nichts Natürliches. Erst als Menschen sesshaft wurden und anfangen, mehr zu produzieren, als sie ein Mehrprodukt erzeugten und sich Privateigentum herauszubilden beginn, fing das Problem an. Dies passierte zur Zeit der Jungsteinzeit. Während es vorher Stammesgemeinschaften gab, bei denen es auch keine unterdrückerische geschlechtsspezifische Arbeitsteilung gab, veränderten sich in dieser Zeit die Strukturen des Zusammenlebens. Denn mit dem entstehenden Privatbesitz an Grund und Boden setzten sich auch patriarchale Vererbungsstruktur, systematische Ausbeutung und Unterdrückung durch (Sklaverei, Unterdrückung der Frau).

Damit die Vaterschaft gesichert und das väterliche Erbe auf die eigenen, leiblichen Kinder übergehen konnte, musste die Frau monogam leben. Im Laufe der Zeit, also über die Sklavenhaltergesellschaften der Antike hin zum Feudalismus verfestigten sich diese Strukturen und wurden gemäß der jeweils vorherrschenden Produktionsweise modifiziert. So wurde beispielsweise im feudalen Europa die Unterdrückung der Frau durch das Christentum ideologisch unterfüttert.

Der Kapitalismus hat das schon bestehende Unterdrückungsverhältnis den Erfordernissen der Ausbeutung der Lohnarbeit angepasst. Die herrschende Klasse profitiert von der Frauenunterdrückung und ihr System ist eng mit ihr verwoben. Beispielsweise ist die Familie erhalten geblieben, auch wenn sich ihre Funktion für die arbeitende Klasse gewandelt hat. Im bäuerlichen Haushalt der Feudalzeit war sie auch Ort der Produktion – der notwendigen Lebensmittel für die Familien der Bauern und Bäuerinnen wie des Überschusses, des Mehrprodukts für den Grundherrn, dessen Familie und Hofstaat. Dies wurde aber aufgrund der Industrialisierung überflüssig, da die LohnarbeiterInnen über keine eigenen Produktionsmittel verfügen, sondern ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen mussten und bis heute müssen. Dennoch blieb die Familie bestehen, denn im Kapitalismus dient sie dazu, die Arbeitskraft zu reproduzieren, die im Haushalt vor allem von den Frauen ohne Entlohnung erledigt werden muss. Zugleich werden über die Familie und die ihr zugrunde liegende Arbeitsteilung nach Generationen und Geschlechtern auch gleich die sozialen Rollen vermittelt.

Unterschiedliche Interessen

Insgesamt ist wichtig herauszustreichen, dass zwar alle Frauen von Unterdrückung betroffen sind, aber wie und wie stark das der Fall ist, hängt von ihrer Klassenzugehörigkeit ab. So sind die Frauen der Bourgeoisie auch Angehörige der ausbeutenden Klasse – und haben somit ein materielles Interesse an der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems und ihrer damit verbundenen Privilegien. Die Frauen aus dem Kleinbürger_Innentum und den Mittelschichten nehmen – wie diese Klassen selbst – eine widersprüchliche Stellung ein. Einerseits sind sie viel härterer Unterdrückung ausgesetzt als die Frauen der herrschenden Klasse. Sie müssen – wie die proletarischen Frauen – Beruf und Kindererziehung unter einen Hut bringen oder werden in den halbkolonialen Ländern von ihren Männern an den Haushalt gefesselt. Während viele dieser Frauen noch vor einigen Jahrzehnten (v. a. in den westlichen Ländern) sozial aufsteigen konnten, Karriere machten und einer Gleichberechtigung nahezukommen schienen, so sind sie heute oft auch massiv von Angriffen durch Sozialabbau (Kürzungen bei Kitas, Privatisierung, …) bedroht, die ihre Unterdrückung verschärfen.

Doch ähnlich wie kleinbürgerliche Ideologien oder auch der Reformismus erkennen sie den engen Zusammenhang von Kapitalismus und Privateigentum mit der Frauenunterdrückung nicht. Sie erblicken vielmehr in deren ideologischen Ausdrucksformen (Stereotypen, Geschlechterrollen, sexuellen Vorurteilen, Heterosexismus, …) die Ursache der Unterdrückung. Ihre Strategie erschöpft sich in verschiedenen Formen des radikalen oder reformistischen Feminismus, was ihre relativ privilegierte Stellung als Kleineigentümer_Innen oder Akademiker_Innen (Bildungsbürger_Innen) gegenüber der Masse der werktätigen Frauen widerspiegelt.

Die Arbeiter_Innenklasse als Ganze hingegen hat ein objektives materielles Interesse daran, das Kapitalverhältnis und damit die innerhalb der Lohnarbeit reproduzierte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wirklich zu überwinden und abzuschaffen – die proletarischen Frauen darüber hinaus auch ein brennendes, unmittelbares, subjektives. Konsequenter Antisexismus ist daher notwendigerweise Teil des revolutionären Klassenkampfes des Proletariats, weil er die Ausbeutung abschafft und die Produktion um der Reproduktion des unmittelbaren Lebens der Produzent_Innen willen umgestaltet, statt sie auf die Mehrarbeit für den Reichtum der Ausbeuterklasse auszurichten. Eine Frauenbewegung, die an die Wurzeln der Unterdrückung geht, kann nur eine proletarische, eine sozialistische Frauenbewegung sein, weil nur sie für den revolutionären Sturz des Kapitalismus, die Machtergreifung der ArbeiterInnenklasse als notwendigen Schritt zu einer klassenlosen Gesellschaft eintritt.

Kurze Kritik der Feminismen

Um nicht nur gegen die Auswirkungen der Frauenunterdrückung zu kämpfen, sondern diese zu beenden, bedarf es einer Analyse ihrer Ursachen. Diese ist besonders wichtig, da wir aus ihr Schlüsse ziehen können, mit welchen Mitteln wir gegen Sexismus kämpfen müssen. Deswegen haben wir als Marxist_Innen auch Kritik an Theorie und Programm der verschiedenen feministischen Strömungen. Auch wenn der Begriff „Feminismus“ heute im Alltagsgebrauch oft mit „Gleichberechtigung der Frauen“ gleichgesetzt wird (und in diesem Sinn alle Menschen, die für diese kämpfen als „feministisch“ betrachtet werden könnten), so unterscheiden sich die verschiedenen feministischen Theorie untereinander wie auch von einem marxistischen Verständnis der Frauenunterdrückung erheblich.

Zweifellos haben verschiedene feministische Theorien und Bewegungen zum Kampf um Gleichberechtigung viel beigetragen und wir unterstützen diese. Aber wir halten Teile ihrer Schlussfolgerungen wie die Methode ihrer Analysen für politisch falsch und glauben, dass die Kampfmittel nicht ausreichend sind, um an das gemeinsame Ziel zu kommen. Um dies zu skizzieren, setzen wir uns kurz mit einigen feministischen Strömungen auseinander, denn ähnlich wie z. B. beim „Antifaschismus“ gibt es viele unterschiedliche Strömungen, die oftmals unter einem Begriff zusammengeworfen werden.

Am deutlichsten wird das beim bürgerlichen Feminismus. Dieser beschränkt sich heute in seinen Forderungen meist darauf, Frauen das gleiche Recht einzuräumen wie Männern. Dabei fokussiert er sich aber überwiegend auf die Bedürfnisse von Frauen aus der herrschenden oder kleinbürgerlichen Klasse. Dies zeigen beispielsweise Institutionen wie Womens20, die im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg tagte. Dort sprachen Frauen wie Ivanka Trump, Angela Merkel und Vertreterinnen von Firmen und diskutierten, wie die „Förderung von weiblichem Unternehmertum sowie Zugang zu Kapital- und Finanzdienstleistungen für Frauen“ praktisch aussehen kann. Dass dies nur zur Verbesserung der Lage von Frauen beträgt, die aus gehobeneren Schichten kommen, sollte klar sein.

Der radikale Feminismus, der in der zweiten Welle der Frauenbewegung in den 1960er und 1970er Jahren entstand, beanspruchte hingegen ähnlich wie heute der Queer-Feminismus, die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst in Frage zu stellen. Für beide liegt die Wurzel der Frauenunterdrückung allerdings nicht in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Klassengesellschaft. Der Radikalfeminismus erblickt sie in einer allenfalls neben/quer zu dieser verlaufenden, überhistorischen Unterdrückung der Frauen durch die Männer aller Klassen. Der Queer-Feminismus und die dekonstruktivistischen Theorien erblicken die Ursache der Unterdrückung im Diskurs, in einer „heteronormativen Matrix“. Demzufolge bilden nicht die materiellen Verhältnisse (geschlechtsspezifische Arbeitsteilung) die Ursache der Frauenunterdrückung, sondern es sind vielmehr sexistische Ideologien, Vorstellungen, Sprechweisen, Diskurse, die zu Machtverhältnissen und Unterdrückung führen. Daher unterscheidet sich auch das Programm der Befreiung grundlegend. Während Marxist_Innen erkennen, dass Sexismus und Heteronormativität – wie jede reaktionäre Ideologie – nur dann endgültig verschwinden können, wenn ihre materielle Grundlage beseitigt ist, so erblickt der Queerfeminismus im Kampf um diskursive Deutungen den Kern der Auseinandersetzung. Dieser unterschiedlichen strategischen Ausrichtung entsprechen verschiedene Klassenstandpunkte. Der Queerfeminismus (und vor ihm der Radikalfeminismus) bringt jenen des Kleinbürger_Innentums und der Mittelschichten zum Ausdruck, der Marxismus jenen der proletarischen Frauen wie der gesamten Arbeiter_Innenklasse.

Ein heute eher marginales Dasein fristet der „sozialistische Feminismus“. Dieser versuchte in den 1970er Jahren, Feminismus und Marxismus zu verbinden und stellte zweifellos die linkeste Strömung innerhalb des Feminismus dar. Doch auch dieser war nicht in der Lage, die Schwächen v. a. des radikalen Feminismus zu überwinden, sondern kombinierte sie auf theoretischer Ebene nur mehr oder weniger zusammenhangslos mit marxistischen Vorstellungen (siehe beispielhaft den Artikel zur Debatte um „Lohn für Hausarbeit“ in dieser Ausgabe).

Aber was für einen Antisexismus brauchen wir dann?

Wir kämpfen für eine internationale, multiethnische, proletarische Frauenbewegung, die sich weltweit vernetzt und ihre Kämpfe mit einer antikapitalistischen Perspektive verbindet. Dabei sagen wir klar, dass es einen gemeinsamen Kampf von arbeitenden Frauen und Männern braucht. Das leitet sich daraus ab, dass die Angehörigen der Arbeiter_Innenklasse ein gemeinsames historisches Interesse haben, den Kapitalismus zu stürzen – im Gegensatz zu Frauen aus der Bourgeoisie, aber auch aus dem Kleinbürger_Innentums und den Mittelschichten. Daneben kann nur ein gemeinsamer Kampf, also beispielsweise Streiks, Demonstrationen genügend Druck auf- und bestehende Spaltungsmechanismen langsam abbauen. Dafür einzutreten, bedeutet aber auch einen konsequenten Kampf gegen Sexismus, Chauvinismus und Machismus in der Arbeiter_Innenklasse selbst zu führen.

Dies geht in einem gemeinsamen Kampf besser. Wir wissen aber auch, dass „die Männer“ in den Gewerkschaften, im Betrieb und nicht zuletzt in der „Partner_Innenschaft“ nicht ohne Druck auf ihre Privilegien verzichten werden. Ein Mittel sind dazu verpflichtende antisexistische Reflexionsrunden, Awarenessteams auf Veranstaltungen und die Schaffung von Strukturen, bei denen man übergriffiges Verhalten melden kann. Für Frauen bedarf es des Rechts auf Schutzräume, in denen man sich gesondert treffen kann, gezielter politischer Förderung und einer Entlastung von technischen Aufgaben.

Darüber hinaus ist Aufgabe einer internationalen, multiethnischen, proletarischen Bewegung, die unterschiedlichen Probleme, die Frauen auf der Welt haben, zu thematisieren und eine Perspektive für alle aufzuwerfen: ob nun von der Muslima, die das Recht hat, ihren Glauben so zu praktizieren, wie sie es möchte, über schwarze Frauen, die nicht länger der massiven Polizeigewalt und rassistischen Angriffen in den USA ausgesetzt sein wollen bis hin zur pakistanischen Arbeiterin, die nicht länger für einen Hungerlohn arbeiten will.
Egal ob für geflüchtete Frauen, lesbische, bi-, trans- oder asexuelle oder Frauen aus Halbkolonien oder Industrienationen: Aufgabe ist es, für die unterschiedlichen Situationen die Gemeinsamkeiten in der sexistischen Unterdrückung herauszustellen, aber auch die Unterschiede aufzuzeigen, und wie sie mit der Unterdrückung, die man als Frau erfährt, sowie mit anderen Faktoren zusammenhängen. Betrachtet man dies genauer, kommt heraus, dass überall auf der Welt Frauen mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind.

1. Volle rechtliche Gleichstellung und Einbeziehung in den Produktionsprozess!

Auch wenn gefeiert worden ist, dass nun überall auf der Welt Frauen wählen dürfen (dass dies z. B. in Saudi-Arabien nur für Kommunalwahlen gilt, wird außer Acht gelassen), haben Frauen vielerorts nicht die gleichen Rechte. Das bedeutet praktisch beispielsweise erschwerte Scheidungsmöglichkeit oder keine politische Teilhabe. In der gleichen Situation befinden sich auch alle Frauen, die sich auf der Flucht befinden und deswegen an ihrem Aufenthaltsort nicht die Staatsbürger_Innenrechte in Anspruch nehmen können. Insgesamt sorgt das dafür, dass Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt und durch ihre Isolation entmündigt werden. Ein Verbot, arbeiten zu gehen oder dies nur von zu Hause aus tun zu können, bedeutet vollkommene ökonomische Abhängigkeit von dem Partner oder der Familie. Dort wo dies nicht gegeben ist, müssen wir die Gewerkschaften dazu auffordern, eben jene in unsere Reihen aufzunehmen. Dies ist ein wichtiger Schritt, der deutlich macht, dass auch sie Teil der Arbeiter_Innenklasse sind, ähnlich wie Arbeitslose.

2. Gleiche Arbeit, gleicher Lohn!

Während Reaktionär_Innen versuchen, den Lohnunterschied damit zu erklären, dass Frauen einfach in weniger gut bezahlten Berufen arbeiten, weil sie angeblich körperlich „nicht so hart arbeiten können“ wie Männer, ist für uns klar: Der Unterschied in der Lohnhöhe folgt aus der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die der Kapitalismus reproduziert. Der Lohn der Frau erscheint bis heute in den meisten Ländern als „Zuverdienst“ zum Mann. Der Lohnunterschied manifestiert a) die Rolle der Frau in der Familie, denn wenn sie weniger verdient, ist sie es, die „natürlich“ zu Hause bleibt, um auf Kinder oder pflegebedürftige Personen aufzupassen; b) die Abhängigkeit vom Partner. Dadurch werden Frauen auch „leichter“ aus der Arbeit gedrängt oder noch stärker in prekäre, schlecht bezahlte Arbeit oder Teilzeitjobs. Deswegen müssen wir gemeinsam dafür kämpfen, dass es keine Spaltung innerhalb der Arbeiter_Innenklasse durch Geschlecht oder Nationalität gibt. Denn diese fördert die Konkurrenz und Abstiegsängste untereinander und schwächt somit auch die gemeinsame Kampfkraft. Daher treten wir für gleiche Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen ein, um die Auswirkungen der Konkurrenz wenigstens zurückzudrängen!

3, Selbstbestimmung über den eigenen Körper!

Ob durch religiöse Vorschriften, rassistische Hetze oder Abtreibungsgegner_Innen: Überall auf der Welt sind Frauen damit konfrontiert, dass man versucht, über ihre Körper zu bestimmen. Deswegen treten wir dafür ein, dass Frauen selbstständig entscheiden können, was sie tragen oder ob sie schwanger werden/bleiben wollen.

4. Recht auf körperliche Unversehrtheit!

Ob nun sexuelle Grenzüberschreitungen, Vergewaltigungen oder reine Gewalt aufgrund des Geschlechtes wie bei Femiziden: Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig! Dabei ist herauszustellen, dass dies ein internationales Problem ist und nicht auf bestimmte Regionen bzw. Religionen beschränkt ist, wie manche Reaktionär_Innen behaupten. Für uns ist klar: Es gibt keine Religion, die mehr oder weniger böse ist als andere Religionen. Es ist vielmehr eine Frage der gesellschaftlichen Basis und politischen Bedingungen, wo und wie stark religiöse Vorstellungen zur Ideologie rückschrittlicher Bewegungen werden und Einfluss gewinnen. Doch essentiell ist es, die Forderung nach Selbstverteidigungskomitees im Schulterschluss mit anderen Unterdrückten aufzuwerfen ähnlich wie die Gulabi-Gang, nur demokratisch organisiert, also mit direkter Wähl- und Abwählbarkeit und in Verbindung mit der Arbeiter_Innenbewegung. Der Vorteil solcher Strukturen besteht darin, dass man Frauen nicht als passive Opfer darstellt, sondern ihnen auch die Möglichkeit gibt, sich aktiv gegen Unterdrückung zu wehren. Daneben ist die Forderung nach Selbstverteidigungskomittees für Marxist_Innen wichtig, denn es bedeutet, keine Hoffnung in Polizei oder Militär zu setzen und ein Gegengewicht gegen ihr Gewaltmonopol bzw. gegenüber dem des bürgerlichen Staates allgemein zu schaffen.

5. Vergesellschaftung der Hausarbeit

Dies ist eine essentielle Forderung, um die Doppelbelastung von Frauen zu beenden und letzten Endes auch einer der Schritte, die die geschlechtliche Arbeitsteilung -und mit ihr die Stereotype beenden. Grundgedanke ist es, die Arbeit, die wir tagtäglich verrichten, um uns zu reproduzieren (essen, Wäsche waschen, Kindererziehung), nicht länger im stillen Kämmerlein alleine zu absolvieren, sondern sie kollektiv zu organisieren und auf alle Hände zu verteilen. Dies kann dann beispielsweise in Form von Kantinen oder Waschküchen ablaufen, an denen sich beispielsweise alle aus dem Bezirk beteiligen. Dadurch muss man dann nicht jeden Tag kochen oder jede Woche Wäsche waschen und es wird klar, dass eben diese Aufgaben nicht nur reine „Frauensachen“ sind. Im Kapitalismus findet so was nicht statt (oder nur in Ausnahmesituationen wie Kriegen), da kein Interesse herrscht, die Kosten für die Reproduktion staatlich zu organisieren.

Wie kommen wir zu so einer Bewegung?

Wie bereits geschrieben, erleben wir in der aktuellen Situation international viele Kämpfe. Ein Weg, bestehende Kämpfe zusammenzuführen, bedeutet, Solidarität zu zeigen. Dabei hat diese viele Ebenen: So ist es beispielsweise positiv, dass das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung in Berlin immer Redner_Innen aus anderen Ländern wie Polen oder Irland die Möglichkeit gibt, zu reden und darüber hinaus die Proteste sichtbar zu machen durch beispielsweise eigene Demoblöcke. Das ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Doch dabei dürfen wir es nicht belassen. Solidaritätsbekundungen sind gut, Solidaritätsaktionen sind besser! Diese sorgen nämlich dafür, dass das Bewusstsein, dass wir zusammen kämpfen müssen, um erfolgreich zu sein, steigt.

Damit diese nicht nur den Kreis an Menschen erreichen, der sich eh schon für die Thematik interessiert, ist es wichtig, Antisexismus auch an den Orten, an denen wir uns tagtäglich bewegen müssen, zu thematisieren: also den Schulen, Universitäten und Betrieben. Dies kann durch Veranstaltungen oder Vollversammlungen passieren. Geschieht das Ganze im Zuge einer Aktion, so ist es wichtig, im Zuge deren Aktions- und Streikkomitees zu gründen, damit jene, die aktiv bleiben wollen, sich koordinieren und ihren Protest demokratisch organisieren können. Daneben macht es Sinn aufzuzeigen, wo gemeinsame Berührungspunkte bestehen, und Kämpfe miteinander zu verbinden. Denn der Kampf gegen repressive Abtreibungsgesetze in Argentinien hat die gleichen Ursachen wie die in Polen, El Savador, Irland oder Deutschland. Damit mehr Berührungspunkte aufkommen, macht es auch Sinn, solche Diskussionen mit Problemen, die vor Ort existieren, zu diskutieren wie beispielsweise sexistische Übergriffe oder Bemerkungen oder mangelnde Debatte über Abtreibungsaufkärung. Doch damit eine Bewegung erfolgreich wird, ist es wichtig, bereits existierende Organisationen zu beteiligen. In Deutschland wären das Gewerkschaften, die SPD oder Linkspartei, also Organisationen, die eine Anbindung zur Arbeiter_Innenklasse haben. Dabei bedeutet Beteiligung nicht nur, dass man unter einem Demoaufruf steht, sondern offen die eigene Mitgliedschaft zu Aktionen mobilisiert und diese motiviert, Aktions- und Streikkomitees aufzubauen. Alles andere ist halbherzig. Damit das passiert, müssen wir Druck ausüben und Organisationen offen dazu auffordern. Um den Protest international zu verbinden, braucht es darüber hinaus Aktionskonferenzen, ähnlich der Weltsozialforen, wo Organisationen zusammenkommen und gemeinsam über die Programmatik, Forderungen und gemeinsame Aktionen diskutieren. Denn nur wenn wir eine Bewegung sind, die ihre Basis auf der Straße hat und nicht nach einem Tag verschwunden ist, können wir unsere Forderungen durchsetzen. Schließlich und nicht zuletzt braucht es eine revolutionär-kommunistische Frauenbewegung als Sammlung der Arbeiter_Innenavantgarde, als Struktur der und in Verbindung mit einer neuen revolutionären Weltpartei der Arbeiter_Innenklasse – der (aufzubauenden) Fünften Internationale!




Eine Lehre aus der Novemberrevolution: Notwendigkeit einer Arbeiter_Innenmiliz

von Jonathan Frühling

Der Ersten Weltkrieg enthüllte den Charakter der imperialistischen Epoche in voller Schärfe. Aufrüstung, ein offener Kampf um die Kolonien und die globalen Märkte sowie letztlich ein bis dahin beispielloses Zerstören und Massensterben an der Front. Während sich die herrschende Klasse an der Kriegswirtschaft bereicherte mussten Arbeiter_Innen- und Bäuer_Innenklasse hungern und an der Front ihr Leben lassen. Als Ende 1918 die Niederlage Deutschlands nahe war, rebellierte die Armee und löste so zusammen mit den fortschrittlichen Lohnabhängigen eine Revolution aus, die das alte Kaiserreich hinwegfegte. Allerdings führten die Ereignisse vom 9.11.1918 nicht zu einer sozialistischen Republik. An der Spitze der Revolution standen nämlich die SPD und die USPD, welche eine Linksabspaltung der SPD darstellte. Die führenden Mitglieder beider Arbeiter_Innenparteien hatten sich aber längst mit dem Kapitalismus arrangiert und sahen in der Revolution eine Bedrohung ihrer privilegierten Stellung als Bürokrat_Innen. Sie wollten den Kapitalismus zwar reformieren, strebten aber keine sozialistische Räterepublik nach dem Vorbild Russlands an, die sich auf die organisierte Arbeiter_Innenklasse stützt. Deshalb schützten sie das Privateigentum von Adel und Kapitalist_Innen (Banken, Fabriken, Boden, Immobilien), womit diese die Basis ihrer Macht behielten.

Die Folge davon war eine Doppelmachtsituation ab November 1918. Auf der einen Seite stand die Regierung von SPD und USPD, um die sich die Konterrevolution sammelte (hohe und reaktionäre Militärs, Kapitalist_Innen, Adel, bürgerliche Bürokrat_Innen). Auf der anderen Seite standen die im November gebildeten Arbeiter_Innen- und Soldatenräte, die die Institutionen der revolutionären Massen darstellten.

Im Verlauf der nächsten Monate verlor die Revolution jedoch immer weiter an Boden. Es gab keine revolutionäre Massenorganisation, die das Proletariat weiter in Richtung einer vollständigen Machtübernahme führen konnte. Der Spartakusbund, aus dem später die KPD hervorging, vereinte zwar aufrichtige Revolutionär_Innen, allerdings hatte er nur minimalen Einfluss in den Massen. Außerdem fehlte ihm eine Taktik, wie man die Arbeiter_Innenklasse von der verräterischen SPD/USPD-Führung wegbrechen könnte. Die Regierung unter dem SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert arbeitete mit den alten kaiserlichen Militärs dagegen zielstrebig an der Niederschlagung der Revolution. Sein Ziel war die Einführung einer bürgerlich-kapitalistischen Republik. Die Massen fühlten sich durch die Regierungspolitik mehr und mehr betrogen. Die radikalsten Elemente griffen deshalb im Januar 1919 spontan und verfrüht zu den Waffen, wobei sie vom Spartakusbund unterstützt wurden. Der Aufstand endete aber in einer totalen militärischen Niederlage. Die Nationalversammlung einige Tage später, auf der eine kapitalistische Verfassung angenommen wurde, stellte den entscheidenden Sieg der Konterrevolution in Berlin da. Zwar gab es in der Folgezeit noch viel Versuche eine Räterepublik zu erreichten, diese blieben aber vereinzelt und wurden restlos blutig niedergeschlagen.

Aus dem gegebenen geschichtlichen Abriss lässt sich erkennen, dass die Frage von Revolution oder Konterrevolution in letzter Konsequenz auch auf der militärischen Ebene ausgetragen wird. Das soll natürlich nicht heißen, dass der gewaltsame Sturz einer Regierung schon eine Revolution ist. Es sollte aber klar sein, dass die herrschende Klasse nicht kampflos untergehen wird, wenn es noch eine Person gibt, die bereit ist, für sie eine Waffe zu tragen. Deshalb muss die Frage nach dem bewaffneten Aufstand und der Verteidigung der Revolution immer eine Rolle in revolutionärer Politik spielen. In Deutschland bewaffnete sich die Arbeiter_Innenklasse zwar teilweise, war aber einer militärischen Konfrontation mit der Konterrevolution nicht gewachsen. Das hat mehrere Gründe. Eine wichtige Ursache ist dabei im Krieg selbst zu suchen. Die Arbeiter_Innen, die an die Front gezwungen wurden, sehnten sich nach Frieden und waren froh nach der Heimkehr endlich die Waffen niederzulegen. Sie hofften mit der Beendigung des Krieges endlich Frieden zu haben und wollten einen Bürgerkrieg der Klassen, wenn möglich, verhindern. Vielleicht ist das auch ein Grund, wieso man so gnädig mit den alten Militärs umging. Die Offiziere und reaktionären Soldaten wurden meistens nur vertrieben und nicht gefangengesetzt oder getötet. Das gab ihnen später die Möglichkeit die Revolution niederzuschlagen. Sie konnten sich dabei auf Soldaten stützen, die Kaiserreich und Krieg befürwortet hatten. Den Grund für die Niederlage suchten sie in der Revolution, die sie deshalb um jeden Preis bekämpfen wollten. Ein weiterer Grund ist in der Politik der Arbeiter_Innenparteien zu finden. Die SPD stand von Anfang an fest auf der Seite der Konterrevolution und verhinderte die Bewaffnung der Arbeiter_Innenklasse nach Kräften. Ihre verlogenen Parolen davon endlich Stabilität und Frieden zu einkehren zu lassen, stießen bei der kriegsmüden Bevölkerung leider auf fruchtbaren Boden. Parallel dazu baute der SPD Mann Noske die Truppen der Reaktion, die sogenannten Frei-Korps, selbst federführend mit auf. So konnten die Illusionen der Arbeiter_Innenklasse nach Frieden schnell im Blut ertränkt werden. Leider versäumte es auch der linke Flügel der USPD, der den kämpferischsten Teil der Arbeiter__Innenklasse organisierte, streikende Arbeiter_Innen zu bewaffnen. Einzig die spätere KPD stellt die Forderung nach Entwaffnung der Konterrevolutionär_Innen und Bewaffnung der Arbeiter_Innenklasse auf. Sie war aber leider viel zu schwach, um ihren Forderungen realen Gehalt zu verleihen.
Beide genannten Punkte sorgten dafür, dass sich die Revolution zwar bewaffnete, aber keine militärische Organisation aufbaute. Es gab kein militärisches Training und auch keine Organisierung der Bewaffneten unter den Streikleitungen, den Räten oder den Parteien. Auch die Bildung revolutionäre Gruppierungen im Heer wurde vom SPD-dominierten Reichsrätekongress im Dezember 1918 abgelehnt.

Die Geschichte hat 1918/19 in Deutschland gezeigt, dass eine halbe Revolution von der Konterrevolution im Blut ertränkt wird, wenn sie nicht konsequent zu Ende geführt wird. Dafür steht der Konterrevolution die Polizei, das Militär (sofern es noch der Regierung gehorcht) und reaktionäre (faschistische) Bande zur Verfügung. Wir sind also selbst dazu gezwungen zur Waffe zu greifen, um unsere Ziele gegen diese Kräfte zu verteidigen. Diese Aufgabe kann die Arbeiter_Innenklasse aber nur unter die Führung einer revolutionären Massenpartei erfüllen. Doch auch heute schon müssen wir uns gegen die steigende Anzahl von Angriffe von Nazis und Bullen verteidigen. Außerdem wird es zu spät sein, wenn wir zu lange damit warten. Wir alle wissen, dass Polizei und Militär laufend aufrüsten und in ganz Europa faschistische Milizen aufgebaut und bewaffnet werden. Wenn wir Sozialismus wollen, dann müssen wir die Revolution entschlossen bis zum Ende durchführen und gegen die Reaktion verteidigen, sonst erwartete uns das gleiche Schicksal, wie Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg: Eine blutige Konterrevolution und weitere 100 Jahre Kapitalismus.

In Russland dagegen bewaffneten sich die Arbeiter_Innen in St. Petersburg und Moskau in Zusammenarbeit mit den stationierten Garnisonen und führten nach Betriebsschluss im Hof der Fabriken Schießübungen durch. Ab Spätsommer 1918 baute man das militärische Revolutionskomitee auf, welches letztlich die bewaffneten Kräfte der Revolution vereinte und den militärischen Teil der Oktoberrevolution durchführte.