Joe Biden: Was können wir von dem neuen US-Präsident erwarten?

Von Ronja Keller

Zu der kürzlich stattgefundenen Erstürmung des Kapitols gibt es hier eine Stellungnahme: http://onesolutionrevolution.de/usa-stellungnahme-zu-trumps-faschistischer-provokation/

Trotz
des Sturms des Capitols wird am 20. Januar Joe Biden in das Amt des
Präsidenten eingeführt. Endlich können wir mal einen Artikel über
US-Politik schreiben, in dem es nicht primär um Trump geht! Aber
wird es mit Biden denn so viel besser? Was hat der neue Präsident
bisher so gemacht, was hat er versprochen und wie wird sein Kabinett
aussehen? Im folgenden Artikel wollen wir uns einen Überblick über
den neuen Präsidenten verschaffen und feststellen, ob die
arbeitenden Massen und unterdrückten Menschen wohl auf eine
Verbesserung ihrer Lage durch Biden hoffen können.

Name: Joseph Robinette „Joe“ Biden, Jr.
Alter: 78 Jahre
Partei: Demokratische Partei (neoliberaler mitte-rechts-Flügel)
Ausbildung: Abschluss an einer römisch-katholischen Akademie Jurastudium mit den Schwerpunkten Geschichte und Politikwissenschaft Beruf: Anwalt, Dozent für Verfassungsrecht, Mitglied des Senats

Joes bisherige Laufbahn

Der neue Präsident hat eine lange Geschichte in der US-Politik, denn bis zur Präsidentschaft Obamas war er 36 Jahre lang Mitglied des Senats und während Obamas achtjähriger Amtsperiode Vizepräsident. Dabei hat er eine seine politische Agenda mehrmals klargemacht:

Biden ist vor allem durch seinen Standpunkt in der Außenpolitik aufgefallen. Bei vielen Brennpunkten sprach er sich für eine US-amerikanische Intervention aus. Während des Balkankriegs war er für eine aktive und gewaltsame Einmischung der USA, für Lufteinsätze der NATO, er unterstütze mehr Bodentruppen im Afghanistan-Krieg und damit die Linie des damaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush. Auch den syrischen Bürgerkrieg sollte die US-Army weiter anfachen. Bei dem ThemaFinanzen stimmte Biden meist für einen ausgeglichenen Haushalt („Schwarze Null“), womit er unter anderem den Abbau der Sozialsysteme unterstützt hat. Außerdem hat er eine Gesetzesänderung durchgeboxt, durch die es unmöglich geworden ist, bei zu hohen Studien- oder Kreditkarten-Schulden Insolvenz anzumelden, sodass viele Arbeiter_Innen für immer mit dieser Last leben müssen. Er stand somit immer hinter dem kapitalistischen System und dem US-Imperialismus. Dies wird er auch weiter tun. Hinzu kommt, dass in der Vergangenheit schon mehrfach von übergriffigem Verhalten berichtet wurde inklusive sexueller Nötigung einer ehemaligen Angestellten.

Was können wir von seinen Versprechungen erwarten?

Der
Wall-Street hat Biden versprochen, dass alles beim Alten bleibe und
er keine größeren Veränderungen vornehmen werde. Dies wird sich
auch für die Ausbeutung der Menschen ähnlich verhalten. Er hat
keine Lösungen für die Probleme wie steigende Armut oder (Jugend-)
Arbeitslosigkeit.

Biden
möchte einen besseren Neuaufbau nach dem „Build Back
Better“-Konzept, kurz: BBB. Das heißt, staatliche Finanzierungen
für einen „grüneren“ und „gerechteren“ Kapitalismus. Dies
beinhaltet auch Elemente des Green New Deals. Konkret sollen 7
Billionen Dollar für Grünen Verkehr und Maßnahmen, um den
US-Kapitalismus aufzubauen und damit die Hoffnung auf gut bezahlbare
Arbeitsplätze. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass Biden dieses
Versprechen hält, und selbst wenn, ist die Rettung der sozialen Lage
von unzähligen Menschen ohne ein bewusstes Eingreifen in Produktion
nicht zu machen. Ohne Enteignung und Kontrolle der Betriebe durch die
Beschäftigten ist es eher wahrscheinlich, dass die Förderungen bloß
wieder in den Taschen der Kapitalist_Innen landen. Da die
demokratische Mehrheit im Senat hauchdünn ist, sind bloß faule
Kompromisse zu erwarten, die keinen annähernden Ausgleich für die
Auswirkungen der Krise bringen, die die ausgebeuteten und
unterdrückten Massen erlitten haben und noch werden, da der Senat
die Vorschläge des Präsidenten blockieren kann.

Bei
der #BlackLivesMatter-Bewegung gegen rassistischen Polizeiterror ist
Biden auf Versöhnung aus. Er stellt sich nicht konkret auf eine
Seite, da er weder die Aktivist_Innen vertreiben will, noch seine
eher konservative Basis. Es ist natürlich eine Illusion, zu glauben,
dass dadurch eine Versöhnung möglich ist und es Gerechtigkeit für
rassistisch Unterdrückte in diesem System geben kann. Dazu kommt
noch, dass Biden schon in der Vergangenheit immer ein Verfechter von
Recht und Ordnung war und damit die Rechte der Polizei eher stärken
als schwächen wird. Als Lösung für die anhaltende Polizeigewalt
sagte er, dass Polizist_Innen „ins Bein statt ins Herz schießen
sollten“. Auch das Gesundheitssystem, welches momentan sehr
profitorientiert ist und dringend verbessert werden müsste, wird
wohl nicht grundlegend geändert, obwohl es eine zentrale Forderung
des linken Flügels ist, dass es eine allgemeine Krankenversicherung
gibt.

Immerhin
können wir damit rechnen, dass seine Corona-Politik nicht so
katastrophal ist wie die Trumps, auch wenn es schwierig werden
dürfte, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen.

Wer ist in seiner Regierung?

Keines
der Mitglieder seines Kabinetts, die bisher feststehen, gehört dem
linken Flügel der Demokraten an. Weder Bernie Sanders noch Elizabeth
Warren als wichtige linke Vertreter_Innen stehen auf der Liste. Biden
selbst hat gesagt: „Das ist ein Team, das die Tatsache
widerspiegelt, dass Amerika zurück ist. Bereit, die Welt anzuführen
und sich nicht von ihr zurückzuziehen.“ Dass er für die
Vorherrschaft des US-Imperialismus kämpfen wird, gibt er damit offen
zu. Doch schauen wir uns mal einige einzelne Mitglieder an:

Bereits
im Wahlkampf stand fest, dass Kamala Harris Vizepräsidentin für
Biden sein wird. Dass sie als woman of colour in diesem Amt ist,
stellt für viele bereits eine Errungenschaft dar, jedoch zeigt ihr
Lebenslauf, dass sie wenig mit den Kämpfen der meisten schwarzen
Frauen in Amerika zu tun hat. Außerdem trat sie in der
Vergangenheit, wie auch Biden, für das Polizeiwesen, Sicherheit und
Ordnung ein. Ihre harte Linie zeigt sie beispielsweise darin, dass
sie die Kriminalisierung von Eltern unterstützt hat, deren Kinder
die Schule schwänzen. Weiter hat sie auch einmal Ermittlungen gegen
Polizisten, die einen Schwarzen erschossen haben, abgelehnt. Als
woman of colour erwarten viele von ihr einen Kampf gegen Rassismus
und Unterdrückung, doch auf die Frage, wie sie diesen Kampf
unterstützen will, spricht sie bloß darüber, wer sie ist, aber
nicht, was sie vorhat. Sie bedient damit die identitätspolitische
Linie der Demokrat_Innen.

Außenminister
wird Antony Blinken. Mit ihm kommt ein Minister auf den Posten, der
für eine kriegerische Politik steht und sich für traditionelle
Bündnisse, wie die NATO, einsetzen wird. Blinken wird auch eine
Verbindung zur Rüstungsindustrie nachgesagt. In seiner Funktion als
stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater unter Obama
befürwortete er unter anderem die Unterstützung der USA bei der
saudischen Intervention im Jemen, welche bis heute furchtbare
humanitäre Folgen hat.

Finanzministerin
wird Janet Yellen, die während der Obama Administration Präsidentin
der Federal Reserve Bank, also der Notenbank, war. Sie war maßgeblich
bei der staatlichen Rettung von Banken und Unternehmen während der
Krise 2009 beteiligt. Mit ihr werden wohl großzügige
Konjunkturpakete für Unternehmen zu erwarten sein.

All
diese Punkte bringen den Klassencharakter des neuen Präsidenten und
der Demokratischen Partei hervor. Genauso wie Trump liegen seine
Interessen ganz klar darin, das System zu retten und die USA an
erster Stelle in der Welt zu halten, jedoch mit einer anderen Taktik.
Auch Kriege können zunehmen, gerade mit Hinblick auf Russland, China
oder Iran, wenn es darum geht, die Größe der USA zu verteidigen.
Für die Arbeiter_Innenklasse und unterdrückten Menschen wird sich
wohl nicht viel ändern. Migrant_Innen werden weiterhin inhaftiert,
POC durch Polizeiterror getötet, Sparmaßnahmen gefordert, Angriffe
auf Rechte und Leistungen für Arbeiter_Innen fortgesetzt. Eine
Erholung für die Arbeiter_Innenklasse wird es nicht geben.

Welche Perspektive gibt es?

Sicher
ist Biden dazu bereit, noch weiter nach rechts zu rücken – mit
Hinblick auf die wirtschaftliche Krise und dem wachsenden Druck von
rechts in Politik und auf der Straße, gerade nach dem Sturm des
Capitols. Dadurch wird es wohl viele Kompromisse geben. Das kann auch
dazu führen, dass der rechte Flügel der Demokraten weiterwächst
und mit ihm die Angriffe auf die Unterdrückten und Ausgebeuteten.

Weder
wird die Demokratische Partei die Arbeiter_Innenklasse, noch wird sie
die Angriffe auf ihre Rechte abwehren. Sowohl die demokratische als
auch die republikanische Partei sind Parteien des Kapitals und der
Wall Street. Sie haben nicht die Absicht, das System grundlegend zu
ändern, sondern würde vielmehr alles dafür tun, genau dieses
System aufrechtzuhalten. Umso wichtiger ist es, soziale Bewegungen
wie BLM oder die Gewerkschaftsbewegung weiter aufzubauen und mit dem
Ziel zu einen, eine Arbeiter_Innenpartei in den USA zu etablieren.
Eine Verbesserung der Lage schafft kein Präsident, sondern das kann
nur der Druck auf die Regierung, der von den Ausgebeuteten und
Unterdrückten kommen muss.