KARGIDA im Käfig lassen – Kein Wegschauen bei Rassismus: Ein Bericht aus Karlsruhe

Die Auswüchse von PEGIDA und die Bestrebung rassistische Vorurteile und Ängste offen auf die Straße zu tragen, erstreckt sich mittlerweile auf Städte über das ganze Bundesgebiet. Obwohl die Bewegung zerstritten und in vielen Punkten uneins ist, stellen ihre Bewegründe eine Bedrohung dar. Vom Stammtischrhetoriker, über konservative oder patriotische „BürgerInnen“, den „Das wird man ja noch sagen dürfen“ bis hin zu schlagkräftigen Hooligans oder Nazi-Kadern. Dieser Brückenschlag der Spektren ist es, der die eigentliche Gefahr dieser Zusammenkünfte ausmacht.

Am 10. März trafen sich nach Polizeiangaben 300 Personen zum dritten KARGIDA-Spaziergang durch Karlsruhe. Ein Novum in Baden-Württemberg durch eine Großstadt zu laufen, bisher beschränkte man sich lediglich auf Kundgebungen. Anwesend waren unter anderem Jan Jaeschke, NPD Kreisvorsitzender Rhein-Neckar und der Mannheimer NPD-Stadtrat Christian Hehl, sowie eine größere Anzahl Hooligans rundeten das Bild ab – Ein nicht zu unterschätzender Querschnitt durch das rechte Lage. Neben zahlreichen Deutschlandfahnen wehte auch die bekannte Flagge der German Defence League.

Den genannten Zahlen ist jedoch wenig Glauben zu schenken: Einerseits haben dpa und Lokalzeitungen teilweise zu 90% den Polizeibericht wortwörtlich übernommen – nahezu der gesamte Artikel war lückenlos vom Polizeipressesprecher Karlsruhe – und andererseits waren die Zahlen verfälscht. Der Radiosender vor Ort, Radio Regenbogen, sprach lediglich knapp 200 Teilnehmern der KARGIDA, das vorhandene Bildmaterial tendiert zu einer noch geringeren Anzahl. Die Gegendemonstranten wurden von uniformierter Seite mit 600 beziffert. Hier dürfte 750 eine realistische Größe sein.

Die Kundgebung war auf 18:30 auf dem Stephansplatz angemeldet, der westliche Teil der Innenstad. Dieser wurde rundherum von zwei Reihen Hamburger Gittern und zahlreichen Einsatzfahrzeugen abgeriegelt. Auch an allen Zugängen zur laufstrecke waren Absperrungen. Schon vor diesem Zeitpunkt liefen die Kameras der Cops auf Hochbetrieb. Zeitgleich fand auf dem durch die Postgalerie abgetrennten Europaplatz eine Veranstaltung des Bündnisses „NoKARGIDA“ statt, bestehend aus Parteien, Gewerkschaften und politischen Gruppen. Die Reden der KARGIDA wurden vor Ort von guten 200 AntifaschistInnen lautstark gestört.

Um ca. 19 Uhr setzte sich die Blockade in Bewegung und verteilte sich an den Absperrungen. Den Versuch ein Gitter weg zu reißen nutzte die Polizei um DemonstrantInnen mit Pfefferspray und Schlagstock anzugreifen. Einer kleinen Gruppe gelang es auf Umwegen trotzdem in den Käfig zu kommen und wurde kurz vor der Kundgebung gestoppt.

KARGIDA lief wenige hundert Meter weit und musste die Abschlusskundgebung am Ausgangsort halten. Die GegendemonstrantInnen umzingelten das Geschehen permanent. Mit Bussen schaffte man schließlich die „besorgten Karlsruher“ an den Bahnhof und sperrte den Eingang ab. Noch knapp 200 AntifaschistInnen zogen in Gruppen zum Bahnhofsplatz um sicher zu gehen, dass auch jede/r den Zug findet. Die Cops nutzten die Gelegenheit wieder abzufilmen und nahm mit Greiftrupps vier Personen fest.

Obwohl KARGIDA laufen konnte, ist der Abend als Erfolg zu werten: Die zahlreichen GegendemonstrantInnen waren aus allen Spektren vertreten, mit viel Motivation dieses Treiben zu verhindern. Obwohl aus verschiedenen Städten Baden-Württembergs viele organisierte AntifaschistInnen anreisten, waren auch viele unorganisierte Menschen vertreten. Auffällig war jedoch das Fehlen politischer Inhalte, wie etwa ein kurzer Redebeitrag, Flyer oder Zeitungen. Der Umstand dieser Zusammenkunft wirft gerade für die politisch nicht so beflissenen TeilnehmerInnen viele Fragen auf, welche angesprochen werden müssen. Auch weiterführende Inhalte um Sachverhalte zu verknüpfen, wie die Staatliche Einwanderungspolitik, im Falle Karlsruhe die Abschiebepraxis von Flüchtlingen über den Baden Airport, staatliche Hetze im Bereich kapitalistischer Interessen oder auch mediale Stimmungsmache. Stattdessen gab es viel autonome Kleingruppenaction.

Fragwürdig war auch die Präsenz einer türkischen Flagge. Nationalistischem Denken mit einem anderen Nationalismus zu begegnen, ist wenig zielführend. Auch wenn es auf den ersten Eindruck einen internationalistischen Chrakter beschwört, betreibt Erdogan unter dieser Flagge eine menschenverachtende Politik, mit der sich kein fortschrittlicher Mensch identifizieren will. Weiter muss man festahlten, dass die PEGIDA-Auswüchse zu blockieren den Rassismus nicht nachhaltig aufhält. Um diesem Weltbild das Wasser abzugraben, muss praktische Solidarität geschaffen werden, beispielsweise durch die Unterstützung gewerk- und gesellschaftlicher Kämpfe gegen Ausbeutung, Entrechtung und Sozialabbau. Für diese Kämpfe müssen demokratische Strukturen geschaffen werden, in denen Antworten und Taktiken ausgearbeitet werden können. Dieser Kampf kann nicht alleine auf ein Land bechränkt bleiben, sondern muss über Grenzen hinweg internationalistisch geführt werden. Schließlich misst sich der Erfolg kommunistischer Politik nicht an den erfolgreichen Blockaden, sondern an den Siegen über die kapitalistische Ausbeutungspolitik. Deren Rassismus und Konkurrenzkampf ist die Triebkraft für PEGIDA.

UPDATE: KARGIDA hat angekündigt erst wieder am 23. März laufen zu wollen. Die abnehmende TeilnehmerInnen Zahl und die weiten Anfahrtswege, setzen der Größe der Versammlung merklich zu. Die Gegenwehr vor Ort hat sich bis jetzt als zu stark und somit zielführend erwießen.

Baltasar Luchs, REVOLUTION Karlsruhe

Bilder der Aktion: http://www.beobachternews.de/2015/03/12/kargida-nach-drittem-spaziergang-weiter-auf-absteigendem-ast/