Linke Politik in der Pandemie?! Teil 2: Die radikale Linke

Im ersten Teil der Serie zur linken Politik in der
Corona-Pandemie haben wir uns bereits angeschaut, wie die Gewerkschaften gerade
das Interesse der Arbeiter_innen den Interessen der Unternehmen unterordnen. Im
zweiten Teil wollen wir nun den Fokus auf die Politik der radikalen Linken in
Deutschland setzen. 

Dazu muss erstmal geklärt werden, was die radikale Linke
überhaupt ausmacht. Die so genannte radikale Linke ist kein einheitliches Kollektiv,
sondern eher eine Vielzahl unterschiedlicher Organisationen, Gruppen und
Strömungen, wie sie verschiedener kaum sein könnten. Wir fassen den Begriff
hier mal weit und beziehen uns auf Linke, die irgendwie Kapitalismus doof
finden und nicht im Parlament sitzen.

Wo wir uns aber alle einig sind, ist, dass die Corona-Krise
eine tiefere Krise des Kapitalismus offenbart. Der Kapitalismus ist zwar nicht
die Ursache der Pandemie, aber die der Krise, die aus der Pandemie und dem
Umgang des Kapitalismus mit dieser folgt. Auch können wir uns gemeinsam hinter
die Ablehnung gegen Grundrechtseinschränkungen, wie die
Demonstrationseinschränkungen, soziale Angriffe, zB. Die erhöhte Reproduktions-
und Sorgearbeit vor allem für Frauen*, und die in der Corona-Pandemie noch
verschärfte Grenzabschottung stellen. 

Das ist allgemein eine gute Grundlage für gemeinsame
Politik. Es darf aber nicht nur bei seitenlangen Analysen und der Kritik am
System verbleiben. Wir müssen auf die Straßen und uns
organisieren, um unsere Forderungen und Ziele durchsetzen können. Doch hierbei
gehen die Ansätze und Meinungen der verschiedenen Organisationen weeeeit auseinander.

Zurzeit werden unglaublich viele Texte produziert, wovon
einige gar nicht mal so schlecht sind, jedoch wird kaum eine Taktik entwickelt,
wie sich diese Krise angesichts der aktuellen Situation in die revolutionäre
Praxis umsetzen lässt. Dabei wird kaum ein_e prekär beschäftigte_r
Krankenpfleger_in sich von einem Blogbeitrag auf indymedia für den Kampf gegen
den Kapitalismus und zur sozialistischen Revolution bewegen lassen.

Der 1.Mai als internationalen Kampftag der
Arbeiter_innenklasse ist traditionell ein guter Tag um zu beurteilen, wie es um
die radikale Linke praktisch so steht. Der DGB sagte zunächst alle Kundgebungen
und Demonstrationen ab und veranstaltete nur „Online-Kundgebungen“, in denen
sich Spitzenfunktionäre dafür abfeierten, wie gut die Zusammenarbeit der
Gewerkschaften mit den Unternehmen im Dienste des Wirtschaftsstandorts
Deutschland funktioniert. Trotz der fehlenden Unterstützung des DGB und trotz
des Demoverbots gingen am 01.05.20 einige 10.000 Menschen in Deutschland auf
die Straßen, um für die Solidarität mit Geflüchteten, die Lösung sozialer
Probleme und in diesen Coronazeiten vor allem für die Notwendigkeit und die
(auch finanzielle) Anerkennung der Care-Berufe zu demonstrieren. Darunter waren
auch einige kämpferische Gewerkschaftler_innen, die sich nicht so leicht vom
DGB abspeisen lassen wollten. Unter anderem machte die VGK (Vernetzung für
kämpferische Gewerkschaften) Kundgebungen, an denen auch wir von REVO uns
beteiligten.

Wichtig jedoch ist, dass der 1. Mai kein Symbol bleibt, an
dem man als radikale Linke mal kurz zeigt, dass man auch noch da ist.
Stattdessen müssen die Proteste vom 1. Mai zum Funken für eine massenhafte
Anti-Krisenbewegung gegen drohende Angriffe, gegen Grundrechtseinschränkungen,
gegen Rassismus und für Solidarität werden. Denn wir können durch Streiks und
Besetzungen bis hin zum Generalstreik die GroKo herausfordern und die Machtfrage
stellen!

Die Basis einer solchen Bewegung müssen die in dieser
Gesellschaft Marginalisierten sein. Dazu zählen zB. Jugendliche,
Lohnabhängige, Studierende, Frauen, LGBTIA* und Migrant_innen. Wir
dürfen uns deshalb nicht in linke „Szenearbeit“ verrennen, sondern müssen
verschiedene Organisationen unserer Klasse verknüpfen und zur gemeinsamen
Aktion auffordern. Wir brauchen deshalb auch einen Kampf mit und in den
Gewerkschaften, um die Burgfriedenspolitik ihrer Führungen (siehe Teil 1) als
wichtiges Standbein des kapitalistischen „Krisenmanagements“ anzugreifen.

Darüber hinaus reicht es nicht aus, nur Minimalforderungen
(wie keine Entlassungen, mehr Geld für Pflegekräfte etc.) zu stellen,
gleichzeitig aber dann zu sagen, „wir brauchen aber trotzdem jetzt den
Kommunismus“, wie es zum Beispiel die MLPD und andere stalinistische Gruppen
tun. Diese Forderungen sind zwar grundsätzlich richtig und wichtig, bleiben
aber Minimalforderungen und müssen daher mit der Perspektive des Kommunismus zu
Übergangsforderungen erweitert werden. Wir
fordern daher eine Verstaatlichung des Gesundheitssystems und der
Pharmaindustrie unter der demokratischen Kontrolle der Beschäftigten und der
Gesellschaft. 

Und auch wenn wir die gesamte Gesellschaft radikal, also von
Grund auf, zu einer besseren machen wollen, reicht es nicht aus, wenn wir nur
„solidarische Nachbarschaftshilfe“ und „Kiezarbeit“ leisten, wie es viele
(Post-)Autonome gerade postulieren. Selbstorganisierung ist zwar ein wichtiger
Aspekt, kann aber nur die Symptome bekämpfen. Wenn wir also nicht immer nur uns
gegen die Mängel selbst organisieren wollen, müssen wir notwendigerweise die
Machtfrage stellen. Also kann ich zwar zum Beispiel für meine Nachbarin in die
Apotheke gehen, aber für die bestmögliche Bekämpfung der Pandemie müssen wir die
gesamte Pharmaindustrie unter Arbeiter_innenkontrolle stellen.

Tatsächlich gibt es dafür gerade nur wenige Initiativen und
Perspektiven aus den Reihen der radikalen Linken, von denen sich die Massen
angezogen fühlen. Das führt dazu, dass dieses Feld gerade stark von Rechten
besetzt und instrumentalisiert wird. Rechte sind gerade Veranstalter_innen und
Redner_innen auf so genannten Hygienedemos in vielen deutschen Städten, die
auch viele Demonstrant_innen aus der bürgerlichen Mitte anziehen. Sie
demonstrieren dabei gegen das aktuelle Krisenmanagement der Bundesregierung.
Und diese Unzufriedenheit ist zum Teil auch gerechtfertigt. Der neu eingeführte
12-Stundentag, Grundrechtseinschränkungen oder Milliardenhilfen für
Privatunternehmen sind Krisenmaßnahmen, die die Demonstrant_innen nicht
hinnehmen wollen. Die radikale Linke versagt in dieser Situation den Menschen
eine Perspektive zu bieten. Rechte Kräfte dagegen prangern diese Probleme an
und verbinden sie mit einer reaktionären Weltsicht, Rassismus und Esoterik.
Dabei richten sie sich eher an das kleinbürgerliche Milieu,
da kleine Unternehmen und Selbstständige besonders hart von der Krise betroffen
sind, aber kaum vom Staat gerettet werden. Sie erzählen deshalb dem Proletariat
die Lüge, dass sie ein geeintes Interesse als das „Volk“ gegen die „Elite“
vertreten und bedienen sich so rassistischer und antisemitischer Denkmuster.
Dass sich die Forderungen der Anti-Corona-Proteste sogar mit den Interessen des
Kapitals decken, zeigt die vergleichsweise geringe Polizeirepression im
Vergleich zu den linken Protesten am 1. Mai.

Nur durch eine klassenorientierte Anti-Krisenbewegung können
wir den rechten die Stirn bieten und eine gesellschaftliche Perspektive zum
kapitalistischen Krisenmanagement aufwerfen.

Revo macht hier den Anfang und hat schon die Initiative
ergriffen und versucht uns Jugendliche in Stellung zu bringen. Wir treten für
den Schulstreik gegen die Schulwiederöffnungen ein! Wir wollen nicht nur
Artikel schreiben und uns theoretisch mit den Inhalten auseinandersetzen,
sondern uns in dort wo wir uns tagtäglich aufhalten – also in den Schulen, Unis
und Betrieben – organisieren und uns aktiv an Kämpfen beteiligen, um eine
massenhafte Bewegung auf die Beine zu stellen.

Im dritten Teil unserer Serie durchleuchten wir die Parteien
die Linke und die SPD, also bleibt gespannt.