Perspektiven der Besetzungen

Welche Perspektive für die Besetzungen an den Unis?

80.000 Studierende und SchülerInnen demonstrierten am 17. November in
Deutschland. In über 50 Hochschulen sind zentrale Hörsäle besetzt. In Berlin wurde auch eine Schule, das Albert-Einstein- Gymnasium, besetzt. Die Bewegung ist jedoch keineswegs eine, die sich „nur“ gegen die Missstände und Zumutungen des deutschen Bildungssystems richtet. Es ist eine internationale Bewegung. In Österreich sind seit fast vier Wochen die Unis besetzt. In Italien waren am 17.11. rund 150.000 auf der Straße. In Frankreich kommen hunderte von Schulen und Unis in Bewegung. Auch ausserhalb Europas fanden Aktionen statt oder befinden sich in Vorbereitung. Wir können also mit Fug und Recht von einer internationalen Bewegung sprechen. Diese umfasst außerdem nicht nur SchülerInnen und Studierende, sondern auch andere im Bildungs- und Erziehungssektor Tätige, so Beschäftigte in Kitas oder in Jugend- und Freizeiteinrichtungen,LehrerInnen an Schulen, Lehrende – von befristet beschäftigten Lehrbeauftragten und LektorInnen bis hin zum „akademischen Mittelbau“ – sowie „sonstige Beschäftigte“ an den Unis wie Mensapersonal, die sich z.B. als Beschäftigte des Studentenwerks im Arbeitskampf um höhere Löhne und gegen weitere Privatisierungen befinden.

Wie weiter?

Die Schüler- und Studentenbewegung stellt einen wichtigen Ausgangspunkt im Kampf gegen die Angriffe der Regierung dar. Die besetzten Uni-Hörsäle sind heute ihr Zentrum. Die Frage ist also, wie diese gehalten, die Besetzungen gestärkt und zu Besetzungen kompletter Unis ausgebaut werden können?! Und: Wie können diese Aktionen mit anderen Kämpfen der
SchülerInnen, von Azubis und von Lohnabhängigen verbunden werden? Bisher existieren die Besetzungen nur als lose, via Internet und „Netzwerke“ verbundene Aktionen. In den nächsten Tagen sollen jedoch erste Treffen zwischen den Unis stattfinden. Es gibt jedoch noch keine Koordinierung, keine gemeinsame Plattform, keinen Plan zur Steigerung der Aktivitäten über die Blockade der Kultusministerkonferenz am 12. Dezember hinaus. Hier unsere Vorschläge dazu:

1.

Die besetzten Hörsäle werden auf Dauer nur gehalten werden können, wenn die BesetzerInnen einen Weg finden, ihre Unterstützerbasis an den Unis selbst zu verbreitern. Dazu ist erstens ein bundesweites Forderungspaket notwendig, das die wichtigsten Forderungen der Studierenden zusammenfasst und mit jenen der SchülerInnen verbindet. Es muss in diesem Kontext auch deutlich werden, wer berechtigte Forderungen, z.B. nach mehr Lehrenden, besserer
Ausstattung usw., finanzieren soll, z.B. indem die Forderung nach Besteuerung der Reichen erhoben wird.

2.

Von den BesetzerInnen wie auch von Bildungs- und SchülerInnenbündnissen muss eine systematische Agitation für Besetzungsstreiks betrieben werden. Warum? Erstens haben jahrelange „Reformdiskussionen“ gezeigt, dass von den Uni-Leitungen, den Ministerien usw. nichts zu erwarten ist außer folgenlosem und daher nutzlosem „Verständnis“. Daher müssen die Aktionen verstärkt werden. Nur Besetzungen an den Unis und Schulen erlauben, längerfristig Druck auszuüben, weil so der Lehrbetrieb lahm gelegt werden kann und so ein wichtiger Teil der Reproduktion in der bürgerlichen Gesellschaft gestört wird. Vor allem aber haben die SchülerInnen und Studierenden so Zeit, nicht ständig Protest und Schule/Studium unter einen Hut kriegen zu müssen. Sie müssen daher auch fordern, dass ihre Aktionen als „Streiksemester“anerkannt werden, um keinen Schaden für ihr Studium zu erleiden.

3.

Zweifellos ist es schwer, wenn nicht unmöglich, unmittelbar zu Vollbesetzungen zu schreiten. Die Besetzungen einzelner Hörsäle selbst haben aber nur eine Perspektive, wenn sie sich die Vorbereitung solcher Besetzungen zum Ziel setzen – ansonsten werden sie früher oder später „bröckeln“ und zum Selbstzweck werden.

4.

Um die Aktionen zu verstärken und besser zu koordinieren, brauchen die Besetzungen politisch verantwortliche Streik- oder Besetzungskomitees, die während der Plena oder VVs die Streikenden nach außen repräsentieren, über taktische Fragen (z.B. Was tun, wenn die Polizei kommt?) entscheiden und die Koordinierung mit anderen Unis/Besetzungen übernehmen.

5.

Die Studierenden sollen sich mit den Bündnissen der SchülerInnen koordinieren, mit Kämpfen der ArbeiterInnen, mit Anti-Krisenbündnissen, um mit diesen gemeinsam rasch weitere Aktionen, Demonstrationen, Blockaden usw. zu organisieren, um den Druck der Bewegung zu erhöhen.

6.

Um die Dynamik der Besetzungen, der Aktionen zu stärken, sind nicht nur Agitation und Aufklärung an den Unis wichtig. Es müssen auch regelmäßig Aktionen in den Städten erfolgen, um die Bevölkerung zu erreichen und deren Solidarität zu erhalten.

7.

Um die Aktionen und Proteste im Bildungsbereich zu stärken und besser zu verbinden, schlagen wir die Schaffung einer bundesweiten sowie auch internationalen Koordinierung der Proteste im Rahmen von Aktionskonferenzen vor. Für Deutschland sollten die
besetzenden Unis rasch eine solche Konferenz einberufen. Ein erster Schritt wäre eine Konferenz direkt im Anschluss an die Bonner Bildungsproteste, zu der auch VertreterInnen der Schülerbündnisse, der Kitas, von ver.di und GEW und von den Mensa-Beschäftigten usw. eingeladen werden sollten.

Kein Vertrauen in die falschen Freunde aus den Uni-Leitungen und Ministerien!

Die „Solidarität“ und Unterstützung, die jetzt von Regierungen und Uni-Rektoren kommt, ist nicht nur verlogen, sondern auch falsch. Selbst Ministerin Schawan heuchelt Verständnis und rügt Unis und Länder, dass sie „die Reformen nicht umgesetzt“ hätten. Dabei sind doch die „Reformen“ wie Bachelor/Master Teil des Problems – nun nicht bloß deren „schlechte Umsetzung“.
Auch die jetzt ins Spiel gebrachte Erhöhung des Bafög ist reine Augenwischerei. Was die Studierenden, die Azubis, die SchülerInnen ab 16 brauchen sind Vergütungen oder Mindesteinkommen, von denen sie auch leben können – und zwar ohne dieser später wieder abstottern zu müssen! Rektoren, Direktoren und Länderministerien tun es Schawan gleich. Jetzt wollen auch sie schon immer für eine „ganz andere“ Wissenschaftspolitik gewesen sein. Auch wären sie mit den Studierenden und SchülerInnen „solidarisch“ – was freilich viele nicht daran gehindert hat, bei den letzten Bildungsstreiks oder auch nur in den letzten Wochen die Bullen zu rufen, um Besetzungen mit Gewalt aufzulösen. Die Uni-Leitungen und Wirtschaftsministerien
haben nicht dieselben Interessen wie die Mehrheit der Studierenden – und schon gar nicht wie die der Mehrheit der Bevölkerung. Die Frage ist schließlich nicht bloß, dass es „mehr Geld“ für die Unis gibt; die Frage ist auch, wer das bezahlen soll? Die Frage ist, wer bestimmt,
wofür es verwendet wird: bürgerliche Professoren, Ministerien, Unternehmerverbände
oder die große Mehrheit der Gesellschaft – die Arbeiterklasse. Das sind die Alternativen! Es gibt im
Kapitalismus kein Bildungs- und Ausbildungssystem, das über den Klasseninteressen
steht oder stehen könnte. Wenn wir für die Kontrolle der Unis, der Schulen u.a. Bildungseinrichtungen kämpfen, so geht es immer darum, die bestehende Kontrolle dem Kapital und dem bürgerlichen Staat zu entreißen und für die Kontrolle durch gewählte und jederzeit abwählbare VertreterInnen der StudentInnen, der Lehrenden und der Gewerkschaften zu kämpfen. Es geht darum, dem Protest eine anti-kapitalistische, revolutionäre und Klassenperspektive zu
geben. Denn: Nur im gemeinsamen Kampf von Studierenden, SchülerInnen, Azubis, Lehrenden mit alle anderen, von den Angriffe des Kapitals und der Regierung Bedrohten, haben die Besetzungen eine längerfristige Perspektive.

Freier und kostenloser Zugang zur Bildung für Alle!

  • Weg mit allen Arten von Studiengebühren! Volle Lehr- und Lernmittelfreiheit an allen Bildungseinrichtungen!

  • Ausbildungsplätze für alle zu tariflichen Bedingungen, finanziert durch die Unternehmer!

  • Nein zum Turbo-Abi! Abschaffung des Numerus Clausus!

  • Mindesteinkommen/Vergütung für alle Studierenden, Azubis, SchülerInnen über 16 in der Höhe von 1000,- Euro netto!

Nein zu BA/MA! Nein zu Bologna und der weiteren Vermarktwirtschaftlichung der Unis und Bildungseinrichtungen!

  • Nein zu allen Privatisierungen! Ausbau und Sanierung der Bildungseinrichtungen, finanziert durch Besteuerung der Unternehmen und großen Vermögen!

  • Abschaffung des Bachelor! Schluss mit der Verschulung der Uni, mit Anwesenheitspflichten und Leistungsterror! Kontrolle über die Studienordnung durch Studierende und Lehrende, Kontrolle über Unis u.a. Bildungseinrichtungen durch die Lernenden, Lehrenden und die Arbeiterbewegung!

Gemeinsamer Kampf!

  • Neueinstellung von 100.000 neuen LehrerInnen an den Schulen bei gleichzeitiger Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

  • Kein Outsourcing von Mensen u.a. Einrichtungen der Unis! Tarifliche Bezahlung für alle Lehrbeauftragen, Beschäftigten und einen Mindestlohn von 10 Euro netto pro Stunde für Reinigungskräfte, Mensenbeschäftigte usw.!

  • Für das Recht auf volle politische Betätigung an der Uni ohne Wenn und Aber!

  • Polizei und Sicherheitskräfte raus aus Schulen
    und Unis!

  • Massenblockaden und organisierte Selbstverteidigung gegen Räumungsversuche!

  • Aufbau von Besetzungs- und Streikkomitees, die von den Plena und VVs gewählt werden, diesen verantwortlich und jederzeit abwählbar sind!

  • Bundesweite Koordinierung der Aktionen, rasche Einberufung einer bundesweiten Delegiertenkonferenz aller besetzten Unis!

  • Einberufung einer Aktionskonferenz aller im Bildungsbereich Kämpfenden, Verknüpfung mit den Anti-Krisenbündnissen, um die Losung „Vom Bildungsstreik
    zum Generalstreik!“