#ZeroCovid – Stop the Curve!

Internationale Resolution von Revolution

Seitdem
die Pandemie ausgebrochen ist und eine allgemeine Krise sich
abzeichnet, sind die linken Massenorganisationen und auch große
Teile der radikalen Linken in einen Winterschlaf gefallen, aus dem
auch der Lärm von alles andere als schläfrigen Schwurbler_innen sie
nicht aufwecken konnte. Jetzt kommt eine Initiative von links, die es
wagt der Gesundheit zuliebe einen Finger an die Profite zu rühren
und innerhalb weniger Tage 80,000 Unterschriften zustande bringt.
Kein Wunder, dass das deutsche
Kapital am Rad dreht, wie stets im Duett mit Gewerkschaftsführungen
und bürgerlicher Presse. Aber auch innerhalb von Teilen der
radikalen Linken hat die Kampagne keinen guten Ruf, ihr Ziel sei
unrealistisch und dann wolle sie zu dessen Umsetzung auch noch einen
Polizeistaat installieren! Ist die Kampagne also überhaupt links?
Sind das vielleicht alles Faschisten? Und wenn nicht, wie sollten
sich junge Revolutionär_innen zu ihr verhalten? Was hat sie
überhaupt für die Jugend zu bedeuten, wie steht sie zu den Schulen?
Und wie könnte sie vielleicht sogar zum Sieg führen? Den
drängendsten Fragen wollen wir uns hier kurz annehmen.

Nochmal kurz Corona-Recap:

Also
Corona, das war ja diese Krankheit, die einen irgendwie umbringt,
wenn man z.B. Vorerkrankungen hat oder alt ist und dazu keinen
ausreichenden Zugang zu gesundheitlicher Versorgung bekommt. Weil die
Sterblichkeitsrate so in die Höhe geht, wenn das Gesundheitssystem
überlastet ist, ist die Pandemie nicht nur für uns Jugendliche und
die Arbeiter_innenklasse so eine Katastrophe, auch die Bourgeoisie
und die Regierungen haben ein Problem, wenn größere Teile der
Bevölkerung wegsterben. Der Ansatz von stumpfer „Herdenimmunität“,
der von Arschlöchern wie Trump oder Bolsonaro noch verfolgt wurde
und in beiden Ländern zu katastrophalen Zuständen geführt hat, ist
also im Allgemeinen für niemanden eine richtige Option. Die Politik,
die wir in Europa seit langem erleben, folgt daher dem Konzept
„flatten the curve“, d.h. durch halbherzige Maßnahmen wird das
Virus zwar nicht komplett eingedämmt, aber die Ausbreitung wird auf
ein lineares Wachstum verlangsamt, indem man die Reproduktionszahl
auf 1 oder knapp unter 1 bringt und damit auch knapp unter der
Kapazitätsgrenze des Gesundheitssystems verbleibt, man will sich
also irgendwie durchmauscheln bis durch Impfung und Genesene die
Bevölkerung hinreichend immunisiert ist. Der Twist fürs Kapital
dabei ist, dass die Maßnahmen, die dabei getroffen werden,
hauptsächlich auf die persönlichen Freiheiten und Rechte der
Menschen abzielen (private Kontaktbeschränkungen, Schließung von
Kultur- und sozialen Einrichtungen, …), jedoch die Produktion und
damit die Profite der großen Konzerne und Industrien weitgehend
unangetastet bleiben. Darin liegt aber auch ein Problem, weil die
kapitalistischen Regierungen in diesem ständigen Ringen über den
Grad der Maßnahmen niemals vollständige Kontrolle über das Virus
erlangen, wir sehen es aktuell sehr deutlich in der Debatte um die
Wiederöffnung der Schulen, eine Schwierigkeit die durch Faktoren wie
hoch infektiöse Virusmutationen natürlich weiter verschlimmert
wird. Und hier kommt nun ZeroCovid ins Spiel, eine Kampagne, die
ursprünglich zurückgeht auf eine Proposition einer Gruppe von
Wissenschaftler_innen aus „The Lancet“ (das ist so ein
kanonisches Medizinjournal aus Großbritannien).

Was
will ZeroCovid?

Die
hauptsächliche Message von ZC ist, dass die Infektionszahl, auf
nahezu 0 (zero) heruntergebracht werden muss, um die Pandemie in den
Griff zu bekommen, also eher ein „stop the curve“-Ansatz. ZC sagt
nun, wie auch viele andere vernünftige Menschen, die nicht gerade
einen Regierungsposten belegen, dass ein „Feierabendlockdown“,
bei dem die meisten acht Stunden ihres Tages zubringen wie eh und je,
dafür niemals ausreichen kann, und dass aus diesem Grunde auch für
einen kurzen Zeitraum die nicht-essentiellen Teile der Wirtschaft
geschlossen werden müssen.

Der
Lockdown soll darüberhinaus ein „solidarischer Lockdown“ sein,
in dem Sinne, dass ein Rettungspaket gefordert wird, nicht für
Banken und Konzerne, sondern für „die Menschen, die von den
Auswirkungen des Shutdowns besonders hart betroffen sind […] wie
Menschen mit niedrigen Einkommen, in beengten Wohnverhältnissen, in
einem gewalttätigen Umfeld, Obdachlose“. Ebenso soll massiv in den
Gesundheits- und Pflegebereich investiert werden und es wird
gefordert, dass die Impfstoffe „ein globales Gemeingut“ und der
„privaten Profiterzielung entzogen“ werden sollen.

Wichtig
ist, dass ZC, wenn auch nirgends das Wort „Kontrolle“ auftaucht,
dazusagt, „dass die Beschäftigten die Maßnahmen in den Betrieben
selber gestalten und gemeinsam durchsetzen” müssen und auch die
Gewerkschaften aufgefordert werden, “die erforderliche große und
gemeinsame Pause zu organisieren”. Wichtig ist das deshalb, weil es
die Frage aufwirft, wer das Subjekt der Veränderung sein soll,
vielmehr noch diese Frage gleich mit einem Klassenstandpunkt auf
Seiten der Arbeiter_innenklasse beantwortet. Dies schlägt sich auch
in einer letzten Forderung noch einmal nieder, in der sie die
Finanzierung aller Maßnahmen durch das Kapital fordern, in Form
einer “europaweiten Covid-Solidaritätsabgabe auf hohe Vermögen,
Unternehmensgewinne, Finanztransaktionen und die höchsten
Einkommen.”

Was
ist von all dem zu halten?

Wie
schon angedeutet, ist der grundlegende Ansatz goldrichtig und es ist
sehr zu begrüßen, dass die Intiative auf so eine Popularität
stößt. Insbesondere der Bezug auf die Arbeiter_innenklasse stellt
einen qualitativen Unterschied dar zu anderen Petitionen und
moralischen Appellen. Mit all dem gesagt, müssen wir dennoch
bemerken, dass in dem Aufruf einiges schwammig bleibt, so wird nicht
klar unter welchen Umständen eine Kontrolle der Arbeiter_innen und
Jugend über die Maßnahmen gelingen kann, stattdessen wird eher der
Eindruck vermittelt, der Staat müsse nur mal daran erinnert werden,
dass es uns auch noch gibt und dann könne man ihm die Umsetzung
dieser Politik auch irgendwie überlassen. Das ist allerdings ein
Trugschluss, kann doch der Staat in einer Klassengesellschaft, in der
die ökonomische Macht, das Eigentum, bei einer einzelnen Klasse
liegt, unmöglich neutral über den Klassen stehen. Es gibt
darüberhinaus noch viele weitere Punkte, in denen wir uns natürlich
wünschen würden, dass der Aufruf klarer und weitreichender wäre,
wir wollen hier nur exemplarisch nennen, dass zwar der Schritt von
einer europaweiten Planung schon gut ist, allerdings die Kurve nur
global wirklich gestoppt werden kann, wir also international für
diese Maßnahmen kämpfen müssen, wie auch klar gesagt werden muss,
dass der Kampf gegen die Pandemie keine Abschottung Europas gegenüber
Flüchtenden bedeuten darf, die Grenzen müssen für Geflüchtete
vielmehr geöffnet werden, so coronakonform wie möglich
(Massentests, dezentrale Möglichkeiten zur Quarantäne, …).

Also
Pustekuchen?

Nee!
Gerade jetzt, wo die Gewerkschafts- und Parteiführungen unsere
Klasse so im Stich lassen, und die größeren Mobilisierung eher von
rechts kommen, ist unsere Aufgabe eine Antikrisenbewegung von links
aufzubauen. Und da dürfen wir bei einem so vielversprechenden
Ansatz, der auch noch in so entscheidenden Fragen in genau die
richtige Richtung geht, nicht meckernd am Rande stehen. Wir müssen
uns vielmehr in ZC dafür engagieren, dass all die angesprochenen
Punkte umgesetzt werden, die so notwendig sind für den Erfolg der
Kampagne. Es ist ein richtiger Schritt, dass neben dem reinen
Unterschriftensammeln im Netz in den letzten Wochen auch zaghaft
kleine Aktionen auf der Straße oder vor den Betrieben gestartet
wurden und in vielen Städten Ortsgruppen zur Koordinierung der
Proteste gegründet wurden. Revolutionär_innen sollten diesen
Tendenzen weiterführen und so die Klasse als Subjekt der Veränderung
mehr in den Vordergrund rücken, da nur aus einer wirklichen Bewegung
auch Kontrollorgane zur Umsetzung der Ziele hervorgehen können.
Lasst uns im Einklang mit dem Infektionsschutz Demos, Streiks und
Besetzungen organisieren! Wir fordern auch andere linke
Jugendorganisationen (solid, Young Struggle, SDAJ, Jugendantifas und
andere, ja ihr seid gemeint) auf, um ZC aktiv zu werden. Nur von
außen kritisieren reicht jetzt nicht, macht mit und tragt eure
Kritik aktiv mit rein! Die Zeiten sind vorbei, in denen wir es uns
leisten können jede unser eigenes Süppchen zu kochen! Und nebenbei,
das Argument Forderungen an den Staat seien ein NoGo können wir
nicht gelten lassen, bei FFF hat das auch niemanden gejuckt, wir
haben aber trotzdem noch einen ausführlicheren Artikel zu der Frage:
onesolutionrevolution.de/duerfen-linke-forderungen-an-den-staat-stellen-zerocovid/

Was
heißt ZeroCovid für Jugendliche?

Naja
Corona ist ja auch doof für uns, nicht nur für Oma und Opa, das
wird z.B. deutlich, wenn wir uns anschauen was das Krisenmanagement
in der Schule für eine Katastrophe ist, nicht nur für diejenigen,
die gerade Abi schreiben. Es macht daher auch für uns Sinn, für ein
bisschen Kontrolle über unsere Lebensrealitäten zu kämpfen. Wir
sollten daher in der Schul-AG bei ZC intervenieren, um dafür zu
sorgen, dass a) unsere Interessen in der Kampagne Gehöhr finden, wir
b) dadurch auch andere Jugendliche aufmerksam machen können und
c) Druck auf Kräfte wie die GEW aufzubauen auch zu Aktionen
aufzurufen.
Inhaltlich
sollten wir dabei Forderungen aufwerfen wie: Schulöffnungen nur
unter unseren Bedingungen: Mehr Räume, mehr Personal, kleinere
Klassen, Freistellung ohne Diskussion, Prüfungen und Noten nur zur
Verbesserung. Ausführlicher
findet ihr das auf unserer Homepage.


Gehen wir es also an,
der Kampf für eine bessere Welt und gegen die Corona-Leugner_innen
kann nur Erfolg haben, wenn wir auch greifbar Alternativen aufzeigen
können!




Dürfen Linke Forderungen an den Staat stellen? (#ZeroCovid)

Guter Artikel unseres Genossen Wilhelm Schulz, zuerst veröffentlicht in Neue Internationale 253, Februar 2021

#ZeroCovid stellt den ersten linken Vorstoß mit potenziellem Massencharakter der, der sich gegen die staatlichen Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie stellt und die Auseinandersetzung in die Betriebe tragen möchte. Es stellt eine zentrale Aufgabe auch der subjektiv revolutionären Linken dar, die Initiative und ihren Erfolg nach Kräften zu stärken und sie politisch zu prägen. Daher unterstützen wir sie kritisch und fordern alle linken und proletarischen Kräfte auf, es uns nachzutun.

Während an die 100.000 den Aufruf unterschrieben haben, bleibt die
Reaktion unter sozialistischen Linken bislang recht verhalten. Die SAV
unterstützt die Kampagne nicht, weil sie es nicht für mehrheitsfähig in
der Klasse hält, einen Shutdown auch auf die Wirtschaft auszuweiten. Der
Funke (IMT) verweigert sich, weil der Aufruf die Methoden des
Klassenkampfes nicht anwende, sondern  den Staat als Subjekt der
Veränderung sieht und damit Illusionen in eben jenen schüre.

In verschiedenen Stellungnahmen aus linken Organisationen, Parteien
und Plattformen können wir in den letzten Tagen eine relative Paralyse
gegenüber der Forderung nach einschränkenden Maßnahmen zur Bekämpfung
der Pandemie beobachten. Forderungen an den Staat erscheinen manchen
prinzipiell, also unabhängig von ihrem Inhalt, als Teufelszeug.

Staat und Reformen

Bevor wir auf die Frage näher eingehen, wollen wir kurz fünf Forderungsblöcke von #Zero-Covid darlegen:

„1. Wir schränken unsere Kontakte auf ein Minimum ein – auch am
Arbeitsplatz. Wir müssen alle nicht gesellschaftlich notwendigen
Bereiche der Wirtschaft für eine Zeit stilllegen.

2. Niemand darf zurückbleiben: Menschen können nur zu Hause bleiben,
wenn sie finanziell abgesichert sind. Deshalb ist ein umfassendes
Rettungspaket für alle nötig.

3. Der Markt hat nichts geregelt. Der Gesundheits- und Pflegebereich
muss sofort ausgebaut werden. Das heißt auch: Löhne rauf und weg mit dem
schädlichen Profitprinzip im Gesundheitswesen.

4. Eine globale Pandemie lässt sich nur global besiegen: Impfstoffe
dürfen nicht den Profiten von Unternehmen dienen, sondern müssen allen
Menschen überall zur Verfügung stehen.

5. Die nötigen Maßnahmen kosten Geld. Deshalb brauchen wir
europaweite Covid-Solidaritätsabgaben auf hohe Vermögen,
Unternehmensgewinne, Finanztransaktionen.“

Diese fünf Forderungen könnten natürlich noch deutlicher und
konkreter gefasst werden. Das ist hier aber nicht das Wesentliche. Alle
zielen auf den Gesundheitsschutz, die soziale Verbesserung der Lage der
Lohnabhängigen, von Selbstständigen, unabhängig von Alter, Nationalität,
Geschlecht sowie auf die Finanzierung dieser Maßnahmen durch
Umverteilung von oben nach unten.

Forderungen im Kapitalismus

Solange wir den Kapitalismus noch nicht gestürzt haben, richten sich
solche Forderungen nach sozialen und politischen Verbesserungen oder
Reformen immer notwendigerweise an den Staat. Das trifft z. B. auch auf
die Forderungen nach einer gesetzlichen Arbeitszeitverkürzung, nach
einem Mindestlohn, nach Enteignungen großer Konzerne, nach dem Ausbau
demokratischer Rechte zu.

Würden die VertreterInnen einer solchen Kritik ihre eigenen Argumente
ernst nehmen, so müssten sie jede Bewegung, jeden Kampf für politische
und soziale Reformen kategorisch ablehnen und, ähnlich wie die
„antiautoritären“ und anarchistischen KritikerInnen von Marx und Engels
in der Ersten Internationale, den Weg des politischen Abstentionismus
beschreiten, also der Enthaltung vom und Ablehnung des politischen
Klassenkampf/es für Verbesserungen im bestehenden System.

Die Geschichte lehrt hingegen, dass der Kampf um solche Reformen als
Mittel genutzt werden muss, um die ArbeiterInnenklasse zu organisieren
und in Bewegung zu bringen. Schließlich hat der bürgerliche Staat als
Sachwalter des Kapitals nichts zu verschenken. Und jede/r weiß, dass die
Ziele von #ZeroCovid nur durch massive Mobilisierungen erzwungen werden
können, um diese gegen den Widerstand von Kapital, bürgerlichen
Parteien und Regierung zu erzwingen.

Nur wenn die Forderungen mit weiterführenden Kampfmaßnahmen wie
Demonstrationen, Streiks und Besetzungen verbunden werden, kann die
Klasse Zugeständnisse erzwingen und im Zuge ihrer dafür notwendigen
Selbstorganisation die Umsetzung kontrollieren. Im Nachfolgenden wollen
wir also die Frage, ob und inwiefern wir Forderungen an den Staat
stellen sollten, weiter beleuchten.

Was ist der bürgerliche Staat?

Der bürgerliche Nationalstaat ist in erster Linie ein Instrument zur
Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung und Eigentumsverhältnisse –
er ist ein kapitalistischer Klassenstaat. Er fungiert als ideeller
Gesamtkapitalist, d. h. er muss die allgemeinen Produktionsbedingungen
aufrechterhalten und auch als Sachwalter des Gesamtinteresses der
herrschenden Klasse dienen. Dieses darf jedoch nicht als Addition der
Interessen der konkurrierenden Einzelkapitale verstanden werden.
Vielmehr muss er auch die Konkurrenzbedingungen unabhängig von diesen
garantieren, was auch zu einzelnen Konflikten führt. Dieser Gegensatz
zeigt sich aktuell auch durch die Schließung von Restaurants und
Freizeiteinrichtungen, während die für die Mehrwertproduktion
„essentiellen“ Konzerne um jeden Preis offen gehalten werden.

Zweitens verkörpert der Staat im Kapitalismus das gesellschaftlich
Allgemeine, wenn auch das „falsche Allgemeine“, weil seine proklamierte
„Neutralität“ und formale Gleichheit der BürgerInnen nur den Überbau
bilden können, auf dessen ökonomischer Grundlage sich die Klassen
reproduzieren. Damit die Sicherung dieser gesellschaftlich grundlegenden
Verhältnisses gelingt, muss die bürokratische Staatsmaschinerie
(Parlamente, Repressionsapparat, Verwaltung, Justiz, …) strukturell an
die herrschende Klasse gebunden sein.

Daher kann der Staat nicht einfach übernommen, transformiert oder
demokratisiert werden. So sind die Staatsbediensteten materiell und
ideologisch an ebendiesen Staat gebunden. Auch ist der Großteil des
Staates eben nicht demokratisch wählbar, was im Besonderen für die
exekutiven Organe (Polizei, Militär, Geheimdienste) gilt.

Zugleich aber bildet der Kampf um politische und soziale Reformen
einen Ort des Klassenkampfes in der bürgerlichen Gesellschaft. Unsere
Politik muss daher notwendig zwei Aspekte berücksichtigen. Erstens geht
es darum, die Klasse durch Forderungen wie jene nach einem Shutdown der
Wirtschaft zusammenzuschließen und zu einer politischen Bewegung zu
formieren, die nicht nur an einzelne UnternehmerInnen Forderungen nach
Durchsetzung gesundheitlicher Unversehrtheit richtet, sondern diese als
allgemeine politische erhebt. Als Zweites zielen diese Forderungen
darauf ab, Illusionen in den Klassenstaat zu brechen, um dabei eine
Perspektive zu weisen, die von den bestehenden Problemen aus die
Notwendigkeit der Selbstorganisation und schlussendlich den Bruch mit
dem Privateigentum aufzeigt.

Kann man also Forderungen an den Staat stellen?

Die zentrale Zielsetzung unserer Forderungen besteht nicht in
Erreichung kleiner Teilerfolge, sondern sie muss darauf abzielen, einen
unversöhnlichen Klassenstandpunkt aufzuzeigen und zu popularisieren
(vergl. Luxemburg: Sozialreform oder Revolution). Damit sind wir an
einem Punkt angelangt, an dem der Vorstoß von #ZeroCovid eine gewisse
Doppeldeutigkeit annimmt, konkret an der Frage, wie die aufgestellten
Forderungen umgesetzt werden können. Der Adressat der Online-Petition
sind die „Deutsche Bundesregierung, Schweizer Bundesregierung,
Österreichische Bundesregierung, Europäische EntscheidungsträgerInnen“
(siehe Petitionstext), während im Aufruf die Gewerkschaften aufgefordert
werden, den Shutdown im Betrieb zu organisieren. Was von manchen somit
als Appell an den Staat bezeichnet wird, ist unter Bedingungen einer
klassenkämpferischen Bewegung in den Gewerkschaften und Betrieben ein
Erzwingen zur Umsetzung der Maßnahmen gegenüber dem Staat.

Besonders interessant wird die verkürzte Darstellung von Forderungen
an den Staat als rein appellierende Haltung, wenn wir uns andere soziale
Bewegungen anschauen, allen voran Fridays for Future – eine Bewegung,
die die meisten der ach so konsequenten linken Gruppen vermutlich
(kritisch) unterstützen werden. Die Hauptforderung von FFF ist die
Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, womit sie sich direkt auf den
Staat bezieht, sogar ganz ohne Bezugnahme auf Gewerkschaften. Hier
wiederum kämpfen viele der SozialistInnen in und um FFF für ein
Klassenprogramm. Eine kurze Frage an die SAV an der Stelle: Ist die
Umsetzung der Forderungen der Umweltbewegung denn in der
ArbeiterInnenklasse aktuell mehrheitsfähig? Eventuell ist die Sorge auch
eher, dass dies in der Linkspartei schwer mehrheitsfähig ist bzw. einen
politischen Kampf mit sich brächte.

Um die Notwendigkeit, Forderungen an den Staat zu stellen, zu
verstehen, müssen wir uns kurz mit den drei Dimensionen des
Klassenkampfes befassen, dem ökonomischen, politischen und ideologischen
Klassenkampf (vgl. Lenin: Was tun?). Verkürzt gesagt, umrahmen sie
idealtypisch folgendes Feld: Der ökonomische Klassenkampf bezieht sich
auf die Verbesserungen des Verhältnisses bezahlter zu ausgebeuteter
Lohnarbeit, der ideologische hingegen ist der Kampf um die Köpfe, besser
um die Entwicklung von der Klasse an sich zur Klasse für sich, und im
politischen Klassenkampf – um den es im Kern an dieser Stelle geht –
richtet sich die ArbeiterInnenbewegung schlussendlich gegen das
politische wie soziale System des Kapitalismus als Ganzes. Ziel ist es,
die Herrschaft der Bourgeoisie zu stürzen, somit auch ihren Staat zu
schwächen, gar zu entmachten.

Charakter des „Autoritarismus“

Weiter oben haben wir verdeutlicht, dass die Forderung an den Staat
mit der Mobilisierung der Klasse verbunden werden muss. Aus dem oben
Gezeigten lässt sich auch leicht die Antwort auf eine Frage finden, die
viele Linke anscheinend umtreibt: Führen Forderungen an den Staat denn
automatisch zum Autoritarismus? Im Allgemeinen lässt sich sagen: Nein!
Es hängt vielmehr jeweils davon ab, wessen Klasseninteressen, welche
Anliegen sie zum Ausdruck bringen, nicht ob sie „autoritär“ sind oder
nicht.

Bestünde ein solcher Automatismus hingegen, müsste jede Forderung
nach sozialer Absicherung den Staat ein Quäntchen autoritärer machen,
beispielsweise die Erhöhung des Mindestlohns. Auch bei #ZeroCovid geht
es nicht um irgendwelche Forderungen an den Staat, sondern um die
Forderung nach einem Shutdown des Gesamtkapitals.

Es ist kein Zufall, dass die Regierung bereit ist, einzelne, für die
Mehrwertproduktion weniger wichtige Branchen zu schließen. Im Falle der
Großindustrie setzt der reale Staat jedoch seine Macht ein, um solche
Maßnahmen zu verhindern. Er sichert die Profite der Konzerne auf Kosten
unserer Gesundheit. Die konkreten Maßnahmen, die #ZeroCovid vorschlägt,
werden daher nur durch eine Bewegung erzwungen werden können. Selbst
wenn sich der Staat genötigt sähe, diesem Druck vorübergehend
nachzugeben, würden viele BürokratInnen und UnternehmerInnen kreativ
nach Schlupflöchern suchen – ganz so wie wir das von der „autoritären“
Besteuerung der Unternehmen oder „autoritären“ Hygienevorschriften in
Schlachtereien kennen. Große Konzerne würden versuchen, sich den
Shutdown vergolden zu lassen. D. h. hier zeigt sich, dass die Frage der
Erzwingung dieser Maßnahmen mit jener der Kontrolle durch die
ArbeiterInnenklasse in den Betrieben und Stadtteilen verbunden werden
muss.

Welche Forderung in wessen Interesse?

Vom Standpunkt der KapitalistInnenklasse und des
KleinunternehmerInnentums sind staatliche Arbeitszeitbeschränkungen,
Kündigungsschutz oder Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz natürlich
„autoritär“. Vom Standpunkt der ArbeiterInnenklasse aus betrachtet
hingegen oft löchrig wie Schweizer Käse. Für das Kapital wirkte sich die
Kontrolle durch die Lohnabhängigen noch viel autoritärer aus als jene
des Staates. Daher muss jede Kritik am „Autoritarismus“ auf ihren
Klassencharakter hin überprüft werden. Der abstrakte, vom politischen
und sozialen Inhalt einer Forderung abstrahierende „Antiautoritarismus“
entpuppt sich nämlich bei näherer Betrachtung als bürgerliche,
arbeiterInnenfeindliche Ideologie.

Ist es denn kleinbürgerlich-moralisierend, Forderungen an den Staat
zu stellen? Wie bereits verdeutlicht: Nein, nicht prinzipiell! Die
Aufgabe ist es, die Forderungen, die in der Online-Petition formuliert
werden, mit weiterführenden Kampfmaßnahmen zu füllen. Die Darstellung
deren als kleinbürgerlich und staatsbejahend ignoriert vollkommen die
Aufgabe von RevolutionärInnen, die Wirklichkeit dem Gedanken anzunähern
und hat ausschließlich den praktischen Nutzen, im Nachhinein die eigene
Passivität zu legitimieren. Eine solche Haltung tut in der Situation der
Paralyse nichts anderes als dem vorherrschenden Bewusstsein in der
Klasse, somit einem bürgerlichen, hinterherzulaufen. Deshalb: Nicht
meckern, machen! Kämpft mit und in #ZeroCovid für eine proletarische
Aktionsplattform im Kampf gegen Pandemie und Krise!




Warum wir jetzt anfangen müssen, eine globale Antikrisenbewegung aufzubauen

Marvin Schutt

Kein Thema
hat in letzter Zeit unsere Gespräche, Gedanken und Social Media Feeds so
geprägt wie das neuartige Coronavirus / Sars-CoV-2, kurz: Corona. Der von
vielen Politiker_Innen proklamierte „Weg in eine neue Normalität nach Corona“ hat
die Weltwirtschaft aufatmen lassen. Jedoch liefern die vielen Neuninfektionen
für uns keinen Grund zum Aufatmen sondern eher für Schnappatmung! Wie unsere
Gesundheit für die Profite der Konzerne auf‘s Spiel gesetzt wird, zeigt nicht
zuletzt der massive Corona-Ausbruch beim Fleischproduzenten Tönnies. Dabei sind
bereits eine halbe Millionen Menschen weltweit an oder mit Covid19 gestorben. Die
Öffnungs- und Lockerungspolitik, die viele Länder auf Druck der Wirtschaft und
der internationalen Konkurrenz durchgeführt haben, lässt eine 2. globale
Infektionswelle nun immer näher kommen. So brechen neue Infektionsherde in
China oder Lateinamerika aus und die Neuinfektionszahlen schnellen weltweit
rasant an.

Marktwirtschaft
failed

Die
Corona-Krise ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie die freie Marktwirtschaft
nicht dazu in der Lage ist, die dringendsten Bedürfnisse der Menschheit (wie
zum Beispiel nicht einer Covid19-Infektion zu sterben) zu befriedigen. Die
Pandemie ist dabei jedoch nur der Auslöser und nicht die Ursache der Krise.
Diese liegt weitaus tiefer in der kapitalistischen Produktionsweise selber.
2007/2008 ist sie in eine tiefe Absatzkrise geraten, sodass die Produktivität
und die Investitionen massiv gesunken sind. Diese Krisenursachen wurden jedoch
nicht behoben, sondern nur durch Niedrigzinspolitik und riesige
Bankenrettungspakete abgefedert. Das Coronavirus ist nun die Nadel, die die
riesige Blase gerade zum Platzen bringt. Weitere Fabrikschließungen,
Massenentlassungen und Sparmaßnahmen werden bald international auf der
Tagesordnung stehen.

Obwohl alle gerade
von Solidarität reden, können wir eigentlich nur nationale Abschottung
beobachten. Wer nur national beschränkte medizinische Krisenmaßnahmen ergreift,
aber sich nicht für 20.000 von Corona bedrohte, auf der griechischen Insel
Lesbos eingeschlossene und unter schlimmsten hygienischen Bedingungen lebende
Geflüchtete interessiert, braucht uns nichts von Solidarität zu erzählen. Da
eine Pandemie nicht vor Nationalstaatsgrenzen halt macht, bedeutet nationale
Abschottung darüber hinaus auch immer eine Behinderung von wirksamen
internationalen Schutzmaßnahmen oder der Entwicklung eines Impfstoffes. Und
nicht nur das, nationale Abschottung bedeutet auch, dass die reichen
imperialistischen Länder die ärmeren Ländern mit ihren schlechter
ausgestatteten Gesundheitssystemen alleine lassen und somit eine weitere
Ausbreitung der Infektionen in Kauf nehmen, solange es nicht auf dem eigenen Staatsgebiet
passiert. Dabei wirkt es so, als wären die imperialistischen Länder nicht dafür
verantwortlich, dass die Gesundheitssysteme in den ärmeren Ländern so schlecht
ausgebaut sind. Durch Kolonialismus, Ausbeutung und erzwungene Sparmaßnahmen
haben die imperialistischen Länder dem Rest der Welt jedoch die Möglichkeiten
für einen adäquaten medizinischen Kampf gegen das Coronavirus genommen. Zuletzt
stärkt nationale Abschottungspolitik auch immer ausgrenzende, nationalistische
und rassistische Tendenzen im Bewusstsein der Leute, welche ja bekanntermaßen auch
schon vor Corona stark an Fahrtwind dazugewonnen haben.

Nationalismus
failed

Gleichzeitig
feuert die nationalistische Politik auch die Konkurrenz zwischen den führenden
imperialistischen Staaten an. Das sehen wir nicht nur am Wettlauf um die
schnellsten Öffnungen und den wachsenden Spannungen in der EU sondern auch an
einer erneuten Zunahme von militärischen Konflikten. So wird nicht nur der
Polizeistaat nach innen ausgebaut sondern auch die Aggression nach außen
verstärkt, wie zum Beispiel durch den aktuellen Angriffskrieg der Türkei auf
die kurdischen Autonomiegebiete oder der Zuspitzung in Grenzkonflikten wie
zwischen Indien und China sowie zwischen Süd- und Nordkorea.

In
Deutschland konzentriert man sich vor allem darauf, die internationale
Konkurrenz auszubooten, indem man fleißig Konjunkturpakete schnürt, um so den
Status des „Exportweltmeisters“ aufrechtzuerhalten. Dafür bekamen deutsche
Unternehmen Kredite in Billionenhöhe quasi geschenkt. Ebenso das sogenannte
„Kurzarbeitergeld“, welches eine weitere Millionensubvention für Unternehmen
bedeutete, da die Lebensunterhaltskosten ihrer Belegschaften nun aus
Steuergeldern und nicht aus der Konzernkasse finanziert werden. Für alle
anderen, die leider keine Produktionsmittel besitzen, heißt es nun den Gürtel
enger zu schnallen. Wer hier gerettet wird und wer dafür zahlen soll ist eine
eindeutige Klassenfrage: Die Armen zahlen, damit die Reichen gerettet werden. Dies
stellt eine massive Umverteilung von Steuergeldern von unten nach oben dar,
sodass die Corona-Pandemie die ohnehin massive soziale Ungleichheit zusätzlich
verstärkt hat. Dabei fragen wir uns, wo dieses ganze Geld auf einmal herkommt.
Seit Jahrzehnten erzählen uns Finanzminister_Innen, dass Deutschland seine
Staatsschulden abbauen müsse. Etliche Sozialkürzungsmaßnahmen, Bildungsabbau
und Sparprogramme wurden mit dem Argument gerechtfertigt, die Neuverschuldung
möglichst gering halten zu müssen. Die Corona-Krise veranlasste die
Bundesregierung nun zu einer 180 Grad-Wende: Plötzlich ist massig Geld da und
die Milliardenkredite sprudeln aus der Staatskasse. Allerdings fließen diese
nicht in öffentliche Dienstleistungen oder Sozialhilfe sondern in die
Privatwirtschaft. Geld scheint also eigentlich da zu sein, wenn es einen
politischen Willen dafür gibt.

Wir sind
keine Risikogruppe und trotzdem Opfer der Pandemie!

Trotzdem
wird sich die erwartete Rezession so nicht aufhalten lassen.
Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren trotz riesiger Rettungspakete
einen Abfall des BIPs, wie ihn Deutschland seit dem Ende des Zweiten
Weltkrieges nicht mehr gesehen hat. Dabei werden es wir Frauen, People of Color
und Jugendliche sein, die die wirtschaftlichen Folgen als erste zu spüren
bekommen werden. So sind wir es, die ohnehin schon am wenigsten verdienen und
nun auch als erste entlassen werden. In Deutschland ist die
Jugendarbeitslosigkeit allein im März um 33 % im Vergleich zum Vorjahr
gestiegen. In Österreich sogar um 110 %! Und das obwohl die meisten Unternehmen
ja gerade noch relativ flüssig sind und die große Pleitewelle erst im Herbst
erwartet wird.

In Schule
und Uni stehen nun durch die übereilten Öffnungen die Klassenarbeiten und
Abschlussprüfungen an, die wir nun trotz massiv angestiegener
Bildungsungerechtigkeit überstehen müssen, damit das Bildungssystem fleißig
seiner kapitalistischen Selektionsfunktion nachkommen kann. Wir schreiben alle
die gleichen Prüfungen und werden gleich bewertet, obwohl es große Unterschiede
dahingehend gab, wer zu Hause die Ruhe hatte sich zu konzentrieren, wessen
Eltern unterstützen konnten und wer einen eigenen Computer zur Verfügung hatte.
Zudem kam es mit dem Lockdown auch zu einem Anstieg an häuslicher Gewalt, von
der vor allem wir Jugendlichen und Frauen betroffen sind.

Klassenkampf
statt Nationalismus

Die Linke
und die Gewerkschaften haben verpasst, auf die vielen Probleme des Lockdowns
eine Antwort von links zu formulieren. Stattdessen sind sie auf Kuschelkurs mit
dem Kapital gegangen und haben die „nationale Einheit“ statt Klassenkampf
beschworen. Das hat dazu geführt, dass die Probleme vor allem von rechts
angeprangert und mit einer reaktionären Weltsicht, Rassismus und Esoterik
verbunden wurden. Dabei richten sie sich in ihren sogenannten „Hygienedemos“
vor allem an das kleinbürgerliche Milieu, da kleine Unternehmen und
Selbstständige besonders hart von der Krise betroffen sind, aber kaum vom Staat
gerettet werden.

Wenn wir den
Rechten das Feld nicht überlassen wollen und linke Antworten auf die Fragen der
wirksamen Pandemiebekämpfung und die zu erwartenden sozialen Angriffe finden
wollen, können wir es jedoch nicht nur bei „solidarischer Nachbarschaftshilfe“
und „Kiezarbeit“ belassen. Selbstorganisierung ist zwar ein wichtiger Aspekt,
kann aber nur die Symptome bekämpfen. Wenn wir uns also nicht immer nur gegen
den gesellschaftlichen Mangel selbst organisieren wollen, müssen wir
notwendigerweise die Machtfrage stellen. Also kann ich zwar zum Beispiel für
meine 70-jährige Nachbarin in die Apotheke gehen, aber für die bestmögliche
Bekämpfung der Pandemie müssten wir die gesamte Pharmaindustrie unter
Arbeiter_innenkontrolle stellen.

Mit der
Perspektive, die zentralen von der Pandemie betroffenen gesellschaftlichen
Sektoren wie Gesundheitssystem, Produktion und Bildung unter demokratische
Kontrolle zu bringen und nicht der kapitalistischen Profitlogik zu überlassen,
gibt es jedoch einen Weg, wie wir kollektiv und solidarisch gegen die Krise und
gegen die Pandemie kämpfen können. Lasst und diese sozialistische Perspektive
dem wachsenden Rassismus, Militarismus und Verschwörungstheorien
entgegenstellen!

Wie kann
eine globale Anti-Krisenbewegung aussehen?

Dafür müssen
wir jetzt beginnen, eine Anti-Krisenbewegung aufzubauen. Indem wir uns dort
organisieren, wo wir die Folgen der Krise gerade am ehesten spüren, ob in
Schule, Uni, Krankenhaus oder Betrieb, können wir Widerstand gegen die
Öffnungspolitik und die Entlassungen aufbauen, indem wir Werk- oder
Schulschließungen durch Streiks und Besetzungen erzwingen. An SPD, Linkspartei
und Gewerkschaften kommen wir mit diesem Vorhaben jedoch nicht vorbei, denn ein
Großteil der organisierten Arbeiter_Innenklasse zählt zu ihren Mitgliedern.
Doch um aktiven Widerstand zu leisten, brauchen sie scheinbar einen kräftigen
Arschtritt! Lasst uns gemeinsame Mobilisierungen und Aktionskonferenzen
starten, an denen wir alle gemeinsam über ein Programm und Aktionen
diskutieren, das eine eigene unabhängige Stimme der Lohnabhängigen,
Migrant_Innen und Jugendlichen hörbar macht. Dabei müssen wir den Anschluss an
bestehende internationale Massenproteste wie die aktuelle
Black-Lives-Matter-Bewegung suchen und Themen wie Polizeigewalt und Rassismus
in unser Aktionsprogramm integrieren. Wenn eine Anti-Krisenbewegung nicht
international ist, ist sie gar nicht, denn eine internationale Krise lässt sich
nicht von einem Land aus bekämpfen. Nationale (Schein-)Lösungen bedeuten
letztlich nur, dass andere Länder stärker ausgebeutet werden, um kleine
Verbesserungen vor der eigenen Haustür zu schaffen. Nur mit einer konsequenten
internationalistischen, klassenkämpferischen und antikapitalistischen
Ausrichtung, kann eine solche Anti-Krisenbewegung erfolgreich sein!




Vom Schulboykott zum politischen Streik

Kaum erholt sich die Rate an Neuinfektionen mit dem Corona
Virus, fordern Unternehmer_Innen und Politiker_Innen schon wieder die „Rückkehr
zur Normalität“. Konkret bedeutet das: Wir sollen uns wieder in die uns
aufgezwungenen gesellschaftlichen Tätigkeiten, zurück in die Schule, zurück an
den Arbeitsplatz, zurück in den Prozess der Verwertung begeben. Dass gerade
jetzt die Aneigung von Mehrwert wieder mal gegenüber dem Wohle Aller und
insbesondere gegen das Wohl von Schüler_Innen, Arbeiter_Innen, Student_Innen
und Arbeitslosen überwiegt, müssen wir nicht hinnehmen, im Gegenteil, wir
müssen dagegen kämpfen.

Der Schulboykott ist dafür ein erstes Mittel. Selbst wenn
uns gedroht werden sollte, dass wir nicht versetzt werden, ist es notwendig
Widerstand zu organisieren. Dabei treffen Staat und Unternehmen diejenigen
Aktionen am härtesten, die sie in an ihrer Existenzgrundlage treffen: der
Ausbeutung von Arbeitskraft und der Aneigung von Mehrwert. Wie auch die im
Bezug auf die ökologische Katastrophe gewinnt die Forderung nach politischen
Streiks, also Streiks die sich in Deutschland außerhalb des Rahmens des
Streikrechts befinden, immer mehr an Bedeutung.

Politische Streiks!

Unser Schulboykott muss die Forderung nach politischen
Streiks aufwerfen und in die Bevölkerung tragen. Wir müssen Mitstreiter_Innen
gewinnen, die sich in Solidarität mit unserem Boykott selbst in den Streik
begeben. Dabei müssen wir aktiv auf Lehrer_Innen und Erzieher_Innen in der GEW,
auf Arbeiter_Innen in Handel und Industrie zugehen und sie davon überzeugen, dass
wir zusammen gegen die Maßnahmen der Regierung, die unterm Strich den
Unternehmen und Kapitaist_Innen, nicht aber den Arbeiter_Innen helfen, kämpfen
müssen. Dabei wählen wir unsere Verbündeten nicht zufällig. Der nachhaltige und
umfassende Kampf gegen die Corona-Pandemie liegt im gemeinsamen Interesse von
Arbeiter_Innen und Schüler_Innen. Weder wollen wir die gesundheitlichen Konsequenzen
einer verfrühten Lockerung von Schutzmaßnahmen tragen, noch die Kosten der
Krisenbewältigung aus den eigenen Taschen bezahlen. Kurzarbeiter_Innengeld und
staatliche Zuschüsse für die große Industrie (von Autobauern bis zur Luftfahrt)
werden aus staatlichen Mitteln und Kassen bezahlt, die im Nachhinein von uns Jugendlichen
und Arbeiter_Innen wieder gefüllt werden müssen.

Kämpfe verbinden

Die auf Corona folgende wirtschaftliche Krise müssen wir zum
Anlass nehmen, eine Antikrisenpolitik zu fordern, die sich entschlossen gegen
den Kapitalismus stellt. Die Rezession und die zu erwartenden Einbrüche im
Umsatz in der Autoindustrie und den Zuliefererketten heben die Notwendigkeit,
die Produktion zu verstaatlichen und unter Kontrolle von Beschäftigten ökologisch
umzugestalten, weiter hervor. Der damit einhergehende Wandel in der gesamten
Logistikbranche so wie im privaten Nah- und Fernverkehr kann nur im
Staatseigentum, demokratisch von Arbeiter_Innen und Nutzer_Innen geplant, und
aus den unerschöpflichen Vorräten der Kapitalist_Innen bezahlt werden. Solche
Konzepte, von einer entschlossenen kämpfenden Bewegung hervorgebracht, können
einen starken Pol gegen das Krisenmanagement und die Politik der
Bundesregierung, aber auch gegen die rechten Verschwörungsdemos, die überall
wie Pilze aus dem Boden sprießen, bilden. Eine rechte Bewegung kann sich immer
dann formieren, wenn die Antworten von links diffus sind oder ausbleiben. Um
den Spinner_Innenn um Fernsehkoch Attila Hildmann, Moderator Ken Jebsen und
Musiker Xavier Naidoo und Co. die ideologische Grundlage zu entziehen, müssen
wir die berechtigten Sorgen und Zukunftsängste, die die Gesellschaft infiziert
haben, in den Willen und den Mut zum Kampf gegen Krise und Kapitalismus
umwandeln. Darüber hinaus muss unsere Bewegung dazu in der Lage sein,
internationale Solidarität praktisch werden zu lassen. Streiks und Proteste mit
dem Ziel alle Geflüchtetenlager in und um Europa sofort zu schließen und alle
Geflüchteten unter Vergabe von vollen Staatsbürger_Innenrechten aufzunehmen,
müssen unmittelbar stattfinden.

Warum sollen wir schon wieder zur Arbeit gehen wenn der
Kampf gegen das Virus noch lange nicht gewonnen ist?

Warum sollen wir hinnehmen, dass unsere Sozialkassen für den
„Erhalt von Arbeitsplätzen“ im heiligen Standort Deutschland geplündert werden,
während Aktionäre weiter fette Dividenden ausgeschüttet bekommen?

Warum sollen wir Gesundheit Leib und Leben aufs Spiel setzen,
um die Auswirkungen von Corona auf die Wirtschaft abzumildern?

Warum sollen Kaufprämien zum Erwerb von Dreckschleudern, aka
Autos, ausgeschüttet werden, anstatt den Leuten einfach direkt das Geld zu
geben und die Produktion von Autos auf die Produktion von umweltfreundlicheren
Verkehrsmitteln umzugestalten?

Weil wir in einer Klassengesellschaft leben, in der die
Interessen des Proletariats den Interessen der Kapitalist_Innen untergeordnet
werden. Dagegen wollen wir aktiv werden!

Unser Schulboykott kann ein erster Schritt sein.
Gleichzeitig müssen wir versuchen, Anschluss an die existierenden Proteste zu
gewinnen. Die Verbindung des Boykotts mit Aktionen der GEW und gemeinsame
Aktionen gegen die rechten Hygienespinner_Innen müssen folgen. Dabei müssen wir
auf die unhaltsamen Bedingungen in Pflege und Krankenhäusern hinweisen, die es
den Angestellten, wie auch Patient_Innen verunmöglichen, sich vor dem Virus zu
schützen. Sei es weil Desinfektionsmittel und Masken fehlen, sei es weil die
Betreuungsschlüssel so unterirdisch sind, dass es nicht möglich ist, mehr Zeit
in den Infektionsschutz und weniger Zeit in jeden einzelnen Patienten zu
investieren oder weil viel zu wenig Geld in die Reinigung und Wartung der
entsprechenden Einrichtungen gesteckt wird. Auf dem Boden von
Unterfinanzierung, Unterbesetzung und Stress kann sich ein Virus einfacher
ausbreiten. Das Mittel dagegen heißt Arbeitskampf.

Boykottiere deine Schule!

Wir lassen uns nicht von Rechten instrumentalisieren, wir
kämpfen gemeinsam auf antifaschistischer Grundlage, nicht zuletzt gegen den
Rechtsruck!

Gegen die Vorzeitige Öffnung von Wirtschaft und Bildung nach
der Pandemie!

Stopp der massenhaften Kurzarbeit, lasst Unternehmen und
Kapitalist_Innen für die Ausfälle in ihrer Produktion selbst aufkommen!

Für volle Löhne! 60 Prozent reichen einfach nicht aus, wenn
Mieten teilweise schon 50 % der verfügbaren Einkommen schlucken!

Für das Recht auf politischen Streik!

Für eine klassenkämpferische Antikrisenbewegung statt
nationalistischem Geschmuse mit dem Kapital!




Linke Politik in der Pandemie?! Teil 2: Die radikale Linke

Im ersten Teil der Serie zur linken Politik in der
Corona-Pandemie haben wir uns bereits angeschaut, wie die Gewerkschaften gerade
das Interesse der Arbeiter_innen den Interessen der Unternehmen unterordnen. Im
zweiten Teil wollen wir nun den Fokus auf die Politik der radikalen Linken in
Deutschland setzen. 

Dazu muss erstmal geklärt werden, was die radikale Linke
überhaupt ausmacht. Die so genannte radikale Linke ist kein einheitliches Kollektiv,
sondern eher eine Vielzahl unterschiedlicher Organisationen, Gruppen und
Strömungen, wie sie verschiedener kaum sein könnten. Wir fassen den Begriff
hier mal weit und beziehen uns auf Linke, die irgendwie Kapitalismus doof
finden und nicht im Parlament sitzen.

Wo wir uns aber alle einig sind, ist, dass die Corona-Krise
eine tiefere Krise des Kapitalismus offenbart. Der Kapitalismus ist zwar nicht
die Ursache der Pandemie, aber die der Krise, die aus der Pandemie und dem
Umgang des Kapitalismus mit dieser folgt. Auch können wir uns gemeinsam hinter
die Ablehnung gegen Grundrechtseinschränkungen, wie die
Demonstrationseinschränkungen, soziale Angriffe, zB. Die erhöhte Reproduktions-
und Sorgearbeit vor allem für Frauen*, und die in der Corona-Pandemie noch
verschärfte Grenzabschottung stellen. 

Das ist allgemein eine gute Grundlage für gemeinsame
Politik. Es darf aber nicht nur bei seitenlangen Analysen und der Kritik am
System verbleiben. Wir müssen auf die Straßen und uns
organisieren, um unsere Forderungen und Ziele durchsetzen können. Doch hierbei
gehen die Ansätze und Meinungen der verschiedenen Organisationen weeeeit auseinander.

Zurzeit werden unglaublich viele Texte produziert, wovon
einige gar nicht mal so schlecht sind, jedoch wird kaum eine Taktik entwickelt,
wie sich diese Krise angesichts der aktuellen Situation in die revolutionäre
Praxis umsetzen lässt. Dabei wird kaum ein_e prekär beschäftigte_r
Krankenpfleger_in sich von einem Blogbeitrag auf indymedia für den Kampf gegen
den Kapitalismus und zur sozialistischen Revolution bewegen lassen.

Der 1.Mai als internationalen Kampftag der
Arbeiter_innenklasse ist traditionell ein guter Tag um zu beurteilen, wie es um
die radikale Linke praktisch so steht. Der DGB sagte zunächst alle Kundgebungen
und Demonstrationen ab und veranstaltete nur „Online-Kundgebungen“, in denen
sich Spitzenfunktionäre dafür abfeierten, wie gut die Zusammenarbeit der
Gewerkschaften mit den Unternehmen im Dienste des Wirtschaftsstandorts
Deutschland funktioniert. Trotz der fehlenden Unterstützung des DGB und trotz
des Demoverbots gingen am 01.05.20 einige 10.000 Menschen in Deutschland auf
die Straßen, um für die Solidarität mit Geflüchteten, die Lösung sozialer
Probleme und in diesen Coronazeiten vor allem für die Notwendigkeit und die
(auch finanzielle) Anerkennung der Care-Berufe zu demonstrieren. Darunter waren
auch einige kämpferische Gewerkschaftler_innen, die sich nicht so leicht vom
DGB abspeisen lassen wollten. Unter anderem machte die VGK (Vernetzung für
kämpferische Gewerkschaften) Kundgebungen, an denen auch wir von REVO uns
beteiligten.

Wichtig jedoch ist, dass der 1. Mai kein Symbol bleibt, an
dem man als radikale Linke mal kurz zeigt, dass man auch noch da ist.
Stattdessen müssen die Proteste vom 1. Mai zum Funken für eine massenhafte
Anti-Krisenbewegung gegen drohende Angriffe, gegen Grundrechtseinschränkungen,
gegen Rassismus und für Solidarität werden. Denn wir können durch Streiks und
Besetzungen bis hin zum Generalstreik die GroKo herausfordern und die Machtfrage
stellen!

Die Basis einer solchen Bewegung müssen die in dieser
Gesellschaft Marginalisierten sein. Dazu zählen zB. Jugendliche,
Lohnabhängige, Studierende, Frauen, LGBTIA* und Migrant_innen. Wir
dürfen uns deshalb nicht in linke „Szenearbeit“ verrennen, sondern müssen
verschiedene Organisationen unserer Klasse verknüpfen und zur gemeinsamen
Aktion auffordern. Wir brauchen deshalb auch einen Kampf mit und in den
Gewerkschaften, um die Burgfriedenspolitik ihrer Führungen (siehe Teil 1) als
wichtiges Standbein des kapitalistischen „Krisenmanagements“ anzugreifen.

Darüber hinaus reicht es nicht aus, nur Minimalforderungen
(wie keine Entlassungen, mehr Geld für Pflegekräfte etc.) zu stellen,
gleichzeitig aber dann zu sagen, „wir brauchen aber trotzdem jetzt den
Kommunismus“, wie es zum Beispiel die MLPD und andere stalinistische Gruppen
tun. Diese Forderungen sind zwar grundsätzlich richtig und wichtig, bleiben
aber Minimalforderungen und müssen daher mit der Perspektive des Kommunismus zu
Übergangsforderungen erweitert werden. Wir
fordern daher eine Verstaatlichung des Gesundheitssystems und der
Pharmaindustrie unter der demokratischen Kontrolle der Beschäftigten und der
Gesellschaft. 

Und auch wenn wir die gesamte Gesellschaft radikal, also von
Grund auf, zu einer besseren machen wollen, reicht es nicht aus, wenn wir nur
„solidarische Nachbarschaftshilfe“ und „Kiezarbeit“ leisten, wie es viele
(Post-)Autonome gerade postulieren. Selbstorganisierung ist zwar ein wichtiger
Aspekt, kann aber nur die Symptome bekämpfen. Wenn wir also nicht immer nur uns
gegen die Mängel selbst organisieren wollen, müssen wir notwendigerweise die
Machtfrage stellen. Also kann ich zwar zum Beispiel für meine Nachbarin in die
Apotheke gehen, aber für die bestmögliche Bekämpfung der Pandemie müssen wir die
gesamte Pharmaindustrie unter Arbeiter_innenkontrolle stellen.

Tatsächlich gibt es dafür gerade nur wenige Initiativen und
Perspektiven aus den Reihen der radikalen Linken, von denen sich die Massen
angezogen fühlen. Das führt dazu, dass dieses Feld gerade stark von Rechten
besetzt und instrumentalisiert wird. Rechte sind gerade Veranstalter_innen und
Redner_innen auf so genannten Hygienedemos in vielen deutschen Städten, die
auch viele Demonstrant_innen aus der bürgerlichen Mitte anziehen. Sie
demonstrieren dabei gegen das aktuelle Krisenmanagement der Bundesregierung.
Und diese Unzufriedenheit ist zum Teil auch gerechtfertigt. Der neu eingeführte
12-Stundentag, Grundrechtseinschränkungen oder Milliardenhilfen für
Privatunternehmen sind Krisenmaßnahmen, die die Demonstrant_innen nicht
hinnehmen wollen. Die radikale Linke versagt in dieser Situation den Menschen
eine Perspektive zu bieten. Rechte Kräfte dagegen prangern diese Probleme an
und verbinden sie mit einer reaktionären Weltsicht, Rassismus und Esoterik.
Dabei richten sie sich eher an das kleinbürgerliche Milieu,
da kleine Unternehmen und Selbstständige besonders hart von der Krise betroffen
sind, aber kaum vom Staat gerettet werden. Sie erzählen deshalb dem Proletariat
die Lüge, dass sie ein geeintes Interesse als das „Volk“ gegen die „Elite“
vertreten und bedienen sich so rassistischer und antisemitischer Denkmuster.
Dass sich die Forderungen der Anti-Corona-Proteste sogar mit den Interessen des
Kapitals decken, zeigt die vergleichsweise geringe Polizeirepression im
Vergleich zu den linken Protesten am 1. Mai.

Nur durch eine klassenorientierte Anti-Krisenbewegung können
wir den rechten die Stirn bieten und eine gesellschaftliche Perspektive zum
kapitalistischen Krisenmanagement aufwerfen.

Revo macht hier den Anfang und hat schon die Initiative
ergriffen und versucht uns Jugendliche in Stellung zu bringen. Wir treten für
den Schulstreik gegen die Schulwiederöffnungen ein! Wir wollen nicht nur
Artikel schreiben und uns theoretisch mit den Inhalten auseinandersetzen,
sondern uns in dort wo wir uns tagtäglich aufhalten – also in den Schulen, Unis
und Betrieben – organisieren und uns aktiv an Kämpfen beteiligen, um eine
massenhafte Bewegung auf die Beine zu stellen.

Im dritten Teil unserer Serie durchleuchten wir die Parteien
die Linke und die SPD, also bleibt gespannt.