Ausbildung für alle?!

Von Lia Malinovski, März 2023

Die Bundesregierung hat diese Woche beschlossen: Es soll jede_r Jugendliche das Recht auf eine Ausbildung bekommen. Sollte man keinen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommen und nachweisen können, dass man sich erfolglos beworben hat, soll es die Möglichkeit auf eine außerbetriebliche Ausbildung geben.

Was wurde beschlossen?

Es wurde ein neues Gesetz beschlossen, laut dem alle Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, das Recht auf eine außerbetriebliche Ausbildung bekommen sollen. Dabei ist die Dauer zwischen 24 und 42 Monaten. Die Ausbildung soll mit einem vollqualifizierenden und formell gleichwertigen Berufsabschluss enden. Das Gesetz soll am 01. August 2024 in Kraft treten. Es soll für alle jungen Menschen gelten, die nachweisen, dass sie sich erfolglos beworben haben, in der Berufsberatung waren, vom Jobcenter nicht in eine betriebliche Ausbildung vermittelt werden konnten und in Regionen leben, in denen es zu wenig Ausbildungsplätze gibt. Die DGB-Jugend wertet das Gesetz als Erfolg der Gewerkschaft, kritisiert aber auch, dass es nicht ausreichend ist und fordert den Ausbau von Ausbildungsstätten.

Wie stehen Marxist_Innen dazu?

Erst einmal muss gesagt werden, dass wir es natürlich unterstützen, wenn Jugendliche das Recht auf eine Ausbildung haben. Dieses Recht muss verteidigt und ausgebaut werden. Doch was kann aus diesem Gesetz folgen? Das ist schwierig abzuschätzen. Denkbar ist aber, dass es zu einem Abbau an betrieblichen Ausbildungsmöglichkeiten kommt, da diese teuer für Betriebe sind und wenn der Staat sie eh bezahlt, wieso sollte man dann selber ausbilden? Eine Frage, die nicht geklärt ist, ist die Frage nach dem Gehalt. Ausbildungsgehälter sind viel zu niedrig und haben einen Mindestlohn von 6€ statt den regulären 12.  Aber viele, besonders schulische Ausbildungen, bezahlen ihre Azubis gar nicht erst. Wie es bei der außerbetrieblichen Ausbildung hier aussieht, steht nicht fest. Wir müssen aber dafür einstehen, dass die Ausbildung bezahlt wird und die Löhne weiter angehoben werden!

Ansonsten schließen wir uns dem DGB an, mit der Forderung nach mehr betrieblichen Ausbildungen. Zwar sagt der Bundesarbeitsminister, dass die betriebliche Ausbildung weiterhin die Regel sein soll, ob das sich so bewahrheitet steht zur Debatte. Anstatt außerbetriebliche Ausbildungen zu fördern, müssen betriebliche Ausbildungen ausgebaut werden und die Löhne angehoben werden!

Wir fordern also:

  • Nein zum Abbau von Lehrstellen in Betrieben! Für mehr Lehrstellen mit Facharbeiter_Innenabschluss!
  • Umwandlung von Berufsvorbereitungsmaßnahmen, Berufsgrundschuljahren und allen Sondermaßnahmen in Lehrstellen!
  • Keine Arbeit unter Tarif! Für die gewerkschaftliche Organisierung aller Jugendlichen!
  • Gegen Jugendarbeitslosigkeit! Für Ausbildungen für alle Jugendliche!
  • Für die Aufnahme in die Gewerkschaften von arbeitslosen Jugendlichen!
  • Für die Anpassung der Löhne an die Inflation, kontrolliert durch Ausschüsse der Arbeiter_Innen und Auszubildenden!



Überausbeutung, Betrügereien und Klassenjustiz: Die Praxis der „Leiharbeit“ (2)

Bericht eines jungen Leiharbeiters – Teil 2

Da ich als 18jähriger von der Arbeitsagentur Esslingen weder einen Ausbildungs- noch einen regulären Arbeitsplatz angeboten bekam, begann ich Mitte Februar eine Beschäftigung bei der Leiharbeitsfirma „persona service“ als „ungelernte Arbeitskraft“. Bei dieser Tätigkeit wurde ich ständig auf wechselnden Stellen eingesetzt. Jedes Mal immer nur wenige Tage bei demselben Entleiher, bis der nächste „Einsatz“ kam. Häufig kam es aber vor, dass es gar keinen Einsatz für mich gab. Man sagte mir dann jedes Mal, ich solle mich bereit halten. Die Leihfirma hätte mich also jedes Mal bezahlen müssen, da ja nicht ich, sondern der „Arbeitgeber“ für die Ausfallzeiten verantwortlich war. Tatsächlich wurde die Zeit jedoch als „Unentschuldigtes Fehlen“ vom Lohn abgezogen. Ende April kündigte ich das Arbeitsverhältnis fristlos und forderte meinen vorenthaltenen Arbeitslohn zunächst bei der Leiharbeitsfirma ein. Nachdem dies erfolglos blieb verklagte ich die Leiharbeitsfirma beim Arbeitsgericht.

„Gütetermin“

Am 26. August war „Gütetermin“. Nachdem zwischenzeitlich die Leihfirma Klageabweisung beantragte und nebenbei 9 (!) „Abmahnungen“ wegen „unentschuldigten Fehlens“ aus dem Hut zauberte, ließ der Richter durchblicken, dass ich ganz schlechte Karten hätte, da ich einerseits für Februar und März meine Entgelt-Reklamation nicht schriftlich belegen konnte, andererseits die Beweislast generell bei demjenigen liegt, der vom andern etwas fordert.

In meinem Fall hätte ich also „beweisen“ müssen, dass die Leiharbeitsfirma tatsächlich keinen Einsatz für mich gehabt hatte. Ich frage mich allen Ernstes, wie ich das hätte beweisen sollen. Wahrscheinlich hätte ich sämtliche telefonischen Gespräche mit der Leihfirma mitschneiden müssen…

Vor diesem Hintergrund schlossen wir einen „Gerichtlichen Vergleich“. Da für Februar und März die Reklamationsfrist (diese beträgt nur 1 Monat) abgelaufen war, bekomme ich für diese Monate nichts mehr. Für April bekomme ich nachträglich 80 % meines eigentlichen Entgelts – immerhin ein „Teilerfolg“.

Mein Rechtsempfinden bleibt allerdings erschüttert. Vorsätzlicher Betrug gilt ja normalerweise als Straftat. Andererseits gelten jedoch zweifellos unterschiedliche Maßstäbe darin, wer wen betrügt. Betrügt z.B. ein abhängig beschäftigter „Arbeitnehmer“ seinen „Arbeitgeber“, drohen ihm schnell saftige Geldstrafen oder Gefängnis – in jedem Fall aber die Kündigung – was durchaus den Verlust der Existenz bedeuten kann. Betrügt dagegen ein „Arbeitgeber“ seinen Beschäftigten, droht ihm allerhöchstens die Nachzahlung des eigentlich „korrekten“ Entgelts. Etwas Schlimmeres als vielleicht noch einen gewissen Imageverlust braucht insbesondere eine Leiharbeitsfirma ja wohl nicht zu fürchten. Klassenjustiz pur!

Ich bezweifle, dass ich ein Einzelfall bin. Jedenfalls müssen die Praktiken von Leiharbeitsfirmen bekannt werden. Die Methoden, sich auf Kosten der Schwächsten am Arbeitsmarkt zusätzlich zu bereichern, sind das Letzte!

Mein eigener Fall bestätigt mehr denn je meine Meinung:

Leiharbeit gehört generell abgeschafft und verboten!

Unter http://www.onesolutionrevolution.de/?p=1426 könnt ihr den ersten Teil lesen, in dem der jugendliche Leiharbeiter zuerst Berichtete.