Corona und Querdenken: Von gesellschaftlicher Durchseuchung und Hygienemaßnahmen

von Linda Loony

Schaltet man den Fernseher oder das Radio ein, so fällt auf, dass der thematische Dauerbrenner „Corona“ weitestgehend abgelöst wurde. In der Tagesschau bekommt selbst der Wetterbericht inzwischen beinahe mehr Sendezeit als die Berichterstattung rund um Hygienemaßnahmen und Pandemieverlauf und die knappe Zusammenfassung des täglichen Infektionsgeschehens wird in den Ohren der pandemiemüden Zuhörer_Innen nahezu bedeutungslos. Hört man sich in seinem Umfeld um, haben vermutlich viele bereits den Faden verloren, welche Maßnahmen eigentlich gelten – aber Corona ist doch vorbei, oder? Zumindest scheint dies die zentrale Botschaft zu sein, die mit der Aufhebung nahezu aller Beschränkungen nach dem sogenannten „Freedom Day“ am 20. März gerade von der Regierung propagiert wird. Obwohl die Zahlen der Neuinfektionen in Deutschland täglich neue Rekorde erreichen, lautet die Devise „Zurück zur Normalität“. Statt effektiver, kurzzeitiger Shutdowns und dauerhaftem Schutz durch gezielte Hygienemaßnahmen, entschied sich die Bundesregierung längst dafür, geld- und ressourcen-„sparend“ das Pandemietreiben sich selbst zu überlassen.

Durchseuchung und Profite statt Gesundheitsschutz

In den letzten Monaten wurde durch die verhängten Maßnahmen der Regierung immer offensichtlicher, dass es hierbei vor allem um die kurzfristige Verhinderung wirtschaftlicher Einbußen geht, die stets das Wohl der Bevölkerung zu überwiegen scheinen. So ist es bspw. bereits üblich, dass in der Schule nur bestätigte Covid-erkrankte Schüler_Innen isoliert werden – nicht aber ihre direkten Banknachbar_Innen oder engen Kontaktpersonen. Gleiches gilt für das Arbeitsleben: Isoliert werden nur nachweislich erkrankte Personen, für deren Haushaltsmitglieder wird hier keine Notwendigkeit mehr gesehen, sich ebenfalls zu isolieren. Die Folgen der immer weiter zurückgenommenen Maßnahmen sind deutlich im Infektionsgeschehen sichtbar. So hat Deutschland laut der offiziellen Statistik der WHO aktuell die weltweit dritthöchste absolute Zahl der Neuinfektionen pro Woche gemessen. Auch die Anzahl der durchgeführten PCR-Tests, die ein positives Ergebnis lieferten, kletterte laut RKI seit Anfang dieses Jahres von ihren üblichen rund 20% auf knapp 51%. Dies führt zu nie dagewesenen Anzahlen von Krankschreibungen. In ohnehin schon von Personalmangel und Unterfinanzierung gebeutelten Bereichen wie der Pflege oder pädagogischen Arbeit ist dies fatal. Auch die Annahme, mit der Omikron-Variante lediglich einen leichten Schnupfen zu bekommen, verharmlost reale Folgen die das Long-Covid-Syndrom und ignoriert vulnerable, aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpfte Gruppen. Insgesamt wurde in 2 Jahren Pandemie kein nachhaltiges, internationales Lösungskonzept etabliert. Sinnvolle Schritte wie das regelmäßige und niedrigschwellige Testen, der unbeschränkte Zugang zu PCR-Tests oder das Tragen von Masken werden weiter zurückgenommen. Statt die in der Gesundheitskrise deutlicher denn je zu Tage getretene Unterfinanzierung von Gesundheitswesen, Betreuung und Bildung anzugehen, weil es dazu angeblich nicht genug finanzielle Mittel gebe, müssen wir nun zuschauen, wie von denselben Verantwortlichen Milliarden für den Krieg und die Aufrüstung in Rekordzeit bereitgestellt werden.

Die Nebelkerze “Impfkampagne”

Auch wurde bis heute das wirksamste Mittel gegen Corona – die Schutzimpfung – in Deutschland, aber vor allem international unzureichend eingesetzt. Dabei lässt sich die Wirksamkeit der Impfung im Pandemiegeschehen deutlich beobachten: Die Sterblichkeit, auch wenn sie in Deutschland mit 200-300 Menschen täglich noch immer erschreckend hoch ist, sank in den letzten Wochen – zumindest in Relation zu der steigenden Zahl der Erkrankten. Doch der Anteil der geimpften Bevölkerung bleibt seit Februar auf dem Niveau von 76% und stieg seit November letzten Jahres kaum mehr an. Auch die Zulassung des Hoffnungsträger-Impfstoffes Novavax als Alternative zum mRNA-Vakzin brachte nicht den gewünschten Aufschwung für die Impfkampagne. So bleibt infolgedessen auch die Diskussion um die allgemeine Impfpflicht heiß. Doch eine national begrenzte Impfpflicht hilft uns aus einem globalen Gesundheitsnotstand, in dem vor allem in den Halbkolonien weiter nur Impfquoten im unteren Prozentbereich ermöglicht wurden, nicht heraus. Ohne eine international gerechte Verteilung der Impfstoffe, eine dafür notwendige Aufhebung der Patente und die Weitergabe von Produktionsanlagen in die Halbkolonien wird das Infektionsgeschehen dort weitertoben, wodurch neue Virusvarianten entstehen und sich erneut ausbreiten können. Somit bleibt die Pandemie ein fortwährendes, sich immer weitertragendes Problem und das sogenannte „Pandemiemanagement“ der Regierung eine einzige Niederlage ohne Perspektive.

Zwischen notwendiger Kritik und Leugnung von Notwendigkeiten

Wirft man einen Blick auf die Übersicht aller von Maßnahmen betroffenen Bereiche der Gesellschaft und des täglichen Lebens, so fällt für Deutschland rasch eine überproportional hohe Restriktion für das private Leben der Menschen auf. Während in Unternehmen und Schulen lediglich partiell mit einschneidenden Maßnahmen reagiert wurde, waren private Zusammenkünfte, Bewegungsfreiheit oder bspw. die Nutzung von Sport- und Begegnungsstätten lange Zeit und wiederkehrend massiv eingeschränkt worden. Auch im internationalen Vergleich waren laut WHO in Deutschland Beschränkungen in Betrieben und Schulen recht lasch. Es gibt also durchaus berechtigte Kritik an den Maßnahmen der Regierung, die stets so ausgelegt waren, dass sie den Großbetrieben ja keinen Schaden zufügen und vor allem möglichst wenig Geld dafür in die Hand genommen werden musste. Doch diese Kritik und der daraus erwachsende Unmut der Bevölkerung wurde nicht durch eine starke linke Bewegung abgefangen und kanalisiert. Zwar gab es bspw. mit ZeroCovid anfangs gute Initiativen, doch auch diese konnte keinen Massencharakter entwickeln und verschwand nach relativ kurzer Zeit wieder von der öffentlichen Bildfläche. So wurde es den Verschwörungsideolog_Innen von Querdenken besonders leicht gemacht, sich als angebliche Alternative zum desaströsen Pandemiemanagement der Herrschenden zu inszenieren.

Der Bodensatz der Krisenpolitik

Bereits vor dem Ausbruch der Coronapandemie gab es einen gesellschaftlichen Rechtsruck, welcher selbst eine unmittelbare Folge der anhaltenden Weltwirtschaftskrise 2008 war. Im Windschatten dieser Krise konnten sich rechtspopulistische Parteien und rassistische Bewegungen erfolgreich etablieren, während zeitgleich der Aufbau einer sozialen Antikrisenbewegung, getragen von den Gewerkschaften, Arbeiter_Innenparteien und linken Gruppierungen, verpasst wurde. Die widersprüchliche Politik der Herrschenden, die halbherzigen Lockdowns und die hierdurch aufgeschobene Notwendigkeit, Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu beschließen, welche jedoch größtenteils auf den privaten Bereich beschränkt blieben, sorgten dafür, dass die Querdenkenbewegung immer weiter an Zulauf gewinnen konnte. Während die scheinbar harmlosen Kernthemen der Querdenker_Innen, die Kritik an der Einschränkung von Grundrechten, die Ablehnung der Maskenpflicht und von Impfungen, ihren Teil dazu beitrugen, dass ihr rechtes Potential unterschätzt wurde, hat sich die Querdenkenbewegung längst als rechtes Sammelbecken entpuppt. Je länger der Zickzack-Kurs während der Pandemie andauerte, desto mehr radikalisierten sich nennenswerte Teile der Bewegung immer weiter und die Rechten konnten sich im Zuge dieser andauernden Proteste erfolgreich weiter aufbauen und führen diese mittlerweile zum Großteil offen an. Auch wenn die Coronamaßnahmen nun immer weiter zurückgefahren werden, ist nicht davon auszugehen, dass die Schwurbler_Innen einfach verschwinden. Selbst wenn sich Querdenken endlich “totläuft“, bleibt zu befürchten, dass der Schaden, welche die massive verschwörungsideologische und in Teilen antisemitische Propaganda der Rechten angerichtet hat, ein längerfristiges, anhaltendes Problem bleibt. So wie PEGIDA nicht einfach nach der sogenannten „Flüchtlingskrise“ verschwunden ist, sondern im Gegenteil nachhaltig ein rassistisches Klima und einen festen Bodensatz an AfD-Wähler_Innen produziert hat und mittlerweile mit Querdenken nahezu fusionierte, werden auch nach Querdenken neue rechte Bewegungen immer wieder entstehen, solange wir als Linke diesen nicht effektiv etwas entgegensetzen und den Nährboden, auf dem solche erst entstehen können, den Kapitalismus, für immer austrocknen.

Deswegen fordern wir:

  • Freigabe der Impfstoffpatente international und eine internationale Impfpflicht, um der Pandemie endlich wirksam entgegen zu treten, das gilt auch für regelmäßige Auffrischungsimpfungen!
  • Schluss mit der Rücknahme aller Maßnahmen, vor allem denen, die noch notwendig sind (wie z.B. kostenlose Tests oder Maskenpflicht).
  • Kostenlose Bereitstellung von PCR Tests überall, denn Schnelltests stellen nun mal Omikron nicht fest.
  • Stellen wir uns den Rechten auf der Straße entgegen, und blockieren wir ihre Demonstrationen!
  • Aufbau einer Antikrisenbewegung, die eine antikapitalistische Alternative zur Regierung, aber auch zu den rechten Verschwörungstheoretiker_Innen darstellt!



Frauen – Verliererinnen der Pandemie

Lucretia Ramunkel (REVOLUTION, Österreich)/Katharina Wagner (Gruppe Arbeiter:innenmacht, Deutschland)

Seit Beginn der Pandemie hat sich einiges geändert, vor allem für Frauen und zwar nicht zum Besseren.

Die globale Wirtschaftskrise, die sich auch schon vor der Pandemie abzeichnete, wurde durch sie deutlich verstärkt und synchronisiert. Auch wenn in den imperialistischen Nationen deren Auswirkungen teilweise mithilfe von Konjunkturpaketen, Kurzarbeiter:innengeld oder Corona-Hilfen abgefedert werden konnten, so sieht es in halbkolonialen Ländern deutlich anders aus. In allen Ländern führten die Maßnahmen zur massiven Zunahme der Verschuldung. Gleichzeitig ging die Entwicklung mit einer Zuspitzung der innerimperialistischen Konflikte einher.

Die Pandemie hat in vielerlei Hinsicht das Leben für geschlechtlich unterdrückte Personen verschlechtert, etwa durch den Verlust von Verdienstmöglichkeiten, den Anstieg an sexueller Gewalt und die erhöhte Belastung durch die Sorgearbeit, um nur einige zu nennen.

Arbeitslosigkeit und Einkommen

Schon ein Blick auf die Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Einkommen verdeutlicht, wie viel stärker Frauen von Krise und Pandemie betroffen sind. Einem UN-Bericht aus dem Jahr 2021 (https://www.un.org/depts/german/millennium/SDG%20Bericht%202021.pdf) zufolge stiegen 2020 die Arbeitslosenzahlen um 33 Millionen auf 220 Millionen. Weitere 81 Millionen schieden aus dem Arbeitsmarkt aus. 5 % aller beschäftigten Frauen verloren ihren Arbeitsplatz (gegenüber 3,9 % der Männer).

Die Einbußen konnten teils in imperialistischen Nationen durch Kurzarbeiter:innengeld abgemildert und somit einige Entlassungen auch verhindert werden. Jedoch sieht das für den globalen Süden anders aus. So verloren in Indien 47 % aller Frauen während des ersten Lockdowns im Jahr 2020 ihre Jobs (während nur 7 % der männlichen Arbeitskräfte dasselbe Schicksal teilen) (Quelle: https://www.thehindu.com/news/national/tamil-nadu/more-women-lost-jobs-in-the-pandemic-in-india-compared-to-men-says-expert/article38417389.ece).

In vielen Ländern haben die Menschen keinen Zugang zu staatlichen Hilfen. Frauen sind auch überdurchschnittlich häufig von Entlassungen betroffen, da ein großer Teil im sogenannten informellen Sektor tätig ist. Das bedeutet, sie haben keinerlei Anspruch auf Entlohnung im Falle von Krankheit oder dem Verlust ihres Jobs. So arbeiten z. B. im südlichen Afrika rund 92 % aller weiblichen Erwerbstätigen ohne jegliche Absicherungsmaßnahmen wie Kündigungsschutz oder Lohnfortzahlung bei Krankheit.

Ökonomische Folgen

Ungleiche Bezahlung der Geschlechter ist kein Symptom der Pandemie. Jedoch wird der Einkommensunterschied durch diese vergrößert und damit die ökonomische Abhängigkeit in Partnerschaften. Frauen sind vor allem in Sektoren überrepräsentiert, die besonders hart von der Pandemie getroffen wurden und traditionell schlechter bezahlt werden: Gastgewerbe, Einzelhandel, Tourismusbranche. Außerdem sind sie im sogenannten informellen Sektor und in prekären Beschäftigungsverhältnissen tätig. So haben sie in informellen Beschäftigungsverhältnissen während des ersten Monats der Pandemie 70 % ihres Einkommens verloren. Zudem kommt, dass viele Frauen teilzeit- oder in Mini-Jobs beschäftigt sind, da sie sich um den Haushalt und die Kinder kümmern müssen. Selbst wenn man das Glück hat, in einem Land zu leben, das die Einkommensausfälle abmildert, so haben viele Frauen keinen Anspruch auf Gelder oder bekommen sehr viel weniger als Männer. So hat in Deutschland beispielsweise nur jemand Anrecht auf Kurzarbeiter:innengeld, der/die in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, was bei Leuten nicht zutrifft, die im informellen Sektor arbeiten. In Europa sind mehr als 30 % der Frauen teilzeitbeschäftigt, was bedeutet, dass sie weniger Arbeit„nehmer“:innenrechte, Gesundheitsschutz und Zugang zu grundlegenden Leistungen genießen.

Auch Schließungen von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen wirken sich negativ auf das Einkommen von Frauen aus. Die Gesellschaft, die auf einer traditionellen Rollenverteilung beruht und Politik für die klassische Kernfamilie macht, bringt eine massive Mehrbelastung für die Frau während der Pandemie mit sich. So sind es Frauen, die vor allem die Kinderbetreuung, das Homeschooling und die Haushaltstätigkeiten während der Ausgangsbeschränkungen übernommen haben. Die Mehrbelastung durch die Sorgearbeit führte in vielen Fällen dazu, dass es ihnen nicht mehr möglich war, ihrer Lohnarbeit in vollem Umfang nachzugehen. Auf Grund der geringeren Lohnarbeitszeit und Sozialleistungen, die auf das Kernfamilienmodell ausgelegt sind, sind überdurchschnittlich häufig Frauen von Altersarmut bedroht.

Kein Wunder also, dass die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern während der Pandemie weiter massiv zugenommen haben. Laut WEF (Weltwirtschaftsforum) verdienen Frauen weltweit durchschnittlich nur 68 % dessen, was Männer für dieselbe Arbeit erhalten würden. In Ländern mit der geringsten Kaufkraftparität sind es sogar nur 40 %. Und auch hier hat die Pandemie die Situation für Frauen deutlich verschlechtert. Erste Untersuchungen deuten bereits darauf hin, dass das Lohn- und Gehaltsgefälle sich im Zuge der Pandemie um 5 % vergrößert hat.

Gesundheitsbereich und Care-Arbeit

Auch wenn Frauen ihre Erwerbsarbeit nicht verlieren, ist das ein zweifelhaftes Glück. Bekanntlich stellt der Sozial- und Pflegebereich einen wichtigen Beschäftigungssektor für Frauen dar. Weltweit stellen sie etwa 70 % des Personals in diesen Bereichen. Da sie es meistens sind, die sich bezahlt oder unbezahlt um Kranke und Pflegebedürftige kümmern, sind sie dem Virus stärker ausgesetzt. Die Mängel, die schon vor der Pandemie im Pflegebereich sichtbar waren, haben sich durch ihr Andauern und die unzureichende Zuwendung seitens der Politik massiv verschärft. Die schlechte Bezahlung im Pflegebereich und die fehlende Anerkennung hatte auch schon vor der Pandemie einen Fachkräftemangel nach sich gezogen. Durch die psychische und physische Belastung, der ständigen Angst vor einer Ansteckung und der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben viele Pflegekräfte in den letzten Pandemiejahren gekündigt. Hinzu kommt die Anfeindung durch Coronaleugner:innen und Impfgegner:innen. So denkt in Deutschland mittlerweile jede 3. Person von den 1,8 Millionen Menschen, die in der Pflege beschäftigt sind, über einen Berufswechsel nach.

Da ein großer Teil der Kapazitäten im Gesundheitsbereich mit der Bekämpfung von Covid-19 ausgelastet ist, ist in vielen Teilen der Welt der Zugang zu reproduktiver medizinischer Versorgung für Frauen noch weiter eingeschränkt. Ein Anstieg der Mütter- und Kindersterblichkeit ist klar zu erkennen. Dies sieht man vor allem in halbkolonialen Ländern. In Bangladesch, Nigeria und Südafrika wurde 2021 ein Anstieg von 30 % bei der Sterblichkeit von Müttern und Neugeborenen verzeichnet. Auch die Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen haben sich vielerorts aufgrund mangelnder Ausstattung und personeller Kapazitäten verringert. Durch Lockdowns sind Angebote dafür wie für Familienplanung deutlich eingeschränkt. Seit Beginn der Pandemie und damit einhergehenden Schließungen von Schulen und Anlaufstellen ist der Zugang zu Aufklärung, Verhütungsmitteln und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen deutlich eingeschränkt. In Gauteng beispielsweise, Südafrikas bevölkerungsreichster Provinz, ist seit Beginn der Pandemie die Anzahl der Kinder, die von jugendlichen Müttern geboren wurden, um 60 % gestiegen.

Gewalt gegen Frauen

Verdienstausfälle und dadurch geschaffene existenzielle Sorgen sowie Quarantäne und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit haben einen massiven Anstieg an häuslicher Gewalt mit sich gebracht. Allein in der EU wurde in den ersten Monaten der Pandemie eine Zunahme von Notrufen wegen häuslicher Gewalt um 60 % registriert. Die ökonomische Abhängigkeit und eingeschränkte Bewegungsfreiheit erschwert es davon Betroffenen, dem zu entkommen. Auch die Angebote von Schutzräumen, welche trotz der Istanbul-Konvention schon vor der Pandemie unzureichend waren, wurden in vielen Ländern eingeschränkt oder ganz gestrichen.

Mit dem Anstieg häuslicher und sexistischer Gewalt geht auch einer an Femiziden einher. In Mexiko beispielsweise wurden 2021 922 Morde an Frauen als Femizid eingestuft. 2020 waren es 893 Frauen. Auch Schulschließungen ziehen drastische Folgen mit sich. Denn das Risiko, dadurch geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt zu , steigt dramatisch. In Somalia beispielsweise nahm durch die Pandemie die Zahl der weiblichen Genitalverstümmelungen um 31 % zu(Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen) erlitten haben.

Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung

Die Ursachen für all diese Verschlechterungen müssen im Kontext der kapitalistischen Produktionsweise und der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung betrachtet werden, bei der die Frau auf die Tätigkeit in der sogenannten Reproduktionsarbeit fixiert ist, auf Aufgaben zur Erhaltung des unmittelbaren Lebens wie Kindererziehung, Pflege von Familienangehörigen oder Hausarbeit im privaten Umfeld. In den allermeisten Fällen handelt es sich hierbei um unbezahlte und aus Sicht des Kapitals unproduktive Arbeit, da sie keinen Mehrwert generiert. Demgegenüber übernimmt der Mann die produktiven Arbeiten. Mit Entstehung der bürgerlichen Familie als Norm, welche sowohl ideologisch als auch repressiv gegenüber anderen modernen Formen durchgesetzt und verteidigt wird, reproduziert sich die eben angesprochene geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bis heute weiter.

Der Kapitalismus hat sich diese lange vorher existierende zunutze gemacht, indem der Mann einen sogenannten „Familienlohn“ erhält und die Frau quasi als „Zuverdienerin“ das familiäre Haushaltsvermögen aufstockt. Dies erklärt den weiterhin herrschenden Lohnunterschied (Gender Pay Gap) zwischen Männern und Frauen. Global betrachtet stimmt dieses Modell schon lange nicht mehr mit der Realität überein. In vielen Fällen ist nämlich die Frau mittlerweile Hauptverdienerin und ein Lohn oft nicht ausreichend, um das Überleben der Familie zu sichern. Dennoch trägt auch dieser Umstand weiterhin zur Festigung der bürgerlichen Familie und der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung bei.

Reserve

Denn Frauen werden von Kapitalist:innen als sogenannte Reservearmee gesehen, was auch ihre stärkere Betroffenheit in Krisenzeiten erklärt. Sie besteht aus Menschen, die in konjunkturell starken Phasen eingestellt und in Krisenzeiten wieder schnell entlassen werden können. Dann wird auch gerne die Reproduktionsarbeit aus Kostengründen zurück ins private Umfeld und somit unentgeltlich verlagert. Dadurch entsteht wiederum eine stärkere Doppelbelastung aus Erwerbs- und Sorgearbeit für Frauen. Einher geht auch eine zunehmende Abhängigkeit vom Partner, was es oftmals unmöglich macht, diesen Rollen zu entkommen. Auch in der Pandemie ist dieser Rollback deutlich zu sehen.

Diese veralteten Rollenbilder reproduzieren und verstärken eine Spaltung zwischen Mann und Frau zugunsten des Kapitals. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Frauen härter von den Folgen der Pandemie betroffen sind. Deshalb darf ihre Lage nicht losgelöst vom kapitalistischen System betrachtet werden, in dem wir uns befinden. Ein System, das von der Ausbeutung profitiert, kann niemals die Lösung für eben jene Problematik liefern. Denn für Marxist:innen handelt es sich beim Kapitalismus nicht nur um ein Produktions-, sondern ein Gesellschaftssystem, welches alle Lebensbereiche durchdringt und unser Denken und Handeln bestimmt. Das ist klar erkennbar in den Geschlechterrollen, die uns zugeschrieben, uns anerzogen werden und sich dadurch weiter reproduzieren.

Wofür kämpfen?

Da in einem System, das auf Ausbeutung beruht, keine Geschlechtergerechtigkeit möglich ist muss der Kampf um Verbesserungen als Teil eines umfassenderen um vollständige Befreiung verstanden werden. Er muss international organisiert sein und mit dem gegen den Kapitalismus verknüpft werden. Selbst wenn sich die Lage der Frau von Land zu Land deutlich unterscheidet, müssen einige Forderungen international aufgestellt werden.

Wir fordern gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit und einen Mindestlohn, der zum Überleben reicht. Die Abschaffung des informellen Sektors muss auf die Tagesordnung gesetzt werden. Solche und andere prekäre Arbeitsverhältnisse müssen durch Einführung von Tariflöhnen und Kollektivverträgen verschwinden, die Beschäftigten voll in solche „Normalarbeitsverhältnisse“ integriert werden. Die Kontrolle über die Umsetzung dieser Maßnahmen und die Sicherung der Gehälter muss in der Hand der Arbeiter:innenklasse und der Gewerkschaften liegen. In einer Pandemie wie dieser ist es auch wichtig, einen Entlassungsstopp und bei Schließungen ganzer Branchen die Auszahlung voller Löhne zu fordern. Außerdem brauchen wir einen weitläufigen Ausbau des Gesundheitssystems, der Altersvorsorge, von Kitas und Schulen als Teil eines Programms gesellschaftlich nützlicher Arbeiten unter Kontrolle der Lohnabhängigen, bezahlt aus den Profiten der Unternehmen.

Um Frauen vor psychischer und physischer Gewalt zu schützen, bedarf es dringend des Ausbaus von Schutzräumen und von Selbstverteidigungsstrukturen. Wir fordern ebenso eine rechtliche Gleichheit und ein Recht auf Scheidung sowie auf sichere, durch Krankenkassen bzw. den Staat bezahlte Abtreibung und körperliche Selbstbestimmung. Auch der kostenlose Zugang zu Verhütungsmitteln, Aufklärung und medizinischer Versorgung muss gewährleistet sein.

Der Kampf gegen die Folgen von Pandemie und Krise, von denen lohnabhängige Frauen besonders hart getroffen werden, hat aber auch zu vielen Abwehrkämpfen und Bewegungen geführt, wo Arbeiterinnen an vorderster Front standen. Diese zeigen, dass Frauen nicht in erster Linie Opfer und Betroffene, sondern vor allem Kämpferinnen sind. Die Frauen*streiks der letzten Jahre, die Bewegungen im Gesundheitssektor und Frauen, die in Afghanistan unter extremen Bedingungen ihre Rechte verteidigen – sie alle zeigen, dass vor unseren Augen auch die Basis für eine neue internationale proletarische Frauenbewegung entsteht.

Lasst uns gemeinsam für die Abschaffung des Kapitalismus und für eine vollständige Frauenbefreiung kämpfen! Für den Aufbau einer internationalen, proletarischen Frauenbewegung!




Klassenkampf statt Querdenken

Dies ist ein Flyer, der in Berlin auf den Gegenprotesten zu den „Montagsspaziergängen“ verteilt wird.

Seit mehreren Monaten treibt die rechtsoffene, verschwörungsideologische Bewegung „Querdenken“ verstärkt ihr Unwesen in deutschen Städten. Häufig tritt diese in Form der sogenannten Montags-Spaziergänge, welche in Wahrheit als Spaziergang getarnte und unangemeldete Demonstrationen sind, auf. Querdenken ist eine Querfront, also eine Bewegung, in der sich verschiedene politische Gruppen aktiv zusammenschließen, welche sich eigentlich konträr gegenüberstehen. So besteht Querdenken einerseits aus esoterischen Hippies, ultra-liberalen FDP-Wähler_Innen und andererseits aus handfesten Nazis, welche sich seit Beginn der Bewegung 2020 immer mehr in den Vordergrund gestellt und spätestens seit den Montagsspaziergängen vor allem im Osten Deutschlands die Führung übernommen haben.

Die „Kritik“ der Querdenker_Innen an den Corona-Maßnahmenbezieht sich weniger auf konkrete, teils auch kritikwürdige Regelungen, die zur Eindämmung der Pandemie getroffen wurden. Vielmehr argumentiert die Bewegung mittels absurder, oftmals antisemitisch angehauchter, Verschwörungsmythen á la „Great Reset“. Kernaussage ist hier häufig, dass es in Wahrheit gar keine Pandemie gäbe, sondern lediglich die Mächtigen sich verschworen haben und dem Volk glauben machen wollen, es bestünde eine in Wahrheit nichtexistierende Gefahr. So wird zum Beispiel gerne von einer „Corona-Diktatur“ gesprochen und die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung werden mit dem Hitlerfaschismus verglichen. Eines der ekelhaftesten Beispiele hierfür sind die „Ungeimpft-Sterne“, die viele Querdenker_Innen in Anlehnung an die zur Kenntlichmachung von Jüd_Innen genutzten „Judensterne“ tragen, was eine unfassbare Verhöhnung der Opfer des Holocausts ist.

Gleichzeitig erschwert die Existenz der Querdenker_Innen-Bewegung den Weg für eine sinnvolle und antikapitalistische Kritik an den Corona-Maßnahmen, da es nun ein Leichtes ist, jede Person, die ein Wort gegen die aktuelle Pandemie-Politik sagt, in die verschwörungsideologische Ecke zu stellen. Doch zu kritisieren gibt es vieles: Seien es die unverhältnismäßigen Ausgangssperren, die Tatsache, dass man sich teilweise nicht mit zwei Freund_Innen treffen durfte, aber mit hundert anderen Menschen am Arbeitsplatz arbeiten musste, oder die Strategie der Regierung, ohne ernsthaften Schutz um jeden Preis den Regelunterricht an den Schulen fortzusetzen, wodurch Kinder und Jugendliche der Durchseuchung ausgesetzt werden. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Biontech-Konzern es der BRD verboten (!) hat, überzählige Impfdosen an ärmere Länder zu spenden, um den eigenen Profit nicht zu gefährden.

Wir fordern also:

  • Sofortige Aufhebung der Patente auf Impfstoffe und somit freien Zugang zu diesen für ALLE Länder, damit sich das Virus nirgendwo auf der Welt mehr ungestört verbreiten kann!
  • Finanzierung der Krisenkosten durch Besteuerung auf die Vermögen der Reichsten, die ihr Vermögen in der Krise verdoppelt haben!
  • Rekommunalisierung der Gesundheitsversorgung und Enteignung der großen Krankenhaus-Konzern wie Asklepios oder Vivantes und somit ein Ende des profitorientierten Gesundheitssystems, sowie damit einhergehend die sofortige Abschaffung der Fallpauschale und der Profitpflicht für öffentliche Krankenhäuser!
  • Für eine drastische Erhöhung der Löhne für Pfleger_Innen um mindestens 50% und die Zahlung eines Corona-Bonus von jeweils 5.000 Euro für die beiden Pandemie-Jahre 2020 und 2021, sowie die Einstellung von neuen Pflegekräften zur Entlastung!
  • Sicherheit in Schulen und am Arbeitsplatz, ein Ende der Durchseuchung der Schulen und eine Rückkehr zum Fernunterricht, sobald es die pandemische Lage erfordert, sowie ein bundesweites Aussetzen der Präsenzpflicht bis zum Ende des Schuljahres. Alle werden versetzt! Für Beschäftigte in nicht gesellschaftlich relevanten Bereichen muss die Möglichkeit bestehen, bei sehr hohen Inzidenzen in einen voll bezahlten Urlaub zu gehen.
  • Einen sofortigen Ausbau der PCR-Test-Kapazitäten und kostenlose PCR-Tests für alle: Im Moment stehen nahezu keine PCR-Tests mehr zur Verfügung, was dazu führt, dass die Kontaktnachverfolgung bei weiter steigenden Inzidenzen unmöglich wird.

Zusätzlich wollen wir darauf aufmerksam machen, dass es das kapitalistische Wirtschaftssystem ist, welches eine Krise durch das Virus in diesem Ausmaß erst ermöglicht hat. Da im derzeitigen System der Profit über Bedürfnisse gestellt wird, wurde das Gesundheitssystem jahrzehntelang kaputtgespart; es war Deutschland „nicht möglich“, die nicht notwendige Produktion für einige Wochen herunterzufahren, um die Pandemie einzudämmen. Zudem waren Pharmakonzerne trotz Milliardensubventionen aus Steuergeldern nicht bereit, zum Wohle aller auf fette Rendite zu verzichten. Während die reichsten 10 Männer ihr Vermögen verdoppelt haben, sind 150 Millionen Menschen weltweit in die Armut gestürzt. Und vermutlich wird das erst der Anfang sein, denn die Wirtschaftskrise, die auf die Gesundheitskrise folgt, hat das Potential die Krise von 2009 bei weitem zu übertreffen. Die Inflation hat jetzt bereits die 5% erreicht, was bedeutet, dass die Reallöhne weiter fallen werden, während Mieten und Preise für Gas und Benzin steigen. Dazu kommen dann auch noch zu allem Übel Politiker_Innen, wie der Grüne Özdemir, die auch noch die Lebensmittelpreise erhöhen wollen. Bei all diesen Krisen, die sich immer weiter zuspitzen, muss uns als Lohnabhängigen klar sein: Der Kapitalismus ist die Krise! Nur in einem System jenseits des Kapitalismus, in einer rätedemokratisch verwalteten Planwirtschaft, können wir diese Krisen lösen! Nur der Sozialismus ist in der Lage ein System zu schaffen, in dem nicht mehr der Profit einiger weniger zählt, sondern die Bedürfnisse vieler! Was uns dabei nicht helfen wird, sind rechte, auf Verschwörungsmythen basierende, Scheinlösungen, die das wahre Problem verkennen und im Gegenteil eine noch unsolidarischere Politik fordern.




Unsere Schulen sind nicht sicher!

Die Inzidenzzahlen erreichen Rekordwerte und die Omikron-Variante des Corona-Virus hat die Welt fest im Griff. Unter diesen Umständen ist das Lernen in der Schule gerade fast unmöglich. Jede Woche sind wieder neue Leute aus unseren Klassen infiziert. Die einen kommen aus der Quarantäne, die nächsten gehen wieder. So viele Infektionen wie jetzt hat es seit der gesamten Pandemie noch nicht in den Schulen gegeben. Dabei riskieren wir nicht nur unsere eigene Gesundheit, sondern auch die unserer Familien. Immer wieder zeigen Studien, dass Schulen zu den größten Treibern der Pandemie gehören. Wir können uns nicht auf den Lernstoff konzentrieren, wenn wir permanent Angst haben müssen, uns anzustecken. Mal abgesehen davon, dass kaum jemand lange am Stück überhaupt im Unterricht ist, weil ständig jemand in Quarantäne muss. Politiker_innen und Wirtschaftsverbände reden davon, dass die Schulen unbedingt offen gehalten werden müssen, doch tatsächlich sind unsere Klassen doch schon halbleer. Der neuen Ampel-Regierung scheint es nicht wichtig zu sein, dass wir in Sicherheit und mit einem guten Gefühl lernen können. SPD, Grüne und FDP setzen stattdessen auf eine Politik, das Virus ungebremst durch die Schulen laufen zu lassen, damit unsere Eltern schön weiter zur Lohnarbeit gehen, um Profite für die Kapitalist_innen zu erwirtschaften. Unsere Gesundheit ist dabei egal, eine Durchseuchung der Schüler_innen mit Omikron wird einfach in Kauf genommen. Anstatt effektive Sicherheitsmaßnahmen an den Schulen einzuführen, werden Quarantäneregeln verkürzt und das Geld für Luftfilter, Masken, CO²-Messgeräte und mehr Personal weiter gespart. Der Leistungsdruck auf uns Schüler_innen wird dabei noch mehr erhöht, indem gesagt wird, wir hätten noch so viel Unterrichtsstoff nachzuholen und die Abschlussprüfungen stünden ja bald an. Dabei tun sie so, als wären diese Prüfungen in unserem Interesse, wobei sie doch eigentlich nur dafür sind, uns für den Arbeitsmarkt vorzuselektieren, in diejenigen, die sich schonmal auf HartzIV bewerben können und diejenigen, die mehr verdienen werden.

Wir sagen: Challas es reicht!

Überall auf der Welt lehnen sich gerade Schüler_innen dagegen auf, dass ihre Gesundheit der Politik scheißegal ist. In Griechenland haben Schüler_innen über 250 Schulen besetzt oder die Eingänge blockiert. In Österreich gab es einen dezentralen Schulstreik gegen die katastrophale Bildungspolitik. Zehntausende Schüler_innen und Lehrer_innen haben in Frankreich für schärfere Sicherheitsmaßnahmen an ihren Schulen gestreikt. Auch in den USA haben Lehrer_innen aus Angst sich an den Schulen zu infizieren protestiert. Unsere volle Solidarität gebührt den Aktionen, Demos, Blockaden, Besetzungen und Streiks. Die punktuellen Aktionen müssen von den Gewerkschaften der Lehrer_innen mitgetragen werden und mit Forderungen nach der Freigabe von Impfpatenten, einer demokratisch kontrollierten Aufklärungskampagne und einem solidarischen Lockdown verbunden werden, um den Zusammenbruch der Gesundheitssysteme zu stoppen. Wird Zeit, dass wir hier auch endlich etwas starten! Unsere Bildungsgewerkschaft hierzulande, die GEW hat zwar immer wieder das katastrophale Krisenmanagement in den Schulen kritisiert aber nichts dagegen unternommen. Die aktuelle Forderung der GEW-Berlin nach einem Votum der Schulkonferenz zur Frage von Schulöffnung oder -schließung ist ein wichtiges Signal, jedoch müssen auch Taten folgen, damit die Politik darauf reagiert.

Wir fordern jetzt hier und sofort:

  • Ob Präsenz-, Wechsel- oder Distanzunterricht stattfindet entscheidet nicht die Ampel, sondern wir. Jede Schulgemeinschaft aus Schüler_innen, Eltern und Lehrer_innen muss selbst diese Entscheidung demokratisch treffen!
  • Stattet die Schulen endlich mit dem nötigen Hygiene-Equipment aus! Wir brauchen Luftfilteranalgen, kostenlose FFP2-Masken, CO²-Messgeräte, tägliche Schnelltests und ein eigenes PCR-Testlabor an jeder Schule!
  • Sowohl neue Lehrer_Innen, Sozialarbeiter_Innen, pädagogische Assistenzkräfte, Sonderpädagogog_Innen, Schulpsycholog_innen, Sozialarbeiter_innen als auch Personal in der Verwaltung und Instandhaltung müssen neu eingestellt werden!
  • Aussetzung aller Prüfungen für dieses Schulhalbjahr!Lernen in der Pandemie darf für niemanden einen langfristigen Nachteil in der Schullaufbahn bedeuten! –Dabei muss auch der Rahmenlehrplan reduziert werden, gemeinsam kontrolliert durch Leher_Innen, Schüler_Innen und Eltern.

Gründet Aktionskomitees, um unsere Forderungen in die Schulen zu tragen. Sprecht mit euren Klassensprecher_innen, damit sie eine Diskussion in der Schüler_innenversammlung anstoßen. Quascht mit euren Lehrer_innen und lasst uns schauen, wo wir gemeinsam für unsere Forderungen kämpfen können. Was wir brauchen sind Vollversammlungen an unseren Schulen, um über die aktuelle Lage zu diskutieren und gemeinsam die nötigen Sicherheitsmaßnahmen zu beschließen. Schreibt uns bei Insta, Facebook oder per Mail, wenn ihr Hilfe dabei benötigt. Vielleicht kriegen wir es ja auch hin, wie in den anderen Ländern einen flächendeckenden Streik zu organisieren, denn schon bei Fridays for Future haben wir gemerkt, dass dies die einzige Möglichkeit ist, uns Gehör zu verschaffen. Unsere Gesundheit ist wichtiger als ihre Profite!




Schulstreik in Wien!

Unsere Genoss_innen vor Ort berichten, was abging…

Es ist ein sonniger Vormittag und vor dem BRG (Bundesrealgymnasium) Schuhmeierplatz (Wien, 16. Bezirk, Ottakring) sammeln sich junge Leute. Mit Masken und Abstand wird heute gestreikt, um klar ein Zeichen gegen die Pandemiepolitik der Regierung zu setzen und für eine Erleichterung der Matura (in Deutschland: Abitur) zu kämpfen. Speziell die Forderung nach einer freiwilligen mündlichen Matura steht im Mittelpunkt. Viele tragen Schilder mit der Aufschrift #wirstreiken.

Der Warnstreik heute wurde von der Aks, der sozialdemokratischen SchülerInnenorganisation, organisiert. Es stehen aber auch viele andere SchulsprecherInnen dahinter, die sich in einem offenen Brief an die Regierung und den Stadtschulrat gewandt haben. Eine Durchseuchung der Schulen, wie sie gerade stattfindet, wird dabei klar abgelehnt.

Die Stimmung ist gut, auch wenn es etwas kalt ist. Es sind nicht nur MaturantInnen da, sondern viele aus niedrigeren Schulstufen, die sich für ihre KollegInnen einsetzen, aber auch wissen, dass es sie in den nächsten Jahren genauso treffen kann.

„Mir fehlt einfach die Motivation zu lernen. Seit Pandemiebeginn muss ich die ganze Zeit mit Unsicherheiten kämpfen. Wie soll man sich da aufs Lernen konzentrieren?“ fragt eine Schülerin. Eine andere meint, dass die Regierungspolitik, was Bildung angeht, mit dem Wort „unorganisiert“ beschrieben werden kann. „Das Pandemiemanagement der Regierung und die Art, wie unterrichtet wird, scheint planlos. Es wirkt nicht so, als würde sich irgendwer um unsere Meinung scheren“, meint sie.

Ganz oft wird auch ein bisschen scherzhaft die Notwendigkeit der Matura selbst in Frage gestellt. Warum soll eine punktuelle Leistung den Rest des Lebens weiter bestimmen, fragen viele. Durch die Pandemiesituation fallen immer mehr Widersprüche im österreichischen Schul- und Bildungssystem auf.

Der Anlass des Schulstreiks ist die Corona-Politik an Schulen. Wir unterstützen die Forderungen der streikenden SchülerInnen und finden die im offenen Brief der SchulsprecherInnen angesprochenen Probleme und Lösungen richtig. Der Streik wirft jedoch eine Reihe an Schwierigkeiten auf, die tiefer sitzen und langfristigere Lösungen brauchen als den zentralen Slogan einer freiwilligen mündlichen Matura und eines besseren Umgangs mit den Corona-Fällen an Schulen. Vor allem die mangelnde Berücksichtigung der Perspektive von SchülerInnen wird momentan umso deutlicher sichtbar. Es gibt kaum Mitspracherecht für sie und es wird seit Pandemiebeginn über ihre Köpfe hinweg entschieden. Der Streik ist folglich eine gute Möglichkeit, sich endlich Gehör zu verschaffen. Die Forderung nach einer freiwilligen mündlichen Matura ist ein guter Startpunkt. Das reicht aber bei weitem noch nicht aus. Prüfungsmodi müssen nicht nur angepasst, sondern auch neu erdacht werden. Die Schülerunion, die SchülerInnenorganisation der ÖVP, und die Aks sammeln sich beide hinter der Forderung nach einer freiwilligen mündlichen Matura, aber es wird nicht darüber gesprochen, wie es mit den nächsten Klassen weitergehen wird. Jedes Jahr wird es schwieriger werden, den verpassten Stoff aufzuholen. Aber nicht nur das Lernen leidet, sondern auch die Psyche. Nach 2 Jahren Pandemie sind die Auswirkungen klar zu sehen. Viele Jugendliche weisen depressive Symptome auf und das liegt nicht nur an Social Distancing. Der Leistungsdruck in den Schulen, die Unsicherheiten, wie es in Zukunft weitergeht, die Angst, dass man selbst oder nahestehende Leute krank werden, das alles belastet junge Menschen. Es zeigt sich, wie diese Art der Ausbildung Menschen in diesem System schadet, und mit den Streiks auch, dass sich SchülerInnen das nicht mehr so einfach gefallen lassen! Diese Situation sollte genutzt werden, um nicht einem veralteten Bildungssystem hinterherzulaufen, sondern neue Vorschläge mit den SchülerInnen gemeinsam zu entwickeln.

Neben den Problemen beim Lernen und Abprüfen des Stoffes gibt es auch immer noch keine Lösung, wie man SchülerInnen vor Ansteckung schützen kann. Eine Durchseuchung der Schulen ist die momentane Strategie. Das ist einfach ein Schlag ins Gesicht für alle, die jetzt zwei Jahre auf viel verzichtet haben, um die Pandemie einzudämmen. Die Regierung schert sich nicht um die Gesundheit junger Menschen. Deshalb müssen wir uns selbst darum kümmern! SchülerInnen, LehrerInnen und Personal sollten gemeinsam entscheiden können, welche Maßnahmen zusätzlich für ihren Standort gesetzt werden und welche Umstellung im Lehrbetrieb notwendig und sinnvoll ist. Natürlich braucht es auch eine zentrale Planung und richtiges Pandemiemanagement, aber von dieser Regierung können wir das momentan nicht erwarten. Deshalb müssen wir weiterhin Druck aufbauen, bis sie endlich die richtigen Maßnahmen setzt.

Um diesen Druck organisiert aufzubauen, braucht es mehr als nur Schulstreiks. Wir fordern, dass sich SchülerInnen an ihren Schulen zu Komitees zusammenschließen, die gemeinsam Forderungen erarbeiten und damit auch ihre Schule zu Aktionen mobilisieren. Die SchülerInnenorganisationen der Parteien (SU, Aks, Verde, … ) bleiben leider oft hinter der Ziellinie zurück, einfach weil sie doch oft abhängig sind von der Politik, die ihre Mutterparteien machen. Deshalb braucht es unabhängige SchülerInnenpolitik und Selbstorganisierung. Zeitgleich sollten auch gemeinsam mit den beteiligten Organisationen Schulstreiks organisiert werden. Dafür braucht es ein Bündnis und nicht nur einzelne Gruppen, die isoliert oder in losen Zusammenschlüssen arbeiten.

Wir fordern:

* Abschaffung der Matura und Ersetzen durch demokratisch mit SchülerInnen erarbeitete Schulabschlusskriterien!

* Bessere psychische Unterstützung, speziell für durch die Pandemie entstandene Belastungen, am Schulstandort!

* Mehr Fachpersonal, um besser mit Distance Learning umgehen zu können und medizinische Betreuung zu gewährleisten!

* SchülerInnenkomitees, die gemeinsam die Streiks organisieren und Forderungen demokratisch entscheiden!

* Für ein linkes Schulstreikbündnis, um gemeinsam schlagkräftig handeln zu können!

Am 26. Januar geht es weiter mit dem nächsten Schulstreik!

Streiken wir diese Maturabedingungen und dieses Pandemiemissmanagement weg!




Bericht: Lage in den psychischen Kliniken in Sachsen

Im Kapitalismus leiden viele Menschen unter Depressionen, Angststörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen, Drogenabhängigkeit und vielen anderen psychischen Krankheiten. Diese werden unter anderem durch enorme Belastung und den Stress in 40 Stunden Lohnarbeit, durch die Mehrbelastung von Frauen, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen, durch traumatische Erlebnisse wie Kriegserfahrungen, sexuelle oder rassistische Gewalt verursacht, was alles mit dem kapitalistischen System zusammenhängt. Aber anders als körperliche Krankheiten sind psychische meist ein Tabuthema in der Öffentlichkeit. Menschen, die sich in Therapie begeben, haben es sowieso schon oft super schwer einen Platz zu bekommen, weil es für die ganzen Erkrankungen viel zu wenige Therapeut_Innen gibt. Dann werden sie noch von Arbeitskolleg_Innen ausgelacht, oder ihren Freund_Innen oder Familien fehlt das Verständnis und sie nehmen es nicht ernst. So wird Vielen mit Depression gesagt, sie sollten „einfach mal mehr raus gehen, dann würde das schon wieder“, als ob es an ihrer Faulheit liegen würde.

Während der Coronakrise hat sich das noch einmal verschlimmert. Therapeut_Innen wurden krank, die Zahlen von häuslicher Gewalt, Depressionen aufgrund der ewigen sozialen Isolation, und die Selbstmordrate stiegen stark an. Gleichzeitig mussten auch psychischen Kliniken zeitweise schließen oder ihre Betten reduzieren. Da die nächste Welle von Corona gerade wütet und in Sachsen besonders schlimme Ausmaße annimmt, habe ich mich entschlossen einen kurzen Bericht zu der Lage in den sächsischen Kliniken, am Beispiel von meiner, zu schreiben.

Aktuell ist die Lage hier in den sächsischen Kliniken besonders schlimm. Für Erkrankte gibt es Wartelisten von 6 Monaten bis ein Jahr (vor Corona waren es im Durchschnitt 3 bis 4 Monate). Wer eher in eine Klinik möchte, muss sich einweisen lassen. Dort herrscht aufgrund von Corona ein Besuchsverbot. In meiner psychosomatischen Klinik gibt es zumindest noch die Möglichkeit, einmal die Woche jemanden mit Abstand und Maske für eine Stunde zu treffen. So werden psychisch eh schon von der sozialen Isolation des Lockdowns angeschlagene Menschen noch mehr isoliert, nur weil die Regierung, einen kurzen Wirtschaftslockdown und eine Impfpflicht, sowie internationale Aufhebung der Impfpatente immer noch verweigert (Siehe Artikel: http://onesolutionrevolution.de/alle-jahre-wieder-lockdown-wie-kann-es-der-letzte-werden/). In den Kliniken gibt es auch regelmäßige PCR-Tests (2 bis 3 Mal die Woche), dennoch finden alle Therapien und Aufenthalte außerhalb des Zimmers mit Maske statt. Diese Regelungen sind auch sinnvoll und es ist gut, dass sie so umgesetzt werden. Allerdings wäre ein tägliches Testen schon sinnvoller.

Die Kliniken hier sind jedoch mit der massiven Anzahl an Neuzugängen überlastet. Unsere Station ist immer voll, und aufgrund des Zustroms hat die Dresdner Klinik sogar Patient_Innen aus Bautzen und Görlitz aufgenommen, die in ihren Städten keine Plätze mehr bekamen. Für diese Leute ist es natürlich schwer, überhaupt jemand zu sehen, denn ihre Freund_Innen müssten für eine Stunde ein ganz schönes Stück nach Dresden fahren. Und trotz dieser aufwändigen Verfahren erkranken auf unserer Station immer wieder Leute an Corona, die dann nach Hause geschickt werden müssen. Zusammen mit ihnen alle Personen, die nach dem Test noch mit ihnen Kontakt hatten. Eine Mitpatientin von mir wurde so insgesamt schon 2 Mal nach Hause geschickt (für 2 Wochen) ohne ein einziges Mal erkrankt zu sein. Aufgrund dessen sind die Kontakte auch hier drin reduziert. Man darf nur noch mit der Gruppe Kontakt haben, in die man je nach Erkrankung unterteilt ist. Das macht die angespannte Lage mit dem sozialen Kontakt noch schwieriger. Auch viele Gemeinschaftsaktivitäten, die es sonst hier gibt, mussten aufgrund der Coronalage gestrichen werden.

In den nächsten Wochen bietet unsere Klinik allen Patient_Innen sogar die Booster-Impfung an. Leider gibt es unter meinen Mitpatient_Innen aber auch einige Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, weshalb so ein freiwilliges Angebot nur bedingt etwas bringt.

Zusammengefasst ist die Lage in den psychischen Kliniken in Sachsen sehr angespannt. Für die Pfleger_Innen, Ärzt_Innen und Therapeut_Innen, weil sie jeden Tag schauen müssen, wie sie überhaupt die Kliniken offenhalten können. Für die Patient_Innen, weil sie der eh schon angespannten Lage nicht entkommen können und zusätzliche soziale Isolation erleben.

Um diesen Missstand zu ändern, braucht es die sofortige Umsetzung folgender Forderungen, um die Coronalage zu entspannen und den Patient_Innen mehr Kontakt zu ermöglichen:

  • Tägliche PCR-Tests in allen Kliniken, sofortiger Ausbau von Kliniken und mehr Therapeut_Innen-Plätze finanziert durch staatliche Gelder, die aus einer Erhöhung der Vermögenssteuer kommen, da psychische Gesundheit über Profitmaximierung steht
  • Menschen, die in den Kliniken Kontakt mit coronapositiven Patient_Innen hatten, sollten nochmal getestet werden, statt nur auf Verdacht nach Hause geschickt zu werden
  • Möglichkeit für alle sich in den Kliniken impfen zu lassen, sodass niemand raus zu einem Impfzentrum muss, und sich so in Gefahr begibt, infiziert zu werden
  • Einstellung und Ausbildung von mehr Pflegepersonal! Der Pfleger_Innenmangel und die hohe Belastung für Pfleger_Innen sind auch in psychischen Kliniken, gerade während Corona, spürbar.



Die Weltlage und Aufgaben der Arbeiter_Innenklasse

Jaqueline Katherina Singh

In den vergangenen zwei Jahren sah sich die Welt mit einer Reihe von miteinander verknüpften Krisen konfrontiert. An erster Stelle steht eine weltweite Gesundheitskrise. Covid-19 hat die Regierungen und Gesundheitssysteme überrascht, obwohl Epidemiolog_Innen und die WHO vor einer wahrscheinlichen zweiten SARS-Epidemie gewarnt und die Gewerkschaften des Gesundheitspersonals darauf hingewiesen hatten, dass ihre Krankenhäuser und Kliniken für eine solche nicht gerüstet sind. Covid-19 hat weltweit mehr als fünf Millionen Todesopfer gefordert, wütet mit seinen Delta- und Omikron-Varianten immer noch – und bricht in Ländern wieder aus, die überzeugt waren, die Krankheit unter Kontrolle zu haben und ihre Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.

Die Schlagzeilen der letzten beiden Jahre beherrschten aber auch die sich häufenden extremen Wetterereignisse – Überschwemmungen, Waldbrände, Dürren -, die rund um den Globus wüten und die Aussicht auf einen katastrophalen Klimawandel unbestreitbar machen. Im krassen Gegensatz zu den Gefahren endete der Weltklimagipfel einmal mehr im – Nichts. Die wichtigsten Staaten blockierten jede feste Verpflichtung zur Reduzierung von CO2-Emissionen. Wieder einmal wurden die halbkolonialen Länder, vor allem in den bereits stark geschädigten Tropenzonen, um die Milliarden betrogen, die sie zur Bekämpfung der Auswirkungen benötigen. Stattdessen wurden ihnen weitere Kredite angeboten.

Im Jahr 2020 verursachte Covid den stärksten Einbruch der Weltwirtschaft seit den 1930er Jahren. Auch wenn die globale Ökonomie schon davor im Niedergang war, so synchronisiert die Pandemie die Rezession und diese prägt auch den Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung und die Maßnahmen der Regierungen. Die Lockdowns zwangen die großen imperialistischen Staaten, mit den neoliberalen Dogmen über die Staatsausgaben zu brechen. Die Zinssätze, die jahrelang bei null lagen, um die zur Stagnation neigenden Volkswirtschaften anzukurbeln, erlaubten es den Staaten nun, Billionen zu leihen und in den imperialistischen Kernländern die Auswirkungen der Krise auf die Massen abzumildern. Die Unterbrechung der Versorgungsketten, der Weltmärkte und die wiederholten Aussperrungen haben enorme Verluste verursacht, auch wenn deren volles Ausmaß erst nach Beendigung der Pandemie deutlich werden wird. Auch wenn in einigen Ländern ein kurzfristiger Konsumboom möglich sein mag, wenn sich die Wirtschaften etwas erholen, so wird dieser eher einem Strohfeuer denn einer ernsten Erholung gleichkommen.

Ökonomische Auswirkungen

Mit Beginn der Pandemie stand ab Ende Februar 2020 die Wirtschaft still und internationale Produktionsketten lagen brach. Viele bürgerliche Forschungsinstitute und Konjunkturprognosen übten sich trotzdem in den letzten beiden Jahren in Sachen Optimismus. In Vorhersagen wurde  festgehalten, dass die Erholung schnell erfolgen und munter weitergehen wird – schließlich sei die Pandemie nur ein externer Faktor.

Die ganze Realität bildet das allerdings nicht ab. Nach dem Einbruch der weltweiten Wirtschaftsleistung 2020 um 3,2 % folgte in diesem Jahr zwar eine Erholung. In seinem vierteljährlichen Bericht ging der IWF im April 2021 noch von einer Steigerung der globalen Wirtschaftsleistung von 6,4 % aus – und musste diese Prognose nur um 0,4 % nach unten korrigieren. Begründet wurden die optimistischen Prognosen mit dem Beginn der Impfungen, der damit verbundenen Erwartung eines Endes der Pandemie sowie den Konjunkturpaketen.

So ist es auch kein Wunder, dass vor allem die imperialistischen Zentren Erholung verzeichnen, während die Länder, die sich weder Impfstoff noch Konjunkturpakete leisten können, zurückbleiben. Genauer betrachtet ist das Wachstum in den imperialistischen Zentren jedoch langsamer als erhofft und begleitet von Inflation. Die Gründe dafür sind vielfältig: Der Stillstand der Handels- und Produktionsketten hat einen länger anhaltenden Einfluss, wie man beispielsweise an der Halbleiterproduktion betrachten kann. Hinzu kommen gestiegene Energie- und Rohstoffpreise. So meldete das deutsche statistische Bundesamt, dass die Erzeugerpreise im September 2021 um 14,2 % im Vergleich zum Vorjahr nach oben gingen – die stärkste Steigerung seit der Ölkrise 1974. Die Energiekosten sind laut Bundesamt zusätzlich um 20,4 % teurer geworden. Auch Arbeitskräftemangel in bestimmten Sektoren sowie Inflation verlangsamen das Wachstum. Zentral sind aber niedrige Investitionsraten, die zwar durch die massiven Konjunkturpakete angekurbelt werden, aber vor allem im privaten Sektor gering ausfallen.

Ebenso darf bei der Betrachtung nicht vergessen werden, dass die Folgen der Finanzkrise 2007/08 noch längst nicht ausgelöffelt sind. Vielmehr hat sich die internationale Schuldenlast massiv erhöht und auch die Niedrigzinspolitik lief die letzte Dekade munter weiter.

Letztlich erfordern kapitalistische Krisen eine Vernichtung überschüssigen Kapitals. In der Rezession 2009 fand diese jedoch nicht annähernd in dem Maße statt, das notwendig gewesen wäre, um einen neuen Aufschwung der Weltökonomie zu ermöglichen. Staatdessen war das letzte Jahrzehnt weitgehend eines der Stagnation.

Die Politik des billigen Geldes in den imperialistischen Zentren verhinderte dabei nicht nur die Vernichtung überschüssigen Kapitals, sondern führte auch zu einem massiven Anstieg der öffentlichen wie privaten Schuldenlast; neue spekulative Blasen bildeten sich. Die Coronamaßnahmen vieler imperialistischer Regierungen haben diese Lage noch einmal befeuert. So wurden zwar befürchtete große Pleiten vorerst verhindert – gleichzeitig gilt ein bedeutender Teil der Unternehmen mittlerweile als „Zombiefirmen“, also Betriebe, die selbst wenn sie Gewinn machen, ihre Schulden nicht mehr decken können und eigentlich nur künstlich am Leben erhalten werden.

Hinzu kommen weitere Faktoren, die deutlich machen, dass in den kommenden Jahren mit keiner Erholung der Weltwirtschaft, sondern allenfalls mit konjunkturellen Strohfeuern zu rechnen ist. Erstens fällt China anders als nach 2008 als Motor der Weltwirtschaft aus. Zweitens verschärfen zunehmende Blockbildung wie auch Fortdauer der Pandemie die wirtschaftliche Lage selbst und können nicht nur als vorübergehende Faktoren betrachtet werden. Drittens reißt die aktuelle Lage schon jetzt wichtige Halbkolonien in die Krise. Ländern wie Argentinien, der Türkei oder Südafrika drohen Insolvenz und Zusammenbruch ihre Währungen. Indien und Pakistan befinden sich ebenfalls ganz oben auf der Liste von Ländern, die IWF und Weltbank als extrem krisengefährdet betrachten.

Zusammengefasst heißt das: Die Folgen der Finanzkrise 2007/08 wurden noch abgefedert. Jetzt erleben wir eine erneute Krise von größerem Ausmaß, die diesmal fast alle Länder gleichzeitig erfasst. Doch der Spielraum der herrschenden Klasse ist dieses Mal geringer.

Auswirkungen auf das Weltgefüge

Somit ist klar, dass die Coronapandemie und ihre Folgen die Welt noch für einige Zeit in Schach halten werden. Nicht nur, weil wir mit Mutationen rechnen müssen, gegen die die Impfstoffe unwirksamer sind, sondern die Pandemie ist längst kein „externer“ Faktor mehr, sondern ihrerseits eng mit den globalen wirtschaftlichen Entwicklungen und deren politischen Folgen verwoben. Ein einfaches Zurück zur „Vor Corona“-Zeit ist somit nicht möglich.

Bereits vorher war die internationale Lage zwischen den imperialistischen Kräften angespannt. Der  Handelskrieg zwischen USA und China bestimmt zwar nicht mehr die Schlagzeilen in den Zeitungen, aber die aktuelle Krise verschärft die innerimperialistische Konkurrenz erneut auf allen Ebenen. Die massive Überakkumulation an Kapital spitzt nicht nur die ökonomische Konkurrenz zu, sondern  wird auch das Feuer der innerimperialistischen politischen Querelen weiter anfachen. Schließlich will niemand die Kraft sein, auf deren Kosten die anderen ihr Kapital retten. Praktisch bedeutet das: weitere harte Handels- und Wirtschaftskonflikte, zunehmende ökonomische Tendenz zur Blockbildung und Kampf um die Kontrolle etablierter oder neuer halbkolonialer Wirtschaftsräume. Die USA und China, aber auch Deutschland und die EU verfolgen dies mit zunehmender Konsequenz.

Dies hat nicht nur ökonomische, sondern auch politische Folgen, darunter die zunehmende Militarisierung sowie eine weitere Eskalation kriegerischer Auseinandersetzungen. Hinzu kommt, dass die Pandemie den Trend zum Nationalprotektionismus verschärft hat und ein widersprüchliches Moment in sich trägt. Wie wir an Lieferengpässen sehen, sind die Produktionsketten mittlerweile extrem verschränkt. Ein einfaches Entflechten gemäß dem Ideal, „alles was man braucht“, im eigenen Staat zu produzieren, ist schlichtweg nicht möglich. Dennoch kann es infolge von vermehrten ökonomischen und politischen Konflikten zur Erhebung weiterer Zölle, wechselseitigen Sanktionen etc. kommen. Auch wenn dies die Weltwirtschaft selbst in Mitleidenschaft ziehen wird, so werden solche Konflikte zunehmen. Das Kräftemessen kann zugleich auch deutlich machen, welche Länder das schwächste Glied in der imperialistischen Kette bilden, und seinerseits innere Konflikte zuspitzen und ganze Staaten destabilisieren.

Die Aussichten sind also nicht besonders rosig. Schon das letzte Jahrzehnt war von einer Zunahme autoritärer, rechtspopulistischer und bonapartistischer Tendenzen geprägt, die sich unter dem gesellschaftlichen Ausnahmezustand der Pandemie verschärft haben. Um in kommenden Auseinandersetzungen mögliche Proteste in Schach zu halten, ist damit zu rechnen, dass wir eine Verstärkung von Rechtspopulismus, Autoritarismus, Bonapartismus erleben werden.

Angesichts diese krisenhaften Lage erheben sich zentrale Fragen: Wer wird zur Kasse gebeten, um die Rettungs- und Konjunkturpakete zu finanzieren? Wer wird die Kosten der Krise zahlen? Welche Klasse prägt die zukünftige Entwicklung?

Bedeutung für die Arbeiter_Innenklasse

Die Antwort auf diese Frage ist eindeutig. Nicht die Herrschenden wollen den Kopf hinhalten und so werden die bürgerlichen Regierungen natürlich versuchen, die Last vor allem auf die Arbeiter_Innenklasse, die Bauern-/Bäuerinnenschaft und die Mittelschichten abzuwälzen, wie dies im Grunde schon während der Coronakrise der Fall war. Fast überall arbeiteten die jeweiligen Gesundheitssysteme an ihren Grenzen und Gewalt, insbesondere gegen Frauen, hat gesamtgesellschaftlich stark zugenommen. Allein die unmittelbaren Folgen des Stillstands wie Massenentlassungen, Verelendung und massiver Zuwachs an Armut sind global schnell sichtbar geworden. So erwartet der Internationale Währungsfonds, dass die Pandemie den Fortschritt in der Bekämpfung der globalen Armut seit den 1990er Jahren annulliert sowie die Ungleichheit weiter verstärkt.

Die größten Auswirkungen sind in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen zu verzeichnen. Dort beträgt deren Verlust mehr als 15 Prozent. Genau diese Länder haben zudem die schwächsten Sozialsysteme. Hinzu kommt die steigende Inflation, die die Lebenshaltungskosten in Ländern wie der Türkei oder dem Libanon und vielen anderen in die Höhe treibt. Das Festhalten der imperialistischen Länder an den Patenten zugunsten der Profite sorgt dafür, dass die Lage sich nicht in absehbarer Zeit verbessern wird.

Nicht allzu viel besser sieht die Situation in den imperialistischen Zentren aus. Auch hier gab es zahlreiche Entlassungen. So hatten die USA 2020 ihr historisches Hoch. Die Konjunkturpakete oder Hilfen wie das Kurzarbeiter_Innengeld in Deutschland federn zwar die Auswirkungen der Krise ab, aber auch hier ist die Inflation deutlich in der Tasche zu spüren.

Was kommt?

Aufgrund des konjunkturellen Aufschwungs in den USA und in etlichen europäischen Staaten werden die kurzfristigen Auswirkungen hier andere sein als für große Teile der Massen in den Halbkolonien. Letztere werden von einer Dauerkrise der Wirtschaft, der Pandemie und auch ökologischen Katastrophen geprägt sein. Das heißt, dass in den halbkolonialen Ländern der Kampf für ein Sofortprogramm gegen die akute Krise und Pandemie eine zentrale Rolle spielen wird, das die verschiedenen ökonomischen und sozialen Aspekte umfasst. Grundsätzlich können wir davon ausgehen, dass der Klassenkampf in diesen Ländern aufgrund der zugespitzten sozialen und politischen Lage eine weit explosivere Form annehmen wird.

Die Extraprofite des imperialistischen Kapitals in den Metropolen sowie der aktuelle konjunkturelle Aufschwung in etlichen Ländern erlauben in diesen Staaten mehr Spielraum für gewerkschaftliche und soziale Umverteilungskämpfe. Ebenso kann es sein, dass teilweise reformistische oder linkspopulistische Kräfte an Aufwind gewinnen. Schließlich hat die Gesundheitskrise in den Augen von Millionen verdeutlicht, dass massive Investitionen, Verstaatlichungen und Neueinstellungen in diesem Bereich wie auch in anderen Sektoren nötig sind (Wohnung, Verkehr … ). Bürgerliche wie reformistische Kräfte versuchen, dem verbal entgegenzukommen und die Spitze zu nehmen. So beinhalten das Programm Bidens wie auch der Green Deal der EU Versprechen, die ökologischen Probleme zu lösen und soziale Ungleichheit zu reduzieren. In der Realität werden sich diese Reformversprechen als Quadratur des Kreises entpuppen.

In Wirklichkeit sind es Programme zur Erneuerung des Kapitals, nicht der Gesellschaft. Der Arbeiter_Innenklasse und den Unterdrückten wird nichts geschenkt, schon gar nicht in der Situation zunehmenden Wettbewerbs. Während die wirtschaftliche Lage in den imperialistischen Ländern jedoch kurzfristig einen gewissen Verteilungsspielraum eröffnen kann, der von der Arbeiter_Innenklasse genutzt werden muss, besteht dieser in den halbkolonialen Ländern praktisch nicht. Dort können und werden sich selbst Kämpfe um soziale, ökonomische und demokratische Verbesserungen viel rascher zum Kampf um die politische Macht zuspitzen, wie z. B. der Sudan zeigt.

Auch wenn die Situation in imperialistischen Ländern und Halbkolonien bedeutende Unterschiede birgt, so sind alle wichtigen Auseinandersetzungen unserer Zeit – der Kampf gegen die Pandemie, die drohende ökologische Katastrophe,  die Folgen der Wirtschaftskrise und die zunehmende Kriegsgefahr – Fragen des internationalen Klassenkampfes. Sie können auf nationaler Ebene letztlich nicht gelöst werden.

Wo aber beginnen?

Zuerst ist es wichtig zu verstehen, dass die verschlechterte Situation der arbeitenden Klasse nicht automatisch Proteste mit sich bringt. Diese gibt es zwar, ebenso wie Streiks und Aufstände, jedoch sind sie erstmal nur Ausdruck der spontanen Unzufriedenheit der Massen. Zu glauben, dass aus ihnen mehr erwachsen muss oder sie von alleine zu einer grundlegenden Lösung führen werden, ist falsch, ein passiver Automatismus. Streiks befördern natürlich das Bewusstsein der Arbeiter_Innenklasse, dass sie sich kollektiv zusammenschließen muss, um höhere Löhne zu erkämpfen. Nicht mehr und nicht weniger. Ihr spontanes Bewusstsein im ökonomischen Kampf ist jedoch selbst noch eine Form bürgerlichen Bewusstseins, weil es auf dem Boden des Lohnarbeitsverhältnisses steht. Es stellt insbesondere in Friedenszeiten nicht das kapitalistische System in Frage, sondern fordert erstmal nur mehr Lohn ein. Ähnliches gilt für Proteste beispielsweise aufgrund von Hunger. Beide – Streiks und spontane Proteste – tragen jedoch in sich das Potenzial, zu mehr zu werden. Allerdings nur, wenn es geschafft werden kann, die Grundlage der Misere aufzuzeigen, zu vermitteln, dass die Spontaneität der Proteste noch nicht automatisch die Lösung bringt, sondern es einen organisierten Umsturz braucht, um dieses System erfolgreich zu zerschlagen. Es ist Aufgabe von Revolutionär_Innen, dieses Verständnis, dieses Bewusstsein in die Klasse zu tragen und die dazu notwendigen Schritte zu vermitteln. Dies ist jedoch leichter geschrieben als getan, denn ein Blick auf die aktuelle Lage zeigt, dass es viele Widerstände gibt, die man zu überwinden wissen muss.

Kämpfe und Kontrolle

Das heißt, dass man in die existierenden Kämpfe intervenieren und diese zuspitzen muss. Beispielsweise durch Forderungen, die weiter gehen als jene, die bereits aufgeworfen werden. Es reicht nicht, nur kommende Angriffe abzuwehren, vielmehr müssen die Abwehrkämpfe mit dem Ziel geführt werden, konkrete Verbesserungen zu erkämpfen, und dabei aufzeigen, was für eine andere Welt möglich wäre. Denn der Illusion anzuhängen, dass es irgendwann genauso wie vor der Pandemie werden kann, ist eine Illusion, wie die obige Diskussion der Weltlage aufzeigt. Zudem war dieser Zustand eh nur für einen sehr geringen Teil der Weltbevölkerung annehmbar. Beispielsweise kann das dafür notwendige Bewusstsein folgendermaßen vermittelt werden:

In Zeiten permanenter Preissteigerungen geraten selbst erfolgreiche Lohnkämpfe an ihre Grenzen. Die Forderung nach höheren Löhnen muss daher mit der nach automatischer Anpassung an die Preissteigerung verbunden werden. Da zur Zeit die Preise für die Konsumgüter der Arbeiter_Innenklasse (Mieten, Heizung, Lebensmittel) stärker steigen, als es die statistische Inflationsrate zum Ausdruck bringt, sollte durch die Gewerkschaften und Verbraucher_Innenkomitees ein Index für die reale Steigerung der Lebenshaltungskosten erstellt und immer wieder aktualisiert werden. An diesen sollten die Löhne und Gehälter angeglichen werden. Damit dies auch wirklich passiert, sollten wir uns nicht auf den Staat (und schon gar nicht auf die Ehrlichkeit der Unternehmen) verlassen, sondern müssen dazu betriebliche Kontrollkomitees – also Formen der Arbeiter_Innenkontrolle – etablieren.

So kann ein konkretes Problem – die Steigerung der Lebenshaltungskosten – für die gesamt Klasse angegangen und mit dem Aufbau von Organen der Arbeiter_Innenkontrolle, also der betrieblichen Gegenmacht, verbunden werden.

Ähnliches lässt sich auch für andere Bereiche zeigen. Die Forderung nach massiven Investitionen in den Gesundheitssektor stellt sich weltweit. Dies muss durch Besteuerung der Reichen passieren unter Kontrolle der Arbeiter_Innen selber. Hier bedarf es neben einer Erhöhung der Löhne auch einer enormen Aufstockung des Personals, um Entlastung zu schaffen.

Hinzu kommt, dass die Arbeit im gesamten Care-Sektor oftmals geringer vergütet wird, da dieser nicht im gleichen Maße Mehrwert produziert – und somit nicht auf gleicher Ebene rentabel ist. Das ist nur einer der Gründe, warum es entscheidend ist, dass die Investitionen unter Kontrolle der Beschäftigten stattfinden. Sie können aufgrund ihrer Berufsqualifikation und -erfahrung wesentlich besser entscheiden, wo Mängel im Joballtag bestehen, und hegen zeitgleich kein materielles Interesse daran, dass der Gesundheitssektor so strukturiert ist, dass er Profite abwirft. Zentral ist allerdings beim Punkt Kontrolle, dass sie nicht einfach so herbeigeführt werden kann. Damit dies nicht nur schöne Worte auf Papier bleiben, sondern sie Realität werden kann, bedarf es Auseinandersetzungen innerhalb der Betriebe, bei denen sich Streik- und Aktionskomitees gründen. Diese stellen Keimformen von Doppelmachtorganen dar, die den Weg zur Arbeiter_Innenkontrolle ebnen. Nur so kann die nötige Erfahrung gesammelt werden sowie sich das Bewusstsein entwickeln, dass die existierende Arbeit kollektiv auf die Arbeitenden aufgeteilt werden kann.

Ebenso müssen wir dafür einstehen, dass die Patente für die Impfstoffe abgeschafft werden. Es wird deutlich, dass das Vorenthalten nicht nur aktiv dafür sorgt, dass Menschen in Halbkolonien an dem Coronavirus sterben, sondern auch durch die Auswirkungen auf die Wirtschaft stärker verarmen. Ausreichend allein ist dies natürlich nicht. Die Freigabe der Patente muss mit der kostenlosen Übergabe von Wissen und den nötigen technischen Ressourcen verbunden werden – ein kleiner Schritt, der dafür sorgt, dass die stetige Abhängigkeit von den imperialistischen Ländern sich an diesem Punkt nicht weiter verfestigt. Nur so kann die Grundlage geschaffen werden, etwaige Mutationen des Virus zu verringern. Falls diese doch entstehen, erlaubt es schnelles Handeln bei der Produktion notwendiger neuer Impfstoffe. Auch dies kann nur geschehen, wenn nicht die Profitinteressen der imperialistischen Länder und Pharmaindustrie vorrangig bedient werden. Deswegen müssen auch hier die Konzerne enteignet und unter Arbeiter_Innenkontrolle gestellt werden.

Doch so einfach ist es nicht …

Dies sind Forderungen, die weltweit ihre Relevanz haben und die Grundlage für eine internationale Antikrisenbewegung legen können. Doch einfacher geschrieben als durchgesetzt. Denn wie bereits zuvor geschrieben: Es gibt Widerstände, auch innerhalb der Klasse.

Niederlagen in den Klassenkämpfen des letzten Jahrzehntes, vor allem des Arabischen Frühlings, aber auch von Syriza in Griechenland trugen eine tiefe, desillusionierende und demoralisierende Auswirkung auf die Massen mit sich. Nicht die Linke, sondern die populistische Rechte präsentierte sich in den letzten fünf Jahren immer wieder als pseudoradikale Alternative zur Herrschaft der tradierten „Eliten“. Diese konnte sich aufgrund der Passivität der Linken innerhalb der Coronakrise profilieren. So kann die Zunahme eines gewissen Irrationalismus‘ in Teilen des Kleinbürger_Innentums, aber auch der Arbeiter_Innenklasse beobachtet werden. Rechte schaffen es, die Bewegung für sich zu vereinnahmen und dort als stärkste Kraft aufzutreten – was Grundlage für ihr Wachstum ist, aber auch ihre Radikalisierung mit sich bringt.

Die Dominanz von Reformist_Innen und Linkspopulist_Innen drückt sich in einer Führungskrise der gesamten Arbeiter_Innenklasse aus. Zwar werden Kämpfe geführt, wenn es sein muss – also wenn es Angriffe gibt. Letztlich läuft die Politik der Gewerkschaftsbürokratien und der Sozialdemokratie – aber schließlich auch der Linksparteien – auf eine Politik der nationalen Einheit mit dem Kapital, auf Koalitionsregierungen und Sozialpartner_Innenschaft in den Betrieben hinaus. Die Politik des Burgfriedens sorgt dafür, dass Proteste im Zaum gehalten werden oder erst gar nicht aufkommen. Somit besteht eine der zentralen Aufgaben von Revolutionär_Innen darin, den Einfluss dieser Kräfte auf die Masse der Arbeiter_Innenklasse zu brechen.

Internationalismus

Dies geschieht jedoch nicht durch alleiniges Kundtun, dass Bürokratie & Co üble Verräter_Innen sind. Sonst wäre es schon längst im Laufe der Geschichte passiert, dass die Massen sich von diesen Kräften abwenden und automatisch zu Revolutionär_Innen werden. Deswegen bedarf es hier der Taktik der Einheitsfront, des Aufbaus von Bündnissen der Arbeiter_Innenklasse für Mobilisierungen um konkrete Forderungen. Aufgabe ist, möglichst große Einheit der Klasse im Kampf gegen Kapital und Staat herzustellen und im Zuge der Auseinandersetzung aufzuzeigen, dass die Gewerkschaftsbürokratie oder reformistische Parteien sich selbst für solche Forderungen nicht konsequent ins Zeug legen.

Entscheidend ist es also, bestehende Kämpfe und Bewegungen zusammenzuführen, die existierende Führung dieser sowie der etablierten Organisationen der Arbeiter_Innenklasse herauszufordern. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass es eine Wiederbelebung der Sozialforen gibt – diesmal jedoch nicht nur als Versammlungen zur unverbindlichen Diskussion, sondern zur beschlussfähigen Koordinierung des gemeinsames Kampfes. Doch ein alleiniges Zusammenführen von ganz vielen verschiedenen Bewegungen reicht nicht. Unterschiedliche Positionierungen, Eigeninteressen und fehlende oder falsche Analysen können zu Stagnation und letztendlich zum Niedergang dieser führen. Es braucht einen gemeinsamen Plan, ein gemeinsames – revolutionäres – Programm, für das die revolutionäre Organisation eintreten muss. Eine solche müssen wir aufbauen – in Deutschland und international.




Alle Jahre wieder Lockdown. Wie kann es der letzte werden?

Von Dilara Lorin

Wieso sind wir eigentlich nicht überrascht darüber, dass wir diesen Winter wieder in der mittlerweile 4. Corona-Welle stecken? Unterbewusst war es uns doch klar, dass Corona nicht über den Sommer verschwinden wird und auch wenn die Gedanken darüber immer weiter kollektiv verdrängt wurden, wussten wir, dass wir der Realität einer fortlaufenden Pandemie ins Auge blicken müssen. Die 4. Welle ist mitten in Deutschland angekommen: Die Inzidenzen liegen bundesweit seit mehreren Wochen über ca. 25.000 Neuinfektionen, seit Beginn der Pandemie sind mehr als 100.000 Menschen an Corona verstorben und die Zahlen sinken kaum und aufgrund von Meldeverzug in den Ämtern und Staus in den Laboren sinken die wahren Infektionen wahrscheinlich gar nicht ab. Schaut man sich die Karte zu den Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner_Innen binnen der letzten 7 Tage an, sieht man dunkelrote bis pinke oder lilane Flecken- das heißt wir haben ausschließlich 200er- bis über 1000er-Inzidenzen pro Landkreis. Am meisten stechen dort Ost- und Süddeutschland hervor, wo es keinen Landkreis gibt, der aktuell unter 600 Infektionen pro 100.000 Einwohner_Innen liegt.
Obendrauf verbreitet sich die Omikron-Variante in der Bevölkerung immer weiter, welches einen noch krasseren Schwenk in der aktuellen schon krassen Situation verursachen wird. Nun hört man vermehrt: „Ja impfen bringt ja eh nichts, man wird trotzdem krank. / Wir müssen einfach lernen mit der Pandemie zu leben und der natürlichen Auslese freien Lauf lassen“ und auf der anderen Seite werden Stimmen laut, die eine Impfflicht fordern, während die Schulen offen bleiben und Arbeiter_Innen jeden Tag zur Arbeit gehen müssen. Wir wollen in diesem Artikel auf verschiedene Strategien der Pandemiebekämpfung eingehen und unsere Perspektive aufzeigen.

Die Schulen werden durchseucht – Wir Jugendlichen müssen darunter leiden

Am schlimmsten sieht die Karte Deutschlands für die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner_Innen für Jugendliche aus: Bei den 5- bis 14-Jährigen gibt es kaum Landkreise, die unter 400 Neuinfektionen liegen! Wie denn auch, wenn die Schulen offen sind, die erst allmählich geimpften Schüler_Innen jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule fahren und kaum Lüftungsanlagen installiert wurden, obwohl seit Anfang der Pandemie davon gesprochen wird, dass es notwendig ist und die Hygienebedingungen genauso scheiße sind wie vor der Pandemie? Wird ein_e Schüler_In in der Klasse positiv getestet und berichtet dies der Schule, dann geht oftmals nur der_die Banknachbar_In in Quarantäne und wenn es hoch kommt, die Person die vor Ihnen saß, aber die Klasse selber bleibt in der Schule. In den Klassen wird oftmals schon lange nicht mehr die Maske komplett über den ganzen Tag getragen, gelüftet wird auch immer weniger bei diesen niedrigen Temperaturen. Und was passiert mit den Schüler_Innen, welche sich in Quarantäne begeben? Sie haben dadurch einen Nachteil, obwohl sie sich und andere mit dieser Maßnahme schützen. Den Unterricht müssen sie selbst nachholen, Haufen von Arbeitsblättern mit Inhalten, die sie sich selber beibringen sollen und wenn die Quarantäne vorbei ist, sollen sie alle Klassenarbeiten und Test oftmals an 1-2 Tagen nachholen. Der Notendruck und Prüfungsstress ist gefühlt um das Doppelte angestiegen und genauso leidet die Psyche vieler Schüler_Innen.

Wie können wir zulassen, dass die Schulen durchseucht werden, während die Pandemie etliche Menschen das Leben kostet und die neu aufkommenden Varianten immer härter bei Jugendlichen wirken? Wie kann es sein, dass die Ampelkoalition kaum etwas zur Lage in den Schulen sagt, es kaum Berichtserstattungen darüber gibt? Wir können das nicht mehr einfach so hinnehmen! Wir brauchen eine Bewegung, die Forderungen nach einem sicheren Schulalltag erkämpft. Sichere Schule heißt: Lüftungsanlagen, Test für alle egal ob geimpft oder ungeimpft, Masken für alle und gute Hygienebedingungen im Schulgebäude. Wenn die Inzidenzen auf eine immer drastischere Situation hinführen, dann brauchen wir die Möglichkeit, den Unterricht online durchzuführen und dafür muss jeder_m Schüler_In ein Endgerät vom Staat und gute Internetverbindung zur Verfügung gestellt werden. Wenn der Staat Milliarden für die Rettung der Lufthansa ausgeben kann, dann kann er auch Millionen gute Laptops zur Verfügung stellen. Gleichzeitig muss es für Schüler_Innen, welche zu Hause keine gute Lernatmosphäre haben oder sich dort aus anderen Gründen nicht wohl fühlen, die Möglichkeit geben, die leeren Räume der Schule zu nutzen.

Und nun? Was muss gemacht werden?
Es ist ein Skandal, dass der Ampel nach so langer Zeit der Pandemie nichts einfällt, außer Masken und Lüften, das Schließen der Restaurants etc. ab 20 Uhr und bei einer Inzidenz über 1000 dürfen sich Geimpfte nur mit einem Ungeimpften treffen. Wir brauchen stattdessen einen solidarischen und wirtschaftlichen Lockdown, der konsequent aber dadurch kürzer ist. Damit meinen wir nicht „Bleibt alle zu Hause, falls ihr es euch leisten könnt“, sondern es bedeutet, dass bis auf Notversorgung wir alle zu Hause bleiben, uns aber der/die Arbeitgeber_In den Lohn weiterbezahlt. Jetzt gerade landet das in den Taschen der CEOs und Besitzenden, während wir uns jeden Tag der Gefahr aussetzen, uns oder andere anzustecken.
Die bürgerlichen Medien vermitteln die Illusion, dass durch eine Impfpflicht das Problem gelöst werden könnte, während diese Diskussion eher eine Schattendiskussion ist, da es in der aktuell neu eskalierenden Situation (Hohe Inzidenzzahlen, Omikron, Überlastung des Gesundheitssystems…) am Kern des Problems vorbeigeht. Dass kapitalistische Staaten immer mehr dazu „gezwungen“ sind, zu so drastischen Maßnahmen wie der Impfpflicht zu greifen, kommt daher, dass die Corona-Gesundheitskrise immer mehr die Krise des nationalstaatlich organisierten Kapitalismus aufzeigt und dabei immer deutlicher macht, wie unfähig das System ist, die Pandemie schnell, effizient und global zu bekämpfen. Denn eins ist klar: Einzig und allein zu fordern: „Lasst euch impfen“, wird die Pandemie nicht aufbrechen. Wir brauchen keine Aufforderungen und Lösungsvorschläge, die nur auf das Handeln eines Individuums abzielen, sondern wir brauchen eine globale Zero-Covid Strategie, wobei erkämpft werden muss, dass die Patente auf die Impfstoffe freigegeben werden! Denn wenn sich die imperialistischen Staaten durchimpfen lassen, aber die halbkoloniale Welt nicht das Geld dazu hat, den Impfstoff zu kaufen oder wegen der Patente gar selbst zu produzieren, dann werden nicht nur weiter abertausende Menschen sterben, sondern immer neue Mutationen entstehen, bei denen irgendwann auch der aktuelle Impfstoff nicht mehr wirken wird. Dabei spielt die EU eine unrühmliche Rolle, die die Blockade der Freigabe durchsetzt (siehe Bild).

Außerdem kann eine globale Kampagne, die zur Impfung aufklärt und jeder_m diese umsonst zur Verfügung stellt, mehr dazu beitragen, dass sich viele Menschen impfen lassen als eine Pflicht und Geldstrafen.

Impfpflicht- Ja oder Nein?
Eine Impfpflicht wäre unter 2 wichtigen Voraussetzungen die richtige Entscheidung: Erstens unter der Bedingung, dass die Pflege massiv ausgebaut wird, höhere Bezahlung der Beschäftigten durchgesetzt wird und mehr Investitionen in das Gesundheitssystem stattfinden. Zweitens: Wenn es kollektive und mobile Impfteams in jeder Nachbarschaft gibt, die von Tür zur Tür gehen und die Leute impfen können. Damit spart man sich schon einmal stundenlanges Schlangestehen vor den Impfzentren, wofür momentan viele Arbeiter_Innen einen ganzen freien Tag nehmen müssen. Mit gutem Beispiel geht dabei Kuba voran: Sie entwickelten nicht nur ihren eigenen Impfstoff, sondern setzten besagte mobile Impfteams ein und führten mittels Nachbarschaftshilfen eine kollektive Impfkampagne durch, sodass aktuell 82,6% der Kubaner_Innen vollständig geimpft sind.
Wir müssen bei einer global organisierten Kampagne vor allem bedenken, dass wir uns impfen lassen, um die Gefährdung von Risikopatient_Innen durch eine Infektion soweit wie möglich zu minimieren. Dabei stellen wir bewusst das Selbstbestimmungsrecht der potentiell Betroffenen, nicht zu erkranken, über unser Recht, uns nicht zu impfen. Dabei ist zu bemerken: Wirkliche Nebenwirkungen nach einer Impfung treten nur bei 0.02% auf, aber ganze 14% der Corona-Infektionen haben einen schweren Verlauf- das ist ein 700-mal höheres Risiko, wenn man davon ausgeht, dass die Herdenimmunität das Ziel ist, also die meisten entweder geimpft oder genesen sein müssen.

Wir müssen uns also bewusst machen, dass die Pandemie nicht einfach so verschwinden wird, wenn wir nur einen Hebel bewegen, aber alle Bedingungen, die eine effektive globale Eindämmung bis heute verhindern, außer Acht lassen. Wir müssen anfangen, mit weltweiten Forderungen zu kämpfen: Es wird uns in Deutschland, Singapur oder Kanada nichts bringen, wenn wir durchgeimpft sind aber der Rest der Welt unter der Pandemie leidet und nicht an Impfstoffe herankommt, weil die Pharmakonzerne lieber Profit damit machen, als Menschenleben zu retten. Wir brauchen eine Bewegung, die die durch die Corona-Krise hervorgehobenen Probleme als Produkte des kapitalistischen Systems erkennt und international als Arbeiter_Innen und Jugendbewegung für folgende Forderungen kämpft:

  • Für einen globalen und solidarischen Wirtschaftslockdown bei vollen Lohnfortzahlungen!
  • Konsequente Durchsetzung von effizienten Hygienekonzepten in Schulen & Unis!
  • Kostenlose Endgeräte, gute Internetverbindungen und sichere Lernräume, für alle, die im Homeschooling lernen!
  • Freigabe der Impfpatente und faire Verteilung der Impfstoffe und Produktionsmöglichkeiten!
  • Mobile Impfteams in jeder Nachbarschaft!
  • Aufrüstung des Gesundheitssystems und höhere Löhne für die Beschäftigten statt einmaliger Corona-Boni!



Omikron – zurück auf Los?

Jaqueline Katherina Singh spricht darüber, was es mit der neuen Variante des Corona-Virus auf sich hat, welche Gefahren damit einhergehen und was wir dagegen tun können!

B.1.1.529 oder Omikron steht für eine Variante des Corona-Virus, die derzeit die gesamte Welt den Atem anhalten lässt. Der Ursprung scheint im südlichen Afrika zu liegen und wurde zuerst in Südafrika entdeckt. Dort sei laut FAZ die Mutante aufgefallen, als Corona-Infizierte nicht über Geschmacksverlust, sondern unfassbare Müdigkeit klagten. Untersuchungen folgten und führten zur Feststellung: Die Delta-Variante scheint von einer ansteckenderen abgelöst zu werden. Omikron enthält mehr als dreißig Mutationen allein an den Virus-„Stacheln“, also den Spike-Proteinen an der Oberfläche, mit denen sich der Erreger Zugang zum menschlichen Körper verschafft und auf das die meisten derzeit verwendeten Impfstoffe ausgerichtet sind. In der südafrikanischen Provinz Gauteng mit den Städten Pretoria und Johannesburg ist die Zahl der neu registrierten Infektionen exponentiell gestiegen und macht schon neunzig Prozent der zuletzt entdeckten Viren aus. Dazu muss allerdings auch angemerkt werden, dass die vorherige Zahl der Infektionen recht gering gewesen ist. Es könnte sich demnach also auch um einen „Gründereffekt“ handeln – also, dass sich die Viren bislang vor allem in Gegenden mit wenig geimpften Menschen ausbreiten.

Doch die Probleme, welche die neue Mutante mit sich bringen könnte, liegen auf der Hand: Das Virus könnte infektiöser sein und sich dadurch schneller und leichter verbreiten. Es könnte sich aggressiver im Körper ausbreiten und beispielsweise Organe stärker befallen oder – das größte Schreckgespenst von allen – es könnte die derzeit verbreiteten Impfstoffwirkungen umgehen und die erste wirkliche „Escape-Mutante“ darstellen, gegen die die Impfstoffe nicht mehr oder in einer stark geschwächten Form wirken.

Isolation statt Lösung

Angesichts dieser Aussichten ist es nicht verwunderlich, dass von der Leyen am Freitag bekannt gab, dass durch Fluggesellschaften „nur noch deutsche Staatsbürger nach Deutschland befördert“ werden dürfen. Außerdem müssten alle Eingereisten – auch vollständig Geimpfte – für 14 Tage in Quarantäne. Die EU hat darüber hinaus auch Flugreisen von anderen Ländern im südlichen Afrika unterbunden. Die erste Reaktion gleicht jener beim Auftreten der ersten Virusvariante 2019. Es wird versucht sich zu isolieren, um sich zu schützen. Was als hartes Durchgreifen und starke Schutzmaßnahme wirken soll, ist allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Zwar wurde der Flugverkehr eingestellt, aber die ersten Fälle sind schon angekommen unter anderem in Großbritannien, Dänemark, Tschechien, Deutschland. In den Niederlanden strandeten am Amsterdamer Flughafen Passagiere aus Südafrika. Laut der niederländischen Gesundheitsbehörde GGD gab es 61 positive PCR-Tests, 13 dieser positiv getesteten Personen wurden anschließend positiv auf Omikron getestet. Darüber hinaus wurden nun auch in Schottland  die ersten Fälle von potentiellen Omikron-Infektionen bekannt, die nicht mit einer Reise in das südliche Afrika in Verbindung gebracht werden können. Eine schon stärkere Verbreitung des Virus in der schottischen Gesellschaft wird dadurch nahegelegt.

Die Ausweitung in Europa wird als „hoch bis sehr hoch“ eingeschätzt. Wundert das? Eigentlich nicht. Schließlich können die aktuellen Regelungen nicht mal der Delta-Variante Einhalt gebieten. Vielmehr platzen aktuell in Deutschland die Intensivstationen aus allen Nähten, sodass an manchen Orten die Triage beginnt. Gründe dafür sind unter anderem: eine ungenügende Impfkampagne, die es nicht geschafft hat, die Zahl der Impfungen rechtzeitig zu erhöhen.

Notwendig wäre ein solidarischer Lockdown, der nicht nur den Freizeitbereich, sondern auch alle gesellschaftlich nicht notwendige Arbeit betreffen müsste, verbunden mit einer internationalen Zero-Covid- Strategie sowie einem massiven sozialen Schutzschirm, finanziert durch eine Besteuerung der großen Kapitale und Vermögen. Das heißt unter anderem auch 100 % Lohnfortzahlung für alle, die nicht arbeiten gehen können, das Verbot von Mietpreissteigerungen, Zwangsräumungen und Wohnungskündigungen. Ebenso eine massiven Ausbau und Investitionen in das Gesundheitssystem, eine  Einkommenserhöhung von mindestens 500 Euro/Monat für alle in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Beschäftigten. Stattdessen gibt es mal wieder halbgare Lösungen: unterschiedliche 3G-, 2G-, 2G+-Regelungen, um die Wirtschaft nicht zu stark zu belasten.

Gebt die verdammten Patente frei!

Noch ist unklar, welche praktischen Folgen die Mutationen von Omikron genau haben werden und wie wirksam die Impfstoffe sind. Die bisher gemeldeten Fälle scheinen zumindest keinen schwereren Krankheitsverlauf mit sich zu bringen. Insgesamt ist es auch wenig vermeidbar, dass Mutationen an sich entstehen. Allerdings hätte man die Wahrscheinlichkeit absenken können.

In Südafrika sind bisher 26 % der Bevölkerung geimpft. Mit dieser Quote steht es im afrikanischen Vergleich noch gut da. Länder mit höheren Quoten auf dem Kontinent sind nur Botswana (36 %, Marokko 65,6 % und Tunesien 50,7 %). Es folgen Länder wie Algerien, Angola, Lesotho, deren Impfquoten zwischen 10 % und 25 % liegen. Alle anderen liegen darunter. Ende November 2021 sind laut Al Jazeera erst 6,6 % der Bevölkerung des Kontinents geimpft, obwohl die afrikanische Gesamtbevölkerung rund 16 % der Weltbevölkerung ausmacht. Eine Folge der Impfunwilligkeit? Wohl kaum.

Bei der Sicherung der Impfstoffe hieß es von Anfang an: Wer zahlt, kann seine Bevölkerung schützen. Die imperialistischen Länder werden davon also begünstigt. Jene wie Deutschland, die Biontech beherbergen, profitieren von dieser Regelung auch noch.

Der Kontinent leidet also unter einem Mangel an Impfstoffen, der durch die fehlenden Lieferungen von Covax, der globalen Initiative zur gemeinsamen Nutzung von Impfstoffen, noch verschlimmert wird. Das Problem wurde dadurch zusätzlich verschärft, dass imperialistische Länder, die sich zur Unterstützung der Initiative verpflichtet haben, nur einen Bruchteil der versprochenen Dosen lieferten oder aber Länder wie Deutschland Impfstoffdosen nicht an andere Länder verschicken können, da in den Kaufverträgen mit den HerstellerInnen (z. B. Moderna) ein Weitergabeverbot verankert wurde. Anstatt überschüssige Dosen spenden zu dürfen, möchten die Impfstoffhersteller lieber ein weiteres Geschäft in den afrikanischen Ländern machen. Einen großen Rückschlag erlebte Covax, als Indien in Folge seiner katastrophalen Pandemie-Lage am 22. April 2021 alle Impfstoff-Exporte einstellte. Um diesen Ausfall auszugleichen, sagte die EU bis Jahresende Spenden von mindestens 100 Millionen Impfdosen zu, Deutschland soll davon 30 Millionen Dosen stellen. Doch die für Dezember geplante Abgabe von 5,8 Millionen Dosen Biontech-Impfstoff wurde auf Grund der gestiegenen Nachfrage aber verschoben. Die Booster-Impfungen in den kommenden Monaten werden jedoch auch nicht dafür sorgen, dass sich diese Lage rasch verändert.

Zwar haben die Impfstofflieferungen in den letzten drei Monaten zugenommen. Seit Februar 2021 hat Afrika 330 Millionen Dosen aus der Covax-Fazilität, dem African Vaccine Acquisition Task Team und bilateralen Abkommen erhalten. Allerdings wurde der Großteil davon, rund 83 %, erst seit August geliefert.

Insgesamt zeigt das auf: Auch hier sind die Profite wichtiger als Menschenleben. Das hat nicht nur fatale Folgen in halbkolonialen Ländern, sondern für die gesamte Welt, wie uns das Auftreten der neuen Omikron-Variante deutlich vor Augen führt. Daher sollten wir alle für eine Aufhebung der Patente und eine globale Ausweitung der Produktionskapazitäten der Vakzine eintreten. Genauso wichtig ist aus bereits genannten Gründen die Forderung nach einem umfassenden Technologie- und Wissenstransfer sowie Bereitstellung von personellen Ressourcen, um die weltweiten Produktionskapazitäten für diese Art von Impfstoff stark auszubauen. Um global einen gerechten Zugang zu Impfstoffen durchzusetzen, muss zusätzlich auch die weitreichendere Forderung nach vollständiger Enteignung der Pharmakonzerne sowie des gesamten Gesundheitssektors unter Kontrolle der Lohnabhängigen auf die Tagesordnung gesetzt werden. Denn es herrscht nicht nur eine ungleiche Verteilung von Impfstoffen, sondern auch von Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung insgesamt.

Was braucht es, damit das Realität wird?

Bloßes Bitten wird nicht reichen, diese Forderungen umzusetzen. Auch einzelne Proteste oder Schreiben von ÄrztInnen reichen nicht aus, die bürgerlichen Regierungen dazu zu bringen, die Profite der Pharmaindustrie zu schröpfen. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, braucht es einen solidarischen Kampf der gesamten ArbeiterInnenklasse und ihrer Organisationen, allen voran den Gewerkschaften, der nicht nur auf Demonstrationen setzt, sondern auch auf Streiks und betriebliche Aktionen. In der aktuellen Lage, in der es Kampagnen wie #ZeroCovid nicht geschafft haben, eine breite Masse für sich zu gewinnen, und sich die radikale Linke zum Großteil in Passivität wiegt, scheint auch das fast unmöglich. Darüber hinaus haben die widersprüchliche und konzeptlose Politik der bürgerlichen Regierung und die faktisch Aufgabe einer eigenen Politik durch Gewerkschaften, Sozialdemokratie, linke Parteien und eines Großteils der radikalen Linken auch das Wachstum der reaktionären QuerdenkerInnen und der Rechten, die sich als „FreiheitskämpferInnen“ gerieren, gestärkt.

Deshalb bedarf es eines Kurswechsels, mag er auch schwer zu bewerkstelligen sein. Es ist die Aufgabe von RevolutionärInnen, ja allen klassenkämpferischen Kräften, Forderungen in aktuelle Auseinandersetzungen wie Streiks reinzutragen. Der Gesundheitssektor steht in vielen Regionen faktisch vor dem Zusammenbruch, die Lage an den Schulen ist aberwitzig. Allein das wären unmittelbare Anknüpfungspunkte. Ein solidarischer, rascher Lockdown ist notwendig, um die Zahl der Neuinfektionen zu senken. Um das durchzusetzen, reichen Sharepics nicht, sondern es müssen Betriebsversammlungen organisiert werden, bei denen auch die Frage eines solidarischen Lockdowns, die Forcierung einer Impfkampagne sowie die Freigabe der Patente diskutiert und gefordert werden. Um die Beschäftigten für betriebliche Aktionen bis hin zu Streiks zu gewinnen und eine breite gesellschaftliche Bewegung aufzubauen, müssen wir jedoch auch organisiert und gemeinsam gegen die zu erwartende Hinhaltetaktik der Gewerkschaftsapparate vorgehen. Das politische Versteckspiel während der Pandemie, das illusorische Hoffen auf die „SozialpartnerInnenschaft“ mit Kapital und Kabinett hat mit dazu beigetragen, dass die Lohnabhängigen, die ArbeiterInnenklasse im Kampf gegen das Virus nicht als politische und soziale Kraft in Erscheinung tritt. Es ist die Aufgabe oppositioneller GewerkschafterInnen, diese Auseinandersetzung zu forcieren – im Interesse der gesamten Klasse.




Argumente gegen Impfgegner_Innen

Von Leonie Schmidt

Mittlerweile ist es für immer mehr
Menschen in Deutschland möglich, sich impfen zu lassen, aber
gleichzeitig keimen auch immer mehr Argumente gegen das Impfen auf.
Aber nicht nur aus dem klassischen Querdenker_Innen- Spektrum,
sondern auch von ganz „normalen“ Menschen. Manche von uns erleben
Diskussionen darüber sogar im eigenen Familien- und Bekanntenkreis:
Die Impfung sei schädlich, nicht ausreichend erforscht und
gefährlich. Leider ist es
Deutschland nicht gelungen, eine ordentliche Impfkampagne zu
erstellen und dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung
angemessen aufgeklärt und nicht verunsichert ist. Denn die Impfung
ist eine der Maßnahmen, die nötig sind, damit diese Pandemie
endlich beendet werden kann. Dafür ist es wichtig, dass möglichst
viele Menschen möglichst schnell geimpft werden – aber nur ca.
50-65% (je nach Altersgruppe) wollen sich impfen lassen. Um eine
Herdenimmunität gegen Covid-19 zu erreichen, müssten sich
allerdings zwischen 60-80% der Bevölkerung impfen lassen. Was sind
die klassischen Argumente und wie können sie entkräftet werden?

Argument: „Der Impfstoff ist doch noch gar nicht ausreichend erforscht!“

Da es das Covid-19-Virus erst seit ca.
2 Jahren offiziell so gibt, gehen manche davon aus, dass der
Impfstoff ungenügend erforscht sei. Er wäre nur innerhalb von 18
Monaten entwickelt wurden, wohingegen andere Impfstoffe erst nach ca.
10-15 Jahren zugelassen würden. Aber das stimmt so nicht, denn
einerseits werden Covid-Viren schon länger erforscht und
andererseits auch die sogenannten mRNA-Impfstoffe, zu denen auch die
Corona-Impfungen gehören. Es ist zwar eine neuere Methode, jedoch
wird an der RNA schon seit mehr als 20 Jahren geforscht, an den
RNA-Impfstoffen seit über 8 Jahren. Auch zum Thema Erbgut machen
sich viele Menschen Sorgen, da der Impfstoff auf Geninformationen des
Coronavirus basiert, jedoch geht die RNA gar nicht in den Zellkern,
wo die DNA und somit die Geninformation ist, kann diese also auch
nicht ändern. Des Weiteren sind viele wegen der möglichen
Nebenwirkungen verunsichert, insbesondere bei AstraZeneca. Da es da
einige Thrombose-Fälle gab, wurden die Impfungen damit auch
kurzzeitig gestoppt. Jedoch ist diese Nebenwirkung äußerst selten
und es ist mal wieder sehr interessant, wie das gehandhabt wird. Die
Antibabypille beispielsweise, welche massenhaft Thrombosefälle
auslöst, wird ohne große Aufklärung verschrieben und da
interessiert es auch niemanden – Frauenärzt_Innen drängen sogar zur
Einnahme. Des Weiteren sind die bekannten Fälle verschwindend gering
und die Nebenwirkungen sind größtenteils mit normalen
Grippeimpfungen zu vergleichen. Zusätzlich werden junge Frauen,
welche hauptsächlich an Thrombosen erkrankten, ohnehin mittlerweile
mit einem der anderen Impfstoffe geimpft.

Argument: „Die Impfungen sollen nur Profite für die Finanzeliten bringen!“

Wenngleich die Impfung für die
Pharmaindustrie eine wahre Goldgrube ist, so ist es doch
verschwörungstheoretischer Quatsch, zu behaupten, dass es ihn nur
deswegen gebe. Sicher bekommen die führenden Pharmaunternehmen einen
riesigen Profit dadurch (ca. 50 Milliarden zusätzlich für dieses
Jahr wurden prophezeit), aber die Impfung wäre auch immer noch
notwendig, wenn sie nicht von der Pharmaindustrie bereitgestellt
werden würde. Trotzdem stecken hinter dem Impfstoff keine ominösen
Finanzeliten, sondern offen auftretende Kapitalist_Innen, die die
Gesetze der kapitalistischen Wirtschaft für sich nutzen – Also
eigentlich nix Neues. Zu kritisieren ist dabei nicht das Impfen an
sich, sondern, dass daraus Profit gemacht werden kann. Dadurch
variieren die Preise der Impfstoffe stark, manche Unternehmen bieten
es zum Selbstkostenpreis an, andere für deutlich profitablere
Preise. Es ist eindeutig eine Klassenfrage, wenn man sich anschaut,
dass insbesondere die Länder, die viel Geld haben, zuerst an
Impfstoffe kommen, während Halbkolonien wahrscheinlich Jahre
brauchen werden, bis sie ausreichend Impfstoff für ihre Bevölkerung
bekommen. Weiterhin ist es typisch für den Kapitalismus, dass die
Bourgeoisie hohe Gewinne einfahren wird, und nicht die
Arbeiter_Innen, die den Impfstoff produzieren und verimpfen. Daher
treten wir auch dafür ein, dass die Pharmabetriebe von den
Arbeiter_Innen kontrolliert und geführt werden und dafür, dass die
Patente veröffentlicht werden, damit alle Länder in der Lage sind,
günstig und schnell an Impfstoff zu kommen bzw. ihn zu produzieren.

Argument: „Ich bin eh zu jung, um schwer an Covid zu erkranken!“

20% der 18-39-Jährigen gaben an, sie
würden sich auf keinen Fall impfen lassen. Viele von ihnen machen
sich keine Sorgen, da sie davon ausgehen, eine Corona-Infektion mit
einem leichten Verlauf und wenig Einschränkung zu überleben.
Allerdings gibt es auch bei leichten Verläufen die Möglichkeiten
für Langzeitfolgen, welche noch unerforscht sind, beispielsweise für
„Long Covid“ (also Einschränkungen, die auch nach Ende einer
milden Infektion weiterhin auftreten, zum Beispiel Müdigkeit,
verringerte Herzleistung oder Geschmacksverlust). Des Weiteren ist es
auch für die Herdenimmunität sehr wichtig, dass junge Leute sich
impfen lassen, da sie den Virus ja weiterhin übertragen können,
beispielsweise wenn sie ohne Symptome ansteckend sind. Ebenfalls
beachtet werden muss die Möglichkeit, dass die Mutationen auch für
jüngere Personen schädlicher sein können und sich schneller
übertragen lassen, und das wird bei der britischen Mutation der
Covid-Viren schon beobachtet. Also, auch wenn junge Menschen bei der
Impfpriorisierung vieler Orts noch nicht an der Reihe sind, sollten
sie auf jeden Fall die Möglichkeit wahrnehmen, sich impfen zu
lassen. Denn bereits in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass
schon Krankheiten wie die Masern oder Diphterie nur ausgerottet
werden konnten, indem sich große Teile der Gesellschaft dagegen
impfen ließen.