Asylrechtsverschärfungen: Tödlicher Alltag an europäischen Außengrenzen

Dezember 2023

Im Juni wurde die neue Asylreform „GEAS“ von den EU-Innenminister_Innen vorgestellt. Dieses beinhaltet extreme Verschärfungen auf Kosten der Asylsuchenden.

Was ist GEAS?

Die Buchstaben GEAS stehen für “Gemeinsames Europäisches Asyl System”. Durch dieses System werden die Abläufe von Asylverfahren und der Umgang mit asylsuchenden Menschen festgelegt. Es ermöglicht den Abgleich von Fingerabdrücken und die Bestimmung der Zuständigkeit des Landes zur Prüfung des Asylantrags (Dublin-Verfahren). Auch soll es für eine einheitliche Asylregelung unter den EU-Staaten sorgen. Was es aber konkret für die Betroffenen bedeutet, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Kürzung von Sozialleistungen

Nicht nur, dass die bisher nach 18 Monaten gezahlten Analogleistungen in Höhe der regulären Sozialhilfe nun erst nach 36 Monaten gezahlt werden sollen, es werden auch die Bargeldleistungen durch Bezahlkarten ersetzt. Diese sollen die Menschen daran hindern, Geld an ihre Familien in der Heimat zu schicken und den angeblichen Anreiz der Flucht nach Deutschland mindern. Dabei geht die Bundesregierung davon aus, dass die Menschen hauptsächlich aus Geldsorgen flüchten. Meistens sind die Gründe, die eigene Heimat und Familie unter schweren Umständen zu verlassen, um einiges massiver, wie Krieg oder Verfolgung, jedoch sollte endlich bewusst werden, dass auch Menschen die einen Fluchtweg aus Existenzängsten auf sich nehmen, in Deutschland ebenso die Hilfe bekommen müssen, die sie zum Leben benötigen. Ob man arm ist oder nicht, ist nun einmal keine Frage des mindsets, sondern Konsequenz der materiellen Umstände.

Der Bund hat im neuen Asylgesetz außerdem beschlossen, pro Asylerstantragsteller_In eine jährliche Pauschale von 7.500€ zu zahlen.

Christian Lindner, der deutsche Bundesminister für Finanzen, behauptet, dass das neue Asylsystem “nicht nur Länder und Kommunen entlastet”, sondern “auch die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats reduziert”.

Asylverfahren außerhalb Europas

Die Bundesregierung sieht auch die Möglichkeit, Asylverfahren in Drittstaaten (außerhalb von Europa) unter nicht humanitären Umständen durchzuführen. Diese Staaten werden von der EU als sicher definiert, selbst wenn die Bürger_Innen dieses Landes das anders sehen. Ein Beispiel hierfür ist Tunesien. Sollten Menschen auf ihrem Fluchtweg durch eines dieser Länder reisen, kann der Asylanspruch in der EU verfallen. Das Prinzip der Drittstaatenregelung ist kein neues Konzept. Das Grundrecht auf Asyl wurde bereits vor 30 Jahren in Deutschland geändert und mit der Änderung die Drittstaatenregelung eingeführt.

Es soll auch versucht werden, Migrationsabkommen mit Ländern abzuschließen, aus denen häufig asylsuchende Menschen nach Deutschland kommen. In diesen Migrationsabkommen garantiert die EU finanzielle Unterstützung im Gegenzug zu Abschiebung oder des Vorgehens der Staaten gegen Fluchtbewegungen.

Als ein konkretes Beispiel ging es um die Wiederbelebung des 2016 beschlossenen EU-Türkei-Abkommens, das der Türkei Milliardenhilfen von der EU verspricht, wenn diese sich verpflichtet, Fluchtrouten abzuriegeln und nach Griechenland geflüchtete Menschen “zurückzunehmen”.

“So kauft sich die EU von ihrer menschenrechtlichen Verpflichtung des Asylrechts frei. Sie unterstützt so nicht nur autoritäre Regime unmittelbar beim systematischen Bruch von Menschenrechten. Sie stiftet sie regelrecht dazu an.” -STOP GEAS

Grenzverfahren

Die im Oktober eingeführten Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz sollen über lange Zeit aufrecht erhalten werden. Menschen, die aus anderen EU-Staaten nach Deutschland wollen, sollen möglichst direkt in diese zurückgeschickt werden. Auch sollen durch solche Grenzverfahren die Identitäten von Asylsuchenden schon an der EU-Außengrenze festgestellt werden. Da dies sehr zeitaufwendig (bis zu 12 Wochen) ist, sollen die Betroffenen in menschenunwürdigen Lagern an den Grenzen untergebracht werden. Bis über die Aussicht auf Asyl der Menschen entschieden wurde, gelten diese Menschen als nicht eingereist, auch wenn die Unterkunft auf der EU-Seite der Grenze ist. Von der Regelung der Grenzverfahren sind auch Kinder, die ca. 40% der geflüchteten Menschen ausmachen, sowie kranke und eingeschränkte Menschen nicht ausgeschlossen. Trotz mehrfachem Aufrufens von Menschenrechtsorganisationen, dass unter diesen Umständen keine individuelle und rechtskonforme Überprüfung der Asylgründe möglich ist, bietet diese Regelung der EU die Gelegenheit unfairer Asylschnellverfahren. Pushbacks gelten nun als „Grenzschutz“ und sind dadurch legalisiert worden.

Zusätzlich hat der EU-Innenminister_Innenrat hat einer Krisenverordnung zugestimmt. Diese Verordnung beinhaltet die Verlängerung der Zeit in den Lagern von bis zu 12 Wochen, auf bis zu 20 Wochen, sowie die Erweiterung der Menschengruppen die an den Grenzen inhaftiert werden dürfen. Der Europäische Rat kann die Krisenverordnung ausrufen, wenn sehr viele Asylsuchende Menschen an die Grenzen der EU kommen.

Wie wir es schon aus der Pflege kennen, wird ein Notfallplan schnell zum Alltag. Durch die nicht funktionierenden Grundsysteme sind solche Krisenverordnungen von Anfang an zum Scheitern verurteilt und bedeuten menschenunwürdige Behandlung von Asylsuchenden.

Die Zahl der Menschen die eine Flucht nach Europa als letzte Hoffnung sehen, wird steigen. Der Klimawandel zwingt auch immer mehr Menschen zur Flucht, da Nahrungsmittel und Wasser knapper werden, während die Bevölkerungszahl steigt. Hinzu kommen die Menschen, die direkt durch das Klima, die extremen Temperaturen und Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen müssen. Durch die ansteigenden Zahlen der Menschen, die an die Grenzen Europas kommen, müssen wir damit rechnen, dass die Maßnahmen der jetzt genannten Krisenverordnung uns bald als erneute “Asylrechtsreform” vorgestellt werden.

Was können wir dagegen tun?

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Asylrechtsverschärfung vor allem auf Abschreckung und Ausgrenzung abzielt. Menschen, die Hilfe suchen, müssen immer gefährlichere Fluchtrouten nutzen, um ihrer Not zu entkommen. Denn egal wie viele Asylrechtsverschärfungen von der EU kommen, die Menschen werden weiter flüchten. Was sich verändert, ist die immer menschenunwürdigere Behandlung, die die Menschenrechte massiv einschränkt!

In Zeiten von Wirtschaftskrisen und internationalem Rechtsruck dürfen wir uns nicht durch den Rassismus der Herrschenden spalten lassen, sondern müssen solidarisch füreinander einstehen. Klimawandel, Armut und Krieg sind Konsequenzen des kapitalistischen Systems und können nicht ohne dessen Abschaffung überwunden werden. Wir müssen also einerseits die Forderung nach offenen Grenzen und Staatsbürger_Innenrechten für alle aufwerfen und diese im Rahmen einer internationalen Bewegung aus Arbeiter_Innen, Jugendlichen, sexistisch oder rassistisch Unterdrückten und allen Ausgebeuteten erkämpfen. Im Rahmen von Streik-, Uni- und Schüler_Innenkomitees können wir schon jetzt unsere Forderungen an die Orte tragen, an denen wir uns täglich bewegen und für ein Ende rassistischer Asylverfahren einstehen!




Erneute rassistische Angriffe der EU – Die neue Asylrechtsreform und das Abkommen mit Tunesien

Von Pauline P., August 2023, REVOLUTION Zeitung September 2023

Die Asylrechts“reform“

Die EU-Innenminister_Innen beschlossen am 8. Juni eine „Reform“ des Gemeinsamen Europäischen Asylrechts (GEAS), welche für ein Inkrafttreten nun nur noch die gesetzgebenden Institutionen passieren muss. Diese Reform sieht eine faktische Abschaffung des ohnehin schon eingeschränkten Asylrechts hunderttausender Geflüchteter vor.

Was besagt die Reform?

Während Politiker_Innen die Reform als „politischen Durchbruch“ feiern, sehen sich Geflüchtete mit neuen riesigen Einschnitten in ihre Freiheit und Sicherheit konfrontiert. Faktisch Gefängnisse, sogenannte „Asylzentren“, sollen schon jetzt an den EU-Außengrenzen dafür sorgen, Antragsteller_Innen auf Asyl – darunter auch Familien mit Kindern – bis zu drei Monate unter miserablen humanitären und hygienischen Bedingungen auf engstem Raum festzuhalten, um sie möglichst schnell wieder abzuschieben. In den Asylzentren festgehaltene Geflüchtete werden umfangreich registriert und identifiziert. Diese Daten sollen in einer EU-Datenbank gesammelt und gesichert werden, auf die alle Asyl- und Strafverfolgungsbehörden der EU-Staaten Zugriff erhalten. Versprochen wird sich dadurch eine Verhinderung von sogenannter „Sekundärmigration“, also die Chance auf Asyl in einem anderen EU-Land. Im gesamten Prozess wird Asylsuchenden der Zugang zu Asylberatung oder rechtlichem Beistand verwehrt. Die EU-Staaten lassen Geflüchtete an den Außengrenzen spüren, dass sie in der Festung Europa nicht erwünscht sind. Insbesondere Menschen aus vermeintlich „sicheren Herkunftsstaaten“ (z. B. Türkei, Indien oder Tunesien) werden so schnell wie möglich dorthin abgeschoben. Auch für Menschen aus Staaten, auf die diese Kategorie nicht zutrifft, finden die EU-Innenminister_Innen einen Weg, der an einem Asyl für diese vorbeiführt. Die Reform besagt, dass nun auch eine Abschiebung in ein „sicheres Drittland“, welches auf dem Fluchtweg passiert worden ist oder auf andere Weise mit der geflüchteten Person assoziiert wird (z.B. über entfernte Verwandtschaft), möglich sei.

Widerstand in Basis von SPD und Grünen?

Für uns steht fest: Die geplante Asylrechts-„Reform“ ist nicht tolerierbar. Doch wie sehen das SPD und Grüne? Auch hier ist der Rechtsruck mal wieder deutlich zu spüren. Während 2020 die SPD-Bundestagsfraktion noch die EU-Asylrechtsreform mitsamt „Massenlager[n] an der EU-Außengrenze” und einem „abgeschwächten Asylverfahren” ablehnte, zeigen sie heute ein ganz anderes Gesicht. Auch die Grünen beweisen durch ihre diesjährige Zustimmung, dass Menschenleben für sie einen geringeren Stellenwert haben, als die imperialistischen Interessen Deutschlands und der EU. Gibt es denn gar keinen Widerstand innerhalb der Parteien? Doch, aber einen sehr verhaltenen – 24 Abgeordnete der SPD und der Grünen sowie ein paar wenige aus den Landtagen sprachen sich gegen die Reform aus – die Politik tragen sie jedoch faktisch mit. Für uns ist klar: Es handelt sich hierbei um gezielte Verteidigung des Kapitals vertreten durch die Politiker_Innen.

Die Linkspartei ist die einzige Partei, welche die Reform konsequent als Angriff auf die Menschenrechte begreift und diese folglich ablehnt. CDU sowie CSU bilden dazu das Gegenstück: Sie bezeichnen die Reform als „guten Schritt“, dem weitere folgen sollten. Dass der AfD auch eine Aushebelung des Asylrechts nicht weit genug geht, ist leider nicht überraschend.

Es ist unsere Aufgabe, eine Bewegung, deren Ziel die Bekämpfung der menschenverachtenden Asylgesetze ist, aufzubauen.

Wir müssen für ein uneingeschränktes Asylrecht kämpfen! Es braucht Massenbewegungen, welche sich auf antirassistische Organisationen, Migrant­­_Innenorganisationen und Organisationen der Arbeiter_Innenklasse stützen. Dabei müssen wir die Abgeordneten, welche sich gegen diesen rassistischen Hammer ausgesprochen haben, dazu aufrufen, solch eine Mobilisierung zu unterstützen – nicht nur deutschlandweit, nicht nur EU-weit, sondern weltweit!

Abkommen mit Tunesien

Als sei dieser rassistische Angriff noch nicht ausreichend, so schloss die EU vor Kurzem eine Vereinbarung mit Tunesien, welche auch ein Abkommen zur Begrenzung der Migration über das Mittelmeer beinhaltet. Für das Vorgehen gegen „Schlepper“ und „illegale Überfahrten“ sicherte die EU Tunesien 100 Millionen Euro zu. Versprochen wird sich, das „zynische Geschäftsmodell von Schmugglern und Menschenhändlern zu brechen“, so von der Leyen. Die Koalition in Berlin sprach „volle Unterstützung“ für das Abkommen aus, während vereinzelte Stimmen aus den Grünen Bedenken äußerten, aber auch hier die Entscheidung letztendlich mittrugen. Dass Kritik seitens der Grünen vor allem Bedenken wie eine nicht gelungene Bindung des globalen Südens an die EU und verfehlte Zurückdrängung des russischen Einflusses in Afrika beinhaltet, zeigt, dass es den Grünen auch hier in erster Linie um die imperialistischen Interessen Deutschlands und der EU und nicht um die Rettung von Menschenleben geht.  Konsequenter sieht es bei den Linken aus, doch auch diese Partei schafft es nicht, sich ernsthaft gegen die Abmachung mit Tunesien zu stellen.

Gegen die Reform – für die Vereinigten sozialistischen Staaten!

Statt der menschenverachtenden EU-Außenpolitik braucht es eine menschenwürdige Alternative in der Hand von Arbeiter_Innen, Geflüchteten und anderen unterdrückten Menschengruppen und deshalb fordern wir:

  • Volles Asylrecht für alle Geflüchtete! Nein zu allen Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen sowie Abschiebungen! Für offene Grenzen!
  • Ein Recht auf Arbeit und freie Wahl des Wohnortes für alle!
  • Gleicher Lohn und gleiche demokratische Rechte, unabhängig von Hautfarbe, Nationalität, Religion oder Staatsangehörigkeit!
  • Volle Staatsbürger_Innenrechte für alle, inklusive des passiven wie des aktiven Wahlrechts!
  • Statt des Europas der Imperialist_Innen ein Europa des Widerstands, der Unterdrückten und Ausgebeuteten! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas!



3 Dinge, die du sofort gegen den Krieg tun kannst!

Vor gerade einmal einer Woche hat der russische Präsident Wladimir Putin der Ukraine ihre Souveränität abgesprochen und ihr den Krieg erklärt. Kurze Zeit später rollten russische Panzer über die Grenzen der Ukraine, auf dem Weg in die größten ukrainischen Städte. Mehrere Tausend Menschen haben bereits in diesem Krieg ihr Leben verloren. Der Schrecken über diese grausamen Geschehnisse ist groß. Besonders bei den Menschen in der Ukraine, von denen sich bereits weit über eine Millionen Menschen auf der Flucht befinden. Aber auch in Russland haben in den vergangenen Tagen mehrere tausend Menschen trotz brutaler Bullengewalt gegen den Krieg protestiert. Und auch hierzulande werden Baerbock, Scholz und Lindner, die führenden Köpfe der in Deutschland regierenden Ampel-Koalition, nicht müde zu betonen, wie tief betroffen sie das alles macht. Komisch nur, dass es diese selbsterklärten Verteidiger_innen der Menschenrechte, der Freiheit und der Selbstbestimmung nicht gejuckt hat, dass Geflüchtete vor den Toren Europas im Mittelmeer ertrinken oder in den griechischen Lagern unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt werden. Komisch nur, dass gleichzeitig der widerwärtige Angriffskrieg der Türkei auf die kurdischen Autonomiegebiete in Nordsyrien (Rojava) von deutschen Politiker_innen gebilligt und mit deutschen Waffen geführt wird. Für uns sind die Krokodilstränen der Ampel-Koalition nur Heuchelei, denn denen geht es nicht um Menschenrechte, sondern um die Profite deutscher Monopolkonzerne. Dabei ist von der anfangs skeptischen Haltung, den Konflikt nicht weiter eskalieren lassen zu wollen, nichts mehr übriggeblieben. Bereits jetzt schießen die Aktienkurse der deutschen Rüstungsindustrie in die Höhe, während uns gesagt wird, dass wir höhere Heizkosten akzeptieren sollen – „für den Frieden“ natürlich. Unter dem Deckmantel „Für den Frieden in der Ukraine“ versucht die Regierung nun Maßnahmen durchzudrücken, für die es sonst massive Gegenwehr gegeben hätte und die uns die Kosten für ihren Krieg zahlen lassen sollen. 100 000 000 000€ will Scholz zusätzlich für die deutsche Armee locker machen, gleichzeitig hat beispielsweise die Berliner Regierung bereits angekündigt, den Verfügungsfonds für Schulen von 28 000€ auf 3000€ zu kürzen. Das ohnehin viel zu späte Datum für den Kohleausstieg wird wieder in Frage gestellt, um weitere Sanktionen gegen Russland einleiten zu können.

Aber zum Glück gibt es hier ja nicht nur Annalenas und Olafs. Am Wochenende gab es in vielen deutschen Städten riesige Demos gegen den Krieg. In Berlin beteiligten sich sogar mehrere hunderttausend Menschen. Wir alle verfolgen im Stundentakt auf unseren Handys die Geschehnisse in der Ukraine und sind in Sorge um die unschuldigen Betroffenen, um ihre Familien und über den ungewissen Ausgang dieses Konflikts. Viele von uns haben deshalb das Gefühl etwas unternehmen zu müssen. Der Krieg soll gestoppt werden, so schnell wie möglich! Viele fühlen sich jedoch machtlos, die Ukraine ist weit weg und was sollen wir denn schon gegen die Atommacht Russland ausrichten können. Aus diesem Grund setzen viele ihre Hoffnungen auf die NATO, die ihrer „Verantwortung für Frieden und Sicherheit in Europa“ gerecht werden müsse. Viele finden auch, dass Waffenlieferungen an die Ukraine eine gute Idee sind, damit diese sich besser gegen die russische Invasion verteidigen könne.

Auch wenn der Wunsch, den Krieg schnell zu beenden der richtige ist, sind Waffenlieferungen an die Ukraine und eine militärische Intervention der NATO der absolut falsche Weg dafür. Was für ein Trümmerfeld ein NATO-Einsatz hinterlässt, haben wir zuletzt in Afghanistan gesehen. Auch Wirtschaftssanktionen sind kein vermeintlich „humaneres Mittel“ der Kriegsführung. Während Putin und seine Clique bequem in ihren Luxusvillen sitzen, treffen Sanktionen immer die normale Bevölkerung, und insbesondere die Armen. Schon jetzt hat die russische Bevölkerung mit einer massiven Inflation zu kämpfen. Bei dem Krieg in der Ukraine handelt es sich um eine militärische Auseinandersetzung zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten, wobei Russland auf der einen und die EU und die USA auf der anderen Seite stehen. Keiner der beiden Seiten geht um die Interessen der Bevölkerung in der Ukraine. Im Gegenteil tragen sie ihren Kampf um Einflusssphären, Militärbasen, Rohstoffe, Macht und Absatzsphären auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung aus. Wer für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in der Ukraine eintritt, darf sich auch nicht auf die Seite ihres kapitalistischen Präsidenten Selensky, die Seite Deutschlands oder der NATO stellen. Allesamt sind nur scharf darauf, ihre multinationalen Konzerne auf den ukrainischen Markt loszulassen und Russland als lästigen Konkurrenten im imperialistischen Game auszuschalten. Sorry, mit EU-Pulli, NATO-Fahne und Deutschlandschal auf die Anti-Kriegsdemo zu gehen ist also nicht cool.

Die Arbeiter_innen und Jugendlichen in der Ukraine haben nichts davon, ob sie nun von russischen oder westlichen Konzernen ausgebeutet werden. Auch haben sie nichts davon, wenn irgendwelche Ländergrenzen verschoben werden. Wer den Krieg in der Ukraine beenden will, muss eine dritte Position einnehmen, nicht an der Seite der NATO und nicht an der Seite Putins, sondern an der Seite der Arbeiter_innen und Jugendlichen! Der russische Einmarsch kann nur gestoppt werden, wenn die ukrainischen Soldaten mit Selensky und der NATO brechen und ihren Widerstand gemeinsam mit der ukrainischen Arbeiter_innenklasse durch Selbstverteidigungsorgane und die Enteignung der Industrien und Lebensmittelkonzerne organisieren. Die russischen Arbeiter_innen müssen ihnen die Hand reichen und ihre Antikriegsproteste zu einer Bewegung zum Sturz von Putin und seiner Oligarchen-Clique ausweiten. Wenn die Soldat_innen sich weigern zu schießen, die Eisenbahner_innen streiken und keine Truppen transportieren oder die Industriearbeiter_innen die Waffenproduktion bestreiken, ist so ein Krieg auch ganz schnell vorbei. Die Gewerkschaften spielen für die Organisation dessen hier aber auch in Russland und der Ukraine eine zentrale Rolle.

Klingt nett aber unrealistisch? Unrealistisch bleibt wirklicher Frieden nur, wenn niemand anfängt gegen den Krieg aufzustehen. Wenn du jetzt sofort etwas gegen den Krieg tun möchtest, haben wir hier 3 Vorschläge für dich:

  1. Tritt mit Leuten in Diskussion!

Ein erster wichtiger Schritt ist es, mit Leuten in Diskussion zu treten. Wir alle haben Angst um den ungewissen Ausgang des Konflikts. Sprechen hilft dagegen, denn heruntergeschluckte Angst wird nur noch größer. Außerdem kannst du durch Diskussionen mit Mitschüler_innen, Lehrer_innen, Friends und Verwandten aufzeigen, dass wir uns auf keine Seite der imperialistischen Mächte schlagen dürfen, sondern für die Unabhängigkeit der Arbeiter_innen und der Jugend eintreten müssen. Auch Spendenaktionen oder die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine sind wichtige Akte der Solidarität. Die Regierung macht es sich jedoch zu leicht, wenn sie diese gesamte Arbeit auf die Bevölkerung ablädt. Durch die Enteignung eines durch Corona sowieso leerstehenden Luxushotels kann ganz schnell viel mehr Platz für Geflüchtete geschaffen werden als wir Menschen in unseren Privatwohnungen aufnehmen können. Außerdem fragen wir uns, warum 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr da sind aber nicht für Handtücher.

  1. Gründe ein Anti-Kriegs-Aktionskomitee an deiner Schule!

Immer sagen sie uns, die Schule sei ein unpolitischer „neutraler“ Ort. Dabei ist der Krieg in der Ukraine Thema für uns alle. Ein großer Teil von uns hat vielleicht sogar Verwandte auf der einen oder anderen Seite der Frontlinie. Die Lehrer_innen weichen der Diskussion aus, weil sie selbst keine Ahnung haben oder fragen in rassistischer Manier die Schülerin mit dem russischen Migrationshintergrund, wie ihre Familie nur so dumm sein konnte, auf diesen Diktator Putin reinzufallen. Die Schule ist der Ort, wo wir den Großteil der Zeit unseres Alltages verbringen müssen. Das nervt, aber birgt auch die Chance, hier viele Leute erreichen und Druck auf die Regierung ausüben zu können. Anstatt uns nur auf Demos und in der linken Szene unter Gleichgesinnten zu bewegen, müssen wir unsere Ideale auch an die herantragen, die davon sonst nichts mitbekommen. Für eine Schule gegen Krieg einzustehen bedeutet zum Beispiel zu verhindern, dass die Bundeswehr an die Schule kommt, um uns zu erzählen, wie toll man dort Medizin studieren kann. Banner gegen den Krieg aufzuhängen, oder im Geschichtsunterricht einzufordern, dass sich auch mal mit der NATO kritisch auseinandergesetzt wird. Dafür müssen wir uns organisieren und Anti-Kriegs-Komitees gründen. Als organisierte Gruppe können wir besser Aktionen planen und durchführen, uns gegenseitig den Rücken stärken und auch die Gremien der Schüler_innenvertretung unter Druck setzen, etwas zu machen. Gibt es erst einmal mehrere Komitees an verschiedenen Schulen, eröffnet sich auch die Perspektive des Schulstreiks. Denn wenn die Schulen zu sind, weil wir gegen den Krieg auf die Straße gehen, muss man uns automatisch zuhören!

  1. Hilf uns beim Aufbau einer Antikriegsbewegung!

Gemeinsam müssen wir auf den großen bürgerlichen Antikriegsdemos einen Pol darstellen, in dem sich antikapitalistische Menschen sammeln können und um die Deutungshoheit in den Protesten kämpfen. Für Unabhängigkeit statt Waffenlieferungen, Aufrüstung und Krieg! In allen Städten braucht es große und kämpferische antikapitalistische Blöcke statt EU-Pullis. Große linke Jugendorganisationen wie die Linksjungend solid, die Jusos oder die Jugendgewerkschaften müssen wir überzeugen, sich uns anzuschließen und sich klar gegen den Krieg zu positionieren. FFF hat bereits größere Demos gegen den Ukraine-Krieg organisiert. Wir müssen auf sie zugehen und sie von unserer Position überzeugen und den Einfluss der Grünen und der Grünen Jugend, die sich für eine Eskalation des Krieges aussprechen, zurückdrängen. Lasst uns einstehen für eine kämpferische Antikriegsbewegung und für eine unabhängige Position der Arbeiter_innen und der Jugend. Für eine Jugend gegen Krieg!




Krisenstimmung auch in der EU

Flo Schwerdtfeger

„Whatever the weather, we must move together!“ titelte ein
Propagandaplakat für den Marshall-Plan in den 50ern. Darauf zu sehen war eine Windmühle,
deren Blätter die einzelnen Länder Europas waren. Symbolisiert werden sollte
Einigkeit und ein gemeinsames Handeln als europäischer Kontinent. Wenn es sie
überhaupt einmal gab, so sind diese Zeiten der Einigkeit aber lange wieder
vorbei. Nicht erst seitdem sich Großbritannien aus der EU verabschiedet hat.
Die Uneinigkeit findet sich wieder in der Frage, welcher Staat wieviele oder
überhaupt Flüchtende über die Grenze lassen müsse. Sie findet sich in der
Umweltpolitik wieder, wo an der einen Stelle Kernkraft aufgegeben, an der
anderen aber erst aufgebaut wird. Sie findet sich aber auch da wieder, wo die
Staaten Mittel- und Westeuropas, wie Deutschland, Frankreich und das UK, nach
der Wirtschaftskrise 2008/09 die Mittelmeerstaaten ausbluten ließen, um ihre
Schulden zu tilgen. Besonders jetzt durch die Pandemie werden die Effekte
weiter verstärkt und spitzen sich zu. In diesem Artikel wollen wir ein wenig
versuchen, die Fronten innerhalb der EU nachzuzeichnen.

Dieses mal mit den Rechten

Seit Jahren lässt sich der stetige Aufstieg der Rechtspopulist_Innen beobachten, in einigen Ländern wie Ungarn oder Italien sind sie sogar an der Regierung. Als Folge des Versagens der Linken eine Antwort auf die sozialen Angriffe nach der Krise 2007/08 zu bieten, erstarkten in vielen Ländern wieder konservative und nationalistische Ideen und Parteien. Seit der Fluchtbewegung 2015 wurde die Festung Europa wieder stärker ausgebaut und der Kontinent abgeschottet gegenüber Menschen, die vor Krieg und Ausbeutung flüchten. Die Menschen, die es dann doch nach Europa schaffen, werden zwischen den Ländern hin- und hergeschoben, weil niemand sie wirklich aufnehmen will. Und obwohl sich die Rechtspopulist_Innen meist als Europäer_Innen darstellen und behaupten, den Kontinent gegenüber „Invasoren“ zu verteidigen, sind sie es auch, die die EU am liebsten abschaffen würden und ihre eigenen Nationalstaaten wieder aufleben lassen wollen. Dabei ist nicht nur das UK mit dem Brexit das Paradebeispiel, auch in Italien mehren sich die Stimmen, die einen Austritt aus der EU fordern.Selbst in Ländern, in denen sich noch „liberale“ oder immerhin „proeuropäische“ Regierungen halten konnten, sitzt diesen heute eine stärkere Rechte im Nacken als dies noch zur letzten Krise der Fall war.

Und in der Pandemie verschärft sich die Situation nur noch weiter: In Deutschland stellt sich die AfD verstärkt als Verteidigerin der Freiheit und Grundrechte dar, indem sie gegen die Einschränkungen, die durch die Pandemie entstehen, demonstrieren. In Ungarn erhöht sich Viktor Orban immer mehr zum Alleinherrscher, indem er per Notstandsgesetze am Parlament vorbeiregiert, und in Großbritannien wurde zum Glück noch vom Ansatz der Herdenimmunität wieder abgerückt.
Wenn es nicht einmal geschafft wird, den am schwersten betroffenen Nachbarstaaten mit medizinischen Materialien und Personal auszuhelfen, offenbart sich auch wie schlecht es mit den humanistischen Idealen der EU in der Praxis aussieht

Zwischen den Fronten

Der EU macht aber auch die globale Konkurrenz zu schaffen. Sie wird ja meist als weiterer Machtblock in der Welt gehandelt, besonders wenn es darum geht, eine gemeinsame Armee aufzustellen, um sich gegenüber Russland, China oder den USA zu behaupten.
Aber nicht nur militärisch stellen diese Staaten eine Bedrohung dar, sondern auch wirtschaftlich. Erkennbar wird das durch die starken Verflechtungen, durch Handels- oder Produktionsstrukturen. China hat z.B. ein doppelt so hohes Exportvolumen in die EU wie umgekehrt.
Dazu kommt der direkte Einfluss Chinas auf europäische Unternehmen und Länder. So hält zum Beispiel das chinesische Unternehmen Cosco mehr als 50% der Anteile an dem Hafen Piräus´, einer der größten griechischen Häfen. Auch in Italien war China da – und nicht etwa die EU – wenn es um medizinische Unterstützung ging während der Corona-Hochphase.

Es ist abzuwarten, wie genau sich die globale Konkurrenz fortführen wird. Solange der amerikanische Kontinent das Epizentrum der Pandemie bleibt und die USA nur zu Verzweiflungshandlungen fähig ist, wird demgegenüber der Einfluss Chinas umso wichtiger. In China wurde die Produktion viel schneller als anderswo wieder hochgefahren und genau dann, als die Produktionen der EU und der USA aussetzten, konnte China seine Macht ausbauen, indem sie die entstehenden Versorgungslücken decken und so viel mehr Export erbringen konnten.

Angriffe auf die Sozialsysteme

An anderer Stelle offenbart sich die Spaltung Europas als Folge der Weltwirtschaftskrise 2008/09 und der Schuldenkrise 2010/11. Bis heute ist vor allem der Mittelmeerraum durch die Sparmaßnahmen geprägt, die vor allem von Deutschland auferlegt worden sind. Besonders hart hat es dabei Griechenland getroffen, aber auch Spanien und Italien durchleben ähnliches. Gestützt durch Deutschland und Frankreich wurden damals Kredite an die verschuldeten Staaten ausgegeben. Der Haken daran ist nicht nur, dass diese Kredite samt Zinsen wieder zurückgezahlt werden müssen. Vor allem sind sie auch an Maßnahmen des sozialen Kahlschlags in den jeweiligen Ländern gebunden worden, überwacht – und exekutiert – durch eine von der EU vorort installierte Troika. Die Sparmaßnahmen trafen Renten- und andere soziale Leistungen, hatten einen großen Stellenabbau zur Folge, schlugen sich aber eben auch in Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitswesen und Privatisierungen nieder.

Wohin diese Kürzungen führten, sah und sieht man heute besonders in Italien. Ein Grund für die hohe Sterberate während der Pandemie ist, dass so wenig Personal und Ausrüstung auf den Intensivstationen vorhanden waren, da dem Gesundheitssystem fast 37 Milliarden Euro an Investitionen fehlen.

Obwohl die großen Imperialisten wie Deutschland und
Frankreich viel davon profitiert haben, die südeuropäischen Länder
kleinzuhalten und sich an ihnen zu bereichern, sind sie auch davon abhängig,
dass in ihnen eine gewisse Stabilität herrscht, wenn es um Absatzmärkte,
Produktionsketten oder Investitionsströme geht.

Was sollen die Krisenmaßnahmen sein?

Irgendetwas muss die also EU tun, um die Krisenfolgen
abzufedern, auch in den Ländern, die besonders stark betroffen sind, darin sind
sich eigentlich alle einig.

Die Streitfrage ist allerdings wie genau diese Maßnahmen
aussehen sollen.

Insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich tun sich
dabei Widersprüche auf. Einerseits ist Frankreich (im Gegensatz zu Deutschland)
ziemlich stark von der Corona-Krise betroffen und daher selbst schon an guten
Konditionen für Hilfsmaßnahmen interessiert. Zusätzlich würde auch eine weitere
Schwächung der anderen Länder wie Italien die Vormachtstellung von Deutschland
weiter verstärken, was ebenso nicht im Sinne Frankreichs ist. Frankreich steht
in diesem Konflikt also eher auf der Seite der hochverschuldeten Staaten,
während Deutschland an dem alten Modell mit Zurückzahlung unter Zinsen
festhalten will.

Der erste Vorschlag waren sogenannte Corona-Bonds in der
Höhe von 1,5 Billionen Euro. Diese sollten sich im
ersten Entwurf an die Euro-Bonds anlehnen, die nach der Schuldenkrise
ausgegeben wurden. Dabei wird von der EU ein Kredit an Länder ausgegeben,
die Unterstützung benötigen. Das Problem an der Sache ist, dass diese Bonds mit
Zinsen wieder zurückgezahlt werden müssen, wodurch den betroffenen Staaten
nicht wirklich geholfen ist, da sie so über Jahrzehnte an diese Rückzahlung
gebunden sind. Im zweiten und aktuelleren Entwurf ist nur noch von 500
Milliarden Euro die Rede, dafür aber als Auszahlung, die ohne Zinsen
zurückgezahlt werden soll. Besonders die stark betroffenen Länder wie
Frankreich, Spanien und Italien sollen davon profitieren. Probleme könnte es
dafür besonders von den EU Staaten im Norden und Osten geben, da diese
wahrscheinlich mehr Geld geben werden als sie bekommen. Dadurch könnten weitere
Spannungen, besonders in den sowieso schon EU-skeptischen Ländern wie Polen und
Ungarn entstehen.

Innerer Widerspruch und dessen Lösung

Es ist ein Widerspruch an sich, dass sich imperialistische Staaten und damit auch die Kapitalist_Innen der Länder zu einer Einheit zusammenschließen. Eigentlich versuchen Sie sich nämlich gegenseitig zu verdrängen und Halbkolonien zu ihren Absatzmärkten zu machen.

Die EU kann daher nur als Gegenprojekt zu den anderen
Imperialisten wie China, USA, Russland existieren. Dieser Burgfrieden ist aber
bröckelig, denn besonders die westeuropäischen Länder Deutschland, Frankreich
und Großbritannien streben nach der Führung.

Oberflächlich betrachtet ist die EU ein Beispiel dafür, dass Schritte weg vom
Nationalstaat möglich sind. Es wäre eine Schande, die Errungenschaften der
internationalen Verflechtungen auf industrieller und kultureller Ebene wieder
aufzulösen, nur um in chauvinistische Nationalstaaten zurückzukehren, die sich
alle untereinander verfeindet sind. Nur sind halt viele der Träume der EU nicht
mehr zu finden. Die Humanität stirbt an den Außengrenzen. Im Innern wird die
bestehende Ungleichheit durch Bürokratie und Sparmaßnahmen noch verschärft und
letztendlich bleibt sie nur ein Zusammenschluss, zur Verwirklichung der
wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Kapitale.

Wirkliche Vereinigung kann Europa nur erfahren ohne die
auseinandertreibende Wirkung der kapitalistischen Konkurrenz. Die bestehenden
Verbindungen müssen von der europäischen Arbeiter_Innenklasse genutzt werden,
um sich international zu organisieren und der EU nach vorne zu entkommen: In
die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.




Droht der Krieg in Syrien zum Flächenbrand zu werden?

von Dilara Lorin und Martin Suchanek, zuerst erschienen unter
http://arbeiterinnenmacht.de/2020/02/29/krieg-syrien/

Hunderttausende, wenn nicht Millionen, befinden sich in Syrien auf der Flucht. Die Offensive der syrischen Armee sowie ihrer russischen und iranischen Verbündeten sollte ein weiteres blutiges Kapitel im Bürgerkrieg zum Abschluss bringen – die Rückeroberung Idlibs samt Vertreibung Hunderttausender, der Zerschlagung der oppositionellen bewaffneten Gruppen – egal ob nur dschihadistisch, pro-westlich oder verbliebene Restbestände der demokratischen Opposition.

Zweifellos kalkulierten das syrische Regime wie auch seine Verbündeten, dass sie dieses mörderische Unternehmen rasch durchziehen konnten. Protestnoten der zur „Weltgemeinschaft“ hochstilisierten westlichen Mächte waren einkalkuliert, ein Stillhalten der Türkei, der Russland (und damit das Assad-Regime) wichtige Teile Nordsyriens und vor allem Rojavas überlassen hatten, ebenfalls.

Doch wie schon in Libyen erweist sich die Putin-Erdogan-Allianz als brüchig. Sie ist praktisch am Ende. Beide Räuber, beide „Sieger“ wollen ihren Teil vom Kuchen. Das Assad-Regime will erst recht nicht mehr auf die Türkei Rücksicht nehmen.

Umgekehrt droht nun der Krieg, selbst zu eskalieren, von einem StellvertreterInnenkrieg in einen heißen Krieg umzuschlagen. Selbst wenn keine der Parteien diese Entwicklung anstrebt, so spielen sie doch mit dem Feuer. Während Russland weitere Kriegsschiffe ins Mittelmeer beordert, ruft die Türkei die NATO-PartnerInnen an. Die Trump-Administration sieht die Chance gekommen, verlorenen Einfluss wiederherzustellen, und verspricht Unterstützung. Die NATO erklärt ihre Solidarität mit dem Mitgliedsstaat, auch wenn sie noch offenlässt, welche praktischen Formen diese annehmen soll. Bei allem Gerede von Besorgnis ob der Eskalation könnte sich die Konfrontation in den nächsten Tagen massiv zuspitzen, im extremsten Fall aus dem syrischen BürgerInnenkrieg ein Krieg zwischen Russland und NATO werden.

Lage in der Türkei

Im Folgenden wollen wir die Lage in der Türkei genauer betrachten.

In den vergangenen Tagen starben laut türkischen Nachrichtenagenturen bis zu 33 Soldaten in Idlib, einer Stadt im Nordwesten Syriens, durch syrische Luftangriffe. Laut der kurdischen Nachrichtenagentur ANF (Firatnews Agency) sind bis zu 113 Soldaten ums Leben gekommen. Mehrere Videoaufnahmen kursieren im Internet, die von mehreren hundert „Märtyrern“ sprechen, und türkische Soldaten beklagen, „man komme aus Idlib nicht mehr lebend heraus“.

Der Kurznachrichtendienst Twitter ist seit gestern Abend in der Türkei geschlossen, um keine weiteren Meldungen über den Krieg und die getöteten Soldaten zu verbreiten. Aber die Grenzregion zu Syrien liegt lahm, die Krankenhäuser sind überfüllt mit Leichen und das Gesundheitsministerium ruft die Bevölkerung dazu auf, Blut zu spenden. Das deutet darauf hin, dass die Opferzahlen wahrscheinlich viel höher sind als die 33.

Die Türkei führt gerade einen offenen Krieg in Syrien gegen das Assad-Regime, faktisch auch einen gegen seinen Verbündeten Russland. Dass die Türkei seit dem 27. Februar ihre Grenzen nach Europa für syrische Geflüchtete geöffnet hat und und diese nicht mehr darin hindert, dorthin auszureisen, bedeutet für sie nur, die Geflüchteten als Spielball zu benutzen. Sie möchte damit die EU unter Druck setzen und zwingen, im Krieg um Idlib auf ihrer Seite einzugreifen oder jedenfalls Unterstützung zu gewähren. Dies könnte auch zu einem Krieg zwischen Türkei, EU und Russland führen.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu steht im Telefonkontakt mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Dieser verkündete am 28. Februar, dass die NATO die Türkei auch militärisch unterstützen und die Luftverteidigung stärken wird. Teile der NATO stellten sich schon vorher und während des Manövers in Idlib auf die Seite der Türkei, welche mit dschihadistischen Truppen wie der Division Sultan Murad und Ahrar Al-Sharqiya (Freie Männer des Ostens) zusammen kämpft.

Das Leid der 3 bis 4 Millionen ZivilistInnen in Idlib jedoch wird in der Türkei kaum gehört. Mehrere tausende Menschen, welche vom syrischen Regime teils zwangsumgesiedelt wurden, befinden sich in Idlib unter türkisch-dschihadistischem und syrisch-russischem Beschuss.

Während Russland und Syrien, die Türkei und USA Stellung beziehen und eine weitere Eskalation droht, laviert die schwächelnde EU. Sie fordert ein Ende der Kampfhandlungen, unterstützt zur gleichen Zeit den NATO-Verbündeten. Mit der Türkei freilich hadert sie um die Frage der Geflüchteten, denen sie auf keinen Fall helfen will.

Die Öffnung der türkischen Grenzen bedeutet längst nicht, dass die Menschen, die fliehen, allzu weit kommen. Frontex wurde in den letzten Jahren weiter aufgerüstet, an die EU-Außengrenzen werden mehr und mehr Polizei und Grenzschutzeinheiten beordert. Wird der Andrang zu groß, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der bewaffnete Arm der Frontex auf Menschen an den Grenzen schießen wird. Es droht somit eine humanitäre Krise der Menschen in Idlib und der Millionen Flüchtlinge des Bürgerkriegs.

Aktuell sammeln sich größere Gruppen von Geflüchteten vor Edirne, einer türkischen Grenzstadt nahe Bulgarien und Griechenland, sowie in Izmir und anderen Hafenstädten im Westen der Türkei und versuchen, der Hölle von Bürgerkrieg und Vertreibung zu entkommen. Wir brauchen offene Grenzen für alle! Jetzt sofort! Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass alle, die nach Europa wollen, sichere Fluchtwege über Meer oder Land erhalten und sich in den Ländern ihrer Wahl niederlassen, arbeiten und eine Existenz aufbauen können.

Geostrategische Gründe

Der türkische Einmarsch in Syrien erfolgte – wie die Intervention aller anderen Mächten – aus geostrategischen Gründen. Ursprünglich ausgezogen, Assad selbst zu stürzen, will Erdogan nun ein möglichst großes Stück von der Beute, sprich die Neuordnung des Landes mitbestimmen. Den Einmarsch türkischer Truppen, die Eroberung Afrins und anderer kurdischer Städte stellt er als Akt der „Verteidigung“ des Landes dar, ganz so wie Russland, Iran und Syrien die brutale Wiedererrichtung des Assad-Regimes zum „Kampf gegen den Terrorismus“ verklären.

Doch der Krieg könnte für Erdogan leicht zum Bumerang werden. Die Türkei befindet sich in einer wirtschaftlich sehr schlechten Lage und ein Krieg trägt sicherlich nicht zu einer Erholung bei. Im Gegenteil, die ArbeiterInnenklasse wird zu den Kriegen einberufen und muss für die Interessen eines Staates sterben, der vielen nicht einmal genug zum Überleben bieten kann. Der Mindestlohn reicht kaum, um sich und seine Familie zu ernähren. Die Lebensqualität sinkt mit jedem anbrechenden Tag und nun werden junge Lohnabhängige auch noch zur Armee berufen, um in einem Krieg zu sterben, der in keinster Weise ihren Interessen dient.

So wie die ArbeiterInnenklasse Russlands oder Irans, so muss auch die türkische ArbeiterInnenklasse „ihrer“ Regierung jede Unterstützung verweigern. Der Krieg Erdogans ist nicht unser Krieg. Es hilft jedoch nicht, sich über den Tod türkischer Truppen und Soldaten zu freuen, es kommt darauf an, Erdogan und das Regime zum Rückzug aus Syrien zu zwingen – und zwar nicht nur aus Idlib, sondern auch aus Rojava und allen anderen Gebieten.

Ein Rückzug aus Idlib allein – ob nun infolge syrisch-russischer Militärschläge oder durch ein weiteres „Waffenstillstandsabkommen“ – würde schließlich bedeuten, dass sie weiter Besatzungsmacht in Nordsyrien/Rojava bleibt. So kontrolliert sie strategisch wichtige Verkehrsknotenpunkte der nordsyrischen Region wie die Autobahn M14, die Antalya mit Mossul verbindet, und dem türkischen Staat dienen soll, im arabischen Raum besser Fuß zu fassen. Sie wird weiterhin Besatzungsarmee der kurdischen Gebiete sein und dschihadistische Strukturen weiter aufbauen, bewaffnen und unterstützen.

Nein zum Krieg! Abzug aller imperialistischen Truppen und Regionalmächte!

In der Türkei, in Russland und den NATO-Staaten brauchen wir eine breit aufgestellte Einheitsfront von Organisationen, Gewerkschaften und Parteien der ArbeiterInnenklasse. Denn nur die ArbeiterInnenklasse kann in internationaler Solidarität mit den Geflüchteten, KurdInnen, der ArbeiterInnenklasse und demokratischen Opposition in Syrien diesen Krieg stoppen! Wer soll eingezogen werden, wenn wir streiken? Wie soll die Türkei weiter Krieg führen, wenn die ArbeiterInnenklasse sich mit den bis zu vier Millionen ZivilistInnen in Idlib und den drei Millionen KurdInnen in Nordsyrien solidarisiert, auf die Barrikaden geht und einen Generalstreik ausruft?

Alle Räder stehen still, wenn die Klasse das auch will, und natürlich ist damit auch das Rad eines Panzers gemeint!

Wir brauchen keine weiteren imperialistischen AkteurInnen und Regionalmächte im Krieg in Syrien, die allesamt nur für ihre eigenen Profite und strategischen Interessen kämpfen. Es war schon ein richtiger Schritt, dass sich viele türkische und internationale Linke gegen den Einmarsch der Türkei in die kurdischen Gebiete in Syrien aussprachen und sich mit den KurdInnen solidarisierten, aber Solidarität darf und kann nicht bei Lippenbekenntnissen stehenbleiben! Es muss eine gemeinsame Mobilisierung diskutiert und umgesetzt werden, um die drohende Ausweitung des Kriegs zu verhindern und der Zivilbevölkerung in Idlib beizustehen.

Die ArbeiterInnenklasse, die Gewerkschaften müssen erkennen, dass die Intervention der Türkei in Syrien nicht dem Schutz der Bevölkerung dient, sondern nur eigenen Machtinteressen und der Verhinderung kurdischer Selbstbestimmung. Sie muss erkennen, dass eine etwaige US-amerikanische oder NATO-Intervention nur dazu führen, kann dass der Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen den Großmächten eine militärische Form annimmt, sich zu einem internationalen Flächenbrand ausweiten kann. Daher: Nein zu jeder NATO-Intervention! Abzug aller deutschen, französischen, US-amerikanischen Truppen, nein zu allen westlichen imperialistischen Sanktionen! Öffnung der EU-Grenzen für die Flüchtlinge! Sie muss aber auch erkennen, dass die Intervention Russlands und Irans keinen Akt des „Anti-Imperialismus“, sondern selbst nur nackte und brutale Verfolgung eigener geostrategischer Interessen bedeutet. Sie muss erkennen, dass sie mit dem Assad-Regime eine mörderische Kriegsmaschinerie am Leben hält, die für den Tod Hunderttausender und die Vertreibung von Millionen verantwortlich ist.

Ob sich der Krieg in Syrien zu einer internationalen Konfrontation ausweitet oder ob er am Verhandlungstisch auf dem Rücken der Bevölkerung“ befriedet” wird – wir dürfen nicht auf die Assads und Erdogans, die Putins und Trumps, aber auch nicht die Merkels und Macrons unsere Hoffnungen setzen. Sie sind alle Teil des Problems.

Nur eine gemeinsame, internationale Anti-Kriegsbewegung, die sich auf die ArbeiterInnenklasse stützt, kann in der Aktion verhindern, dass sich der syrische BürgerInnenkrieg weiter ausweitet, ja zu einer Konfrontation zwischen NATO und Russland wird.

  • Abzug aller imperialistischen Truppen und Regionalmächte aus Syrien, vor allem der türkischen, russischen und iranischen Truppen!
  • Nein zu jeder Intervention und Waffenlieferungen an Erdogan oder Assad!
  • Abzug aller NATO-Truppen aus der Region, Schließung der NATO-Basen in der Türkei!
  • Schluss mit dem EU-Türkei-Deal! Öffnung der europäischen Grenzen für alle Geflüchteten!
  • Unterstützung für Rojava sowie für die ArbeiterInnenklasse, die demokratische und sozialistische Opposition in Syrien!



Solidarität mit den Studierenden der SOAS London!

von Georg Ismael (REVOLUTION) und Martin Suchanek (ArbeiterInnenmacht),

Die AfD fällt durch ihre rassistische Hetze offenkundig nicht nur in Deutschland auf. Gunnar Beck, AfD-Kandidat zu den Europawahlen, unterrichtet seit Jahren Rechtswissenschaft an der Londoner SOAS (School of Oriental and African Studies) und verbreitet dort reaktionäre, rassistische und geschichtsrevisionistische Positionen.

Hoffentlich nicht mehr lange! Eine Versammlung der Studierenden an der SOAS forderte am 14. Mai, Beck mit sofortiger Wirkung die Lehrbefugnis zu entziehen. Am Freitag, dem 17. Mai soll diesem Beschluss durch eine öffentliche Kundgebung unter dem Titel „Cancel Gunnar Beck: Far-Right out of SOAS“ Nachdruck verliehen werden. Die Universitätsleitung hat sich zwar von Becks politischen Ansichten distanziert, hält aber an seiner Anstellung im Namen der „Freiheit der Wissenschaft“ fest.

Wessen Freiheit?

Diese Freiheit besteht anscheinend darin, dass Beck in seinem Blog endlose geschichtsrevisionistische Litaneien von sich gibt, Kohl und Merkel des „deutschen Selbsthasses“ bezichtigt. Wie so viele seiner „KameradInnen“ will er einen rechten Schlussstrich unter die „ständige Diskussion“ über Deutschlands Vergangenheit ziehen. Wie viele aus dem rechten Lager fantasiert er über die „Einschränkung der Redefreiheit“ von RassistInnen, BestsellerautorInnen und Dauergästen in Talkshows wie Sarrazin, die nur auf die „erschreckend geringe Geburtenrate“ der Deutschen hingewiesen hätten.

Zu Recht hält die Vollversammlung der Studierenden fest, dass Becks  rassistische und rechte Gesinnung sowie die Unterstützung für eine Partei, die mit FaschistInnen und rassistischen SchlägerInnen zusammenarbeitet, nichts mit Meinungsfreiheit zu tun hat. Ihr Beschluss verweist nicht nur auf seine Gesinnung, sondern auch auf wiederholte chauvinistische, sexistische und rassistische Bemerkungen und verbale Übergriffe Becks gegenüber Studierenden, insbesondere solche aus halb-kolonialen Ländern, religiöse, ethnische und nationale Minderheiten. Einzig die bürokratischen Prozeduren der Universität verhinderten, dass sich Beck schon früher verantworten musste.

Es ist höchste Zeit, dass der Rechtspopulist Gunnar Beck Studierende mit seinem reaktionären Mist und rassistischen Pöbeleien nicht länger belästigen darf. Bezeichnenderweise erlangte der „Fall Beck“ jedoch aus einem anderen Grund öffentliche Aufmerksamkeit. Der Rechtswissenschafter nimmt es nämlich, wie die AfD in Sachen Parteienfinanzierung, selbst nicht so genau mit dem Recht, wenn es um die Zwecke des eigenen Ladens geht. Im Wahlkampfmaterial zur Europawahl präsentierte sich Beck als „Professor“ an der SOAS und als „Fachanwalt für Europarecht“. Er ist, wie ein Beitrag des Deutschlandfunks belegt, weder das eine noch das andere. Den Titel „Fachanwalt für Europarecht“ gibt es gar nicht. An der SOAS ist Beck als „Reader in Law“ beschäftigt, was in etwa einem/r DozentIn in Deutschland entspricht.

Natürlich regt sich Beck über die angebliche Hetze auf, die antirassistische Studierende und Beschäftigte an der SOAS gegen ihn veranstalten würden. Dabei hat die AfD noch vor wenigen Monaten zur Denunziation linker und antirassistischer LehrerInnen aufgerufen und Beschwerdeportale online gestellt. Das war für den Nationalisten offenkundig in Ordnung, ging es doch bei den Denunziationsplattformen darum, „vaterlandslose“ LehrerInnen an den Pranger zu stellen. Jetzt inszeniert sich Beck als „Opfer“.

Out!

Dass die Leitung der SOAS angesichts der Forderungen der Studierenden rumeiert und letztlich einen Rassisten entgegen der Interessen der Studierenden, Beschäftigten und des restlichen Lehrpersonals verteidigt, wirft auch ein bezeichnendes Bild auf die bürgerliche Wissenschaft. Während z. B. DozentInnen, LektorInnen und Studierende, die sich für die BDS-Kampagne und das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes einsetzen, mit dem Rausschmiss aus Unis bedroht werden, während Linke, die sich mit Befreiungsbewegungen solidarisieren, als „undemokratisch“ gebrandmarkt werden, müsse rechte Hetze als Bestandteil der „Freiheit“ hingenommen werden. Dieser Doppelstandard verweist nur darauf, welchem Klasseninteresse die bürgerlichen Universitäten, selbst wenn sie sich zur Zeit als „antikolonialistisch“ präsentieren, letztlich verpflichtet sind.

Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass die SOAS aktuell unter dem „Sachzwang“ der zunehmenden Privatisierung und Neoliberalisierung der Bildung massive Kürzungen durchführt, die die Arbeitsplätze etlicher Beschäftigter bedrohen. Diese fallen natürlich nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit, wenn es nach dem Management der Universität geht. Sie sind einfach nur zu teuer.

In Wirklichkeit gibt es kein Recht auf Rassismus im Namen der Meinungsfreiheit oder der Wissenschaft – jedenfalls nicht für alle jene, die gegen Rassismus, Chauvinismus, Nationalismus und Faschismus kämpfen!

Dass die Studierenden die Entlassung von Gunnar Beck fordern, ist also kein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Sie dient vielmehr dem Schutz derer, die an der Universität lehren und lernen. Sie bringt die Solidarität mit den Geflüchteten zum Ausdruck, die im Mittelmeer sterben, mit den SüdeuropäerInnen, die unter den von Deutschland zu verantwortenden Spardiktaten leiden, und mit ArbeiterInnenbewegung, gegen die sich das „Sozial“-Programm der AfD richtet.

Die Umstände an der SOAS und die Erfahrung mit Denunziationskampagnen der AfD zeigen aber ein Weiteres auf. Wer an Schulen und Universitäten lehren kann, wer eingestellt und gefeuert wird, sollte nicht in den Händen des Managements oder des Staates liegen, der sich bei jeder Gelegenheit gegen linke AktivistInnen richtet, aber rechte HetzerInnen schützt. Die Studierenden, Lehrenden, weiteren Beschäftigten und ihre Gewerkschaft(en) sollen entscheiden, ob rassistische BrandstifterInnen an ihrer Uni lehren sollen oder nicht.

Wir solidarisieren uns mit den Studierenden der SOAS und deren antirassistischen Aktionen! Die Studierenden, Studierendenparlamente, Asten und die Gewerkschaften an den Universitäten (v. a. GEW und ver.di) fordern wir auf, den Kampf an der SOAS zu unterstützen und auch an deutschen Lehreinrichtungen eine Gegenoffensive gegen die AfD zu starten




Europawahl 2019: EU-Krise goes Wahlkabine – 6 Fragen und 6 Antworten

von Alex Metzger

Was ist das eigentlich diese Europawahl und hat das überhaupt irgendeine Bedeutung?

Am 26.Mai wird nach 5 Jahren wieder ein neues EU-Parlament gewählt. Das EU-Parlament ist neben dem Ministerrat und der EU-Kommission eine von mehreren Institutionen der EU, wobei allein das EU-Parlament direkt gewählt wird. Wie bei allen Wahlen im Kapitalismus bleibt uns aber auch hier nicht viel mehr übrig, als alle paar Jahre irgendwo ein Kreuz zu machen und zu hoffen, dass die gewählten Parteien wenigstens ein bisschen weniger Scheiße bauen, als die die vorher an der Regierung waren. Eigene Ideen einbringen und das System grundlegend in Frage stellen? Fehlanzeige! Noch dazu sind die Möglichkeiten der Fraktionen im EU-Parlament, sich politisch durchzusetzen, aufgrund eines komplizierten Gesetzgebungsverfahrens zusätzlich sehr eingeschränkt. Ebenso dürfen sehr viele Menschen, die in EU-Staaten leben, wie zum Beispiel Jugendliche unter 18 Jahren oder Geflüchtete, überhaupt nicht an der Wahl teilnehmen Scheiß egal sind die EU-Wahlen im Mai aber trotzdem nicht, denn wir können daran sehr viel über den aktuellen Status der EU und die bestehenden Kräfteverhältnisse ablesen und uns Gedanken machen, wie wir etwas verändern können.

 

In welcher Situation steckt die EU denn gerade?

Die EU steckt in einer tiefen Krise und es ist unmöglich, dass die kommenden Wahlen sie da rausholen könnten. Das liegt daran, dass die EU-Krise selbst nur eine Folge der globalen Wirtschaftskrise ist, die Profite der internationalen Unternehmen schrumpfen ließ und den Konkurrenzkampf um das, was noch übrig geblieben ist, angefeuert hat. Die EU selbst ist kein eigener Staat sondern nur ein Bündnis zwischen verschiedenen miteinander konkurrierenden Ökonomien, die nach langen Jahren des Wachstums und der Stabilität jetzt in der Krise die Krallen ausfahren.
Dass die EU in der Krise steckt, erkennen wir zum Beispiel daran, dass in fast allen EU-Mitgliedsstaaten europafeindliche Parteien wachsen und mehr Stimmen bekommen. Während in Südeuropa Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit und Armut getrieben wurden, haben in Nordeuropa viele kleinere Unternehmen Angst, durch den freien Warenverkehr innerhalb des EU-Binnenmarktes von den großen Unternehmen plattgemacht zu werden und sind enttäuscht, dass mit den EU- Geldern nicht sie gerettet wurden sondern die Banken. Jugendliche und Lohnabhängige haben die Krise durch europaweite Privatisierungen Entlassungswellen und Sozialkürzungen besonders hart zu spüren bekommen. Die EU ist also von vielen Rissen – zwischen Nord und Süd, zwischen binnenmarkt- und exportorientierten Unternehmen und besonders zwischen Arbeiter_innen und Kapital – durchzogen und kann entlang dieser Risse schnell gänzlich auseinanderreißen. Der Brexit hat uns gezeigt, wie präsent diese Gefahr ist und hat die Krise zusätzlich verschlimmert. Hinzu kommt, dass der Druck international beispielsweise durch einen US-Präsidenten Trump, der die EU erstmals in ihrer Geschichte als einen „Feind der USA“ bezeichnet hat, erheblich gewachsen ist.
Die beiden Führungsmächte der EU, Deutschland und Frankreich, haben es nicht gebacken bekommen, sich auf eine einheitliche „Europastrategie“ zur Bewältigung dieser Krise zu einigen. Gemeinsame Projekte
zur Vereinheitlichung der EU wie die EU-Armee, eine koordinierte europäische Finanzpolitik oder auch eine gemeinsame europäische Migrationspolitik wurden in den Sand gesetzt. Das liegt auch daran, dass sich nicht mal ihre eigenen Regierungen im Zuge der Krise auf eine europäische Strategie einigen konnten: Während die Groko im Dauer- Koalitionsstreit steht, ist Macron damit beschäftigt, seine Gelbwesten zu bekämpfen.

Wer hat denn in der letzten Periode das EU-Parlament regiert?

Die letzten 5 Jahre hatten die „EVP: Europäische Volkspartei“ (da steckt die CDU drin) und die „Progressive Allianz“ (da steckt die SPD drin) mit 54 Prozent die ehrheit im EU-Parlament. Die EVP steht in ihrer Zusammensetzung sogar noch weiter rechts als die CDU und treibt die neoliberale Sparpolitik federführend mit an. Sie steht für Privatisierungen, Deregulierung, Festung Europa und einem freien innereuropäischen Markt. Nach den jüngsten Debatte wurde der Ausschluss der ultra-rassistischen ungarischen Fidesz unter Victor Orban erst einmal nur auf Zeit beschlossen und brachte der EVP in den Umfragen weitere Stimmeinbußen durch ihre rechten Wähler_innen ein. Sie wird wohl als Verliererin aus der kommenden Wahl hervorgehen. Doch auch die Sozialdemokrat_innen haben sich mit allem anderen als mit Ruhm bekleckert. In ganz Europa haben sie die neoliberale Politik mitgetragen und somit dafür gesorgt, dass ihre lohnabhängigen Stammwähler_innen ihnen nicht mehr vertrauen. Auch sie haben die „EU-Schuldenbremse“ unterstützt und
Südeuropa in Abhängigkeit und Armut gestürzt. Auch sie haben Privatisierung und Sozialkürzungen selbst mit durchgesetzt. Auch sie haben der Industrie geholfen, unbefristete Arbeitsverträge und gute Jobs gegen Arbeit im Niedriglohnsektor und gegen befristete Arbeitsverhältnisse einzutauschen.Anstatt sich in der Wirtschaftskrise und der zunehmenden Migration in die EU klar links zu positionieren, Antirassismus mit Sozialpolitik zu verbinden und auf die Nöte der Menschen mit ordentlichen Konzepten zur sozialen Absicherung und einer Politik der offenen Grenzen zu antworten, haben sie nur politische Zugeständnisse an die Industrie, die Banken und die Rechten springen lassen. Dass nun die noch rechteren Parteien im Aufwind sind, ist das direkte Resultat dieser Politik. Perspektivlosigkeit und Abstiegsängste führen in ganz Europa dazu,
dass Leute diesen in die offenen Arme laufen. Doch anstatt die Wurzel des Problems anzugreifen, haben die „Volksparteien“ versucht, ihre Wähler_innen bei sich zu halten, indem sie selber weiter nach rechts gerutscht sind. Dabei sind die Abschottung der EU, die Kriminalisierung von Seenotrettungen, Deals mit Diktaturen und der massive Ausbau der europäischen Grenzschutzagentur Frontex nur Facetten dieser Entwicklung. Gewaltsame Übergriffe auf Geflüchtete, Muslim_innen, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma und Frauen haben überall massiv zugenommen. Auch mit der Etablierung autoritärer Polizeistaaten unter dem Vorzeichen des „Kampfes gegen den Terrorismus“ wurde bereits begonnen. Brutalere Polizeigesetze und autoritärere Justizreformen richten sich nicht nur gegen „Minderheiten“ sondern auch unmittelbar gegen die demokratischen Rechte der Aktivist_Innen, die gegen die Politik der EU und ihrer einzelnen
Mitgliedsstaaten auf die Straße gehen.

Und was ist nach den kommenden Wahlen zu erwarten?

Da die internationale Konkurrenz tendenziell nicht abnimmt sondern stärker wird, werden sich diese Trends verstärken. Ebenso ist zu erwarten, dass die Außenpolitik der Union deutlich an Aggressivität zunehmen wird. Auch wenn das Projekt einer EU-Armee erst einmal auf die Auswechselbank gesetzt wurde, wird die EU früher oder später auf die immer aggressiver werdende Politik von Trumps US-Imperialismus mit einer eigenen aktiven Außenpolitik antworten müssen. Die Aufstockung der Militärausgaben auf 2% des BiP(Nato Vorgabe) sind ein erster Schritt dahin.
Angefeuert werden Militarismus, Rassismus, Abschottung und Sozialkürzungen durch den Rechtsruck. Die europäischen „Volksparteien“ werden zwar für ihre verfehlte Politik mit massiven Stimmverlusten bestraft werden, doch gewinnen werden die Rechten. In Italien liegt Salvinis rassistische „Lega“ in Umfragen derzeit mit 32,4 Prozent als stärkste Einzelpartei des Landes vorn. Ähnlich ist das Bild in Frankreich, wo Le Pens ultra-rechte „Ressemblement National“ aktuell mit 22 Prozent knapp vor Macrons liberaler „En Marche“ an erster Stelle liegt. InPolen kann die regierende nationalkonservative PiS mit 40 Prozent rechnen. Selbst in Schweden würden die rechtsnationalen „Schweden Demokraten“ aktuell mit knapp 20 Prozent zweitstärkste Partei. Die AfD schaffe es laut Umfragen auf 12 Prozent der Stimmen. Momentan wird die rechte Fraktion im EU-Parlament (ERK) von der englischen Conservative Party(Tories) und der polnischen PiS angeführt. Beide verfügen jeweils über ca. 40 Prozent der Sitze in der Fraktion. Eine komplette Neuaufstellung der EKR als gesamte Fraktion ist nach den Wahlen zu erwarten. Vor allem auch aufgrund der ideologischen Nähe zu anderen rechten Fraktionen im Europaparlament, insbesondere der ENF (Europa der Nationen und Freiheit). In der ENF finden sich nämlich neben Marine Le Pens RN(Ressemblement National)auch die italienische „Lega Nord“ und Österreichs rechte Regierungspartei FPÖ. Insgesamt wird für die europäische Rechte(EKR) ein Wahlergebnis von ca. 12,5 % erwartet, die ENF klettert auf knapp 11 Prozent(Stand 07.04). Die Stimmen würden für eine Koalition aus Liberalen, Konservativen und Rechten locker reichen.

Gibt es denn keine Linken, die den Rechten ein bisschen die Stirn bieten könnten?

Tatsächlich hat die Krise auch linken Bewegungen einen kleinen Aufschwung gegebenen. Podemos erreichte bei Parlamentswahlen in Spanien über 20 Prozent der Stimmen und auch Melenchons „La France Insoumnise“ erreichen in Wahlen mindestens 18 Prozent. Diese linkspopulistischen Bewegungen haben sich von der „Europäischen Linken“ abgespalten und treten dieses Jahr erstmals unter dem Namen „Maintenant le Peuple“ zur Europawahl an. Neben Forderungen nach höheren Löhnen und staatlichen Investitionen wollen sie den Kampf des Volkes gegen die bösen „internationalen Eliten“ führen – also Volkspolitik statt Klassenpolitik machen. Dass das ein großes Problem ist, sehen wir unter anderem daran, wenn Melenchon im EU-Parlament erzählt „Jedes Mal, wenn ein eingewanderter Arbeiter ankommt, stiehlt er das Brot der dort beheimateten Lohnabhängigen“. Statt internationaler Klassensolidarität fördern die Linkspopulist_innen ein nationales und teilweise sogar rassistisches Bewusstsein und passen sich damit an den Rechtsruck an. Doch auch die „Europäische Linke“ hat beispielsweise mit der griechischen Partei „Syriza“, die an der Regierung das Streikrecht eingeschränkt, EU-Spardiktate umgesetzt und die Renten gekürzt hat, so einige Leichen im Keller. Die dritte linke Partei, die den zu den diesjährigen Europawahlen antritt, nennt sich „DiEM25“ und wird vom früheren griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis angeführt. Sie vertritt ein eher linksliberales Programm und fordert hier und da ein wenig mehr Demokratie auf EU-Ebene ohne jedoch für tiefgreifende soziale Reformen einzutreten.
Alle 3 Parteien sind sich jedoch einig, dass man die Probleme der EU, der Lohnabhängigen, der Schuldenkrise und der Geflüchteten mit Reformen lösen könne. Die einen sehen die EU als beste Plattform für diese Reformen, die anderen den Nationalstaat. Auf die Idee, den Kapitalismus als Ursache all dieser Probleme abzuschaffen, ist leider kein_e von ihnen gekommen.

Also lieber gar nicht wählen?

Das Wahlrecht ist eine große Errungenschaft, die sich die Arbeiter_innenbewegung blutig erkämpfen musste. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung und selbst wenn unsere Stimmen kaum etwas ändern werden,
wäre es Schwachsinn, diese Errungenschaft wegzuwerfen. Wir dürfen nur nicht beim Kreuzchenmachen stehen bleiben! Gewerkschaften, linke Parteien, soziale Organisationen und wir Jugendlichen aus ganz Europa müssen uns zusammenschließen und den Angriffen kollektiv die Stirn bieten! Gegen den europaweiten Rechtsruck, die zunehmende Konkurrenz, den Sozialabbau und die Abrieglung der Außengrenzen brauchen wir auch einen europaweiten Abwehrkampf und kein Zurück zum Nationalstaat. Die EU als Institution bleibt trotzdem undemokratisch, militaristisch, rassistisch, neoliberal und scheiße. Wir wollen deshalb keine kapitalistische EU und auch keinen kapitalistischen Nationalstaaten sondern die „Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa“! Da dieses Modell gerade nicht zur Debatte steht rufen wir euch auf, am 26.5. „die Linke“ zu wählen. Nicht weil wir die toll finden, sondern weil sie von den fortschrittlichsten Teilen der Arbeiter_innen-, Antira- und Ökologiebewegungen unterstützt wird und wir sie in die Verantwortung bringen wollen, ihre Forderungen auch in der Praxis umsetzen zu müssen.



Ihr sprecht von Wirtschaftswunder- Wir sprechen von Wirtschaftskrise!

Eine der zentralen Fragen unseres Lebens, ist die der ökonomischen Zukunft. Dabei spreche ich nicht etwa von der Zukunft der Wirtschaft, sondern von der eines Menschen, der sich auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Schauen wir uns um und sehen wir die gestiegen Studierendenzahlen, die gestiegen Weiterbildungen und die Jugendarbeitslosigkeit in Europa, dann stehen wir vor einem großen Fragezeichen: Wie lässt sich ein Leben in diesem System noch gestalten?

 

Die Wirtschaftskrise, die 2007 ihren Anfang nahm öffnete noch dem Letzten die Augen: Die Versprechungen von Politik und Wirtschaft können innerhalb von Stunden zu Asche zerfallen. Was hat sich seitdem getan? Betrachten wir kurz den Auslöser der Krise und behalten dabei die Aussage Simon Johnson, Wirtschaftsprofessor des MIT in Boston, im Hinterkopf: „Mit Blick auf die nächsten fünf Jahre müssen wir davon ausgehen, dass sich eine ähnliche Katastrophe, möglicherweise eine schlimmere ereignen wird.“

 
Der Finanzmarkt funktioniert nicht mehr nach dem klassischen „Sparer leihen Geld an Banken gegen Zinsen – Banken leihen Geld an Unternehmen gegen Zinsen“-Prinzip. Heute sind Banken lediglich die Vermittler zwischen den Unternehmen und den sogenannten Schattenbanken. Diese Schattenbanken sind keine Banken im eigentlichen Sinne, da sie zwar ähnliche Geschäfte abwickeln, jedoch keine Banklizenz besitzen.

 

Heute läuft der Finanzmarkt vermehrt nach dem Repo-Prinzip (Repurchase agreement): Sparer leihen ihr Geld gegen Zinsen an Schattenbanken. Die Banken leihen dieses Geld und geben es weiter an die sogenannte Realwirtschaft: Fabriken, Rohstoffabbau, Transportunternehmen, Energieproduktion etc. Die Sparer erhalten Zinsen, die Schattenbanken erhalten Wertpapiere und die Banken erheben Zinsen von den Unternehmen. Die Wertpapiere dienen als Sicherheit und sollen später Rückgekauft werden, aus Sicherheitsgründen wurde diese Menge begrenzt. Die Banken gaben daraufhin die relativ stabilen Hypotheken als weitere Sicherheit aus. Mit dem folgenden Geld wurden neue Hypotheken vergeben und der Kreislauf war geschlossen.

Occupy Camp vor  St. Paul's London

Wirtschaft ohne Substanz

Bis zum Platzen der Immobilienblase 2007 stellte dieses System eine wahre Gelddruckmaschine dar – Nur das es für die gehandelten Werte keinen realen Gegenwert mehr gab. Die Schattenbanken gerieten ins Straucheln und wollten Geld sehen, die Banken verkauften hastig Wertpapiere, Anleihen und Hypotheken: Die Preise fielen, das Kartenhaus brach zusammen und mit ihm das erste große Opfer, die Investmentbank Lehman Brothers.

 
Die Politik verkündete daraufhin in heller Panik den Finanzmarkt radikal umgestalten zu wollen. Aus heutiger Sicht betrachtet, eine offensichtliche Lüge. Zum damaligen Zeitpunkt bereits eine absehbare Lüge. Auf dem G20-Gipfel in London 2009 wurde beschlossen, die internationale Finanzmarktaufsicht umzustrukturieren, mehr Eigenkapitalrücklagen der Banken zu verlangen und den Handel mit Hedgefonds stärker zu überwachen. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung wurden diese Veränderung zwar weitgehend eingehalten, der versprochene Radikalumbau fand jedoch nie statt, Peanuts also.

 
Aus kapitalistischer Sicht schaffte man keine Aufhebung des wachsenden Ungleichgewichts der Einkommensverteilung, kein Ausgleich des Ungleichgewichts der Volkswirtschaften und keine Eindämmung von spekulativen Geschäften.

Die Arbeitsgemeinschaft der amerikanischen Notenbänker löste sich 2012 auf, ohne Ergebnisse, nur mit Empfehlungen. Die Abwicklung des Repo-Geschäfts belief sich vor der Krise auf 59% aller Bankverbindlichkeiten, heute sind es 52%. Laut einer Rechnung der Bank für Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, einer Notenbank für Notenbanken, sollen die Schattenbanken Ende 2012 über 71 Billionen Dollar verfügt haben. Dazu kommt, der ganze Repo-Handel der Wallstreet läuft über zwei Banken, JPMorgan Chase und die Bank of New York Mellon. Kann eine der zahlreichen beteiligten Banken die Wertpapiereinlagen nicht abdecken, haftet automatische eine der beiden Abwicklungsbanken. Ein höchst fragiles Konstrukt also.

Tausende demonstrieren gegen die Sparpolitik der Regierungen in Spanien, Italien, Griechenland, usw.

Tausende demonstrieren gegen die Sparpolitik der Regierungen in Spanien, Italien, Griechenland, usw.

»Das Finanzsystem ist heute nicht sicherer als vor Lehman. Die Situation ist sogar schlimmer« Didier Sornette, Risiko-Forscher der ETH Zürich.

 

In Europa sind 25 der 130 Banken durch den Stresstest gefallen, das heißt ihre Kapitaleinlagen sind geringer als durch den G20-Gipfel vorgeschrieben. Dabei sind 70% der Banken „nicht zu einer volkswirtschaftlich angemessenen Kreditvergabe in der Lage“ (Tagesschau). Die Geschäfte der Banken boomen dennoch. Alleine Barclays schüttet 2014 fast 3 Milliarden an Bonis aus. Die Zahl der Millionäre stieg nach der Krise um 17 %, somit schneller als das BIP. Die Armutsrate in Europa wuchs dabei auf 27 %, also fast jede vierte Person.

 
Dieser Artikel soll nun nicht den Glauben erwecken, ein besser regulierter Finanzmarkt wäre die Lösung. Nach wie vor ist der Kapitalismus auf Ausbeutung und Entrechtung aufgebaut. Er schafft Überproduktionskrisen, transferiert Reichtum zur besitzenden Klasse und beutet ganze Kontinente aus. Das Wesen des Kapitalismus ist die Bereicherung weniger auf Kosten aller. Diese Eigenschaft durch Regeln abzuschaffen, würde heißen den Kapitalismus abzuschaffen.

 

 

Das Märchen vom großen Aufschwung

 

Der IWF prognostiziert für Europa 2014 ein Wirtschaftswachstum von 0,8 %, für Frankreich lediglich 0,4 % und Italien gar eine negativ Entwicklung. Man warnt wieder ausdrücklich vor einer neuerlichen Krise. Die Empfehlung lautet Geldausgeben. Zwar ist Deutschland noch auf Erfolgskurs, doch selbst die Bundesregierung schraubt ihre BIP-Prognose auf 1,2 % herunter. Optimistisch, da deutsche Firmen jüngst ihre Produktion so drastisch wie seit 2009 nicht mehr gedrosselt haben.

Zeltstadt vor Sacramento, vom AUfschwung keine Spur!

Zeltstadt vor Sacramento, vom Aufschwung keine Spur!

Rosig sieht die Zukunft bei weitem nichts aus. Direkte Nachwirkung der Wirtschaftskrise ist immenser Verfall der Einkommenshöhe, vor allem in den südeuropäischen Ländern. Sozialsystem wurden zerschlagen und Tarifrechte aufgebrochen, in den meisten der 28 EU-Länder verschlechterte sich der Zugang zu Bildung und Gesundheit, teilweise massiv. Wir sind heute Teil eines Heeres von jungen Menschen auf der Suche nach einer Zukunft. Unsere AltersgenossInnen in Spanien sind mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 55,5 % konfrontiert, in Griechenland sind es um die 60 %.

 
Für die Wirtschaftsinteressen stellen wir lediglich Arbeitskräfte dar, welche in Konkurrenz zueinander stehen und bestmöglich ausgebeutet werden sollen. Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey sagt aus, Jugendliche seien selbst schuld an ihrer Arbeitslosigkeit. Sie besäßen nicht genug Fähigkeiten um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen. Laut McKinsey sieht jede dritte Firma, vor allem in den Krisenländern, das Problem in der Unfähigkeit der Jugendlichen. Man verlangt nach Strukturreformen, einem Absenken der Arbeitskosten um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, wirtschaftliche Dynamik und offene Arbeitsmärkte. Die Wirtschaft verlangt nach willfährigen Arbeitskräften zu jeder Bedingung, an jedem Ort.

 

Die wirtschaftliche Entwicklung die uns das Kapital aufzeigt, bedeutet für
uns Ausbeutung und Entrechtung. Während das Einkommen der herrschenden Klasse beständig wächst, verarmt der allergrößte Teil der Menschen über die ganze Welt hinweg. Eine Zukunft in diesem System für uns als Klasse ist ausgeschlossen. Je weiter wir von den führenden Wirtschaftsnationen weggehen, desto dramatischer sind die Perspektiven. Der Kapitalismus stellt den verworrensten und größten, jemals geschaffenen Ausbeutungsapparat der Welt dar. Unsere Zukunft kann nur in der Zerschlagung der Macht des Kapitals und der Aushebelung der Politik, die diese Macht stützt, liegen.

 

 

Warren E. Buffet stellte zutreffend fest: „Es herrscht Klassenkampf, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen“. Wir brauchen deshalb eine internationale organisierte, klassenkämpferische Jugend, um diesen Krieg für uns zu gewinnen: Wir müssen nur anfangen zurückzuschlagen!

What goes around comes around. Jugendliche Arbeiter*innen widersetzen sich der Polizei in Griechenland

What goes around comes around. Jugendliche Arbeiter*innen widersetzen sich der Polizei in Griechenland

Ein Artikel von Baltasar Luchs, REVOLUTION Karlsruhe




Die EU: undemokratisch, militaristisch

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Von der Demokratie zur Diktatur – Die EU

In den Schulen, Universitäten und Medien bekommen wir Tag für Tag zu hören, dass die Europäische Union für ein geeinigtes, demokratisches Europa steht und wir dieser Institution das Wegfallen von Grenzen und die Vermeidung von Kriegen in Europa zu verdanken haben. Doch was ist an diesem Märchen dran?

Vielen von uns ist bereits bewusst, wie undemokratisch die Troika über Länder wie Griechenland verfügt, oder wie brutal und menschenverachtend die EU Außengrenzen durch die Menschenjäger von FRONTEX „geschützt“ werden. Allerdings gibt es noch viel mehr Dinge, in denen sich die neoliberale, militaristische Haltung der EU zeigt.

Der EU-Reformvertrag

Das wohl wichtigste Vertragswerk Europas ist der 2007 in Lissabon beschlossene EU-Reformvertrag – auch bekannt als die EU-Verfassung. Den meisten ist allerdings überhaupt nicht klar, was dieser für Inhalte hat.

Einer dieser Inhalte ist zB. Die Todesstrafe, die nun im Kriegsfall, bei Kriegsgefahr oder bei Aufständen wieder legal ist.

Die „Solidaritätsklausel“ verpflichtet die Mitgliedsstaaten bei innerer oder äußerer Gefährdung dazu, sich gegenseitig (militärische) Hilfe zu leisten, verstärkt wird die von diesem Artikel ausgehende Bedrohung für den Frieden noch dadurch, dass alle EU-Staaten permanent zur militärischen Aufrüstung verpflichtet sind.

Auch das Recht auf nationale Souveränität wird durch den Reformvertrag ausgehebelt, denn gemäß EU-Richtlinien stehen Beschlüsse der Union über denen der einzelnen Regierungen.

Euro-Gend-Force

Die European Gendamerie Force (Euro-Gend-Force) ist der erste Schritt einer paramilitärischen Polizeitruppe für die EU. Ihr Ziel ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in EU-Staaten – also gegebenenfalls die Niederschlagung von Aufständen und Revolutionen.

Diese kasernierte Polizeieinheit steht über nationalem Recht (siehe EU-Reformvertrag) und jedes ihrer Mitglieder genießt im Dienst volle Immunität. Derzeit ist die Europäische Gendarmerie aus italienischen, französischen, rumänischen, spanischen, portugiesischen und niederländischen Truppen zusammengesetzt – auch die Türkei liebäugelt mit einem Beitritt ihres JANDARMA Korps. Überall, wo Gendamerie Einheiten Polizeiaktionen durchführen sind sie für ihre Brutalität berüchtigt, ein aktuelles Besipiel ist das Massaker an schwimmenden Flüchtlingen an der EU-Außengrenze durch die GUARDIA CIVIL (spanische Gendamerie). Die Euro-Gend-Force wurde bereits während der NATO-Kriege in Afghanistan und Bosnien eingesetzt, doch wo mögen in Zukunft ihre Einsätze stattfinden? Bei der Niederschlagung von Blockupy und Anti-Troika Demos in Frankfurt, Athen, Madrid oder Rom?

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Das Transatlantische Freihandelsabkommen – Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)

Derzeit planen die EU und die USA ein Abkommen, zwecks Schaffung einer „Transatlantischen Freihandelszone“. Ziel dieses Abkommens ist es, das Wirtschaftswachstum beider Vertragspartner zu stärken.

Aber mit welchen Mitteln soll dieses Ziel erreicht werden?

a) Aushebelung von Verbaucherschutz und Tierschutz

In den USA sind die Hürden des Verbraucher- und Tierschutzes wesentlich niedriger angelegt als zB. in Deutschland. Damit es zu keiner „Wettbewerbsverzerrung“ kommt müssen US-Importe nicht mehr den geltenden Regelungen entsprechen. Konkret bedeutet das, dass beispielsweise Tierprodukte aus noch exzessiverer Massentierhaltung als hierzulande plötzlich auch in unseren Märkten stehen.

b) Fracking

Die für Mensch und Umwelt extrem gefährliche Methode, Gas mithilfe von Chemikalien aus dem Boden zu befördern, ist in der EU noch nicht zum Einsatz gekommen – in den USA schon. TTIP ermöglicht es, diese Praktik einzusetzen, da Unternehmen nun jetzt auch offensteht, Staaten, von deren Marktregulierungen sie behindert werden, zu verklagen

c) Angriffe auf Arbeiter*innenrechte

Tarifverhandlungen, Betriebsräte und Mindestlohn, all das gibt es in den USA nicht. (Nicht nur) US-Unternehmen fühlen sich von diesen Schutzmaßnahmen der Arbeiterklasse massiv gestört. Nach TTIP werden diese Unternehmen die Möglichkeit haben, auch gegen solche Maßnahmen zu klagen – und Staaten so zur Rücknahme des Schutzes führen.

In der medialen Öffentlichkeit Deutschlands wird kaum etwas über die Inhalte des Abkommens verbreitet. Vielmehr wird sich darauf konzentriert zu betonen, dass ein Freihandelsabkommen für Arbeitsplätze und Wachstum sorgt. Dass dem nicht so ist beweist die Situation in Nordamerika, wo das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) schon Millionen von Arbeitsplätzen vernichtet, und die Armut in Mexico vervielfacht hat.

Auch die Tatsache, dass TTIP gar nicht von gewählten Vertreter*innnen der Europäer*innen, sondern von Lobbyisten verhandelt wird zeigt, wie neoliberal und undemokratisch die dahinter steckenden Absichten sind.

Wir von REVOLUTION fallen nicht auf den scheindemokratischen Schwindel der Europäischen Union herein und treten ein für:

Revolution, Rätedemokratie und Arbeitermacht!

Ein Artikel von Flo Wasser, REVOLUTION Zülpich




EU-Gipfel in Brüssel: Massendemonstration gegen Kapital und Krise organisieren!

EU-KriseZwischen dem 18. bis 24. März findet in Brüssel ein EU-Gipfel statt. Fast eine ganze Woche lang werden sich die Spitzen der EU-Bürokratie und die nationalen Regierungschefs versammeln, um über die Zukunft Europas zu beraten. Denn allen Erwartungen nach wird sich die Krise in Europa erneut verschärfen. Einbrüche, auch in der deutschen Konjunktur, sind anzunehmen, eventuell sogar eine Rezession.

Was das heißt, können wir uns ausmalen. Bereits die letzten fünf Krisenjahre bedeuteten für den Großteil der europäischen Bevölkerung massive Entlassungswellen, die Zerschlagung ganzer Industriesektoren in einigen Ländern, Angriffe auf soziale und demokratische Rechte. Die Regierungen meinen mit „über die Zukunft zu beraten“ vor allem Eines: Wie kann der Kapitalismus auf den Schultern der Jugendlichen und Arbeiter_innen gerettet werden?

Dagegen heißt es Widerstand zu organisieren. Aus den informellen Diskussionen zwischen Gewerkschaftsführern und reformistischen Parteien über mögliche Gegenaktionen müssen konkrete Beschlüsse werden. Es darf nicht nur bei symbolischen, dezentralen Aktionen bleiben. Eine europaweite Mobilisierung, die insbesondere auch die deutschen Gewerkschaften und Arbeiterorganisationen erfasst, ist unbedingt notwendig.

Wir begrüßen jede Initiative für zentrale Großdemonstrationen. Wir sind allerdings der Meinung, dass sie vor allem dazu dienen müssen, die bisher vereinzelten Bewegungen in der Aktion zusammen zu führen. Die inaktiven Teile der europäischen Arbeiterbewegung müssen durch solche Mobilisierungen von der Dynamik der kämpferischsten Aktivist_innen erfasst werden.

Um die Spardiktate und die Verarmung der breiten Masse der Jugendlichen und Arbeiter_innen wirklich zu stoppen, brauchen wir aber mehr. Der unbefristete und europaweite Generalstreik steht auf der Tagesordnung. Alle Revolutionär_innen müssen innerhalb ihrer Länder dafür eintreten. Nur so kann die Vereinzelung der unterschiedlichen Kämpfe überwunden werden, nur so kann das Kapital in die Knie gezwungen werden.

Lasst uns mit dieser Perspektive den EU-Gipfel durch zentrale Massenaktionen verhindern! In allen Gewerkschaften, Jugendorganisationen und der gesamten deutschen Linken muss nach Brüssel mobilisiert werden!

Ein Artikel von Georg Ismael, REVOLUTION-Berlin