SDAJ-Konferenz: Kein Schritt zur Antikriegsbewegung

Jonathan Frühling

Am Samstag, den 23. April 2022, lud ein von der SDAJ geführtes Bündnis, bestehend aus u. a. DIDF, [‚solid], ver.di Jugend, GEW Jugend und Naturfreundejugend zu einer Antikriegskonferenz von Jugendlichen ein. Revolution beteiligte sich mit Genoss_Innen aus verschiedenen Städte daran, auch wenn wir – wie eine Reihe anderer linker Gruppen – nicht in die Vorbereitung involviert worden waren.

Da die SDAJ ihre gesamte Mitgliedschaft mobilisierte, waren ca. 250 Leute anwesend, was sehr beachtlich war. Insgesamt begrüßen wir diesen Vorstoß und haben uns deshalb gerne daran beteiligt. Allerdings hat die Konferenz am Ende mehr den desaströsen Opportunismus der SDAJ zur Schau gestellt, als dass sie die Antikriegsbewegung praktisch oder theoretisch vorangebracht hätte.

Expert:innenvorträge und Workshops

Zu Beginn gab es sogenannte „Expert:innenvorträge“ z. B. von der LINKEN und einem ehemaligen IG Metall-Vorstandsmitglied. Das war zwar zum Teil interessant, allerdings konnten uns diese Leute mit ihrem lauwarmen Reformismus keine Antworten auf Krieg, Aufrüstung und imperialistische Unterdrückung liefern. Es schloss sich eine Workshopphase an, in der relativ frei diskutiert werden konnte. Allerdings war auch hier der Fokus vor allem auf Deutschland gerichtet. Dort brachten unsere Genoss_Innen ein, dass wir uns unbedingt zur NATO und zum Krieg in der Ukraine positionieren müssen, was von der SDAJ kategorisch zurückgewiesen wurde. Am Ende kam eine Frau aus dem Vorstand der SDAJ sogar auf uns zu und hat gesagt, es wäre unsolidarisch, wenn wir das vor dem großen Podium ansprechen würden, weil sich ja die Organisator_Innen im Vorfeld schon geeinigt hatten, dazu zu schweigen!

Die Resolution

Zum Schluss wurde eine Resolution verabschiedet. Sie war allerdings politisch extrem schwach. Es gab KEINE (!) Einschätzung der aktuellen (Welt-)Lage, sondern nur ein paar antimilitaristische Forderungen. Diese sind zwar unterstützenswert, aber fokussieren sich nur auf Deutschland. Zudem reichen sie nicht dazu aus, einer Antikriegsbewegung der Jugend Handlungsorientierung zu geben, zumal sie sich um alle internationalen Fragen drücken. Folgende Worte fanden überhaupt keine Erwähnung: Arbeiter_Innenklasse, Gewerkschaft, Streik, NATO, Russland, (Anti-)Kapitalismus, Imperialismus. Das alleine sollte Beweis genug dafür sein, wie unzureichend die Resolution ist.

Aufgrund unserer Intervention in der Workshopphase fühlte sich der Vorstand der SDAJ dazu genötigt, vor der Diskussion zur Resolution anzukündigen, dass man bitte nichts zu dem Ukrainekrieg sagen soll! Es gebe dazu keine Einigung unter den Gruppen und deshalb hätten die Organisator:innen im Vorfeld beschlossen, die Frage auszuklammern! Als von uns und der MLPD-Jugendorganisation Rebell Anträge zu den Themen imperialistische Aggression, NATO und einem Bezug zur Arbeiter:innenklasse eingebracht wurden, wurde einem unserer Genoss:innen sogar kurzzeitig das Mikrophon aus der Hand gerissen! Die Anträge wurden dann von der Protokollantin zum Teil gar nicht notiert oder mit der Begründung „Es hat ja jemand dagegen gesprochen“ einfach nicht in die Resolution aufgenommen. Eine demokratische Abstimmung zu den gestellten Anträgen fand einfach nicht statt! Diese bürokratische Vorgehensweise war wirklich eine Schande. Da das beschämende Verhalten der SDAJ-Führung offen vor dem gesamten Plenum passiert ist, bleibt zu hoffen, dass das nicht nur uns übel aufgestoßen ist.

Auch praktisch sah es nicht rosiger aus. Die beachtliche Größe dieser Konferenz wurde nicht dazu genutzt, Aktionen wie z. B. dezentrale Aktionen an dem Tag, an dem im Bundestag über den 100-Mrd.-Sonderetat der Bundeswehr abgestimmt wird, zu planen. Stattdessen blieb es bei einem folgenlosen „Beteiligt euch an Aktionen zum 8. Mai (Tag der Befreiung) und zum 1. September (Antikriegstag)!“

Die Tatsache, dass für dieses zentrale Papier nur 20 Minuten für Diskussion, Anträge und Abstimmung geplant waren, zeigt, dass ein demokratischer Prozess zur Erstellung einer Resolution von Anfang an nicht gewünscht war.

Fazit

Die Konferenz hätte dazu genutzt werden können, um die drängenden Fragen zum Thema Krieg und Frieden unserer Zeit zu diskutieren. Es ist so wichtig, dass wir unsere Analysen und Forderungen austauschen und diskutieren. Nur wenn wir verstehen, was gerade passiert und wieso, können wir programmatische Antworten finden und um dieses Programm eine schlagkräftige Bewegung formieren.

Das Argument, dass man alle strittigen Punkte ausklammert und z. B. nicht die NATO kritisiert, damit ver.di die Resolution unterstützt, ist feiger Opportunismus und blockiert den Aufbau einer kämpferischen Antikriegsbewegung. Wie sollen wir die Millionen Gewerkschaftsmitglieder und Jugendlichen von unseren Positionen überzeugen, wenn wir sie ihnen nicht mitteilen und einladen, darüber zu diskutieren?

Leider bleibt zu sagen, dass die Konferenz keinen Schritt in Richtung einer Jugendbewegung gegen Krieg setzte. Am Ende sind wir alle nach Hause gefahren und konnten uns nicht einmal denken: „Schön, dass wir mal drüber geredet haben.“ Denn selbst das war von den Organisator_Innen nicht gewünscht.




Revolutionäre Arbeiter_Innen und Jugendliche in die Gewerkschaften!

Von Leila Cheng

Solche
Slogans lesen wir immer wieder bei linken Organisationen (Spoiler:
Auch bei uns), aber

Was
sind eigentlich Gewerkschaften?

Gewerkschaften
sind seit ihrer Entstehung Kampforgane der Arbeiter_Innenklasse. Die
Arbeiter_Innen merkten schnell, dass sie allein nichts gegen die
Übermacht der herrschenden Kapitalist_Innen ausrichten konnten und
schlossen sich in ihrer ersten Selbstorganisation zusammen, den
Gewerkschaften, und begannen das Mittel des Streiks zu nutzen, um
ihre Bedingungen zu verbessern. Gewerkschaften sind somit an vielen
erkämpften Erfolgen beteiligt gewesen, z.B. die 40-Stunden-Woche,
Kündigungsschutz, Verbot von Kinderarbeit, Betriebsräte,
Arbeitsschutzbestimmungen, steigende Löhne, u.s.w.

Doch Gewerkschaften beschränkten sich von Anfang an auf den ökonomischen Tageskampf. Sie wollten die Bedingungen der lohnabhängigen Klasse, oder wenigstens Teilen dieser, verbessern, aber sie hatten an sich nicht den Anspruch, die Ausbeutung oder den Privatbesitz an den Produktionsmitteln durch die Kapitalist_Innen aufzuheben und wären allein auch nie dazu in der Lage. Das liegt daran, dass gewerkschaftliche Organisierung allein kein revolutionäres Bewusstsein erzeugt, denn dafür müssten die ökonomischen Kämpfe mit der politischen Machtfrage verbunden werden, wofür es eine Partei der Arbeiter_Innenklasse braucht, die dies beides verbindet und um eine Zerschlagung des bürgerlichen Staates und den Aufbau einer Arbeiter_Innenmacht kämpft. Gewerkschaften können dabei als „Schulen des Sozialismus“ wirken, in dem sie zum Ausgangspunkt einer Arbeiter_Innenkontrolle über Fabriken und Betriebe werden, Arbeiter_Innen lernen also vermittelst gewerkschaftlicher Organisation, selbst die Produktion zu planen. Davon sind wir heute natürlich weit entfernt…Gewerkschaftskämpfe konzentrieren sich heute vor allem auf Lohnkämpfe oder Arbeitszeitauseinandersetzungen.

Doch warum sind Gewerkschaften heute so negativ besetzt?

Die
meisten Gewerkschaften heute und hierzulande führen seit Jahren
nicht mehr als ein paar Warnstreiks, wenn es einen neuen Tarifvertrag
geben soll und speisen ihre Mitgliedschaft mit den kleinsten
Zugeständnissen ab. Es ist also kein Wunder, dass immer mehr
Menschen die Gewerkschaften verlassen. So ist in den letzten 20
Jahren die Mitgliedschaft der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund)
Gewerkschaften um 1/3 gesunken.

Doch
woran liegt das? 1918 kam es in Deutschland zur Novemberrevolution,
diese wurde auf halber Strecke von der SPD-Führung verraten und
sozialistische Revolutionär_Innen wie Rosa Luxemburg wurden
ermordet. Doch auch die Gewerkschaftsführungen machten bei diesem
Verrat mit und gingen eine langfristige Partnerschaft mit dem Kapital
ein: So zum Beispiel das Stinnes-Legien Abkommen, wonach ein
Arbeitgeber_Innenverband mit einer Gewerkschaft Tarifverträge
eingeht, und diese für eine bestimmte Zeit gelten, bis neu
verhandelt wird. Im Gegenzug sollen sich per Theorie beide Partner
als gleichberechtigt anerkennen. Die Gewerkschaften wurden somit zur
anerkannten Mitverwalter_In des Kapitalismus.

Das
passierte nicht zufällig. Für die KapitalistInnen wie Stinnes
(daher der Name des Abkommens) war es nach der Novemberrevolution
nötig, die Führungen der Arbeiter_Innenbewegung wie Ebert (SPD)
oder Legien (Gewerkschaften) in den Kapitalismus einzubinden, um den
Kapitalismus und damit ihr Eigentum vor den revolutionären Massen
der Arbeiter_Innen zu retten. Und die Kapitalist_Innen fanden in den
Arbeiterführer_Innen der SPD und den mit ihr verbunden
Gewerkschaften willige Partner_Innen, den sie waren auf dem Rücken
der Arbeiter_Innenbewegung zu einer mittlerweile privilegierten
Stellung gekommen, in der sie kein Interesse mehr an einer
sozialistischen Revolution hatten. Wir nennen diese abgehobene
Schicht deswegen Arbeiter_Innenbürokratie, die sich selbst auf einen
besser gestellten Teil der Arbeiter_Innen stützt. An dieser
grundsätzlichen Struktur änderte sich auch in der BRD nichts.

In
den Gewerkschaften sprechen wir entsprechend von einer
Gewerkschaftsbürokratie, die von der Gewerkschaft bezahlt wird, die
aber heutzutage auch oft in Aufsichtsräten von Konzernen sitzt und
nochmal fett dazu verdient, direkt aus der Tasche des Kapitals.

Und nun stecken die Bürokrat_Innen in einer Klemme: einerseits muss der Kapitalismus erhalten werden und die Kapitalist_Innen möglichst zufrieden gestellt werden, denn von ihnen hängt ihre privilegierte Gesellschaftsstellung ab, gleichzeitig können sie die Klasse nicht 100 Prozent verraten, weil ihnen sonst Arbeitskämpfe aus ihrer Kontrolle gleiten können und Arbeiter_Innen auf einmal selbst entscheiden, wann sie z.B. streiken. Sie geben also ein bisschen dem Druck der Kolleg_Innen nach, aber leiten ihn in der Regel in ungefährliche Bahnen. Wenn wir als Revolutionär_Innen oder auch einfach als wütende Arbeiter_Innen selbst den Mund aufmachen und z.B. entgegen der Gewerkschaftsführung zum Kämpfen aufrufen, kann es nicht nur sein, dass wir den Job verlieren, sondern auch aus der Gewerkschaft fliegen.

Wie kann revolutionäre Praxis dann in Gewerkschaften aussehen?

Trotz
alledem sind wir überzeugt, dass revolutionäre Arbeit in
Gewerkschaften auch heute noch möglich und notwendig ist. Aber
warum?

Gewerkschaften sind die Schule des Klassenkampfes. In ihnen machen viele Arbeiter_Innen ihre ersten Erfahrungen mit elementaren Klassenkämpfen, auch wenn diese noch nicht besonders radikal sein mögen. In ihnen lernen sie aktiv zu werden, z.B. durch Streiks (bzw. Warnstreiks), Aussperrungen (=Betriebsbesetzungen) oder Bildung von Basisstrukturen. Wir als Revolutionär_Innen haben die Aufgabe und die Pflicht, in solche Selbstorganisationen der Arbeiter_Innenklasse zu gehen und revolutionäre Politik an die Basis zu tragen. Die Gewerkschaftsbürokratie werden wir dabei natürlich nicht überzeugen, und deswegen ist es auch wichtig, keine Hoffnungen in diese zu setzten. Wir treten an die Basis heran und versuchen sie in der gemeinsamen Aktion von unserer Politik zu überzeugen. Dabei treten wir für die Selbstorganisation der Basis in z.B. wähl- und abwählbaren Streikkomitees innerhalb der Gewerkschaften und Betriebe ein. In diesen versuchen wir auch über Tarifverhandlungen hinaus Streiks und andere Basisaktionen, bis hin zu politischen Streiks zu organisieren. Dies sorgt für eine Anpolitisierung für große Teile der Mitgliedschaft, gibt ihnen nach Jahren der Stagnation neue Hoffnung und bringt die Möglichkeit, Arbeiter_Innen revolutionär zu organisieren. Gleichzeitig setzt es die Gewerkschaftsbürokratie unter Druck. Und drittens schafft es Selbstorganisierung unserer Klasse und macht sie zum handelnden Subjekt. Für uns als Organisation, die langfristig eine sozialistische Rätedemokratie anstrebt, ist die Selbstorganisation der Basis unserer Klasse auch im Hier und Jetzt schon ein wichtiges Mittel und ein wichtiger Teil in der Schule des Klassenkampfes. Aber dieser Druck von unten muss natürlich auch mit einer Opposition zur Gewerkschaftsbürokratie innerhalb dieser Gewerkschaften einhergehen, sodass solche Basisbewegungen langfristig zu einer Räteorganisation unserer Klasse führen können.

Für uns als kommunistische Jugendorganisation ist auch die Intervention und Arbeit in den Gewerkschaftsjugenden besonders wichtig. Diese sind eigentlich für die Lage von Jugendlichen, also insbesondere Auszubildenden, Studierenden, FSJler_Innen und BFDler_Innen da. Jedoch haben die Gewerkschaftsjugenden kein Recht auf Tarifverhandlungen und müssen sich allen Beschlüssen ihrer Gesamtgewerkschaft unterordnen. Wenn sie eigene Beschlüsse treffen sollten, müssen diese von der Gesamtgewerkschaft umgesetzt werden und wenn man sich die aktuellen Tarifverhandlungen anschaut, zeigt sich, dass der Gewerkschaftsbürokratie nicht sehr viel an der Lage von Auszubildenden bei Tarifverhandlungen liegt. Noch schwieriger wird es dann für die restliche arbeitende Jugend (z.B. in 450 Euro Jobs oder Praktika), für die die Gewerkschaften fast gar nichts tun. Für uns ist es wichtig, die Lage von jugendlichen Arbeiter_Innen, die oft einer noch sehr viel stärkeren Ausbeutung unterliegen, mit in den Fokus zu rücken. Denn viele erkämpfte Forderungen gelten für Jugendliche noch nicht einmal, wie z.B. bei Auszubildenden der Mindestlohn, wenn deren Betrieb nicht tarifgebunden ist. Hier müssen wir ansetzen und uns auch für die Rechte und den Kampf von Jugendlichen in Gewerkschaften stark machen.

Und wie helfen uns Gewerkschaften jetzt in der Krise?

Die aktuelle Coronapandemie, aber auch die beginnende, dadurch ausgelöste, und vom kapitalistischen System verursachte Weltwirtschaftskrise treffen uns aktuell sehr hart. Umso mehr müssten die Gewerkschaften ein Faktor im Kampf gegen anstehende und bereits beginnende Massenentlassungen, Lohnkürzungen und vieles mehr sein. Dies sind sie jedoch oft nicht. Man braucht sich nur die Tarifverhandlungen von Verdi (Deutschlands größte Dienstleistungsgewerkschaft) oder der IG Metall im letzten dreiviertel Jahr, also während der Pandemie, anschauen. So wurden zum Beispiel Forderungen, die für Teile der Klasse maßgeblich wichtig waren, wie z.B. durch Verdi mehr Personal in der Betreuung und in Krankenhäusern nicht mal aufgeworfen, und am Ende die Mehrheit der aufgeworfenen Forderungen mit einem faulen Kompromiss mit den Kapitalist_Innen abgespeist. Trotzdem brauchen wir die Gewerkschaften, um den aktuellen Kampf zu führen. Deswegen ist es für uns als Revolutionär_Innen besonders wichtig, die Gewerkschaftsführungen durch Forderungen an diese und durch Mobilisierungen ihrer Basis unter Druck zu setzen, um Arbeitskämpfe zu entfachen.

Was ist die Schlussfolgerung daraus?

Gewerkschaften sind also ein Teil unseres Kampfes für eine revolutionäre Überwindung des Kapitalismus und aller Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse. Dafür brauchen wir aber die richtige Strategie im Umgang mit Gewerkschaften. Aktuell gibt es viele Bereiche, wo wir diese anwenden sollten, ob es die Gerechte-Bildungsbewegung, die Lage von Mieter_Innen (siehe Artikel zu Deutsche Wohnen und Co Enteignen), oder die Aufforderung zu bezahlten Betriebsschließung, um wirklichen Infektionsschutz leisten zu können. Deswegen kämpfen wir für Basisorganisierung in den Gewerkschaften, politische Streiks und versuchen eine revolutionäre Praxis hinein zu tragen. Für kämpferische Gewerkschaften- Kampf der Stagnation und Bürokratie!




Das Corona-Virus und die Gesundheitskrise in den USA

Rebecca Anderson. Red Flag, Großbritannien, Fight!
Revolutionäre Frauenzeitung, März 2021

Das Corona-Virus hat sich unkontrolliert in allen fünfzig
Bundesstaaten ausgebreitet und Millionen von Infektionen und
Hunderttausende vermeidbarer Todesfälle verursacht. Von der
Untergrabung der öffentlichen Gesundheitsberatung über die
Verzögerung von Konjunkturpaketen bei gleichzeitiger Rettung des
Großkapitals bis hin zu verspäteten Lockdowns – die politische
Reaktion auf das Virus war katastrophal. Sogar die Einführung des
Impfstoffs in dem Land, das einen der wichtigsten herstellt, ist
schmerzlich langsam verlaufen. Die letzte Bastion gegen die Pandemie
– das Gesundheitssystem, das sich um die schlimmsten Fälle
kümmert, wo das Krankenhauspersonal unermüdlich daran arbeitet,
schwerkranke Patienten zu retten – hat ebenfalls den Test der
Pandemie nicht bestanden. Covid-19 hat die strukturelle Krise eines
lückenhaften Gesundheitssystems offengelegt, das eher auf Profit als
auf menschliche Bedürfnisse ausgerichtet ist.

Die Partei Democratic Socialists of America (Demokratische
Sozialist_Innen Amerikas; DSA) führt seit 2016 eine Kampagne namens
„Medicare for All“, ein Vorschlag, der von den Gewerkschaften
nicht aufgegriffen wurde. Dies liegt zum einen daran, dass ihre
bürokratischen Führungen kein Interesse an einer solchen Kampagne
haben. Zum anderen bietet Medicare vielen Arbeiter_Innen weniger
Gesundheitsschutz als ihre bestehende Versicherung. Als
Revolutionär_Innen in der DSA glauben wir, dass die DSA stattdessen
die Forderung nach einer universellen Gesundheitsversorgung für alle
aufstellen und die Gewerkschaftsbasis mobilisieren sollte, um
innerhalb der Gewerkschaften für diese Politik zu kämpfen.

Das Gesundheitssystem im reichsten Land der Welt

Das US-Gesundheitssystem ist versicherungsbasiert und selbst dort,
wo der Staat über Programme wie Medicare oder Medicaid die
Gesundheitsversorgung finanziert, wird der eigentliche Anbieter
(z. B. ein Krankenhaus) in der Regel von einem privaten
Unternehmen betrieben. Die Kosten für den Verzicht auf ein
geplantes, flächendeckendes System von Krankenhäusern und
Arztpraxen zugunsten der Finanzierung der Gewinne privater Anbieter
lassen sich beziffern: Pro Person kostet die medizinische Versorgung
in den USA 11.000 US-Dollar, mehr als doppelt so viel wie in anderen
Industrieländern.

Von diesen durchschnittlichen Ausgaben sind 4.993 US-Dollar
öffentliche Gelder. Das ist höher als in Frankreich (4.111
US-Dollar), aber niedriger als in Deutschland (5.056 US-Dollar). Das
Vereinigte Königreich, wo die Gesundheitsversorgung im
Behandlungsfall kostenlos ist, gibt pro Kopf 3.107 US-Dollar aus. In
den USA bedeuten die überdurchschnittlich hohen Ausgaben für die
Gesundheitsversorgung jedoch nicht eine bessere, sondern lediglich
eine teurere Versorgung. Einige Krankenhäuser und Kliniken sind
staatlich, aber die meisten befinden sich in privater Hand. Die
meiste Zeit werden die Ausgaben für die Gesundheit der Bürger_Innen
an private Unternehmen gezahlt.

Die staatlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen in den USA
decken den medizinischen Bedarf der meisten Menschen nicht ab,
weshalb private Krankenversicherungen einen riesigen Wirtschaftszweig
ausmachen. Eine solche private Krankenversicherung kostet
durchschnittlich 4.092 US-Dollar pro Person und Jahr. Für einige
Arbeit„nehmer“_Innen wird diese von den Arbeit„geber“_Innen
bezahlt – im Wesentlichen ein Abzug vom Lohn –, andere müssen
sie entweder selbst bezahlen oder darauf verzichten.

Selbst mit einer Krankenversicherung ist die Gesundheitsversorgung
bei weitem nicht kostenlos. Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen
bedeuten, dass diejenigen mit einer Versicherung es sich immer noch
zweimal überlegen müssen, ob sie eine/n Ärztin/Arzt aufsuchen.
Viele Menschen mit geringem Einkommen sind unterversichert, was
bedeutet, dass ihre Versicherung keine angemessene
Gesundheitsversorgung abdeckt.

Versicherungen schützen außerdem nicht vor den Kosten von
chronischen Langzeiterkrankungen. Die Prämien steigen oder
Versicherungen lassen teure, also kranke, Versicherungsnehmer_Innen
fallen. Eine Studie aus dem Jahr 2009 ergab, dass Schulden für
medizinische Kosten zu 46 Prozent aller Privatinsolvenzen beitragen.

Das U.S. Census Bureau (Volkszählungsbehörde) berichtete 2017,
dass fast neun Prozent der Amerikaner_Innen keine Versicherung haben.
Diese Zahl war in den Vorjahren höher, aber mit der Einführung des
„Affordable Care Act“ (ACA) 2010 begann die Zahl der
Unversicherten ab 2014 zu sinken. Diese 28 Millionen Menschen ohne
Krankenversicherung zahlen entweder aus eigener Tasche für die
Behandlung (die durchschnittlichen jährlichen Kosten pro Person
liegen bei 1.122 US-Dollar) oder müssen warten, bis ihre Notlage so
dramatisch ist, damit sie Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung
von geringer Qualität erhalten. Das Fehlen einer Krankenversicherung
verursacht etwa 60.000 vermeidbare Todesfälle pro Jahr.

ACA, allgemein bekannt als „Obamacare“, sorgte im Wesentlichen
für eine gewisse Regulierung des Krankenversicherungsmarktes, indem
es Versicherungsgesellschaften zwang, Menschen mit Vorerkrankungen
aufzunehmen und grundlegende medizinische Bedürfnisse abzudecken. Es
halbierte die Zahl der nicht versicherten Menschen und verlangsamte
die steigenden Kosten der Gesundheitsversorgung. Trotz des enormen
politischen Widerstands gegen den ACA wurde jedoch nur an den Rändern
eines kaputten Systems herumgebastelt und viele Amerikaner_Innen sind
immer noch unterversichert, gar nicht versichert oder haben Schulden
wegen medizinischer Behandlungen.

Joe Biden plant, weiter zu basteln und 25 Millionen unversicherte
Amerikaner_Innen zu versichern, allerdings nicht die 6,5 Millionen
undokumentierten Migrant_Innen, die sich im Land aufhalten. Er würde
4 Millionen in Armut lebende Menschen, deren Bundesstaaten sich
geweigert haben, ihnen Medicaid anzubieten, automatisch anmelden. Für
andere würden mehr Versicherungsoptionen zur Verfügung gestellt
werden über das marktwirtschaftlich ausgerichtete Obamacare. Bidens
Pläne greifen jedoch nicht in die von den Unternehmer_Innen
gestellte Versicherung ein, so dass die 150 Millionen Menschen, die
ihre Versicherung darüber erhalten, nicht von der neuen Regelung
profitieren würden.

In Amerika sind die Preise für Arzneimittel eine weitere große
Belastung, da sie weit höher sind als in anderen Industrieländern.
Ein 10-ml-Fläschchen Insulin kostet in den USA 450 US-Dollar im
Vergleich zu nur 21 US-Dollar jenseits der Grenze in Kanada. Im Jahr
2015 riskierten fast 5 Millionen Amerikaner_Innen eine Strafanzeige,
um verschreibungspflichtige Medikamente aus anderen Ländern zu
kaufen.

Die Corona-Krise

Das Corona-Virus hat die US-Regierung gezwungen, direkt mit den
großen Pharmakonzernen zu verhandeln, um genügend Impfstoffe zu
einem ausreichend niedrigen Preis zu erhalten und damit ein
landesweites Impfprogramm zu starten. Der Impfstoff selbst ist
kostenlos, allerdings dürfen die Anbieter_Innen weiterhin Gebühren
für die Verabreichung erheben.

Bei dem Impfprogramm geht es um Prävention, um die
Wiedereröffnung von Schulen und die Rettung der Wirtschaft. Die
Regierung hat ein offensichtliches Interesse daran, die Impfung von
über 300 Millionen Menschen zu zentralisieren und sozialisieren.

In ähnlicher Weise hat das Corona-Virus die Regierung gezwungen,
einzugreifen und die Schulden der Krankenhauspatient_Innen zu
begrenzen und die Infizierten zu ermutigen, sich behandeln zu lassen,
anstatt das Risiko der Verbreitung des Virus einzugehen, indem sie
sich selbst zu Hause behandeln. Ende Januar befanden sich über
120.000 Corona-Virus-Patient_Innen in US-Krankenhäusern und die
durchschnittlichen Kosten für ihre Behandlung betrugen 30.000
US-Dollar bzw. 62.000 US-Dollar für Personen über sechzig Jahre.
Als das Ausmaß der Pandemie deutlich wurde, wurde eine Reihe von
Hilfspaketen auf Bundesebene verabschiedet, die die Kosten für die
Behandlung weitgehend abdeckten. Das Gesundheitssystem ist jedoch
immer noch ein Marktplatz und einige Krankenhäuser und andere
Gesundheitsdienstleister haben sich entschieden, nicht an den
Hilfsprogrammen teilzunehmen. Einige Patient_Innen fanden sich immer
noch mit hohen Rechnungen konfrontiert.

Mehr als 25 Millionen Fälle wurden registriert und die Zahl der
Todesfälle hat die 400.000-Marke überschritten, wobei kaum Zweifel
daran bestehen, dass mindestens eine halbe Million Amerikaner_Innen
an dieser Pandemie sterben werden. Es wird auch geschätzt, dass eine
von fünf Personen, die sich mit dem Virus infizieren, später an
„Long Covid“ leiden wird, einer chronischen Krankheit mit
unterschiedlichen Symptomen und Schweregraden. Viele, die an dieser
Krankheit leiden, können auf Grund der ständigen Müdigkeit nicht
mehr arbeiten. Einige haben bleibende Schäden an Herz, Lunge oder
Gehirn davongetragen. Die Frage, wer die Kosten für die fortlaufende
Behandlung von Patient_Innen mit „Long Covid“ übernimmt, ist
besorgniserregend für die Millionen von Amerikaner_Innen, die durch
die Krankheit ihren Arbeitsplatz und damit jede Versicherung
verlieren könnten.

Das Corona-Virus hat das Versagen des US-Gesundheitssystems
entlarvt. Die Anarchie des Marktes war nicht in der Lage, mit den
Herausforderungen der Pandemie fertigzuwerden, so dass sogar die
marktwirtschaftliche, für einen schlanken Staat stehende
republikanische Partei gezwungen war, einzugreifen und die
Verantwortung für das Impfprogramm zu übernehmen sowie Bundeshilfe
für die Krankenhauspatient_Innen bereitzustellen.

Die von Biden vorgeschlagene Erweiterung des ACA oder auch
Sanders‘ „Medicare for all“ gehen nicht weit genug. Das Geld,
das in den USA bereits für die Gesundheitsversorgung ausgegeben
wird, würde ausreichen, um einen nationalen Gesundheitsdienst zu
schaffen, der für alle, auch für Migrant_Innen ohne Papiere,
kostenlos ist. Im Gegensatz zum bestehenden Versicherungssystem
könnte die universelle Gesundheitsversorgung durch die Besteuerung
der Milliardär_Innen und Multimillionär_Innen finanziert werden,
die von der Pandemie profitiert haben.

Doch zwischen den Amerikaner_Innen und einer kostenlosen,
qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung stehen mächtige
Gesundheitsanbieter_Innen, die den Markt unter sich aufgeteilt haben
und sowohl bei den staatlichen als auch bei den privaten
Gesundheitsprogrammen einen massiven Gewinn abschöpfen. Auch die
Pharmaindustrie hat sich daran gewöhnt, den Gesundheitsmarkt in den
USA auszunutzen und weitaus mehr für ihre Produkte zu verlangen.

Der Kampf um kostenlose Gesundheitsversorgung

Die DSA setzt sich seit 2016 für „Medicare for All“ ein,
d. h. für ein Gesundheitssystem mit einer einzigen Kasse, in
das alle US-Bürger_Innen automatisch aufgenommen würden. Dies wäre
zwar ein großer Fortschritt für den Zugang zur
Gesundheitsversorgung und deren Kosten in den USA, würde aber die
Gesundheitsversorgung und das Eigentum an Arzneimitteln immer noch in
privaten Händen belassen. Es fehlt auch die Unterstützung durch die
Gewerkschaften, da viele von den Gewerkschaften ausgehandelte
unternehmensfinanzierte Versicherungen besser als „Medicare“
sind, wenn auch natürlich teurer. Die DSA muss über „Medicare for
All“ hinausgehen und ein System der universellen
Gesundheitsversorgung vorschlagen. Die Unterstützung der
Gewerkschaften kann gewonnen werden, indem zunächst die einfachen
Gewerkschaftsmitglieder davon überzeugt werden, die diese Argumente
in die Gewerkschaftsbewegung tragen können.

Während die Demokrat_Innen unter dem Druck ihrer Basis begrenzte
Reformen wie das ACA verabschiedet haben, haben sie bewiesen, dass
sie nicht gewillt sind, die Gesundheitsversorgung den privaten Händen
zu entreißen. Die Republikaner_Innen haben sich vehement gegen eine
Regulierung und Einmischung in den Gesundheitsmarkt gewehrt und
wettern trotz des Corona-Virus, das sie im Extremfall zum Eingreifen
zwingt, weiterhin ideologisch gegen eine sozialisierte
Gesundheitsversorgung. Auf keine der beiden Parteien kann man sich
verlassen, wenn es darum geht, ein Gesundheitssystem im Interesse der
Arbeiter_Innenklasse zu schaffen oder zu verwalten.

Bidens Vorschläge zur Ausweitung der Versicherung auf weitere 25
Millionen Amerikaner_Innen sind zwar eine sehr begrenzte Reform,
werden aber auf den Widerstand der Republikaner_Innen, der
Versicherungslobbys und großer Teile der Medien stoßen. Die
Horrorgeschichten, die in der Opposition zu „Obamacare“
kursierten, werden wieder auftauchen. Es wird enormen Druck auf die
Regierung geben, die Gesundheitsreform zu verwässern oder zu
verzögern. Daher müssen die Sozialist_Innen auch von links Druck
aufbauen, um sicherzustellen, dass die neuen Gesetze verabschiedet
werden, während sie gleichzeitig darauf hinweisen, dass sie nicht
weit genug gehen und weiter reichende Änderungen vorschlagen.

Jeder ernsthafte Plan zur Verstaatlichung des Gesundheitswesens
würde die Enteignung der privaten medizinischen und pharmazeutischen
Unternehmen erfordern. Die Krankenhäuser wurden mit den hart
verdienten Dollars der amerikanischen Arbeiter_Innenklasse gebaut und
zwangen diejenigen, die nicht zahlen konnten, in den Bankrott. Die
Forschungs- und Entwicklungskosten von Medikamenten wurden durch die
erpresserischen Gebühren der großen Pharmakonzerne um ein
Vielfaches bezahlt. Dennoch sind sie bereit, Menschen an Diabetes und
HIV/AIDS sterben zu lassen, anstatt ihre Gewinne sinken zu sehen. Den
Unternehmen, die von Krankheit profitieren, steht keine Entschädigung
zu. Ihre Patente sollten widerrufen und Sachwerte wie Labore und
Krankenhäuser in einem öffentlichen Gesundheitsdienst verstaatlicht
werden.

Wenn ein solcher Dienst durch Kampf errungen würde, wäre er bei
den Demokrat_Innen und Republikaner_Innen nicht sicher, aber die
Ärzt_Innen, Pfleger_Innen und anderen Mitarbeiter_Innen des
Gesundheitswesens, die während der gesamten Pandemie ihr Leben
riskiert haben, um ihre Patient_Innen zu versorgen, wissen, was es
bedeutet, für menschliche Bedürfnisse und nicht für private
Eigeninteressen zu sorgen. Ein verstaatlichter Gesundheitsdienst,
kostenlos für alle, finanziert durch die Besteuerung der Reichen und
betrieben von den Patient_Innen und dem Gesundheitspersonal, lautet
die Antwort auf Amerikas Gesundheitskrise.




Krise des deutschen Krankenhaussektors

Katharina Wagner, Fight! Revolutionärer Frauenzeitung, März
2021

Man hatte es kommen sehen! Nicht erst seit dem Beginn der
weltweiten Corona-Pandemie war es um das deutsche Gesundheitssystem
nicht gut bestellt. Seit vielen Jahren existiert ein Fachkräftemangel
im Gesundheits- und vor allem im Altenpflegebereich. Die
herrschenden, schlechten Arbeitsbedingungen tun ihr Übriges dazu,
potenzielle Berufsanfänger_Innen abzuschrecken bzw. Fachkräfte aus
dem Arbeitsumfeld zu vertreiben. Dabei war und ist der Bereich
Kranken- und Altenpflege, sowohl der bezahlten als auch in viel
größerem Maße der unbezahlten, weiterhin eine Domäne der Frauen.
Der
Anteil weiblicher Beschäftigter
liegt bei über 80 %. Nun,
inmitten  der Pandemie, mehren sich die Stimmen, die vor einem
Kollaps des deutschen Gesundheitssystems warnen, vor allem auf den
Intensivstationen.

Gleichzeitig spielten die Beschäftigten in den Krankenhäusern
eine zunehmend bedeutendere Rolle in den Klassenkämpfen der 
letzten Jahre, sei es um mehr Personal an diversen Unikliniken oder
als Vorkämpfer_Innen in der Lohntarifrunde des öffentlichen
Dienstes von Bund und Kommunen im letzten Herbst.

Aktuelle Situation

Seit Anfang Februar gehen zwar die Zahlen von Covid-Neuinfizierten
zurück. Noch immer sterben aber hunderte Menschen täglich und Grund
zu Entwarnung gebt es aufgrund des Zick-Zack-Kurse von Bund und
Ländern bei der Pandemie-Bekämpfung und aufgrund neuer Mutationen
erste recht nicht. Laut DIVI-Intensivregister (DIVI: Deutsche
Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin)
sind in den erfassten 1.200 Akut-Krankenhäusern derzeit 22.433
Intensivbetten belegt, lediglich 17 % der Gesamtbetten stehen
bundesweit für weitere Patient_Innen zur Verfügung. Von den derzeit
intensivmedizinisch
behandelten COVID-19-Patient_Innen
(über 5000 Anfang Januar
2021) müssen rund 57 % beatmet werden, mit einer
durchschnittlichen Beatmungsdauer von rund zweieinhalb Wochen
(Quelle: Neues Deutschland, 12.11.2020). Mit rund 64 % sind die
Betten allerdings mit anderen als an COVID-19 Erkrankten belegt,
bspw. nach Notfällen oder planbaren Operationen.

Denn anders als im Frühjahr haben viele Kliniken aufgrund
finanzieller Gründe den Regelbetrieb noch immer nicht eingeschränkt.
Allerdings muss hier berücksichtigt werden, dass diese Zahlen
teilweise nicht der Realität entsprechen. So meldete das ARD-Magazin
„plusminus“ am 02. Dezember 2020 aufgrund interner Recherchen,
dass etliche Krankenhäuser mehr verfügbare Betten gemeldet hatten,
als tatsächlich zur Verfügung stehen, um den versprochenen Bonus
von bis zu 50.000 Euro pro neu aufgestelltem Intensivbett vom Bund zu
bekommen. Allerdings kann ein nicht unerheblicher Teil dieser Betten
aufgrund fehlender Fachkräfte nicht eingesetzt werden. Dieser
Fehlanreiz seitens des Bundesgesundheitsministers kostete den/die
Steuerzahler_In bisher rund 626 Millionen Euro (Quelle:
www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/videos/sendung-vom-02-12-2020-video-102.html).

Zusätzlich erhielten die Kliniken sogenannte Freihaltepauschalen
im Zuge von zwei Rettungsschirmen, um finanzielle Anreize für das
Freihalten von Intensivbetten durch Verschiebung planbarer und nicht
dringend notwendiger Operationen zu setzen. Während die Pauschalen
beim ersten Rettungsschirm im Frühjahr 2020 an alle Krankenhäuser
ausgezahlt wurden, sollen innerhalb des zweiten nur Kliniken Geld
bekommen, die in Gebieten mit hohem Infektionsgeschehen liegen und
weitere Bedingungen erfüllen. Die Entscheidung über die Auszahlung
liegt bei den jeweiligen Bundesländern. Trotz der beiden
Rettungsschirme fordern bereits verschiedene Organisationen, darunter
die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) weitere Liquiditätshilfen
für das gesamte Jahr 2021 inklusive Streichung der Einhaltung und
Dokumentation von Personaluntergrenzen. Auch die Prüfquote
des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen
soll auf max. 5 %
reduziert werden. All dies geht natürlich zu Lasten der
Beschäftigten und Patient_Innen.

Unterm Strich können diese Ausgleichszahlungen allerdings die
Defizite im Krankenhaus nicht wettmachen, die ein auf
gewinnträchtigen Behandlungen fußendes System mit sich bringt und
besonders durch die Pandemie schonungslos aufgedeckt wurden. Wir
kritisieren also nicht die Ausgleichszahlungen als solche, sondern
ihre Planlosigkeit und ihren zu geringen Umfang. So wurden sie teils
nicht an die Behandlung von Coronapatient_Innen geknüpft, teils
wurden Einrichtungen geschlossen (Rehakliniken) und ihr Personal in
Kurzarbeit geschickt, während die Hotspots mit Überlastung und
Einnahmeverlusten zu kämpfen hatten.

Für das Personal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gab
es außer Beifall und warmen Worten wenig für seine
aufopferungsvolle Tätigkeit während der Pandemie. Zwar wurde eine
Corona-Prämie seitens des Bundes zugesagt, diese aber an sehr viele
Bedingungen geknüpft und von vornherein nur für ca. 100.000 der
über 440.000 Angestellten in Krankenhäusern vorgesehen. Die
Entscheidung, wer nun den Bonus bekommen solle, wurde dabei den
Betriebs- und Personalräten sowie Mitarbeiter_Innenvertretungen (in
kirchlichen Einrichtungen, wo Betriebsverfassungs- und
Personalvertretungsgesetz nicht gelten) zugeschoben. Dagegen gab es
allerdings teilweise heftigen
Widerstand
. Für die stationäre und ambulante Pflege wurde
bereits im Frühjahr 2020 eine Bonuszahlung beschlossen, diese aber
in sehr vielen Fällen nicht an die Beschäftigten weitergegeben.

Ökonomische Entwicklung

Während die Krankenhäuser in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg
bis in die Anfänge der 1970er Jahre komplett durch den Staat
finanziert wurden (Kameralistik), fand 1972 ein Wechsel zu einer
dualen Finanzierung statt. Dabei wurden die Kosten zwischen den
Bundesländern und den Krankenkassen aufgeteilt. Während letztere
für die laufenden, also Betriebs- und Behandlungskosten, aufkamen,
übernahm der Staat die sogenannten Investitionskosten. Allerdings
gingen diese Aufwendungen seit Einführung dieses Systems 
drastisch zurück, während es gleichzeitig zu einem
Personalkostenanstieg für die Krankenkassen, genauer gesagt für die
Versicherten, kam. Dies alles bereitete den Boden für die Einführung
der sogenannten diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRGs: diagnosis
related groups) 2004, nachdem bereits 2002 eine gesetzlich verordnete
Öffnung des Krankenhausbereichs für private Konzerne eingeführt
wurde. Dies erlaubte nur noch eine Abrechnung von gleichen
Behandlungskosten pro Fall, wohingegen anfallende Kosten für z. B.
für Rettungswesen, Verwaltung, Materialbesorgung etc. nicht
berechnet werden können. Daraus resultiert eine Auslagerung von
Tätigkeiten außerhalb der Pflege mit gleichzeitigem Personalabbau
im Bereich der Pflegearbeit. So ermittelte beispielsweise eine Studie
der Hans-Böckler-Stiftung
aus dem Jahre 2018 einen Mangel von
100.000 Vollzeitstellen allein in der Krankenhauspflege. Durch
mögliche Verluste der Kliniken bei überdurchschnittlich hohem
Fallaufwand sieht man sich gezwungen, Patient_Innen entweder
frühzeitig zu entlassen oder profitorientierte Eingriffe wie das
Einsetzen künstlicher Gelenke stark gegenüber konventionellen und
langwierigen Therapien zu favorisieren. Auch zahlreiche Schließungen
von kommunalen Krankenhäusern sowie eine starke Privatisierungswelle
waren direkte Folgen des Wechsels hin zu einem profitorientierten
Abrechnungssystem.

Darunter haben nicht nur die Beschäftigten im Gesundheits- und
Pflegebereich stark zu leiden. Auch für Patient_Innen,
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bedeutet dies eine
schlechtere Gesundheitsversorgung. Mittlerweile formiert sich schon
seit einigen Jahren Widerstand gegen ungenügende
Personalbemessungsgrenzen, Fachkräftemangel und schlechte
Arbeitsbedingungen. Im Zuge der Corona-Pandemie kamen weitere
Probleme wie die nicht ausreichende Versorgung mit Test- und
Schutzausrüstung sowie die Aushebelung von erkämpften
Arbeitsschutzrechten, als Beispiel sei an dieser Stelle die Erhöhung
der maximalen Arbeitszeit angeführt, hinzu. So hat Niedersachsen
eine Vorreiterrolle eingenommen und als erstes Bundesland die
maximale tägliche Arbeitszeit für Beschäftigte in Krankenhäusern,
Pflegeeinrichtungen sowie im Rettungsdienst von 10 auf 12 Stunden
täglich über den 1.1.2021 hinaus angehoben. Ausgleichsstunden oder
besondere Entschädigungszahlungen sind in dieser Allgemeinverfügung
zum Arbeitszeitgesetz nicht vorgesehen (Quelle: Neues Deutschland,
12.11.2020).

Die Antwort auf diesen besonders dreisten Vorstoß kann nur in
einer Verstärkung des Kampfes für die Abschaffung der
Fallpauschalen, eine gesetzlich geregelte Personalbemessung („Der
Druck muss raus!“) und die Verstaatlichung der privatisierten
Kliniken unter Kontrolle der Beschäftigten und Patient_Innenverbände
bestehen. Dieser muss aktuell ergänzt werden durch einen
Pandemienotplan unter Arbeiter_Innen- und Nutzer_Innenkontrolle für
flächendeckende Impfungen, Tests, Infektionskettenrückverfolgungen
und Bereitstellung aller Krankenhäuser und Kliniken für die
Coronatherapie.

Reaktion der Gewerkschaften und anderer
Organisationen

Die Gewerkschaften, allen voran ver.di, haben sich in dieser
Situation des Pflegenotstandes meist auf Lobbyismus, wie etwa das
Sammeln von Unterschriften oder Starten diverser Petitionen,
konzentriert. Kam es tatsächlich mal zu Streikaktionen, blieben
diese meist auf einzelne Krankenhäuser wie etwa die Charité in
Berlin oder andere Unikliniken beschränkt. Bei der letzten
Tarifrunde im öffentlichen Dienst im Herbst 2020 wurde in erster
Linie von der Tarifkommission eine Verbesserung der Entlohnung
gefordert. Forderungen nach Einhaltung der beschlossenen
Personaluntergrenzen wurden dagegen nicht aufgenommen, obwohl vielen
Beschäftigten bessere Arbeitsbedingungen wichtiger gewesen wären
als eine Anhebung ihrer Löhne. Denn selbst in Krankenhäusern, wo in
der Vergangenheit Personaluntergrenzen vereinbart wurden, als
Beispiel sei hier wieder die Charité in Berlin genannt, haben die
Beschäftigten keinerlei Möglichkeiten, die Einhaltung
durchzusetzen. Denn eigentlich müssten bei Unterschreitung der
Personaluntergrenzen Betten gesperrt und planbare Operationen
verschoben werden. Dies verringert allerdings den Gewinn der
profitorientierten Krankenhäuser und wird demzufolge nicht
durchgeführt.

Perspektiven für den Kampf

Um dies zu verhindern und die Einhaltung der
Personalbemessungsgrenzen durchzusetzen, sind daher dringend
Kontrollorgane der Beschäftigten sowie der 
Patient_Innenorganisationen notwendig. Und statt eines „Häuserkampfs“
in einzelnen Kliniken sollte seitens der Gewerkschaften ein
bundesweiter Tarifvertrag mit gesetzlich geregelten
Personaluntergrenzen und einer damit einhergehenden Mindestbesetzung
gefordert werden. Um dies zu erreichen, müssen innerhalb der
Gewerkschaften Streikaktionen bis hin zum politischen Streik als
einem wichtigen Kampfmittel der Beschäftigten sowie der gesamten
Arbeiter_Innenklasse organisiert werden. Dafür sollten zunächst
Aktions- und Kontrollkomitees in Krankenhäusern und
Pflegeeinrichtungen aufgebaut werden und die Beschäftigten sowie die
Gewerkschaftsaktivist_Innen gemeinsam mit Patient_Innenorganisationen
über notwendige Maßnahmen entscheiden. Ein weiterer notwendiger
Schritt wäre die Durchführung einer bundesweiten Aktionskonferenz
zur Vernetzung für einen gemeinsamen Kampf und die Unterstützung
der #ZeroCovid-Kampagne als ersten Schritt in Richtung eines
Pandemiebekämpfungsnotplans.

Allerdings dürfen wir keine Illusionen in die bürgerliche
Gewerkschaftsbürokratie hegen, sondern müssen für einen internen
Wandel hin zu kämpferischen Gewerkschaften eintreten. Die Vernetzung
für kritische Gewerkschaften (VKG) bildet einen ersten Sammelpunkt
für die Möglichkeit der Bildung einer klassenkämpferischen,
antibürokratischen Basisbewegung in den Gewerkschaften, die diese
wieder auf den Pfad des Klassenkampfs statt der Sozialpartnerschaft
mit dem Kapital führen und die Bürokratie durch jederzeit
abwählbare, der Mitgliedschaft verantwortliche, zum
Durchschnittsverdienst ihrer Branche entlohnte Funktionär_Innen aus
den Reihen der besten Aktivist_Innen ersetzen kann!

Als Ausgangspunkte für Diskussionen im Zuge einer solchen
bundesweiten Aktionskonferenz im Gesundheitsbereich halten wir
folgende Forderungen für sinnvoll:

  • Staat und Unternehmen raus aus den Sozialversicherungen!
    Abschaffung der konkurrierenden Kassen zugunsten einer
    Einheitsversicherung mit Versicherungspflicht für alle, Abschaffung
    der Beitragsbemessungsgrenzen!
  • Allerdings sollen die Unternehmen ihren Beitrag
    („Unternehmeranteil“) proportional zu ihren Gewinnen zahlen
    statt zu ihren Personalkosten!
  • Kostenlose Gesundheitsversorgung für alle – von Tests bis
    zur Unterbringung in Krankenhäusern!
  • Stopp aller Privatisierungen im Gesundheitsbereich!
    Entschädigungslose Enteignung der Gesundheitskonzerne und
    Verstaatlichung aller Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime unter
    Kontrolle der dort Beschäftigten und der Organisationen der
    Patient_Innen, alten Menschen und Behinderten sowie ihrer
    Angehörigen!
  • Abschaffung der DRGs (Fallpauschalen) – stattdessen:
    Refinanzierung der realen Kosten für medizinisch sinnvolle
    Maßnahmen!
  • Breite Kampagne aller DGB-Gewerkschaften – unter Einbezug
    von Streikmaßnahmen – für Milliardeninvestitionen ins
    Gesundheitssystem, finanziert durch die Besteuerung der großen
    Vermögen und Erhöhung der Kapitalsteuern!
  • Sofortige Umsetzung aller bereits durchgesetzten Regelungen
    zur Personalaufstockung (PPR 2), kontrolliert durch Ausschüsse von
    Beschäftigten, ihrer Gewerkschaften und
    Patient_Innenorganisationen!
  • Einstellung von gut bezahltem Personal entsprechend dem
    tatsächlichen Bedarf, ermittelt durch die Beschäftigten selbst!
    Sofortige Umsetzung der von ver.di, der Deutschen
    Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat eingeforderten
    neuen Personalbemessung PPR 2 und nötigenfalls ein politischer
    Streik zur Durchsetzung!
  • Kampf für bessere Bezahlung aller Pflegekräfte in
    Krankenhäusern und (Alten-)Pflegeeinrichtungen: mind. 4.000 Euro
    brutto für ausgebildete Pflegekräfte!
  • Einstellung von ausreichend gut bezahlten und geschulten
    Reinigungskräften! Entsprechende Qualifizierung von vorhandenem
    Reinigungspersonal, das mit tariflicher Bezahlung bei den
    medizinischen Einrichtungen eingestellt wird! Sofortige Rücknahme
    der Auslagerung von Betriebsteilen in Fremdfirmen bzw.
    Tochtergesellschaften mit tariflichen Substandards!
  • Radikale Arbeitszeitverkürzung für alle bei vollem Lohn-
    und Personalausgleich – vor allem in den Intensivbereichen:
    Reduzierung der Arbeitszeit auf 6-Stunden-Schichten – bei vollem
    Lohn- und Personalausgleich und Einhaltung der Ruhezeit von
    mindestens 10 Stunden! Gegen die Verschlechterung des
    Arbeitszeitgesetzes, nötigenfalls mittels eines politischen
    Massenstreiks!
  • Für einen internationalen Notplan gegen die Coronapandemie
    unter Arbeiter_Innenkontrolle, beginnend mit einer Ausweitung der
    #ZeroCovid-Kampagne und der Einberufung einer internationalen
    Aktionskonferenz!



Frauen in systemrelevanten Berufen: Die 1000€ Sonderzahlungslüge

Von Mareike Kombüse

Wie bereits im
vorherigen Artikel Wer
kommt für die Kosten der Krise auf?“
beschrieben,
leiden die ökonomisch am schlechtesten gestellten Menschen am
meisten unter der Krise. Besonders trifft das bei systemrelevanten
Berufen, wie z.B. dem Einzelhandel, der Pflege oder der Sozialarbeit
zu. Was diese Berufe gemeinsam haben ist nicht nur ihre
Unterbezahlung, sondern auch ihre Zusammensetzung.

Pädagogisches
Personal in Krippen, Kitas und Horten ist nur zu 3-15%
männlich1.
In der Pflege sind es ebenfalls um die 15% und im Einzelhandel
arbeiten nur etwa 27% Männer, während sie jedoch ¾ aller
Führungspositionen innehaben2.
Es zeigt sich also, dass Frauen in systemrelevanten Berufen deutlich
überrepräsentiert sind. Dabei sind die Arbeitsbedingungen besonders
während der Krise schlecht und Unterbezahlung ist Standard. Während
das durchschnittliche Einkommen hierzulande 3.994€ beträgt3,
bekommen Frauen in der Pflege bloß 2.315€, Männer 318€
mehr4.
Als Erzieherin liegt das Gehalt bei durchschnittlich 2.450€5
und im Einzelhandel bei Frauen bei nur 1.850€6.
Die Unterbezahlung in diesen Berufen ist also enorm und insbesondere
Frauen verdienen nochmal an die 10%
weniger als Männer.

Das ist kein
Zufall, denn in der patriarchalen Welt des Kapitalismus werden Frauen
durch die üblichen Rollenbildern in diese prekäre Situation
gedrängt: Das Bild von der „umsichtigen und unterstützenden“
Frau passt eher zu all den Berufen, in der zwar bitternötige Arbeit
geleistet wird, die aber für Menschen und damit aus ökonomischer
Sicht für Arbeitskraft sorgt (Reproduktionsarbeit), statt Waren im
engeren Sinne herzustellen. Da sich Pflege, Erziehung und
Einzelhandel deutlich schlechter verwerten lässt, z.B. weil es nicht
exportiert oder durch technische Investitionen leicht optimiert
werden kann, sind die Löhne direkt niedrig angesetzt. Aber selbst im
gleichen Beruf haben Männer bessere Chancen: Zum einen besteht für
den Chef nicht die Gefahr, dass sie durch Schwangerschaft ausfallen,
zum anderen hemmt Frauen das „brave und zurückhaltende“ Ideal in
Streits und Verhandlungen um den eigenen Lohn. Wir fordern dem
bezüglich unbedingt eine Angleichung unter Kontrolle der
Beschäftigten und die transparente Offenlegung der Löhne aller!

Tropfen auf
dem Heißen Stein

Eine
Einmalzahlung von bis zu 1000€ im Pflegebereich
ist eine Farce, denn selbst mit ihr ist das Gehalt aus dem
einen entsprechenden Monat immer noch weitaus niedriger, als das
durchschnittliche Gehalt. Außerdem bekommen die allermeisten
Beschäftigten viel weniger bis gar nichts. Es handelt sich bei der
Einmalzahlung also nicht einmal um eine einmalige
durchschnittsangleichende Zahlung, geschweige denn um eine „gerechte“
Sonderzahlung für die zusätzlichen Belastungen während der Krise,
wofür die Bundesregierung sie
verkauft. Berücksichtigt man die Millarden, die in Konzerne
fließen, die danach trotzdem massenhaft Stellen abbauen, darf man
also in den Staat kein Vertrauen hegen.

Dabei springt
eine Sache aus den Statistiken ins Auge: Je nach Branche verdienen
diejenigen Arbeiter_Innen in den systemrelevanten Berufen, die eine
Tarifanbindung haben, zwischen 9 und 24% mehr Geld7.
Daraus ergeben sich zwei Dinge: Erstens lohnt es sich, sich zu
organisieren und kollektiv für höhere Löhne zu kämpfen. Zweitens
scheinen die Gewerkschaftsführungen nicht in der Lage zu sein, eine
auch nur annähernde Angleichung der Löhne in diesen Branchen an das
durchschnittliche Einkommen zu erkämpfen. Die Arbeitskämpfe in
diesen Berufen müssen als Teil der Antikrisenbewegung aufgegriffen
und organisiert und die Gewerkschaftsführungen unter Druck gesetzt
werden, denn in der momentanen Situation tun sich hier besondere
Chancen auf: In
dem vergangenen Jahr wurde klar, welche Rolle die beschriebenen
Personen für den Staat und den Kapitalismus haben. Zum einen kann
die „Systemrelevanz“ genutzt werden, um flächendeckend zu
organisieren und dann effektiv zu streiken, um bessere
Arbeitsverhältnisse zu erhalten. Zum anderen besteht eine große
gesellschaftliche Solidarität, bei der aus Klatschen aus dem Fenster
ganz schnell auch Backpfeifen für die Kapitalist_Innen im
Arbeitskampf werden können. Denn wir wollen alle ein
funktionierendes Pflege- und Gesundheitssystem und das funktioniert
am besten mit zufriedenen Arbeiter_Innen und zwar fernab der
Profitlogik!

1https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/mehr-maenner-in-kitas-erwuenscht/
[13.12.2020]

2https://www.n-tv.de/wirtschaft/Frauen-im-Einzelhandel-sind-selten-Chefin-article21935339.html
[13.12.2020]

3https://de.statista.com/themen/293/durchschnittseinkommen/

4https://www.lohnspiegel.de/pflegeberufe-13899.htm

5https://www.lohnspiegel.de/erzieher-innen-13912.htm

6https://www.lohnspiegel.de/verkaeufer-in-im-einzelhandel-13893.htm

7Siehe
Links vom „Lohnspiegel“




Solidarität mit dem Generalstreik der indischen Gewerkschaften!

Zuerst veröffentlicht am 26. November 2020 unter: https://arbeiterinnenmacht.de/2020/11/26/solidaritaet-mit-dem-generalstreik-der-indischen-gewerkschaften/

Martin Suchanek

Seit dem Morgen des 26. November erfasst ein weiterer Generalstreik
Indien. Die Gewerkschaften rechnen mit bis zu 250 Millionen
TeilnehmerInnen. Begleitet wird die Arbeitsniederlegung außerdem von
Massenaktionen von Bauern/Bäuerinnen und LandarbeiterInnen gegen neue
drakonische Gesetze, die Farm Laws, die die Arbeit auf dem Land
(de)regulieren sollen.

Zur Vorbereitung und Durchführung des Generalstreik haben sich
zahlreiche landesweite Verbände und regionale Organisationen in der 
Joint Platform of Central Trade Unions (CTUs; Vereinigte Plattform der
Gewerkschaftszentralen) zusammengeschlossen.

Diese besteht aus folgenden Verbänden Indian National Trade Union
Congress (INTUC), All India Trade Union Congress (AITUC), Hind Mazdoor
Sabha (HMS), Centre of Indian Trade Unions (CITU), All India United
Trade Union Centre (AIUTUC), Trade Union Coordination Centre (TUCC),
Self-Employed Women’s Association (SEWA), All India Central Council of
Trade Unions (AICCTU), Labour Progressive Federation (LPF) und United
Trade Union Congress (UTUC). Politisch repräsentieren sie das volle
Spektrum von der bürgerlich-nationalistischen Kongresspartei
nahestehenden Verbänden über die den kommunistischen Parteien
verbundenen bis hin zu unabhängigen, teilweise radikaleren
klassenkämpferischen Organisationen. Wenig überraschend fehlt mit
Bharatiya Mazdoor Sangh (BMS), der „gewerkschaftliche“ Arm der
regierenden, hinduchauvinistischen Bharatiya Janata Party (Indische
Volkspartei; BJP), die sich faktisch wieder einmal als gelber Verband
von StreikbrecherInnen betätigt.

Historischer Angriff

Der Generalstreik am 26. November richtete sich – wie schon jene der
letzten Jahre, die mehr als 100 Millionen Lohnabhängige mobilisieren
konnten – gegen einen fundamentalen Angriff durch die
KapitalistInnenklasse und die Modi-Regierung. Die Regierung brachte seit
2019 vier neue Arbeitsgesetze in die Look Sabha (Parlament) ein, die 44
bisher gültige ersetzen sollen. Im Grunde sollen damit die Überreste
der Beziehungen zwischen Kapital und Lohnarbeit, wie sie nach der
Unabhängigkeit Indiens etabliert wurden, endgültig beiseitegeschoben
werden. Dieser Prozess begann zwar mit der neoliberalen Wende der
Kongress-Partei und der Öffnung der indischen Wirtschaft nach 1980,
beschleunigte sich jedoch seit dem Ausbruch der globalen Krise 2007 und
der Regierungsübernahme der hindu-chauvinistischen Bharatiya Janata
Party (BJP) 2014. Das ist auch der Grund, warum sich entscheidende
Fraktionen des Großkapitals vom Kongress, der traditionellen Partei der
indischen Bourgeoisie, abwandten und, ähnlich den imperialistischen
Großunternehmen, in der BJP die verlässliche Sachwalterin ihrer
Interessen sehen.

Die Ideologie des Hindutva, nach der Indien ausschließlich den Hindus
gehöre und in der religiöse Minderheiten wie Muslime, Indigene, die
„unteren“ Kasten, Frauen und sexuelle Minderheiten BürgerInnen zweiter
Klasse sein sollen, bildet den Kitt, um große Teile der Mittelschichten,
des KleinbürgerInnentums und rückständige ArbeiterInnen vor den Karren
des Kapitals zu spannen. Die „größte Demokratie der Welt“ bildet die
Fassade für die zunehmend autoritäre, bonapartistische Herrschaftsform
des Regimes Modi, das sich dabei auf extrem reaktionäre und auf
faschistische Massenorganisationen stützen kann. In den letzten Jahren
forcierte sie die Angriffe auf demokratische Rechte und ging brutal
gegen  Proteste vor, die sich gegen die nationalistische „Reform“ der
Melde- und Staatsbürgerschaft richteten. Vielerorts, wie in Delhi
provozierten Parteiführer der BJP Pogrome gegen Muslime und
Protestierende. Indien annektierte Kaschmir und beendete dessen formal
autonomen Status endgültig. Die „Reform“ der Arbeitsgesetze stellt ein,
wenn nicht das klassenpolitische Kernstück der Politik der
Modi-Regierung dar. Hier nur einige zentrale Aspekte:

  • Das neue Arbeitsgesetz erlaubt die fristlose Entlassung ohne
    weitere Angabe von Gründen und ohne Zustimmung der Behörden von bis zu
    300 Beschäftigten. Bisher war diese Zahl auf 100 ArbeiterInnen
    festgelegt. Dies schafft wichtige Beschränkungen der Unternehmenswillkür
    in Klein- und Mittelbetrieben ab, die in den letzten Jahren ebenfalls
    zunahm.
  • Das Fabrikgesetz von 1948 galt bislang für alle Betriebe mit
    mehr als 10 Beschäftigten, sofern sie mit Elektrizität versorgt wurden,
    und für alle mit mehr als 20, die diese nicht haben. Jetzt werden diese
    Zahlen verdoppelt, auf 20 bzw. 40 Beschäftigte.
  • Diese Methode durchzieht zahlreiche andere Bestimmungen der
    neuen Arbeitsgesetze. Die Mindestzahl an regulär Beschäftigten, ab denen
    sie überhaupt erst gelten, wurde deutlich erhöht, oft auf das Doppelte
    oder Dreifache der ursprünglichen Zahl. Dies betrifft insbesondere
    Mindeststandards für Arbeitssicherheit.
  • Erhöht wurde außerdem die Quote für LeiharbeiterInnen unter den Beschäftigten.

All diese Maßnahmen zielen auf die Ausweitung der
UnternehmerInnenfreiheit. Die weitgehende Entrechtung, die schon heute
die Lage eines großen Teils der indischen ArbeiterInnenklasse prägt, der
in verschiedene Formen der Kontraktarbeit (wie  Tagelöhnerei,
Leiharbeit, prekäre Beschäftigung, …) gezwungen wird, soll weiter
ausgedehnt werden. Auch bisher „regulär“ Beschäftigte sollen von ihr
erfasst werden.

Zugleich werfen diese Maßnahmen auch ein bezeichnendes Licht auf das
Geschäftsmodell des indischen Kapitalismus. Die vom Weltmarkt und den
internationalen Finanzmärkten abhängige halbkoloniale Ökonomie kann die
Profitabilität der wachsenden kleineren Kapitale nur sichern, wenn diese
weiter die Arbeitskräfte extrem ausbeuten, also unter ihren
Reproduktionskosten kaufen und verwerten können. Ansonsten sind sie
nicht in der Lage, sich auf dem Markt zu halten, die Vorgaben von
Konkurrenzbedingungen, die das multinationale Großkapital aus den
imperialistischen Ländern diktiert, zu erfüllen. Zugleich begünstigt
diese Form der Überausbeutung auch die indischen Großkonzerne, die
ihrerseits um größere Anteile am Weltmarkt ringen.

Diese Ausweitung selbst erschwert schon die Möglichkeiten der
gewerkschaftlichen Organisierung massiv, die durch neue legale
Einschränkungen zusätzlich eingeschränkt werden sollen.

Ergänzt werden die Angriffe auf die Arbeitsgesetze auch durch
drastische Verschlechterungen für die Landbevölkerung, also für die
ärmsten Schichten der Bauern und Bäuerinnen sowie für LandarbeiterInnen.
Das ist auch der Grund, warum das All India Kisan Sangharsh
Coordination Committee (AIKSCC) den Generalstreik unterstützt und mit
Aktionstagen am 26. und 27. November verbindet.

Über die Forderung nach Abschaffung der gesamten reaktionären
Reformen des Arbeitsgesetzes hinaus verlangen die Gewerkschaften
außerdem eine monatliche staatliche Unterstützung von 7.500 Rupien (rund
85 Euro) für alle Familien, die keine Einkommenssteuer zahlen müssen,
sowie 10 Kilogramm kostenloser Lebensmittel für alle Bedürftigen. Diese
und ähnliche Forderungen verdeutlichen, dass die Corona-Pandemie und die
kapitalistische Krise Millionen ArbeiterInnen und  Bauern/Bäuerinnen in
Not und Elend stürzen, sie gegen Armut, Hunger und Tod ankämpfen
müssen.

Internationale Solidarität und Perspektive

Der Generalstreik der indischen Gewerkschaften erfordert unsere Solidarität – und zwar weltweit.

Zugleich macht er aber – gerade vor dem Hintergrund etlicher
Massenstreiks der letzten Jahre – deutlich, dass die
ArbeiterInnenbewegung und alle Bewegungen von Unterdrückten gegen das
Hindutva-Regime eine Strategie brauchen, die über beeindruckende, aber
auch nur auf einen Tag beschränkte Aktionen hinausgeht. Die Regierung
Modi wird sich davon nicht stoppen lassen. Das haben die letzten Jahre
gezeigt. Wie die letzten Monate verdeutlicht haben, wird sie auch die
Pandemie und die Krise zu nutzen versuchen, weitere Angriffe
durchzuziehen.

Es geht daher darum, dem permanenten Angriff einen permanenten
Widerstandskampf entgegenzusetzen – auf den eintägigen Generalstreik
einen unbefristeten gegen die Arbeitsgesetze und für ein
Mindesteinkommen und Mindestlohn für alle in Stadt und Land
vorzubereiten und durchzuführen.

Die Koordinierung der Gewerkschaften und BäuerInnenorganisationen
muss sich einer solchen Aufgabe stellen und zur Bildung von
Aktionskomitees in den Betrieben, den Stadtteilen, in den Gemeinden und
auf dem Land aufrufen, also Kampforgane bilden, die alle Schichten der
Lohnabhängigen und der Klein- und MittelbäuerInnen einschließen,
unabhängig von Religion, Nationalität, Kaste, Geschlecht oder sexueller
Orientierung.

Angesichts der staatlichen Repression und der reaktionären
hinduchauvinistischen Verbände müsste ein solcher Streik auch
Selbstverteidigungsstrukturen aufbauen.

Ein politischer Generalstreik, der das Land dauerhaft lahmlegt, würde
unwillkürlich die Machtfrage aufwerfen – und somit auch die Möglichkeit
und die Notwendigkeit, vom Abwehrkampf zur Offensive überzugehen. Diese
erfordert freilich mehr als nur gewerkschaftlichen Widerstand. Sie
erfordert die Verbindung dieses Kampfes mit dem gegen alle Formen der
Unterdrückung, die Verbindung des Kampfes gegen die BJP-Regierung mit
dem gegen den Kapitalismus, den Aufbau einer revolutionären politischen
Partei der ArbeiterInnenklasse, die sich auf ein Programm von
Übergangsforderungen stützt und die für eine ArbeiterInnen- und
BäuerInnenregierung kämpft, die eine Räteherrschaft errichtet, das
Großkapital enteignet und eine demokratische Planwirtschaft einführt.

Zur Zeit existiert keine politische Kraft in Indien, die ein solches
Programm vertritt. Die verschiedenen kommunistischen Parteien haben sich
vom revolutionären Sturz des Kapitalismus faktisch schon lange
verabschiedet, die radikale Linke ist zersplittert und oft
desorientiert. Die politische Krise zu überwinden, erfordert daher nicht
nur die Unterstützung der Mobilisierungen der ArbeiterInnenklasse und
sozialen Bewegungen. Alle, die nach einer sozialistischen und
internationalistischen Antwort suchen, stehen auch vor der Aufgabe, in
Diskussion um die programmatischen Grundlagen einer revolutionären
Partei zu treten und deren Aufbau in Angriff zu nehmen.




FFF: Was war los beim ÖPNV-Streik und was will dieser Jakob im Bundestag?

4
Fragen und 4 Antworten zu FFF, den ÖPNV-Streiks und was
Antikapitalist_Innen jetzt tun müssen

Was
ist beim Nahverkehrsstreik gelaufen?

Vielleicht
hast Du in den letzten Wochen mal vergebens an der Bushaltestelle
gestanden oder durch die Nachrichten erfahren, dass in den in
unterschiedlichen Städten und Gemeinden die Arbeiter_Innen im
Nahverkehr gestreikt haben, sie die Busse und Bahnen stehen ließen.
Vielleicht hast Du‘s aber auch nicht mitbekommen…und das liegt
nicht an Dir. Gestreikt wurde höchstens Mal ein Tag, oft aber nur
ein paar Stunden. Ziel des Streiks war eine bessere Bezahlung und
bessere Arbeitsbedingungen für die Menschen, die uns täglich zur
Schule, Ausbildung oder Uni fahren und die gerade in der Corona-Zeit
zu jenen gehören, die unsere Gesellschaft noch am Laufen halten.

In
einigen Bundesländern sind die Streiks jetzt schon ganz vorüber,
denn die Gewerkschaft ver.di und die Arbeit“geber“_Innenverbände
haben sich auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. Zuletzt ist das in
Nordrhein-Westfalen passiert und für die Beschäftigten ist das
Ergebnis ein ziemlicher Schlag ins Gesicht. Am 1. April 2021 gibt‘s
1,4 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 50 Euro, am 1. April 2022
1,8 Prozent mehr und für‘s Weiterfahren während Corona das Land
zum Stillstand zwang gibt‘s einmalig 600 Euro. Faktisch heißt das,
dass sich die Verkehrsarbeiter_Innen mittelfristig weniger als heute
leisten können, sie ärmer werden. In den anderen Bundesländern ist
Ähnliches zu erwarten.

Was
können wir daraus lernen?

1.)
die Gewerkschaftsführungen wollen in der Krise keinen Konflikt mit
den Bossen. Bloß ein bisschen Streiken, eine Niederlage
unterzeichnen und sie dann als notwendiges Opfer in Zeiten der Krise
den Mitgliedern der Gewerkschaft verkaufen. Die Gewerkschaftsbosse
haben dabei gut reden, verdienen sie doch so viel in den
Aufsichtsräten der Konzerne, dass sie die Krise locker überstehen
werden…vorausgesetzt sie halten die Arbeiter_Innen schön ruhig.

2.)
die Arbeiter_Innenklasse soll die Krise bezahlen. Schon als ver.di
einen lächerlichen Tarifvertrag im öffentlichen Dienst unterschrieb
war klar, dass der Kampf im Nahverkehr auch zum Abschuss freigegeben
ist. Andernorts sieht‘s nicht besser aus. Der Staat muss angesichts
seiner riesigen Corona-Schulden sparen und zu Geld kommen. Aber als
die Linkspartei neulich eine kleine Vermögensabgabe für Reiche
forderte war der Aufschrei im Bundestag und den Zeitungen groß. Wenn
umgekehrt bei der Bahn Milliardeneinsparungen beim Personal gefordert
werden, erzählen einem die konservativen Medien was von „jeder
muss doch ein Opfer bringen“.

3.)
die Lösung der Klimakrise fällt im Angesicht der Wirtschaftskrise
hinten runter. Anstatt die Verkehrswende anzugehen, den Nahverkehr
auch als Arbeitsplatz attraktiver zu machen und gut zu bezahlen, um
die tausenden fehlenden Beschäftigten bundesweit einzustellen, heißt
es für den Nahverkehr jetzt weiter sparen, sparen, sparen. Achso,
natürlich nicht überall, nein, nein, die Lufthansa wird mit
Milliarden gerettet, zahlt auch weiterhin keine Kerosinsteuer und
kaufst du dir ein neues E-Auto gibt dir der Staat dafür auch noch
einen Riesenbatzen Geld.

Was
hat FFF damit zu tun?

Dass
Verkehrspolitik auch immer Klimapolitik ist und dass der Streik im
Nahverkehr deshalb auch unmittelbar die Ziele und Forderungen von FFF
betrifft, ist nichts Neues. Als Revo haben wir in den einzelnen
Städten, in den FFF-AGs und auf dem Nordkongress Anfang des Jahres
immer dafür gekämpft, dass FFF aktiv auf die Gewerkschaften zugehen
muss, um die Arbeiter_Innenklasse für gemeinsame Kämpfe zu
gewinnen. Damals haben Luisa Neubauer und die undemokratische Führung
von FFF noch versucht, unsere Beschlüsse bürokratisch zu umgehen.
Heute machen sie Selfies mit den Spitzenfunktionären von Verdi.

Als
wir FFF zum Schulterschluss mit den Gewerkschaften aufgerufen haben,
meinten wir damit keine runden Tische in Besprechungsräumen oder
Selfie-Aktionen. Was wir wollen ist eine aktive Mobilisierung an der
Basis! Wir sind dafür eingetreten, dass es Vollversammlungen an den
Schulen gibt, zu denen Beschäftigte aus dem ÖPNV kommen, über ihre
Arbeitsbedingungen berichten und gemeinsam mit uns Schüler_innen
über eine ökologische Verkehrswende diskutieren. Wir sind dafür
eingetreten, dass FFF die Streikposten der streikenden Beschäftigten
im ÖPNV unterstützt und so ein aktives Zeichen der Solidarität
setzt, auf dem kommende Kämpfe aufbauen können. Der Streik ist das
effektivste Mittel der Arbeiter_Innenklasse eine Awareness für das
Thema zu erwecken und echten Druck auf die Verantwortlichen
auszuüben.

Die Führung von verdi hat sich jedoch dagegen gesperrt, zu wirklichen Streiks aufzurufen und ihren Mitgliedern stattdessen empfohlen, einen ihrer wenigen Urlaubstage zu nutzen, wenn sie zu FFF gehen wollen. Indem sie nicht offen zum Streik aufgerufen haben, haben sie ihren Mitgliedern verwehrt im Rahmen einer politischen Kampagne daran teilzunehmen. In diesem Punkt sind sich der Verdi-Vorstand und die FFF-Führung ziemlich ähnlich: beide verhindern aktiv eine Radikalisierung ihrer Basis. Damit wollen sie ihren Führungsanspruch aufrecht erhalten und auf jeden Fall verhindern, dass eine Bewegung „von unten“ entsteht, die keine Luisas und Frank Wernekes (Verdi-Vorstand) mehr braucht.

Was
hat FFF falsch gemacht?

Aus
dem Schulterschluss zwischen FFF und Gewerkschaften ist bis auf ein
paar nette Selfies wohl nichts geworden. Noch deutlicher wird die
Unfähigkeit der FFF-Führung darin, dass sie dem
„Kohleausstiegsgesetz“ nichts entgegengesetzt haben. Das
sogenannte „Kohleausstiegsgesetz“ redet nämlich nicht vom
Ausstieg aus der braunkohlebasierten Energiegewinnung, sondern will
die dreckigen Tagebauten noch 20 Jahre weiter finanzieren und
verspricht den Klimakillern große Geldsummen. Wir fragen uns an der
Stelle, wofür wir eigentlich die ganze Zeit gekämpft haben, wenn
die Bundesregierung so ein Gesetz verabschiedet und FFF schweigt.

Doch dieses Problem von FFF hat System und hat nicht nur mit Corona zu tun. Die Schlüsselfrage ist vielmehr, ob FFF bereit ist, die kapitalistische Produktionsweise als Ursache des Klimawandels zu erkennen und zu bekämpfen, oder ob FFF weiterhin versucht, dem Kapitalismus einen grünen Anstrich zu verpassen, die Basis von FFF zu unterdrücken und statt Mobilisierungen nun zur Wahl der Grünen aufzurufen. Das unterscheidet uns von Luisa. Bereits bevor die Pandemie ausgebrochen ist, stand eine Strategiedebatte innerhalb FFFs an, die eine neue Ausrichtung beschließen sollte, mit der wir mehr werden sollten, uns weniger überlasten müssen und unsere Ziele tatsächlich erreichen können. Schon vor Corona hat die Führung von FFF versucht, dies zu unterbinden. Nachdem nun unsere Aktionen durch den Lockdown weitestgehend eingebrochen sind und die Bewegung geschwächt wurde, versuchen Luisa und Co. ihren Kurs nun final durchzusetzen. Jakob geht in den Bundestag, während Luisa FFF als aktivistisches Feigenblatt missbraucht und für Bündnis 90/Die Grüne bei der Bundestagswahl mobilisiert. Anstatt auf der Straße zu stehen, laut zu sein und für die Forderungen zur Einhaltung der Klimaziele zu kämpfen, will die FFF-Führung sich lieber an irgendwelche runden Tische oder in Bundestagssessel setzen und sich somit den kapitalistischen Politiker_Innen beugen, denen, wie wir gesehen haben, unsere Forderungen ziemlich egal sind. Dabei sind die Grünen alles andere als grün: die bürgerliche Partei ist mitverantwortlich dafür, dass der Danni geräumt wird und dass der Kohlekompromiss im Bundestag durchgekommen ist. Abgesehen davon gibt es kaum einen Kriegseinsatz der Bundeswehr, dem die Grüne nicht zugestimmt hat. Aber das ist eine andere Geschichte, die hier nochmal genauer nachlesen könnt: Die Grünen – Neoliberal für’s Kapital .

Der
von der ungewählten und somit nicht demokratisch legitimierten
FFF-Führung geführte Kurs, war es seit jeher, die Bewegung zu
kontrollieren und eine Radikalisierung zu verhindern. Das zeigte sich
unter anderem dadurch, dass sie selbstorganisierte und
antikapitalistische Perspektiven immer bekämpft haben. So haben wir
von Revo, aber auch andere linke FFF-Ortsgruppen, die Plattform
Change for Future oder die Anti-Kohle-Kids versucht,
antikapitalistische Positionen in die Bewegung zu tragen. Gerade
heute, wo der Verrat von Lusia und Jakob so offensichtlich ist, gibt
es viel Kritik an der momentanen FFF-Politik aus der Basis. Vielen
von uns haben sich an den Ende Gelände Protesten beteiligt und
gezeigt, dass wir bereit sind, radikalere Forderungen und
Aktionsformen aufzuwerfen.

Doch
während uns von Revo vorgeworfen wird, die Bewegung für unsere
antikapitalistischen Ziele zu „unterwandern“, sitzen genau
diejenigen, die uns diesen Vorwurf machen, in Führungspositionen bei
den Grünen oder beim BUND. Im Gegensatz zu uns verschweigen sie
jedoch, dass sie noch in anderen Organisationen sind. Das ist nicht
nur intransparent, sondern auch undemokratisch und zeigt ganz
deutlich, wer hier die Bewegung eigentlich unterwandern will. Mit dem
Vorwurf an uns wollen sie versuchen, eine Linksentwicklung in der
Bewegung zu verhindern und ihr eigenes pro-kapitalistisches und
undemokratisches Programm durchsetzen.

Was sollten Antikapitalist_Innen in FFF jetzt tun?

Viele
linke Gruppen innerhalb FFFs haben sich nicht getraut offen
aufzutreten, damit ihnen nicht vorgeworfen wird, dass die Bewegung
„unterwandern“. Doch, wenn wir für antikapitalistische
Positionen in FFF kämpfen wollen, müssen wir den Kurs der Führung
herausfordern, offen auftreten und der Basis klar machen, wofür wir
sehen!

Was
wir brauchen ist mehr Demokratie und weniger Hinterzimmerbeschlüsse!
Was wir brauchen ist eine basisdemokratische Aktionskonferenz für
eine neue Strategie, die dem bürgerlichen Kurs von Luisa, Jakob &
Co. ein Ende setzt! Die Klimakiller müssen enteignet und unter
demokratische Kontrolle gestellt werden, anstatt sie mit bloßen
Appellen um die Einhaltung von Klimazielen zu bitten. Klimaschutz
muss international sein und muss eine Verbesserung in unseren Lebens-
und Arbeitsbedingungen bedeuten, statt stupide Verbote zu fordern.
FFF muss wieder zurück auf die Straße und an die Schulen. Wenn wir
wieder mehr werden wollen, müssen wir Komitees an unseren Schulen
aufbauen, um die Leute dort abzuholen, wo sie sich tagtäglich
aufhalten.

Was wir jetzt tun müssen ist, mit den Gewerkschaften und hier vor allem ihrer Basis über eine universelle Anti-Krisen-Bewegung zu diskutieren, die sich sowohl gegen die Klimakrise, die Wirtschaftskrise als auch gegen die Gesundheitskrise richtet. Die Unternehmen und kapitalistischen Regierungen, die Mitverursacher dieser Krisen sind, lassen nämlich uns Jugendliche und die Arbeiter_Innenklasse für die Kosten der Krise zahlen!

Power
to the people!




6 Gründe, warum wir eine linksradikale Antwort auf das Corona-Management der Bundesregierung brauchen

Resa Ludivine

Noch Mitte Februar hat die Bundesregierung versucht, die
Gefahr der Corona-Pandemie kleinzureden. Der in China schon längst wütende
Virus schien noch als ferne Kleinigkeit, eigentlich nur wie eine Grippe.
Erstmal Abwarten war die Devise. Ende März sah die Lage dann schon ganz anders
aus.

Es folgten zahlreiche Debatten über Wirksamkeit und Unwirksamkeit von Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Schulen, Unis und Kitas wurden geschlossen, weite Teile der Bevölkerung fanden sich in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit wieder. Bis Mitte Mai gab es auch in Deutschland starke Einschränkungen wie z.B. die Einschränkung des Versammlungsverbotes, die Abriegelung der Außengrenzen sowie die Schließung öffentlicher Einrichtungen.

1. Groko ist rassistisch!

Um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, entschied sich
auch die BRD, nach langem Zögern, zu einer Art „lockdown-light“. Wo andernorts
die Menschen wochenlang nur zum Einkaufen im nächstgelegenen Supermarkt vor die
Tür durften und bei Zuwiderhandlung kräftig zur Kasse gebeten wurden (wie bspw.
in Frankreich), gab es in Deutschland nur lokal beschränkt harte „lockdowns“.
Hintergrund dessen war nicht nur der Unmut in der Bevölkerung, sondern auch
Profitinteresse, weswegen es nicht verwundert, dass es zur Aufrechterhaltung
vieler unnötiger Arbeiten kam.

Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten in Deutschland
überproportional häufig unter schlechten Arbeitsbedingungen. Insbesondere sie
sind es, die nun unter unzureichendem Infektionsschutz und mangelndem
Hygiene-Equipment auf ihren Arbeitsplätzen zu leiden haben. Außerdem sind sie
es, die häufig als erste entlassen werden.

Die Debatte um landwirtschaftliche Saisonarbeitskräfte aus
Osteuropa hat erneut gezeigt, dass im Kapitalismus Profitinteressen mehr als
Menschenleben zählen, da die Grenzen unkompliziert für dringend benötigte
Arbeitskräfte geöffnet werden konnten, aber schutzbedürftigen Geflüchteten
verschlossen blieben. Die schnellen Grenzschließungen im gemeinsamen Block des
„Europas der Freizügigkeit“ zeigen auch, dass sich in der Krise nun doch jeder
Nationalstaat selbst am nächsten ist. Das gilt allerdings auch für die
europäischen Außengrenzen. Nicht nur an denen, sondern auch in Lagern für
Geflüchtete innerhalb Europas werden die Geflüchteten sich selbst überlassen.
Die schon vorher prekäre Lage verschlimmert sich. Doch wo nicht einmal
fließendes Wasser vorhanden ist und Menschen zusammengepfercht leben, müssen
wir weder über Hygienevorschriften noch über „Social-Distancing“ reden. Ein
gefundenes Fressen für das Virus. Wir brauchen eine Gesundheitsversorgung für
alle! Portugal hat bewiesen, dass es möglich ist – gleich zu Beginn der Krise
wurde allen Geflüchteten die Staatsbürger_Innenschaft ermöglicht – damit sie
Zugang zum Gesundheitssystem haben. Doch hier in Deutschland fallen weiterhin
Menschen aus dem Raster der Gesundheitsmaßnahmen, nicht nur weil sie bspw. auf
der Straße leben und ihnen daher der Zugang erschwert ist, sondern auch weil
die, in den letzten Wochen so oft betonte Abstandsregelung, eben nur für
„Bürger_Innen 1. Klasse“ gilt. Der Skandal um eine steigende Zahl der
Infektionen in Unterbringungen von Arbeiter_Innen in Schlachthöfen hat das
gezeigt. Dasselbe Problem haben wir aber auch in Unterkünften für Geflüchtete.

Gleichzeitig trifft Corona gerade auch viele Krisenregionen außerhalb Europas stark, wo nun Hilfsgüter, allen voran medizinische Hilfen, knapp werden, weil es entweder lieber im eigenen Land genutzt wird oder dem ausgesetzten Transport zum Opfer fallen. Von internationaler Solidarität ist keine Spur. Und wieder einmal zeigt sich die große Schere zwischen imperialistischen Staaten und Halbkolonien sowie deren Abhängigkeit. Ebenso dass die vorher herrschende „Normalität“ nach der so viele in den imperialistischen Staaten rufen, eine „Normalität“ gebaut auf Ausbeutung und Unterdrückung ist. Doch kam die „Normalität“ in Form von „Wiedereröffnung“ der deutschen Wirtschaft bei uns relativ schnell. Dieses Vorgehen gehört zu den kurzfristigen Maßnahmen, um die deutsche Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen. Gleichzeitig macht das unvorsichtige Vorgehen eine zweite Welle immer wahrscheinlicher. Eine Welle, die in Kauf genommen wird, nur um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

2. Groko ist unsozial!

Seit
Jahrzehnten erzählen uns Finanzminister_Innen, dass Deutschland seine
Staatsschulden abbauen müsse. Etliche Sozialkürzungsmaßnahmen, Bildungsabbau
und Sparprogramme wurden mit dem Argument gerechtfertigt, die Neuverschuldung
möglichst gering halten zu müssen. Die Corona-Krise veranlasste die
Bundesregierung nun zu einer 180 Grad-Wende: Plötzlich ist massig Geld da und
die Milliardenkredite sprudeln aus der Staatskasse. Allerdings fließen diese
nicht in öffentliche Dienstleistungen oder Sozialhilfe, sondern in die
Privatwirtschaft. Geld scheint also eigentlich da zu sein, wenn es einen
politischen Willen dafür gibt. Mit dem neuen Konjunkturpaket sollen nun weitere
130 Milliarden Euro investiert werden, um die Wirtschaft wieder zum Laufen zu
bringen. Dabei wurden zuvor bereits mehrere Billionen Euro zu diesem Zweck an
Unternehmen verschenkt. Trotzdem prognostizieren Wirtschaftsforschungsinstitute
immer noch einen Abfall des BIPs, wie ihn Deutschland seit dem Ende des Zweiten
Weltkrieges nicht mehr gesehen hat. Entweder denkt die Bundesregierung also,
dass es 130 weitere Milliarden jetzt rausreißen oder sie sieht angesichts ihrer
pro-kapitalistischen Haltung keine andere Möglichkeit als noch mehr Geld in die
Unternehmenskassen zu pumpen. Für alle anderen, die leider keine
Produktionsmittel besitzen, heißt es nun den Gürtel enger zu schnallen. Wer
hier gerettet wird und wer dafür zahlen soll ist eine eindeutige Klassenfrage:
Die Armen zahlen, damit die Reichen gerettet werden. Die Corona-Pandemie hat
dabei die ohnehin massive soziale Ungleichheit zusätzlich verstärkt

Gerade wenn wir über den deutschen Tellerrand hinaussehen wird das umso klarer. Wer hungern muss und in Schulden gerät auch! Die Unfähigkeit der bürgerlichen Regierung und des kapitalistischen Systems an sich, zeigt sich darin, dass die GroKo nicht einmal den starken Anstieg der Lebensmittelpreise unter Kontrolle bringen konnte. Im Vergleich zum April 2019 stiegen die Preise um ca. 14%. Bei laufenden Kosten, Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit durch Corona ist klar, dass das gerade ärmere Haushalte schwer trifft. Die einmalige 300 Euro Unterstützungszahlung für Familien ist nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

3.Groko ist klimaschädlich!

Mit der kommenden Wirtschaftskrise, deren Auslöser die Pandemie ist, rollt nun neben der Klimakrise eine weitere Krise auf uns zu. Obwohl es keine Zweifel daran gibt, welchen großen Anteil Autos und Flugzeuge an der Produktion klimaschädlicher Emissionen haben, machte die Groko im Handumdrehen Milliarden für die Automobilindustrie und Luftfahrtkonzerne frei. Die Kaufprämie für E-Autos, die mit dem neuen Konjunkturpaket beschlossen wurde, soll dabei als ökologisches Feigenblatt dienen. Dabei haben diese selber einen extrem hohen Ressourcenverbrauch und es ist nicht bewiesen, dass durch den Kauf eines neuen E-Autos tatsächlich Emissionen eingespart werden. Vielmehr stellt die Kaufprämie eine weitere Finanzspritze für die deutsche Autoindustrie im grünen Schafspelz dar. Auf der anderen Seite wird dann bei wesentlich klimafreundlicheren Fortbewegungsmitteln wie der Bahn nun kräftig gespart, sodass viele Beschäftigte entlassen werden sollen. Überdies nutzt die Groko die Tatsache, dass es durch Corona ein wenig ruhiger um die Umweltbewegung geworden ist, um das neue Steinkohlewerk „Datteln“ ans Netz zu bringen. Bei all dem, was uns in den Monaten zuvor über den Kohleausstieg erzählt wurde, ist das nun der Gipfel der Dreistigkeit. Unter dem Vorwand „die Wirtschaft zu retten“ werden also die kleinen ökologischen Fortschritte, die wir uns in den letzten Jahren erkämpft haben, wieder rückgängig gemacht.

4. Groko ist sexistisch und jugendfeindlich!

Zu den sozialen, langfristigen Folgen, für die sich die
Groko nicht interessiert, gehört auch der Backlash den derzeit Frauen* in der
BRD erleben müssen. Die Krise hat gezeigt, dass gerade sie an vorderster Front
belastet sind, weil sie in systemrelevanten Jobs für wenig Geld schuften und
gleichzeitig noch die Reproduktionsarbeit daheim organisieren. In Heimarbeit
wurden sie zurückgedrängt in ein Frauenbild der 50er Jahre. Klar ist, dass bei
Entlassungen im Betrieb gerade sie betroffen sein werden. Nebenbei ist auch die
Zahl häuslicher Gewalt gegenüber Frauen und Kindern nicht nur in Deutschland
gestiegen.

Parallel dazu ist auch die Jugend stark getroffen, müssen wir doch um unseren Eintritt in den Arbeitsmarkt nach Ausbildung oder Studium bangen, um auf eigenen Beinen zu stehen. Noch fataler sieht die Lage bei schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen aus. Das Homeschooling hat Bildungslücken aufgerissen, die gerade für Kinder aus ärmeren Familien nicht zu schließen sein werden. Zu Hause müssen wir häufiger größere Anteile der Hausarbeit übernehmen, also einkaufen gehen, putzen, kochen und Care-Arbeit, also uns z.B. um Verwandte kümmern, die krank sind. Es gibt aber auch einige unter uns, die schon arbeiten oder eine Ausbildung machen. Dort sind wir die ersten, die entlassen werden, weil wir häufig nur Zeit- oder Honorarverträge, nur als Minijob angestellt sind, oder gar keinen offiziellen Arbeitsvertrag haben. Das macht es den Arbeitgeber_Innen leichter, uns zu kündigen. In anderen Fällen, zum Beispiel im Supermarkt, Essenslieferanten, Landwirtschaft, sind wir die, die als erste wieder zur Arbeit geschickt werden, weil wir zu jenen gehören, die nicht in der Risikogruppe sind. Höhere Löhne will uns unser_E Chef_In trotzdem nicht zahlen.

5. Groko hat keinen Plan!

Das bisherige Krisenmanagement der Bundesregierung zeichnet sich durch ein starkes Hin- und Her-Schwanken aus. Mal wird alles heruntergespielt, dann werden vergleichsweise radikale Maßnahmen getroffen und dann wird wieder versucht alles schnell rückgängig zu machen. Grund dafür sind unter anderem die gespaltenen Kapitalinteressen der einzelnen Sektoren, die zum Teil noch angefeuert wurden durch den deutschen Föderalismus, der ein einheitliches Handeln noch weiter erschwert. Hierbei hat die GroKo noch Glück im Unglück, dass ihre Maßnahmen auf ein Gesundheitssystem treffen, dass nicht ganz so massiv wie in Großbritannien oder den USA heruntergespart wurde. Ihr Beitrag daran, dass die Maßnahmen erfolgreich erscheinen, ist demnach nur gering. Man darf sie daher nicht daran messen, sondern daran, wie sie mit den wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung umgeht. Hier zeichnete sich bereits kurz nach den pandemiebedingten Schließungen ihre Inkompetenz ab, für das Wohl und die Gesundheit der Bevölkerung zu entscheiden. Nicht nur die Stimmen der Coronaleugner_Innen wurde immer lauter, auch die der Schlüsselindustrien, des Einzelhandels, des Gaststättengewerbes und weiterer Lobbygruppen, bis sie sich ihren Wünschen schließlich beugten. Besonders sticht heraus wie die einzelnen Bundesländer wetteiferten, ihre eigenen Kapitalinteressen zu befriedigen und die Entscheidungen der Bundesregierung dafür regelrecht untergraben wurden. Ein weiterer Grund für den Zickzack-Kurs der Groko ist der internationale Wettbewerb zwischen den einzelnen Kapitalen. Wer die Wirtschaft zu erst wieder hochfährt steht auch besser in der Konkurrenz da und kann neue Marktanteile erobern. Das Wettrennen um Marktanteile sowie einen Impfstoff ist noch in vollem Gange.

6. Die „linke Opposition“ kuschelt lieber mit den Kapitalist_Innen anstatt Widerstand aufzubauen!

Dass selbst in der Krise nicht schnell gemeinsame Maßnahmen
ergriffen wurden, zeigt die Schwäche der Groko. Dass anstelle dieser Situation
auszunutzen sich für den nationalen Schulterschluss entschieden wurde, zeigt
hingegen die Schwäche der Sozialdemokratie, allen voran der Gewerkschaften.
Dieser Burgfrieden, der sich im Zuge der Krise formiert hat (sprich: alle
Parteien arbeiten Hand in Hand mit Kapital und die Gewerkschaften schweigen)
geschieht angeblich im Sinne der „Bevölkerung“. Jedoch ist es keine Politik im
Sinne der Arbeiter_Innenklasse! Anstelle dass sie und auch die Linkspartei
alles kritiklos mittragen, hätten sie eine Opposition bilden müssen. Gegen die
Massenentlassungen, gegen ein (im europäischen Vergleich geringes)
Kurzarbeiter_Innengeld, gegen die Aufrechterhaltung unnötiger Arbeit!

Die Krise hat einmal mehr die Schwächen des kapitalistischen
Systems entlarvt, denn es kann nicht effizient die Pandemie bekämpfen und
gleichzeitig die Wirtschaft retten. Jetzt ist der Zeitpunkt genau dies aufzuzeigen
und die Arbeiter_Innen gegen die „Krisenpolitik“ der GroKo zu organisieren.
Doch diese Intention war bei den Reformist_Innen nie vorhanden und man schaut
lieber weiter schweigend zu, während die CDU am meisten vom Burgfrieden der
Linken profitiert. Sie versucht sich als „Partei der Vernunft“ zu inszenieren
und greift parallel dazu Arbeitszeitregelungen sowie den lang erkämpften und
immer noch zu niedrigen Mindestlohn an, indem sie ihn nicht an die Inflation
anpassen will. Solange die Politik des Burgfriedens von Linken, SPD und
Gewerkschaften weiterverfolgt wird, wird sich die soziale Ungleichheit weiter
zuspitzen.

Wenn
wir den Rechten die Rolle der Opposition jedoch nicht überlassen wollen,
brauchen wir also jetzt eine globale und klassenkämpferische Antikrisenbewegung,
die die Probleme der Menschen wahrnimmt, eine linke Kritik am Corona-Management
der Bundesregierung formuliert und internationale Solidarität lautstark auf die
Straßen trägt. Und diese Antikrisenbewegung beginnt da, wo die
Krise ist – im überlasteten Krankenhaus, in der Schule oder in den Fabriken,
die unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen die Gesundheit der Arbeiter_Innen
auf Spiel setzt. Gemeinsam mit Mitschüler_Innen, Kommiliton_Innen und
Kolleg_Innen muss Vorort eine Opposition aufgebaut werden. Diese lokalen
Komitees können dann Widerstand organisieren, bspw. wenn die 2. Welle kommt,
können sie durch Streiks die Werks- und Schulschließungen erzwingen. An SPD, Linke und Gewerkschaften
kommen wir mit diesem Vorhaben jedoch nicht vorbei, denn ein Großteil der
organisierten Arbeiter_Innenklasse zählt zu ihren Mitgliedern. Doch um aktiven
Widerstand zu leisten, brauchen sie scheinbar einen kräftigen Arschtritt! Lasst
uns Aktionskonferenzen starten, an denen wir alle gemeinsam über ein Programm
und Aktionen diskutieren, die eine unabhängige Stimme der Unterdrückten
darstellen und aus der Krise führen können. Dabei müssen wir den Anschluss an
bestehende internationale Massenproteste wie die aktuelle
Black-Lives-Matter-Bewegung suchen und Themen wie Polizeigewalt und Rassismus
in unser Aktionsprogramm integrieren.

Als
Kommunist_Innen treten wir innerhalb dessen für eine sozialistische Perspektive
ein. Das heißt, dass wir die Produktion unter
Arbeiter_Innenkontrolle organisieren müssen. Denn nur so entkoppeln wir die
Produktion von Profitinteressen, die nicht nur sicheren Arbeitsbedingungen,
sondern auch bedarfsorientierter Produktion und Innovation – denken wir an den
Impfstoff – entgegenstehen. Ein dauerhafter Sieg sowohl über die pandemische,
sowie auch die kapitalistische Krise kann nur die fundamentale Veränderung des
Systems sein. Fest steht, dass im Sozialismus die Möglichkeiten zur Bekämpfung
der Krise nicht dort enden, wo die Kapitalinteressen anfangen. Auch der
Profitdruck fällt weg. Es wäre demnach viel einfacher, systemirrelevante
Betriebe zeitweise zu schließen, sowie die Produktion so umzustellen, dass
notwendige Produkte vermehrt hergestellt werden.




Was ist die Future von Fridays for Future?

Wir haben alle mitbekommen, dass seit die Corona-Zeiten angefangen haben, nicht mehr so besonders viel in FFF passiert ist, alles was geplant war musste ja auch abgesagt werden. Doch seien wir ehrlich: Auch vorher standen wir schon vor tiefgreifenden Problemen, deren Lösung nicht gerade an der Tür geklopft hat. Viele Aktvist_Innen waren erschöpft und ausgelaugt. Frustration und Desillusioniertheit haben sich in der Bewegung breit gemacht. Kein Wunder, denn so viel getane Arbeit, so viel erlittenen Repression haben uns nur ein paar Babyschritte weitergebracht. Die alte Idee mit NGOs und Grünen zusammen die Regierung zu bessserer Klimapolitik zu bewegen ist -wer hätte es gedacht- wieder nicht aufgegangen. Eine Strategiedebatte sollte stattfinden, ist dann aber auch unter den Corona-Zug geraten.
Niemand wird bestreiten, dass wir aus unseren Fehlern lernen und etwas ändern müssen, wenn die Bewegung nicht nach und nach in Stücke zerfallen soll. Denn Aufmerksamkeit ist zwar erreicht worden, aber wenn wir an der Klimapaket der Bundesregierung denken, reicht das offensichtlich. Wir müssen die Vorstellung vom grünen Kapitalismus über Bord werfen, wir brauchen konsequenten Umweltschutz statt immer neuen Kompromissen mit der Kohlelobby. Denn besonders in Krisenzeiten -wie die kommende Wirtschaftskrise, die sich langsam anbahnt- wird die „grüne“ Produktion teurer und unattraktiver für die Kapitalist_Innen. Außerdem werden Konzerne gerettet, die Profite einbringen wie wir es gerade am Beispiel der Autoindustrie oder Reisekonzerne sehen. Statt Appellen an den Staat müssen wir also anfangen uns selbst als Bezugspunkt zu setzen für die Veränderung, die wir brauchen.
Wir, die Menschen, die von den Krisen dieser Gesellschaft betroffen sind, müssen zu der gesellschaftlichen Kraft werden, die entscheidet wie die Produktion, wie die Gesellschaft aufgebaut ist. Um dahin zu kommen, brauchen wir konkrete Forderungen:

Verbesserungen statt Verbote! Die Konzerne sollen selber für den Klimawandel zahlen, den sie verursacht haben. Für die Bevölkerung keine höheren oder indirekte Steuern, sondern kostenlosen Nahverkehr! Keine EEG zahlen, sondern konstenlosen Ökostrom!

Produktion, Energiewende und Verkehr müssen demokratisch durch Produzent_Innen und Verbraucher_Innen kontrolliert werden anstatt sich an dem Profit auszurichten, der dabei rumkommt! Niemand soll einfach so entlassen werden, stattdessen bedarf es einer Umstellung der Produktion, kostenlose Umschulung, sowie einen gemeinsamen Tarifvertrag für Alle, die in der Energiebranche arbeiten!Klimagerechtigkeit funktioniert nur international! Anerkennung der Klimakrise als Fluchtgrund, offene Grenzen und volle Staatsbürger_Innenrechte für Alle! Außerdem sollen die Konzerne, die ihre Produktion auslagern und woanders die Umwelt zerstören zahlen!

Baut Komitees auf in euren Schulen, Unis und Betrieben! Wenn sie nicht heraus auf die Straße kommen, bringen wir die Themen zu ihnen. Diese Komitees müssen außerdem über zentrale Forderungen und Ausrichtungen der Bewegung abstimmen! Nur so können wir demokratisch, gemeinsam und transparent die Zukunft entscheiden!

Mit der kommenden Wirtschaftskrise, deren Auslöser die Pandemie ist, rollt nun neben der Klimakrise eine weitere Krise auf uns zu. Abwrackpremie und Milliarden für die Automobilindustrie, Datteln soll eröffnet werden und Stellenstreichungen bei der Bahn: Unter dem Vorwand „die Wirtschaft zu retten“ werden die kleinen Fortschritte, die wir uns in den letzten Jahren erkämpft haben wieder rückgängig gemacht. Unter dem selben Vorwand werden auch die Infektionsschutzmaßnahmen aufgelockert und dabei eine unnötig schwere 2. Welle in Kauf genommen. Für den Profit werden wir wieder in die Schule geschickt, obwohl sie einen der Hauptinfektionsherde darstellt.
Den Kampf dagegen können wir nicht führen ohne die Gewerkschaften. Diese haben so ein mächtiges Mobilisierungspotential, wenn sie nur wollen und objektiv haben sie das gleichen Interesse wie wir: Nicht für diese Krise zahlen! Zusammen müssen wir eine internationale Antikrisenbewegung aufbauen. 2019 waren wie so oft in der Geschichte wir, die Jugendlichen, wiedermal diejenigen, die vorgeprescht sind. Heute liegt es immernoch an uns!




Revolutionäre Jugendinternationale – Welche Organisation braucht die Jugend?

zweite Internationale#1

Sozialistenkongress – 1907 in Stuttgart

Vor etwas mehr als 100 Jahren wurde die erste internationale revolutionäre Jugendorganisation gegründet. Im August 1907 versammelten sich 21 Delegierte – junge Revolutionäre und Revolutionärinnen – aus 13 Staaten auf dem „Internationalen Sozialistenkongress“ in Stuttgart. Das war die Geburtsstunde der Sozialistischen Jugendinternationale. Am Ende des Jahres 1907 repräsentierte sie mehr als 60.000 Jugendliche.

Schon Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich wiederholt starke sozialistische Jugendorganisationen – besonders in Skandinavien, in Belgien und den Niederlanden – gebildet. Doch diese ersten Erfahrungen und Entwicklungen waren noch nicht konstant genug, um eine internationale Koordinierung aufzubauen.

Liebknecht#1

Karl Liebknecht

Die Gründungsmitglieder der Jugendinternationale, um ihren ersten Sekretär Karl Liebknecht, sahen jedoch klar die Notwendigkeit einer internationalen revolutionären Jugendorganisation. Sie ergab sich aus der Stellung der Jugend, ihrer speziellen Unterdrückung und dem internationalen Charakter des Imperialismus. Die Jugend, damals wie heute, war nicht nur besonders stark ausgebeutet in der Produktion, hatte nur selten Zugang zu Bildungseinrichtungen und kaum politische Rechte. Die Jugendlichen sollten auch die Ersten sein, die in dem imperialistischen Krieg von 1914-1918 an den Fronten des Ersten Weltkrieges für die Interessen „ihrer“ imperialistischen Nationen sterben sollten. Daher war, neben dem Kampf für Bildung und Jugendschutz, vor allem der revolutionäre Antimilitarismus die Grundlage der sozialistischen Jugendinternationale von 1907.

Doch in vielen europäischen Staaten musste sich die Jugend innerhalb der sozialistischen Bewegung selbst das Recht auf eigene Organe und Vertretungen erkämpfen. Der reformistische Flügel in der Zweiten Internationale, der sich auf eine entstehende Schicht von GewerkschaftsbürokratInnen, ParlamentarierInnen und hohe ParteifunktionärInnen stützte, fürchtete sich vor der revolutionären Dynamik unabhängiger Jugendverbände. Der Kampf für die organisatorische Unabhängigkeit der Jugend war also von Beginn an auch ein Kampf des linken, revolutionären Flügels der Arbeiterbewegung.

So beobachtete Lenin 1916, als sich die Konflikte unter den Eindrücken des Krieges weiter verschärften: „Es kommt oft vor, dass Vertreter der Generation der Erwachsenen und Alten es nicht verstehen, in richtiger Weise an die Jugend heranzutreten, die sich zwangsläufig auf anderen Wegen dem Sozialismus nähert, nicht auf dem Wege, nicht in der Form, nicht in der Situation wie ihre Väter. Das ist einer der Gründe, warum wir unbedingt für die organisatorische Selbständigkeit des Jugendverbandes eintreten, nicht nur deshalb, weil die Opportunisten diese Selbständigkeit fürchten, sondern auch dem Wesen der Sache nach. Denn ohne vollständige Selbständigkeit wird die Jugend nicht imstande sein, sich zu guten Sozialisten zu entwickeln und sich darauf vorzubereiten, den Sozialismus vorwärts zu führen.“

Der herannahende Krieg

erster Weltkrieg#1Bereits 1907 waren die Vorzeichen des ersten imperialistischen Weltkrieges zu erkennen. Alle Staaten vergrößerten ihre Tötungsmaschinerie, neue Technologien wie Luftwaffe und C-Waffen wurden entwickelt. Die stehenden Heere wurden vergrößert. Eine Welle des nationalen Chauvinismus ging durch die Völker Europas. Jede Kolonialfrage, d.h. die Unterdrückung anderer Länder und Kontinente, wurde als Existenzfrage der „eigenen Nation“ diskutiert. Die bürgerliche Intelligenz, Pfaffen, Adligen wie Großkapitalisten bemühten sich, diese Welle des Rassismus und reaktionärem Nationalismus zu verbreiten, um den Krieg vorzubereiten.

Wichtige Adressat_innen dieser Ideologien waren auch die Arbeiter_innen und die Jugend, also jene, die von den Herrschenden, von Monarchie und Bourgeoisie, in den Krieg geschickt werden sollten. So sollte der internationalistische Widerstand gegen Krise, Verarmung und Krieg auf den Amboss der kapitalistischen Nation gelegt werden. Die Gewerkschaftsbürokrat_innen und die reformistischen Führer_innen der Zweiten Internationale, allen voran die SPD, ergriffen schließlich den dazugehörigen Hammer, um ihn gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung zu schwingen. Dem unsicheren Ausgang der proletarischen Revolution zogen sie die vermeintliche Sicherheit des imperialistischen Gemetzels vor.

Jugendinternationale#1

Mit der Zeitschrift „Jugendinternationale“ agitierten die Revolutionär*innen gegen den Krieg.

Wo die offiziellen Führer_innen versagten, war es die proletarische Jugend, die am entschlossensten gegen den Militarismus vorging. Mehr und mehr traten nicht für ihr „Vaterland“ ein, sondern für das Endes Krieges und das Ende der sogenannten „Burgfriedenspolitik“, also das Aussetzen jeder Klassenaktion, um die Kriegsanstrengungen des „eigenen“ Landes nicht zu gefährden. Die Jugend erkannte zunehmend, dass die Niederlage im Krieg allemal das kleinere Übel war als der fortgesetzte Klassenfrieden. Sie warben für politische Streiks, die Sabotage der Kriegsindustrie, den Massenstreik gegen den Krieg. Die Aktion der Arbeiter_innen und der Jugend sollte in einen revolutionären Sieg – wie in Russland 1917 – umgewandelt werden.

Nur durch den proletarischen Kampf, so die Jugendinternationale, konnten Millionen junger Männer vor dem imperialistischen Massaker geschützt werden. Der reformistische Teil der Sozialdemokratie hingegen trat für „Abrüstung“ und „Pazifismus“ ein, nur um in der entscheidenden Stunde, die Kriegskredite für die weitere Aufrüstung zu unterstützen und zur „Vaterlandsverteidigung“ aufzurufen. Ihr bürgerlicher Pazifismus, der vor allem die revolutionäre Gewalt fürchtete, wurde in der Stunde der Not zum bürgerlichen Militarismus, der die reaktionäre Gewalt heiligte.

Die sozialistischen Jugendverbände argumentierten dafür die Waffen gegen die Herrschenden zu richten, um den Krieg zu beenden. Die Reformisten argumentierten dafür, die Waffen auf die Arbeiter_innen der anderen Länder zu richten. Einen Zwischenweg konnte es nicht geben.

Die internationale Solidarität war daher für die Jugendinternationale keine Phrase, sondern eine Praxis im Klassenkampf, die den jungen Genossinnen und Genossen vermittelt werden sollte. So sagte Liebknecht auf dem zweiten Kongress der JI, dass „die Erziehung der Jugend in diesem Geiste, […] eine der wichtigsten Aufgaben des kämpfenden Proletariats, und die selbständige proletarische Jugendbewegung […] das wirksamste Mittel zu dieser Erziehung“ sei.

Die Jugendorganisationen wollten also der Jugend den Sozialismus vermitteln. Ihre Kämpfe um demokratische Rechte, Bildung und Jugendschutz sollten mit den Kämpfen des Proletariats zusammengeführt werden. Nur mit einem revolutionären Programm, Seite an Seite mit der Arbeiterklasse, war diese Auseinandersetzung denkbar. Nur so war der Widerstand gegen die Kapitalist_innen und ihren Staat möglich.

Die Reaktion der herrschenden Eliten war eine weitere Verstärkung der Repression. So war es Jugendlichen unter 18 Jahren ab 1908 im deutschen Kaiserreich untersagt, sich politisch zu betätigen, auf Demonstrationen zu gehen oder an Versammlungen teilzunehmen. Der Kampf um die Jugend durch die Jugendorganisationen (in Deutschland FJO- Freie Jugendorganisation) fand illegal statt. Die bürgerlich-reaktionäre Ordnung wollte, noch weniger als die Reformist_innen, keine selbständigen Jugendverbände. Für sie war die Jugend Befehlsempfänger, billige Arbeitskraft und künftiges Kanonenfutter – und sollte es gefälligst auch bleiben.

Sozialdemokratische Verräter und revolutionäre Jugend

erster Weltkrieg#2

Beginn des ersten Weltkrieges: Noch herrscht Euphorie und die rechte Sozialdemokratie tut alles, um ihr „Vaterland“ zu verteidigen. Doch die linke Jugend, wehrt sich gegen diesen Verrat!

1914, mit dem Beginn des zweiten Weltkrieges, verrieten die Führer Zweiten Internationale alles, wofür die Arbeiterbewegung bisher gekämpft hatte. Mit der Einberufung von Millionen
Proletarier_innen und Jugendlicher in den imperialistischen Krieg wurden auch die sozialistischen Jugendorganisationen vor die alles entscheidende Frage der Zeit gestellt: Sozialchauvinismus der Rechten oder revolutionärer Internationalismus der Linken?

So erschienen während des Krieges 15 Ausgaben der Zeitung „Jugend-Internationale“. In ihr nahmen die jungen Revolutionär_innen entschieden Stellung gegen den Verrat der „Vaterlandsverteidiger“ in den Arbeiterparteien. Die Jugend hatte die „internationale Solidarität“ anders gelernt und verstanden. Ihre Konsequenz, war der Bruch mit der Zweiten Internationale. Große Teile der Aktivist_innen wurden 1919 Gründungsmitglieder der Kommunistischen Internationale. In Deutschland war die Jugend ein großer Teil des Spartakusbundes und der später gegründeten KPD, in Russland lag der Altersdurchschnitt der Bolschewiki bei Anfang 20.

Es war also die Jugend und ihre Entschlossenheit mit dem Reformismus zu brechen, sowohl politisch, als auch organisatorisch, die den Grundstein für neue revolutionäre Parteien in ganz Europa legte. So schrieb auch Lenin in der „Jugend-Internationale, dass „bei dieser Sachlage in Europa […] der Verbindung sozialistischer Jugendorganisationen die gewaltige und dankbare – dafür aber auch schwerere – Aufgabe des Kampfes für den revolutionären Internationalismus, für den wahren Sozialismus, gegen den herrschenden Opportunismus, der sich auf die Seite der imperialistischen Bourgeoisie geschlagen hat“ zufalle. Die Spaltung von den alten Mutterparteien, schwächte also den Reformismus, stärkte aber gleichzeitig die revolutionäre Bewegung!

Krise, Armut, Krieg – altes Elend, neue Jugendinternationale!

DEU Demonstrationen 1.Mai

REVOLUTION-Block auf einer ersten Maidemonstration

Das imperialistische Staaten Jugendliche zum Militär einziehen, in den Krieg schicken, um dort ihre Lebensgrundlage und Zukunft vernichten, ist auch heute noch so. Eine der tiefsten Krisen des Kapitalismus bereitet eine neue gesellschaftliche Katastrophe vor. Das was für eine sozialistische Gesellschaft zu einer Errungenschaft werden würde, wird für den Kapitalismus zum Krisenauslöser – nämlich, dass er „zu viel“, „zu effektiv“ produziert. Die Lösung der Kapitalist_innen der einzelnen Nationen ist es also… möglichst viel, möglichst effektiv zu zerstören. Begonnen wird natürlich bei den sozialen Errungenschaften der Arbeiter_innenbewegung. Gesundheitssysteme, Renten, Bildungseinrichtungen, Arbeitsrechte, Löhne, allem, wofür wir für Jahrzehnte gekämpft haben, wird durch den die Angriffe der Kapitalist_innen in Kürze vernichtet. All das ist Ausdruck dafür, dass der Kapitalismus sich überlebt hat.

  • Während die internationale Umweltkatastrophe voranschreitet, die zu einer ernsten Bedrohung für die Menschheit wird, retten die kapitalistischen Staaten das Bank- und Industriekapital – auf Kosten der Lohnabhängigen.
  • Während von der Sicherheit der Weltbevölkerung geredet wird, stürzt der „Krieg gegen den Terror“ immer breitere Teile der Welt in Krieg und Elend, öffnet auch in den „demokratischen Nationen“ Tür und Tor für… einen Krieg gegen die Arbeiter_innenbewegung.
  • Doch Demokratie lässt sich auch ohne Terror vernichten. Das zeigen die Kapitalist_innen anschaulich in Europa, wo ein Technokratenregime – notfalls auch Faschisten, wie die Chrysi Avgi in Griechenland – nach dem Anderen durch EZB, EU-Bürokratie und IWF an die Macht gehievt werden.
  • Während die Regierungen der imperialistischen Nationen von Abrüstung reden und über Schurkenstaaten wie den Iran oder Nordkorea krakeelen, wird hinter den Kulissen aufgerüstet. Die Armeen der unterschiedlichen Nationen werden zur Aufstandsbekämpfung mobilisiert, die USA versuchen verzweifelt mit Kriegen wie im Irak oder in Afghanistan ihre militärische Machtposition zu halten, während Nationen wie China oder Deutschland versuchen einen neuen Anlauf auf die „Neuaufteilung der Welt“ zu nehmen, indem sie „ihren“ Kontinent unterwerfen, um sich danach an die Unterwerfung der Welt zu machen.

jugend#2Die Jugend ist und wird an vorderster Stelle von dieser Katastrophe betroffen sein. Doch wir stehen auch an vorderster Stelle in dem Kampf, diese Katastrophe abzuwenden. Diktatoren wie Ben Ali, Gaddafi oder Mubarak wurden durch die Aufopferungsbereitschaft von uns Jugendlichen gestürzt. Bei den Generalstreiks in Südeuropa standen wir in den ersten Reihen des Widerstands, überall auf der Welt waren die Bildungsproteste der letzten Jahre auch ein Vorbild für radikalere Streikaktionen von Arbeiter_innen.

Wir, von der unabhängigen internationalen Jugendorganisation REVOLUTION, wollen diese internationalen Kämpfe der Jugend zusammen führen. Heute ist der Kampf für eine kommunistische Jugendinternationale dringender denn je. Nach dem Vorbild von 1907 wollen wir die Jugend gegen Imperialismus und Krieg zusammenbringen, wollen gegen die verbreiteten libertären und reformistischen Ideologien unter der Jugend ankämpfen. Die Erfahrungen der letzten Krisenjahre zeigen diese Notwendigkeit mit aller Schärfe.

In Griechenland erleben wir eine lang anhaltende revolutionäre Krisenperiode, die die Frage der Machtergreifung der Arbeiterklasse auf die Tagesordnung stellt. Doch vor die Perspektive, der Bildung einer Arbeiterregierung gestellt, schrecken die reformistischen Führer_innen von SYRIZA (wie auch die KKE und Antarsya) zurück. Die einen hoffen auf eine Regierung der nationalen Rettung, die anderen weigern sich für eine Regierung der Arbeiterorganisationen, gestützt auf ein Programm, das mit dem Kapitalismus bricht, zu kämpfen. So lähmen sie die Kräfte der Lohnabhängigen und überlassen die Offensive den Imperialisten, der griechischen Regierung und den Faschisten.

In Frankreich war die „Parti de Gauche“, die Schwesterpartei der LINKEN, euphorisch, als französische Truppen Ende letzten Jahres in Mali landeten, um nach den Worten des sozialdemokratischen Präsidenten Hollandes für die Demokratie zu kämpfen – heißt für das Recht der französischen Kapitalist_innen, weiter die Rohstoffe in Mali auszubeuten. Doch der beste Ausdruck für den Verrat des Reformismus ist, wie bereits 1914, die Politik der SPD, die bürokratische Führung der Gewerkschaften, der die Linkspartei keine grundsätzliche Alternative zu bieten vermag.

Während die ersten beiden sich offen zum deutschen Imperialismus bekennen – so stellte sich Anfang diesen Jahres der DGB-Vorsitzende Sommer hinter die Bundeswehr und Ende letzten Jahres der IGM-Vorsitzende Huber gegen den Widerstand der spanischen Arbeiterbewegung – glänzt die Linkspartei dadurch, dass sie sich von links an die rechte Politik der SPD heranschleichen will. Anstatt ein klares antikapitalistisches Programm aufzustellen und den europaweiten Widerstand nicht nur auf Sonntagsreden zu predigen, sondern zu organisieren, verwaltet sie lieber den kapitalistischen Alltag mit. Dafür wurde sie auch, genau wie die SPD nach der Agenda 2010, auf Landes-, wie auf Bundesebene abgestraft.

Wollen wir eine revolutionäre Alternative dazu aufstellen, müssen wir für die Schaffung einer neuen Jugendinternationale eintreten. Alle Jugendorganisationen, alle Jugendlichen müssen mit den Organisationen der Sozialdemokratie brechen, wollen sie wirklich für eine revolutionäre Politik kämpfen. So kann, auch ein Vorbild für die klassenkämpferischen Arbeiter_innen geschaffen werden, die noch innerhalb dieser Parteien verweilen.

jugend#1

Widerstand braucht Jugend. Jugend braucht Organisation. Organisiere dich mit REVOLUTION für den Aufbau einer neuen Jugendinternationale!

Aber auch alle Jugendorganisationen, alle Jugendlichen, die sich bereits außerhalb dieser Organisationen befinden, können nicht darauf hoffen „nur auf lokaler Ebene“ oder in „autonomer Manier“ den Widerstand zu organisieren. Alle diejenigen, die wirklich für ein revolutionäres Programm kämpfen wollen, die fordern wir dazu auf, für die gemeinsame Aktion, für gemeinsame Absprachen, für eine neue kommunistische Jugendorganisation, eine revolutionäre Jugendinternationale mit uns zu kämpfen!

Ein Artikel von Tobi Hansen und Georg Ismael, REVOLUTION Berlin