Stoppt das Morden, stoppt den Krieg – Im Kongo wie in Palästina

Von Jona Everdeen, Dezember 2023

Während die Welt über den brutalen genozidalen Krieg Israels gegen die Palästinenser_Innen in Gaza spricht und der Krieg in der Ukraine gleichzeitig immer mehr aus dem Rampenlicht verschwindet, redet niemand darüber, dass ein anderer Konflikt, der in der Vergangenheit Schauplatz von zigtausend, wenn nicht gar millionenfachem Morden war, wieder ausgebrochen ist. Die Rede ist vom Kongo und vor allem dessen östlicher Provinz Nord-Kivu. Der Konflikt hat seine Wurzeln im Kolonialismus und für sein erneutes Aufflammen ist sehr maßgeblich der Imperialismus mitverantwortlich. Der Kongo gehört zu den ärmsten der armen Halbkolonien in Afrika und während der Imperialismus ganz aktiv dafür verantwortlich ist, dass die politische Lage dort sehr instabil ist und Konflikte darum kaum befriedet werden können, interessiert das Schicksal der dort lebenden Menschen in den imperialistischen Zentren niemanden.

Von der Kolonie zur Halbkolonie

Der Kongo ist wohl eins der brutalsten Beispiele dafür, wie Kolonialismus und Imperialismus ein Land zerstören können. Der immense Reichtum des Landes an verschiedensten Bodenschätzen spielte dabei eine maßgebliche Rolle, und war bislang stets mehr Fluch als Segen.

So war das Land bereits Opfer einer der brutalsten Kolonialherrschaften unter dem belgischen König Leopold, welcher durch seine private Kolonialmiliz massenhaft Menschen massakrieren und verstümmeln ließ, wenn sie nicht die von ihm geforderten absurd hohen Mengen an Kautschuk lieferten. Doch auch nach der Unabhängigkeit wurde es nicht besser, so sorgten vor allem Belgien und die USA dafür, dass die „Unabhängigkeit“ nach ihren Vorstellungen ablief, ließen den fortschrittlichen Führer der kongolesischen Befreiungsbewegung, Patrice Lumumba, ermorden und unterstützten Joseph Mobutu dabei, eine brutale und extrem korrupte Diktatur aufzubauen. Unter Mobutu ging der komplette Reichtum des Landes an europäische Mächte und eine kleine nationale herrschende Klasse, während das Land verarmte und die Infrastruktur verfiel. Grund für die Unterstützung Mobutus war neben der Garantie, dass europäische Konzerne die Rohstoffminen weiter nutzen konnten, auch, dass Mobutu die Rolle des imperialistischen Gendarms in Zentralafrika einnahm und versuchte, den Einfluss der Sowjetunion in der Region klein zu halten. Aus einer Kolonie, erst des Königs dann des belgischen Staates, war eine Halbkolonie des westlichen Blocks geworden.

Der Kongokrieg – Die Rückkehr eines vergessenen Grauens?

Der jüngst wieder ausgebrochene Konflikt ist Folge der Kongokriege, welche am Ende der Mobutu Diktatur das Land in neuen Schrecken versetzten. Der 2.Kongokrieg, auch „Afrikanischer Weltkrieg“ genannt, zwischen 1998 und 2003 gilt als einer der brutalsten Kriege seit dem 2.Weltkrieg und es wird geschätzt, dass insgesamt rund 6 Millionen Menschen dem Konflikt zum Opfer fielen.

Ein Auslöser für den Krieg war der entsetzliche Genozid im benachbarten Ruanda, wo sich die Tutsi und die Hutu, zwei Volksgruppen, die von den belgischen Kolonialbehörden gegeneinander ausgespielt wurden und seitdem verfeindet waren, extrem brutale Kämpfe lieferten. Diese fanden ihren schrecklichen Höhepunkt im ruandischen Genozid 1994, wo innerhalb von hundert Tagen bis zu eine Millionen Tutsi ermordet wurden. Nach dem Rückzug der Hutu-Milizen ins östliche Kongo, marschierte Ruanda dort ein und es kam dabei zu einer jahrelangen gewalttätigen Eskalation. Den ruandischen Truppen, sowie ihren Verbündeten aus Burundi, Uganda und verschiedenen Milizen gelang es, rund die Hälfte des Kongo zu erobern und teils gewaltsam zu plündern.

Nach dem zunächst vielversprechenden Friedensprozess in den 00er Jahren fand der Konflikt jedoch nie wirklich eine dauerhafte Lösung. Während der Kongo und Ruanda sich in Diplomatie versuchten, führten Hutu-, Tutsi- und andere Milizen immer wieder Kämpfe, vor allem in der Nord-Kivu Provinz. Vor nun etwa zwei Monaten stieß die Tutsi-Miliz „M23“ vor und eroberte mehrere Städte. Aus Angst vor einem neuen großen Krieg ergriffen hunderttausende die Flucht. Vorausgegangen waren dieser Offensive brutale Morde an Angehörigen des Tutsi Volkes im Ostkongo, teilweise wohl durch Unterstützung oder mindestens wohlwollende nicht-Einmischung der kongolesischen Sicherheitskräfte. Der Kongo wiederum wirft Ruanda vor, M23 aktiv zu unterstützen und an den Angriffen in Nord-Kivu beteiligt zu sein und wies den ruandischen Botschafter aus.

Während in der Region die Angst vor einem neuen Kongokrieg wächst, interessiert sich im Westen fast niemand für die dortige Situation. Für westliche Konzerne hat es schließlich keinen Unterschied gemacht, ob mit Ruanda verbündete Milizen oder die kongolesische Regierung ihnen von brutal ausgepressten Arbeiter_Innen, häufig Kindern, gefördertes Gold, Coltan und Kobalt zu Spottpreisen zur Verfügung stellen.

Ringen um Rohstoffe – Wie sich die Weltlage auf den Kongo auswirkt

Was jedoch EU und USA Sorgen bereiten dürfte, ist der zunehmende Einfluss Chinas im Kongo. Während nämlich die westlichen Imperialisten nicht nur beim Kongokrieg einfach zusahen, wie das Land im Chaos versank, solange die Rohstoffe weiter ausgeführt wurden, investiert seit geraumer Zeit China darin, die kaputte und teils kaum vorhandene Infrastruktur des Landes wieder auf- bzw. auszubauen. Dies veranlasst in jüngerer Vergangenheit immer größere Teile der sich inzwischen demokratisch präsentierenden kongolesischen Bourgeoisie dazu, sich stärker hin zu China zu orientieren, welches den Kongo scheinbar zum ersten Mal auf Augenhöhe behandelt und bessere Preise für die Rohstoffe anzubieten scheint. Dass es China in Wahrheit nicht um Hilfe geht, sondern eben darum, selbst ein größeres Stück vom kongolesischen Kuchen abzubekommen, sollte jedem klar sein. Dabei spielt vor allem eine Ressource heute eine Schlüsselrolle: Kobalt. Ähnlich wie in den 00er Jahren bei Coltan findet auch die weltweite Kobaltproduktion zum Großteil im Kongo statt.

Kobalt ist dabei besonders zentral für die als „Grüne Lösung für den Verkehrssektor“ verkauften E-Autos, welche in Wahrheit nicht grün, sondern blutig sind. China, welches versucht, den USA die Vorreiterrolle im Kampf um die neuesten Technologien abzunehmen, braucht dieses Kobalt sowie auch das Coltan aus dem Kongo und fährt entsprechend dessen klassische Strategie: „Wir sind eure Freunde, wir bauen für euch Infrastruktur, dafür kriegen wir eure Rohstoffe. Vom Westen kriegt ihr weniger.“ Ein Deal, den zahlreiche halbkoloniale Regierungen gerne annehmen.

Doch auch wenn die Ausbeutungsbedingungen des chinesischen Imperialismus tatsächlich etwas besser sein können als die Belgiens, Frankreichs oder der USA, ändert das nichts daran, dass auch das imperialistische China den Kongo ausbeuten will, dass es sich um die Kongoles_Innen nicht kümmert, dass es ihm egal ist, ob Kobalt und Coltan unter widrigsten Arbeitsbedingungen von Kindern abgebaut werden, solange die Ressourcen nur in den Fabriken von Shenzen landen statt in denen von Detroit oder Duisburg.

Wenn jedoch tatsächlich der Kongo mehr und mehr von einer Halbkolonie des Westens zu einer Halbkolonie Chinas wird, dann kann es sein, dass der Westen ein aktives Interesse daran gewinnt, das Land noch weiter zu destabilisieren, auch wenn das zum Preis hunderttausender weiterer Toter geschieht. Fakt ist jedenfalls, die Leittragenden im Kampf um Rohstoffe werden weiterhin die kongolesischen Arbeiter_Innen, Bäuer_Innen, Jugendliche und Kinder sein.

Only one Solution – Revolution

Der Kongo ist kein Einzelfall, im Gegenteil: Der absolute Großteil der Konflikte in afrikanischen Ländern haben ihren Ursprung maßgeblich im Kolonialismus und werden heute durch den Imperialismus entweder direkt geschürt oder zumindest einmal begünstigt werden.

Für die Ausplünderung von Ressourcen sowie den Ausbau ihrer geopolitischen Stellung ist imperialistischen Mächten jedes Mittel recht, ganz gleich ob Schuldenfalle, Destabilisierung oder militärische Interventionen. Dabei kann auch der Wechsel der imperialistischen Macht keine Lösung sein, da diese China/Russland, auch wenn sie sich gerne als antiimperialistisch darstellen, selber imperialistische Politik betreiben.

Die einzige wirkliche Lösung ist der Bruch mit dem Imperialismus und der eigenen Bourgeoisie, die mit diesem kooperiert, durch ein Bündnis aus Arbeiter_Innen, kleinen bis mittleren Bäuer_Innen und einfachen Soldat_Innen, das eine sozialistische Revolution durchführt und die Produktionsmittel unter seiner Kontrolle verstaatlicht. Nur so können die Menschen im Kongo von den Ressourcen ihres Landes profitieren, in dem sie die Kontrolle über diese an sich reißen! Indem sie internationale Konzerne, ob nun belgische, französische, US-amerikanische oder chinesische, aus dem Land werfen und die Vasallen der Imperialisten verjagen! Dafür braucht es auch einen Zusammenschluss der Arbeiter_Innen über Volksgrenzen und über Staatsgrenzen hinweg. Die Arbeiter_Innen, Bäuer_Innen und Jugendlichen müssen für die einzige echte Lösung der Krise und das einzige dauerhafte Ende der Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen: Für eine sozialistische Föderation der Völker Afrikas!




Gabun: Der nächste Putsch in Afrika

von Jona Everdeen, September 2023

Nachdem der Putsch in Niger auch über Afrika hinaus Wellen geschlagen hatte und die Situation dort noch immer angespannt ist, kam es jetzt zu einem weiteren Militärputsch auf dem afrikanischen Kontinent, wieder in einer ehemals französischen Kolonie: Gabun.

Wirtschaftliche und politische Lage in Gabun

Während es sich bei Niger um eines der ärmsten Länder der Welt handelt, ist es bei Gabun genau andersherum, zumindest auf dem Papier: das Land hat eines der höchsten BIPs pro Kopf des afrikanischen Kontinents. Diese Zahlen sind jedoch, so wie das BIP generell, sehr missverständlich. So bedeuten sie nicht, dass die ungefähr 2 Millionen Einwohner_Innen Gabuns ein wohlhabendes Leben führen, sie sind im Gegenteil zum großen Teil ähnlich arm wie die Menschen in den meisten anderen afrikanischen Ländern. Was passiert dann aber mit dem Reichtum Gabuns, vor allem entstanden aus dessen Ölreserven, die es sogar zu einem der OPEC Länder machen?

Das gleiche, was in vielen halbkolonialen Ländern passiert: Die Einnahmen aus dem Ressourcenverkauf, das was überhaupt im Gabun blieb und nicht direkt an die zumeist französischen Ölkonzerne ging, wanderten in die Taschen einer winzig kleinen herrschenden Klasse, angeführt von der Bongo-Familie.

Die Bongo-Familie, zunächst durch Omar Bongo, inzwischen durch seinen Sohn Ali, stellt seit nun 56 Jahren den Präsidenten von Gabun. Zumindest bis zum 29.August, als das Militär putschte und Ali Bongo entmachtete.

Dem Putsch vorrausgegangen waren Wahlen, bei denen Ali Bongo mit 64% der Stimmen für seine dritte Amtszeit als Präsident wiedergewählt wurde. Daran wie demokratisch dieses Wahlergebnis ist, kann gezweifelt werden. So war zuvor das Internet abgeschaltet und jegliche ausländische Wahlbeobachtung verunmöglicht worden. Das Militär, das dann putschte, berief sich eben darauf, dass diese Wahl nicht demokratisch gewesen sei und das Land endlich von der Herrschaft der Bongos befreit werden müsse. Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass sich eine Familiedynastie, die vor allem damit auffiel, sich den Ölreichtum des Landes in die eigene Tasche zu stopfen und lediglich eine leicht zu durchschauende Demokratiefassade aufrechterhielt, solange an der Macht halten konnte? Die Antwort auf diese Frage ist wieder einmal einfach und kompliziert zugleich: Imperialismus, um genauer zu sein, der französische.

Eine der wichtigsten Halbkolonien Frankreichs

Die Bongo-Dynastie erfüllt eine bestimmte Funktion für den französischen Staat: Als de facto Statthalter des französischen Imperialismus in Gabun.

So sorgten Omar und Ali Bongo dafür, dass die Interessen Frankreichs immer gewahrt blieben und erhielten im Gegenzug dafür Rückendeckung durch den französischen Staat dabei, sich undemokratisch an der Macht zu halten. Die Bongos treten teilweise gar als Teil der französischen Bourgeoisie auf, besitzen mehrere Dutzend Immobilien in Frankreich und unterstützten in der Vergangenheit immer wieder ihnen genehme politische Kandidat_Innen mit hohen Spenden.

So sorgten sie für eine besonders enge Bindung Gabuns an seine ehemalige koloniale Unterdrückungsmacht, wodurch Gabun zu einer zentralen Halbkolonie Frankreichs wurde.

Für französische Ölkonzerne spielt der Ölreichtum Gabuns eine wichtige Rolle und auch militärisch ist Gabun für Frankreich extrem relevant. So ist dort die Fremdenlegion, eine Art in die französischen Streitkräfte integrierte Söldnertruppe, stationiert, um in der gesamten Region eingesetzt zu werden.

Der Putsch droht nun diese extrem gute Ausbeutungsbedingung für Frankreich zu beenden, wobei bislang noch unklar ist wie die Außenpolitik der neuen Regierung aussehen wird.

Außenpolitische Perspektive: Unklarer als in Niger

Während in Niger sowie zuvor in Mali und Burkina Faso von Anfang an klar war, dass das Hauptanliegen der Putschist_Innen ein Bruch mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und stattdessen eine Zuwendung zu Russland und möglicherweise perspektivisch auch China ist, sieht es in Gabun etwas anders aus.

So ist es durchaus möglich, dass die Putschregierung, dessen neuer Regierungschef Brice Oligui Nguema selber Teil der winzig kleinen aber extrem reichen Bourgeoisie Gabuns ist, bereit ist, die Zusammenarbeit mit Frankreich unter für die nationale Bourgeoisie etwas besseren Bedingungen fortzusetzen. Der Grund für den Putsch war eher, dass die Person Ali Bongo für die herrschende Klasse innenpolitisch nicht mehr tragbar war.

Gleichzeitig ist es jedoch sicherlich auch möglich, dass sich Gabun in Zukunft stärker China zuwenden könnte, das bereits Investments in die Infrastruktur des Landes tätigte und auch an dem Öl und anderen Ressourcen interessiert sein dürfte.

Entsprechend verhalten fiel auch die Reaktion des Westens bisher aus. Zwar wurde der Putsch pro forma verurteilt, jedoch blieben Sanktionen und militärische Drohungen aus und es meldeten sich sogar Stimmen zu Wort, die Verständnis zeigten für den Putsch gegen den korrupten Diktator Bongo. Dies könnte auch als Angebot verstanden werden, dass man die neue Regierung unter Oligui Nguema akzeptiere, solange diese ebenfalls die eigenen Interessen verwirkliche.

Krise des französischen Imperialismus

Selbst wenn ein großes Fiasko wie in Niger ausbleibt, schwächt der Putsch in Gabun die Stellung des französischen Imperialismus weiter.

Aus Francafrique, dem direkt aus dem kolonialen Imperiums Frankreichs entstandene halbkoloniale Imperium, bricht ein Land nach dem anderen heraus. Nachdem die Zentralafrikanische Republik bereits etwas länger an Russland verloren wurde, wandten sich mit Mali, Burkina Faso, Guinea und nun Niger gleich vier Staaten von Frankreich ab und anderen Mächten zu.

Die Zeit, in der Frankreichs Konzerne große Teile Afrikas als ihren Privatbesitz betrachten und nach Belieben ausbeuten können, scheint sich dem Ende zuzuneigen.

Für den französischen Imperialismus stellt dies eine enorme Bedrohung dar, die seine Position in der Welt mittelfristig massiv gefährdet. So ist der enorme internationale Einfluss Frankreichs im postkolonialen Weltsystem, und dazu gehören eben vor allem seine afrikanischen Halbkolonien, auch ein Trumpf gegenüber dem wirtschaftlich deutlich mächtigeren Deutschland innerhalb der europäischen Union. Dies könnte auch dafür sorgen, dass Frankreich sich gezwungen sieht, für die Verteidigung seiner Halbkolonien verstärkt auf die Hilfe seiner europäischen und möglicherweise auch US-amerikanischen Verbündeten zu setzen, wobei auch das sich gerade hochrüstende Deutschland ins Spiel käme. So etwas wäre nicht gänzlich neu. Die Bundeswehr unterstützte Frankreichs militärischen Imperialismus bereits in Mali, bevor der dortige antiwestliche Putsch der Militärintervention ein Ende setzte und die Sicherung der Regierungsgewalt stattdessen in die Hände Wagners legte.

Wie die weitere Entwicklung verlaufen und was die französische Regierung unter Macron tun wird, um zu versuchen, ihren Einfluss in Afrika doch noch zu retten, bleibt schwer vorhersehbar.

Fakt ist aber, dass die derzeitige Entwicklung in Westafrika sehr zu Ungunsten Frankreichs verläuft und die französische Bourgeoisie immer stärker unter Zugzwang gerät, die durch eine gestärkte proletarische Massenbewegung sowie massive Proteste der migrantischen Bevölkerung gegen rassistische Polizeigewalt auch im Inland ohnehin unter Druck steht.

Perspektive vor Ort

Für die Menschen in Gabun selber dürfte sich durch den Putsch wenig ändern. Sie werden nach wie vor von einer reichen herrschenden Klasse unterdrückt, die auch in Zukunft die Öleinnahmen in ihre Tasche wirtschaften und die Ressourcen des Landes im Bündnis mit einer imperialistischen Macht ausbeuten wird, während die Arbeiter_Innen und Bäuer_Innen des Landes weiter in Armut leben werden.

Nicht ein Putsch, sondern nur eine Revolution von unten kann diesen Zustand der doppelten Ausbeutung durch nationale Bourgeoisie und Imperialmacht beenden.

Nur wenn die Arbeiter_Innen und Bäuer_Innen Gabuns gemeinsam im Bündnis mit den einfachen Soldat_Innen aufbegehren, Bongo, Nguema und Co. verjagen und die Rohstoffe sowie deren Fördermittel unter Kontrolle einer Regierung aus Arbeiter_Innen- und Bäuer_Innen-Räten verstaatlichen, ist es möglich, dass in Zukunft die Menschen des Landes von ihrem Ressourcenreichtum profitieren und nicht mehr internationale Großkonzerne und eine für sie arbeitende Herrschaftsclique.

Für uns als Arbeiter_Innen und Jugendliche in den imperialistischen Zentren, in Deutschland und in Frankreich, ist es nötig für die Streichung der Schulden aller halbkolonialen Länder sowie gegen jede militärische Intervention und Sanktion einzutreten. Die Niederlage, der Machtverlust „unseres“ Imperialismus ist für uns nichts Schlechtes, sondern etwas Gutes! Dieselben Konzerne, die in Gabun und Niger die Arbeiter_Innen ausbeuten, tun das auch mit den Arbeiter_Innen aus Paris und Lyon, die Deutsche Bank ist genauso Feind der Menschen in Afrika wie in Europa und so wie sich die Menschen in den Halbkolonien nur durch Revolution und Errichtung einer Räteregierung von Ausbeutung und Unterdrückung befreien können, können auch wir in Europa nur auf diese Art für uns ein Leben ohne Ausbeutung, ohne Unterdrückung und ohne Diskriminierung erkämpfen!




Warum der Ukrainekrieg in Afrika eine Hungerkrise auslöst

Von Jona Everdeen

Wir alle haben schon mitbekommen, dass die Preise für Lebensmittel in Folge der aktuellen Krise immer weiter angestiegen sind und dass ein Ende aufgrund der zunehmenden Inflation noch nicht in Sicht ist. Für uns als Arbeiter_Innen und als Jugendliche ist das ein großes Problem, da wir uns vieles, was früher zu unseren Grundnahrungsmitteln gehörte, so zum Beispiel den Döner in der Mittagspause, nicht mehr leisten können und für viele Familien besteht die reale Gefahr, in diesem Winter teilweise hungern zu müssen. Doch auch wenn die Lage hier in Europa ernst ist, sind diese Probleme im Vergleich zu den katastrophalen Folgen der Krise für die Ernährung im globalen Süden noch relativ überschaubar. Ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine und verstärkt durch die Klimakrise, die auch in Afrika für eine Dürreperiode sorgte, droht vielen Menschen eine katastrophale Hungerkrise. Doch wie konnte es soweit kommen?

Was ist eine Hungerkrise?

Von einer Hungerkrise kann man dann sprechen, wenn signifikante Teile der Bevölkerung eines Landes oder einer Region nicht mehr in der Lage sind, ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen, weil diese entweder nicht verfügbar oder nicht bezahlbar ist. Menschen sind dann akut von Unterernährung betroffen und vom Hungertod bedroht. Traditionell waren und sind Hungerkrisen meist das Resultat von Kriegen oder schweren Naturkatastrophen vor Ort, doch in der Welt des globalisierten Imperialismus können auch externe Einflüsse für Länder im globalen Süden katastrophale Folgen haben, so wie in diesem Fall die russische Invasion auf die Ukraine und der daraus resultierende Krieg.

Was hat der Ukrainekrieg damit zu tun?

Russland und die Ukraine sind weltweit die beiden größten Exporteure für Getreide. Zusammen stellen sie ein Drittel der Weizen- und Gerstenproduktion, also von Grundnahrungsmitteln, die vor allem für Länder ohne eigene Produktion unverzichtbar sind. Gleichzeitig ist Russland auch noch der weltweit größte Exporteur für in der Landwirtschaft benötigte Düngemittel.

Nun konnten jedoch große Teile der ukrainischen Ernte durch die Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen nicht exportiert werden, während gleichzeitig die Ausfuhr russischer Lebens- und Düngemittel von westlichen Sanktionen erschwert wird. Durch diese verfahrene Situation entsteht eine Verknappung, wodurch die Preise für Lebensmittel massiv in die Höhe geschnellt sind. Und auch wenn sich die Situation der ukrainischen Getreideexporte inzwischen etwas entspannt hat, bleibt die Lage extrem kritisch.

Doch dabei stellt sich vor allem eine Frage: Warum sind Länder im globalen Süden, vor allem in Afrika, von Lebensmittelexporten aus Russland und der Ukraine abhängig, obwohl es dort doch auch jahrhundertelang gut funktionierende Landwirtschaft gab? Die Antwort auf diese Frage ist so einfach wie bitter: Imperialismus.

Was war nochmal Imperialismus?

Imperialismus bedeutet, in sehr verkürzter Darstellung, die wirtschaftliche Unterwerfung eines Landes durch das Kapital eines (oder mehrerer) anderer Länder. Man spricht dann davon, dass das wirtschaftlich abhängige Land eine Halbkolonie des anderen Landes ist.

Viele Länder des globalen Südens sind in irgendeiner Form von eben dieser imperialistischen Ausbeutung durch Länder des globalen Nordens betroffen. Konzerne aus imperialistischen Ländern wie den USA, der EU, China auch Russland kontrollieren de facto die Wirtschaft des jeweiligen Landes und passen sie mittels ökonomischer Zwänge, vor allem Verschuldung und Handelsabkommen, ihren Bedürfnissen an.

Die beiden wohl wichtigsten Arten imperialistischer Ausbeutung sind einmal die Schaffung eines billigen Absatzmarktes für Produkte aus der Produktion des imperialistischen Staates und andererseits die Ausbeutung der Ressourcen des halbkolonialen Staates.

Und genau das sind die Gründe warum viele Staaten des globalen Südens so stark von Lebensmittelimporten abhängig sind: Einerseits wurde in vielen Regionen des globalen Südens bereits zur Kolonialzeit die lokale Landwirtschaft durch Monokulturen von im globalen Norden nicht verfügbaren pflanzlichen Ressourcen ersetzt, so zum Beispiel Zuckerrohr, Kaffee oder Ölpalmen. Andererseits werden die Lebensmittelmärkte der betroffenen Länder von wesentlich günstigeren Produkten aus der Produktion von Konzernen des globalen Nordens überschwemmt. Durch Handelsabkommen mit entsprechenden Knebelverträgen sichern sich imperialistische Länder die optimalen Bedingungen für den Export und Verkauf ihrer Produkte in der halbkolonialen Welt und verhindern deren eigenständige und profitable Produktion.

Konsequenzen:

Das Resultat dieser Praxis ist dann unter anderem, dass in den fruchtbarsten Regionen Kenias zu großen Teilen keine Lebensmittel für die Bevölkerung vor Ort angebaut werden, sondern hier stattdessen Zierpflanzen für den westlichen Blumenmarkt wachsen, da die Klima- und Lohnbedingungen den Blumenkonzernen besonders hohe Profite versprechen.

Und selbst wenn doch Lebensmittel von westlichen Großkonzernen in Afrika produziert werden, werden diese nur selten auf dem lokalen Markt verkauft, sondern meist nach Europa, Nordamerika oder China verschifft und auf den dortigen Märkten profitabel verkauft. Dadurch, dass sie großenteils für internationale und nicht für den eigenen Markt produzieren, sind Länder im globalen Süden und vor allem in Afrika, unglaublich stark abhängig vom Weltmarkt. Ist die ökonomische Lage gerade schlecht, bricht einerseits der Absatzmarkt für viele Produkte, wie eben Blumen, Kaffee und ähnliches, ein, andererseits werden die notwendigen Importe von Grundnahrungsmitteln und anderen essentiellen Gütern teurer.

Manche Länder des globalen Südens versuchen, um der Ausbeutung durch die imperialistischen Westmächte zu umgehen, neue Bündnisse mit China oder Russland zu schmieden, so zum Beispiel Sambia mit China oder die Zentralafrikanische Republik mit Russland, jedoch ist auch dies keine Lösung. Zwar gelingt es den Ländern dadurch die Beherrschung durch die westlichen Imperialisten abzuschütteln oder zumindest zu verringern, dafür werden sie nun zu Halbkolonien der nicht weniger ausbeuterischen östlichen Imperialisten.

Zusätzliche Faktoren für die Krise sind auch noch einerseits die Klimakrise, an deren Entstehung die Länder des globalen Südens kaum beteiligt waren, von der sie jedoch bereits jetzt extrem stark in Form von Dürreperioden betroffen sind. Andererseits aber auch die extreme Abhängigkeit der noch existierenden regionalen Landwirtschaft von Großkonzernen, die ein Monopol auf Saatgut und Düngemittel besitzen (so zum Beispiel Bayer/Monsanto). Besonders schwer trifft diese Abhängigkeit zum Beispiel indische Bäuerinnen und Bauern, die sich von Bayer die Kaufpreise für das benötigte Saatgut diktieren lassen müssen, um weiter Landwirtschaft führen zu können. Dies führte in jüngerer Vergangenheit zum Bankrott zigtausender Höfe und einer massiv überproportionalen Suizidrate unter indischen Bäuerinnen und Bauern.

Für eine eigenständige Lebensmittelproduktion unter Arbeiter_Innenkontrolle!

Es gibt nur eine Möglichkeit, diese Probleme zu lösen und die aktuelle Hungerkrise nachhaltig zu bekämpfen: Die Arbeiter_Innen in halbkolonialen Ländern müssen die Kontrolle über ihre Produktion zurückerkämpfen und diese planwirtschaftlich gestalten, nach dem Prinzip der Bedürfnisbefriedigung und nicht der Profitmaximierung.

Um dies zu erreichen, muss die Macht der imperialistischen Staaten, ihrer Banken und ihrer kapitalistischen Großkonzerne gebrochen werden. Bayer, Monsanto, Nestle und Co. müssen international vertrieben und enteignet werden. Bäuerinnen und Bauern, Arbeiter_Innen, Jugendliche und alle Ausgebeuteten müssen sich zusammenschließen und die meist autokratischen Kollaborationsregierungen zu Fall bringen und durch sozialistische Räteregierungen ersetzen. Diesen Bewegungen müssen wir uns mit unseren lokalen Antikrisenbewegungen anschließen und unsere Kämpfe zusammenführen!

Im Moment werden genug Nahrungsmittel produziert, um damit 10 Milliarden Menschen zu versorgen. Dass es zu Hunger kommt, dass immer noch Millionen Menschen unterernährt und vom Hungertod bedroht sind, und dass sich diese Zahl bald massiv erhöhen könnte, ist keine Folge von realem Ressourcenmangel, es ist eine Folge der kapitalistischen Eigentumsordnung, eine Folge des Systems, in dem tonnenweise essbare Lebensmittel eher vernichtet werden, als sie unter dem Marktpreis zu verkaufen. Wenn wir wirklich den Welthunger ein für alle mal beseitigen wollen, dann ist es unsere einzige Möglichkeit dieses System, den Kapitalismus, ein für alle mal zu beseitigen!

Wir sind solidarisch mit den möglichen und teilweise bereits stattfindenden Hungerrevolten, sowie mit allen progressiven antiimperialistischen und sozialistischen Kräften des globalen Südens und fordern deshalb:

  • die Einführung eines Mindestlohns gemessen an den Lebenserhaltungskosten und mit Inflationsbindung für alle Arbeiter_Innen weltweit!
  • die Enteignung der Großkonzerne und die Überführung der Produktionsmittel, sowohl in Landwirtschaft als auch in Bergbau, Industrie und Dienstleistung, in Arbeiter_Innen-Kontrolle!
  • Internationale Handelsabkommen zur Ausbeutung halbkolonialer Länder müssen sofort aufgekündigt werden und imperialistische Länder sich aus deren Märkten zurückziehen!
  • Schluss mit Patenten auf Saatgut und Düngemittel!
  • die sofortige Streichung aller Schulden, die Länder des globalen Südens an westliche, russische oder chinesische Banken binden, sowie die Bereitstellung von Soforthilfen finanziert durch Besteuerung und Enteignung der Profiteure imperialistischer Ausbeutung!



Alle Jahre wieder Lockdown. Wie kann es der letzte werden?

Von Dilara Lorin

Wieso sind wir eigentlich nicht überrascht darüber, dass wir diesen Winter wieder in der mittlerweile 4. Corona-Welle stecken? Unterbewusst war es uns doch klar, dass Corona nicht über den Sommer verschwinden wird und auch wenn die Gedanken darüber immer weiter kollektiv verdrängt wurden, wussten wir, dass wir der Realität einer fortlaufenden Pandemie ins Auge blicken müssen. Die 4. Welle ist mitten in Deutschland angekommen: Die Inzidenzen liegen bundesweit seit mehreren Wochen über ca. 25.000 Neuinfektionen, seit Beginn der Pandemie sind mehr als 100.000 Menschen an Corona verstorben und die Zahlen sinken kaum und aufgrund von Meldeverzug in den Ämtern und Staus in den Laboren sinken die wahren Infektionen wahrscheinlich gar nicht ab. Schaut man sich die Karte zu den Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner_Innen binnen der letzten 7 Tage an, sieht man dunkelrote bis pinke oder lilane Flecken- das heißt wir haben ausschließlich 200er- bis über 1000er-Inzidenzen pro Landkreis. Am meisten stechen dort Ost- und Süddeutschland hervor, wo es keinen Landkreis gibt, der aktuell unter 600 Infektionen pro 100.000 Einwohner_Innen liegt.
Obendrauf verbreitet sich die Omikron-Variante in der Bevölkerung immer weiter, welches einen noch krasseren Schwenk in der aktuellen schon krassen Situation verursachen wird. Nun hört man vermehrt: „Ja impfen bringt ja eh nichts, man wird trotzdem krank. / Wir müssen einfach lernen mit der Pandemie zu leben und der natürlichen Auslese freien Lauf lassen“ und auf der anderen Seite werden Stimmen laut, die eine Impfflicht fordern, während die Schulen offen bleiben und Arbeiter_Innen jeden Tag zur Arbeit gehen müssen. Wir wollen in diesem Artikel auf verschiedene Strategien der Pandemiebekämpfung eingehen und unsere Perspektive aufzeigen.

Die Schulen werden durchseucht – Wir Jugendlichen müssen darunter leiden

Am schlimmsten sieht die Karte Deutschlands für die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner_Innen für Jugendliche aus: Bei den 5- bis 14-Jährigen gibt es kaum Landkreise, die unter 400 Neuinfektionen liegen! Wie denn auch, wenn die Schulen offen sind, die erst allmählich geimpften Schüler_Innen jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule fahren und kaum Lüftungsanlagen installiert wurden, obwohl seit Anfang der Pandemie davon gesprochen wird, dass es notwendig ist und die Hygienebedingungen genauso scheiße sind wie vor der Pandemie? Wird ein_e Schüler_In in der Klasse positiv getestet und berichtet dies der Schule, dann geht oftmals nur der_die Banknachbar_In in Quarantäne und wenn es hoch kommt, die Person die vor Ihnen saß, aber die Klasse selber bleibt in der Schule. In den Klassen wird oftmals schon lange nicht mehr die Maske komplett über den ganzen Tag getragen, gelüftet wird auch immer weniger bei diesen niedrigen Temperaturen. Und was passiert mit den Schüler_Innen, welche sich in Quarantäne begeben? Sie haben dadurch einen Nachteil, obwohl sie sich und andere mit dieser Maßnahme schützen. Den Unterricht müssen sie selbst nachholen, Haufen von Arbeitsblättern mit Inhalten, die sie sich selber beibringen sollen und wenn die Quarantäne vorbei ist, sollen sie alle Klassenarbeiten und Test oftmals an 1-2 Tagen nachholen. Der Notendruck und Prüfungsstress ist gefühlt um das Doppelte angestiegen und genauso leidet die Psyche vieler Schüler_Innen.

Wie können wir zulassen, dass die Schulen durchseucht werden, während die Pandemie etliche Menschen das Leben kostet und die neu aufkommenden Varianten immer härter bei Jugendlichen wirken? Wie kann es sein, dass die Ampelkoalition kaum etwas zur Lage in den Schulen sagt, es kaum Berichtserstattungen darüber gibt? Wir können das nicht mehr einfach so hinnehmen! Wir brauchen eine Bewegung, die Forderungen nach einem sicheren Schulalltag erkämpft. Sichere Schule heißt: Lüftungsanlagen, Test für alle egal ob geimpft oder ungeimpft, Masken für alle und gute Hygienebedingungen im Schulgebäude. Wenn die Inzidenzen auf eine immer drastischere Situation hinführen, dann brauchen wir die Möglichkeit, den Unterricht online durchzuführen und dafür muss jeder_m Schüler_In ein Endgerät vom Staat und gute Internetverbindung zur Verfügung gestellt werden. Wenn der Staat Milliarden für die Rettung der Lufthansa ausgeben kann, dann kann er auch Millionen gute Laptops zur Verfügung stellen. Gleichzeitig muss es für Schüler_Innen, welche zu Hause keine gute Lernatmosphäre haben oder sich dort aus anderen Gründen nicht wohl fühlen, die Möglichkeit geben, die leeren Räume der Schule zu nutzen.

Und nun? Was muss gemacht werden?
Es ist ein Skandal, dass der Ampel nach so langer Zeit der Pandemie nichts einfällt, außer Masken und Lüften, das Schließen der Restaurants etc. ab 20 Uhr und bei einer Inzidenz über 1000 dürfen sich Geimpfte nur mit einem Ungeimpften treffen. Wir brauchen stattdessen einen solidarischen und wirtschaftlichen Lockdown, der konsequent aber dadurch kürzer ist. Damit meinen wir nicht „Bleibt alle zu Hause, falls ihr es euch leisten könnt“, sondern es bedeutet, dass bis auf Notversorgung wir alle zu Hause bleiben, uns aber der/die Arbeitgeber_In den Lohn weiterbezahlt. Jetzt gerade landet das in den Taschen der CEOs und Besitzenden, während wir uns jeden Tag der Gefahr aussetzen, uns oder andere anzustecken.
Die bürgerlichen Medien vermitteln die Illusion, dass durch eine Impfpflicht das Problem gelöst werden könnte, während diese Diskussion eher eine Schattendiskussion ist, da es in der aktuell neu eskalierenden Situation (Hohe Inzidenzzahlen, Omikron, Überlastung des Gesundheitssystems…) am Kern des Problems vorbeigeht. Dass kapitalistische Staaten immer mehr dazu „gezwungen“ sind, zu so drastischen Maßnahmen wie der Impfpflicht zu greifen, kommt daher, dass die Corona-Gesundheitskrise immer mehr die Krise des nationalstaatlich organisierten Kapitalismus aufzeigt und dabei immer deutlicher macht, wie unfähig das System ist, die Pandemie schnell, effizient und global zu bekämpfen. Denn eins ist klar: Einzig und allein zu fordern: „Lasst euch impfen“, wird die Pandemie nicht aufbrechen. Wir brauchen keine Aufforderungen und Lösungsvorschläge, die nur auf das Handeln eines Individuums abzielen, sondern wir brauchen eine globale Zero-Covid Strategie, wobei erkämpft werden muss, dass die Patente auf die Impfstoffe freigegeben werden! Denn wenn sich die imperialistischen Staaten durchimpfen lassen, aber die halbkoloniale Welt nicht das Geld dazu hat, den Impfstoff zu kaufen oder wegen der Patente gar selbst zu produzieren, dann werden nicht nur weiter abertausende Menschen sterben, sondern immer neue Mutationen entstehen, bei denen irgendwann auch der aktuelle Impfstoff nicht mehr wirken wird. Dabei spielt die EU eine unrühmliche Rolle, die die Blockade der Freigabe durchsetzt (siehe Bild).

Außerdem kann eine globale Kampagne, die zur Impfung aufklärt und jeder_m diese umsonst zur Verfügung stellt, mehr dazu beitragen, dass sich viele Menschen impfen lassen als eine Pflicht und Geldstrafen.

Impfpflicht- Ja oder Nein?
Eine Impfpflicht wäre unter 2 wichtigen Voraussetzungen die richtige Entscheidung: Erstens unter der Bedingung, dass die Pflege massiv ausgebaut wird, höhere Bezahlung der Beschäftigten durchgesetzt wird und mehr Investitionen in das Gesundheitssystem stattfinden. Zweitens: Wenn es kollektive und mobile Impfteams in jeder Nachbarschaft gibt, die von Tür zur Tür gehen und die Leute impfen können. Damit spart man sich schon einmal stundenlanges Schlangestehen vor den Impfzentren, wofür momentan viele Arbeiter_Innen einen ganzen freien Tag nehmen müssen. Mit gutem Beispiel geht dabei Kuba voran: Sie entwickelten nicht nur ihren eigenen Impfstoff, sondern setzten besagte mobile Impfteams ein und führten mittels Nachbarschaftshilfen eine kollektive Impfkampagne durch, sodass aktuell 82,6% der Kubaner_Innen vollständig geimpft sind.
Wir müssen bei einer global organisierten Kampagne vor allem bedenken, dass wir uns impfen lassen, um die Gefährdung von Risikopatient_Innen durch eine Infektion soweit wie möglich zu minimieren. Dabei stellen wir bewusst das Selbstbestimmungsrecht der potentiell Betroffenen, nicht zu erkranken, über unser Recht, uns nicht zu impfen. Dabei ist zu bemerken: Wirkliche Nebenwirkungen nach einer Impfung treten nur bei 0.02% auf, aber ganze 14% der Corona-Infektionen haben einen schweren Verlauf- das ist ein 700-mal höheres Risiko, wenn man davon ausgeht, dass die Herdenimmunität das Ziel ist, also die meisten entweder geimpft oder genesen sein müssen.

Wir müssen uns also bewusst machen, dass die Pandemie nicht einfach so verschwinden wird, wenn wir nur einen Hebel bewegen, aber alle Bedingungen, die eine effektive globale Eindämmung bis heute verhindern, außer Acht lassen. Wir müssen anfangen, mit weltweiten Forderungen zu kämpfen: Es wird uns in Deutschland, Singapur oder Kanada nichts bringen, wenn wir durchgeimpft sind aber der Rest der Welt unter der Pandemie leidet und nicht an Impfstoffe herankommt, weil die Pharmakonzerne lieber Profit damit machen, als Menschenleben zu retten. Wir brauchen eine Bewegung, die die durch die Corona-Krise hervorgehobenen Probleme als Produkte des kapitalistischen Systems erkennt und international als Arbeiter_Innen und Jugendbewegung für folgende Forderungen kämpft:

  • Für einen globalen und solidarischen Wirtschaftslockdown bei vollen Lohnfortzahlungen!
  • Konsequente Durchsetzung von effizienten Hygienekonzepten in Schulen & Unis!
  • Kostenlose Endgeräte, gute Internetverbindungen und sichere Lernräume, für alle, die im Homeschooling lernen!
  • Freigabe der Impfpatente und faire Verteilung der Impfstoffe und Produktionsmöglichkeiten!
  • Mobile Impfteams in jeder Nachbarschaft!
  • Aufrüstung des Gesundheitssystems und höhere Löhne für die Beschäftigten statt einmaliger Corona-Boni!



Myanmar – Volksaufstand gegen die Militärdiktatur

Seit Anfang Februar sorgt
ein Land in Südostasien für Schlagzeilen: Der Militärputsch in
Myanmar brachte die Regierung der sozialdemokratischen NLD (Nationale
Liga für Demokratie) zu Fall, die zuvor einen Erdrutschsieg bei den
Parlamentswahlen erreicht hatte. Der zumindest teilweise
demokratische Parlamentarismus dauerte nur zehn Jahre und könnte nun
im Versuch des Militärs enden, wieder eine uneingeschränkte
Diktatur herzustellen.

Zum Land selbst

Bis heute ist das an
Indien, China und Thailand grenzende Myanmar extrem arm. Es hat ein
BIP von 70 Mrd. bei einer Bevölkerung von 54 Millionen und gehört
damit weltweit zum untersten Fünftel des BIP pro Kopf. 26% leben in
totaler Armut. 70% der Bevölkerung hat keinen Strom, ebenso viele
leben auf dem Land. Lange Zeit wurde das Land vom Militär
diktatorisch geführt, 2010 kam dann die allmähliche wirtschaftliche
und politische Öffnung. Das Wirtschaftswachstum war durch den Handel
und die Auslandsinvestitionen eines der schnellsten der Welt. Obwohl
auch Wahlen stattfanden, die die NLD an die Macht brachten, blieb das
Militär politisch und wirtschaftlich als bestimmender Machtfaktor
bestehen und völlig ohne demokratische Kontrolle.

Der Volksaufstand

Ende November wurde in
Myanmar die sozialdemokratische NLD als Regierung bestätigt, die
trotz der festen 25% Sitze der Militärpartei USDP die absolute
Mehrheit verteidigte. Aufgrund fadenscheiniger Anschuldigungen, dass
dies der NLD nur durch Wahlbetrug gelungen wäre, hat das Militär am
1.2.2021 die Macht übernommen. Der Sturz der Regierung durch das
Militär blieb von den Völkern Myanmars nicht unbeantwortet. Anfangs
wurden gewaltige Massendemonstrationen organisiert. Bald darauf
erschütterten Streiks das Land, wobei Arbeiter_Innen aus dem
Gesundheitssektor diesen Weg zuerst beschritten und ihre Klasse so in
den Kampf führten. Auch ein Großteil der Bankarbeiter_Innen und der
Staatsbürokratie traten in den Ausstand und paralysierten so die
Regierung. Der Protest war so heftig, dass das Militär die Kontrolle
über Teile des Landes verlor. Die Repression wurde jedoch immer
extremer: Mittlerweile sind über 740 Menschen (Stand 22.04.2021) vom
Militär ermordet worden, Tausende verschleppt, jeder Protest wird
sofort angegriffen. Dies hat zwar die gigantischen
Massendemonstrationen beendet, nicht jedoch die Bewegung allgemein.
Momentan besteht die Taktik der Demonstrant_Innen darin, Barrikaden
zu errichten, kurz zu demonstrieren und sich dann schnell wieder zu
verteilen, bevor das Militär die Demos mit Scharfschützengewehren,
Handgranaten und Maschinengewehren zerschlagen kann.

Im Hintergrund der
Proteste existieren die Umrisse einer zweiten Regierung. Sie besteht
aus der NLD und dem „Generalstreik Komitee“. Vor allem letzteres
hat aktiv an der Organisierung der Proteste gearbeitet, indem es
viele nationale Minderheiten und Gewerkschaften vereint, die seit der
politischen und wirtschaftlichen Öffnung des Landes legalisiert, vor
allem aber neu gegründet wurden. In mächtigen Streiks, wie z.B. im
Krankenhaussektor oder in der sehr großen und wachsenden
Textilindustrie haben sie in den letzten Jahren erfolgreich ihre
ersten Feuertaufen gemeistert. Seit dem Putsch sind die
Gewerkschaften sprunghaft gewachsen und bilden das stählerne
Rückgrat der Bewegung.

Die Jugend ist
furchtlos

Die Proteste auf der
Straße selbst werden jedoch vor allem von Jugendlichen getragen.
Wieder einmal ist die Jugend die gesellschaftliche Kraft, die die
Speerspitze der Kämpfe bildet und auch den höchsten Blutzoll zahlen
muss. Sie haben den größten Teil ihres Lebens noch vor sich und
sind nicht bereit, ihn in einer noch größeren Unterdrückung und
Armut zu verbringen, als sie es ohnehin schon erleben, denn in einer
isolierten Diktatur kann es keine Perspektive für sie geben.
Prognosen gehen davon aus, dass bis 2022 die Hälfte der Bevölkerung
unter die Armutsgrenze rutschen wird. Besonders stark betroffen sind
davon vor allem Frauen und Kinder, was es notwendig macht, die Kämpfe
gegen Repression und Frauenunterdrückung zu verbinden. Die
barbarischen Gewalttaten des Militärs gegen friedliche
Demonstrant_Innen vermitteln zudem ein ziemlich klares Bild davon,
wie das zukünftige Militärregime aussehen würde. Der Mord an ihren
Mitstreiter_Innen hat sie in ihrem wirklich beeindruckenden
Kampfgeist bisher nur gestärkt: Die Opfer sollen nicht umsonst
gewesen sein und deshalb wird nur eine völlige Niederlage des
Militärs akzeptiert! Dieser Aktivismus und Mut sollte Aktivist_Innen
weltweit ein leuchtendes Beispiel sein.

Das Militär kann
geschlagen werden!

Die unterdrückten
Völker Myanmars

Eine in Myanmar besonders
wichtige Frage ist die der unterdrückten Nationalitäten. Fast 1/3
der Bevölkerung besteht aus nationalen Minderheiten, die durch das
Militär unzählige grausame Verbrechen wie Krieg, Vertreibungen und
Völkermorde erleben mussten. Da sich die Lage auch unter der
„Demokratie“ kaum geändert hat, wie der Genozid an den Rohingya
2017 beweist, waren die ethnischen Minderheiten von der NLD-Regierung
zurecht enttäuscht. In dem Chaos des Volksaufstandes haben sich die
ca. 20 Milizen nationaler Minderheiten gegen den Putsch gestellt. Sie
haben die Demonstrationen geschützt oder ihren Kampf gegen das
Militär mit Unterstützung der Bevölkerung erfolgreich ausgeweitet.
Wichtiges Beispiel ist die Eroberung eines Militärstützpunktes
durch Milizen der Karen Ende April.

Die burmesische Mehrheit
muss den nationalen Minderheiten uneingeschränktes
Selbstbestimmungsrecht einräumen. Das würde die Minderheiten mit
großer Achtung gegenüber dem burmesischen Volk erfüllen und sie zu
treuen Verbündeten im Kampf gegen das Militär machen. Die
Nationalitäten Myanmars könnten so geeint und Myanmar zu einer
Föderation gleichberechtigter Völker werden.

Risse im Militär

Das Niederschießen der
eigenen Bevölkerung hat auch Risse im Sicherheitsapparat erkennen
lassen. Einzelne Polizist_Innen flüchteten nach Indien, nachdem sie
sich weigerten, Schießbefehle auszuführen. Obwohl es viel Unmut
gibt, hat es jedoch bisher keine Meutereien gegeben. Solange das
nicht passiert, ist das Regime relativ sicher. Es wäre also ein
entscheidender Schritt, die einfachen Soldaten auf die Seite der
Proteste zu ziehen. Es sind schon Videos aufgetaucht, in denen
Demonstrant_Innen diese angefleht haben, nicht zu schießen. Auch
Schilder und Flyer, die sich an die unteren Soldaten richten, können
helfen, sie zum Aufstand zu motivieren. Die beste Versicherung, den
Kadavergehorsam im Militär zu brechen, ist und bleibt jedoch, zu
beweisen, dass man bereit ist, bis zum Sieg voranzuschreiten. Streiks
in den vielen militäreigenen Betrieben sind dabei entscheidend. Mit
der hartnäckigen Unterdrückung des Aufstandes wird eine solche
Entwicklung jedoch unwahrscheinlicher.

Internationale
Solidarität

Bei einer Militärparade
Ende März waren ranghohe Vertreter_Innen Russlands, Indiens,
Thailands, Bangladeschs, Laos, Vietnams, Chinas und Pakistans
zugegen. So haben die Nachbarländer Myanmars den Putsch und die
Massaker demonstrativ gebilligt. Außerdem wird von der ASEAN (der
Staatenbund Südostasiens) höchstens zu einem „Ende der Gewalt“
aufgerufen, ohne sich zu positionieren. Natürlich haben sie die
berechtigte Angst, dass eine siegreiche Bewegung in Myanmar der
Startschuss für ähnliche Bewegungen in ganz Asien sein könnte. Die
unterdrückten Klassen in Asien müssen ihren Regierungen deshalb mit
Demos und Streiks zeigen, dass sie es nicht widerstandslos hinnehmen
werden, wenn ihre Klassengeschwister in Myanmar ermordet werden. So
würden gleichzeitig die Völker Myanmars unterstützt und der
eigenen Regierung der Kampf angesagt werden. Das kann zum Sturz der
Regierungen des Kapitals in Asien führen und ein Schritt in eine
neue sozialistische Gesellschaft darstellen.

Verfassungsgebende
Versammlung und Generalstreik

Die Entwicklung in
Myanmar in den letzten 10 Jahren hat gezeigt, dass eine bürgerliche
Herrschaft nur limitierte Freiheiten bringen kann, die jederzeit
wieder rückgängig gemacht werden können. Der Weg zu einer
befreiten Gesellschaft kann also nicht über den Zustand von vor dem
Putsch führen. Richtigerweise fordern die Völker Myanmars eine
verfassungsgebende Versammlung, die die kapital- und
militärfreundliche Verfassung von 2008 abschafft. Dies kann jedoch
nur mit einem unbefristeten Generalstreik erreicht werden. Die
Generalstreiks im Februar und März lassen erahnen, was möglich ist,
doch ein unbefristeter würde dem Militär die Kontrolle über das
Land vollständig entziehen und in der Lage sein, eine alternative
Herrschaftsform gestützt auf die Unterdrückten und Ausgebeuteten
hervorzubringen.

Eine neue Verfassung
sollte demokratische Freiheiten, wie Organisation, Versammlungs- und
Redefreiheit garantieren. Doch dabei dürfen sie nicht stehenbleiben!
Nur wenn die Bewegung weitergehende Forderungen gegen Kapital und
Korruption annimmt, sich damit zu einer Bewegung für den Sozialismus
entwickelt, können diese Freiheiten erkämpft und dauerhaft
gesichert werden. Die Verteilung des Landes an die Bäuer_Innen und
die Enteignung der Fabriken müssen deshalb durch die Verfassung
vorbereitet werden. Volksmilizen müssen das Militär zerschlagen und
die neue sozialistische Verfassung mit dem Gewehr verteidigen. Die
NLD als bürgerliche Partei ist dabei hinderlich. Ihr völliges
Versagen haben wir 2011-2021 erleben dürfen. Sie ist korrumpiert und
unbrauchbar. Es muss deshalb eine eigene sozialistische Partei
gegründet werden, die in der Lage ist, die bitternötigen
Forderungen Wirklichkeit werden zu lassen.

Deshalb hoch die
internationale Solidarität, Nieder mit den Generälen, Sieg den
heldenhaften Arbeiter_Innen und Bäuer_Innen Myanmars!




Landgrabbing in Lateinamerika – Raub der Lebensgrundlage

In Entwicklungs- und Schwellenländern – wir sagen dazu Halbkolonien, da sie ökonomisch meist von einem imperialistischen Land beherrscht werden – findet sehr starke Ausbeutung und Unterdrückung an der dortigen Bevölkerung statt. Häufig ist es sehr schwer einen Arbeitsplatz zu finden, oder von diesem zu überleben. Viele Menschen sind daher auf die Landwirtschaft angewiesen. Meist um sich selbst zu ernähren, seltener um noch einen geringen Teil ihrer Waren an andere zu verkaufen. Alles, was diese Menschen besitzen, ist ein Stück Land, doch auch diese existenzielle Lebensgrundlage wird ihnen vielerorts genommen. Meist passiert dies durch ausländische Investor_Innen oder gar ganze Staaten. Viele Kapitalist_Innen aus Industriestaaten besitzen in Halbkolonien riesige Landflächen die einzig und allein dafür genutzt werden, um Waren zu produzieren und diese zurück in die Industrieländer zu exportieren.

Natürlich geben die Bauern/Bäuerinnen die Fläche nicht freiwillig her. Manche bekommen tatsächlich auch Pacht bezahlt, allerdings meist in sehr kleinen Summen, wie z. B. drei Dollar pro Monat, von denen keinesfalls eine ganze Familie leben kann. Oft wird ihnen auch versprochen, dass ihr Dorf ein Krankenhaus oder eine Schule bekommt, im Gegenzug dafür, dass sie ihr Land hergeben. Doch dies bleiben meist nur Versprechungen und die Menschen haben nicht nur ihr Land verloren, sondern auch ihre Beschäftigung sowie die Lebensgrundlage ihrer Familien.

Manchmal kommt es jedoch noch schlimmer. An manchen Orten werden nicht einmal leere Versprechungen gemacht. Bauern und Bäuerinnen werden regelrecht von ihren Ländereien vertrieben, um Platz für internationale Investor_Innen zu machen. Kommt es hierbei zu Gegenwehr, wird kurzerhand die Ernte beschädigt oder man brennt die ganze Landfläche inklusive Wohnhaus nieder. Ist dies nicht genug, kann es auch zu körperlicher Gewalt bis hin zu Mord kommen, entscheiden sich die Bauern/Bäuerinnen nicht zur „Korporation“. All das fällt unter den Begriff „Landgrabbing“.

Soja – einer der vielen Gründe für arbeitslose Bauern/Bäuerinnen

Besonders gut lässt sich „Landgrabbing“ am Beispiel der Sojabohne erklären. Die Sojabohne ist zurzeit ein Lebensmittel, das weltweit nachgefragt wird. Für viele ist es nicht nur gesund, sondern der Lebensmittelersatz schlecht hin. Zusätzlich wird Soja in der Fleischindustrie zu Tausenden Tonnen als Tierfutter verwendet. Doch an ihrem Vertrieb verdienen viele große Kapitale: z. B. Monsato, hinsichtlich des internationalen Handels, Bayer, hinsichtlich der Pestizide und Dünger, sowie Volvo, hinsichtlich der Produktion der landwirtschaftlich erforderlichen Geräte. Nicht zu vergessen sind Investmentbanken wie Goldman Sachs, die das „Landgrabbing“ finanzieren oder durch Spekulationen auf Lebensmittel ihren Beitrag zur miserablen Lage leisten.

Alleine in der Savanne Cerrado in Brasilien lebten Mitte des 20. Jahrhunderts bis zu 50 indigene Völker, die heute der Produktion von Sojabohnen weichen mussten. Diese Savanne ist ungefähr 6-mal so groß wie Deutschland und besitzt das größte Ökosystem der Erde. Doch wenn so weiter gewirtschaftet wird wie bisher, wird 2030 von dieser Fläche nichts mehr übrig bleiben.
2007 haben in Brasilien durch Landraub 2,9 Millionen Menschen ihr Zuhause und ihre Existenz verloren, in Argentinien und Paraguay betraf es 150.000 bis 300.000 Familien. Diese blieben logischerweise nicht auf dem Land, sondern gingen in Hoffnung auf Arbeit in die Städte, um dort enttäuscht zu werden und in Armenvierteln zu leben.
Der deutsche Staat ist direkt involviert in diesen Landraub für Sojaproduktion, denn der Agrarfond der Deutschen Bank ist am argentinischen Konzern Cresud beteiligt, welcher viel Land in Südamerika zur Sojaproduktion besitzt.

Nicht alle geben auf – der Kampf um die Ackerfläche

Doch nicht alle Menschen in Südamerika lassen sich ihres rechtmäßigen Landes berauben. Sie geben nicht auf und wehren sich gegen diese meist illegale Enteignung ihrer Wirtschaftsflächen. Es gibt einige Initiativen wie zum Beispiel die brasilianische Landlosenbewegung MST, eine Massenorganisation, welche radikal für selbstbestimmte Wiederaneignung kämpft und unter anderem Felder besetzt und Großkundgebungen durchführt. Ihre Anfänge sind in der späten Industrialisierung Brasiliens 1970 zu finden. Damals kämpfte man dafür, dass die Felder keinen Fabriken weichen mussten. Die MST hatte vor allem Anfang des 21. Jahrhunderts mit starken und gewaltsamen Repressionen seitens des Militärs und der Polizei zu kämpfen. Sie werden mittlerweile jedoch von der Regierung anerkannt. An der Durchsetzung ihrer Forderungen zur Rückgabe des Landes an sie hat das nicht viel geändert. Höchstens ein Drittel wurde zurückgegeben.

Doch nicht nur gewaltsame Niederschlagungen von Protesten sind in Südamerika gang und gäbe, viele der Aktivist_Innen werden wie zum Beispiel in Kolumbien auch einfach in überfüllte Gefängnisse gesperrt und warten dann unter unmenschlichen Zuständen auf ihre Entlassung. Mit bis zu 70 Menschen müssen sie sich die wenigen Quadratmeter für Monate teilen. Viele der Insassen werden nicht nur körperlich, sondern auch geistig krank. Einige leiden an Schizophrenie und Depressionen. Medizinische wie auch psychologische Hilfe wird ihnen nicht bereitgestellt.

Jeglicher Kampf gegen Landraub ist unserer Meinung nach legitim und unterstützenswert. Jedoch muss diesem Kampf auch eine Perspektive gegeben werden, welche nur im Bündnis mit der Arbeiter_innenklasse zu finden ist. Auch in halbkolonialen Ländern ist die Arbeiter_innenklasse durch ihre gesellschaftliche Stellung in der Lage die demokratischen wie auch sozialen Probleme der jeweiligen Länder zu lösen. Die Erfahrung der MST in Brasilien zeigt jedoch, dass ein solches Bündnis zwischen Bauern/Bäuerinnen und der Arbeiter_innenklasse auf revolutionäre Füße gestellt werden muss. Hat die Zusammenarbeit der MST mit der reformistischen Regierungspartei Partido dos Trabalhadores (PT), nicht zur Durchsetzung ihrer Ziele geführt. Eine solche Zusammenarbeit muss ein revolutionäres Programm zum Inhalt haben und nur in Verbindung mit der Theorie der „Permanenten Revolution“ erfolgreich sein. Eine Theorie, welche die demokratischen Fragen und Probleme der Halbkolonien mit den sozialen Fragen und Probleme des Kapitalismus national wie auch international verknüpft und Antworten dafür bereithält.

VON LEONIE SCHMIDT

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Warum verhungert Afrika?

Die Hungersnot am Horn von Afrika, die sich seit Mitte diesen Jahres enorm verschärft hat, ist längst von einer Krise zu einer Katastrophe übergegangen. Bereits jetzt sind 11,5 Millionen Menschen bedroht, 500.000 Kinder in einem „lebensgefährlichen Zustand“ (UNICEF) und zehntausende verhungert.

Hungersnot in Afrika; Quelle: http://www.fews.net/pages/region.aspx?gb=r2, public domain

Endlose Mediendebatten und Millionen von Dollar, die an die weltweit größten humanitären Hilfsorganisationen gespendet wurden, haben sich als nutzlos im Kampf gegen Epidemien wie Cholera oder Masern herausgestellt. Die Zahl der Menschen im größten Flüchtlingslager der Welt, das sich in Kenia befindet, ist bereits auf 400.000 angestiegen. Täglich kommen 1.500 neue Flüchtlinge an, die vor dem Hungertod oder dem Konflikt in Somalia und Äthiopien fliehen. Kommt man in diesen Lagern an, ist man eine_r von Tausenden, die bis zu 12 Tage auf Essen, ein Obdach und medizinische Versorgung warten müssen. Angesichts des Ausmaßes der Krise ist es nicht überraschend, dass Spendenaktionen es nicht in den Griff bekommen, sich wirklich um die Armut und die Lebensmittelknappheit zu kümmern, die einen ganzen Kontinent verwüstet.

Der wesentliche Grund in der Unfähigkeit der „Hilfsorganisationen“ ist jedoch, dass diese nicht an der Ursache der Krise ansetzen, sondern nur versuchen deren Symptome abzuschwächen. Zwar leisten tausende von Helfern wertvolle Dienste um Menschenleben zu retten, dennoch werden damit die Grundlagen für die Entstehung von Hungerkrisen nicht angekratzt.

Ursachen für die Hungerkrise…

Quelle: Dr. Lyle Conrad / public domain / US Federal Government / Wikimedia

Quelle: Dr. Lyle Conrad / public domain / US Federal Government / Wikimedia

Hunger ist keineswegs ein nur aus geographischen und klimatischen Verhältnissen entstehendes Phänomen. Ein Naturereignis, wie die momentan am Horn von Afrika vorherrschende extremste Dürre seit 50 Jahren, wird erst in Zusammenhang mit der Verwundbarkeit sozialer Gruppen zu einer Naturgefahr oder –katastrophe. Katastrophen sind also nicht „natürlich“ sondern entstehen erst durch Zusammentreffen mit den lokalen sozio-ökonomischen Bedingungen. Wie in der Karte zur Nahrungsmittelunsicherheit sichtbar, folgen die unterschiedlichen Grade der Krise in vielen Regionen politischen Grenzen.

Ein wesentlicher Grund für die hohe Verwundbarkeit der betroffenen Bevölkerung ist der seit 1988 anhaltende Bürgerkrieg in Somalia, der eine katastrophale Versorgungslage bedingt. Unter tatkräftiger Mitwirkung westlicher Geheimdienste und Militärs (auch deutscher) wird dort im Namen des „Krieges gegen Terror“ versucht, eine „Regierung“ zu installieren, welche über keinerlei Rückhalt unter der Bevölkerung verfügt. Mord und Totschlag sind die direkten Folgen, eine verminderte Fähigkeit zur Reaktion auf Krisen die indirekten, jetzt sichtbaren Folgen, zu denen auch die islamistischen al-Shabab Milizen wesentlich beigetragen haben.

Die globale politisch-ökonomische Lage verschärft die Situation für die Hungernden weiter. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2007 wird verstärkt in die vermeintlich sichere Anlagemöglichkeit „Rohstoffe“ investiert und spekuliert. Dazu zählen auch Grundnahrungsmittel. Die Folge ist ein massiver Anstieg der Nahrungsmittelpreise durch die fiktive hohe Nachfrage. Der wachsende Trend der Lebensmittelspekulation entblößt die widerwärtige Logik des internationalen Finanzkapitals. Durch das Aussinnen von endlosen Finanzschemata machen Banken wie „Barclays Capital“ Profite in Millionenhöhe durch Lebensmittelspekulationen.

Zwar lassen sich die Ursachen für den Anstieg der Nahrungsmittelpreise nicht nur auf Spekulation reduzieren, doch gibt selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), welches nicht für seine antikapitalistischen Publikationen bekannt ist, den Einfluss von Spekulation mit einer 20-prozentigen Preissteigerung an. Weiterhin sind auch die verstärkte Verwendung von Nahrungsmitteln für „Bio“-Treibstoffe, der schwache Dollarkurs, ordnungspolitische Maßnahmen (Exportverbote etc.) oder das veränderte Nahrungsverhalten in China und Indien (mehr Fleischkonsum) für die Steigerung der Weltmarktpreise verantwortlich.

Eines wird dabei jedoch deutlich: das mangelnde globale Lebensmittelangebot, von dem uns immer erzählt wird, ist (sogar laut FAO) erfunden. Der Rekordwert von über einer Milliarde chronisch unterernährten Menschen im Jahr 2009 fiel mit der im Jahr 2008 vorausgegangen Rekordgetreideernte zusammen.

Die Auswirkungen der steigenden Nahrungsmittelpreise sind für einen großen Teil (den armen Teil) der Weltbevölkerung verheerend. Allein im Jahr 2007, dem Zeitpunkt des Ausbruchs der Finanzkrise, schätzt die FAO einen Anstieg der Zahl chronisch unterernährter Menschen um 75 Millionen. Im Gegensatz zu den Bossen der Banken werden die unter steigenden Nahrungsmittelpreisen leidenden Menschen am Horn von Afrika jedoch nicht mit Milliarden von Euros/Dollars von den Regierungen, speziell der industriellen Länder, gerettet.

Im Würgegriff des Imperialismus!

Auch ohne militärische Konflikte und verschärfende Entwicklungen ist der afrikanische Kontinent seit mehr als einem Jahrhundert unter dem Joch imperialistischer Nationen. Trotz der formalen politischen Unabhängigkeit dieser Länder zwingt sie der Imperialismus in die wirtschaftliche Versklavung. Monokulturelle Wirtschaft, bestrafende Schuldenrückzahlungen, IWF- und Weltbank-Programme sorgen dafür, dass Rohstoffe und in Afrika geleistete Arbeit dazu dienen, die Unterschiede zwischen den Industrienationen und Afrika aufrecht zu erhalten oder sogar zu vergrößern. Als Marxisten sprechen wird deshalb nicht von „Entwicklungsländern“, sondern von Halbkolonien. Diese Länder werden zwar (meistens) nicht mehr direkt besetzt, sind jedoch wirtschaftlich nach wie vor unter Kontrolle der imperialistischen Staaten. Der Kampf gegen Hunger und Armut muss sich auf die Wurzeln des Problems konzentrieren – die systematische Ausbeutung durch das Kapital imperialistischer Staaten wie Deutschland, Großbritannien, die USA oder China im Sinne ihrer Profitmaximierung.

Dabei wird deutlich, dass dieses Problem nicht durch das Einkaufen von „Fair-Trade-Produkten“ oder das Spenden an Hilfsorganisationen gelöst werden kann. Schon allein dadurch, dass deren Methoden überwiegend auf dem kapitalistischen System beruhen („fairer“ kapitalistischer Handel, Einrichtung „demokratisch“ kapitalistischer Systeme, reaktionäre religiöse Propaganda) ist auf diese Weise keine Überwindung der grundlegenden Probleme möglich.

Hunger ohne Ende?

Die klar in Zusammenhang mit den Hungerkrisen der letzten Jahre zu bringenden Revolten auf mehreren Kontinenten zeigen einerseits, wie dramatisch die Lage für die Armen dort ist. Sie zeigen jedoch auch, dass die Lösung des Problems, die Überwindung des Kapitalismus durch einen revolutionären Sturz, notwendiger denn je ist.

Nur eine demokratisch, durch Räte kontrollierte, geplante Wirtschaft kann die Irrlogik des Kapitalismus überwinden, in der gehungert wird, obwohl in den Industrienationen über die Hälfte des Essens bereits vor dem Verkauf weggeschmissen wird. Ein System, in dem Millionen hungern, während eine kleine Elite damit verdient, dass Felder und Produktionsstätten brachliegen.

Wir müssen der kapitalistischen Klasse die Kontrolle über die Produktionsmittel entreißen. Nur die Klasse, welche die Mehrheit der Bevölkerung ausmacht, die internationale Klasse der Arbeiter gemeinsam mit der Jugend, verarmten Schichten und (landlosen) Bauern, hat ein Interesse an geplanter Produktion und Verteilung. Wir treten deshalb für ein gesellschaftliches System ein, das die Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung befriedigt, nicht die Profitinteressen der „Wall Street Spekulanten“ – den Kommunismus!

Einige von euch werden sich vielleicht wundern, warum der Text ein neuer ist beziehungsweise, warum der Artikel weiter vorne auf der Liste erschienen ist. Der Grund dafür liegt in Diskussionen, die wir in unserer Leitung über die Genauigkeit und Korrektheit des damaligen Textes hatten. Wir waren der Auffassung, dass etliche wichtige Fakten fehlten und die konkrete Situation speziell in Somalia und Äthiopien nur unzureichend beschrieben wurde. Daher entschlossen wir uns den Text zu überarbeiten. Die Grundlegenden Auffassungen warum es Hunger gibt und wie er überwunden werden kann, sind jedoch gleich geblieben. An unserer generellen Analyse hat sich nichts verändert.