Corona, Krise und doppelte Belastung der Frauen

Jaqueline Katherina Singh, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung
Nr. 9

Seit mehr als einem Jahr stellt die Pandemie unser Leben auf den
Kopf. Rund 110 Millionen Menschen sind (Stand: Mitte Februar 2021)
offiziell am Corona-Virus erkrankt, beinahe 2,5 Millionen sind
verstorben. Ausgangsbeschränkungen, Atemschutzmasken,
Arbeitslosigkeit – die Liste mit Dingen, die nun zu unserem Alltag
gehören, ist lang. Angst um Freund_Innen, Familie, die eigene
Existenz. Gerade Letzteres stellt sich für viele Arbeitende.

Denn das Corona-Virus hat eine Wirtschaftskrise, die sich bereits
vorher abzeichnete, ausgelöst und massiv verschärft. Unter anderem,
da – anders als bei der Finanzkrise 2007/08 – fast alle Länder
gleichzeitig erfasst wurden. Der Internationale Währungsfonds (IWF)
geht in einem Bericht davon aus, dass die Pandemie alle Fortschritte
in der Bekämpfung der globalen Armut seit den 1990er Jahren
zunichtegemacht hat. Die soziale Ungleichheit hat sich 2020 drastisch
weiter verstärkt. Das bedeutet, dass jene, die schon vorher am
Existenzminimum gelebt haben, noch weniger besitzen sowie kleinere
Verbesserungen, die in den letzten Jahren errungen werden konnten,
verschwinden.

Die Krise heißt Kapitalismus

Als Ergebnis der Finanzkrise 2007/08 konnten wir in den letzten
Jahren eine stetige Zuspitzung von imperialistischen Konflikten
wahrnehmen – ob durch Interventionen in der Ukraine, Syrien, die
stetigen Drohungen gegen den Iran oder den Handelskrieg zwischen den
USA und China. Gerade Letzterer stellt eine direktere Konfrontation
zwischen zwei imperialistischen Mächten dar, bei der es nicht nur um
ein bloßes Kräftemessen geht. Vielmehr ist es die Zuspitzung der
Frage, welche Kraft den Weltmarkt in ihrem Interesse neu gestaltet –
die niedergehende, über Jahrzehnte vorherrschenden USA oder China
als neue, aufstrebende Macht. Die jetzige Krise wird die
Verteilungskrise und den existierenden Machtkampf massiv verstärken.
Die Frage der Verfügbarkeit medizinischer Versorgung, insbesondere
des Impfstoffes, ist in mehrfacher Weise mit dem Kampf um die
Neuaufteilung der Welt verbunden.

Zum Ersten sichern sich alle imperialistischen Mächte einen
privilegierten Zugang zu den Impfstoffen und räumen den Markt
faktisch leer. Hinzu kommt, dass die großen Konzerne, die fast
ausschließlich in den kapitalistischen Zentren angesiedelt sind, für
Jahre enorme Monopolprofite wittern, auf Patentrechten und damit dem
Ausschluss von Milliarden Menschen vom bezahlbaren Zugang zu den
Impfstoffen beharren. Während die Bevölkerung der imperialistischen
Staaten bis Ende 2021 geimpft werden kann, sollen in vielen Ländern
Afrikas, Lateinamerikas und Asiens selbst „optimistischen“
Vorhersagen zufolge nur 20 % diesen Schutz erhalten.

Die dramatisch wachsende globale Verschuldung verschärft die
Ungleichheit noch weiter. Während die USA, China oder auch die EU
mit Milliardenausgaben die unmittelbaren Wirkungen der Krise
kurzfristig mildern und Konjunkturprogramme auf den Weg bringen
können, ist dieser Weg den meisten Ländern des globalen Südens
verschlossen. Sie können allenfalls auf eine kurzfristige Aussetzung
des Schuldendienstes für über den IWF oder andere Institutionen
vermittelte Kredite hoffen. Diese Last wird sie noch mehr von den
Zentren der Weltwirtschaft und des Finanzkapitals abhängig machen –
mit extremen Folgen für Milliarden Lohnabhängige, Bauern und
Bäuerinnen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass selbst wenn die
imperialistischen Zentren durch Impfungen wieder versuchen, zum
Regelbetrieb zurückzukehren, die Lage sich nicht von alleine
entspannen wird. Während die nationalen Regierungen für größere
Konzerne Rettungspakete schnüren, wird versucht werden, die
entstandenen Kost auf die Arbeiter_Innenklasse abzuwälzen:
Massenentlassungen, Einsparungen im sozialen Bereich neben der
stetigen Gefahr von Mutationen des Virus, die gegen den Impfstoff
resistent sind. Es stellt sich also die Frage: Wer zahlt für die
Kosten der Krise und die Folgen der Pandemie? Und während der
Machtkampf unter den Kapitalfraktionen noch läuft, ist zugleich
klar, dass sie alle versuchen werden, die Kosten auf die
Arbeiter_Innenklasse abzuwälzen. Im Folgenden wollen wir einen
Überblick darüber geben, wie die Belastung für Frauen aus der
ArbeiterInnenklasse seit Ausbruch der Pandemie zugenommen hat,
welchen Problemen sie sich verschärft gegenübersehen, um dann auf
die Ursachen der Unterdrückung und die Frage des Kampfes dagegen
einzugehen. Schließlich stellen sie einen maßgeblichen Teil der
Arbeiter_Innenklasse dar und haben aufgrund ihrer sozialen
Unterdrückung mit spezifischen Angriffen zu kämpfen.

Frauen sind in vielen der am stärksten von Covid-19 betroffenen
Branchen überrepräsentiert, z. B. in der Gastronomie, im
Einzelhandel und in der Unterhaltungsbranche. So arbeiten 40 Prozent
aller erwerbstätigen Frauen – 510 Millionen weltweit – in den am
stärksten betroffenen Branchen, verglichen mit 36,6 Prozent der
erwerbstätigen Männer. International stellen Frauen 70 % des
Personals in sozialen und Pflegeberufen.

Kurzarbeit und Entlassungen

Auch die ersten großen Entlassungswellen betrafen vor allem
Sektoren, in denen Frauen überrepräsentiert sind wie Einzelhandel,
Gastgewerbe und Tourismus. Eine statistische Erhebung aus den USA
zeigt, dass Frauen in verschiedenen Branchen stärker vom
Arbeitsplatzverlust betroffen sind als Männer. Im Freizeit- und
Gastgewerbe waren vor der Pandemie 52 % der Beschäftigten
Frauen, aber 54 % der Entlassenen sind weiblich. Im Bildungs-
und Gesundheitswesen stellten Frauen 77 % der Arbeitskräfte,
aber 83 % der Entlassenen; im Einzelhandel 48 % der
Beschäftigten, 61 % der Arbeitsplatzverluste; in den Kommunal-
und Landesverwaltungen schließlich 58 % der Belegschaften, aber
63 % der Freigesetzten.

Laut Zahlen der ILO verdienten 2018 61 % der globalen
Erwerbsbevölkerung (2 Milliarden Menschen) ihren Lebensunterhalt in
der informellen Wirtschaft, davon sind rund 50 % Frauen. Für
diese Menschen bedeutet das, dass sie über keinen einklagbaren
Arbeitsvertrag, keine Arbeitslosenversicherung oder damit
vergleichbare Absicherung verfügen.

Frauen stellen zwar die Hälfte der Menschen im informellen
Sektor, sie sind aber vor allem im globalen Süden überrepräsentiert.
So arbeiten in Südasien über 80 % aller Frauen außerhalb der
Landwirtschaft im informellen Sektor, in den Ländern südlich der
Sahara 74 %, in Lateinamerika und der Karibik 54 %.

Besonders betroffen von der Krise sind oft WanderarbeiterInnen. So
haben in Indien mindestens 40 Millionen ArbeitsmigrantInnen von heute
auf morgen ihren Job und ihre Unterkunft verloren. Sie müssen 100 –
1.000 Kilometer zurück zu ihren Familien reisen, denen sie meistens
selbst Geld schicken, also die sie eigentlich finanzieren.
Schätzungen gehen davon aus, dass 660.000 bis 1,5 Millionen
MigrantInnen in Lagern untergebracht wurden, wo sie minimale
Essensrationen erhielten.

Frauen sind jedoch nicht nur als überausgebeutete
Lohnarbeiterinnen betroffen. In vielen Ländern der halbkolonialen
Welt waren sie im Zuge von „Entwicklungshilfe“ oft auch
Empfängerinnen sog. Mikrokredite. In Jordanien beispielsweise
erhielten rund 70 % der Frauen solche. Unter den Bedingungen von
Corona und der Krise können viele ihre Raten nicht mehr tilgen, sind
nicht zahlungsfähig, was in manchen Ländern mit Gefängnisstrafe
geahndet werden kann.

Wir sehen anhand dieser Beispiele, dass arbeitende Frauen auch
ökonomisch besonders stark von der Krise betroffen sind – und
diese wird so schnell nicht nachlassen.

Gesundheit

Aufgrund der Pandemie liegt der Fokus des Gesundheitssystems auf
der Bekämpfung der Krankheit. Dies ist an sich sinnvoll. Aber da es
ohnedies schon einen Mangel an medizinischem Personal und
Einrichtungen gibt, bedeutet das auch, dass diese anderswo fehlen. So
können wir aktuell in vielen Ländern einen Anstieg der Mütter- und
Kindersterblichkeit beobachten.

Der Zugang zu hygienischen Produkten und Verhütungsmitteln wird
durch Verdienstausfälle erschwert, deren Produktion teilweise
ausgesetzt. In Indien wurden während der ersten Wochen des Lockdowns
Binden nicht als essentiell betrachtet. Mädchen hatten aufgrund der
Schließung von Schulen keinen Zugang. NGOs und Hilfsorganisationen
schätzen, dass allein in Indien mindestens 121 Millionen Frauen
keinen Zugriff auf Güter zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse
hatten, wobei ländliche Regionen und Kleinstädte besonders
betroffen waren.

Zusätzlich wird der ohnedies schon eingeschränkte Zugang zu
Abtreibungen weiter erschwert. UN-Schätzungen zufolge könnte die
Corona-Krise zu 7 Millionen ungewollten Schwangerschaften führen.
Zum einen, da der Zugang zu Verhütungsmitteln erschwert ist, zum
anderen, da die sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen massiv
zugenommen hat und sie noch mehr an die Familie und damit an
Ehemänner gebunden sind. Dort, wo Schwangerschaftsabbrüche legal
sind, wurde der Zugang zu Beratungsgesprächen massiv eingeschränkt,
da viele Praxen und Familienplanungszentren ihr Angebot reduzierten.
In 8 US-Bundesstaaten liefen während des ersten Lockdowns Verfahren,
da Abtreibungen auf die Liste der „nicht dringlichen“
medizinischen Behandlungen gesetzt worden sind.

Gewalt gegen Frauen

Zugleich verschärft sich die Lage der Frauen in Familien und
Beziehungen. Der Bevölkerungsfonds der UN (United Nations Population
Fund, bis 1987: United Nations Fund for Population Activities; UNFPA)
rechnet mit 31 Millionen zusätzlichen Fällen von häuslicher Gewalt
in 6 Monaten des Lockdowns. Wir haben es hier mit einem globalen,
keinesfalls mit einem regionalen Problem zu tun.

In Frankreich nahmen mit der Ausgangssperre 2020 die Fälle
häuslicher Gewalt um 30 Prozent zu. Die französische Regierung
kündigte zudem an, bis zu 20.000 Zimmern in Hotels für Betroffene
zu reservieren, in französischen Einkaufszentren wurden 20
Beratungsstellen eingerichtet.

Allein in den ersten beiden Aprilwochen 2020 gab es im Vergleich
zum Vorjahreszeitraum einen 47 %igen Anstieg der Anrufe bei der
spanischen Hotline für häusliche Gewalt. Die Zahl der Frauen, die
sich per E-Mail oder über soziale Medien an die von der Regierung
als wesentlich eingestuften Unterstützungsdienste wandten, soll um
bis zu 700 % gestiegen sein. Sichtbar wird das Ausmaß des
Problems, wenn man die bestehende Infrastruktur für von Gewalt
betroffene Frauen betrachtet.

So mangelt es in Deutschland seit Jahren an Plätzen in
Frauenhäusern. Bis heute stehen rund 6.800 Plätze zur Verfügung,
obwohl sich Deutschland schon 2017 verpflichtet hat, mindestens
21.400 zu schaffen. Kurzfristig hätte hier durch Nutzung
leerstehenden Wohnraums, wegen der Pandemie nicht belegter Hotels und
Ferienwohnungen etwas Abhilfe geschaffen werden können – doch
Fehlanzeige. Hinzu erschweren die soziale Isolierung und Quarantäne
die Lage der Frauen. Mit Tätern eingeschlossen, kannst du nicht
einfach verschwinden und dich um die Kinder kümmern, die ebenfalls
krasser Gewalt ausgesetzt sind.

Homeoffice und unbezahlte Hausarbeit

Grundsätzlich leisten Frauen nach wie vor weit mehr unbezahlte
Hausarbeit als Männer. Im Zuge von Corona wurden Schulen und
Kindergärten geschlossen, ist Pflegeunterstützung im Haus oft
weggefallen oder reduziert.

Hinzu kommt, dass Homeoffice und Kinderbetreuung nur schwer
vereinbar sind. Das zeigt sich in Deutschland daran, dass 40 %
der Personen mit Kindern unter 14 Jahren die Tätigkeit im Homeoffice
als äußerst oder stark belastend einschätzen gegenüber 28 Prozent
der Befragten ohne Kinder. 1,5 Millionen Alleinerziehende – davon
sind 90 % Frauen – sind noch mal stärker betroffen.

Ein Teufelskreis

Viele Frauen arbeiten im Caresektor und in sog. systemrelevanten
Berufen. Sie sind oft einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt,
gleichzeitig aber auch von Entlassungen am stärksten betroffen. Das
bindet sie ökonomisch stärker an die Familie, macht sie schutzloser
gegenüber häuslicher Gewalt. Zusätzlich steigt die reproduktive
Arbeit, die im Haushalt getätigt werden muss, was die
Doppelbelastung der Frauen erhöht. Sie werden also unter Bedingungen
einer kapitalistischen Krise, die durch die Pandemie verstärkt wird,
mehr in die klassische, reaktionäre Geschlechterrolle gedrängt.
Auch wenn jetzt die Kontaktverbote gelockert werden, wird es keine
Rückkehr zur ohnedies zweifelhaften „Normalität“ geben.
Vielmehr drohen im Zuge der Wirtschaftskrise mehr Entlassungen und
massive Sozialkürzungen.

Warum ist das so?

Um die aktuelle Situation zu verändern, ist es essentiell zu
verstehen, warum Corona sowie die Wirtschaftskrise
Frauenunterdrückung verstärken und woher diese überhaupt kommt.
Dazu gibt es zahlreiche theoretische Ansätze und diverse Lösungen
von verschieden feministischen Strömungen, auf die wir an dieser
Stelle nicht eingehen können. Stattdessen beschäftigen wir uns mit
der Position von Revolutionär_Innen.

Frauenunterdrückung existierte schon lange vor dem Kapitalismus
und nahm in allen Klassengesellschaften eine systematische Form an.
So war z. B. die bäuerliche Familie im Feudalismus Produktions-
und Reproduktionseinheit. Für den Kapitalismus ist freilich typisch,
dass sich die Funktion von Haushalt und Familie für die unterdrückte
Klasse gegenüber früheren Klassengesellschaften ändert. Im
Kapitalismus werden Produktion und Reproduktion getrennt und
natürlich hat die Familie/PartnerInnenschaft für die
ArbeiterInnenklasse und für die besitzenden Klassen auch eine
unterschiedliche Funktion. Für Erstere dient sie in erster Linie zur
Reproduktion der Ware Arbeitskraft, während sie für KapitalistInnen
essentiell für die Vererbung der Produktionsmittel ist.

Auch wenn dieses „Ideal“ der ArbeiterInnenfamilie global
betrachtet oft gar nicht der Realität entspricht, so übernimmt der
Kapitalismus eine schon vorher existierende geschlechtsspezifische
Arbeitsteilung, die dadurch, dass der Lohn des Mannes als
„Familienlohn“ gesetzt wird, während die Frau nur
„dazuverdient“, selbst befestigt und reproduziert wird. Die
bürgerliche Familie, die auch als Norm in der ArbeiterInnenklasse
ideologisch und repressiv durchgesetzt wird gegenüber anderen
Formen, reproduziert die geschlechtliche Arbeitsteilung und diese
verfestigt wiederum die Familie als scheinbar „natürliche“ Form
des Zusammenlebens.

Warum sind Frauen stärker betroffen?

Diese Form der geschlechtlichen Arbeitsteilung bedeutet auch, dass
Frauen oft von Krisen besonders stark betroffen sind. Gerade in
solchen Perioden wird die Reproduktionsarbeit im Kapitalismus
systematisch ins Private gedrängt. Kosten für v. a.
öffentliche Kindererziehung, Kranken- und Altenpflege erscheinen als
unnütze, unproduktive Arbeit, da sie oft keinen Mehrwert für ein
Kapital schaffen. Das heißt nicht, dass es nicht nützliche Arbeiten
sind. Aber da sie sich nicht im gleichen Maßstab wie andere, z. B.
industrielle, verwerten lassen, erscheint z. B. Carearbeit im
öffentlichen Krankenhaus oder die Arbeit der Erzieherin in einer
Kita nur als Kostenfaktor, der gefälligst reduziert oder ganz
eingespart werden soll.

Daher verbleibt auch die individuelle Kindererziehung, Pflege von
Alten in der Familie – und es erziehen und pflegen dabei in erste
Linie Frauen. Dabei kann diese Operation durchaus widersprüchlich
sein, weil eigentlich auch das gesellschaftliche Gesamtkapital unter
bestimmten Bedingungen mehr weibliche Arbeitskraft und damit auch
eine teilweise Vergesellschaftung der Hausarbeit (z. B. durch
mehr Kindergärten, bessere Kantinen …) braucht.

In Krisenzeiten müssen aber Kosten gespart werden durch Absenkung
der Löhne, Verlängerung der Arbeitszeit, Kurzarbeit, Entlassungen,
aber auch und vor allem durch Kürzungen im sozialen Bereich
insgesamt. Frauen fungieren so als „flexible“ Aufstockerinnen,
besonders leicht verschiebbarer Teil der industriellen Reservearmee,
die zuerst ins Private gedrängt werden und sich eher um Familie
kümmern, aber bei besserer Konjunktur auch wieder leicht und
schlechter bezahlt einsetzbar sind.

Wir sehen hier also auch, woher der Gender Pay Gap
(geschlechtsspezifischer Lohn- und Gehaltsunterschied) kommt. Der
Lohn des Mannes wird historisch als Familienlohn gesetzt (der auch
die Kosten zur Reproduktion der Familie einschließt). Die Arbeit der
Frau erscheint dabei nur als „Zuschuss“, als „Aufstocken“.
Das Ganze bildet einen Elendskreislauf, der sich in einem gewissen
Maß selbst reproduziert: Basierend auf der geschlechtlichen
Arbeitsteilung geht der Mann arbeiten, weil er mehr verdient – und
weil der Mann mehr verdient, bleibt die Frau zu Hause. Somit
reproduziert sich die geschlechtliche Arbeitsteilung gleich mit.

Kämpfe der ArbeiterInnen- und der Frauenbewegung haben zwar
wichtige Verbesserungen errungen, aber eine wirkliche Gleichheit
konnte nie erreicht werden, weil die unterschiedlichen Löhne in der
geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und im privaten Charakter der
Hausarbeit wurzeln. Gerade in Krisen stehen wir immer wieder vor der
Gefahr eines Rollbacks.

Forderungen

Auch wenn sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen in
den verschiedenen Ländern und Regionen sehr unterschiedlich
darstellen, so gibt es doch einige gemeinsame Forderungspunkte, die
für eine internationale Bewegung von großer Bedeutung sind:

Gesundheitsschutz für alle!

Kostenloser Zugang für alle, insbesondere auch Frauen aus dem
„globalen Süden“, zu Gesundheitsversorgung sowie zu
Corona-Impfstoffen und -Tests. Die Produktion und Verteilung der
Impfstoffe muss der Kontrolle der privaten Konzerne entzogen werden.
Nein zum Impfstoff-Nationalismus der imperialistischen Staaten, für
die Aufhebung der Patente und einen internationalen Plan zu raschen
Produktion und Verteilung. Streichung der Schulden der Länder der
„Dritten Welt“ und Finanzierung der Gesundheitsversorgung und der
Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung (inklusive der Versorgung bei
Quarantänemaßnahmen) durch einen internationalen Plan, finanziert
von den reichen Ländern und durch die Besteuerung von Vermögen und
Kapital!

Gleiche Arbeit, gleicher Lohn!

Dies beinhaltet auch Forderungen wie jene nach einem Mindestlohn
oder nach Abschaffung aller Formen informeller, prekärer Arbeit
durch tarifliche Löhne und Gehälter, verknüpft mit der nach
Kontrolle dieser Maßnahmen durch Komitees der ArbeiterInnenklasse,
insbesondere der Lohnarbeiterinnen. Keine Entlassungen und volle
Bezahlung aller Beschäftigen während der Lockdowns bei Schließung
aller nicht-essentiellen Wirtschaftsbereiche, um eine
Zero-Covid-Strategie durchzusetzen. Anhebung der Renten,
Arbeitslosenunterstützung zumindest auf Höhe des Mindestlohns.
Kontrolle der Gewerkschaften und von Ausschüssen der ArbeiterInnen
über diese Maßnahmen.

Selbstbestimmung über den eigenen Körper!

Diese muss das Recht auf Empfängnisverhütung, die kostenlose,
sichere und frei zugängliche Abtreibung beinhalten. Sie inkludiert
auch den Schutz vor häuslicher Gewalt, Scheidungsrecht, rechtliche
Gleichheit, den massiven Ausbau von Schutzräumen wie Frauenhäusern
sowie den Aufbau von Selbstverteidigungskomitees gegen Gewalt und
Übergriffe, die von der ArbeiterInnenbewegung unterstützt werden.

Kampf gegen Entlassungen, Einbezug ins
Berufsleben!

Der Kampf gegen Entlassungen muss sich auch gegen die von Frauen
richten. Alle rechtlichen Benachteiligungen, alle Formen von Sexismus
und Diskriminierung im Berufsleben müssen offensiv bekämpft werden.
Der Kampf gegen Entlassungen muss mit dem für eine massive
Verkürzung der Arbeitszeit verbunden werden, so dass die Arbeit
unter alle, Männer wie Frauen, aufgeteilt werden kann.

Nein zu Sozialabbau und Privatisierung –
Vergesellschaftung der Hausarbeit!

Statt weiterer Kürzungen müssen wir für den Ausbau von Schulen,
Bildungseinrichtungen, öffentlichen Krankenhäusern,
Kultureinrichtungen usw. unter Kontrolle der ArbeiterInnenklasse
eintreten. Dies ist absolut notwendig, um dem weiteren Rollback und
der Zunahme privater Hausarbeit entgegenzutreten. Letztlich besteht
die Aufgabe darin, die gesamte Hausarbeit zu vergesellschaften, so
dass lebenswichtige Aufgaben wie Kindererziehung und Sorge um Alte
und Kranke nicht mehr individuelle Last von Frauen bleiben, sondern
kollektiv angepackt werden.

Gegen Sexismus und Chauvinismus!

Beim Aufbau einer internationalen Bewegung gegen Pandemie und
Krise müssen Frauen und ihre Forderungen eine Schlüsselrolle
einnehmen. Doch ihre Unterdrückung in der Gesellschaft findet nur
allzu oft ihre Fortsetzung in der reformistischen und
bürokratisierten ArbeiterInnenbewegung. Daher ist es notwendig, dass
sie sich gegen alle Formen des Sexismus und Chauvinismus in unserer
Klasse auch organisiert zur Wehr setzen können und wie alle anderen
sozial Unterdrückten in Parteien oder Gewerkschaften das Recht auf
eigene Treffen (Caususes) haben. Mit den Frauen*streiks der letzten
Jahre hat sich eine globale Kraft zu formieren begonnen, die das
Potential besitzt, zu einer internationalen proletarischen
Frauenbewegung zu werden. Diese stellt für den gemeinsamen Kampf von
Männern und Frauen der ArbeiterInnenklasse kein Hindernis, sondern
vielmehr eine Voraussetzung zu einem wirklichen, gemeinsamen Kampf
gegen Frauenunterdrückung und Kapitalismus dar.




Vergesellschaftung der Hausarbeit

Ella Mertens, REVOLUTION Österreich, Fight! Revolutionäre
Frauenzeitung Nr. 9

Obwohl Frauen rund 60 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Haus- und
Sorgearbeit – Kochen, Putzen, Kinder- und Krankenbetreuung –
aufbringen als Männer, werden weder diese Arbeit noch die sie
Ausübenden besonders geschätzt. Nicht nur nicht gewürdigt wird die
Hausarbeit, sie wird größtenteils nicht einmal als Arbeit
wahrgenommen. „Niemand bemerkt sie, es sei denn, sie wird nicht
gemacht.“ (Barbara Ehrenreich, 1975)

Dieses Ungleichgewicht in der geschlechtlichen Aufteilung der
Hausarbeit geht mit einem Ungleichgewicht in der Aufteilung der
bezahlten Arbeit einher: In Deutschland ist rund die Hälfte aller
Frauen teilzeitbeschäftigt – unter Müttern ist diese Zahl noch
höher. Gleichzeitig arbeiten 88,8 % der Männer ausschließlich
in Vollzeit – eventuelle Vaterschaft beeinflusst diese Zahl kaum.
Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bildet die Grundlage für
ein Machtgefälle innerhalb der bürgerlichen Familie: die
(Haus-)Frau ist finanziell von ihrem Mann abhängig, während
gleichzeitig ein Großteil der Reproduktionsarbeit von ihr verlangt
wird.

Die Pandemie hat diese Doppelbelastung nochmal massiv verstärkt.
Gleichzeitig gibt es einige Stimmen, die glauben, dass Homeoffice die
Situation für Frauen verbessert, da sich diese dann „flexibler“
aussuchen können, wann sie denn die unbezahlte Mehrarbeit erledigen
können. An dieser Stelle wollen wir aufzeigen, dass das nur eine
Scheinlösung ist und was wirklich hilft, das Problem zu lösen. Doch
bevor wir dazu kommen, wollen wir klären, warum es überhaupt diese
Form der unbezahlten Arbeit gibt.

Was ist Reproduktionsarbeit?

Der Begriff der Reproduktionsarbeit geht auf Karl Marx zurück und
bezeichnet die Wiederherstellung der Arbeitskraft (also die Fähigkeit
produktive Arbeit zu verrichten), sowohl im individuellen als auch im
gesellschaftlichen Bereich. Es zählen dazu alle Tätigkeiten, die
direkt zum Erhalt des menschlichen Lebens dienen (Waschen, Kochen,
Pflegen, Erziehen). Sie kann gegen Lohn oder unbezahlt stattfinden.
Die Reproduktionsarbeit stellt in der Regel keine produktive Arbeit
für das Kapital dar, weil sie meist keinen Mehrwert generiert
(obwohl es auch Unternehmen gibt, wo Reproduktionsarbeit einen Profit
für das Kapital schafft wie z. B. bei privaten
Krankenhauskonzernen). Produktiv bedeutet hier vor allem die Stellung
welche die Arbeit zum Kapital hat und keine moralische Wertung.

Auch wenn die Reproduktionsarbeit in bestimmten Entwicklungsphasen
(z. B. Expansion nach dem 2. Weltkrieg) selbst Tendenzen zur
Vergesellschaftung unterliegt, so verbleiben wesentliche Teile im
privaten Haushalt. Gerade in Krisenperioden wird versucht, diese
Arbeiten ins Private zurückzudrängen, wo sie nicht entlohnt werden
muss. Das trifft besonders die Tätigkeit, die wir tagtäglich zum
Überleben brauchen: jene unsichtbare, selbstverständliche
Angelegenheit der Hausarbeit, die mehrheitlich von Frauen verrichtet
wird.

Die für den Kapitalismus typische Struktur stellt dabei die
bürgerliche Kleinfamilie dar. Dabei erfüllt sie unterschiedliche
Aufgaben. So dient sie für die Familien der Arbeiter_Innenklasse
dazu, die Ware Arbeitskraft zu reproduzieren. Gleichzeitig wird
dadurch die geschlechtliche Arbeitsteilung zwischen Männern und
Frauen reproduziert und an die nächste Generation vermittelt.

Aber was ist mit Kindergärten, Krankenhäusern und Schulen? Ist
das nicht widersprüchlich, dass es die gibt, wenn versucht wird,
alle Kosten zu sparen? Diese Teile der Care-Arbeit, die
gesellschaftlich organisiert werden, resultieren aus Kämpfen der
Arbeiter_Innenbewegung, verstärkter Nachfrage nach (weiblicher)
Lohnarbeit sowie den gestiegenen Anforderungen an die Arbeitskraft.
Beispielsweise Schulbildung ist ein Bereich, der (zumindest
teilweise) staatlich organisiert wird, u. a. damit die einzelnen
Kapitalist_Innen nicht die Ausbildungskosten tragen müssen, was
einen Konkurrenznachteil gegenüber ihrer Konkurrenz mit sich bringen
würde, die ausgebildete Arbeitskräfte einstellt, aber nicht für
ihre Ausbildung bezahlt. Deswegen tritt an ihrer Stelle der Staat als
ideeller Gesamtkapitalist und trägt die Kosten, welche auch durch
Steuern von der Arbeiter_Innenklasse eingetrieben werden.

Insgesamt sind diese Care-Bereiche oftmals schlecht bezahlt und
unterliegen wie beispielsweise die Arbeit im Krankenhaus dem Druck,
profitabel zu wirtschaften. Generell werden Frauen nicht nur in
schlechter bezahlter Berufe gedrängt, sondern verdienen auch bei
gleicher Arbeit deutlich weniger, was wiederum die
geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Haushalt der
Arbeiter_Innenklasse insgesamt reproduziert.

Was tun?

Individuelle Lösungen wie Homeoffice, Putzhilfen, Absprachen mit
dem männlichen Partner oder Einbeziehung von Freund_Innen mögen
vielleicht unmittelbar helfen. Aber sie sind keine
gesamtgesellschaftliche Lösung, ja sie können, wenn wir z. B.
den überausgebeuteten Sektor weiblicher Haushaltshilfen betrachten,
sogar die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung vertiefen.

Oft sind sie nur für jene möglich, die sich des Problems
überhaupt bewusst sind und es sich „leisten“  können, weil
sie entweder Geld haben, sich von dieser Arbeit freizukaufen oder
über ein Umfeld verfügen, das genügend Zeit dafür bietet. 
Es gibt auch Feminist_Innen, die eine Lösung versucht haben zu
finden. Mit ihrem Werk „Die Macht der Frauen und der Umsturz der
Gesellschaft“ prägten  Mariarosa Dalla Costa und Selma James
die Debatte um die Hausarbeit entscheidend. Aus dieser Theorie
entstand erstmals 1974 in Italien die Forderung nach Lohn für
Hausarbeit. Diese ist allerdings ebenfalls problematisch. Anstatt die
Rolle der Hausfrau abzuschaffen und eine neue Verteilung der
reproduktiven Arbeit zu bieten, institutionalisiert sie sie und
festigt sie somit. Die geschlechtliche Arbeitsteilung  bleibt
erhalten und somit kämpft diese Forderung nicht für eine
konsequente, langfristig Verbesserung für Frauen. Was also tun? Wenn
wir die Doppelbelastung von Frauen beenden wollen, dann müssen wir
das Problem an der Wurzel packen: der bürgerlichen Familie.

Wie stellen wir uns das vor?

Das heißt nicht, dass wir als Kommunist_Innen die Familie
verbieten wollen. In der kapitalistischen Gesellschaft dient, sie wie
oben beschrieben, für die Arbeiter_Innenklasse als Ort, wo die
eigene (und zukünftige) Arbeitskraft reproduziert werden kann. Sie
ist trotz all ihrer Widersprüchlichkeit der Raum, in dem man sich
auch erholen kann. Statt also individuelle Absprachen zu treffen oder
zu hoffen, dass man irgendwann genug Geld verdient, sich
Haushaltshilfen zu leisten, macht es Sinn, gesamtgesellschaftliche
Lösungen zu finden – also die Reproduktionsarbeit auf alle Hände
aufzuteilen.

Dazu braucht man nicht an eine utopische Zukunft in mehreren
Jahrzehnten zu denken, um sich eine vergesellschaftete Hausarbeit
vorstellen zu können. Bereits 1930 gab es in Wien ein Wohnprojekt,
das – zumindest im kleinen Stil – diese Forderungen aufgriff: den
Karl-Marx-Hof. In dem Gemeindewohnbau gab es zusätzlich zu Wohnungen
mehrere gemeinschaftliche Einrichtungen wie kommunale Waschküchen,
Jugendheime und Kinderbetreuungsstellen, die von den Bewohner_Innen
gemeinsam organisiert und genutzt wurden. Für diese Einrichtungen
sprechen gleich mehrere Sachen: Erstens wird die Zeit, die wir
individuell in die Reproduktion stecken, gesenkt, die wir dann
woanders nutzen können. Zweitens beenden wir damit ebenso die
geschlechtliche Arbeitsteilung und damit die Grundlage für die
nervigen Geschlechterrollen, in die wir im Kapitalismus gedrängt
werden.

Wie ist das realisierbar?

Im Kapitalismus hat das Ganze Grenzen. Schließlich geht’s den
Kapitalist_Innen nicht darum, dass wir glücklich sind, sondern um
ihre Profite. Zwar gibt es Tendenzen, wie beispielsweise in
Kriegszeiten, in denen mehr Bereiche der Reproduktion kollektiviert
wurden. Dies diente aber nur kurzfristig dazu, mehr Frauen in die
Produktion zu ziehen. Nach dem Kriegsende wurde das Ganze wieder
geändert und die Frauen entlassen.

Damit es also nach unserem Interesse läuft, müssen wir die
Vergesellschaftung der Hausarbeit selber kontrollieren. Konkret heißt
das, dass wir alle Kürzungen im Bereich der öffentlichen
Reproduktionsarbeit und alle Privatisierungen bekämpfen müssen.
Stattdessen müsste ein massiver Ausbau von
Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, des Gesundheitswesens und
der Freizeiteinrichtungen erkämpft werden.

Ebenso unterstützen wir im Hier und Jetzt den Kampf für einen
Mindestlohn, angepasst an die Inflation für alle Arbeiter_Innen. Für
alle, die keine Arbeit haben, fordern wir ein Mindesteinkommen in
derselben Höhe. Damit kann auch sichergestellt werden, dass niemand
aufgrund ökonomischer Abhängigkeit gezwungen ist, bei seiner
Familie zu leben, und so Gewalt, Druck oder Mehrarbeit ausgesetzt
sein muss.

Auch wenn im Kapitalismus einzelne Verbesserungen erkämpft werden
können, erfordert eine konsequente Vergesellschaftung der Hausarbeit
die revolutionäre Umwälzung der Gesellschaft. Warum? Eine
Vergesellschaftung der Hausarbeit würde auch bedeuten, dass die
Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft vergesellschaftet wird,
ihr Warencharakter und die Konkurrenz innerhalb der Klasse
eingeschränkt würden.

Daher ist die Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit
untrennbar mit gesamtgesellschaftlicher Planung und Organisation
verbunden. Nur so kann die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in
Produktion und Reproduktion dauerhaft durchbrochen werden.
Pädagogische und andere versorgende Einrichtungen müssen
umstrukturiert und anders geplant werden, und die Neuaufteilung der
Hausarbeit muss durch Räte, die die Arbeiter_Innen selbst
repräsentieren und ihre Beschlüsse umsetzen, in Angriff genommen
und abgesichert werden.

Wir müssen also weiter kämpfen und das Ausbeutungssystem des
Kapitalismus revolutionär überwinden, um allen Menschen eine freie,
selbstbestimmte Zukunft gewährleisten zu können!

Quellen

https://arsfemina.de/rassismus-und-sexismus/vergesellschaftung-der-hausarbeit
https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-unbezahlte-arbeit-frauen-leisten-mehr-3675.htm
http://www.dasrotewien.at/seite/karl-marx-hof