Wahlen in der Türkei: Mücadeleye devam – Wir kämpfen weiter

Von Dilara Lorin, aus Neue Internationale 274 (Gruppe Arbeiter:Innenmacht), Juni 2023

In den letzten Monaten, vor allem, aber in den letzten Wochen war das Land politisiert und die Spannungen innerhalb der Bevölkerung wurden immer größer. Dies hat verschiedene Ursachen. Das verheerende Erbeben vom 6. Februar, welches mehr als 50 000 Menschen das Leben kostete, aber auch die Korruption und Vetternwirtschaft der Regierung aufzeigte; die Inflationsrate, die Oktober 2022 ganze 80 % erreichtet; die immer prekärer werdende Lage der Arbeiter:innenklasse, auch eine zumeist tief rassistisch geführte Debatte über die Lage und Rolle von Millionen Flüchtlingen und der Kurd:innen.

Dennoch konnte Erdogan die Präsidentschaftswahlen im zweiten Wahlgang für sich entscheiden. Zweifellos kam ihm dabei das Monopol über die staatlichen Medien wie das Fernsehen, die Kontrolle des Staatsapparates, Repression und Entschücherung der Opposition, vor allem der kurdischen HDP, die vom Verbot bedroht sind und von der hunderte Mitglieder in den Gefängnissen sitzen zugute. Aber sein Gegenkandidat, der kemalistische türkische Nationalist Kılıçdaroğlu versprach selbst eine reaktionäre, kapitalistische und rassistische Politik, die keine Alternative zu Erdogan dargestellt hätte.

Zwei Lager, aber zwei reaktionäre Lager

Zweifellos hat die Wahl die Menschen in zwei Lager gespalten, die einen, die Erdogan weiterhin unterstützen, die anderen, die sich für Kılıçdaroğlu aussprachen, weil sie diesen als Alternative zum bonapartistischen Regime Erdoğan ansahen. Dass dies jedoch eine Wahl zwischen Pest und Cholera war und Kılıçdaroğlu keine Alternative für die Arbeiter:innen, Kurd:innen, Geflüchteten und weitere Unterdrückte darstellen kann, wurde in den letzen zwei Wochen immer deutlicher.

Im ersten Wahlgang war neben den beiden Kandidaten trat noch ein dritter angetreten: Sinan Oğan, ein Rechter, der wegen nationalistischen und rassistischen, wegen sexistischen und frauenfeindlichen Äußerungen bekannt wurde, erhielt 5 %. In der Stichwahl versuchte er sich als „Königsmacher“ zu inszenieren. Jedenfalls buhlten beide Kandidaten um seine Stimmen. Auch deshalb waren die vergangen zwei Wochen geprägt von rassistischen Äußerungen und vor allem Kılıçdaroğlu fokussierte seine Wahlpropaganda darauf, innerhalb von 2 Jahren bis zu 2 Millionen Geflüchtete zu deportieren. Zugleich verlor er kaum ein Wort zur Inflation und die kapitalistische Wirtschaftspolitik Erdogans. Vielmehr würden die Geflüchteten Arbeitsplätze „klauen“ und nur deshalb ginge es der Arbeiter:innenklasse so schlecht.

Die rassistischen Äußerungen Kemal Kılıçdaroğlu erinnern an NPD und AfD. Dass dabei Erdogan keine bessere Position vertritt, ist klar. Er benutzt die Geflüchteten als Spielball gegenüber der EU. Große Teile des Geldes, welches im Zuge des reaktionären Flüchtlingsdeals in die Türkei gelangt, erreichen gar nicht erst die Lager und die Betroffenen und letztlich verfolgt auch Erdogan das Ziel, viele wieder zurückzuschicken. Jedoch behauptet er, dies erst zu tun, wenn die dafür notwendigen Bedingungen geschaffen sein würden würden. Dass bedeutet, dass Assad als Diktator wieder anerkannt wird und auch die Beziehungen nach Syrien wieder normalisiert werden – und das auf den Rücken nicht nur der Geflüchteten, sondern vor allem der Kurd:innen in Rojava. 

Parlamentswahlen

Gewonnen hat in den Parlamentswahlen letztlich wieder die AKP, welche  bei den Wahlen zur 600 Abgeordnete umfassenden großen Nationalversammlung 35,61% für sich gewinnen konnte. Dabei hat die AKP aber im Vergleich zu den Wahlen 2018 6,95% der Stimmen eingebüßt. Diese Zahlen verdeutlichen auch, dass die AKP nicht mehr jene Zustimmung in der Bevölkerung erhält wie es früher einmal der Fall war. Auch ihre Basis bröckelt, viele Anhänger:innen stehen nicht mehr hinter der Partei. Nichtsdestotrotz kann sie mit dem Wahlbündnis „Volksallianz“, mit welchen sie auch zur Wahl angetreten ist, insgesamt 49,47 % erhalten. Die AKP tritt dabei im Bündnis mit der faschistischen MHP an. Von den 318 Sitzen der Volksallianz hält die MHP immerhin 50 Sitzen.

Die CHP, welche von vielen als die Alternative zur AKP angesehen wird, kam in den Parlamentswahlen auf 25,33 % und trat ebenfalls in einem Wahlbündnis mit 5 weiteren Parteien auf, dem „Bündnis der Nation“. Dabei koaliert unter anderem mit der IYI Partei, welche islamisch, konservativ und rechts einzuordnen ist. Das „Bündnis der Nation“, das in den Medien auch „Sechsertisch“ genannt wird, kommt auf insgesamt 213 Sitze.

Dass dieses Wahlbündnis kein Interesse daran hat, wirklich demokratische Zustände in der Türkei wieder durchzusetzen, eine Verbesserung für die Arbeiter:innenklasse herbeizuführen oder für die Rechte von den unterdrückten Minderheiten einzutreten, zeigt schon der bürgerliche Charakter der CHP, deren historische Verrat an der Arbeiter:innenklasse, aber auch die Position zu den Kurd:innen  und Geflüchteten ist extrem reaktionär. 

Ergebnis von HDP und YSP

Die links-kleinbürgerliche HDP, welche für die Rechte von Frauen, LGBTI, Kurd:innen und Geflüchteten kämpft, fuhr das schlechteste Ergebnis bei den Parlamentswahlen seit ihrer Gründung ein. Sie trat aufgrund aufgrund der möglichen Illegalisierung unter dem Namen der Yeşil Sol Partei (YSP) an. Die YSP kam lediglich auf 8,82 %. Somit büßt die HPD 2,68% der Stimmen im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2018 ein. Mit dem Wahlbündnis „Arbeit und Freiheit“ traten im Rahmen der YSP 5 weiteren kleinere linke Parteien zu den Wahlen an, da runter die bekannteste, neu gegründete TİP (Arbeiterpartei der Türkei), welche 1,73 % mit ihren eigenen Listen erlangte, denn im Wahlbündnis selbst konnten alle Parteien auch mit ihren eigenen Namen und Listen antreten.

Dass die YSP in diesem Wahlgang an Stimmen verloren hat, zeugt auch von ihren taktischen Fehlern, welche sie schon vor der Wahl entschieden: kein gemeinsames Auftreten einer/s eigenen Präsidentschaftskandidat:in und damit die offene oder indirekte Unterstützung des CHP Kandidaten Kılıçdaroğlu und der fälschliche Glaube, man müsse sich nur auf einige Sitze im Parlament, sowie Bürgermeister und andere Posten fokussieren. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass der Wahlkampf des Bündnis für Arbeit und Freiheit unter massiver Repression stattfand, darunter der Inhaftierung sowie Einschüchterung von vielen Aktivist:innen und Wahlhelfer:innen.

Und die Kurd:innen?

Diese haben in dieser Wahl komplett verloren. Dadurch dass es keinen Präsidentschaftskandidaten von der YSP gab, konnten sie ihren Forderungen kaum öffentliches Gewicht und kein Gehör verschaffen. Dabei ist für die CHP ohnedies klar: Kurd:innen sollen allenfalls als Stimmvieh fungieren, ansonsten setzt man auf Nationalismus und Chauvinismus. So positionierte sich die CHP 2015 gegen Friedensverhandlungen und kritisierte Erdogan und die AKP von rechts. Sie unterstützte viele Angriffe der Türkei auf Rojava.

Dadurch dass die YSP und etliche revolutionäre und kommunistische Gruppen dazu aufriefen, den Präsidentschaftskandidaten der CHP zu unterstützen, verschwand die Masse der kurdischen Stimmen in denen der reaktionären, nationalistischen und bürgerlichen Masse der CHP. Die Politik des kleineren Übels ist jedoch nicht aufgegangen: Erdoğan gewinnt die Wahl am 28.5. und beginnt seine dritte Amtszeit als Präsident. Die stärkte das nationalistische Bewusstsein der AKP-Unterstützer:innen, welches sich jetzt nochmal bestätigt fühlen. Und schon in seiner ersten Ansprache als neuer Präsident hetzt Erdogan gegen den inhaftierten HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und spricht vom Großtürkischen Reich, welches er in dieser Amtsperiode weiter forcieren möchte.

In seine ersten Ansprach nach den Wahlen gibt sich Kılıçdaroğlu als „wahrer Demokrat“, hinter den vor allem Frauen und Jugendlichen zu stehen scheinen, um gleich in den nächsten Sätzen seine rassistische Haltung gegenüber den Geflüchteten noch einmal zu bekräftigen. So äußert er sich gleich am Anfang seiner Rede rassistisch und verkündet: „Als Millionen Geflüchtete kamen und ihr zum Volk zweiter Klasse wurdet, konnte ich nicht dazu schweigen“. Von den Kurd:innen war keine Rede mehr, es schien so, als seine sie vergessen, unwichtig oder nicht der Rede wert. Dabei waren es Städte vor allem die Städte aus der kurdischen Region, in denen oftmals mit einer überwältigenden Mehrheit Kılıçdaroğlu gewählt wurde. 

Kaybettik (Wir haben verloren)  oder Mücadeleye devam (Wir kämpfen weiter)?

Während viele am 28. Mai mit Türkei-Fahnen, den Wolfs- oder Rabiagrüßen den Sieg Erdoğans feierten, war ein anderer Teil der Bevölkerung niedergeschlagen. Es wurde seitens liberaler und bürgerlicher Kräfte, aber auch großer Teil der Linken für einen möglichen Sieg der „Demokratie“ unter Kılıçdaroğlu geworben. Für eine gewisse Zeit hinterließ diese bei vielen den Eindruck, dass „bessere Zeiten“ bevorstände: Erdoğan und die AKP hätten ausgesorgt, sie würden gehen. An ihre Stellt würden besser Zeiten mit mehr demokratischer Mitbestimmung, mehr Rechten für das Parlament, einer stärkeren Wirtschaft folgen.

Auch wenn es vollkommen nachvollziehbar ist, dass man sich nach besseren Zeiten sehnt, man das autoritäre Regime satt hat, so war die CHP nie eine Alternative. Denn eine bürgerlich, nationalistische Partei, welche weiterhin im Sinne der Kapitalist:innenklasse agiert, hat nicht das Interesse daran, wirkliche Verbesserungen durchzusetzen. Und alleine die weltweite wirtschaftliche Lage und tiefe ökonomische Krise in der Türkei (Inflation, Verfall der Währung) hätten gar nicht erst die Möglichkeit unter Kılıçdaroğlu geben, Reformen durchzuführen. Vielmehr hätte auch seine Regierung die Arbeiter:innenklasse massiv angegriffen, um die Profitwirtschaft wieder flott zu machen.

Wir dürfen daher auch jetzt nicht dem Modus des Verlorenen – kaybettik – verfallen, sondern unser Motto muss lauten: „Mücadelemis devam etmeli“ – Unser Kampf muss weiter gehen! Denn was notwendig gewesen wäre, und was weiterhin notwendig ist, ist die stark politisierte Lage in der Türkei zu nutzen, um die Arbeiter:innen und Unterdrückten jetzt für ihre Interessen zu mobilisieren, für den Abbau einer Massenbewegung gegen die Krise, gegen den Rassismus, gegen das Regime. Die Wahlbeteiligung lag zwar bei über 80%, aber kaum eine Organisation hat einen dritten Weg der Organisierung und Mobilisierung aufgezeigt, obwohl es die Situation dies erfordert.

Es ist notwendig, dass die türkische Linke jetzt in einer Einheitsfront tritt, in welcher sie alle kämpferischen und fortschrittlichen Teile der Gesellschaft vereint, und versucht, die Gewerkschaften, die linken Parteien, die Kurd:innen, die Umwelt- und Frauenbewegung gemeinsam zu mobilisieren. Wir brauchen Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und einer gleitenden Skala Löhne, nach Enteignung der Großunternehmen und Banken unter Arbeiter:innenkontrolle. Nur so kann die Inflation und die damit einhergehende Wirtschaftskrise bekämpft werden.

Dafür müssen die Gewerkschaften in der Türkei anfangen ihre Mitgliedschaft und ihren Organisationsgrad auszuweiten, Aktionskomitees in Betrieben und Stadtteilen aufzubauen, um so zu Massenorganen der Arbeiter:innen zu werden. Revolutionär:innen müssen für ein  Aktionsprogramm der Arbeiter:innenklasse eintreten, das die Rechte und Forderungen aller unterdrücken Minderheiten, allen voran der Kurd:innen und Araber:innen und aller Geflüchteten vertritt! Eine solche Einheitsfront muss sich auf Massenversammlungen und Aktionskomitees in den Betrieben und Stadtteilen stützen sowie auf Selbstverteidigungseinheit gegen die Repression.

Es ist eine große Aufgabe, aber das Regime kann nicht durch einen weiteren nationalistischen und bürgerlichen Kandidaten gestürzt werden, sondern nur von der Arbeiter:innenklasse und den Unterdrückten selbst – und dazu ist der Aufbau einer neuen, revolutionären Arbeiter:innenpartei nötig, die unabhängig von allen Flügeln der herrschenden Klasse agiert.




Anhaltende Angriffe auf die kurdische Bevölkerung in der Türkei

VON SVENJA SPUNCK


Panzer in Diyarbakir


Im Osten der Türkei herrscht Krieg – und das nicht erst seit zwei Wochen. Bereits seit den Wahlen im Juni tyrannisiert das türkische Militär nicht nur die dortige Bevölkerung, sondern bombardiert auch Menschen im Nord-Irak und in Syrien. Dabei geht es vor allem um die Zerschlagung der kurdischen Unabhängigkeitsbewegung, deren größte Organisationen die PKK in der Türkei und die PYD in Nord-Syrien sind. Der Waffenstillstand zwischen der türkischen Regierung und der PKK wurde von Seiten der Regierung für beendet erklärt. Es herrscht seitdem regelrechter Bürgerkrieg in Städten und Dörfern, weit entfernt vom westlichen Ankara oder Istanbul.


Obwohl die Unterstützung für die kurdische Nationalbewegung abgenommen hat, wie man an den Wahlen erkennen konnte, erklärte die PKK Nusaybin, Diyarbakir und Sirnak zu autonomen Regionen. Die aus den Wahlen gestärkt hervorgegangene AKP will sich das natürlich nicht gefallen lassen und verhängt täglich Ausgangssperren in diesen Gebieten. Seit August gab es bereits 52 Sperren, von denen 1,5 Millionen Menschen betroffen waren. Wer sich dennoch auf die Straße wagt, und sei es nur, um bereits Verwundete ins Krankenhaus zu bringen, muss mit Erschießung rechnen. Bisher verloren 140 Zivilist_innen ihr Leben. Kein Tag vergeht, an dem die kurdischen Nachrichten nicht von toten Jugendlichen berichten, kein Tag, an dem die türkischen Medien nicht von angeblich kurdischen Terroristen sprechen.


Am 28. November wurde der kurdische Anwalt Tahir Elçi auf offener Straße in Diyarbakir erschossen, unmittelbar nachdem er bei einer Pressekonferenz erklärte, dass die PKK für ihn keine Terrororganisation sei und er wegen seiner Meinung viele Todesdrohungen bekomme. Obwohl die Schießerei gefilmt wurde, ist bis jetzt nicht klar, wer Elçi tatsächlich ermordet hat. Doch eins steht fest: Er wurde ermordet, weil er die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung anprangerte – ob nun durch die türkische Regierung oder faschistische Banden.


In den letzten Tagen ist die Lage weiter eskaliert. Auf eine Ausgangssperre folgt die nächste und Panzer rollen durch die Straßen von Diyarbakir, wovon besonders die Nacht vom 14. zum 15. Dezember bisher am beunruhigendsten war. Der türkische Staat forderte per SMS Lehrer_innen und auch Gesundheitspersonal dazu auf, die kurdischen Städte zu verlassen und in ihre türkischen Heimatstädte zu fahren. Diesem Aufruf folgten viele; nur organisierte Gewerkschafter_innen und Kurd_innen blieben vor Ort, da die Gewerkschaften DISK und KESK in den Regionen zum Streik aufgerufen hatten. In der Türkei ist es gängige Praxis, regierungsnähere Türk_innen als Lehrer_innen in kurdische Städte zu schicken. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Lehrplan eingehalten wird und keine kontroversen Themen diskutiert werden. Nebenbei werden Schulen als Stützpunkte der Armee und als Waffenlager genutzt. Dies führt daher in der kurdischen Bevölkerung zu einer berechtigten Angst vor einem Massaker, bei dem es möglichst wenig Zeug_innen geben soll.


Regierungschef Ahmed Davutoglu ließ verlauten, dass auch er nicht von Ausgangssperren begeistert sei, diese jedoch dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen würden. Wenn es erforderlich sei, so fuhr er fort, würde man jedoch Haus für Haus „von Terroristen säubern“.
Sein Zynismus kennt kaum Grenzen. Seiner Logik zufolge bedrohen nicht Angriffe der Armee die Zivilist_innen, sondern dass die PKK Wohnhäuser als Stützpunkte nutzen könnte und somit die dort Wohnenden gefährden würde.


Gleichzeitig dürfen aber auch die strategischen und politischen Defizite der PKK nicht übersehen werden. Sie ist nach wie vor keine irgendwie demokratisch organisierte Kampfstruktur, die tatsächlich den kurdischen Befreiungskampf zu einem Ziel führen könnte. Der Personenkult um Abdullah Öcalan wird nach wie vor aufrecht erhalten; kurdische Jugendliche riskieren Repressionen durch den türkischen Staat, wenn sie Kundgebungen für den Inhaftierten organisieren, ohne dass dadurch ein tatsächlicher Fortschritt erlangt werden kann. Vor allem aber hat diese Partei letztlich keine andere strategische Option als irgendwie den gescheiterten „Friedensprozess“ wiederzubeleben.


They only call it class war when we fight back

Die aktuellen Ereignisse zeigen auch deutlich, dass es nach wie vor eine tiefe Spaltung im Land zwischen Ost und West, zwischen Land und Stadt, zwischen Kurd_innen und Türk_innen gibt – auch in der Linken. Die bis vor kurzem noch hoffnungsvoll betrachtete HDP äußert sich kaum zu den Geschehnissen, ruft symbolisch zum Frieden auf, ohne die Schuldigen des Krieges zu benennen und praktische Schritte zu unternehmen. Einige ihrer Abgeordneten fuhren in die betroffenen Gebiete und wurden ebenfalls von Sicherheitskräften angegriffen. Diesem folgt jedoch nicht mehr als eine empörte Rede im Parlament, welche die Mehrheit der AKP-Abgeordneten wohl recht wenig interessiert.


Die HDP beweist nun traurigerweise, was viele Linke und sozialistische Gruppen über sie sagen: sie sei ein Wahlbündnis gewesen und mehr nicht. Was sie jetzt fordern sollte, sind der sofortige Abzug des gesamten türkischen Militärs aus dem Osten des Landes sowie die Einstellung der Angriffe auf Syrien und den Irak. Eine politische und soziale Alternative muss her; die von der PKK verfolgte Guerilla-Taktik alleine wird die Spaltung des Landes nicht überwinden, geschweige denn stellt sie ein wirklich effektives Mittel gegen die hochgerüstete türkische Armee dar.


Demokratische Selbstverteidigungsstrukturen der Bevölkerung – von Kurd_innen bis Türk_innen – müssen gegründet werden, um sich dem Staatsterror der Erdogan-Regierung entgegenzustellen. Dies kann jedoch nur ein kurzfristiges Mittel darstellen im Kampf gegen die Regierung. Die türkischen wie kurdischen Arbeiter_innen und Jugendlichen müssen eine revolutionäre politische Alternative in Form einer revolutionären Arbeiter_innenpartei aufbauen. Diese könnte auch den kurdischen Widerstand im Osten mit dem Westen des Landes effektiv verbinden und so die Stützen des Erdogan-Regimes wirklich erschüttern, den Kampf zu dem machen, was er ist: nicht nur ein Kampf der Kurd_innen gegen die AKP-Regierung, sondern ein Kampf der Arbeiter_innenklasse gegen ihre Unterdrücker.