Für einen revolutionären Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus!

Minderheitsposition der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei“, Infomail 1211, 19. Januar 2023

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Für einen revolutionären Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus!

Antragsteller:innen: Carlos, Pauline, Stephie (REVO, GAM), Willi (GAM)

1. Seit 15 Jahren vertieft die Partei DIE LINKE stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Alle Versuche, die Partei in die Richtung einer Fundamentalopposition zu lenken, sind gescheitert. Die Partei und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] sowie Die Linke.SDS sind durch diese Entwicklung in eine Krise geraten. Auf der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid haben sich Mitglieder von [‘solid!] und DIE LINKE, kürzlich ausgetretene Genoss:innen, sowie Gruppen und Einzelpersonen aus der kommunistischen Bewegung versammelt. Wir nehmen das Zusammenfallen der Krise der Linkspartei und der gesamten gesellschaftlichen Opposition mit einer verschärften ökonomischen, politischen und sozialen Krise auf nationaler und globaler Ebene als Anlass, um die praktische Vorbereitung sowie die Debatte über den Aufbau einer Partei der arbeitenden Klasse mit einem fundamentaloppositionellen, revolutionären Programm in Deutschland wieder ins Rollen zu bringen.

Zur Ausgangslage in Deutschland und der LINKEN

2. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt, und für die internationale Solidarität der Arbeiter:innen aller Länder untereinander. Mit Einmalzahlungen im Gießkannenprinzip versucht diese dem Widerstand gegen Inflation und Krieg den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch in der Krise erkauft sich der imperialistische deutsche Staat die politische Loyalität von wirtschaftlich zentralen Teilen der Arbeiter:innenklasse mithilfe der Gewerkschaftsbürokratie, um einen übergreifenden Kampf aller Lohnabhängigen in Deutschland und auf globalem Maßstab auf Basis gemeinsamer Klasseninteressen vorzubeugen. So können die Kosten der Militarisierung auf die Lohnabhängigen in Deutschland und anderswo abgewälzt werden — wodurch Kriege finanziert werden, unter denen wiederum vor allem die Lohnabhängigen anderer Länder tagtäglich leiden müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats und der rechtsterroristischen Verankerung innerhalb derselben. Der rechte Terror im Innern ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Daher kann der Aufstieg der Rechten nicht mit einer Logik des „geringeren Übels“, der prinzipienlosen Unterstützung von „linken“ oder „fortschrittlichen“ Regierungen bekämpft werden.

3. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugendorganisation aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt absurder und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugendorganisation an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt und entschuldigt.

4. Die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, ist die Arbeiter:innenklasse. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Queer- und Transfeindlichkeit sowie Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und immer mehr offen queer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderung zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jeglicher Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert. Das wird ihr nur gelingen, wenn sie die Selbstorganisierung der auf unterschiedliche Weise unterdrückten Teile der Arbeiter:innenklasse nicht als Konkurrenz sieht, sondern begrüßt und aktiv zu einem großen Ganzen zusammenfügt.

5. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrechterhalten. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr „Klassenpolitik“ bestimmte Unterdrückungs- und Ausbeutungsformen herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der „weißen Arbeiterklasse“ mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

6. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit reformistischen oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich, welche den Klassenkampf in ihren jeweiligen Ländern in staatstragende Bahnen umgelenkt haben. Das linkspopulistische Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigt sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat — wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen —, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

7. Wir lehnen den zögerlichen Umgang der Linkspartei mit ihrem stalinistischen Erbe deutlich ab. Die stalinistische Konterrevolution in der Sowjetunion und ihr Abdruck in der DDR und anderswo, die Unterdrückung von nationalen und religiösen Minderheiten, Frauen und Homosexuellen, die Sabotage der Kämpfe der Arbeiter:innen und strategische Orientierung auf bürgerliche und reaktionäre Kräfte unter dem Vorwand der Verteidigung des sozialistischen Aufbaus, der Verteidigung gegen den Faschismus, der nationalen Befreiung usw. — auf diesem Erbe kann keine revolutionäre Politik fußen. Ein revolutionärer Bruch mit der reformistischen Linkspartei schließt einen Bruch mit der Toleranz gegenüber allen Erscheinungsformen des Stalinismus als linker Spielart des Reformismus mit ein.

8. Die Krise der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Als „demokratisch sozialistische“ bürgerliche Arbeiter:innenpartei ist sie strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtet, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen „kritisch“ sieht, ebenso wenig einzelne „linkere“ Ortsgruppen ihres Jugendverbandes. „Rebellisch regieren“, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Obwohl sie sich also sozial auf die Lohnabhängigen stützt, macht sie ihre Strategie letztlich zu einer Stütze der kapitalistischen Ordnung. Gegen diese Strategie, die letztendlich zur Unterordnung unter die Interessen des Kapitals führt, setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften, die sie stützen. Für uns bedeutet diese Unabhängigkeit keine Summe an Allgemeinplätzen, sondern muss auf dem Ziel der gemeinsamen Entwicklung eines revolutionären Programms fußen. Ein Prozess in den die verschiedenen Differenzen, die uns trennen diskutiert werden müssen.

Das Aktionsprogramm mit dem wir gegen die unterschiedlichsten aktuellen Krisen kämpfen wollen

9. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, BAföG, etc. an die Inflation für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

10. Um ein solches Notfallprogramm umzusetzen, müssen wir eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital mit allen grundsätzlich bereitwilligen Kräften aufbauen, wobei wir uns ausdrücklich an alle Genoss:innen an der Basis sowie in führenden Positionen der Linkspartei richten, die alle oder einige der Forderungen teilen und zu einer transparenten und diskussionsoffenen Zusammenarbeit bereit sind. Da ein Großteil der Lohnabhängigen in Deutschland reformistische Illusionen hegen, wird ein Aktionsbündnis kleiner linksradikaler Gruppierungen nicht reichen, um die notwendige Massenkraft rund um unsere Forderungen zu mobilisieren. Für den Erfolg einer Einheitsfront wird es aber notwendig sein, die bremsende Rolle der SPD, der Gewerkschaften zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen — für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mitunterschrieben. Gegen die sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen durch (Streik-)Versammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen das Bewusstsein der Lohnabhängigen für ihre eigene Macht als Klasse zu erwecken. Um erfolgreich eine revolutionäre Perspektive in die Einheitsfront hineinzutragen, müssen wir zugleich den Aufbau einer vom Kapital unabhängigen Massenpartei der Lohnabhängigen mit einem marxistischen, revolutionären Programm anvisieren, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, wie in der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen und anderer besonders unterdrückter Teile der arbeitenden Klasse im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann.

11. Die Konferenz sieht sich also einer doppelten Aufgabe gegenüber: Einerseits die Dominanz bürgerlicher Ideologien in der Arbeiter:innenklasse (v.a. den Reformismus) herauszufordern und andererseits eine revolutionäre Kraft aufzubauen. Zu diesem Zweck schlagen wir vor:

a. Die baldige Vorbereitung einer wirklich breiten Konferenz, auf der gemeinsam mit allen interessierten Kräften — inklusive mit denjenigen, die bisher nicht mit der Linkspartei gebrochen haben — über den aktuellen Zustand des globalen Kapitalismus und über die Ursachen und Erscheinungsformen des Reformismus diskutiert werden soll. Darüber hinaus wollen wir über die historischen und aktuellen Bedingungen, Probleme und Chancen eines radikalen Bruchs mit dem Reformismus auf nationaler und globaler Ebene reden, welche materielle Basis er in der Arbeiter:innenbewegung hat. Sowohl die Bedingungen eines Zusammenschlusses der kommunistischen Bewegung wie auch die Beziehung von Revolutionär:innen zu reformistischen Kräften sollen ausführlich diskutiert werden.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte nötig ist, um eine revolutionäre Opposition ins Leben zu rufen zu können, die in den Kämpfen außerhalb und innerhalb des Parlaments eine tatsächliche Alternative zum Reformismus darstellen kann. Um heute schon das Fundament zu legen für einen radikalen Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus, wollen wir: im Rahmen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; Angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen einerseits die politische Selbstorganisierung und Aktion der Mieter:innen als Lohnabhängige auf allen Ebenen vorantreiben, andererseits mit einer Kritik an der Taktik der Regierungsbeteiligung der Berliner Linkspartei bzw. an ihrem Umgang mit dem Volksentscheid in die kommende Abgeordnetenhauswahl treten. Dort, wo es möglich ist: Aufruf zur Wahl von Kandidat:innen der Linkspartei, die sich auf glaubwürdige Weise gegen die Regierungsbeteiligung ihrer Partei in Land und Bund stellen, wie der Genosse Ferat Koçak in Neukölln. Solche Unterstützungen müssen jedoch mit der Forderung des Aufbaus einer Strömung in der Partei verbunden werden, die den Kampf um Mehrheiten im Parlament nur als Mittel zum Zweck der Enteignung großer Immobilienkonzerne nutzt und nicht die Interessen ihrer Wähler:innen für die Regierungsbeteiligung aufopfert. Solidarität und kritische Unterstützung des parteiinternen Flügels in ihrem Kampf gegen die Regierungsbeteiligung, nicht zuletzt mit Marx21 in Berlin — für einen breiten Zusammenschluss innerhalb und außerhalb der Linkspartei für eine Fundamentalopposition!




Abschlusserklärung der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und [’solid]

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Gegen die Logik des geringeren Übels: Für den Aufbau einer von Staat und Kapital unabhängigen revolutionären sozialistischen Kraft der Arbeiter:innen, der Jugend, der Frauen, LGBTQIA+ und Migrant:innen!

1. Die Partei DIE LINKE und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] und Die Linke.SDS, sind gescheitert. Seit 15 Jahren vertiefen sie stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Die Partei, all ihre Hauptströmungen – egal ob der “Reformer”-Flügel um Dietmar Bartsch, die Bewegungslinke oder der Wagenknecht-Flügel – und ihr gesamter Apparat sind fest in den deutschen Staat verankert. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise, angesichts der Stärkung der AfD und der extremen Rechten sagen wir: Nur eine sozialistische Perspektive, die die Interessen des Kapitals wirksam angreift, kann eine Antwort auf die Probleme der Ausgebeuteten und Unterdrückten geben. Deshalb brechen wir mit der Strategie der Linkspartei und ihrer Jugendorganisationen und erklären unseren Austritt.

2. Das Scheitern der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Sie ist eine strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtete Partei, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Jegliche Veränderung geht laut dieser Strategie von Regierungs- und Parlamentsposten aus. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen “kritisch” sieht, ebenso wenig einzelne “linkere” Ortsgruppen ihres Jugendverbands. “Rebellisch regieren”, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Unsere Perspektive ist dem radikal entgegengesetzt: Das strategische Zentrum für die Veränderung der Gesellschaft – d. h. für die Enteignung des Kapitals und die Errichtung einer Arbeiter:innenregierung in der Perspektive einer weltweiten sozialistischen Revolution – ist der Klassenkampf; parlamentarische Positionen können diesen lediglich unterstützen, nicht ersetzen. Gegen die Unterordnung unter die Interessen des Kapitals setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften und der NGOs, die sie stützen.

3. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt. Sie erkauft im Bündnis mit den Gewerkschaftsbürokratien und den Bossen mit kleinen Zugeständnissen das Stillhalten der Massen angesichts der Krise – in der Perspektive werden aber die Ausgebeuteten und Unterdrückten nicht nur hierzulande, sondern auch international für die militärische “Zeitenwende” zahlen müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats nach innen, wie nicht zuletzt die Razzien und Präventivhaft gegen die “Letzte Generation” zeigen. In diesem Kontext lässt die Regierung auch den letzten Anschein von Klimaschutz fallen, wie die anstehende Räumung von Lützerath im Interesse des Energiekonzerns RWE zeigt – ein weiterer Beweis dafür, dass der “grüne Kapitalismus” unmöglich ist.

4. Während­dessen stärkt sich die extreme Rechte, insbe­sondere im Innern der staatlichen Institutionen (Militär, Polizei, Justiz usw.). Der rechte Terror im Inneren ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Die Ampel-Regierung verstärkt den staatlichen Rassismus, baut die Polizei weiter aus, schiebt Menschen in Kriegsgebiete ab und ist für den Massenmord an Außengrenzen der EU verantwortlich – und setzt somit die Politik um, die von der AfD und der extremen Rechten gefordert werden. Daher kann der Auf­stieg der Rechten nicht mit einer Logik des “ge­ringeren Übels” der Unterstützung von “linken” oder “fortschrittlichen” Regierungen bekämpft werden. Die herrschende Klasse und rechte Kräfte machen durch die bürgerlichen Medien die migrantischen Teile unserer Klasse für die Wirtschaftskrise verantwortlich. Nicht zuletzt bei der rassistischen Hetzkampagne um Silvester haben wir gesehen, dass die Medien die Abschiebung von vermeintlich “nicht-integrierbaren” migrantischen Kindern und Jugendlichen forderten.Die Reihen der multiethnischen Arbeiter:innenklasse in Deutschland sollen durch den anti-muslimischen Rassismus gespaltn werden. Es ist eine dringlichere Aufgabe denn je zuvor, sich dagegen zur Wehr zu setzen – unter anderem auch gegen die Politik der Rot-Rot-Grünen Regierung in Berlin, an der die LINKE beteiligt ist, die aus Razzien in Schischa-Bars, Racial Profiling in migrantischen Kiezen sowie Hexenjagden auf Jugendliche besteht. Wir müssen für die Abschaffung der Geflüchtetenlager und das Recht auf eine eigene und bezahlbare Wohnung kämpfen. Abschiebungen müssen gestoppt und Asylanträge anerkannt werden.Schluss mit unterschiedlichen Behandlung von Geflüchteten je nach Herkunftsland. Gegen die Logik der Spaltung von Geflüchteten durch besonders qualifizierten oder unqualifizierten Teile. Arbeitsrechte und volle Staatsbürger:innenrechte für alle Menschen, die hier leben. Auch wenn wir bei den Abgeordnetenwahlen keine unterstützenswerte Partei erkennen, kämpfen wir für das Wahlrecht aller Menschen, die hier leben. Es braucht Kampagnen in Gewerkschaften für antirassistische Forderungen und für den Ausschluss der GdP aus dem DGB, was wir als eine der Aufgaben der antibürokratischen und klassenkämpferischen Strömung sehen, die wir in den Gewerkschaften aufbauen wollen.

5. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugend aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt hirnloser und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugend an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt oder entschuldigt.

6. Wir sind der Meinung, dass die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, die Arbeiter:innenklasse ist. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Homophobie- und Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und offen queerer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderungen zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jegliche Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert.

7. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrecht erhalten, die stets versuchen, ökonomische von sozialen und politischen Kämpfen zu trennen. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr “Klassenpolitik” die Fragen der Unterdrückung herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht, ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der “weißen Arbeiterklasse” mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

8. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit „neo-reformistischen“ oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich. Sie sind keine Ausdrücke des Klassenkampfes. Im Gegenteil: Sie lenken den Klassenkampf in staatstragende Bahnen um. Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigte sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat – wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen –, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

9. Der Stalinismus hat die revolutionäre Tradition weltweit, aber gerade auch in Deutschland zutiefst beschädigt. Denjenigen, die heute aus der Krise der Linkspartei Schlussfolgerungen ziehen wollen, raten wir dringend, auch aus dem Erbe des Stalinismus die nötigen Lehren zu ziehen. Die Bürokratisierung der Arbeiter:innenstaaten – nicht zuletzt der DDR –, die Unterordnung von Fragen der Unterdrückung, die Unterstützung für bürgerliche Parteien im Namen der nationalen Befreiung (sowohl linkerer Varianten wie die des frühen Chavismus als auch die Unterstützung für reaktionäre Anführer wie Assad in Syrien im Namen des „Antiimperialismus“), die offene oder verdeckte Sabotage unzähliger revolutionärer Prozesse, und die absolute Geringschätzung der selbstorganisierten Demokratie der Arbeiter:innen sind nur einige Elemente, die uns dazu veranlassen zu sagen: Das ist nicht unser Sozialismus. Im Gegenteil: Eine revolutionäre Kraft in Deutschland kann nur entstehen, wenn sie dieses Erbe hinter sich lässt.

10. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, Bafög etc. an die Inflation, für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO, und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

11. Um ein solches Programm umzusetzen, müssen wir in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital aufbauen. Dazu ist es notwendig, die bremsende Rolle der Bürokratien der SPD, der Gewerkschaften und NGOs zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen –  für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der Konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mit unterschrieben. Gegen diese sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen Instanzen der Selbstorganisation und der breitestmöglichen Demokratie der Kämpfenden zu entwickeln, wie beispielsweise Streikversammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen. Wir wollen schon heute durch ein Bewusstsein erzeugen, dass Leute zu dem Schluss kommen: “Die Bosse und die Herrschenden brauchen wir nicht, wir nehmen die Wirtschaft selbst in die Hand und wollen den Staat stürzen.”

12. Dies kann nur der erste Schritt hin zum Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei der Arbeiter:innenklasse sein. Denn mit dem Bruch mit der Linkspartei fängt unsere Aufgabe erst an: eine Organisation aufzubauen, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann. Zu diesem Zweck haben wir bei dieser Konferenz begonnen, Debatten über strategische Lehren aus dem Scheitern der Linkspartei und über die Strategie für die Revolution zu führen. Diese Debatten wollen wir fortführen:

a. Als Alternative zur Anpassung an den Reformismus hat sich vor über zehn Jahren in Frankreich die Neue Antikapitalistische Partei gebildet, als Prototyp einer „breiten antikapitalistischen Partei“, die alle Strömungen links vom Reformismus, die sich als antikapitalistisch verstanden, sammeln wollte. Im Dezember 2022 hat sich die NPA infolge der Anpassung der Leitungsmehrheit an den Reformismus/Linkspopulismus gespalten. So hat sich gezeigt, dass die „breite antikapitalistische Partei“ ohne klare strategische Abgrenzung und ohne strategisches Zentrum im Klassenkampf problematisch ist. Für den Aufbau einer revolutionären Organisation ist es wichtig, daraus die korrekten Lehren zu ziehen. Das wollen wir in weiteren Diskussionen vertiefen.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte in kommende Kämpfe möglich und nötig ist. Wir wollen:

  • in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; die ver.di Kampagne um die TVöD-Runde mitaufbauen, gemeinsam mit der VKG in die Betriebsgruppen intervenieren und auf das Organisieren von politischen Demonstrationen an Streiktagen hinarbeiten, die ein solches Programm erheben:
  • Inflationsausgleich für alle, Anpassung aller Sozialleistungen an die Inflation, Erlass eines Mietenstopps, DWE durchsetzen.
  • Milliarden Investitionen in Gesundheit, Bildung und Klima statt 100 Milliarden in Aufrüstung, Einführung von Vermögenssteuern und Abgaben,
  • Vergesellschaftung der Energieversorgung unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung etc.,
  • Gegen die rassistische Hetze gegen unsere Kolleg:innen mit Flucht und Migrationserfahrungen und für Arbeits-und Studienerlaubnis für alle, Stopp aller Abschiebungen.
  • Solidarität mit Gewerkschaften und Arbeiter:innen anderer Länder, die unter Krise und Krieg leiden. Internationale Solidarität zwischen Arbeiter:innen, die unter gegenseitigen Sanktionen leiden.
  • in allen Kämpfen die Selbstorganisation der Arbeiter:innen unterstützen, wie bspw. aktuell in Kampf der Hebammen in Neuperlach gegen die Schließung ihres Kreißsaals.
  • angefangen mit dem Widerstand in Lützerath, mit einem sozialistischem Programm in die Klimabewegung intervenieren und Initiativen aus der Arbeiter:innenbewegung vorbereiten, um die Arbeiter:innenklasse als politisches Subjekt im Kampf gegen die Klimakatastrophe und eine demokratisch-ökologische Planwirtschaft aufzuzeigen.
  • uns an allen Mobilisierungen gegen den staatlichen Rassismus, Polizeigewalt, Abschiebungen und extremen/faschistischen Rechten beteiligen. An allen Orten besonders gegen die aktuelle rassistische Stigmatisierung von migrantischen Jugendlichen stellen.
  • uns an den Mobilisierungen um den 8.März beteiligen, darauf hinarbeiten, dass bundesweite Streikaktionen unterschiedlicher Bewegungen an diesem Tag mit einem feministischen Programm stattfinden.
  • uns an allen weiteren Mobilisierungen gegen Militarisierung und Krieg beteiligen, mit einer Perspektive der internationalen Solidarität der Arbeiter:innenklasse gegen die Agression der kapitalistischen Regierungen, für die Notwendigkeit des Kampfes der Arbeiter:innenklasse in Deutschland gegen ihre imperialistische Regierung.
  • Uns an Mobilisierungen gegen Kolonialismus zu beteiligen, mit einer bedingungslosen Solidarität mit dem Kampf der kolonisierten Völker wie in Kurdistan und Palästina für ihre Befreiung, die vom deutschen Staat insbesondere bekämpft werden. Wir treten für die Entkriminalisierung ihrer Widerstandsorganisationen und für den Stopp aller deutschen Waffenlieferungen an die Türkei, Israel, sowie anderer Länder ein.
  • angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen, tausenden Abschiebungen, Ausbau des rassistischen Polizeiapparates, weiterer Kürzungspolitik in Gesundheit und Bildung usw. lehnen wir eine Wahlunterstützung für die Linkspartei bei der Wiederho­lung der Abgeordnetenhauswahl ab. Dagegen betonen wir die Notwendigkeit der revolutionär-sozialistischen Kandidaturen abseits der reformistischen Parteien, organisieren gemeinsam mit allen Interessierten eine Kampagne gegen die erneuten Regierungsbeteiligungen der LINKEN an RRG und setzen uns für erneute Mobilisierungen für die Enteignung der großen Immobilienkonzerne durchführen.

c. Über die konkrete Intervention in Streiks und Kämpfe hinaus wollen wir eine politische Kraft aufbauen, die den Reformismus auf allen Ebenen – auch auf der Ebene der Wahlen – konfrontieren kann. Wir wollen dabei keine prinzipienlose Fusion verschiedener Organisationen mit unterschiedlichen Strategien oder eine breite Sammlung von antikapitalistischen Aktivist:innen ohne strategische Klarheit. Der Weg zu einer größeren programmatischen und strategischen Klarheit besteht darin, in gemeinsamen Kämpfen Positionen auszutesten und Übereinkünften weiterzuentwickeln – aber auch darin, beispielsweise gemeinsame Antritte bei Wahlen mit einem Programm der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse anzustreben. Deshalb rufen die Unterzeichner:innen alle Organisationen, die dem Inhalt dieser Erklärung zustimmen, dazu auf, Schritte für den Aufbau einer gemeinsamen revolutionären Front zu gehen. Diese Front muss basieren auf gemeinsamen Erfahrungen im Klassenkampf und der politischen Intervention in Streiks, sozialen Kämpfen sowie perspektivisch Wahlen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene. Mit den Lehren der Erfahrungen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind wir der Meinung, dass ein Bruch der Revolutionär:innen mit den sozialdemokratischen Verwalter:innen des Kapitalismus nicht nur notwendig, sondern unumgänglich ist.




Wer sind die G7? Und warum ziehen wir gegen sie nach Elmau?

von J.J. Wendehals

Die übelste Gang auf dem Globus

Die G7 (Gruppe der 7) ist ein informelles Forum, das in den 70ern zur Absprache zwischen den 7 mächtigsten Industrienationen der kapitalistischen Welt gegründet wurde. Hervorgegangen ist es aus einem G6-Gipfel in Frankreich, das im Jahre 1975 die Regierungschefs aus den USA, Japan, Deutschland, Großbritannien und Italien einlud, um sich bezüglich zweier Probleme abzusprechen, in denen das imperialistische Kapital damals steckte: Die erste Ölpreiskrise, bei der die Preise für das der westlichen Wirtschaft extrem wichtig gewordene Erdöl explodiert sind, und damit verbunden eine internationale Inflation. Kommt irgendwie bekannt vor, oder?
Der starke Anstieg der Ölpreise damals hatte allerdings weniger mit Russland zu tun, sondern war die Folge eines versuchten Widerstands von ölexportierenden Ländern (OPEC) wie Irak, Saudi-Arabien, Kuwait und den Vereinigten
Arabischen Emirate, die zwar riesige Ölvorkommen in ihren Böden hatten, allerdings von den USA ausgebeutet und bestohlen wurden. Es entstand zwar auch vor Ort eine Kapitalist_Innenklasse, die durch die Ausbeutung der Natur und
menschlicher Arbeit und den Handel mit dem Öl proitieren wollte, der größte Teil des Öls gehörte aber Großkonzernen
der kolonialistischen USA. Während die USA ihren Einfluss in der Region durch die Unterstützung Israels im Jom-Kippur-Krieg weiter auszubauen suchte, beschloss die OPEC die Ölproduktion etwas herunterzufahren, was aber einen Anstieg des Ölpreises um 300% zur Folge hatte.
Die damalige Inflation hing allerdings nicht in erster Linie mit der Ölkrise zusammen, sondern hauptsächlich mit dem
Zusammenbruch des sogenannten Bretton-Woods-Systems, einer Währungsordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg
etabliert wurde, um die Abhängigkeit aller anderen Länder von den USA finanzpolitisch festzuzurren. Dabei sollte der
US-Dollar die einzige Währung sein, die direkt an den Goldpreis gekoppelt war, während sich alle anderen Währungen
am Dollar orientierten. Die Wechselkurse zum Dollar standen dabei fest und konnten nur durch die amerikanische Regierung geändert werden. Somit war es der USA möglich einfach Geld zu drucken, jedoch die daraus resultierende Inflation in den Rest der Welt auszulagern. Die anderen Staaten hatten aber ab Anfang der 70er keinen Bock mehr willkürlich der Politik der USA ausgesetzt zu sein und begannen sich dem Druck der USA zu widersetzen und ihre Dollar gegen Gold umzutauschen. Diese wurden der USA dann aber doch knapp und so kam es schließlich zum Ende des Bretton-Woods-System und der Gold-Standard wurde endgültig aufgehoben.
Aber zurück zu den G6, die suchten nämlich nach einem Weg wie sie die Proite ihres Kapitals, die Abwälzung der Krise
auf die internationale Arbeiter_Innenklasse und ihre Dominanz auf dem Weltmarkt sichern konnten. Ein solches Absprachetreffen erwies sich ihnen dabei natürlich als nützlich und so entschlossen sie sich, diese Treffen unter Hinzunahme der Nr. 7, Kanada, in der Zukunft jährlich fortzuführen. Die Gastgeberrolle sollte dabei unter den sieben Mitgliedstaaten rotieren, sodass jedes Land einmal drankam.

Wie sich die Rolle der G7 verändert hat vom Weltpolizist…

In der Anfangszeit, also gegen Ende des Kalten Krieges und insbesondere nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion stellte die USA dabei eine unangefochtene Weltmacht dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich zwar in den europäischen Staaten und in Japan eigenständige imperialistische Bourgeoisien erhalten, aufgrund der vielen Zerstörung durch den Krieg und die vorhergegangene Wirtschaftskrise ergab sich aber dem US-Kapital die Möglichkeit die anderen Staaten durch verschieden Wiederaufbau-“Hilfen“ eng an sich zu binden, hiervon war auch Bretton Woods ein Ausdruck. Trotz der auch damals vorhandenen Konkurrenz unter den Imperialisten, bildeten die G7 bildeten daher gewissermaßen eine Plattform des Imperialismus als Ganzes, um Absprachen zu ermöglichen wie das System als Ganzes, also die Ausbeutung der Halbkolonien, Erstickung von Widerstand und Angriffe auf das Proletariat aufrechterhalten werden kann. Während anfangs auch das gemeinsame Vorgehen gegen die Sowjetunion
Gegenstand der Gespräche gewesen sein musste, wurde nach deren endgültigem Untergang und der Restauration
des Kapitalismus in Russland auch Putin in die gemeinsame Runde (ab dann G8 genannt) eingeladen.

…zum Block gegen Russland und China

Der Aufstieg Russlands, noch vielmehr aber Chinas zur imperialistischen Großmacht stellte aber die Stellung der USA an der Spitze der Weltordnung zunehmend in Frage. In den letzten Jahren ist daher eine verstärkte Blockbildung zu
beobachten: Russland wurde schon 2014 wieder aus den G7 rausgekickt und die USA versucht die europäischen Staaten, die auch mit Russland und China wirtschaftliche Verbindungen eingerichtet hatten, auf die eigene Seite zu ziehen. Und tatsächlich sind die transatlantischen Beziehungen deutlich enger geworden, gerade seit dem russischem Überfall auf die Ukraine, der sich nicht nur unmittelbar gegen die US-amerikanischen Interessen dort richtet, sondern ebenso gegen die der EU, die übrigens einen eigenen Sitz mit Beobachterstatus bei den G7 hat. Die G7 sind es jetzt, die gemeinsame Statements gegen Russland verabschieden und gemeinsame Finanz- und Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließen, Maßnahmen, welche den Konflikt weiter eskalieren und Russlands Position massiv schwächen sollen – auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung in Russland und Europa. Insbesondere energiepolitisch soll Russland isoliert werden, jetzt ist die USA Retterin aus der Not, die der EU moralisch „unbedenkliches“ Öl und Gas zur Verfügung stellt. Aber nicht nur was „friedliche“ Mittel angeht, auch bezüglich gemeinsamer Waffenlieferungen an die ukrainische Regierung gibt es Absprachen innerhalb der G7. Bis auf Japan sind übrigens alle G7-Staaten in der NATO und dominieren diese. Die Einwohner_Innen der NATO-Mitgliedstaaten machen nur ungefähr 1/7 der Weltbevölkerung aus, deren Militärausgaben jedoch jetzt schon weit über die Hälfte der internationalen. Dazu
kommt noch die jetzt erst beschlossene Welle großer Aufrüstung in der NATO. Auch Japan hat kürzlich eine massive
Erweiterung des eigenen Rüstungsetats beschlossen.

Wertegemeinschaft??

Dass die G7 ein Instrument zur Aufrechterhaltung der imperialistischen, rassistischen und kriegstreiberischen Weltordnung beziehungsweise im Kampf der einen Seite gegen die anderen ist, schreiben sie selbst sich natürlich so nicht auf die Fahne. Nein, da heißt es vor allem, man würde die gemeinsamen freiheitlich-demokratischen Werte verteidigen gegen autoritäre Staaten wie Russland und China. Ein Blick auf die historische und politische Realität genügt, um die Heuchelei in dieser Inszenierung zu erkennen. Dass in Russland und China demokratische Rechte mit Füßen getreten werden, dass auch der Angriff auf die Ukraine ein undemokratischer, verbrecherischer Akt ist, den wir verurteilen müssen, stimmt natürlich. Dass aber gerade darin der Grund für die Blockbildung liegt, fällt dennoch schwer zu glauben, wenn man sich vor Augen führt wie leicht die G7 die Demokratie vergessen, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Ob in der Türkei, wo sie schmutzige Deals mit dem Autokraten Erdoğan machen oder selbst in der Ukraine, wo bedenklos reaktionäre Milizen unterstützt werden. Wer wissen will wieviel die G7 auf demokratische Rechte wie die Demonstrationsfreiheit geben, kann aber auch einfach im Juni mit uns auf die Demo gegen den Gipfel in Bayern fahren, dort warten schon 30.000 Bullen, um uns das zu erklären. Mit Schlagstock und Pfeffer versteht sich.

Der Gipfel in Bayern

Der letzte G7-Gipfel, den die BRD gehostet hat, war im Jahr 2015, als Themen wie die gnadenlose Austeritätspolitik in Südeuropa oder die rassistische Abschottung an den Grenzen im Mittelmeer die europäische Politik bestimmten. Wer die Grundrechenarten beherrscht weiß, dass die Gang sich dieses Jahr wieder in Deutschland versammeln wird.

Wenn man zwischen den vielen „starken“ Worten sucht, indet man drei hauptsächliche Themen, um die es (neben Russland und Ukraine) auf diesem Gipfel gehen wird: die Weltwirtschaftskrise, die durch den Krieg eher verschärft als
gemildert wurde, damit verbunden die Bewältigung der Pandemie und drittens der Umgang mit der Klimakrise. Während für Punkt eins sicherlich die üblichen Konjunkturprogramme diskutiert werden, wie man das imperialistische Kapital aus der Tinte ziehen kann auf dem Rücken der Arbeiter_Innenklasse und Halbkolonien und der zweite relativ witzlos ist, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass gerade die G7-Staaten diejenigen sind, die mit ihrem Patentwahn für die ungerechte Impfstoffverteilung verantwortlich sind (die Impfquote auf dem afrikanischen Kontinent liegt beispielsweise jetzt noch bei 12%), hat sich Olaf Scholz für das dritte Problem etwas ganz besonderes ausgedacht:

Der Klimaclub (LOL)

Der Klimaclub ist eine Idee von Scholz zur Errichtung der nächsten Plattform, in der die Regierungen der Klimakiller und Industriestaaten ihre guten Absichten und ehrgeizigen Ambitionen beteuern können. Kyoto-Protokoll, Pariser Klimaabkommen, alle COP-Gipfel seitdem: Uns sind doch schon lange die Ohren abgefallen von all den tollen Absichtserklärungen. Wirklich passiert ist seitdem noch immer nichts. Dass Deutschland jetzt einen Club aufmacht, behauptet an der fehlenden Klimawende seien die anderen schuld, rummackert und sich als großen Klimaretter aufspielt ist aber ganz schön peinlich und verlogen! Nicht nur weil Deutschland selber nach wie vor das größte Braunkohlerevier Europas bewirtschaftet, Wälder für Autobahnen und Tesla-Fabriken abholzt oder neue LNG-Erdgas-Terminals baut, sondern auch weil das deutsche Kapital (wie auch der Rest der G7) die eigene Bilanz noch schönschwindelt, indem es seine klimaschädliche Produktion einfach in die Halbkolonien auslagert. Schon im
Allgemeinen haben wir ja keine Hoffnung darin, dass der Kapitalismus mit der Klimakrise fertig wird, die letzten jedoch,
in dessen Hände wir das Schicksal unseres Planeten geben können, sind die, die am meisten von seiner Ausbeutung und Vernichtung profitieren: Die imperialistischen Bourgeoisien der G7-Staaten!

Den Gipfel verhindern!

Am 26.-28. Juni soll der G7-Gipfel auf Schloss Elmau bei Garmisch-Partenkirchen, Bayern stattinden. Wir haben keinen Bock, dass sich die Verwalter der größten Ausbeuterstaaten in einem Luxushotel treffen und bei Champagner über die Unterjochung unserer Welt beraten! Wir haben keinen Bock dass die scheinheilige Worte über Klimaschutz verlieren, aber nichts dafür tun und stattdessen den Planeten an die Wand fahren. Wir haben auch keinen Bock, dass sie die
Rüstungsausgaben erhöhen, Waffen in den Krieg entsenden und den Konlikt mit Russland immerweiter anheizen. Wir
möchten eine Bewegung aufbauen, die diesen Kriegstreibern die internationale Solidarität der gesamten Arbeiter_Innenklasse entgegensetzt. Die Waffenlieferungen blockiert und Rüstungsfabriken bestreikt. Die Klimakillerkonzerne enteignet und die Produktion nach unseren Bedürfnissen und denen unseres Planeten umgestaltet,
nicht nach dem größten Profit. Und die endlich gleiche Rechte, Freiheit und eine sichere Lebensgrundlage für alle Menschen auf der Welt erkämpft! Damit fangen wir in Garmisch an! Wir werden Busse organisieren und in den Schulen eine Mobilisierungskampagne, denn wir sind die Jugend und es geht um unsere Zukunft, nicht die von sieben alten Säcken!




SDAJ-Konferenz: Kein Schritt zur Antikriegsbewegung

Jonathan Frühling, REVOLUTION, 25. April 2022

Am Samstag, den 23. April 2022, lud ein von der SDAJ geführtes Bündnis, bestehend aus u. a. DIDF, [‚solid], ver.di Jugend, GEW Jugend und Naturfreundejugend zu einer Antikriegskonferenz von Jugendlichen ein. Revolution beteiligte sich mit Genoss_Innen aus verschiedenen Städte daran, auch wenn wir – wie eine Reihe anderer linker Gruppen – nicht in die Vorbereitung involviert worden waren.

Da die SDAJ ihre gesamte Mitgliedschaft mobilisierte, waren ca. 250 Leute anwesend, was sehr beachtlich war. Insgesamt begrüßen wir diesen Vorstoß und haben uns deshalb gerne daran beteiligt. Allerdings hat die Konferenz am Ende mehr den desaströsen Opportunismus der SDAJ zur Schau gestellt, als dass sie die Antikriegsbewegung praktisch oder theoretisch vorangebracht hätte.

Expert:innenvorträge und Workshops

Zu Beginn gab es sogenannte „Expert:innenvorträge“ z. B. von der LINKEN und einem ehemaligen IG Metall-Vorstandsmitglied. Das war zwar zum Teil interessant, allerdings konnten uns diese Leute mit ihrem lauwarmen Reformismus keine Antworten auf Krieg, Aufrüstung und imperialistische Unterdrückung liefern. Es schloss sich eine Workshopphase an, in der relativ frei diskutiert werden konnte. Allerdings war auch hier der Fokus vor allem auf Deutschland gerichtet. Dort brachten unsere Genoss_Innen ein, dass wir uns unbedingt zur NATO und zum Krieg in der Ukraine positionieren müssen, was von der SDAJ kategorisch zurückgewiesen wurde. Am Ende kam eine Frau aus dem Vorstand der SDAJ sogar auf uns zu und hat gesagt, es wäre unsolidarisch, wenn wir das vor dem großen Podium ansprechen würden, weil sich ja die Organisator_Innen im Vorfeld schon geeinigt hatten, dazu zu schweigen!

Die Resolution

Zum Schluss wurde eine Resolution verabschiedet. Sie war allerdings politisch extrem schwach. Es gab KEINE (!) Einschätzung der aktuellen (Welt-)Lage, sondern nur ein paar antimilitaristische Forderungen. Diese sind zwar unterstützenswert, aber fokussieren sich nur auf Deutschland. Zudem reichen sie nicht dazu aus, einer Antikriegsbewegung der Jugend Handlungsorientierung zu geben, zumal sie sich um alle internationalen Fragen drücken. Folgende Worte fanden überhaupt keine Erwähnung: Arbeiter_Innenklasse, Gewerkschaft, Streik, NATO, Russland, (Anti-)Kapitalismus, Imperialismus. Das alleine sollte Beweis genug dafür sein, wie unzureichend die Resolution ist.

Aufgrund unserer Intervention in der Workshopphase fühlte sich der Vorstand der SDAJ dazu genötigt, vor der Diskussion zur Resolution anzukündigen, dass man bitte nichts zu dem Ukrainekrieg sagen soll! Es gebe dazu keine Einigung unter den Gruppen und deshalb hätten die Organisator:innen im Vorfeld beschlossen, die Frage auszuklammern! Als von uns und der MLPD-Jugendorganisation Rebell Anträge zu den Themen imperialistische Aggression, NATO und einem Bezug zur Arbeiter:innenklasse eingebracht wurden, wurde einem unserer Genoss:innen sogar kurzzeitig das Mikrophon aus der Hand gerissen! Die Anträge wurden dann von der Protokollantin zum Teil gar nicht notiert oder mit der Begründung „Es hat ja jemand dagegen gesprochen“ einfach nicht in die Resolution aufgenommen. Eine demokratische Abstimmung zu den gestellten Anträgen fand einfach nicht statt! Diese bürokratische Vorgehensweise war wirklich eine Schande. Da das beschämende Verhalten der SDAJ-Führung offen vor dem gesamten Plenum passiert ist, bleibt zu hoffen, dass das nicht nur uns übel aufgestoßen ist.

Auch praktisch sah es nicht rosiger aus. Die beachtliche Größe dieser Konferenz wurde nicht dazu genutzt, Aktionen wie z. B. dezentrale Aktionen an dem Tag, an dem im Bundestag über den 100-Mrd.-Sonderetat der Bundeswehr abgestimmt wird, zu planen. Stattdessen blieb es bei einem folgenlosen „Beteiligt euch an Aktionen zum 8. Mai (Tag der Befreiung) und zum 1. September (Antikriegstag)!“

Die Tatsache, dass für dieses zentrale Papier nur 20 Minuten für Diskussion, Anträge und Abstimmung geplant waren, zeigt, dass ein demokratischer Prozess zur Erstellung einer Resolution von Anfang an nicht gewünscht war.

Fazit

Die Konferenz hätte dazu genutzt werden können, um die drängenden Fragen zum Thema Krieg und Frieden unserer Zeit zu diskutieren. Es ist so wichtig, dass wir unsere Analysen und Forderungen austauschen und diskutieren. Nur wenn wir verstehen, was gerade passiert und wieso, können wir programmatische Antworten finden und um dieses Programm eine schlagkräftige Bewegung formieren.

Das Argument, dass man alle strittigen Punkte ausklammert und z. B. nicht die NATO kritisiert, damit ver.di die Resolution unterstützt, ist feiger Opportunismus und blockiert den Aufbau einer kämpferischen Antikriegsbewegung. Wie sollen wir die Millionen Gewerkschaftsmitglieder und Jugendlichen von unseren Positionen überzeugen, wenn wir sie ihnen nicht mitteilen und einladen, darüber zu diskutieren?

Leider bleibt zu sagen, dass die Konferenz keinen Schritt in Richtung einer Jugendbewegung gegen Krieg setzte. Am Ende sind wir alle nach Hause gefahren und konnten uns nicht einmal denken: „Schön, dass wir mal drüber geredet haben.“ Denn selbst das war von den Organisator_Innen nicht gewünscht.




Jugendtreffen in Berlin: Antirassismus braucht Bewegung!

Am Samstag, den 9. Januar werden sich insbesondere jugendliche AktivistInnen aus dem Bundesgebiet am Rande der Luxemburg-Liebknecht Konferenz in Berlin treffen. Zu dem Treffen, welches sich mit der Frage beschäftigt, wie wir eine bundesweite antirassistische Jugendbewegung aufbauen können, hatte das Berliner Bündnis „Refugee Schul-und Unistreik“ auf die Initiative von REVOLUTION hin eingeladen.

Auch wenn das Treffen kurzfristig einberufen ist, die Ereignisse allein der ersten Januarwoche zeigen, dass der Gang der Dinge heute schneller vonstatten geht: Der Vorfall von Köln und die skandalöse Reaktion der bürgerlichen Presse, der Regierungsparteien, sowie der AFD und der rassistischen Bewegung. Zahlreiche Messerattacken und Übergriffe auf MigrantInnen und Linke, wie das Linkspartei- und solid Mitglied Julian Kinzel. Das Kippen der öffentlichen Meinung in Teilen der Gesellschaft, wie ein Blick auf die sozialen Netzwerke zeigt.

Die Rassisten und Faschisten um PEGIDA, sowie Parteien von AFD, NPD und die RECHTE verfügen über eine bundesweite Bewegung, und sie sind sich ihrer selbst äußerst bewusst.

Die radikale Linke in der Bundesrepublik ist gefordert. Die Herausforderung besteht nicht nur in der Lösung strategischer Fragen, wie der antirassistische Kampf geführt werden kann. Unmittelbar ist es vor allem unerlässlich die lokale Isolation der antirassistischen Aktivitäten zu durchbrechen. Verbunden damit steht auch die Notwendigkeit die humanitäre und soziale Hilfe, die viele Linke und linke Organisationen aktuell leisten, mit einer politischen Bewegung Seite an Seite mit den Geflüchteten zu verbinden.

Doch das wird bekanntermaßen nicht ohne Konflikte, automatisch oder den Druck der radikalen Linken geschehen. Es bedeutet ebenfalls Position gegenüber Parteien wie der LINKEN, sowie der SPD und den Gewerkschaften zu beziehen. Es kann uns nicht gleichgültig sein, dass die Organisationen, die einen Großteil der politischen ArbeiterInnenklasse in Deutschland organisieren unter dem „Druck der Ereignisse“ weiter nach Rechts gehen, wie die Äußerungen von Heiko Maas, der die Abschiebung „krimineller Asylanten“ begrüßt oder Bernd Riexinger, der sich im Bezug auf Köln bedauernd über die Schuldenbremse äußert – nicht etwa weil weniger Geld für soziales und soziale Integration ausgegeben würde, sondern weil es 16´000 PolizistInnen weniger gibt, die für „Sicherheit sorgen“. Es muss uns darum gehen, diese Organisationen unter Druck zu setzen sich gegen die rassistische Bewegung aktiv zu betätigen, die linken oder kritischen Kräfte zu stärken. Machen wir uns keine Illusionen, nur dann ist in der aktuellen Situation auch eine Massenbewegung gegen die RassistInnen und FaschistInnen möglich.

Das ein wachsendes Bedürfnis unter radikalen und sozialistischen Jugendlichen besteht, gemeinsam zu handeln, zeigen die zahlreichen Zusagen zu dem Treffen. VertreterInnen von Organisationen und Bündnissen aus Berlin, Dresden, Hamburg, Köln, Essen, Frankfurt am Main und Magdeburg haben ihr Kommen angekündigt. Auch VertreterInnen von Organisationen wie REVOLUTION, der SDAJ, Rebell, der Linksjugend solid, als auch dem VVN-BDA werden an dem Treffen teilnehmen.

Dieses Treffen wird mit Sicherheit nur ein kleiner Schritt sein. Aber es könnte ein bedeutender werden, insofern sich die Anwesenden auf konkrete, gemeinsame Schritte für die kommenden Monate einigen könnten. Die Anzahl der Städte und Vertretenen Organisationen wäre ausreichend, um eine Strahlwirkung zu entfalten, weitere Kräfte zu gewinnen.

Wir von REVOLUTION wollen uns daher auf dem Treffen für die Gründung eines bundesweiten antirassistischen Jugendbündnisses aussprechen, das gemeinsam bundesweite Mobilisierungen vorantreibt. Das sich auf die Koordinierung unterschiedlicher antirassistischer Kampagnen an Schulen, Universitäten und in den Gewerkschaften einigt, als auch Druck macht, um zentrale Großproteste zu organisieren. Es gelten gleich zwei Herausforderungen, einerseits das Blockieren und Zurückdrängen rassistischer und faschistischer Mobilisierungen, andererseits – und davon gab es im vergangenen Jahr viel zu wenig – linke Großmobilisierungen gegen die bestehenden rassistischen Asylgesetze und die entwürdigende Behandlung der Geflüchteten.

Als einen konkreten Aktionstag schlagen wir daher einen Termin in der Schulwoche vom 18.-22. April vor, an dem wir gemeinsam einen bundesweiten Schulstreik, als auch Demonstrationen und Kundgebungen organisieren sollten. Ebenfalls sollte es bereits gemeinsame und vermehrte Absprachen und Aktionseinheiten aller beteiligten in den Monaten bis April geben.

Als politische Grundlage einer gemeinsamen Plattform wollen wir folgende Forderungen in die Diskussion am Wochenende bringen:

• Volle demokratische und politische Rechte, volle Staatsbürgerrechte für Alle.
• Nein zu Grenzkontrollen, Residenzpflicht Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen, volle Bewegungsfreiheit für alle Geflüchteten!
• Für das Recht auf Arbeit und die gewerkschaftliche Organisierung aller Geflüchteten, keine Kompromisse bei Mindestlohn und sozialer Sicherung! Für freie Bildung und die sofortige Abschaffung aller Extragebühren für Deutschkurse und Bildungsangebote für Geflüchtete!
• Nein zu dem menschenunwürdigen Lagersystem! Enteignung leerstehenden Wohnraums zur Unterbringung von Geflüchteten und den massiven öffentlichen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus statt Privatisierung!
• Sofortige Beendigung aller Kriegseinsätze in Mali, Syrien, Afghanistan, Irak, Kosovo, dem Mittelmeer und vor dem Horn von Afrika, Schluss mit den deutschen Rüstungsexporten und der deutschen Aufrüstung!
• Für das Recht auf Selbstverteidigung gegen Polizeigewalt, rassistische und faschistische Angriffe!

Jugendkonferenz gegen Rassismus | Berlin | Samstag | 09. Januar | Admiralstraße 17 | 14.00 bis 18.00 Uhr |

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, auch kurzfristig kann für Unterbringung gesorgt werden.

jugendkonferenz-rassismus




Bankrott – aber nicht am Ende!

Quelle: Scharf-Links

Warum also nicht etwas riskieren, Widerstand organisieren oder einen Aufstand wagen, einen kleinen oder auch größeren, so oder ähnlich dürften derzeit viele denken in Spanien, in Griechenland. Und sie tun es, die Mineros (Minenarbeiter_innen in Asturien), die Stahlarbeiter_innen in Thessaloniki und viele, viele andere Jugendliche, Arbeitslose, Arbeiter_innen, Rentner_innen in ganz Europa – hunderttausende, bis zu 800.000 waren es am 19. Juli in Madrid, mehrere Millionen waren es letzte Woche in Portugal und Spanien. Sie müssen befürchten, dass es für sie nach Jahren steigender Arbeitslosigkeit, sozialer Angriffe, Kürzungen in Bildung, Gesundheit, Rente nun noch viel schlimmer kommt, denn das ist der Plan ihrer Regierungen, der EU und ganz besonders „unserer“ Frauen und Herren Merkel und Rösler. Doch dieser Plan kann gestoppt werden, und dass hierfür der erste Schritt bereits getan ist, das zeigen die hektischen Reaktionen der rechten deutschen Presse, die ein „Umkippen“ Spaniens befürchtet. Sind die Proteste also bloß Ausdruck einer Verzweiflung angesichts des unvermeidlichen Bankrotts?

Nein, sie sind vielmehr die richtige und notwendige Reaktion – auf den Versuch der herrschenden Kapitalist_innen, ihre Krise in unseren Ruin zu verwandeln. Der Kampf gegen Sparprogramme und „Bankenrettung“ kann erfolgreich sein, und so er das in Spanien und Griechenland nicht ist, werden auch uns derartige Angriffe nicht erspart bleiben. Von den Zuständen manch anderer Länder – in Griechenland und Spanien sind mehr als die Hälfte der Jugendlichen arbeitslos – sind wir in Deutschland weit entfernt. Doch die Durchsetzung der gewaltigen Sparprogramme dort würde die Situation für uns nicht etwa verbessern – ganz im Gegenteil wären die deutschen Kapitalist_innen ermutigt, auch uns solche Einschnitte aufzuhalsen: Denn sie wissen, dass sie hauptsächlich deswegen besser dastehen, weil bereits seit Jahren die Löhne in Deutschland stagnieren und Hartz 4, Agenda 2010 und Leiharbeit höhere Profite als anderswo erlauben. Und umgekehrt ist das Fehlen von massenhaftem Widerstand in Deutschland, vor allem das weitestgehende Stillhalten von Gewerkschaften und der Partei „DIE LINKE“ mit dem Ziel, „friedlich und ruhig“ durch die Krise zu kommen, nicht nur ein schändlicher Verrat an der Bevölkerung in „Krisenländern“, sondern wird auf uns selbst zurückfallen, sobald Griechenland und Spanien „abgehakt“ ist. Der Kampf gegen die Politik der Bundesregierung ist daher jetzt notwendig – es ist falsch, erst auf die „Zuspitzung der Lage“ zu warten (wie manche linke Reformist_innen in Deutschland, aber auch SYRIZA in Griechenland)  oder – wie die DGB-Gewerkschaften in den Tarifrunden vormachen – „verantwortungsvoll“ gemeinsam mit den Kapitalist_innen die Krise „auszustehen“. Verantwortungsvoll ist dies nur vom Standpunkt der Ausbeuter, den Kapitalist_innen.

Für den Kampf gegen die Krise schlagen wir folgende Schritte vor:

  • Europaweite Mobilisierung gegen Fiskalpakt, Sparpaket, Bankenrettung! In ganz Europa muss 2012 ein Herbst des Widerstandes werden!
  • Generalstreiks in Spanien und Griechenland sind in der Diskussion. Diese sind notwendig, wenn die Verarmung gestoppt werden soll!
  • Solidaritätsstreiks auch in Deutschland! Überhaupt jeder Arbeitskampf, jede Demo muss auch Solidarität mit Spanien und Griechenland zum Ausdruck bringen!
  • Unterstützung muss praktisch werden: Solidaritätskomitees in jeder Stadt! Kampf der nationalistischen Hetze gegen Griechenland! Materielle Unterstützung für die griechische Arbeiter_innenklasse, wo der Kampf dies erfordert!
  • Aktionstag „UMfairTEILEN“ am 29. September: Alle auf die Straße, in jeder Stadt! Bildet Vorbereitungskomitees!
  • Schluss mit dem Stillhalten der Gewerkschaftsführungen! Ernsthafte Mobilisierung, klassenkämpferische Opposition von unten!
  • Für eine europaweite Konferenz der Linken, Arbeiter_innen- und Jugend-Aktivist_innen zur Verstärkung des Kampfes gegen die Krise – beteiligt euch vom 08.-11. November an „Florenz 10+10“. Macht es mit uns zu einer europaweiten Aktionskonferenz unseres Widerstandes!



Ein neues Schuljahr – Wie weiter im Kampf gegen Bildungsabbau?

Wir veröffentlichen hier ein Interview über die aktuellen Bildungsproteste, das Genoss_innen der Gruppe Arbeitermacht mit einem unserer Mitglieder führten und auch auf der Arbeitermachthomepage veröffentlicht wurde. Das Interview wurde mit Robert Teller über momentane Probleme, internationale Kämpfe und revolutionäre Perspektiven für die Kämpfe der Jugend um das Thema Bildung geführt.

Arbeitermacht (AM): Revolution war in den letzten Jahren eine der aktivsten Gruppen bei der Organisierung von Bildungsstreiks und Aktionen. 2011/12 gab es jedoch eine erkennbare Abschwächung der Bewegung an Unis und Schulen. Auf der diesjährigen REVO-Konferenz wurde über die Ursachen dieser Entwicklung diskutiert. Worin seht ihr die Hauptursachen?

Von REVOLUTION mitorganisierter Protestzug von Schüler_innen durch Pankow

Von REVOLUTION mitorganisierter Protestzug von Schüler_innen an einer Schule in Pankow, beim Schulstreik 2011 in Berlin

Robert: Das größte Problem in der Bildungsstreikbewegung ist, dass in den Kämpfen der letzten Jahre keine dauerhaften Organisationsstrukturen gebildet wurden, die eine gezielte Kampagne gegen Bildungsabbau u.a..Angriffe auf die Rechte der Jugend führen könnte. Es gibt in Deutschland viele tausend Jugendliche, die bereit sind, mit allen Mitteln für ihr Recht zu kämpfen. Es gab ein- oder mehrtägige Streiks und sogar anhaltende Besetzungen in den Unis. Doch bisher haben wir nur wenige Forderungen durchsetzen können, und diese wenigen Erfolge wurden von manchen Gruppen als Vorwand genommen, die Bewegung für beendet zu erklären.

Wir – und dies gilt für die große Mehrheit der AktivistInnen in der Bewegung – meinen, dass der Kampf weitergehen muss. Hierfür müssen wir aber die Fehler der Vergangenheit benennen und Schlüsse für die Zukunft ziehen. Wenn eine Belegschaft streikt, um z.B. Lohnforderungen durchzusetzen, dann tut sie das solange, bis sich die „Arbeitgeber“ gezwungen sehen, die Forderungen zu akzeptieren. Wenn der Druck nicht ausreicht, müssen sie alles daran setzen, sich mit anderen Belegschaften zu verbinden, demokratisch gewählte Streikleitungen zu bilden und all jene mit in den Kampf zu ziehen, die ihnen solidarisch gegenüberstehen und ähnliche Interessen haben. Es ist die erste Aufgabe jeder Bewegung, ihre Organisation auf ein stets höheres Niveau zu heben, um die Kampfkraft zu erhöhen, bestehende AktivistInnen zu dauerhaften KämpferInnen zu machen und in kommenden Aktionen alle anderen Unterdrückten, die bisher nicht aktiv waren, zu gewinnen.

AM: Auch in den letzten Wochen und Monaten gab es Schulstreiks, z.B. in Dresden und Solingen. Aber diese scheinen wenig miteinander koordiniert zu sein. Was schlagt ihr vor, um diese Aktionen zu verbinden und bundesweite Strukturen aufzubauen?

Bildungsstreik in Solingen am 29 Jnui 2012 in Solingen.

Robert: Wir brauchen in der Bildungsstreikbewegung Organisationsstrukturen, die von allen AktivistInnen gewählt und abgewählt werden können und in deren Auftrag den Kampf vereinheitlichen und vorantreiben. Die Bildungsstreik-Konferenzen müssen verbindlichen Charakter haben. Es bringt nichts, sich für zwei Tage zu treffen und die meiste Zeit darüber zu diskutieren, ob Mehrheitsentscheidungen undemokratisch sind oder ob es den Anwesenden erlaubt ist, nichtvegane Nahrung zu essen.

Die Konsens-BefürworterInnen haben offenbar nicht begriffen, dass die Bewegung konkrete Aufgaben zu erfüllen hat: Millionen von Jugendlichen vegetieren in sinnlosem Schulunterricht, Billigjobs oder Arbeitslosigkeit. Sie sind täglicher Repression durch LehrerInnen, Chefs oder Behörden unterworfen. Diese ungerechten und unterdrückerischen Verhältnisse zu bekämpfen ist unsere Aufgabe, und wir müssen von allen linken Kräften, auch von Reformisten wie DIE LINKE und den Gewerkschaften einfordern, jede nur mögliche Unterstützung zu leisten. Ein großes Problem der Jugend ist, dass es keine gemeinsame Interessenvertretung gibt, wie es bei den ArbeiterInnen die Gewerkschaften sind. Wir wollen daher eine SchülerInnengewerkschaft aufbauen. Diese sollte eine dauerhafte Basis für alle Jugendkämpfe darstellen, nur von diesen Jugendlichen kontrolliert sein und zugleich – wie die ArbeiterInnengewerkschaften – Schutz vor individueller Repression durch LehrerInnen oder den Staat bieten.

AM: Welche Forderungen und welche Organisationsformen schlagt ihr zum Aufbau einer bundesweiten Bewegung vor? Wie sollen Unverbindlichkeit und mangelnde Kontinuität überwunden werden?

Robert: Es sollten regelmäßige bundesweite Konferenzen stattfinden, die allen AktivistInnen offenstehen. Sie sollten durch Mehrheitsentscheid bestimmen, welche Aktionen für welche Ziele als nächstes stattfinden, mit welchen Mitteln wir für welche Forderungen kämpfen.Die Entscheidungen müssen verbindlich sein. Es muss für alle TeilnehmerInnen möglich sein, Anträge einzubringen, die diskutiert und abgestimmt werden. Es darf keine politische Steuerung durch „Vorbereitungsgruppen“ o.ä. geben.

Entscheidungen sollten demokratisch diskutiert, allerdings auch zielgerichtet getroffen werden, damit die Bewegung sich durch die praktischen Erfahrungen entwickeln und definieren kann!

Unsere Forderungen in der Bildungsbewegung haben wir im „Aktionsprogramm Bildung“ dargelegt. Dazu gehören beispielsweise die Neueinstellung von 100.000 LehrerInnen, Sofortinvestitionen von 40 Mrd. Euro und die Verkleinerung der Klassen auf max. 20 SchülerInnen. Dazu gehört die Abschaffung des dreigliedrigen Schulssystems und die Durchsetzung von Lehr- und Lernmittelfreiheit, also freier und kostenloser Zugang zu den Schulen. Wichtig sind jedoch auch Forderungen wie das Streikrecht für SchülerInnen und LehrerInnen, Freiheit der Organisation und Propaganda an Schulen und Verbot aller schulischen Repressionsmaßnahmen, denn heute ist unser Kampf durch die Willkür und der Schulbehörden sehr schwer. Außerdem fordern wir das Verbot von Religions- oder Moralunterricht an den Schulen.

AM: Welche Gruppierungen sollen dazu einbezogen werden?

Robert: Wir fordern alle Organisationen und Individuen zur Teilnahme auf, die den grundlegenden Forderungen für bessere Bildung zustimmen. Alle politischen Kräfte haben nicht nur das Recht, sondern die Aufgabe, den Kampf zu unterstützen. Dies gilt natürlich nicht für Rechte oder Reaktionäre – aber wir haben derzeit nicht das Problem, dass diese sich in unserer Bewegung tummeln. Wir fordern von Bündnispartnern nicht weitgehende politische Übereinstimmung als Voraussetzung. Wir kämpfen für konkrete Ziele, und wer diese Ziele teilt, ist aufgefordert, sich dem Kampf anzuschließen.

Zusammen Kämpfen -Gemeinsam Streiken!

Natürlich muss dann innerhalb der Bewegung notwendigerweise die Diskussion geführt werden, wie diese Ziele durchgesetzt werden können, und welche Forderungen wir an die Schulen und an die Regierung richten. Hier gibt es unterschiedliche Positionen, die offen diskutiert und schließlich demokratisch entschieden werden müssen. Es muss auch stets die volle Freiheit der Kritik an anderen Strömungen gewährleistet sein. Gerade weil verschiedene Strömungen in der Bewegung arbeiten, ist es wichtig, Differenzen zu diskutieren. Wenn das nicht möglich ist, werden wir keine Einheit im Kampf erreichen, sondern sektiererische Einzelaktionen verschiedener Kräfte.

AM: Welche Forderungen, welche zentrale Perspektive schlägt REVOLUTION für das Bildungssystem über Forderungen einer Einheitsfront hinaus vor?

Robert: Als KommunistInnen verstehen wir den Kampf für bessere Bildung natürlich als Kampf gegen den bürgerlichen Charakter des Bildungssystems. Wir richten uns nicht gegen ein vermeintlich „falsches Verständnis“ der Politik in Bezug auf das Bildungssystem – wir wollen das Bildungssystem vollständig der Kontrolle durch den bürgerlichen Staat entreißen.

Das bürgerliche, kapitalistische Bildungssystem dient immer der Aufrechterhaltung und Festigung der bürgerlichen Klassengesellschaft. Hier werden den Bedürfnissen der Kapitalisten entsprechend zum einen ProletarierInnen, zum anderen die kommende „Elite“ produziert – jeweils nochmals vielfach unterteilt. Viele der Haupt- und Realschulabgänger
werden auf lange Zeit der „industriellen Reservearmee“ angehören, während ein kleiner Teil von Hochschulabsolventen die nächste Funktionärsschicht der herrschenden Klasse stellt.

Unsere Ziele erschöpfen sich daher nicht in ein paar finanziellen Zuwendungen und ein wenig mehr Gleichberechtigung. Das einzig gerechte Bildungssystem ist eines, das von den Betroffenen – SchülerInnen, LehrerInnen und ArbeiterInnen – demokratisch kontrolliert wird. Diese sollen über finanzielle Ausstattung, Lehrpläne u.a. entscheiden. Der Polizei und Bundeswehr muss der Zutritt zu Schulen verboten sein. Um dies umzusetzen, werden wir Gegenmachtorgane aufbauen, die entschlossen und in der Lage sind, dem bürgerlichen Staat die Schulen und Unis zu entreißen, diese im Interesse der unterdrückten Jugend umzuwälzen und die Errungenschaften gegenüber dem Staat zu verteidigen.

AM: Könnten nicht die Kämpfe gegen Kürzungen im Bildungswesen auch ein Mittel zum Aufbau einer europaweiten Bewegung werden? Ist dazu etwas geplant, hat REVOLUTION dazu Vorschläge?

In Quebec, Kanada kämpfen Jugendliche und Studierende seit Monaten milutant gegen die Angriffe der Regierung.

Robert: In den letzten Jahren haben wir in vielen Ländern Kämpfe und Aufstände von Jugendlichen gegen das marode Bildungswesen erlebt – nicht nur in Europa, sondern z.B. auch in Chile oder Kanada. Dies geschieht vor den Augen der Welt und wir können uns ein Beispiel nehmen an den Kämpfen in Chile, wo Jugendliche gemeinsam mit ArbeiterInnen sehr entschlossen und militant gekämpft haben. Die Bedingungen für die Vereinigung dieser Kämpfe zu einer ungleich stärkeren, internationalen Bewegung sind gut.

Wir haben zudem die Aufgabe, Unterdrückte in Ländern zu unterstützen, wo die Situation noch viel prekärer ist, z.B. in Griechenland. Bei all den Nachrichten über die Krise geht es beinahe unter, dass die Regierung die Universitätsbudgets allein in diesem Jahr um 20% gekürzt hat. Die Qualität der Ausbildung ist sehr schlecht und ohnehin bekommen nur die wenige einen Studienplatz.

Wir treten dafür ein, die Bewegung auch international so eng wie möglich zu vereinen. Nicht nur, damit wir gemeinsam mehr werden – es ist essentiell, weil die Bildungsproteste, die Proteste gegen Sparpakete und die Krise in allen Ländern den selben Gegner haben: das marode kapitalistische System. Im Moment sind GenossInnen von REVOLUTION in Griechenland, um dort Kontakte zu machen mit AktivistInnen, mit StudentInnen, kämpfenden Belegschaften oder Migrantenorganisationen.

Es gab bereits europa- oder weltweite Aktionstage, wie am 27.11.2011. Um die Kämpfe wirklich auf eine höhere Ebene zu heben, treten wir für eine europaweite Konferenz der Jugend- und Antikrisenbewegung ein, die einen gemeinsamen Plan für die Kämpfe der Unterdrückten erarbeiten müsste.

AM: Wie greift REVOLUTION konkret an Schulen ein? Baut ihr dazu eigene REVO-Gruppen auf? Was tun diese?

Robert: Alle GenossInnen, die zur Schule gehen, arbeiten in Streikkomitees, oder versuchen solche aufzubauen. Vor allem in Berlin sind die Erfolge gut, auch wenn im letzten Jahr das Bündnis „Bildungsblockaden einreißen“ gespalten wurde. Die Aufgabe von Streikkomitees ist es, die konkreten Probleme an der Schule zu diskutieren, Kämpfe zu organisieren und die SchülerInnen für den Kampf zu gewinnen. Die REVOLUTION-Konferenz hat nun beschlossen, dass wir diese Aktivitäten ausweiten, auch in anderen Städten. Wenn wir an einer Schule genügend Kräfte haben, bauen wir dort auch REVOLUTION-Gruppen auf, um weitere GenossInnen zu gewinnen und unsere Vorschläge in den Komitees zu vertreten.

AM: Oft wird der Vorwurf erhoben, der Aufbau von REVOLUTION-Gruppen an Schulen oder Unis stünde im Widerspruch zum Aufbau der Bewegung oder von Bündnissen. Was entgegnet ihr dem?

Robert: Um unsere Organisation aufzubauen und zu festigen, werden wir, wo immer möglich, Schul-, Hochschul- oder Betriebsgruppen bilden, wo wir unsere Positionen in Bezug auf die jeweiligen Probleme konkret diskutieren und entwickeln und so auch weitere GenossInnen gewinnen. Dies widerspricht nicht der Arbeit in Bündnissen und steht auch nicht in Konkurrenz dazu. Im Gegenteil: In einem Aktionsbündnis arbeiten verschiedene politische Strömungen und Individuen für gemeinsame Ziele, organisieren Aktionen, bei denen sich jede Gruppe den Entscheidungen des Bündnisses unterwirft.

Als politische Organisation haben wir jedoch ganz bestimmte Positionen und Vorschläge, die wir in diese Komitees einbringen, weil wir denken, dass wir die Bewegung dadurch vorwärts bringen können. Dies steht jeder Organisation zu. Manche verwechseln Aktionsbündnisse mit politischen Blöcken, was dazu führt, dass bestimmte Kräfte sektiererisch aus dem Bündnis ausgestoßen werden.

AM: Noch eine letzte Frage. Wo können interessierte GenossInnen eure politischen Vorschläge nachlesen? Wie können sie mit den Ortsgruppen in Kontakt kommen?

Robert: Unser „Aktionsprogramm Bildung“ kann man auf unserer Website herunterladen oder von den Ortsgruppen erhalten. Auf der Website befinden sich auch andere Grundlagendokumente wie das Internationale Manifest. Interessierte können jederzeit über die Website oder Facebook Kontakt herstellen und auf die Ortsgruppentreffen kommen. Alle Interessierten können sich über unsere Kontaktadressen oder bei den Ortsgruppen melden.




Die deutsche Linke und die Krise – Aktionskonferenz in Frankfurt beschließt Proteste im Mai

Das Bild zeigt eine der Plenarphasen der Konferenz, in der die Aktionstage vom 17.-19. Mai in Frankfurt beschlossen wurden.

Vom 24. bis 26. Februar fand in Frankfurt die erste große Aktionskonferenz diesen Jahres zur Vorbereitung der Krisenproteste im kommenden Frühling statt. Auf der Konferenz, die mit 400 Teilnehmer_innen gut besucht war, fiel insbesondere die hohe Dominanz von Mitgliedern der Interventionistischen Linken (IL) und Attac auf, während die LINKE, der DGB und Parteien, wie DKP und MLPD nur vereinzelt oder gar nicht vertreten waren.

Auch wir von REVOLUTION fuhren gemeinsam mit Genoss_innen der Gruppe Arbeitermacht (GAM) nach Frankfurt, da die aktuelle Situation in Europa es erforderlich macht, gemeinsam mit anderen, Massenproteste auf die Straßen zu bringen und sich gegen sämtliche Maßnahmen, die zur zunehmenden Verarmung und Unterdrückung der Jugendlichen und der arbeitenden Bevölkerung führen, zu wehren.

An Aktionen, die beschlossen wurden, mangelte es auf der Konferenz nicht. So wurde die Demonstration zur Europäischen Zentralbank in Frankfurt am 31. März bestätigt, fortführend mit einem weltweiten Occupy-Aktionstag am 12. Mai, an dem man sich beteiligen wolle, und dem Beschluss vom 17.-19. Mai in Frankfurt Blockaden des Bankenviertels und eine internationale Großdemonstration zu organisieren. Die Herausforderung dabei ist, dass die Gesamtchoreographie, die Blockaden am 18. Mai und im speziellen die internationale Demonstration am 19. Mai große Massen begeistern müssen, um politische Stärke zu gewinnen.

Zur Lösung dieses Problems hätte die Konferenz jedoch über die aktuelle Situation des deutschen Klassenkampfes – über reale Auseinandersetzungen, wie die Tarifrunden, die Rolle des deutschen Kapitals in der EU und wie man Kontakt zu Jugend- und Arbeiterorganisationen in Griechenland, Italien oder Spanien aufnehmen könnte – reden müssen. Die Diskussion, die von Gruppen wie SAV, RSB, REVOLUTION, GAM, der Gewerkschaftslinken und Jugendgewerkschaftern gefordert wurde, hätte sich auch auf Fragen beziehen müssen, wie man die Organisationen, die auf der Konferenz fehlten, für gemeinsame Mobilisierungen gewinnen könnte. Doch das wurde von Attac und IL bürokratisch unterbunden!

Aussagekräftiges Bild über die deutsche Außenpolitik...

Und genau an dieser Stelle setzt unsere Kritik an der Konferenz an. Am Samstagabend setzte sich die Redaktionsgruppe zusammen, um gemeinsam einen Vorschlag für eine Resolution zu erarbeiten, die dann am nächsten Tag im Gesamtplenum besprochen und abgestimmt werden sollte. Soweit, so gut. Während dieser Debatte um den Aufrufvorschlag bezogen Interventionistische Linke, Attac und einige Occupy-Aktivisten die Position, dass man den Aufruf so allgemein wie möglich gestalten solle. Man bräuchte keine Forderungen und auch die Kritik an der jetzigen Situation dürfte nicht konkretisiert werden. So lehnten diese Gruppe strikt Forderungen, wie die „Streichung der Schulden der südeuropäischen Länder“ und die „Überführung der Banken in demokratisch kontrolliertes Gemeineigentum“, ab. Auch zu den momentan stattfindenden Tarifrunden wollte man nicht mehr als leere Solidaritätsbekundungen abgeben – die Chance der Politisierung großer betrieblicher Auseinandersetzungen wurde somit verhindert. Selbst der Antrag von der Gruppe Arbeitermacht, in allen Städten erneut zum Aufbau und der Vernetzung von Antikrisenbündnissen aufzurufen, wurde von der Moderation unterbunden.

Die Konferenz war eine verpasste Chance, die Bewegung inhaltlich voranzubringen und neue Perspektiven aufzuzeigen, was vor allem den Manövern von IL und Attac zuzuschreiben ist, die sich nicht anders verhielten, als noch ein Jahr zuvor die Bürokraten und Funktionäre von der LINKEN und Ver.di. Was wir daraus schließen, ist ein falsches politisches Verständnis dieser Gruppen im Bezug auf die Lösung der Krise.

Die Politik dieser Organisationen heißt, sich an die Spitze von Bewegungen zu stellen und zu sagen, „wir haben ja sowieso keine Alternative zu diesem ungerechten System, in dem wir leben, aber man muss auch mal was dagegen machen“. Gleichzeitig wird dieses Verbrechen mit dem „Individualismus“ des einzelnen Teilnehmers, dem man ja nichts vorschreiben wolle, gerechtfertigt. Der Erkenntnis, dass der „Einzelne“ in der Gesellschaft momentan natürlich ein bürgerliches Bewusstsein hat, dem man aber eine klassenkämpferische Alternative entgegenstellen sollte, für die es sich auch für den „Einzelnen“ lohnt auf die Straße zu gehen, gerade um Vereinzelung, Ohnmacht und Perspektivlosigkeit zu überwinden, verweigern sich diese Leute. In Wahrheit fürchten sie sich sogar davor, dass wenn man für einen Schuldenschnitt in Griechenland oder die Erfüllung der Ziele der Tarifrunde eintreten würde, (Zitat eines Attac´lers) „auch andere Spektren Forderungen erheben könnten.“ Man stelle sich nur das Gräuel vor, wenn beispielsweise Erwerbslose oder Migrantinnen Forderungen erheben und in die Antikrisenbewegung tragen würden – die könnten ja dann gar nicht mehr auf einen Flyer passen! Daher stellt man lieber keine Forderungen auf und wundert sich, dass sich die Bewegung nicht von allein vergrößert .. Im besten Fall kommen die Gleichen wie sonst auch.

Der Aufruf, den die KKE mit einem Transparent vergangenes Jahr an die europäische Bevölkerung richtete, gilt besonders für die deutsche Jugend und Arbeiterklasse. Es ist insbesondere das deutsche Kapital, das Kürzungspakete und soziale Angriffe in der gesamten EU diktiert.

Für die Jugendlichen und Arbeiter_innen in Europa, sowie die von der Krise in Deutschland betroffenen Beschäftigten, die gegen die Angriffe der Kapitalisten kämpfen wollen, ist ein solches Verhalten jedenfalls ein Schlag ins Gesicht.

Doch bei aller Kritik, gab es auch positive Ansätze, wie die Absprachen zwischen Jugendgewerkschaftern, die gemeinsame praktische Vorschläge einbringen wollten, die weitaus linker waren, als die üblichen Versprechungen der Gewerkschaftsführungen. Auch das gemeinsame Einbringen von Anträgen, wie dem „Schuldenschnitt“ oder der „Vergesellschaftung der Banken“ durch SAV, SIB, GAM, RSB, REVOLUTION und Gewerkschaftslinke war ein Schritt in die richtige Richtung, der vertieft werden sollte. In den kommenden Mobilisierungen, an denen wir uns von REVOLUTION mit aller Kraft beteiligen werden, gilt es sich dies ins Gedächtnis zu rufen!

  • Die Aktionen im Mai müssen ein kräftiges Zeichen für die deutsche Anti-Krisenbewegung, sowie an die Arbeiterklasse Europas sein!

    Wir werden für die Abhaltung einer weiteren Konferenz nach den Maiaktionen eintreten, die sich mit den Fragen beschäftigt, die bisher ungeklärt blieben. In der Zwischenzeit gilt es für den Aufbau demokratisch legitimierter Strukturen und transparent organisierter Aktionskonferenzen der Antikrisenbewegung einzutreten, die ernsthafte Beschlüsse fassen können.

  • Wir brauchen wieder Krisenbündnisse in jeder Stadt, in denen die LINKE, linke Organisationen, DGB-Gewerkschaften, Schüler_innen- und Student_innenvertretungen, Migrant_innen und Erwerbslose vertreten sind und gemeinsame Aktionen planen.
  • Die internationalen Berichte von Einzelnen auf der Konferenz in Frankfurt waren sehr interessant. Es war aber problematisch, dass keine Diskussion zugelassen wurde, geschweige denn, dass die Berichte so geplant waren, dass man konkrete Schritte hätte planen können. Die Solidaritätserklärungen, die auf der Konferenz gemacht wurden, begrüßen wir natürlich, doch wir dürfen nicht bei ihnen stehen bleiben, sondern müssen zum gemeinsamen europaweit koordinierten Klassenkampf voranschreiten. Wir wollen eine europaweite Aktionskonferenz, die beispielsweise in Griechenland,
    Italien oder Spanien abgehalten werden sollte und zu der alle großen (und kleinen) Organisationen und Bewegungen der Arbeiterklasse – egal ob beispielsweise die Gewerkschaften aus Deutschland, Occupy aus Spanien oder französische Gewerkschaften – eingeladen werden.



Krisenbewegung wiederbeleben – 2012 zum Krisenjahr des Kapitals machen!

Ein Aufruf von REVOLUTION


Für das Frühjahr 2012 wird zu zahlreichen bundesweiten Aktionen gegen die Folgen der Wirtschaftskrise aufgerufen. Neben dem 1.Mai als traditionellem Kampftag der Arbeiterklasse wird von unterschiedlichen Gruppierungen auch auf den 31. März und zu einer Aktionswoche ab dem 15.Mai nach Frankfurt mobilisiert. Zeitgleich werden mit den Tarifrunden im Öffentlichen Dienst und in der Metall- und Elektroindustrie entscheidende Kämpfe von Millionen Lohabhängigen gegen die Interessen der Bosse stattfinden.

Zur Koordinierung der Proteste wird zu internationalen Konferenzen der Krisenbewegung am 25./26.02. in Frankfurt und am 28./29.04. in Stuttgart aufgerufen. Dazu ist es höchste Zeit!

Besonders die Lage der Jugendlichen in Europa wie auch weltweit hat sich im Zuge der Krise in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Bereits im August 2011 lag die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland bei fast 44%, in Spanien bei 45%. Nicht zuletzt die massiv steigenden Nahrungsmittelpreise haben die Jugend in der arabischen Welt dazu gezwungen, gegen ein System zu revoltieren, das ihnen keinerlei Perspektive bietet. In Deutschland hingegen wurde der Niedriglohnsektor massiv ausgeweitet.

Fast 37% der jugendlichen Erwerbstätigen werden mit befristeten Verträgen, Teilzeitarbeit, Leiharbeit und Niedriglöhnen abgespeist – Tendenz steigend. Hinzu kommt die absehbare Verschärfung der Wirtschaftskrise und in deren Zentrum die Schuldenkrise der EU, welche zu weiteren Angriffen auf die Jugendlichen, Lohnabhängigen und Arbeitslosen führen werden. Eine Fortführung des Sozialabbaus und von Kürzungen im Bildungsbereich sind vorprogrammiert und wurden mit der „Schuldenbremse“ festgeschrieben.

Wenn wir uns gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf unsere Schultern wehren wollen, dann müssen wir uns dagegen zusammenschließen! Die Bildungsstreiks im Herbst und die Occupy-Bewegung sind ein erster Schritt dazu und haben Zehntausende gegen Bildungsmisere und die Macht der Banken auf die Straße gebracht. Die Proteste brachten die Wut großer Teile der Jugend auf Kürzungsprogramme in Bildung und Sozialem einerseits und milliardenschwere Rettungsprogramme für Banken andererseits zum Ausdruck.

Eine zentrale Schwäche der Proteste war es jedoch, dass weite Teile der Bewegungen ihre Kritik vor allem an der „Dummheit“ oder „Gier“ Einzelner fest machten, statt die Logik hinter dem Handeln dieser Einzelpersonen aufzuzeigen: das kapitalistische System. Auch zeigte sich einmal mehr, dass wir unsere Forderungen nur durchsetzen können, wenn wir uns nicht vereinzelt, sondern mit entschlossenem massenhaftem Widerstand zur Wehr setzten.

Doch die großen reformistischen Organisationen wie SPD, Linkspartei und Gewerkschaften stellen der kapitalistischen „Krisenbewältigung“ keine Alternative entgegen und lehnen den Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten ab. Es ist jedoch notwendig, die Lohnabhängigen und Jugendlichen, die in Linkspartei, SPD und Gewerkschaften organisiert sind, für unsere Bewegung zu gewinnen. Die anstehenden Tarifrunden und die geplanten Krisenproteste machen eine Bündelung unseres Widerstands umso wichtiger.

Wir rufen deshalb alle Aktivist_innen, Bildungsstreikenden und Occupier dazu auf, sich an den Protesten gegen die Krise zu beteiligen und mit uns eine schlagkräftige internationalen Bewegung aufzubauen. Um dieser Bewegung eine Perspektive zu geben, ist es nötig, konkrete Forderungen aufzustellen, die alle unterdrückten Schichten im Kampf gegen die kapitalistische Krise und ihre Auswirkungen vereinen und eine gemeinsame Grundlage für Aktionen bieten. Als Forderungen schlagen wir vor:

  • Kampf gegen alle Sparpakete, Rettungsschirme und Privatisierungen! Steichung der Staatsschulden in den „PIIGS“!
  • Für eine 99%-Steuer auf das reichste 1%! Für ein Investitionsprogramm in Bildung und Soziales!
  • Kampf gegen jede Entlassung! Enteignung von Betrieben, die entlassen unter Arbeiter_innenkontrolle!
  • Verbot der Leiharbeit! Für flächendeckende Mindeslöhne, deren Höhe durch durch die Beschäftigten bestimmt wird!
  • Gegen rassistische Hetze – für praktische internationale Solidarität!

Beteiligt euch an den lokalen Krisenbündnissen! Kommt zu den Krisen-Konferenzen am 25./26. Februar nach Frankfurt und am 28./29. April nach Stuttgart!

Fordert eure Bildungsstreikbündnisse auf, die Aktionen gegen die Krise zu unterstützen!

Unterstützt die internationalen Aktionen gegen die Krise am 31. März und von 15.-21. Mai in Frankfurt!




Bildungsstreikkonferenz in Berlin – Neue Proteste angekündigt!

Vom 9.-11.9. fand in Berlin die erste große Bildungsstreikkonferenz dieses Jahres statt. Schon im Juli gab es eine SchülerInnenkonferenz in Köln, auf deren Initiative sich über 80 Studierende, SchülerInnen sowie VertreterInnen der Gewerkschaftsjugend und politischer Organisationen in Berlin trafen.

In Köln wurden Perspektiven für die kommenden Proteste diskutiert. So einigte man sich auf einen Mobilisierungs- und Kampagnentag am 15. November und einen zentralen Streiktag am 17. November.

Auch eine Resolution, deren Grundlage ein Entwurf von REVOLUTION war, der die vergangene Bewegung analysierte und Schlüsse für die Zukunft zog, wurde angenommen. Neben der Intransparenz, undemokratischen Strukturen und Entscheidungsprozessen kritisierte diese Resolution v.a. das Fehlen einer politischen Perspektive über eintägige Aktionen hinaus, die fehlende Bindung zu Protesten der Arbeiterklasse und die Weigerung von SDS, Jusos oder Solid, ernsthaft zu mobilisieren und Basisstrukturen wie Streikkomitees an Schulen und Universitäten zu schaffen!

Auch wenn die SDAJ, die stärkste Kraft in Köln, viele Teile der Resolution in Kampfabstimmungen blockierte, konnte man sich trotzdem auf einige wichtige Punkte einigen, die eine Grundlage für die Bewegung hätten darstellen können.

Doch wer sich nun von der Berliner Konferenz erwartet hatte, dass sie die Beschlüsse der SchülerInnenkonferenz weiterentwickeln würde, wurde enttäuscht. Gleich zu Beginn brach wieder die bekannte Konsens-Diskussion aus, die schon viele AktivistInnen entnervt aus der Bewegung gedrängt hatte.

Nach zweistündiger Diskussion mussten die Libertären, die anderthalb Jahre lang die Bewegung gelähmt hatten, eine Niederlage in der Abstimmung verzeichnen, in der sich die übergroße Mehrheit für Mehrheitsabstimmungen entschied. Die Reaktion der Libertären war so undemokratisch und elitär, wie ihr Agieren in der Bewegung insgesamt. Kurzerhand drohten einige VertreterInnen des libertär dominierten Asta der TU Berlin der Konferenz die „Solidarität und Gastfreundschaft“ zu kündigen, sollte man nicht das Konsensprinzip akzeptieren. Ironischerweise wurde der praktische Rausschmissversuch jedoch durch mindestens ein Veto in einer anschließende Debatte innerhalb des Asta blockiert, woraufhin der halbe Asta der TU die Konferenz verließ. Auch in den nächsten Tagen sollten Teile der, auf der Konferenz verbliebenen, Libertären durch Störversuche und unproduktives Verhalten auffallen.

Am Samstag, an dem es produktive Workshops und eine Vorstellungsrunde der Beschlüsse aus Köln und Gießen gab, folgte eine Diskussion über die Perspektive des Bildungsstreiks. In der von der SDAJ geleiteten Diskussion wurden jedoch weder die Resolution aus Köln noch die politisch genauere Resolution der Jugendorganisation REVOLUTION behandelt. Stattdessen verfing sich die Debatte in der Frage, ob die Bewegung weiterhin unter dem Slogan „Bildungsstreik“ laufen solle.

Gefasste Beschlüsse

Immerhin konnte man sich aber auf einen Aktionstag am 17. November einigen und beschloss, diesen in die Aktionen der „Global Weeks of Education“ vom 7.-20.11. einzubinden. Die Forderungen und der Aufruf der Konferenz hingegen blieben vage und in ihre Forderungen z.T. hinter dem Stand der Bewegung zurück. Das war v.a. dem Abstimmungsmodus, demzufolge jeder Beschluss eine Zweitdrittelmehrheit erforderte, sowie dem rechten Abstimmungsverhalten der SDAJ geschuldet, die sich gegen Forderungen wie nach der Besteuerung von Reichtum, aber sogar gegen die Neueinstellung von 100.000 LehrerInnen – seit jeher eine Kernforderung der Bewegung – stellte!

Trotzdem war die Konferenz ein Erfolg für die neu entstehende Bewegung. Zwar konnte sie viele Erwartungen nicht erfüllen und etliche Aufgaben blieben offen, aber sie war ein erstes Lebenszeichen nach zwei Jahren der Lethargie! Vor allem die Repräsentanz der Beteiligten war positiv. Es waren mehrere Städte vertreten sowie VertreterInnen vieler Gruppen, die sich engagieren wollen.

Jetzt geht es darum, die beschlossenen Aktionstage auch tatsächlich in die Praxis umzusetzen! Vor allem müssen die DGB-Jugend, der SDS, Jusos und Solid dazu gebracht werden, sich zu beteiligen, um möglichst viele auf die Straße zu bringen. Die Proteste von SchülerInnen, Studierenden und Azubis gegen den Bildungsabbau könnten auch ein wichtiges Zeichen für die Sozialproteste und den Widerstand gegen die Krise sein, die erneut auszubrechen droht.

Um in den Mobilisierungen junge AktivistInnen und Basisgruppen um sich sammeln können, ist es für KommunistInnen unerlässlich, für eine weitergehende Perspektive der Bewegung zu kämpfen. Diese muss u.a. demokratische Entscheidungsprozesse, Streikkomitees und einen entschlossenen Kampf gegen

Bildungsabbau und Krise gemeinsam mit den

Beschäftigten enthalten