Bauernproteste: Subventionen erhalten auf Kosten der Reichen!

von Susanne Kühn, Januar 2024, zuerst erschienen in der Infomail der Gruppe Arbeiter:innenmacht

Vom 8. – 12. Januar werden Tausende Bauern und Bäuerinnen mit Fahrtkolonnen, Sternfahrten zu größeren Städten und Blockaden von Autobahnzufahrten und zentralen Verkehrsknoten immer wieder Teile des Landes lahmlegen. Am 15. Januar schließt die Aktionswoche mit einer zentralen Kundgebung in Berlin, um der Ampel den Marsch zu blasen.

Den unmittelbaren Auslöser für die Proteste bildete die geplante Streichung der Subventionen beim Agrardiesel und der KfZ-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft. Diese belaufen sich für das Jahr 2024 auf insgesamt ca. 440 bzw. 485 Millionen Euro. Für einen durchschnittlichen Betrieb würde sich die Streichung der Vergünstigungen auf 4.000 – 5.000 Euro pro Jahr belaufen bei einem durchschnittlichen Jahresgewinn von 82.000 Euro im Wirtschaftsjahr 2021/22 bzw. 115.400 Euro im Jahr 2022/23.

Damit steht sicherlich nicht „die Landwirtschaft“ auf der Kippe, wohl aber würden die Streichungen vor allem die kleineren und mittleren Betriebe treffen, da diese natürlich weniger Gewinn machen, weniger Reserven haben und auch mehr Sprit im Verhältnis zur ihrer Agrarfläche verbrauchen. Für diese landwirtschaftlichen Unternehmen stellt die Streichung der Subventionen eine erhebliche Einkommenseinsbuße dar – zumal die Steigerung der Durchschnittsgewinne landwirtschaftlicher Unternehmen in den letzten Jahren selbst Resultat eines dauerhaften Zentralisations- und Konzentrationsprozesses ist. Gab es im Jahr 2020 noch 440.000 Unternehmen im Agrarsektor, so waren es 2020 noch 260.000.

Zweifellos ist die Empörung und Wut der kleineren und mittleren Landwirt:innen über die Streichungen und die dazukommende schrittweise Abschaffung der Subventionen für den KfZ-Diesel nachvollziehbar und berechtigt. Diese kleinbürgerliche Schicht wird längst ökonomisch von einem immer unhaltbareren Agrarsystem an den Rand gedrückt, da vor allem die Interessen der großen Betriebe, vor allem aber der Agrarindustrie und Handelskonzerne im globalen Wettbewerb bedient werden. Zugleich sollte auch niemand die Protestaktionen als Proteste der „Kleinbäuer:innen“ idealisieren. Geführt werden sie von den großen Wirtschaften, die auch den Bauernverband dominieren, politisch eng an CDU/CSU hängen und an einem auf Subventionen basierenden aberwitzigen Agrarsystem. Diese sind eng verbunden mit direkten Kapitalinteressen und einer über Jahrzehnte etablierten Agrarpolitik, die die Konkurrenzfähigkeit der deutschen und europäischen Agrarproduktion sichert und für relativ günstige Preise in Supermärkten sorgt, die letztlich wiederum durch Massensteuern finanziert werden.

In den letzten Wochen ging der Bauernverband zudem ein enges Bündnis mit dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), der einen großen Teil des Transportgewerbes vertritt, ein. Die Aktionswoche vom 8. – 12. Januar wird von beiden Verbänden durchgeführt. Während der Bauernverband weiter die Rücknahme der Streichung aller Subventionen will, fordern die Transportunternehmen „Geld für intakte Straßen und Brücken, Lkw-Stellplätze und verlässliche Förderprogramme für einen klimafreundlichen Straßengüterverkehr“.

Am rechten Rand der Proteste machen sich zudem Verbände wie die sog. „Freien Bauern“ und andere reaktionäre kleinbürgerliche Standesvereinigungen breit. Die AfD und auch Nazi-Organisationen wie die Freien Sachsen suchen die Verbindung zu diesem „Volkswiderstand“ und mischen den Ruf nach billigem Diesel mit dem nach noch billigerem Blut und Boden.

Aktionen gehen weiter

Angesichts der Aktionen des Bauernverbandes im Dezember nahm die Ampel-Koalition die Kürzung der KfZ-Steuerbefreiung vollständig zurück. Die Begünstigung für den KfZ-Diesel soll 2024 nur zu 40 % gekürzt und dann schrittweise bis 2026 abgeschafft werden. Das lehnt der Bauernverband ab, der an der Spitze der Proteste steht und bundesweit die weitaus größte Interessenvertretung bildet. Auch wenn die Bundesregierung jammert, dass die geplanten Blockaden und Sternfahrten „unverhältnismäßig“ seien, so sieht der Bauernverband zu Recht die Chance, sämtliche Forderungen durchzusetzen.

Gemeinsam mit BGL und unterstützt von CDU, CSU und Freien Wählern wollen sie die Ampel-Koalition weiter vor sich hertreiben. Auch wenn der Bauernverband gebetsmühlenartig betont, dass die Proteste „unpolitisch“ wären, so befindet er sich faktisch im Bündnis mit den konservativen Oppositionsparteien.

Diese Kräfte haben (noch) kein Interesse an einem Bündnis mit den rechten Bauernverbänden wie den sog. Freien Bauern oder Teilen von „Landwirtschaft schafft Verbindung“. Daher distanzieren sich der Bauernverband und seine konservativen Verbündeten auch von den rechten Protestaktionen wie der Blockade von Habeck in Schleswig-Holstein, denn schließlich wollen CDU und CSU nicht das System „stürzen“, sondern übernehmen.

Der Bauernverband hofft so, außerdem seine eigene Vormachtstellung unter der Bäuer:innenschaft wieder zu festigen, die in den letzten Jahrzehnten eigentlich schwächer wurde. Phasenweise hatten die Grünen Einfluss gewonnen; die können zurückgedrängt werden. Zugleich machen sich immer wieder auch die inneren Gegensätze unter „der“ Bäuer:innenschaft bemerkbar. Diese reicht schließlich von großen Agrarunternehmen bis hin zu noch relativ kleinen Landwirt:innen, ist also klassenmäßig durchaus heterogen. Darüber hinaus unterminieren auch Interessengegensätze wie z. B. zwischen konventionellen und Öko-Landwirtschaften die „Einheit“ des Verbandes.

Der Angriff auf die Agrarsubventionen dient daher auch als Mittel, eine Einheit herzustellen, die es bei früheren Protesten, z. B. gegen die EU-Glyphosat-Verordnung nicht gab, als Bäuer:innen auf unterschiedlichen Seiten der Barrikaden standen. Indirekte Steuern und Agrarsubventionen stellen hingegen traditionell ein Mittel dar, eine Einheit zwischen klassenmäßig heterogenen Kräften wie Kleinunternehmen und Agrarkonzernen herzustellen. Höhere Steuern und Belastungen seien schließlich ein Angriff auf alle Unternehmen. Wie die Subventionen finanziert werden, wird dabei bewusst außen vorgelassen. Dabei liegt gerade hier der Hase im Pfeffer, denn unter den aktuellen Bedingungen müssen diese natürlich aus Steuermitteln finanziert werden – und diese kommen nach Jahrzehnten der Umverteilung der Steuerlast auf die Lohnabhängigen natürlich vor allem von diesen.

Daher müsste eine linke Haltung zu den Forderungen der Landwirt:innen folgendermaßen aussehen: Nein zu den Subventionsstreichungen, da diese tatsächlich die Existenz der kleineren Betriebe bedrohen und massive Einkommenseinbußen bedeuten. Diese Maßnahmen müssten aber durch eine progressive Besteuerung der Unternehmensgewinne – auch im Agrarsektor – finanziert werden. So wäre es möglich, einen Keil zwischen die verschiedenen Schichten der Landwirt:innen zu treiben und die Vormachtstellung der Großbäuerinnen/-bauern und des Agrarkapitals anzugreifen.

Die Grenzen der kapitalistischen Agrarbranche

Die aktuelle Protestbewegung reflektiert auch eine tiefe Krise des bestehenden landwirtschaftlichen Systems in Deutschland und der EU, der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Subventionen oder Vergünstigungen in diesem Sektor bilden mittlerweile einen zentralen Bestandteil der Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland (und der gesamten EU). So zogen die landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe in Deutschland ungefähr die Hälfte ihres Einkommens aus Direktzahlungen und anderen Zuschüssen.

Auch wenn in bestimmten Sektoren kleiner Landwirt:innen, z. B. bei einzelnen Nebenerwerbsbauern/-bäuerinnen das sogar 90 % ausmachen kann, so werden die Großbetriebe (z. B. in Ostdeutschland) sowie Agrarholdings (also große Investor:innen) von diesem System überdurchschnittlich begünstigt.

Dieses Subventionssystem ist selbst ein Resultat der inneren Tendenzen der kapitalistischen Landwirtschaft. Die Preise für zentrale Produkte (z. B. Getreide, Futtermittel, Rinder- und Schweinefleisch, Milchprodukte) werden auf dem Weltmarkt bestimmt. Die Agrarproduktion selbst ist natürlich auch auf ihn ausgerichtet.

Um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher oder europäischer Produzent:innen zu sichern, pumpen die EU und Deutschland seit Jahren Milliarden an Subventionen in diesen Bereich. Solcherart (und aufgrund der höheren Produktivität einer industrialisierten Landwirtschaft) kann der europäische Agrarexport halbkoloniale Konkurrenz verdrängen und sogar deren Inlandsmärkte erobern.

Einen eng damit verbunden Bestimmungsfaktor der gesamten landwirtschaftlichen Produktion bilden die Lieferant:innen von Maschinen, Saatgut, Düngemitteln etc. sowie die Abnehmer:innen (große Agrarkonzerne und Handelsunternehmen). Im Unterschied zur Bäuerinnen-/Bauernschaft sind diese hochgradig konzentriert, bestimmen wenige Konzernen nationale und internationale Märkte, können also den landwirtschaftlichen Produzent:innen Preise diktieren.

Ohne Subventionen würden die Bauern und Bäuerinnen entweder nicht mehr erhalten als diese Preise, viele Betriebe wären längst pleite, die Zentralisation in der Landwirtschaft noch viel weiter fortgeschritten. Oder sie wären in der Lage, höhere Preise zu verlangen, was massiv steigende Nahrungsmittelpreise zur Folge hätte, die von der Masse der lohnabhängigen Konsument:innen zu bezahlen wären. Um beides zu verhindern, wirken die Agrarsubventionen wie ein Reparaturbetrieb, der ständig nach mehr Subventionen, mehr Stützen schreit, weil für ein im Grunde aberwitziges System eigentlich immer mehr Subventionen nötig werden. Hinzu kommt, dass relativ geringe Lebensmittelpreise auch den Wert der Ware Arbeitskraft senken, so dass sich auch Lohnabhängige in prekären Verhältnisse noch über Wasser halten können. Das heißt, das bestehende Agrarsystem erleichtert auch die Umsetzung und Durchsetzung neoliberaler Arbeitsmarktreformen.

Die aktuellen Proteste bringen auch einen Unmut breiter Schichten der Landbevölkerung mit diesem System zum Ausdruck, das immer schwerer zu finanzieren ist und den Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft zwar bremst, keinesfalls aber aufhält. Zweitens steht dieses System jeder einigermaßen vernünftigen Reorganisation der Landwirtschaft im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit direkt entgegen.

Es ist daher eine gewisse Paradoxie, dass bei den aktuellen Protesten gerade solche Kräfte an der Spitze stehen – CDU/CSU, aber auch der Deutsche Bauernverband –, die über Jahrzehnte dieses milliardenschwere System auf- und ausgebaut und gegen jede Kritik verteidigt haben; ein System, das vor allem dem Agrarkapital sowie den großen Konzernen im Handel Milliardenprofite sichert.

Innerhalb der Bauern-/Bäuerinnenschaft bildet sich schon länger ein kleinbürgerlicher Widerstand gegen diese Politik des Bauernverbandes. Mit der Expansion der ökologischen Landwirtschaft profitierten einige Zeit die Grünen davon. Doch die Illusionen in deren „andere“ Politik sind bei vielen verblasst, was auch erklärt, warum in der gegenwärtigen Situation Habeck und die Grünen und nicht Lindner und die FDP zur ersten Zielscheibe des Hasses gerieten. Der andere Grund liegt darin, dass seit etlichen Jahren auch eine reaktionäre, kleinbürgerliche, rechte und nationalistische Kritik am Bauernverband stärker geworden ist. Diese lehnt Subventionen grundsätzlich ab und tritt für eine „echte“, das heißt kleinbäuerliche Marktwirtschaft ein, will zurück zur Einheit von Hof, Land und Eigentum. Um die „ehrliche“ deutsche Landwirtschaft zu retten, soll sie von der internationalen Konkurrenz abgeschottet werden. Es sind diese utopischen und gleichzeitig reaktionären Tendenzen, die von den Rechten, von AfD oder auch Faschist:innen aufgegriffen werden. Darin sind sie nicht erfolglos, obwohl sie selbst kein auch nur einigermaßen schlüssiges Konzept vorzuweisen haben. Die AfD fordert sogar die Streichung aller Subventionen in der Landwirtschaft, was, würde es auf einmal umgesetzt, den Ruin Zehntausender Bäuerinnen und Bauern bedeuten würde. Doch wie andere rechte und rechtspopulistische Bewegungen zeigen, wird der Verweis auf die innere Unvernunft solcher Vorschläge, auf ihren aberwitzigen und zutiefst irrationalen Charakter nicht verhindern, dass Kleinbürger:innen solchen Rattenfänger:innen auf den Leim gehen.

Und die Arbeiter:innenklasse?

Ein entscheidender Grund, warum die gesamte Krise des Agrarsektors von bürgerlichen Kräften bestimmt und als deren einzige scheinradikale Alternative rechte bis faschistische Gruppierungen auf den Plan treten, liegt darin, dass die Arbeiter:innenbewegung selbst über keine programmatische und politische Antwort verfügt. Sie kann so auch nicht als eigenständige Kraft in Erscheinung treten, zumal sie auch bei den Kämpfen der letzten Jahre über rein ökonomische Forderungen kaum hinauskam.

Natürlich sollten sämtliche Subventionsstreichungen unmittelbar rückgängig gemacht werden. Aber das löst die grundlegenden Probleme überhaupt nicht. Eine Überwindung der Krise des Agrarsektors und eine Neustrukturierung im Interesse der Versorgung und ökologischer Notwendigkeiten setzt voraus, die Eigentumsfrage anzugehen. Das schließt die Enteignung von Grund und Boden sowie der Agrarindustrie und der Handelskonzerne ein.

Auf dieser Basis könnte die Produktion unter Einbeziehung von Ausschüssen der Bauern und Bäuerinnen und Landarbeiter:innen gemäß der Bedürfnisse der Masse der Konsument:innen und ökologischer Nachhaltigkeit reorganisiert werden – und zwar nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene. Dies müsste natürlich nicht nur die Frage einschließen, welche Landwirtschaftsprodukte wie produziert, sondern auch, wie die Maschinen und Transportsysteme entwickelt werden sollen.

Um die Preise für Agrarprodukte zu regulieren, braucht es Preiskontrollkomitees, die ländliche Produzent:innen und städtische Konsument:innen direkt verbinden. Damit höhere Agrarpreise nicht auf Kosten der Lohnabhängigen gehen, müssen Löhne und Einkommen automatisch an diese Preissteigerungen angepasst werden.

Die Arbeiter:innenklasse kann und muss den bäuerlichen Produzent:innen zwar einen Plan für eine vernünftige Reorganisation der Landwirtschaft anbieten, sie kann und muss sie gegen den Druck der Agrarkonzerne verteidigen, aber sie kann ihnen nicht die Beibehaltung des bäuerlichen „unabhängigen“ Betriebs versprechen. Dieser ist selbst auf dem Boden des aktuellen Kapitalismus längst zu einer Fiktion geraten. Die Lösung des Problems besteht nicht in der Rückkehr zu einem „goldenen“ Zeitalter der bäuerlichen Wirtschaft, das es ohnehin nie gab, sondern in der gemeinwirtschaftlichen, demokratisch geplanten Produktion auch in der Landwirtschaft. Dabei können Genoss:innenschaften als Übergangsform vom individuellen Privat- zum Gemeineigentum nützlich sein. Sie sollten daher von der Arbeiter:innenklasse unterstützt werden.

Ein solches Programm würde zwar sicher nicht alle Landwirt:innen, also eine ganze (klein-)bürgerliche Schicht gewinnen. Es wäre aber geeignet, einen Keil zwischen Bäuerinnen-/Bauernschaft und das Agrarkapital zu treiben und zwischen reaktionären und fortschrittlichen Teilen der Landbevölkerung.




Resolution zur Landwirtschaft und Ernährungsfrage

Resolution zur Landwirtschaft und Ernährungsfrage der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION, Juni 2023

Inhalt

1. Einleitung. 3

2. Die Ernährungslage weltweit 3

3. Symptombekämpfung in Kapitalismus. 4

3.1 Tafeln. 4

3.2 Das UN-Welternährungsprogramm.. 4

4. Gründe für die Ernährungskrise und Lösungsansätze. 5

4.1 Klimawandel 5

4.2 Nahrungsmittelverschwendung. 6

4.3 Spekulation mit Nahrungsmittel 6

4.4 Kriege als Grund für Hunger 7

4.5 Die kapitalistische Nahrungsmittelindustrie. 7

4.6. EU-Subventionen als Teil des Problems. 8

4.6.1 Flächensubventionen und ihre Auswirkungen. 8

4.6.2 Subventionen als imperialistische Machtmittel 8

4.7. Grüne Gentechnik – mehr flopp als topp. 9

4.7.1 Probleme der grünen Gentechnik. 9

4.7.2 Roundup Ready. 10

4.7.3 Vorteile der Gentechnik?. 10

4.7.4 Forschung zur grünen Gentechnik. 11

4.7.5 Brauchen wir grüne Gentechnik?. 11

4.8 Fleischkonsum: Umweltkiller und Nahrungsmittelvernichtung. 11

4.8.1 Tierleid. 11

4.8.2 Wasser- und Futterbedarf 12

4.8.3 Ausstoß von Treibhausgasen. 12

4.8.4. Gesundheitliche Risiken des Fleischkonsums. 12

4.8.5 Fischfang und Fischwirtschaft – gleiche und spezielle Probleme. 13

4.8.6 Biologische Fleischwirtschaft ist keine Lösung. 13

4.8.7 Kampf der Fleischindustrie. 13

4.8.8 Forderungen. 14

4.9 Die Krise der konventionellen Land- und Forstwirtschaft 15

4.9.1 Monokulturen. 16

4.9.2 Dünger 17

4.9.3 Pestizide. 17

4.9.4 Bodenerosion. 18

4.9.5 Desertifikation. 19

4.9.6 Wassermangel 20

4.9.7 Forstwirtschaft 21

5. Klassenkampf der Landwirt:Innen und permanente Revolution. 21

5.1 Klassenlage der Farmer:innen. 21

5.2 Kampf dem Großgrundbesitz. 23

5.3 Permanente Revolution und sozialistische Landwirtschaft 24

1. Einleitung

Wir leben im 21 Jhd.: Flugzeuge fliegen durch den Himmel, Organe werden transplantiert und irgendein Elektrokonzern hat gerade sein neues Handy angekündigt. Doch der Fortschritt trügt. Ein absolut grundlegendes Problem der Menschheit, die Versorgung mit ausreichend Nahrungsmitteln, ist für 830 Millionen Menschen[1] nicht sichergestellt. Betroffen ist also 1/10 der gesamten Menschheit. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine der größten Krisen unserer Zeit und das, obwohl wir global genügend Kapazitäten hätten, um jeden Menschen auf der Erde mehr als satt zu machen. Dennoch scheinen viele uns diese fatale Krise als Normalzustand akzeptiert zu haben.

Der folgende Text geht deshalb den Ursachen auf den Grund, wieso viele Menschen nicht genug Nahrung haben und für welche Forderungen wir kämpfen müssen, um diese permanente Krise zu lösen. Dafür wird zunächst ein einleitender Überblick über die Ernährungslage auf unserem Planeten gegeben. Zudem wird das UN-Ernährungsprogramm, quasi die Antwort der bürgerlichen Staaten auf die Hungerkrise, einer Kritik unterzogen.

Den Hauptteil des vorliegenden Aufsatzes bildet ein Kapitel über die Faktoren, die den Welthunger verursachen und welche Lösungsansätze es für die verschiedenen Faktoren gibt. Dabei wird der Hauptfokus auf die Landwirtschaft gelegt. Der Klimawandel wird in einem eigenen kleinen Kapitel erwähnt, jedoch sind die Auswirkungen dessen so weitläufig, dass diese vor allem in den einzelnen Kapitel eingearbeitet wurden, um Wiederholungen zu vermeiden.

Den Abschluss bildet ein Kapitel über die Klassenzugehörigkeit der Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten und welche Forderungen wir vorschlagen, um den Kampf der unterdrückten Landbevölkerung zum Erfolg zu führen und als Teil einer internationalen kommunistischen Revolution zu organisieren.

2. Die Ernährungslage weltweit

Im Jahre 2023 leiden 830 Millionen Menschen, also 1/10 der Weltbevölkerung, an Unterernährung, haben also keine ausreichende Kalorienzufuhr. 45 Millionen[2] sind sogar akut vom Hungertot bedroht. Jede Minute sterben 6 Kinder[3] an Unterernährung. Jedes siebte Kind auf der Welt hungert, jedes vierte ist chronisch mangelernährt (ihnen fehlen also bestimmte Nährstoffe). Die Folgen sind vor allem für Heranwachsende enorm. Haben sie zu wenig Nährstoffe in ihrer Nahrung, dann ist ihre Entwicklung verzögert oder es entstehen irreparable Schäden. Auch der Zusammenhang von Kindersterblichkeit und Unterernährung ist sehr hoch. Insgesamt sterben an den Folgen von Hunger jedes Jahr mehr Menschen als an HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose zusammen.

Während sich die Ernährungslage von 2003 bis 2015 durchschnittlich verbessert hat, verschlechterte sie sich in der Zeit danach wieder[4]. Seit 2020, also mit der Corona-Pandemie, den stärkeren Auswirkungen des Klimawandels und dem Ukrainekrieg wurde dieser Prozess weiter beschleunigt. Erhöht haben sich sowohl die Anzahl der hungernden Menschen insgesamt, also auch ihr Anteil an der Weltbevölkerung.

Besonders betroffen sind Südasien und die Sahelzone in Afrika. Die Situation ist am schlimmsten in der Zentralafrikanischen Republik, Tschad, Demokratische Republik Kongo, Madagaskar, Jemen, Burundi, Somalia, Südsudan und Syrien[5]. Nicht zufällig sind das fast ausnahmslos Länder, die von jahrelangen Bürgerkriegen völlig zerrüttet sind. Gefährdet sind darüber hinaus Länder, die ein schnelles Bevölkerungswachstum aufweisen, deren Ressourcen und Wirtschaft diese zusätzlichen Menschen in der Geschwindigkeit aber nicht versorgen und aufnehmen können.

Ungleiche Einkommensverteilung und eine hohe Arbeitslosigkeit sind die entscheidenden Faktoren, die Hunger verursachen. Dies gilt nicht nur für Halbkolonien, sondern auch für Industrienationen. Astronomisch hohe Mieten und eine weltweite Inflation haben Ernährungsunsicherheit in den imperialistischen Zentren für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung zur Normalität werden lassen. Selbst in den USA haben ca. 10 % der Menschen nicht immer genug Essen.[6]

50 % der unterernährten Menschen sind kleinbäuerliche Selbstversorger:innen, 20 % sind Landarbeiter:innen, 20 % leben in städtischen Elendsvierteln, 10 % sind Fischer:innen und Viehzüchter:innen[7]. Alter, Geschlecht und Herkunft sind Risikofaktoren für Unterernährung. Frauen, Kinder und rassistisch Unterdrückte sind deutlich häufiger von Hunger betroffen als Menschen, die zu keiner dieser Gruppen gehören. Doch selbst für Menschen, die nicht von Hunger bedroht sind, ist die Versorgung mit Lebensmitteln ein Problem. Besonders in Halbkolonien ist es nichts Ungewöhnliches, dass die Menschen 70 % ihres Einkommens für Essen ausgeben müssen.

Einfache soziale Reformen würden schon eine große Auswirkung im Kampf gegen Hunger haben. Dazu gehört z.B., dass die Löhne an die Inflation angepasst werden, dass jede Person einen lebenswerten Mindestlohn erhält und, dass die Mieten sinken, damit sich die Menschen nicht zwischen einer Wohnung und genug Essen entscheiden müssen. Zudem fordern wir die kostenlose und ausreichende Lebensmittelsoforthilfe, medizinische Versorgung und andere notwendige Güter, um den drohenden Hungertod zu verhindern, bezahlt von den imperialistischen Staaten! Für die Bildung gemeinsamer Preiskontrollausschüsse für Agrarerzeugnisse aus Landarbeiter_innen, Bäuer_innen und Konsument_innen!

3. Symptombekämpfung in Kapitalismus

3.1 Tafeln

In vielen Teilen der Welt haben sich Organisationen entwickelt, die Essen kostenlos an Bedürftige abgeben. Sie basieren zumeist auf privaten Spenden und ehrenamtlicher Arbeit. Natürlich ist es gut, dass Bedürftigen geholfen wird. Allerdings sind die Spenden nur eine Symptombekämpfungsstrategie und werden deshalb die Ursache für die Ernährungsproblematik nicht lösen, sondern nur ihre Auswirkungen etwas abschwächen können.

3.2 Das UN-Welternährungsprogramm

Als Instrument im Kampf gegen den Hunger hat die UN das Welternährungsprogramm ins Leben gerufen. Das Budget betrug 2021 8,4 Mrd. US‑Dollar[8], wovon allein 2.5 Mrd. aus den USA kamen. Das Geld reichte aus, um 97 Millionen Menschen in 88 Ländern Hilfe zu leisten ohne die zweifellos viele von ihnen schwere Schäden bis zum Tod erleidet hätten.

Das Budget klingt zunächst hoch, wird aber im Vergleich mit den Militärausgaben der USA von 858 Mrd. US-Dollar für das Jahr 2023[9] zur Lachnummer. Allein die neue US-Flugzeugträger-Klasse Gerald-R-Ford kostet ca. 13 Mrd. US-Dollar pro Stück![10] Das gibt uns eine Idee davon, wie wenig Geld für den Bekämpfung des Welthungers eigentlich notwendig wäre und wie verhältnismäßig wenig die Staaten darin investieren.

Welche Interessen die Mitgliedsstaaten der UN wirklich verfolgen, wird im Jemenkrieg deutlich. Die G20 Staaten haben zwischen 2015 und 2019 Waffen und Munition im Wert von 17 Mrd. US-Dollar an Saudi-Arabien verkauft[11] und den Krieg so überhaupt erst möglich gemacht. Die USA beteiligt sich zudem auch an der See-Blockade des Jemen, welche der Hauptgrund für die Hungersnot ist. 2020 waren mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Jemens (16,2 Millionen Menschen)[12] auf Nahrungsmittellieferungen der UN angewiesen. Diese hat bisher glücklicherweise ein Massensterben verhindert.

Allerdings haben die Staaten in Folge der Coronakrise ihre Beiträge für das Welternährungsprogramm für den Jemen um über 50 % reduziert.[13] Die geleistet Hilfe der G20 Staaten von gerade mal 6.3 Mrd. US-Dollar Hilfen haben, bzw. hatten auch hier nur den Zweck am Ende nicht ein Land erobert zu haben in dem ein Großteil der Menschen verhungert sind. Humanität sucht man in ihrer Politik vergebens.

Die in der UN vertretenen Staaten haben also faktisch die finanziellen Mittel, um den Welthunger effektiv zu bekämpfen. Sie haben jedoch schlicht kein Interesse daran, ihr Geld dafür auszugeben. Auf ihre Hilfe dürfen wir deshalb nicht warten. Außerdem sorgen Nahrungsmittellieferungen aus dem Ausland auch dafür, dass sich keine einheimische Landwirtschaft aufbauen kann, da somit die lokale Konkurrenz vom Markt verdrängt wird. Die Länder entwickeln sich also nicht und blieben dauerhaft von dem Gutdünken der imperialistischen Länder abhängig. Wenn denen jedoch eine halbkoloniale Regierung nicht mehr passt, dann stellen sie die Essenslieferungen ein und verursachen in dem importabhängigen Land so eine Hungerskrise, wie das Beispiel Afghanistans nach dem Abzug der Nato-Truppen im Jahr 2021 zeigt.

4. Gründe für die Ernährungskrise und Lösungsansätze

4.1 Klimawandel

Im Pariser Klimaabkommen einigten sich die UN-Mitgliedsstaaten darauf, die Erderwärmung bis 2050 auf 1,5 °C und bis 2100 auf 2 °C zu begrenzen. Als Referenzpunkt fungiert dabei das Temperaturmittel der Jahre 1850-1900. Der Temperaturanstieg seitdem beträgt bereits fast 1,3 °C. Das Erreichen des 1,5 °C Ziels ist schon jetzt extrem unwahrscheinlich, da die Treibhausgasemission nahezu kontinuierlich steigt. Die Staaten haben auch bisher kaum etwas dafür getan dies zu verhindern. Letztlich war und ist das 1,5 °C-Ziel leider nie mehr als eine Beruhigungspille für die Weltöffentlichkeit gewesen.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungsmittelproduktion sind bisher stark unterschätzt worden. Bisher wurden nur die Folgen des schleichenden Temperaturanstiegs und die Veränderungen der Niederschlagsmengen untersucht. Mittlerweile ist aber deutlich geworden, dass Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen zunehmen und diese zuversichtlichen Modelle ernsthaft in Frage stellen.

Für eine auch in Zukunft produktive Landwirtschaft muss also die Klimaerwärmung aufgehalten und umgekehrt werden. Eine Senkung der Treibhausgase in der Atmosphäre und ein Senken der Erdtemperatur auf das vorindustrielle Niveau sollte das Ziel unserer Klimapolitik sein.

4.2 Nahrungsmittelverschwendung

Das Absurde bei der Ernährungsfrage ist nicht nur, dass wir auf der Erde theoretisch Essen für alle Menschen produzieren könnten, sondern dass wir es bereits tun. Ein wichtiger Punkt ist deshalb neben der Produktion auch die Verteilung von Nahrungsmitteln. Besonderes Augenmerkt sollte man auch auf die Verschwendung von Lebensmitteln legen. Jedes Jahr werden 1,3 Mrd. Tonnen Lebensmittel weggeworfen[14], was über 30 % der weltweiten Nahrungsmittelproduktion entspricht[15]. Theoretisch ist das viermal so viel, wie man bräuchte, um den Welthunger zu bekämpfen. Diese sinnlos produzierten Nahrungsmittel belasten die Umwelt und das Klima zudem unnötig.

In Deutschland teilen sich die Verluste auf die Sektoren wie folgt auf: 2 % fallen in der Primärproduktion an, 15 % in der Verarbeitung, 7 % im Handel, 17 % bei der Außer-Haus-Verpflegung (Restaurants und Kantinen) und 59 % in privaten Haushalten.[16] Der Grund für die Entsorgung sind zu 59 % Haltbarkeitsprobleme und zu 21 % zu groß bemessene Mengen.

Natürlich kann der Nahrungsmittelverlust nicht vollständig verhindert werden. Allerdings gibt es Strategien den Verlust erheblich zu begrenzen. Ein wichtiger Ansatz dafür wäre es, preisgünstige öffentliche Kantinen einzuführen. Dort ist der Lebensmittelverlust nämlich um ein Vielfaches niedriger als in privaten Haushalten. Eine weiterer Teil der Lösung ist das Food-Sharing, welches in Deutschland bereits eine gewisse Bedeutung hat. Dabei werden Produkte, die von Restaurants oder Supermärkten nicht mehr verkauft werden können, kostenlos abgegeben, statt sie zu vernichten. Eine sinnvoller Ansatz wäre es das Food-Sharing zur Pflicht für Restaurants oder Supermarkt ketten zu machen. Aber auch ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Was es tatsächlich braucht, um die globale Nahrungsmittelverschwendung zu stoppen ist die internationale demokratische Planung der Nahrungsmittelproduktion, – und verarbeitung. Im Rahmen einer demokratischen Planwirtschaft hätten wir selbst als Produzent_innen und Konsument_innen die Kontrolle über die Nahrungsmittelproduktion und könnten sie, statt auf kurzfristige Profitinteressen, auf die langfristigen Bedürfnisse von Mensch und Natur ausrichten.

4.3 Spekulation mit Nahrungsmitteln

Vor allem seit der Wirtschaftskrise 2008 wird an den Finanzmärkten verstärkt versucht, mit der Spekulation mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln Gewinne zu machen. Da die produktive Wirtschaft im Zuge der Krise immer weniger Profite abgeworfen hat und eine Blase nach der anderen geplatzt ist, hat sich das Kapital in neue Sphären ausgebreitet, denn Nahrung wird immer benötigt werden. Dafür werden sogenannte „Futures“ genutzt, also Verträge über zukünftige Nahrungsmittel- oder Rohstoffkäufe. Ist der Preis zwischen Abschluss des Vertrages und dem Zustandekommen des Handels gestiegen, ergibt sich ein Gewinn für den Käufer des Futures. Finanzakteure können damit also auf den Kursstieg oder Kursverlust von Rohstoffen oder Nahrungsmittel wetten, indem sie Futures kaufen oder verkaufen.[17]

Durch diese Spekulation verändern sich die Preise, ohne wirklich einen gestiegenen oder gesunkenen Bedarf auszudrücken. Im Jahr 2009 ist so z.B. der Preis von Zucker auf dem Weltmarkt um 79 % gestiegen. Als in den Jahren 2007/8 Getreidespekulationen die Preise für Getreide in die Höhe schnellen ließ (Anstiege von 50 – 300 %), stieg die Zahl der Hungernden sprunghaft um 100 Millionen. Dies löste Hungerproteste in 61 Ländern aus. Ähnliches passierte noch einmal 2011. Die Spekulation mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln muss also sofort verboten werden, damit sich solche Ereignisse in Zukunft nicht wiederholen.[18] Nicht die Börse, sondern demokratische wähl- und abwählbare Preiskontrollausschüsse aus Landarbeiter_innen, Bäuer_innen und Konsument_innen, sollten die Priese von Agrarerzeugnissen regulieren!

4.4 Kriege als Grund für Hunger

Ein Grund wichtiger Grund für die Hungerskrisen sind bewaffnete Konflikte. Besonders prominent ist das Beispiel der Ukraine. Die schwarzen fruchtbaren Böden vor allem im Süden und Osten des Landes sind verantwortlich für ca. 44 % des weltweiten Export von Sonnenblumenöl, 40 % des weltweiten Roggenexports, 20 % des Rapsölexports sowie über 10 % des weltweiten Mais-, Gerste- und Weizenexports.[19] Beliefert werden damit besonders Länder in Afrika und dem Nahen Osten. Durch den Krieg jedoch mussten Millionen Menschen fliehen und ihre Felder und Höfe verlassen. Vielfach wurden diese in Schutt und Asche gelegt. Außerdem waren zunächst die Häfen durch die russische Marine blockiert. Die weltweiten Preise für Getreideerzeugnisse schossen deshalb in die Höhe und es stellten sich schnell Versorgungsengpässe ein. Ein anderes aktuelles Beispiel ist der Äthiopienkrieg. Hier wurde die nördliche Region Tigray umzingelt und belagert und auch Hilfsgüter wurden nicht in die Provinz gelassen. Die Folge waren der teilweise Zusammenbruch der Landwirtschaft und eine Hungerskrise.

Im Kampf gegen Krieg stellen wir folgende Forderungen auf:

  • Restlose Streichung aller Auslandsschulden der halbkolonialen Länder!
  • Sofortiger Abzug aller imperialistischen Truppen, Militärbasen und Flottenverbände!
  • Keine militärische Unterstützung und Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, Türkei und andere Regionalmächte!
  • Gegen jede militärische Intervention der imperialistischen Staaten!
  • Auslandseinsätze und Waffenlieferungen durch internationale Streiks
    und Blockaden verhindern!
  • Enteignung der Rüstungskonzerne unter Arbeiter:innenkontrolle!
  • Für das Recht auf nationale Selbstbestimmung aller Nationalitäten!

4.5 Die kapitalistische Nahrungsmittelindustrie

Wie jedes kapitalistische Unternehmen haben auch die Nahrungsmittelkonzerne nicht das Ziel, die Bevölkerung möglichst gesund zu ernähren, sondern so viel Profit wie möglich zu machen. Deshalb versuchen sie in der Produktion so viel wie möglich zu sparen. Unmenschliche Arbeitsbedingungen z.B. auf Plantagen werden so sehenden Auges in Kauf genommen. Gleiches gilt für umweltschädigende Praktiken.

Viele Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Aromen, Füllmittel usw. sind unzureichend erforscht und befinden sich dennoch in unserer Nahrung. Eine Bewertung durch den Endverbraucher ist also völlig unmöglich. Vielfach werden unserer Nahrung übermäßige Mengen an Zucker oder Salz zugesetzt, die in diesen Mengen ungesund für den Menschen sind. Eine Studie aus dem Jahr 2013 belegt, dass die Nahrungsmittelindustrie systematisch die staatliche Gesundheitspolitik untergräbt.[20] Dies verursacht große Schäden an der Gesundheit der Menschen und hohe Kosten für den Gesundheitssektor. Darüber hinaus werden diese Produkte oft fälschlicherweise als gesund oder umweltschonend dargestellt, was eine bewusste Irreführung darstellt.

Wie für alle Produktionsmitteln schlagen wir für die Nahrungsmittelindustrie eine Vergesellschaftung unter Arbeiter:Innenkontrolle vor, um dem Treiben der Nahrungsmittelindustrie ein Ende zu setzen und sie im Interesse der Ernährung der Weltbevölkerung neu zu organisieren. Außerdem braucht es gewerkschaftliche Rechte und massive Lohnerhöhungen entlang der gesamten Produktionskette. In kaum einer anderen Industrie sind die Arbeitsbedingungen weltweit so schlecht wie in der arbeitsintensiven Landwirtschaft.

4.6. EU-Subventionen als Teil des Problems

4.6.1 Flächensubventionen und ihre Auswirkungen

Die EU schüttet jedes Jahr 50 Mrd. Subvention an die Landwirtschaft aus[21], was die Hälfte ihres Budges ausmacht. Weltweit sind es jährlich über US-$ 540 Mrd.[22] Das ist eine gewaltige Summe und könnte einen wichtigen Beitrag für den Umbau der Landwirtschaft liefern. Allerdings sind in Europa drei Viertel davon Flächensubventionen, d.h., dass das Geld an die landwirtschaftliche Nutzfläche gebunden ist. Ob ökologisch nachhaltig gewirtschaftet wird, ist kein Kriterium für die Auszahlung.

Die Betriebe werden also nicht motiviert, auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. Im Gegenteil: Durch die Subventionen werden zum Teil Agrarprojekte auf Basis von begrenztem Grundwasser umgesetzt, die auf Dauer keine Überlebenschancen haben, wie z.B. Mandelplantagen im extrem trockenen Süden Spaniens.

Wenn Bauern z.B. sinnvollerweise Bäume pflanzen, um ihre Felder vor Wind zu schützen, bekommen sie für diese Flächen keine Subventionen mehr. Außerdem werden 70 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen in der EU für die Produktion von Futtermitteln genutzt.[23] Die Subventionen für Agrarflächen verwandeln sich deshalb zu weit über 50 % in die Subvention von Fleisch. Dadurch wird der Konsum von Fleisch künstlich verbilligt und so massiv angeregt. Das hat weitere katastrophale Auswirkungen auf das Klima und die Menschheit (siehe Kapitel 4.8: Fleischkonsum: Umweltkiller und Nahrungsmittelvernichtung). Damit Landwirt:innen ihre Produktion umstellen, müssen Subventionen deshalb an Bedingungen gebunden werden, die der Umstellung auf nachhaltige Landwirtschaft nutzen.

4.6.2 Subventionen als imperialistische Machtmittel

Noch dazu sorgen die Subventionen dafür, dass landwirtschaftliche Produkte aus Europa zu Dumpingpreisen in Halbkolonien exportiert werden können. Dies wird durch umfangreiche Freihandelsabkommen, wie den EPAs (Economic Partnership Agreements, Freihandelsverträge zwischen der EU und knapp 90 ehemaligen Kolonien) unterstützt.[24] Das bekannteste Beispiel ist wohl der Export von Schlachtabfällen nach Ghana. Diese Exporte machen die lokale Landwirtschaft kaputt, weil deren Produkte preislich nicht mit den industriell angebauten und subventionierten Erzeugnissen mithalten können. Ihr Land verödet dann oder wird von großen Agrarkonzernen aufgekauft. In der Folge sterben lokale Züchtungen aus, die auf die speziellen Gegebenheiten vor Ort bestens angepasst sind. Vor allem aber verarmen lokale Farmer:innen, was wiederum den Staat aufgrund von ausfallenden Steuern schadet und den heimischen Konsumgütermarkt schwächt. Das Land verarmt so und wird vom Ausland abhängig. Ernteausfälle in Europa (z.B. durch Dürren, Kriege usw.) gefährden somit die Ernährungssicherheit in vielen Halbkolonien. Subventionen auf Exportprodukte sollten deshalb stückweise abgebaut werden.

Somit spielen die EU-Agrarsubvention eine wichtige Rolle in der Aufrechterhaltung kolonialer Strukturen, welche die halbkoloniale Agrarproduktion auf die Bedürfnisse imperialistischer Staaten zuschneidet (Anbau von Kaffee, Kakao, Bananen, Avocados, Plamöl etc. anstatt lokaler Pflanzen für die Ernährung wie Hirse, Linsen etc.) und ihre Abhängigkeit vom Import westlicher Agrargüter (Weizen, Soja, Fleisch) verstetigt. Aus diesem Grund lehnen wir das System der EU-Agrarsubventionen ab. Sie sind lediglich ein teures Mittel (fast die Hälfte des gesamten EU-Haushalts), mit dem die EU-Agrarmonopole vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden sollen. Durch den Export überschüssiger Produkte versuchen sie, ein Kollabieren des hochproduktiven europäischen Agrarmarktes durch die Externalisierung des starken Preisdrucks zu verhindern. Statt imperialistischem Preisdruck brauchen wir demokratische wähl- und abwählbare Preiskontrollausschüsse für Agrarerzeugnisse aus Landarbeiter_innen, Bäuer_innen und Konsument_innen!

4.7. Grüne Gentechnik – mehr flopp als topp

Als grüne Gentechnik werden alle Verfahren bezeichnet, indem nicht mittels Züchtung, sondern im Labor die DNA und damit die Eigenschaften einer Pflanzen schlagartig verändert werden. So können in kurzer Zeit völlig neue Pflanzentypen designt werden, die entweder gar nicht oder nur über eine jahrzehntelange Züchtung hergestellt werden könnten. Weltweit werden auf über 190 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Das entspricht der 16-fachen Ackerfläche Deutschlands. Die Hälfte von dieser Fläche befindet sich in der USA.[25] 2/3 aller Sojabohnen und aller Baumwolle kommen von Genfeldern. Seit in den 1980er Jahren des erste Mal ein fremdes Gen in die DNA einer Pflanzen eingeschleust wurde, gibt es Diskussionen über den Nutzen und den Schaden dieser Technologie. Das folgende Kapitel soll eine kurze Einschätzung über die Probleme und Möglichkeiten der Gentechnik geben.

4.7.1 Probleme der grünen Gentechnik

Problematisch bei dem Verfahren ist, dass die veränderten Pflanzen unweigerlich Einzug in unsere Ökosysteme nehmen werden und dort möglicherweise große Schäden anrichten, wenn sie sich z.B. eine schädlingsresistente Art unkontrolliert vermehrt. Außerdem haben die gentechnisch veränderten Proteine das Potential Allergien auszulösen, was sich leider sehr schwer erforschen lässt. Um gentechnisch veränderte Pflanzen zu produzieren, werden diese antibiotikaresistent gemacht. Diese Eigenschaft kann sich möglicherweise auf Bakterien übertragen und somit die Antibiotika-Krise verschärfen, auch wenn eine Genübertragung von Pflanzen auf Bakterien (horizontaler Gentransfer) bisher nur im Labor beobachtet wurde.

Der gentechnisch veränderte Mais MON 810 ist ein sehr bekanntes Beispiel für die grüne Gentechnik da er bis 2009 auch in Deutschland angebaut werden konnte. Er wurde von der Firma Monsanto gentechnisch so verändert, dass er ein Gift gegen den Maiszünsler, der der bedeutendste Maisschädling ist, produziert. Das Problem dabei ist, dass dieses Gift auch für andere Tiere schädlich ist. Die Boden lebende Mikroorganismen sind davon betroffen, was die Fruchtbarkeit des Bodens auf Dauer reduziert. Das Gift kann auch in Bäche und Flüsse gelangen und dort weiteren Schaden anrichten.[26],[27]

Durch das massenweise Vorkommen des Giftes in der gesamten Pflanze entwickeln sich resistente Insekten, die dann nicht mehr gezielt mit dem Gift behandelt werden können. Die Bedrohung durch den Schädling kann in Zukunft also wieder zunehmen. Die Pollen des Mais können sich über 4,5 Kilometer weit verteilen und sich so auch auf Feldern verbreiten, auf denen kein gentechnisch veränderter Mais wachsen soll. Sie schaden auch anderen Insekten die direkt mit den vergifteten Pollen in Kontakt kommen, sowie unzähligen anderen Tierarten, die kontaminierte Tiere als Nahrung aufnehmen. Landwirt:innen, die keine Genpflanzen einsetzen, müssen deshalb ihre Produkte zum Teil billiger und als gentechnisch verunreinigt verkaufen. Die Verhinderung dieser Verunreinigung kann zudem hohe Kosten verursachen. Durch Mischkulturen (z.B. von Mais und Bohnen) sowie eine andere Bodenbearbeitung könnte das Aufkommen des Schädlings ebenfalls und nachhaltiger reduziert werden.

4.7.2 Roundup Ready

Das Tochterunternehmen Monsanto des deutschen Chemieriesen Bayer ist mit einem Marktanteil von 90% das wichtigste Unternehmen auf dem Mark für gentechnisch verändertes Saatgut. Die weltweit am häufigsten eingesetzte gentechnisch gestützte Strategie nennt sich „Roundup Ready“. Dafür hat Monsanto Saatgut für Weizen, Reis, Soja und Mais so verändert, dass sie das Besprühen mit Glyphosat überleben. So kann kostengünstig Unkraut entfernt werden, was wiederum den Ertrag erhöht. Glyphosat verkauft Monsanto natürlich auch selbst. Wenn sich die Bauern für die Glyphosat gentechnisch veränderte Pflanzen entschieden haben, müssen sie eine Technologiegebühr zahlen, wenn sie ihre eigene Ernte als Saatgut nutzen.[28] Außerdem ist das Glyphosat so aggressiv im Boden, dass zum Teil über mehrere Jahre keine anderen Pflanzen mehr in dem verseuchten Boden wachsen würden.[29] Ähnlich wie Bakterien können auch Unkräuter auf natürlichem Weg eine Resistenz gegenüber Glyphosat entwickeln.[30] So wird irgendwann ein größerer Einsatz von Glyphosat notwendig und es entwickelt sich eine Teufelsspirale aus Abhängigkeit von Glyphosat und dem Saatgut und damit von der Firma Monsanto, bzw. Bayer. Obwohl die Produktivität hoch und die Anbaukosten niedrig sind, kann hier von einem positiven Nutzen der Gentechnik kaum gesprochen werden. Zu wenig nachhaltig ist die Technik, zu groß sind die Schäden an der Umwelt. Tatsächlich kann konstatiert werden, dass der Hauptnutzen der Gentechnik momentan ist, dass Monsanto tonnenweise Glyphosat verkaufen kann.

4.7.3 Vorteile der Gentechnik?

Bayer dagegen argumentiert, dass z.B. die gentechnikgestützte Herstellung von Auberginen, die ein Gift gegen den Auberginenfruchtbohrers produzieren, die Anwendung von Pestiziden reduziert hat. So treffe das Gift nur die Insekten, die tatsächlich an der Pflanze fressen und nicht alle Tiere, die sich auf den besprühten Feldern befinden. So reduziere sich auch die Insektizidbelastung der Auberginen. Das Gift in der Pflanze kann selbst gefährlich für den Menschen werden.[31]

Ein vielfach bemühtes positives Beispiel von grüner Gentechnik ist der sogenannte goldene Reis. Es ist eine spezielle Reissorte, die gentechnisch so verändert ist, dass sie größere Mengen an ß-Carotin produziert, aus welchem der Körper das überlebenswichtige Vitamin A synthetisiert. So kann dem Mangel Vitamin-A, der vor allem in Afrika und Südasien weitverbreitet ist, entgegengewirkt werden. Allerdings sind auch viel einfachere Verfahren möglich, wie z.B. Vitamin A in Grundnahrungsmittel wie Zucker und Mehl beizumischen. Zudem wäre eine fettreicher und abwechslungsreichere Ernährung der eigentliche Weg, um Unterernährung wie den Vitamin-A-Mangel zu bekämpfen. Durch die imperiale Unterdrückung dieser Länder ist das aber nicht möglich.

Gegen die Probleme des Klimawandels könnte die grüne Gentechnik vielleicht helfen. In Deutschland werden z.B. Kartoffeln entwickelt, die selbst bei großer Trockenheit noch dicke Knollen ausbilden (normalerweise würden sie den Knollenwachstum dann stark einschränken).

4.7.4 Forschung zur grünen Gentechnik

Die grüne Gentechnik könnte in Zukunft einige nützliche Errungenschaften bringen und so zur Sicherung der Ernährung der Menschheit beitragen. Allerdings ist sie mit großen, kaum kalkulierbaren und schwierig erforschbaren Risiken verbunden. Wie bei allen hier diskutierten Fragen ist die objektive Untersuchung der verschiedenen Verfahren entscheidend bei der Abwägung von Nutzen und Gefahren. Die Forschung ist allerdings sehr teuer, weshalb es oftmals nicht genügend belastbare Studien gibt. Das Geld für die Kosten von breit und lang angelegten Studien haben oftmals nur die großen Chemie- und Agrarkonzerne, die die Sicherheit ihrer Produkte in der Regel selbst testen. Deren Ergebnissen kann man aber natürlich nicht trauen, weil sie Studien meistens nur zur Rechtfertigung ihrer Unternehmenspraxis einsetzen. Studien, die ihnen nicht nutzen, werden entweder manipuliert, missverständlich ausgelegt oder einfach nicht veröffentlicht.

4.7.5 Brauchen wir grüne Gentechnik?

Aufgrund der seit 1995 gemachten Erfahrungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen lässt sich schließen, dass die Risiken sehr groß und die Nutzen bisher eher gering sind. Deshalb sollte die grüne Gentechnik nur punktuell bei besonders aussichtsreichen Verfahren weiter erforscht werden. Der Einsatz des so produzierten Saatgutes sollte, wenn überhaupt, nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Es gibt bereits weitaus sicherere Verfahren, um den Ertrag der Landwirtschaft zu erhöhen. Darüber hinaus ist es sinnvoller vorhandene Gelder vorzüglich in die Erforschung in nachhaltige und nicht gentechnik-basierte Strategien zu investieren. Gemeinsam mit den Beschäftigen in den betreffenden Laboren müssen wir als Klimabewegung volle Einsicht in die Geschäftsbücher und Forschungsberichte der betreffenden Konzerne erkämpfen. Erst dann können wir in staatlich voll ausfinanzierten und demokratisch von unserer Klasse kontrollierten Forschungseinrichtungen sinnvoll Chancen und Grenzen der Gentechnik abwägen.

4.8 Fleischkonsum: Umweltkiller und Nahrungsmittelvernichtung

Fleischkonsum ist ungesund und hat katastrophale Folgen für Tier, Mensch und die gesamte Umwelt, inklusive das Klima. Weltweit steigt der Fleischkonsum jedoch konstant an. Seit 1990 hat er sich verdoppelt[32]. Das hat mit dem Wachsen der Weltbevölkerung zu tun, aber auch damit, dass der Fleischkonsum in Asien, besonders in China, zunimmt.

4.8.1 Tierleid

Obwohl Tiere eine stark eingeschränkte Intelligenz haben, können sie Schmerz spüren, haben ein gewisses Selbstbewusstsein und können Emotionen wie Angst und Stress empfinden. Gerade die zumeist konsumierten hohen Säugetiere, wie Schweine und Rinder sind sogar für ihre besonders hohe Intelligenz bekannt. Im Kapitalismus werden die Tiere nicht wie Lebewesen, sondern wie Waren behandelt. Die Praxis der Zucht und Schlachtung ist deshalb barbarisch. Das Leid, was diese Tiere im Laufe ihres Lebens ertragen müssen, ist unvorstellbar. Sie können ihrer natürlichen Lebensweise in keiner Weise nachgehen. Die Tiere sind eng gedrängt, verletzen sich gegenseitig und leiden unter ihren eigenen Ausscheidungen. Um dem gegenseitigen Verletzen entgegenzuwirken, werden die Schnäbel von Hühnern und die Schwänze von Schweinen abgeschnitten (letztere Praxis ist mittlerweile in Deutschland theoretisch verboten).

In vielen Ländern gibt es zwar Mindeststandards für die Haltung von Tieren, diese sind aber viel zu gering. Für ein Schwein gibt es in Deutschland z.B. eine Mindestfläche von 0,75 m².[33] Für Hühner gilt je noch Mastart, dass auf einem Quadratmeter 16-22 Tiere gehalten werden dürfen.[34] Faktisch ist also die Grenze des physisch möglichen in der konventionellen Haltung der Mindeststandard. Die Mindeststandards werden aber sowieso kaum geprüft und oftmals missachtet, wie Tierrechtsorganisationen vielfach nachgeprüft haben (z.B. der Höchstabstand der Gitterstäbe auf dem Boden).

Als Kommunist:innen ist unser Ziel die Befreiung der Menschheit. Dennoch sollte uns vermeidbares Leiden anderer Lebewesen, wenn es direkt durch den Menschen verursacht wird, nicht egal sein. Deshalb müssen die Haltungs- und Schlachtungsbedingungen in der Fleisch-, Ei-, und Milchproduktion verbessern und deren Einhaltung streng kontrollieren.

4.8.2 Wasser- und Futterbedarf

Für ein Kilogramm Rindfleisch werden ca. 15.000 Liter Wasser benutzt. Bei Schweinefleisch sind es knapp 6.000 L bei Hähnchenfleisch 4.300 L. Besonders brisant ist der Nahrungsmittelverbrauch.[35] In der Fleischproduktion werden aus 3-10 Kalorien Futtermittel gerade mal 1 Kalorien Fleisch (je nach Tierart, Rind ist am wenigsten produktiv).[36] Die Fleischindustrie ist also weniger eine Nahrungsmittelindustrie und mehr Nahrungsmittelvernichtungsindustrie. Das hat zur Folge, dass der Getreidepreis in die Höhe steigt, was wiederum die Ernährungssicherheit von hunderten Millionen Menschen bedroht. Für den Anbau dieser Pflanzen wird über die Hälfte der weltweiten Ackerfläche genutzt (!). Oft werden dafür Wälder gerodet, wodurch CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird. Außerdem ist der Einsatz von Dünger und Pestiziden gerechnet auf die Nährwerte des Fleisches astronomisch.

4.8.3 Ausstoß von Treibhausgasen

Tiere stoßen jede Menge Methangas aus, welches als Klimagas 25-mal schädlicher als CO2 ist. Deshalb ist die Tierindustrie schädlicher für das Klima als der gesamte weltweite Transportsektor. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass 18% der weltweiten Treibhausgasemissionen auf die Fleischproduktion zurückgehen.[37] Zusätzlich scheiden die Tiere massenweise Exkremente aus, die, wenn sie im Übermaß auf Äcker ausgebracht werden, das ökologische Gleichgewicht aus der Bahn werfen. Sie erhöhen nämlich den Nitratgehalt der Böden, Flüsse und Meere (siehe Kapitel 4.9.2 Dünger).

4.8.4. Gesundheitliche Risiken des Fleischkonsums

Durch das enge Beisammensein der Tiere in der Massentierhaltung sind diese sehr anfällig für Krankheiten. Die Folge ist der massive Einsatz von Antibiotika. Genauso wie in Krankenhäusern werden so multiresistente Keime gezüchtet, die durch den Mist auf den Feldern und dort wachsenden Pflanzen, das Personal oder durch das rohe Fleisch selbst auf den Menschen übertragen werden.[38] Daraus ergeben sich jährlich tausende vermeidbare Tode.

Darüber hinaus ist Fleisch für den Menschen aufgrund des hohen Anteils an gesättigten Fettsäuren ungesund. Diese können nämlich bei übermäßigen Konsum zu Herz-Kreislauf‑Erkrankungen führen. Im Fleisch können sich zudem Gifte ansammeln, wie z.B. Dioxin, ein hochgiftiger Stoff, den Nutztiere in ihrem Fettgewebe einlagern.[39]

4.8.5 Fischfang und Fischwirtschaft – gleiche und spezielle Probleme

Ebenso wie der Konsum von Landtieren ist auch der Konsum von Meerestieren (Fische, Krebse, Garnelen, Muscheln, Tintenfisch usw.) in den letzten 50 Jahren massiv angestiegen (ungefähr um 100%).[40] Und genauso wie der Fleischkonsum hinterlässt auch der Fischkonsum erhebliche Schäden an unserer Umwelt. 35 % aller Fische werden vom Menschen so stark bejagt, dass ihre Bestände gefährdet sind.[41] Beifang tötet viele Tiere unnötigerweise und bestimmte Fangtechniken schaden den Unterwasserökosystemen, wie z.B. Schleppnetze oder die senkrecht verlaufenden Seile zwischen Krebsreusen und Bojen, in denen sich Wale verfangen.

Alte Fischernetze machen ca. 30 % des Plastiks in den Meeren aus und töten z.B. Haifische, Wale, Tauchvögel oder Schildkröten, da sich diese in den sogenannten Geisternetzen verheddern. Über die Jahre lösen sie sich auf und reichern die Weltmeere so mit Mikroplastik an.[42]

Mehr als 50% aller vom Menschen konsumierter Fische kommen mittlerweile aus Aquakulturen. Dies führt zu einer massiven Verschmutzung von Flüssen und Meeren. Die Fütterung der Zuchtfische erfolgt zumeist mit Wildfang oder Beifang. Auch hier breiten sich wegen der engen Haltung schnell Krankheiten aus, auch hier wird in großen Mengen Antibiotika eingesetzt (welches zudem über das Wasser noch besser in die Umwelt gelangt). Im Meer werden für den Bau von Fischfarmen auch Natur, wie z.B. Mangrovenwälder, zerstört. Und auch im Fisch gibt es giftige Stoffe, die sich anreichern. Das sind z.B. Schwermetalle wie Blei und Cadmium, die Fische über die Nahrung aufnehmen oder der Futterzusatz Ethoxiquin, für den es auch in Deutschland bisher keinen Grenzwert im Fischfutter gibt. [43]

4.8.6 Biologische Fleischwirtschaft ist keine Lösung

Biologische und artgerechte Haltung sind leider keine Lösungen. Zwar verbessern sie das Tierwohl, gleichzeitig leben die Tiere aber noch länger und auf noch größeren Flächen, was wiederum dafür sorgt, dass sie mehr Nahrung brauchen und mehr Methan ausstoßen.

4.8.7 Kampf der Fleischindustrie

Nicht nur das Züchten von Tieren, auch die Verarbeitung von Fleisch ist ein riesiges Geschäft für das Kapital. Deutschland ist dabei eines der führenden Länder. Das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch sorgt in Deutschland jährlich für einen Umsatz von 40 Mrd. €. Obwohl 1400 Betriebe in dem Gewerbe tätig sind, hat allein der größte Betrieb Tönnis einen Umsatz von 16 Mrd. € im Jahr.[44] Es steht also ein großes Kapital hinter der Fleischproduktion, welches seine Interessen verteidigt. Von den hohen Profiten bekommen die über 150.000 Beschäftigten jedoch nichts ab. Seit Jahren ist die Schlacht- und Fleischverarbeitungsindustrie für ihre miserablen Arbeitsbedingungen, insbesondere für Saisonarbeiter_innen aus dem EU-Ausland, bekannt.

Trotz kleiner Verbesserungen findet eine starke Ausbeutung in den Betrieben statt. Deshalb müssen wir auch in diesen Betrieben den Schulterschluss mit den Kolleg:innen suchen. Gewerkschaftliche Organisierung ist für den Kampf um mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen essenziell. In Deutschland ist die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) die zuständige Branchengewerkschaft.

Doch nicht nur die Fleischindustrie in Deutschland ist ein Problem. Weltweit gibt es unzählige riesige Firmen, die Fleisch verkaufen. Sie alle sind nicht an der Ernährung der Bevölkerung, sondern nur an ihrem Profit interessiert. Dafür produzieren sie 330 Millionen Tonnen Fleisch[45] dessen Konsum ungesund für den Menschen ist und zudem Wasserknappheit, Artensterben und Hunger erzeugt, sowie den Klimawandel beschleunigt.

Wir müssen alle Beschäftigten der Fleischindustrie auch im Kampf für eine andere landwirtschaftliche Produktion und eine andere Ernährung gewinnen. Sie müssen das Kapital nicht nur als Feind im Tarifkampf, sondern auch als Feind für eine nachhaltige Ernährungs- und Umweltpolitik sehen. Dort darf der Kampf aber nicht stehenbleiben. Die Beschäftigten müssen auch für eine revolutionäre Perspektive gewonnen werden.

4.8.8 Forderungen

Um den Fleischkonsum zu senken und die Ernährungsfrage in die Hand der Beschäftigten zu legen schlagen wir folgende Punkte vor:

  • Für die Vergesellschaftung der Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetriebe unter Arbeiter:innenkontrolle. Wir wollen selbst entscheiden, unter welchen Bedingungen wir produzieren und was wir essen!
  • Für die Transformation der Fleischindustrie in eine nachhaltige und vornehmlich vegetarische Nahrungsmittelindustrie. Dabei darf kein/e Kolleg:In entlassen werden!
  • Pflanzliche Proteine und Fette sind unverarbeitet (Linsen, Erbsen, Soja, …) bereits billiger als Fleisch. Es muss jedoch noch weitere schmackhafte und ökologisch verträgliche Alternativen geben. Vegetarische und vegane Ersatzprodukte sollten weiter erforscht und subventioniert werden, damit ein Massenmarkt entstehen kann. Die Steuer auf Produkte wie Fleischersatzprodukte aus pflanzlichem Eiweiß oder Getreidemilch sollte wie für Fleisch oder Milch 7 % statt 19 % betragen.
  • Die Fleischindustrie wird in den Führungsetagen von Tönnies, Westfleisch, Danish Crown etc. geplant und entlang ihrer konkurrierenden Profitinteressen organisiert, nicht anhand der individuell-moralischen Entscheidungen von Menschen in den Supermarktregalen. Die Logik der vegetarischen und veganen Konsumkritik basiert auf der idealistischen Illusion, das Proletariat könne die Produktion durch individuelle Kaufentscheidungen steuern. Wenn das so wäre, bräuchten wir eigentlich keinen Sozialismus mehr. Es ist die kapitalistische Produktionsweise selbst, die in alle Formen der Nahrungsmittelproduktion in dieser Gesellschaft (ob Gemüse, Getreide, Fleisch, Milch etc.) eingeschrieben ist. So sorgt der systeminhärente Drang der Profitmaximierung dafür, dass auch bei der Erzeugung von veganen Ersatzprodukten und im ökologischen Landbau der Profit letztlich vor die ökologische Nachhaltigkeit gestellt werden muss. Das Problem der Klimaschädlichkeit kapitalistischen Konsums lässt sich also nicht durch den „moralischeren“ kapitalistischen Konsum ersetzen. Zumal das Privileg für die eigene Reproduktion zwischen Nahrungsmitteln wählen zu können mit schrumpfendem Einkommen sinkt. In unseren Forderungen adressieren wir deshalb stets die Arbeiter_innenklasse als kollektives revolutionäres Subjekt und nicht als individuell-bürgerliches, wie es die bürgerliche Ideologie suggeriert. Die Konsumkritik ist der verkürzte Ausweg des gesellschaftlich ohnmächtigen Kleinbürgers. Unsere Aufgabe ist es nicht, Illusionen in die Wirkmächtigkeit dieses „Kampfmittels“ zu schüren, sondern kollektive und klassenbasierte Lösungsmöglichkeiten wie die die Vergesellschaftung der Fleischindustrie unter Arbeiter_innenkontrolle aufzuzeigen. Ohne Frage respektieren wir die individuelle Entscheidung keine tierischen Produkte zu sich zu nehmen. Sie wird nur niemals Teil einer tatsächlich marxistischen Forderung sein.
  • Der massenhafte Export von Fleisch muss unterbunden werden, um die Produktion zu senken und die Lebensmittelindustrie in den Importländern wiederzubeleben
  • Kein massenhafter Einsatz von Antibiotika in Tierställen
  • Futtermittel für Fleisch sollte nicht subventioniert werden
  • Wir müssen dafür kämpfen, dass es in öffentlichen Kantinen mehr veganes und vegetarisches Essen gibt
  • Es muss mehr Bildung über die verheerenden Folgen des Fleischkonsums geben, vor allem an Kindergärten und Schulen
  • Die freiwerdenden Flächen und Arbeitskräfte sollten für die Ernährung der Menschen, für die Produktion von Biogas und -treibstoff genutzt, vornehmlich jedoch einfach renaturiert werden. Kleinbauern dürfen bei der Umgestaltung der Landwirtschaft weder Job noch Hof verlieren

4.9 Die Krise der konventionellen Land- und Forstwirtschaft

Bis heute ist der Ertrag an Agrarprodukten im Verhältnis zur Fläche immer weiter angestiegen. Grund dafür ist, dass sich die industrielle Landwirtschaft immer weiter ausbreitet. Die heute praktizierte Form der konventionellen industriellen Landwirtschaft (aber nicht nur diese) befindet sich jedoch in einer wachsenden Krise. Ihre Anbaumethoden richten immer größere Schäden auf dem Planeten an und ihre Produktion wird auch selbst anfälliger für Verluste. Der Klimawandel verstärkt und beschleunigt diese Entwicklung. Dabei sind die Dürren und Unfruchtbarkeit des Bodens in einem Maße menschengemacht, das weit über den menschengemachten Klimawandel hinausgehen. Mit den konventionellen Anbaumethoden manövriert sich die Landwirtschaft so zunehmend in eine Sackgasse.

Die Probleme dafür sind vielfältig, basieren jedoch größtenteils auf der Unfähigkeit der kapitalistischen Produktionsweise eine nachhaltige Produktion zu organisieren. Obwohl viele Lösungsstrategien bekannt sind und ihre Umsetzung schon im Kapitalismus theoretisch möglich wäre, sind die bürgerlichen Regierungen unwillig genug, etwas für einen ökologischen Umbau zu tun. Sie gehen sehenden Auges dem Abgrund entgegen. Die Lobby der Großgrundbesitzer, Agrar- und Düngemittel- bzw. Pestizidkonzerne weisen dafür die Richtung. Verbesserungen müssen deshalb gegen den Widerstand der Chemie- und Lebensmittelindustrie, den Großgrundbesitz und ihren Regierungen durchgesetzt werden.

Fakt ist, dass eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft dafür sorgt, dass die Böden fruchtbarer werden und die Landwirtschaft resistenter gegenüber dem Klimawandel wird. Wenn die Landwirtschaft auf biologische Produktion umgestellt ist, werden die ökologisch nachhaltigen Produkte sogar unterm Strich günstiger sein, weil die externen Kosten erheblich sinken werden. Noch sind die Erträge der konventionellen Landwirtschaft jedoch deutlich höher. Die Wirtschaftlichkeit der Biobetriebe, die in Deutschland ca. 10 %[46] ausmachen, ist laut Agrarbericht aber sogar höher als die der konventionellen Betriebe. [47]

Jetzt mit dem Umbau zu beginnen ist entscheidend, da eine solche Transformation einige Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Das Geld dafür muss aus den Aktionsfonds und Sparkonten der monopolitischen Agrarkonzerne kommen. Da der Markt aus sich heraus diesen Umbau nicht leisten wird, da die kurzfristigen Interessen der Agarkonzerne mehr wiegen als die langfristigen Interessen der Menschheit, braucht es die Enteignung der Großgrundbesitzer und Agrarkonzerne, sodass die der ökologische Umbau der Landwirtschaft unter demokratischer Kontrolle der Arbeiter_innen abseits der profitbasierten Marktlogik vollzogen werden kann.

4.9.1 Monokulturen

Als Monokultur wird der Anbau einer einzigen Pflanze über eine Abfolge von mehreren Jahren bezeichnet. Es kann damit aber auch der Anbau einer einzigen Pflanzen auf einem (gigantischen) Feld gemeint sein. Kaffee- oder Palmölplantagen mit ausschließlich diesen Nutzpflanzen sind eindrückliche Beispiele für diese Anbaustrategie. Solche Plantagen sind sehr anfällig für Unkraut, Krankheiten und Schädlinge. Folglich muss der Einsatz von Pestiziden und Dünger erhöht werden, was wiederum zu Resistenzen und einer Überdüngung führt.[48]

In Deutschland sind Monokulturen über mehrere Jahre hinweg zwar selten (und sogar per Gesetz verboten), allerdings hat sich hierzulande die Fruchtfolge verengt. Außerdem ist der Anblick von Feldern der gleichen Pflanzen bis zum Horizont (z.B. Raps) auch hierzulande nichts Ungewöhnliches.

Ein Wechsel der Pflanzen ist im Kapitalismus aber gar nicht immer und überall möglich, da es zum Teil feste Abnehmer:innen gibt, die z.B. für ihre Biogasanlage immer nur eine bestimmte Pflanze brauchen. Außerdem ist das Saatgut so gezüchtet, dass es am besten in Monokulturen gedeiht. Eine Umstellung würde ihren vollen Effekt also erst entfalten, wenn auch entsprechendes Saatgut gezüchtet ist. Außerdem müssten neue Maschinen für die Ernte konstruiert werden, bzw. massenhaft und damit kostengünstig hergestellt werden. Zum Teil gibt es schon Geräte, die aber aufgrund der geringen Nachfrage sehr teuer sind.

In Spanien und der Schweiz wurde auf Versuchsfeldern bereits bewiesen, dass Mischkulturen (z.B. Linsen und Lupinen) ertragreicher als Monokulturen sind. In Spanien waren die Erträge 3% in der Schweiz 20 % höher, wenn zwei Arten gleichzeitig gepflanzt wurden. Die Zahlen stiegen auf 13 % bzw. 44% bei einer Mischkultur aus vier Pflanzen. Die Gründe dafür sind wahrscheinlich die bessere Ressourcennutzung durch die Pflanzen so wie eine bessere Schädlingskontrolle. So kann auch die Artenvielfalt erhöht werden, die auf den gigantischen Monokulturen sehr gering ist. [49]

Das Problem der Monokulturen bezieht sich natürlich nicht nur auf die Landwirtschaft, sondern auch auf die Forstwirtschaft. Eine Studie der Universität München stellt fest, dass Artenmischung den Wald ertragreicher macht, weil sich die Kronen und Wurzelsysteme besser gegenseitig mit Nährstoffen versorgen. Zudem ist der Wald so widerstandsfähiger[50] (für mehr Informationen siehe Kapitel 4.9.7 Forstwirtschaft). Monokulturen müssen der Vergangenheit angehören. Stattdessen braucht es Mischwälder in der Forstwirtschaft, jährliche Mischkulturen und eine sich abwechselnde Fruchtfolge in der Landwirtschaft. Alle paar Jahre sollten zudem gezielt stickstoffhaltige Pflanzen angebaut werden, die dem Boden guttun, indem sie dafür sorgen, dass sich die Mikroorganismen im Boden ausbreiten können. In der Folge sickert das Wasser nicht einfach durch sandigen Boden, sondern wird gespeichert und steht so den Pflanzen zur Verfügung. Außerdem sorgen sie dafür, dass das Wasser nach einem Starkregen nicht einfach oberflächlich abläuft, sondern in den Boden eindringt (z.B. durch kleine Gänge von Regenwürmern usw.). Mikroorganismen reinigen zudem das versickernde Wasser und machen z.B. durch Stickstoffproduktion die Böden fruchtbarer.[51] Bis dieser Prozess wieder fruchtbare Böden erzeugt, dauert es allerdings mindestens 10-20 Jahre.

Alle Staaten (besonders die mit einer industriellen Landwirtschaft) müssen sofort in die Forschung für alternative Anbaumethoden investieren. Denn auch die Forschung auf Versuchsfeldern dauert lange. Die Kosten für diese Maßnahmen müssen vom Profit der Kapitalist:innen bezahlt werden. Dabei muss international kooperiert und nicht konkurriert werden. Wir sind für die Abschaffung des Patentrechts für Saatgut oder Anbaumethoden, denn es hemmt die Forschung und dient nur dazu, postkoloniale Abhängigkeiten aufrechtzuerhalten und die Profite bei einer kleinen Gruppe von Monopolunternehmen zu belassen.

4.9.2 Dünger

Chemischer Dünger kann zwar ausgleichen, dass der Boden mit der Zeit durch die Art der Bewirtschaftung unfruchtbarer wird, allerdings funktioniert das nur bis zu einem bestimmten Punkt. Letztlich sterben die Mikroorganismen im Boden ab[52], die essenziell für die Speicherung von Wasser sind. In der Folge sind die Böden anfälliger für Dürren. Zudem richtet der künstliche und tierische Dünger auch anderswo ökologische Katastrophen an. Der Stickstoffdünger wird von Bakterien in Nitrat umgewandelt, welches in die Flüsse und so in die Meere gelangt. Dort regt es das Algenwachstum an. Wenn diese Algen dann absterben und von aeroben (sauerstoffverbrauchenden) Bakterien zersetzt werden, entstehen tote Zonen im Meer, die bereits 15 % der Meeresböden ausmachen. In den letzten 100 Jahren hat sich diese Fläche verzehnfacht.[53] In solchen Zonen ist kein Sauerstoff mehr vorhanden, weshalb kein Tier mehr überleben kann. Noch dazu verseucht das Nitrat unser Grundwasser. Die Reinigung unseres Grundwassers für unser Trinkwasser wird so unnötig teuer und aufwändig. Mineralische Dünger, vor allem Phosphordünger, enthalten neben dem gewünschten Mineral zum Teil giftige Schwermetalle, die über die Düngung in der Landwirtschaft in unseren Körper kommen.[54] Metalle wie Zink und Kupfer sind zwar als Spurenelementen wichtig für Pflanzen, allerdings können sie bei zu großzügigen Einsatz Mikroorganismen im Boden schaden. Das Problem bei der Herstellung von synthetischen Düngemittel ist wiederrum, dass sie sehr energieaufwendig ist (z.B. die Aktivierung von Stickstoff durch die Herstellung von Ammoniak).[55]

Der Einsatz von mineralischen und synthetischen Düngemitteln muss deshalb so weit wie möglich reduziert werden. Pflanzliche natürliche Dünger wie Kompost oder Vinasse sind dagegen unproblmeatisch.

4.9.3 Pestizide

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden, also Herbizide, Insektizide und Fungizide) ist das vorsätzliche Verteilen von für Lebewesen tödlicher Gifte auf einem nicht unerheblichen Anteil der Erdoberfläche. Sie haben dramatische Auswirkungen auf die Ökosysteme und können durch direkte Exposition oder durch die Nahrung auch dem Menschen schaden. Pestizide werden in der industriellen Landwirtschaft meistens von Traktoren, zum Teil aber auch von Flugzeugen versprüht. So kann sich der Stoff als Sprühnebel über die Felder hinaus verteilen.

Pflanzenschutzmittel unterscheiden nicht zwischen Nützling und Schädling. Viele nützliche Tiere werden durch den Einsatz von Insektiziden abgetötet, wodurch sich wieder Schädlinge vermehren und der Einsatz von Pestiziden erhöht werden muss. Herbizide schaden der Umwelt, indem z.B. Pflanzen abgetötet werden, die Insekten als Nahrung dienen, was wiederrum einen negativen Einfluss z.B. auf Vogelpopulationen nehmen kann. Die hohe Konzentration auf den Feldern schadet auch den Mikroorganismen im Boden. Diese Effekte führen zu einem Artensterben, welches daran demonstriert wird, dass auf biologisch nachhaltig bewirtschafteten Betreiben die Artenvielfalt sechsmal höher ist als auf konventionellen Höfen.[56]

Das wichtigste Herbizid ist Glyphosat, welches in 60 % aller Unkrautvernichtungsmitteln vorkommt. Die internationale Krebsforschungsagentur IARC, welche eine Teilorganisation der WHO und damit der UN ist, hat Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Dieses Ergebnis basiert auf Studien an Ratten, Mäusen und menschlichen Zellen. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht jedoch davon aus, dass die Mengen in denen Glyphosat über die Nahrung aufgenommen wird, keine schädliche Wirkung hat.[57] Fakt ist jedoch, dass Glyphosat seinen Weg in den menschlichen Körper findet. Unsere Nahrung ist nachweislich damit belastet und auch in einer Menge von 0,5 Mikrogramm im Urin von 75% der getesteten Probanden einer Studie der Heinrich Böll Stiftung ließ sich eine hohe Konzentration Glyphosat feststellen.[58]

Der massenweise Einsatz von Herbiziden hat in den USA schon dazu geführt, dass sich resistente Pflanzen entwickelt haben[59], infolgedessen der Einsatz des Glyphosats weiter erhöht wurde, was wiederum dessen negative Effekte verstärkt.

Es ist klar, dass auf den Einsatz von Pestiziden nicht vollständig verzichtet werden kann. Es muss jedoch genau untersucht werden, welchen Schaden und welche Nutzen ein Mittel oder eine Kombination von Mitteln hat. Die Prämisse sollte es sein, Anbaumethoden zu verwenden, die es ermöglichen den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Biologische Schädlingsbekämpfung (also den Einsatz von Lebewesen gegen Schädlinge) kann einen Beitrag dazu leisten, Pestizide zu ersetzen. Allerdings birgt biologische Schädlingsbekämpfung auch die Gefahr der Verbreitung invasiver Arten, deshalb muss damit sehr vorsichtig umgegangen werden. Auch Mischkulturen und wechselnde Fruchtfolgen reduzieren das Auftreten von Schädlingen.

Konzerne, die Düngemittel, Saatgut und Pestizide herstellen, wie Bayer und seine Tochter Monsanto, müssen entschädigungslos und unter Arbeiter:Innenkontrolle enteignet werden, damit ihr schmutziges Geschäft ein Ende hat. Auch für die Düngemittelproduktion gilt es, dass wir memeinsam mit den dortigen Beschäftigten volle Einsicht in die Geschäftsbücher und Forschungsberichte erkämpfen müssen. Erst dann können wir in staatlich voll ausfinanzierten und demokratisch von unserer Klasse kontrollierten Forschungseinrichtungen sinnvoll Chancen und Grenzen bestimmter Düngerverfahren abwägen und neue entwickeln.

4.9.4 Bodenerosion

Als Bodenerosion wird das Abtragen des Bodens verstanden. Im Falle von fruchtbarem Ackerland führt das zu Bodendegradation, also zu irreversiblen Schäden in der Funktion und Struktur des Bodens. Dadurch sinkt die Bodenqualität und damit dessen Fruchtbarkeit. Die direkten Auslöser sind Winde und Wasser (Regen und Überschwemmungen). Welche Ausmaße die Bodenerosion durch den Menschen hat bezeugt, dass 60-80 % der Bodenerosionen auf die menschliche Landwirtschaft zurück geht. Dies ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass 50% des Planeten landwirtschaftlich genutzt wird. 23 % der bewachsenen Fläche gelten dabei als nachhaltig geschädigt.[60] International liegt das Mittel der Bodenerosion bei 2,4 Tonnen pro Jahr und pro Hektar (100m x 100m) Ackerland.[61]

Das Problem ist also ein Internationales, auch wenn es sehr große Unterschiede zwischen den Ländern gibt, was hauptsächlich auf die Anbaumethoden zurückzuführen ist. In Brasilien, einem Land mit sehr hoher Bodenerosion, werden beispielsweise Regenwälder gefällt, um die Fläche dann landwirtschaftlich zu nutzen. Die starken Regenfälle tragen die dünne Schicht fruchtbaren Bodens ab. Wenn irgendwann auch der Einsatz von künstlichen Düngemitteln die verringerte Fruchtbarkeit nicht mehr ausgleichen kann, muss neuer Regenwald gerodet werden und der Prozess beginnt von neuem. Aus dem artenreichen Regenwald wird so eine nahezu ausgestorbene Steppe.

Bleibt die Natur unberührt, dann sind die Böden in den meisten Regionen der Erde von Pflanzen bedeckt. Durch den Ackerbau wird der Boden jedoch freigelegt und die Erosion so massiv begünstigt. Verschärfend kommt hinzu, dass meistens große Flächen bewirtschaftet werden, die nicht durch kleine Strukturen wie Hecken, Bäume usw. geschützt sind. Außerdem gibt es Pflanzen, die in weiten Abständen gesät werden (Mais, Zuckerrüben), was dafür sorgt, dass der Boden über lange Zeit unbedeckt ist. Wird der Boden immer wieder tief durchgepflügt und Reste der vorherigen Nutzpflanzen entfernt, wird dem Boden seine Stabilität und sein Schutz genommen, den er gegen Regen und starken Wind braucht.[62] Auch durch das übermäßige Weiden von Nutztieren auf Wiesenflächen wird die Erosion begünstigt.[63] Besonders an den oberen Teilen der Hänge, sowie auf Bergkuppen geht durch die Erosion fruchtbarer Boden verloren.

Neben der Fruchtbarkeit wird auch die Funktion des Bodens als Wasser und Nährstoffspeicher eingeschränkt. Die Ablagerungen durch die Bodenerosion können wiederum durch Verschlammung anderen Flächen schaden. Außerdem können die Bodenpartikel Gewässer vergiften, indem sie dort Schadstoffe (wie z.B. Pestizide) anreichern oder die Gewässer versauern. Die Ablagerungen können auch an vom Menschen geformten Strukturen Schaden anrichten.[64]

Der Klimawandel sorgt mit lokal auftretendem Starkregen, höheren mittleren Windgeschwindigkeiten und längeren Trockenphasen für eine höhere Erosion. Die historische Überschwemmung in Pakistan 2022, bei der ca. 1/3 der Landfläche überschwemmt wurde, hat der Landwirtschaft durch die Erosion einen erheblichen Schaden zugefügt. Durch das Waldsterben beispielsweise durch Schädlinge oder Feuer entstehen ebenfalls Flächen, die nicht vor Erosion geschützt sind. Den Erosionsprozess rückgängig zu machen, dauert sehr lange. Es dauert mindestens 100 Jahre, bis ein Zentimeter humoser Boden entsteht.[65] Bei einem starken Gewitter kann dieser hundertjährige Prozess an einem Tag zunichte gemacht werden.

Eine Schonende Bodenbearbeitung (z.B. ein weniger tiefes Pflügen und pflügen quer zum Hang, um Wasserabfluss zu verringern) kann Erosion entgegenwirken. Das Pflanzen von Bäumen neben und auf den Feldern schützt diese vor Wind. Terrassierung kann dagegen vor Wassererosion schützen.[66] Auch die Gefahr der Bodenerosion zeigt auf, dass die kapitalistische profitorientierte Bewirtschaftung von Agrar- und Forstflächen nicht einmal in der Lage ist, ihre dauerhafte Existenz zu gewährleisten. Wenn wir die Böden erhalten wollen, müssen wir sie ihren bürgerlichen Besitzer_innen entreißen. Was wir brauchen ist die entschädigungslose Enteignung der Großgrundbesitzer und eine Bodenreform in den halbkolonialen Ländern. Demokratisch gewählte und rechenschaftspflichtige Komitees aus Produzent_innen und Konsument_innen sollten für alle Äcker das Risiko von Erosion bewerten und entsprechende Maßnahmen treffen.

4.9.5 Desertifikation

6 % der Landfläche unseres Planeten ist von Wüsten bedeckt in denen Ackerbau oder Viehzucht unmöglich sind.[67] 40 % der Landmasse sind Trockengebiete.[68] Jedes Jahr kommt eine Fläche von ca. der Größe Bayerns hinzu. Dieser Umstand bedroht heutzutage 1 Mrd. Menschen. Das Problem ist menschengemacht. Besonders in der Sahel-Zone südlich der Sahara ist das gut nachweisbar. Hier wurden Äcker angelegt und diese künstlich mit Grundwasser oder Wasser aus Seen und Flüssen bewässert. So wurden die Grundwasserspeicher verbraucht und das übrige Wasser wurde immer salziger. Infolge von Ackerbau und Überweidung von Grasflächen wurde das Land von Erosion zerstört. Ganze Landstriche verödeten so.[69]

Doch auch in Europa ist dies bereits ein Problem, vor allem in Spanien, wo 20 % des Landes von Wüstenbildung betroffen sind[70]. Der Grund ist hier die Bewässerung von Obst- und Gemüseplantagen, aber auch der Wasserverbrauch der Tourismusindustrie. Ein weiteres europäisches Beispiel ist die Ausbreitung einer Wüste in Rumänien nahe der Hauptstadt Bukarest. Sand und Staub auf bereits zur Wüste gewordenen Flächen werden durch den Wind verweht. So breiten sich die Wüsten aus. Aber auch Ackerflächen fallen der Dürre zum Opfer. Weil keine Wälder mehr existieren, kann der Wind ungehindert über das Land streichen.[71] Der aufgewirbelte Staub sorgt bei den Menschen für gefährliche Atemwegserkrankungen. In Brandenburg sind Sandstürme heute schon keine Seltenheit mehr.[72]

In China wurde die Ausbreitung der Wüsten schon vor Jahrzehnten als Problem erkannt, vor allem, weil die Hauptstadt Peking von jährlich wiederkehrenden Sandstürmen heimgesucht wird. Dagegen wurde die Great Green Wall errichtet. Dabei handelt es sich um ein Wiederaufforstungsprojekt historischen Ausmaßes. 23 % Hälfte der chinesischen Landfläche ist heute wieder bewaldet, weitere Teile wurden mit Büschen oder Gräsern stabilisiert.[73] Bis 2050 sollen weitere 13,6 Mrd. $ investiert werden und so ein Schutzwall von 4500 km Länge und 100 km Breite entstehen. Bereits heute gibt es kaum Sandstrürme mehr in Peking, die Biodiversität ist gestiegen und die Bäume dienen als CO2 Speicher. Dieser Ansatz kann als Vorbild für andere Länder dienen.

4.9.6 Wassermangel

Grund für den Wassermangel ist neben dem Klimawandel die Verschwendung von Wasser in der Land- und besonders der Fleischwirtschaft. Endliche (Grund-)wasservorkommen werden angezapft und damit in Trockengebieten Landwirtschaft betrieben. Nach einigen Jahren liegt die Landwirtschaft dann am Boden. Wo Wassermangel akut wird, sterben Pflanzen ab, was für Erosion sorgt und so zur Wüstenbildung führt.

Besonders betroffen sind Nordafrika, der „Nahe Osten“, sowie Westasien.[74] Hunger, die Verbreitung von Krankheiten, Flucht und bewaffnete Konflikte sind die Folge. Laut der UN werden 2030 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen haben[75]. Besonders in den Städten wird das Problem durch eine ungerechte Verteilung verstärkt. In Mexiko-Stadt muss die arme Bevölkerung ewig für ihr Wasser anstehen, während die reiche Bevölkerung ihren Rasen im Vorgarten mit Trinkwasser besprenkelt. 1,6 Mrd. Menschen haben heute keine Zugang zu sicherem Trinkwasser zuhause. 2,8 Mrd. Menschen haben keinen Zugang zu sicheren Sanitären Anlagen.[76]

Es braucht eine nachhaltige Wasserwirtschaft, sodass endliches Grundwasser nicht einfach verbraucht wird und so Wasserquellen versiegen oder versalzen. Es sollte z.B. Regenwasser für die Landwirtschaft aufgefangen werden. Die Reduktion des Fleischkonsums, solargetriebene Wasserentsalzung, aber vor allem eine nachhaltige Landwirtschaft müssen Teil der Problemlösungsstrategie sein.

4.9.7 Forstwirtschaft

Der Zustand der Wälder ist historisch schlecht. Dürre, Krankheiten, Schädlinge und nicht nachhaltiges Abholzen sind die Gründe für das Verschwinden der Wälder weltweit. Im Harz, einer der größten Wälder Deutschlands, sind bereits 80 % (!) der Fichten abgestorben, bei den Buchen sieht es nicht viel besser aus.[77] Das Problem dabei sind unter anderem die angepflanzten Monokulturen, welche anfälliger für Schädlinge und Wetterextreme sind. Zudem führen die vielfach nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland gepflanzten Nadelwaldmonokulturen durch die vielen Nadeln am Boden zu einer Versauerung der Böden. Zum Teil muss das mit einer Behandlung von Kalk ausgeglichen werden. Diese Probleme erstrecken sich über den gesamten europäischen Kontinent. Die extreme Hitze und das Absterben der Bäume sorgen zudem dafür, dass es jedes Jahr gewaltige Waldbrände in Europa gibt. Neben den direkten wirtschaftlichen und ökologischen Schäden geben die Wälder so auch tonnenweise CO2 ab, welches wiederum den Klimawandel beschleunigt. Ein klassischer Teufelskreis.

Der Raubbau an den Wäldern in Südasien, Südamerika, aber auch in der nördlichen Taiga (Kanada und Russland) ohne jegliche Wiederaufforstungsperspektive verschärfen das Problem drastisch.

Es muss weltweit massiv aufgeforstet werden. Abholzung darf es nur in einem Maß geben, wie die Bäumer ersetzt werden können. Nur so lässt sich die Artenvielfalt schützen, der Wüstenbildung entgegengewirkt werden und dauerhaft CO2 als Maßnahme gegen den Klimawandel speichern. Auch für die Aufforstung liegt der Schlüssel in der Eigentumsfrage und der damit einhergehenden Kontrolle über die Waldböden und -flächen.

5. Klassenkampf der Landwirt:Innen und permanente Revolution

5.1 Klassenlage der Farmer:innen

Zur Klassenlage der Bäuer:innenschaft schreibt Trotzki im Übergangsprogramm Folgendes:

„Der Landarbeiter ist der Waffenbruder und Gefährte des Industriearbeiters auf dem Dorf. Sie bilden zwei Teile ein und derselben Klasse. Ihre Interessen sind nicht zu trennen. Das Programm der Übergangsforderungen der Industriearbeiter ist (mit) Modifikationen) auch das Programm des Landproletariats.

Die Bauern (Farmer) repräsentieren eine andere Klasse: das ist das Kleinbürgertum des Dorfes. Das Kleinbürgertum setzt sich aus verschiedenen Schichten zusammen, von den Halbproletariern bis hin zu den Ausbeutern. Deshalb besteht die politische Aufgabe des Industrieproletariats darin, den Klassenkampf in das Dorf zu tragen: nur so kann es seine Verbündeten von seinen Feinden trennen.“[78]

Sofern den Bäuer:innen ihre Produktionsmittel (Land, Maschinen, Werkzeuge) selbst gehören betrachten wir sie also als Teil des Kleinbürger:innentums, auch wenn es große Abstufung in ihrem Landbesitzt gibt. Dieser Umstand sowie ihr gesellschaftlich eher isoliertes Leben auf dem Land führt dazu, dass sie aus sich heraus kein revolutionäres Bewusstsein herausbilden können. Auch wenn viele von ihnen in bitterer Armut leben, treten Sie dem Klassenfeind nicht in gleichem Maße gegenüber wie die Arbeiter_innenklasse, außerdem sind die aufgrund ihrer Isoliertheit wesentlich schwerer zu organisieren.

Doch auch wenn sie allein keine revolutionäre Klasse für sich werden können, war es in vielen historisch-revolutionären Situationen die Aufgabe der organisierten Arbeiter_innenklasse, den Schulterschluss mit der Bauernklasse zu üben und diese für ihr revolutionäres Programm zu begeistern. Die russische Oktoberrevolution ist ein gutes Beispiel dafür, wie im unterentwickelten Russland eine zahlenmäßig weit unterlegene industrielle Arbeiter_innenklasse die Mehrheit der verarmten Bauern für ihr Programm und eine gemeinsame Revolution gewinnen konnte. Auch die Bauernklasse wird weltweit von Monopolkonzernen und Großgrundbesitz ausgebeutet und ist abhängig von günstigen Krediten, hohen Abnahmepreisen, niedrigen Preisen für Maschinen und Dünger sowie praktischen Transportbedingungen. Die organisierte Arbeiter_innenklasse muss ihr aufzeigen, dass ein Programm der Vergesellschaftung der Banken und Monopolkonzerne und die Einrichtung gemeinsamer Preiskontrollausschüsse die bessere Alternative ist, als das ewige Hoffen, von den Herrschenden ein wenig mehr verschont zu bleiben.

Auch wenn die Weltwirtschaft nach wie vor von der kapitalistischen Produktionsweise dominiert wird, ist die Ausgangslage der Bauern heute 2023 eine andere als zur Zeit der Oktoberrevolution 1918. Die Bauern im revolutionären Russland stellten eigentlich ein Überbleibsel aus der dem Kapitalismus vorangegangenen Epoche des Feudalismus dar. So wie sie damals in Russland nicht vollends dem Kapitalismus einverleibt wurden, führten 100 Jahre Kolonialismus und imperialistischer Terror dazu, dass weltweit auch heute immer noch viele verarmte Bauern nach vorkapitalistischer Art Subsistenzwirtschaft betreiben, das heißt die Bauern und Bäuerinnen bauen ihre Erzeugnisse zum großen Teil für den eigenen Konsum an und verkaufen ihn nur teilweise.

Doch der Expansionsdrang des Kapitals kennt keine Grenzen und verwandelt durch Verarmung Vertreibung, Krieg und Klimawandel Tag für Tag mehr Bauern in Proletarier_innen, die ihr Land verlassen oder verkaufen müssen und ihr Glück in den Metropolen, auf der Flucht in ein anderes Land oder auf den großen Baumwoll-, Kaffee- und Zuckerrohrplantagen suchen. Auch wenn trotz der formalen Dekolonialisierung viele Agrarflächen weiterhin in der Hand der ehemaligen Kolonialist_innen verblieben, wird die Landflucht der Kleinbauern durch einen weiteren Trend verstärkt, der sich Land Grabbing nennt. Dabei kaufen Monopolkonzerne und Kapitalgesellschaften in großem Stil Land in halbkolonialen Ländern auf, welches die dort ansässigen Kleinbauern seit hunderten von Jahren nur nach Gewohnheitsrecht genutzt haben.[79] Indem sie ihr Land und ihre Arbeitsmittel verloren haben, besitzen sie nur noch ihre Arbeitskraft, die sie verkaufen werden und werden somit zu Landarbeiter_innen, Industriearbeiter_innen oder verarmtem Subproletariat.

Auch wenn verlässliche Zahlen über die tatsächlichen globalen Besitzverhältnisse von Agrarflächen schwer zu gewinnen sind, schätzte Oxfam bereits vor 10 Jahren schon, dass zu diesem Zeitpunkt eine Fläche Westeuropas aus dem Besitz von Kleinbauern in den Besitz von Kapitalgesellschaften gewechselt ist. Laut der Heinrich-Böll-Stiftung kontrollieren die 4 Monopolkonzerngruppen Cargill, ADM, Dreyfus und Bunge zusammen 70 % des Weltmarktes an Agrarrohstoffen.[80] Aber auch deutsche Kapitalgesellschaften wie die Versicherung Münchner Rück[81], die Entwicklungsbank DEG[82] und die westfälische Ärztepensionskasse[83] sind zentrale Akteure im Land Grabbing.

Die Kapitalflucht in Agrarflächen ist dabei ein Resultat der schwindenden Anlageoptionen in der produktiven Sphäre und verspricht aufgrund der Tatsache, dass sich Boden nicht vermehren lässt, sichere Renditeerwartungen. Die erbeuteten Agrarflächen fehlen wiederum den lokalen Ökonomien um Nahrungsmittel anzubauen, stattdessen werden sie darauf ausrichtet um Exportprodukte für die westlichen Ökonomien wie Kaffee, Tee, Tabak, Baumwolle, Zuckerrohr, Bananen, Palmöl, Soja etc. zu produzieren aber auch Tierfutter und Biotreibstoff. Zur Bewässerung der Plantagen pumpen die Agrarkonzerne meistens die ohnehin knappen Grundwasserressourcen kostenlos aus den lokalen Böden. Die halbkolonialen Länder sind deshalb wiederum auf Nahrungsmittelimporte aus den imperialistischen Ländern angewiesen. Der systematische Landkauf ist jedoch nur ein Element aus einem größeren System aus der Kontrolle des Saatgutmarktes, Verschuldung, Spardiktaten etc., mit dem die imperialistischen Staaten die Abhängigkeit der ehemaligen Kolonien aufrechterhalten.

Die Konzentration von Agrarfläche in den Händen von Monopolkonzernen findet jedoch nicht nur in den Halbkolonien, sondern auch in imperialistischen Ländern wie Deutschland statt. Dies findet zum einen auf der Ebene des Firmenkaufs, zum anderen auf der Ebene des Bodenkaufs statt. So werden mittelständische Familienunternehmen in immer stärkerem Maße von den Agrarriesen aufgekauft. Laut der Landwirtschaftszählung 2020 des zuständigen Bundesministeriums ist ein Großteil der deutschen Agrarfläche nicht im Besitz der Bauern, sondern lediglich gepachtet. Die weiterhin steigenden Bodenpreise sorgen dabei für zusätzlichen Druck. In Ostdeutschland besitzen Unternehmensgesellschaften und Aktienfonds bereits über 30 Prozent des Bodens, während es in Westdeutschland bei steigender Tendenz noch 10 Prozent sind. In der EU wird 6,1 % der Landfläche von 2/3 aller landwirtschaftlichen Betrieben kontrolliert, während die größten 3,3 % über die Hälfte der Landfläche besitzen.[84]

5.2 Kampf dem Großgrundbesitz

Wir wollen den Großgrundbesitz restlos unter Kontrolle der Landarbeiter:innen vergesellschaften. Die Landarbeiter:innen und Landpächter:innen werden der Hebel bei der Umsetzung dieser Politik sein. Allerdings wird es wahrscheinlich nur partiell möglich sein, den ehemaligen Großgrundbesitz sofort kollektiv zu bewirtschaften. Um die armen Landarbeiter:innen und landlosen Bäuer:innen für unsere Politik zu gewinnen, müssen wir ihnen vor allem Land versprechen. Landaneignung durch arme Bäuer:innen, wie sie z.B. momentan (2023) in Kolumbien stattfinden, verdienen deshalb unsere bedingungslose Solidarität. Außerdem muss ihnen zugesichert werden, ihre Produkte profitabel verkaufen zu können, um ihr Überleben zu sichern. Deshalb haben wir uns solidarisch mit den Farmer:innenprotesten 2021 in Indien erklärt. Dort haben hunderttausende Farmer:innen gegen eine weiter Neoliberalisierung des Agrarsektors und für staatlich garantierte Mindestabnahmepreise gekämpft.

Natürlich ist die Zersplitterung von Großgrundbesitz noch keine sozialistische Politik, sie ist aber ein notwendiger Schritt, um die Großgrundbesitzer:innen zu entmachten und die Bäuer:innen für unsere Politik zu gewinnen. Revolutionäre Erhebungen in der Vergangenheit (z.B. die Russische Revolution im Oktober 1917) haben gezeigt, dass für landwirtschaftliche geprägte Gesellschaften die Landfrage von großer Bedeutung ist. Besonders in Halbkolonien ist ihre Lösung ein wichtiger Teil jeder sozialistischen Revolution.

5.3 Permanente Revolution und sozialistische Landwirtschaft

Bei der Landverteilung darf die Bewegung jedoch nicht stehen bleiben. Sie muss die Revolution permanent machen, also die Verteilung von Land mit sozialistischen Maßnahmen in der Stadt und auf dem Land verbinden. Überall dort, wo das Land zum großen Teil schon im Besitz der Menschen ist, die es bewirtschaften (z.B. in Nordamerika oder Europa), muss es deshalb das Ziel sein, die Farmer:innen zu motivieren das Land kollektiv zu bewirtschaften. Wir müssen sie darüber hinaus für eine nachhaltige Landwirtschaft gewinnen, die auf die Ernährungssicherheit und nicht auf kurzfristigen Profit ausgerichtet ist. Sie müssen begreifen, dass die Kollektivierung ihres Besitzen auch für sie selbst von Vorteil ist, da individuelle Risiken verschwinden und die Landwirtschaft so effizienter werden wird. Steuerliche Anreize und Subventionen können diesen Prozess beschleunigen.

Die Perspektive in der Agrar- und Ernährungsfrage muss also eine sozialistische sein. Denn auch ökologisch nachhaltige Landwirtschaft muss profitabel sein und ist daher den Marktzwängen unterworfen. Zum Beispiel können auch Bioprodukte aus den imperialistischen Staaten exportiert werden und so lokale Landwirtschaften in Halbkolonien bedrohen. Zudem ist eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik nur im Kampf gegen die Macht der großen Agrar- und Chemiekonzerne durchzusetzen. Außerdem kann nur durch eine sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft sichergestellt werden, dass keine Farmer:innen bankrott gehen und so ihren Lebensunterhalt verlieren.

Eine sozialistische Landwirtschaft ist immer effizienter und ertragreicher, da Maschinen optimal verteilt werden und die Landfläche sinnvoller eingeteilt werden kann. Wo es einen Mangel an Wasser und Landfläche gibt, können diese Ressourcen sinnvoll verteilt werden, ohne dass es blutige Verteilungskämpfe gibt, wie sie im subsaharischen Afrika durch die Dürren heute schon alltäglich sind. Darüber hinaus kann nur der Sozialismus die Investitionen in die Landwirtschaft tätigen, die es für eine Umgestaltung braucht. Nur er kann den Klimawandel noch aufhalten und die unzähligen sinnlosen Kriege beenden, die den weltweiten Hunger verschärfen.  

Es braucht eine solche sozialistische, d.h. bedarfsgerechte Landwirtschaft, die umweltverträglich ist und nur die Ziele hat den Farmer:innen ein würdevolles Leben zu sichern und vor allem die Menschheit mit Nahrung zu versorgen.


[1] https://de.wfp.org/hungerkatastrophe

[2] https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fgesellschaft%2Fzeitgeschehen%2F2022-02%2Fhunger-un-welternaehrungsprogramm-bedrohung-pandemie

[3] https://www.careelite.de/welthunger-statistiken-fakten/#hungernde

[4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38187/umfrage/anzahl-der-hungernden-weltweit/

[5] https://www.welthungerhilfe.de/hunger#c8250

[6] https://www.theguardian.com/us-news/2022/sep/07/us-food-insecure-families-poverty-study

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Welthunger#cite_note-10

[8] https://www.bundesrechnungshof.de/DE/3_internationales/1_internationales_wfp/wfp_node.html

[9] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1169479.usa-rekord-budget-fuer-das-pentagon-beschlossen.html

[10] https://www.spiegel.de/politik/ausland/uss-gerald-r-ford-das-ist-das-teuerste-kriegsschiff-der-welt-a-1159275.html

[11] https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2020-11-17-jemen-krieg-wert-waffenexporten-g20-um-vielfaches-hoeher

[12] https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/2020/jemen-hunger-auf-rekordhoehe/232672

[13] https://www.bbc.com/news/world-middle-east-56242610

[14] https://www.wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/ernaehrung-konsum/lebensmittelverschwendung/das-grosse-wegschmeissen

[15] https://www.umweltbundesamt.de/themen/ein-drittel-der-lebensmittel-wird-verschwendet

[16] https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittelverschwendung/studie-lebensmittelabfaelle-deutschland.html

[17] https://www.oxfam.de/system/files/factsheet_nahrungsmittelspekulation_pb.pdf

[18] https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/themen/nahrungsmittelspekulation

[19] https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/landwirtschaft-fischerei/Ukraine-Landwirtschaft.html

[20] https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/studie-lebensmittelkonzerne-nutzen-methoden-wie-die-tabakindustrie-a-882971.html

[21] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/eu-agrarsubventionen-unternehmen-101.html

[22] https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/landwirtschaft-un-bericht-101.html

[23] https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/landwirtschaft/oekologische-landwirtschaft/weggefuttert

[24] https://policy.trade.ec.europa.eu/development-and-sustainability/economic-partnerships_en

[25] https://www.keine-gentechnik.de/dossiers/anbaustatistiken#c194

[26] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/landwirtschaft/landwirtschaft_gentechnik_laesst_sich_mon810_verbieten.pdf

[27] https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/landwirtschaft/oekologische-landwirtschaft/weniger-schmetterlinge-gen-mais

[28] https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/landwirtschaft/oekologische-landwirtschaft/monsanto-patent-roundup-ready-pflanzen

[29] https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/glyphosat-auswirkungen

[30] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/umweltgifte/glyphosatresistente_pflanzen_vortrag.pdf

[31] https://www.derstandard.at/story/1254312048459/anbau-von-gentechnik-auberginen-verhindert

[32] https://de.statista.com/infografik/20391/produktion-von-fleisch-weltweit/

[33] https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/nutztiere/schweine/schweine.html

[34] 38 kg/m², was bei einem durchschnittlichen Schlachtgewicht von 1,7 kg im Jahr 2021 22 Tieren entspricht. https://www.bundestag.de/resource/blob/658256/5b211b3b95ed73db4e6acaca6ce67c91/WD-5-069-19-pdf-data.pdf

[35] https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/15000-liter-wasser-fuer-ein-kilo-rindfleisch/

[36] https://www.weltagrarbericht.de/fileadmin/files/weltagrarbericht/Weltagrarbericht/04Fleisch/Futtermittelblues_Heft_05.pdf

[37] https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Landwirtschaft/Klimaerwaermung-durch-Fleischkonsum.pdf

[38] https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/krankenhauskeime-im-tierstall-gesundheitsforschung-in-der-landwirtschaft-2819.php

[39] https://www.umweltbundesamt.de/daten/chemikalien/dioxine-polychlorierte-biphenyle-pcb-in#dioxinefurane-und-polychlorierte-biphenyle-pcb

[40] https://www.zeit.de/wissen/2020-06/fischereibericht-2020-un-fischkonsum-rekordwert?utm_referrer=https%3A%2F%2F

[41] https://www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/fischerei/ueberfischung

[42] https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/plastik-meer-geisternetze-100.html

[43] https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Wie-oekologisch-ist-Fisch-aus-Aquakultur,aquakultur164.html

[44] https://de.statista.com/themen/4069/fleischverarbeitung-in-deutschland/#topicOverview

[45] https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/landwirtschaft-fischerei/tierhaltung-fleischkonsum/_inhalt.html

[46] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/07/PD21_N046_41.html

[47] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/Agrarbericht2019.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (S. 87)

[48] https://www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/darum-schaden-uns-monokulturen/

[49] https://www.mdr.de/wissen/umwelt/mischanbau-artenvielfalt-landwirtschaft-ertrag100.html

[50] https://www.wissenschaft.de/erde-umwelt/mischwaelder-sind-widerstandsfaehiger/

[51] https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/bodenbelastungen/verlust-der-biodiversitaet-im-boden#funktion-der-bodenorganismen

[52] https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/zu-viel-des-guten-duengung-senkt-die-widerstandskraft-g-10956

[53] https://www.bund.net/meere/belastungen/ueberduengung-der-meere/

[54] https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/landwirtschaft/anbau/phosphatduenger-agrarchemie-toedlichen-nebenwirkungen

[55] https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/duengemittel

[56] https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/landwirtschaft/anbau/pestizide-zerstoeren-umwelt

[57] https://www.boell.de/de/glyphosat

[58] https://www.boell.de/de/2016/03/04/glyphosat-untersuchung-75-prozent-der-deutschen-deutlich-belastet

[59] https://www.deutschlandfunk.de/herbizid-studie-unkraeuter-entwickeln-immunitaet-gegen-100.html

[60] https://www.welthungerhilfe.de/informieren/themen/klimawandel/bodenerosion

[61] https://www.faz.net/aktuell/wissen/erde-klima/bodenerosion-wachsende-sorge-um-fruchtbare-boeden-16539315.html

[62] https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-funktioniert-landwirtschaft-heute/boden-in-gefahr-erosion-in-der-landwirtschaft

[63] https://www.welthungerhilfe.de/informieren/themen/klimawandel/bodenerosion

[64] https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/bodenbelastungen/erosion-jede-krume-zaehlt#was-sind-die-folgen-von-bodenerosion

[65] https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/kleine-bodenkunde/entwicklung-des-bodens

[66] https://www.faz.net/aktuell/wissen/erde-klima/bodenerosion-die-landwirtschaft-ist-in-gefahr-18303767.html#ist-der-boden-noch-zu-retten}

[67] https://www.planet-wissen.de/natur/landschaften/trockenwuesten/wuesten-desertifikation-100.html

[68] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1180900/umfrage/anteil-von-trockengebiete-an-der-gesamtflaeche-der-weltregionen/

[69] https://www.planet-wissen.de/natur/landschaften/trockenwuesten/wuesten-desertifikation-100.html

[70] https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/292601/welttag-fuer-die-bekaempfung-von-wuestenbildung-und-duerre/

[71] https://www.dw.com/de/wo-die-w%C3%BCste-w%C3%A4chst-klimawandel-in-rum%C3%A4nien/av-56634405

[72] https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_85636884/sahara-nein-das-ist-brandenburg.html

[73] https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/Tabellen/Basistabelle_WaldFlaeche.html

[74] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1178578/umfrage/laender-mit-dem-hoechsten-risiko-fuer-grundwassermangel/

[75] https://unric.org/de/020721-wasser/

[76] https://unric.org/de/020721-wasser/

[77] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/harz/waldsterben-aufforstung-trockenheit-borkenkaefer-krisenstab-100.html

[78] https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1938/uebergang/ueberg1.htm#bab

[79] https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/landgrabbing.html

[80] https://www.boell.de/de/2017/01/10/fuenf-agrarkonzerne-beherrschen-den-weltmarkt

[81] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kampf-um-aecker-wie-die-munich-re-land-wegkauft-1.3273634

[82] https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwi62Ofy9rj9AhXjg_0HHeT7AdkQFnoECBAQAQ&url=https%3A%2F%2Fafrique-europe-interact.net%2F1253-0-Kurzinfo-DEG-Dezember-2014.html%3Farticle_id%3D214%26aid%3D1253%26clang%3D0&usg=AOvVaw3fIzleuB7fcZM74n6_2gqx

[83] https://www.fian.de/aktuelles/aerztepensionen-in-landgrabbing-verwickelt/

[84] https://www.weltagrarbericht.de/fileadmin/files/weltagrarbericht/Weltagrarbericht/08LandGrabbing/2016OxfamCommonGround.pdf




Bald weniger auf dem Teller? Hunger durch Krieg, Krieg durch Hunger

Aus: „Was hat der Krieg eigentlich mit mir zu tun?“

Gastbeitrag von Resa Ludvin

2020 litten 690 Millionen Menschen weltweit an Hunger (Quelle: Unicef), Tendenz voraussichtlich immer weiter steigend. Der Krieg in der Ukraine offenbart uns schmerzhaft ein weiteres Problem der kapitalistischen Wirtschaft: die Verteilung der produzierten Güter. Natürlich machen Felder dort mehr Sinn, wo der Boden besonders fruchtbar ist und auch nur da wo Öl ist, kann welches gefördert werden. Nur stehen die einzelnen Staaten in Konkurrenz zueinander und leben gleichzeitig von diesem Handel. Da kann Weizen oder Öl schnell mal zum Druckmittel werden.

Weizen ist weltweit eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Die Ukraine gilt als „die Kornkammer Europas“ und da herrscht jetzt Krieg. Die Menschen müssen sich ernähren, doch die Ernte für dieses Jahr ist zerstört und das Pflanzen für den nächsten Zyklus müsste beginnen, was unter Kriegsbedingungen nicht geht. Nun werden die Regale in Deutschland, was Nudeln oder Mehl angeht, nächstes Jahr nicht leer sein, aber man wird die Auswirkungen spätestens an der Kasse merken. Neben Weizen ist auch Soja und Sonnenblumenöl betroffen. Nimmt Putin den Süden und Westen der Ukraine dauerhaft ein, wird das auch dauerhafte Folgen für die europäische und globale Ernährung haben. Hier braucht es ein Konzept der deutschen und europäischen Landwirtschaft, damit nicht nur die regionale Versorgung, sondern auch die der Geflüchteten, der am Ende des Krieges zerstörten Ukraine sowie weltweit geregelt ist. Hier darf es nicht zu einem neuen Lebensmittelnationalismus und Protektionismus durch Ausfuhrverbote kommen, sondern muss es eine internationale und internationalistische Lösung geben. Die Umstellung der Agrarindustrie, die neben Menschen vor allem Tiere ernährt oder für sogenannte „Biotreibstoff“ Raps und Getreide anbaut, muss der Mensch in den Mittelpunkt stellen. Nur so können wir den Hunger stoppen. Konkret heißt das, weniger auf tierische Nahrungsmittel zu setzen, damit das Korn auf dem Teller landet. Angebot und Nachfrage werden dieses Problem nicht lösen können und auch die Agrarlobby wird sich gegen eine solche humane Lösung stellen.

Denn mit Nahrungsmitteln wird an der Börse spekuliert und gehandelt. Es ist eine zynische Spekulation auf die nächste Hungerkrise, die nächsten Tausenden an Toten. Seit Beginn der 2000er sind diese Spekulationen stark angestiegen und haben bei der Krise von 2008 zu einer Explosion der Agrarpreise geführt. In Äthiopien stieg damals der Maispreis um 100%, der Weizenpreis in Somalia um 300%. Auch die Abhängigkeit von Erdöl treibt den Preis noch weiter hoch, da es in der industriellen Landwirtschaft gebraucht wird. 1Der Preis für Weizen ist seit Beginn des Krieges zwischen 35% und 50% gestiegen. Je länger der Krieg dauert, desto mehr wird sich diese Preissteigerung verfestigen oder noch erhöhen. Besonders hart trifft das Länder, die sowieso schon stark an Unterernährung leiden. Im Fall des Krieges und der Ukraine wird es besonders die vielen Abnehmerstaaten im Nahen und Mittleren Osten treffen. Bereits jetzt wurden die für den Jemen, in dem ebenfalls Krieg herrscht, bestimmten Rationen des Welternährungsprogramms halbiert.2

In Industrienationen wie Deutschland gibt es trotz des Wohlstandes schätzungsweise 15 Millionen Menschen, die dauerhaft unterernährt sind.3 Die Dunkelziffer oder Menschen, die nur zeitweise aufgrund von „Ernährungsarmut“ unterernährt sind, was bereits perfide klingt, dürfte weit darüber liegen. Hier mangelt es gesellschaftlich nicht an Geld oder Ressourcen, sondern an politischem Willen. Dieser Unwille und eine Sozialpolitik, die Menschen, wenn sie sich etwas dazu verdienen, noch bestraft und zum Flaschen sammeln verdammt, führt zu Millionen Mägen, die leer bleiben. Der Krieg und die Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise wird die Nachfrage nach sogenannten Armenspeisungen wie der Tafel weiter ankurbeln. Doch sehen die Regierungsbeschlüsse gerade zwar mehr Geld für das Militär, nicht aber für private Haushalte oder soziale Projekte vor. Zum Teil wird sogar hier weiter eingespart. Noch interessanter wird es, wenn die Ampel-Regierung beschließt, an welchen Stellen das „Sondervermögen der Bundeswehr“ seine Spuren hinterlässt und dafür Einsparungen kommen. Kleiner Tipp: Es werden wohl nicht die reichsten 1% oder die Waffenindustrie sein, die dann mehr besteuert werden. Dort, wo sich die Menschen weniger wehren oder wehren können, wird gespart. Am Ende trifft es daher wieder vor allem die Arbeiter_Innenklasse, längst überfällige Investitionen in die Bildung wie Schulsanierung, Digitalisierung oder Luftfilter, den Ausbau der erneuerbaren Energien, damit die Erde bewohnbar bleibt. Auch das ist wieder einmal ein Nährboden für Rassismus und Sozialchauvinismus (Siehe Teil 1/3).

Die Krise trifft uns nicht alle gleich. Reiche bleiben reich und ein bisschen höhere Kosten für Essen und Sprit machen für sie wenig aus. Für in Armut und Prekarität lebende Menschen war es schon vorher zu viel. Steigende Preise treffen sie dementsprechend besonders hart. Nicht zu vergessen ist auch, dass Krisen gerade für die „Mittelklasse“ ein besonderes Dilemma darstellen. Gegenüber dem Prekariat haben sie gewisse Privilegien und halten daran fest, diese nicht zu verlieren. Steigende Preise durch den Krieg, die Inflation und die Auswirkungen bringen aber gerade den absteigenden Ast des Kleinbürgertums in Gefahr. Nur will natürlich niemand absteigen. Gerade das ist politischer Zündstoff, der in der Regel nicht linke oder progressive Positionen begünstigt, sondern reaktionäre Strömungen sowie die extreme Rechte. Parallel dazu sehen wir in Deutschland gerade, wie sich diverse politische Kräfte von SPD über Grüne bis hin zur CDU zu einer Volksfront formieren. Da finden auch mal kleinbürgerliche Linksliberale oder Autonome Waffenlieferungen toll, solange sie weiter darauf hoffen können, dass sie selbst der Krieg nicht so sehr trifft. Dieser Gedanke ist ein Trugschluss.

Hunger ist immer auch ein Revolutionstreiber. Ein Grund für die Auslösung des Arabischen Frühlings war, dass das Brot nicht mehr zu bezahlen war. Das trieb Menschen in Ägypten, Tunesien und darüber hinaus auf die Straße. Ihr Slogan „Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkei“ erinnert stark an die Losung der russischen Kommunist*innen im Ersten Weltkrieg. Sie forderten erfolgreich „Brot, Land, Frieden“. Das hieß den Kapitalist*innen die Nahrungsmittelproduktion zu entreißen. Nur so können wir auch heute Spekulation entgehen. Daher fordern wir:

  • Nahrungsmittelproduktion in Arbeiter*innenhand!
  • Regionale Produktion steigern!
  • Keiner darf hungern: Aufbau von kostenlosen „Küchen für Alle“ (KüFa) in allen Kiezen!
  • Vegan/Vegetarisch vorantreiben. Pflanzen auf den Teller statt in die Tierfuttertröge!
  • Gerechte Verteilung des Essens statt Horten und Hungern lassen!

1 https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/themen/nahrungsmittelspekulation

2 https://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-russland-hunger-getreide-weizen-krieg-exporte-importe-aegypten-jemen-libanon-afrika-welternaehrungsprogramm-lebensmittel-nahrung-1.5536980

3 https://www.fian.de/was-wir-machen/themen/ernaehrungsarmut-in-deutschland/




Brasilien: Tage des Feuers

übernommen von der Gruppe ArbeiterInnenmacht, ein Artikel von: Markus Lehner, Neue Internationale 240, September 2019

Seit Beginn der Trockenzeit in der Amazonasregion ist dieses Jahr dort ein wahres Inferno an Waldbränden ausgebrochen. Allein im August handelt es sich jede Woche um Tausende. Diese sind zwar sehr unterschiedlich in der Größe, summieren sich aber zu einem Katastrophenzustand, von dem inzwischen die vier brasilianischen Bundesstaaten Rondônia, Pará, Mato Grosso und Amazonas betroffen sind. Aufnahmen von Satelliten zeigen, dass pro Minute Regenwald in der Größe von etwa 1,5 Fußballfeldern abbrennt.

Verbrecherische Politik

Die Mitschuld der verbrecherischen Bolsonaro-Regierung an diesem ökologischen Desaster mit globalen Auswirkungen ist unbestreitbar. Agro-Business und extraktive Industrien (wie der Bergbaukonzern Vale) haben für ihre globalen Geschäfte ein starkes Interesse an der rücksichtslosen Ausbeutung der Amazonasregion. Durch die Vorgängerregierungen und internationalen Druck war das enorme Entwaldungstempo seit 2004 von jährlich über 20.000 Quadratkilometer auf unter 10.000 zurückgegangen. Offensichtlich ist es die „Entwicklungsstrategie“ der Bolsonaro-Regierung, im Interesse ihrer wesentlichsten GeldgeberInnen diese „Zurückhaltung“ wieder vollständig aufzugeben. Die „Umweltbedenken“ wurden als Behinderung der wirtschaftlichen Interessen Brasiliens verunglimpft, internationale Kritik als „Neokolonialismus“ abgetan und jede nur erdenkliche Hetze gegen UmweltaktivistInnen, Landlosenbewegung und indigene AmazonasbewohnerInnen vom Zaun gebrochen.

Gleich zu Beginn der Präsidentschaft von Bolsonaro wurden IBAMA (Brasilianisches Institut für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen; Umweltbundesamt Brasiliens) „gesäubert“, 21 der 27 Regionaldirektoren abgesetzt und ihre Mittel drastisch gekürzt. Mit Tereza Cristina, der Landwirtschaftsministerin, bekam eine direkte Lobbyistin des Agrobusiness die Verantwortung für die Amazonasregion übertragen. Der „Umweltminister“ Ricardo Salles erklärte, dass es die oberste Pflicht seines Ministeriums ist, die „Rechte der LandbesitzerInnen zu schützen“. Daher werden nicht nur die Aktionen gegen illegale Landbesetzungen jetzt rechtzeitig angekündigt, es gibt auch die niedrigsten Strafen für illegale Brandrodungen seit Jahrzehnten. Die 980 Millionen Dollar, die die EU für die Wiederaufforstung im Amazonas zur Verfügung gestellt hat, werden von Salles zur „Entschädigung“ von Agrounternehmen verwendet (die die jetzt freigegebenen Gebiete sich zumeist illegal angeeignet hatten). Schließlich brachte Flávio Bolsonaro, der Sohn des Präsidenten, der selbst Senator ist, ein Gesetz ein, das die Verpflichtung zum Schutz bestimmter Pflanzenarten, die LandbesitzerInnen bisher einhalten mussten, lockert.

Was auch immer die Regierung bisher an Maßnahmen gesetzt hat: klar ist, dass sich LandbesitzerInnen, Konzerne und ihr gesellschaftliches Umfeld in der Amazonasregion durch Bolsonaro ermutigt fühlten, alle Schranken fallen zu lassen. Seit dem Amtsantritt von Bolsonaro im Januar wurden bis Juni 79.000 neue Brände gezählt, ein Anstieg um 82 % gegenüber dem Vorjahr. Die kriminelle Energie der LandeigentümerInnen wird am Beispiel des Überfalls auf das indigene Volk der Wajapi im Bundesstaat Amapá deutlich: Am 24. Juni drangen Bewaffnete eines Bergbaukonzerns für Rodungsarbeiten in das als „geschützt“ ausgezeichnete Gebiet ein, vertrieben die EinwohnerInnen und töteten dabei mehrere Menschen, darunter deren Sprecher Emyra: ein Mord, der unter den Indigenen-AktivistInnen großes Entsetzen verbreitete. Dies ist Ausdruck des Charakters der Bolsonaro-Bewegung: von GroßgrundbesitzerInnen unterstützt, gibt es in den ländlichen Regionen Mittelschichten und HandlangerInnen, die sich rassistisch aufgeladen mit mörderischer Energie auf die Hindernisse für das „echte Brasilianertum“ stürzen: Indigene, landlose LandarbeiterInnen und KleinbäuerInnen (meist durch die MST vertreten), UmweltaktivistInnen und Linke: eine mit Bolsonaro verbundene Bewegung, die durchaus Ähnlichkeiten mit den italienischen FaschistInnen der 1920er Jahre im Klassenkampf um die Latifundien der Po-Ebene hat. Daher sind die Waldbrände nicht nur ein ökologisches Desaster, sie sind auch Teil einer gewalttätigen Bewegung gegen alle, die Interesse an einem nachhaltigen Umgang mit dem Regenwald haben. So stellt es auch die Erklärung der MST (die von Bolsonaro als „Terrororganisation“ bezeichnet wird) zu den jüngsten Bränden fest: Die Abschaffung der bisherigen (schwachen) Schutzbestimmungen im Amazonasgebiet ist das eine, aber „zur selben Zeit wächst die Verfolgung und Kriminalisierung der Teile der Bevölkerung, die traditionellerweise die Biome Brasiliens erhalten: die einfache Landbevölkerung und die Indigenen“ (Queimar a Amazonia e crime contra humanidade, MST, 23.8.). [Biom: Großlebensraum der Erde; Makro-Ökosystem]

So ist es auch kein Wunder, dass kürzlich bekannt wurde, dass über einen Whatsapp-Verteiler der bolsonaristischen LandeigentümerInnen für den 10. August zu einem „Tag des Feuers“ aufgerufen wurde entlang der Bundesstraße 163, die die jetzt besonders betroffenen Regionen Mato Grosso und Pará (beim Rio Tapajós) verbindet. Nachdem diese Whatsappgruppe von 70 LandeignerInnen durch die Zeitschrift Globorural geleakt worden war, konnte das lächerliche Ablenkungsmanöver von Bolsonaro, dem zufolge die Umweltorganisationen die Brände selber legen würden, um ihm zu schaden, nicht mehr aufrechterhalten werden. Inzwischen muss selbst der Bolsonaro zutiefst ergebene Justizminister Moro gegen die tatsächlichen BrandstifterInnen ermitteln lassen (Globorural, Grupo usou whatsapp para convocar „dia do fogo“ no Para; 25.8.).

Entwicklung der letzten Jahre

Natürlich sind Waldbrände am Rand des Amazonasgebiets und in der angrenzenden Savannenlandschaft (Cerrado) speziell in der Trockenzeit nichts Ungewöhnliches, haben sich jedoch durch bestimmte Umstände in den letzten Jahren periodisch verstärkt. Zu beachten ist, dass normalerweise selbst in der „Trockenzeit“ im Amazonasgebiet durchschnittlich mehr Regen fällt als in unseren Breiten in den regenreichsten Monaten. Das Gebiet lebt einerseits vom Abregnen der feuchten Luftmassen der äquatorialen Nord-/Südostpassatwinde, die sich in der zweiten Jahreshälfte entsprechend abschwächen. Andererseits erzeugt der Regenwald selbst ein Mikroklima, das auch in der Trockenzeit noch für ausreichend Regen sorgt. In den Millionen-Jahren, in denen sich der Regenwald gebildet hat, haben speziell die Regenwaldbäume aufgrund der nährstoffarmen Böden die Fähigkeit zu enormem Wasserumsatz entwickelt. Zur Aufnahme von Kohlendioxid und Abgabe von Wärme über Wasserdampf haben sie ein Kreislauf-, Wurzel- und Porensystem entwickelt, das sie pro Tag 1000 Liter aus Bodenwasser umsetzen und in die Atmosphäre abgeben lässt (die Bäume unserer Breitengrade schaffen durchschnittlich um die 400 Liter). Dies senkt die Temperatur im Waldgebiet (durch die über das Wasser dem Boden entnommene Wärmeenergie), bewässert große Gebiete und sorgt durch die Sonnenabstrahlung der großen Wolkenbänke (Albedo-Effekt) für einen zusätzlichen Klimaschutz.

Die schon bisher betriebene Abholzung hat messbare langfristige Auswirkungen auf das regionale und globale Klima. Seit 1970 wurden 800.000 Quadratkilometer (von ursprünglich 4 Millionen) abgeholzt, mit einem gemessenen Effekt von 0,6 Grad Erwärmung im Amazonasbecken. Die abgeholzten Gebiete sind noch mal im Durchschnitt um 4,3 Grad wärmer, was bei landwirtschaftlicher Nutzung wiederum gesteigert wird (ohne die Wirkungsweise der Waldflora kann nur ein Bruchteil des Regenwassers im Boden gehalten werden, der Großteil fließt ab). Die nährstoffarmen so gewonnenen Böden sind nach 4–5 Jahren zumeist unbrauchbar. Viele werden aufgegeben und versteppen (was den Hunger nach immer neuen Abholzungen erklärt). Diese immer größeren Schneisen des Cerrado in den Regenwald untergraben das Mikroklima in immer mehr Bereichen des Waldes – und ab einer bestimmten Gesamttemperatur (beim heutigen Tempo wird die Erwärmung bis 2050 seit 1970 um 1,5 Grad gestiegen sein) funktioniert die „Wasserpumpe“ Baum in diesen Bereichen nicht mehr. Dann werden selbst Regenwaldbäume zu leichter Beute von Funkenflügen und Wind. Nach unterschiedlichen Modellen wird daher inzwischen von bestimmten „Kipppunkten“ des Waldsterbens im Amazonasbecken gesprochen. Seit langem wird davon gesprochen, dass mit 40 % Verlust (relativ zur Größe 1970) ein Punkt erreicht wäre, wo die Selbstregeneration und der Mikroklimaschutz zusammenbrechen und der Wald als Ganzes bedroht ist (also der Region die Versteppung drohen könnte). Inzwischen werden Modelle mit 20–25 % diskutiert, die schon nahe an den heute erreichten 17 % Waldvernichtung sind (https://advances.sciencemag.org/content/4/2/eaat2340).

Die Auswirkungen der Erreichung dieses Kipppunktes wären nicht nur für das regionale Klima, und damit für die natürlichen Grundlagen der Landwirtschaft in Südamerika, verheerend. Das Amazonasbecken enthält 40 % des Weltbestandes an Regenwäldern und 10–15 % der globalen Biodiversität. Vor allem aber ist der Regenwald auch eine riesige Kohlenstoffsenke: In der Biomasse der Regenwälder steckt so viel Kohlenstoff, wie die Menschheit derzeit in 10 Jahren verbrennt. In „normalen“ Jahren (ohne extreme Dürreereignisse) nimmt der Amazonasregenwald etwa 1,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und wirkt damit der Erderwärmung durch Treibhausgase entgegen. In den letzten Dürrejahren mit großen Brandereignissen, die seit den 2000er-Jahren im 5-Jahresrhythmus stattfanden (das letzte war 2015), kehrte sich dies um. Dann bewirkt die Verbrennung der Kohlenstoffreservoirs des Waldes, dass in so einem Jahr mehr Treibhausgase entstehen, als zur selben Zeit von China und den USA zusammen hervorgebracht werden. Dabei sind diese Dürreereignisse selbst ein Produkt des Klimawandels. Es lässt sich ein Zusammenhang mit den El-Ninjo-Phänomenen nachweisen (die Erwärmung im Ostpazifik führt zu einer Umkehr der Konvektionsströme über Südamerika, was zu einer Abschwächung der für den Regenwald lebenswichtigen Passatwinde führt). Entscheidend ist derzeit aber, dass in diesem Jahr dieses Wetterphänomen noch nicht sein Maximum erreicht hat – dieses ist erst im nächsten Jahr wahrscheinlich (die Auswirkungen können wir uns heute noch gar nicht vorstellen!). Gerade dies zeigt deutlich, wie sehr menschengemacht das derzeitige Ausmaß der Brandkatastrophe ist. Sollten die Vorhersagen für die nächsten beiden Jahre stimmen und die brasilianische Politik sich nicht grundlegend ändern, so wären die Auswirkungen auf den Regenwald und das Weltklima beängstigend!

Reaktionen

Sehr zum Unmut von Bolsonaro ließ sich die Katastrophe in Amazonien vor der Weltpresse und globalen Umweltverbänden nicht verbergen – auch die Entlassung des Direktors der Satellitenüberwachung half nichts mehr, nachdem die NASA diesem „Nestbeschmutzer“ auch noch in allen Punkten recht gegeben hatte. Bolsonaros Politik steht jetzt weltweit am Pranger – und dies ist angesichts der großen Exportpläne speziell des Agrobusiness keine gute Publicity. Hatte man sich doch gerade durch das Mercosur/EU-Abkommen riesige Geschäfte mit Fleisch und Tierfutter nach den zu erwartenden Zollsenkungen versprochen. Sicherlich hat besonders der französische Präsident sein Herz für den Amazonas speziell auch aufgrund der Bedenken seiner heimischen Agrarlobby entdeckt. Klar ist jedoch, dass jetzt auch die brasilianische Agroindustrie „Maßnahmen“ fordert und erkennt, dass Bolsonaro ihrem Geschäft gerade schadet. In vielen Punkten muss jetzt zurückgerudert werden. Der Einsatz der brasilianischen Armee zur Brandbekämpfung muss jedoch auch als Element des inneren Klassenkampfes verstanden werden.

Die Armee wirkt dort nicht nur als erweiterte Feuerwehr, sondern als Unterstützung im Kampf gegen die dortigen „TerroristInnen“ (UmweltschützerInnen, Indigene, Landlose,…). Ebenso werden die „Hilfsaktionen“ aus Europa und den USA, besonders die zur „Wiederaufforstung“, sicher wieder als „Entschädigung“ zum Verzicht auf weitere Brandrodungen eingesetzt werden. Aus Deutschland und Co. sind diese PR-Aktionen vor allem als Instrumente zu verstehen, das Mercosur-Abkommen in jedem Fall zu retten.

Trotz der großen Bekenntnisse zum Klimaschutz und der Ermahnungen an den „bösen“ Bolsonaro wollen deutsche Industrie und Politik ihr großes Brasiliengeschäft („ein unheimlich interessanter Zukunftsmarkt“ nach einem Anlagefondsmanager, der der deutschen Bank nahesteht) nicht durch „so etwas Nebensächliches“ in Frage stellen lassen. Hatten doch wichtige VertreterInnen der deutschen Konzerne (von Daimler, VW, Bayer bis zur Deutschen Bank) ihre unverhohlene Unterstützung für Bolsonaro schon vor dessen Wahl zum Ausdruck gebracht. Auch gegenseitige Besuche von WirtschaftsvertreterInnen nach der Wahl zeigen deutlich, dass man gegenseitig große Geschäfte und Investitionen erwartet. Dazu passt dann auch, dass der SPD-Außenminister bei seinem Besuch in Brasilien vor allem von Bolsonaros Bereitschaft zur Zusammenarbeit gegenüber Venezuela sprach – aber kaum die semi-faschistische Politik dieses Gangsters noch die sich abzeichnende Amazonas-Katastrophe erwähnte. Da wurde selbst der CSU-Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Müller deutlicher, als er den ökologisch bedenklichen Anstieg von billigem Soja-Futtermehl aus den Amazonas-Brandregionen anprangerte.

Ablenkungsmanöver

Natürlich werden jetzt wieder vor allem „die VerbraucherInnen“ in die Verantwortung genommen, die durch ihren Fleischkonsum und Kauf billiger Agrarimporte die VerursacherInnen des Ganzen seien. Abgesehen wird davon, dass die Preise auf den internationalen Agrarmärkten nur zum Teil von den ErzeugerInnen bestimmt werden, sondern durch eine Kette von MitprofiteurInnen von Lebensmittelkonzernen, Handelsketten bis zu Warenterminbörsen. Verkannt wird auch die globale Dimension der beteiligten Märkte: der Handelskrieg zwischen den USA und China führt gerade jetzt zu einem enormen Anstieg der Nachfrage nach Soja und Fleisch aus Brasilien für China. „Verhaltensänderungen“ einiger tausend MarktteilnehmerInnen aus europäischen Mittelklassefamilien werden angesichts dieser Struktur der globalen Agrar- und Rohstoffmärkte nichts bewirken – schon gar nicht angesichts der Schnelligkeit, mit der auf die dramatische Situation des Regenwaldes reagiert werden muss. Es ist eine billige Masche der eigentlichen VerursacherInnen, die Verantwortung auf „die VerbraucherInnen“ abzuschieben, die dann auch noch durch das Green-Washing von Produkten mittels fragwürdiger Ökolabels zur Kasse gebeten werden.

Tatsächlich ist die Klimakatastrophe wie auch die Gefährdung grundlegender Biotope ein klarer Fall von Marktversagen, von der Unmöglichkeit in diesem System, solche Probleme über „den Markt“ (etwa durch Zertifikatehandel, indirekte Steuern oder Produktbewertungen) zu lösen. Denn der Markt ist nur die Vermittlung der eigentlich problematischen Kapitalverwertungsinteressen, die – wie auch das brasilianische Beispiel zeigt – die drohende ökologische Katastrophe wesentlich mit hervorbringen. Daher kann dieser Katastrophe nur entgegengewirkt werden, wenn man radikal die Eigentumsfrage stellt. Die genannten Probleme erfordern einen globalen Plan von Wiederaufforstung bis zur systematischen Umstellung auf klimaneutrale Produktion auch im Agrarsektor.

Perspektive

Natürlich ist auch die Durchsetzung eines solchen globalen Planes angesichts des Zeithorizonts der Probleme und der erwiesenen Langsamkeit globaler Klimapolitik keine Soforthilfe. Daher müssen heute die weltweiten Umweltbewegungen im Zusammenkämpfen mit den sozialen Bewegungen vor Ort die jeweiligen Staaten zu radikalen Maßnahmen zwingen. Im Fall von Brasilien heißt dies: Enteignung der Agro- und Bergbaukonzerne, Agrarreform zur Umverteilung des Großgrundbesitzes an die Bevölkerung auf dem Land und Entwicklung eines Planes zur Wiederaufforstung des Regenwaldes sowie zu seiner ökologischen Bewirtschaftung – alles unter Kontrolle der sozialen und ökologischen Bewegungen, vor allem der LandarbeiterInnen und KleinbäuerInnen. Nein zu den aus Massensteuern finanzierten „Geldfonds“ von G7, EU & Co., die nur wieder in die Kassen der GroßgrundbesitzerInnen fließen werden. Stattdessen sollen die imperialistischen Konzerne Steuern aus ihren Gewinnen für die Regenwaldprojekte unter Kontrolle der armen Landbevölkerung zahlen! Nein zu jeder Unterstützung von Bundesregierung und deutschen Konzernen für das Bolsonaro-Regime – es wird keine Rettung des Regenwaldes ohne den Sturz dieses rechts und marktliberalen Regimes geben! Daher: vor allem Unterstützung für die Bewegung zum Sturz von Bolsonaro, die im Kampf gegen dessen sozialen und gesellschaftlichen Amoklauf schon mehrere Generalstreiks durchgeführt hat! Sofortiger Abbruch der Ratifizierung des Mercosur/EU-Abkommens, das den Interessen der deutschen Konzerne in Brasilien wie auch dem der brasilianischen Agrarkonzerne in die Hände spielt – und nie ein Mittel zur Bewahrung des Amazonasgebietes sein kann (wie uns das die Bundesregierung verkaufen will)!

Alle diese Forderungen müssen von einer ernsthaften Bewegung gegen den Klimawandel, wie es FFF beansprucht zu sein, aufgegriffen werden und anstelle der verfehlten Strategie von Verbraucher-Kritik gestellt werden! Machen wir Amazonastag am 5. September und Klimastreik am 20. September zum Beginn einer globalen Bewegung zur Enteignung des Kapitals, das als Ganzes diesen Planeten zerstört!