Grundlagen des Marxismus: Linker Populismus

Mit der Aufmerksamkeit und der Polarisierung rund um Sahra Wagenknecht ist der Vorwurf des „Linke Populismus“ wieder laut geworden. Doch was genau ist das, und warum sollten wir darüber sprechen? In diesem Artikel werden wir den Begriff des Linkspopulismus erklären, wie ihn unsere Jugendorganisation definiert, und welche Auswirkungen er auf unsere politische Arbeit hat.

Zunächst nochmal: Es ist wichtig, über Politische Strategien zu debattieren, denn sie sind letztendlich der Kern jeglicher politischen Bewegung. Solche Auseinandersetzungen helfen uns dabei, ideologische Überschneidungen zu identifizieren, unsere revolutionären Programme zu stärken und die richtigen Taktiken und Forderungen auszuwählen. Sie ermöglichen es uns auch, politische Erscheinungsformen zu erkennen und angemessen mit ihnen in unserer politischen Arbeit umzugehen.

Verständnis des Linken Populismus

Der Kern des Linke Populismus‘ ist ein Praxis, der darauf abzielt, eine politische Frontlinie zwischen zwei konstruierten Polen zu ziehen. Diese beiden Pole stellen dabei aber nicht wie im Marxismus ein verwobenes Klassenverhältnis als Grundlage eines gesellschaftlichen Systems dar, sondern werden als ein plumper Gegensatz dargestellt, in der Regel zwischen „dem Volk“ und „den Eliten / Reichen / Politiker:innen“ heruntergebrochen werden. Vereinfacht gesagt geht es darum, eine Frontlinie zwischen einem guten „Wir“ und einem bösen „Die“ aufzubauen, wobei es in der Charakterisierung dieser Kollektive eher um die individuellen Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Fleiß und Schlauheit geht als um ein Verständnis der politisch-ökonomischen Dynamik. Mit dieser einfachen Opposition streben linke Populist:innen eine kollektive Identifikation an, die zumindest zeitweise sehr mobilisierend sein können. Diese erweitert in ihrer Argumentation, wie es beispielsweise die linkspopulistische Theoretikerin Chantal Mouffe ausdrückt, die Politik über reine Klasseninteressen hinaus. Jedoch rückt hier die Frage nach dem Verhältnis zwischen der Arbeiterklasse, den Kapitalist:innen und den Kleinbürger:innen in den Hintergrund. Der Fokus auf diese Klassenverhältnisse ist es, den Theoretiker:innen des Linkspopulismus besonders häufig an anderen Strömungen der Arbeiter:innenbewegung kritisieren. So werfen sie Marxist:innen vor, sie würden einen „Klassenessentialismus“ betreiben, also dass man dogmatisch in der politischen Theorie und Praxis alles auf die Klassenzugehörigkeit runterbricht. Diese Kritik wird damit begründet, dass durchdachte sozialistische Programme zu eingeschränkt seien, da sie jegliche Politik zu stark auf dem im Kapitalismus existierenden Klassenwiderspruch ausrichteten. Sie sehen eine Vereinfachung des Konzeptes als ein „Wir“ gegen „Die“ als eine vielversprechende Möglichkeit an, Massen von linker Politik zu überzeugen. Eine konkrete Analyse der Klassenwidersprüche ist für uns jedoch der zentralste und notwendigste Bestandteil dabei, eine wirksame politische Programmatik zu entwickeln, da diese die ökonomische und politische Grundlage der Gesellschaft bilden.

Das Ziel des linken Populismus ist nach seinen Befürworter:innen die Wiederherstellung und Vertiefung der Demokratie, indem man „dem Volk“ dazu behilft, seine eigentlich per Definition zustehenden Macht auszuüben, meist in der Form, die linkspopulistische Partei als deren Sprachrohr zu wählen. Die Vorstellung des „Volkes“ wird dabei eben nicht an objektiven Klassenunterschieden festgemacht, sondern kann je nach Auslegung als sozialer Schicht, Milieu oder politische Interessengruppe definiert sein. Diese Konstruktion des „Volkes“ kann somit auch mit reaktionären Positionen wie Nationalismus und (sozialem) Chauvinismus einhergehen und tut dies in der Praxis auch immer wieder, siehe Sahra Wagenknechts Befürwortung von Asylrechtsverschärfungen.

Ein weiteres Merkmal des Linkspopulismus ist die Konzentration auf einzelne Themen und die Verwendung von einfachen Erklärungen, die oft von emotionalen Elementen getragen werden. Dies kann eine effektive Methode sein, um die Massen zu mobilisieren, birgt jedoch auch das Risiko, dass politische Diskussionen oberflächlich und undifferenziert werden. Außerdem wird es dadurch schwieriger für die Arbeiter:innen, ihre objektive Lage im Kapitalismus zu erkennen und somit ein Klassenbewusstsein zu entwickeln. Das wollen aber Linkspopulist:innen ja auch gar nicht, denn es geht vornehmlich darum, gewählt zu werden.

Die populistische Bewegung oder Partei

Der Aufstieg von Parteien und Bewegungen, die sich zumindest linkspopulistischen Ansätzen bedienen, hat in den letzten Jahren durchaus großen Raum auf der politischen Bühne eingenommen. In Südamerika spielen linkspopulistische Kräfte schon lange eine recht große Rolle. Als europäische Beispiele sei hier die griechische Partei SYRIZA zu nennen, die nach dem Wahlsieg im Jahr 2015 den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras stellte, sowie die Partei PODEMOS in Spanien, welche ebenso 2015 und auch später bei Parlamentswahlen zweitweise große Erfolge erzielte. Das jüngste Beispiel einer großen Partei ist sicherlich La France Insoumise rund um Mélenchon, der immerhin 22% bei der letzten Präsidentschaftswahl in Frankreich erringen konnte. Und was ist mit Sahra Wagenknecht? Definitiv trägt das ihr bisher vorgestelltes Programm linkspopulistische Züge, aber ist deutlich unklarer und enthält auch viel Konservativismus bis Nationalismus. Ob letztendlich die Partei, die dem Bündnis Sahra Wagenknecht nachfolgt, überhaupt als Ganzes als linkspopulistisch einzuschätzen ist, bleibt abzuwarten, sobald diese sich überhaupt konstituiert haben und klar ist, welche Kräfte dabei inhaltlich und organisatorisch mitmischen.

Die linkspopulistischen Elemente dieser Kräfte zielen dann darauf ab, Massen zu mobilisieren. Sie lehnen klassenbasierte Politik ab, versuchen aber den Raum zu füllen, der von der klassischen Sozialdemokratie zurückgelassen wird, da die Lohnabhängigen sich immer stärker von diesen abwenden. Das wird vor allem dann möglich, wenn das Vertrauen von Teilen der Arbeiter:innenklasse, aber auch der kleinbürgerlichen Bevölkerung und den Mittelschichten, in die parlamentarische Demokratie schwindet. In Zeiten politischer und wirtschaftlicher Krisen suchen sie nach Alternativen, die etablierte Formen der bürgerlich-demokratischen Herrschaft und die sie unterstützenden Parteien in Frage stellen. Linkspopulistische Parteien und Bewegungen scheinen in diesen Momenten eine solche Alternative zu bieten. Klare Frontlinien, einfache Forderungen und Vorschläge, die direkte Nöte der Menschen und politische Missstände adressieren, verschaffen ihnen, zumeist kurzweiligen, Aufschwung und Unterstützung der Wähler:innenschaft. Es kann auch gar nicht nachhaltig sein, denn die Beschränkung und Flachheit der politischen Theorie und Praxis führt meist zu einer höchstens reformerischen Politik, die nicht dazu in der Lage ist, die eigentlichen Probleme durch die Überwindung der Kapitalismus aufzulösen. Der versprochene Umschwung bleibt aus.

Verbindung des Populismus zu unserer politischen Arbeit

Der Linkspopulismus hat in den großen linken Parteien weltweit großen Einfluss. Natürlich gibt es Forderungen in bestimmten Kämpfen, die auch mit unseren Positionen als trotzkistische Jugendorganisation vereinbar sind. Durch diese gemeinsamen Positionen können Linkspopulist:innen und ihre Organisationen sowohl für uns als auch für andere revolutionäre Gruppen und Parteien temporäre Partner:innen darstellen. Dabei kritisieren wir den Linken Populismus und seine Strategie jedoch scharf, insbesondere seiner Missachtung des zentralen Klassenwiderspruchs, welche weitreichende Konsequenzen in Bezug auf Forderungen und Taktiken hat.

Die Bewegungen, die dem Linkspopulismus zuzuordnen sind, haben in den letzten Jahren einen nicht unwichtigen Platz auf der politischen Bühne gefunden und können insbesondere in Zeiten des Vertrauensverlusts in etablierte reformistische Parteien aufblühen. Dabei haben sie jedoch wie in Griechenland, Spanien oder mehreren Ländern Lateinamerikas, bereits gezeigt, dass ihre Taktik keine wirkliche Lösung für die Krisen des Kapitalismus bieten kann. Tsipras musste am Ende vor der Troika kapitulieren, da er nicht bereit war, mit der nationalen Bourgeoisie zu brechen und eine Arbeiter:innenregierung zu schaffen. Die peronistische Opposition in Argentinien verhält sich im Kampf gegen Mileis radikale Angriffe sehr zurückhaltend, da sie nicht bereit ist, den Arbeiter:innen eine radikale Antikrisenpolitik in ihrem Interesse anzubieten und nicht mit der bürgerlichen Politik brechen will. Dennoch müssen wir als kommunistische Jugendorganisation genau auf die Entwicklung linkspopulistischer Organisationen schauen und diesen Zusammenarbeit anbieten, wo das sinnvoll ist. Gerade auch um die inneren Widersprüche des Linkspopulismus zu vertiefen und deren Mitgliedern aufzuzeigen, dass ein klares Benennen des Klassengegensatzes und eine Politik im Interesse des Proletariats, die einzige Möglichkeit sind, die Krise tatsächlich zu lösen.




Wagenknechts neue Partei: Alle für „unser Land“?

von Martin Suchanek, Oktober 2023, zuerst erschienen in der Infomail 1234 der Gruppe Arbeiter:innemacht,

„Unser Land ist in keiner guten Verfassung.“ So beginnt das Gründungsmanifest des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW), das allen „Wirtschaftliche Vernunft“, „Soziale Gerechtigkeit“, „Frieden“ und „Freiheit“ verspricht. Schließlich verdiene „unser Land“ „eine selbstbewusste Politik, die das Wohlergehen seiner Bürger in den Mittelpunkt stellt“.

Und diese versprechen Wagenknecht und 15 weitere Abgeordnete und Politiker:innen der Linkspartei, die mit dem offenen Brief „Warum wir Die Linke verlassen“ ihren Austritt aus der Partei erklären. Die 16 hätten immer wieder argumentiert, „dass falsche Schwerpunkte und die fehlende Konzentration auf soziale Gerechtigkeit und Frieden das Profil der Partei verwässern.“ Ihre Positionen hätten keinen Platz mehr in der Partei gefunden.

Vorweg: Begriffe wie Kapitalismus, Imperialismus, Sozialismus, Arbeiter:innenklasse, Klassengesellschaft oder links kommen im Gründungsmanifest des „Bündnis Sahra Wagenknecht“, das am 23. Oktober auf der Bundespresskonferenz vorgestellt wurde, erst gar nicht vor.

Wirtschaft

Dafür gibt der Text einen Vorgeschmack, wohin die Reise politisch und programmatisch gehen soll: „Mehr Innovation, Bildung und bessere Infrastruktur. Für eine starke und innovative Wirtschaft“ – so die Überschrift des ersten von vier Schwerpunktthemen.

Darin wird ein Zeichen des Niedergangs „unserer“ Wirtschaft präsentiert, wie es auch von jeder anderen Partei im Bundestagspartei kommen könnte, ob nun AfD, CDU/CSU oder der Ampel. Die Rahmenbedingungen für Industrie und Mittelstand hätten sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert, beklagt das BSW.

Woran liegt es? „Von Konzernen beeinflusste und gekaufte Politik und das Versagen der Kartellbehörden haben eine Marktwirtschaft geschaffen, in der viele Märkte nicht mehr funktionieren.“ Und die Lösung? Echter, also fairer Wettbewerb, wie es ihn angeblich mal unter Ludwig Erhard und Willi Brandt gegeben hätte.

„Wir streben eine innovative Wirtschaft mit fairem Wettbewerb, gut bezahlten sicheren Arbeitsplätzen, einem hohen Anteil industrieller Wertschöpfung, einem gerechten Steuersystem und einem starken Mittelstand an. Dafür wollen wir Marktmacht begrenzen und marktbeherrschende Konzerne entflechten. Wo Monopole unvermeidlich sind, müssen die Aufgaben gemeinnützigen Anbietern übertragen werden.“

Dass die Konkurrenz selbst zur Zentralisation und Konzentration des Kapitals führen muss, davon will die ehemalige Marxistin Wagenknecht längst nichts mehr wissen. Statt dessen folgt der Griff in die Mottenkiste des kleinbürgerlichen Antimonopolismus, der hofft, mit staatlichen Regulierungen die Entwicklungsdynamik des Kapitals lenken zu können. Es handele sich um eine Wirtschaftspolitik, in deren Zentrum der vorzugsweise deutsche Mittelstand stehe: „Wir brauchen Zukunftsfonds zur Förderung innovativer heimischer Unternehmen und Start-ups und nicht Milliardensubventionen für Konzerne aus Übersee.“ Gegen staatliche Förderungen des Privatkapitals ist also nichts weiter einzuwenden, solange es nicht aus Übersee kommt, sondern deutsch und innovativ ist.

Soziale Gerechtigkeit

Auf der Stärke der heimischen Industrie und des privaten Mittelstandes würden laut BSW „mehr Solidarität, Chancengleichheit und soziale Sicherheit“ fußen, die in einem „starken gesellschaftlichen Zusammenhalt“ münden sollen.

Eine hochproduktive Wirtschaft brauche schließlich gut bezahlte, hoch motivierte Arbeitskräfte mit sicheren Arbeitsbedingungen, guter Infrastruktur und Sozialstaat. Solcherart könne der „soziale Zusammenhalt“ garantiert werden, denn schließlich hätten alle – Unternehmen wie Beschäftigte – etwas davon. Denn: „Unser Ziel ist eine faire Leistungsgesellschaft mit echter Chancengleichheit und einem hohen Grad an sozialer Sicherheit.“ Schließlich dürfe der persönliche Wohlstand „keine Frage der sozialen Herkunft“, „sondern muss das Ergebnis von Fleiß und individueller Anstrengung sein.“ Das Märchen vom Tellerwäscher, der es zum Millionär bringen könnte, darf natürlich beim BSW nicht fehlen.

Freiheit

Wenn alle in der echten deutschen Marktwirtschaft ihr gutes Auskommen haben, würde es schließlich auch mit der Freiheit wieder richtig klappen, verspricht der Abschnitt „Verteidigung der persönlichen Freiheit. Für die Stärkung unserer Demokratie“.

Dann wäre endlich Schluss mit „Cancel Culture, Konformitätsdruck und der zunehmenden Verengung des Meinungsspektrums“. Allerdings nicht für alle: Zuwanderung und Migration müssten schließlich begrenzt werden, denn die Freiheit, die das BSW verspricht, gibt es nur für jene, die dem deutschen Sozialstaat zumutbar sind. „Das gilt aber nur, solange der Zuzug auf eine Größenordnung begrenzt bleibt, die unser Land und seine Infrastruktur nicht überfordert, und sofern Integration aktiv gefördert wird und gelingt.“ Und – daran lässt Sahra Wagenknecht schon lange keinen Zweifel mehr – dieser Punkt sei längst überschritten und daher stimmt die neue vorgebliche Oppositionspartei gleich in den Chor all jener ein, die praktisch täglich neue rassistische Gesetzesverschärfungen fordern.

Frieden

Bleibt noch der Ruf nach einem „neuen Verständnis der Außenpolitik“ in der Tradition von Willi Brandt und Michail Gorbatschow. Das BWS gibt sich betont pazifistisch: „Die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln lehnen wir grundsätzlich ab.“ Ob imperialistische Intervention, Verteidigung des nationalen Selbstbestimmungsrechts – für BWS ist alles gleichermaßen schlecht.

Auch wenn es zu Recht die Aufrüstung der NATO anprangert, so bleibt sein Programm vollkommen utopisch. Schließlich muss auch in der Welt des BSW der Weltfrieden irgendwie garantiert werden. Aber wie? Inmitten des Kampfes um die Neuaufteilung der Welt zwischen imperialistischen Mächten strebt es eine „neue Ära der Entspannung und neue Verträge über Abrüstung und gemeinsame Sicherheit an“. Die imperialistische Ordnung soll – ganz wie der Kapitalismus – nicht bekämpft, sondern nur reguliert werden – und zwar vorzugsweise von jenen Mächten, die heute die Welt dominieren.

Deutschland soll dabei aktiv mitmischen, ja voranschreiten. So erfahren wir vom BSW: „Europa benötigt eine stabile Sicherheitsarchitektur.“ Natürlich mit Bundeswehr. Diese hätte schließlich den „Auftrag, unser Land zu verteidigen. Für diese Aufgabe muss sie angemessen ausgerüstet sein.“

Soziale Marktwirtschaft als Heilsversprechen

So endet das BSW bei den Heilsversprechen der „sozialen Marktwirtschaft“. Es bleibt im Grunde sogar weit hinter den Formulierungen der alten Sozialdemokratie oder von Teilen der Linkspartei wie der Bewegungslinken zurück, die über Verstaatlichungen oder „Vergesellschaftung“ eine langwierige Transformation zu einer neuen Gesellschaft versprachen oder versprechen. Selbst von diesen reformistischen Sonntagsreden will das BSW nichts wissen. Es setzt vielmehr auf echten, fairen Wettbewerb, damit der „Mittelstand“ endlich wieder Deutschland voranbringt.

Statt reformistisch eingehegter, im Grunde bürgerlicher Arbeiter:innenpolitik, die immerhin noch den Klassengegensatz formal berücksichtigt, kennt die neue Partei keine Klassen. Das Großkapital wird nicht als Kapital kritisiert, sondern der Verzerrung des Wettbewerbs angeklagt, der eigentlichen Quelle allen Übels.

Daher stellt es den Monopolen und insbesondere den ausländischen Großkonzernen die Einheit des „Volkes“, vom mittleren und kleinen Unternehmen bis zum prekär Beschäftigten entgegen. Von einer „richtigen“ Wirtschaftspolitik könnten dann alle profitieren, vorausgesetzt, der Staat würde sich um die „wirklichen Menschen“ und nicht um „Randgruppen“ kümmern und auch die Zahl der Menschen auf ein „vernünftiges“ Maß durch effektive Einreiserestriktionen begrenzen.

Dieses Weltsicht, diese politische Heilserwartung entspricht der „Vernunft“, genauer der Klassenlage, deutscher Kleinbürger:innen und Mittelschichten. Links und oppositionell ist daran – nichts.




Abschlusserklärung der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und [’solid]

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Gegen die Logik des geringeren Übels: Für den Aufbau einer von Staat und Kapital unabhängigen revolutionären sozialistischen Kraft der Arbeiter:innen, der Jugend, der Frauen, LGBTQIA+ und Migrant:innen!

1. Die Partei DIE LINKE und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] und Die Linke.SDS, sind gescheitert. Seit 15 Jahren vertiefen sie stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Die Partei, all ihre Hauptströmungen – egal ob der “Reformer”-Flügel um Dietmar Bartsch, die Bewegungslinke oder der Wagenknecht-Flügel – und ihr gesamter Apparat sind fest in den deutschen Staat verankert. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise, angesichts der Stärkung der AfD und der extremen Rechten sagen wir: Nur eine sozialistische Perspektive, die die Interessen des Kapitals wirksam angreift, kann eine Antwort auf die Probleme der Ausgebeuteten und Unterdrückten geben. Deshalb brechen wir mit der Strategie der Linkspartei und ihrer Jugendorganisationen und erklären unseren Austritt.

2. Das Scheitern der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Sie ist eine strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtete Partei, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Jegliche Veränderung geht laut dieser Strategie von Regierungs- und Parlamentsposten aus. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen “kritisch” sieht, ebenso wenig einzelne “linkere” Ortsgruppen ihres Jugendverbands. “Rebellisch regieren”, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Unsere Perspektive ist dem radikal entgegengesetzt: Das strategische Zentrum für die Veränderung der Gesellschaft – d. h. für die Enteignung des Kapitals und die Errichtung einer Arbeiter:innenregierung in der Perspektive einer weltweiten sozialistischen Revolution – ist der Klassenkampf; parlamentarische Positionen können diesen lediglich unterstützen, nicht ersetzen. Gegen die Unterordnung unter die Interessen des Kapitals setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften und der NGOs, die sie stützen.

3. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt. Sie erkauft im Bündnis mit den Gewerkschaftsbürokratien und den Bossen mit kleinen Zugeständnissen das Stillhalten der Massen angesichts der Krise – in der Perspektive werden aber die Ausgebeuteten und Unterdrückten nicht nur hierzulande, sondern auch international für die militärische “Zeitenwende” zahlen müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats nach innen, wie nicht zuletzt die Razzien und Präventivhaft gegen die “Letzte Generation” zeigen. In diesem Kontext lässt die Regierung auch den letzten Anschein von Klimaschutz fallen, wie die anstehende Räumung von Lützerath im Interesse des Energiekonzerns RWE zeigt – ein weiterer Beweis dafür, dass der “grüne Kapitalismus” unmöglich ist.

4. Während­dessen stärkt sich die extreme Rechte, insbe­sondere im Innern der staatlichen Institutionen (Militär, Polizei, Justiz usw.). Der rechte Terror im Inneren ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Die Ampel-Regierung verstärkt den staatlichen Rassismus, baut die Polizei weiter aus, schiebt Menschen in Kriegsgebiete ab und ist für den Massenmord an Außengrenzen der EU verantwortlich – und setzt somit die Politik um, die von der AfD und der extremen Rechten gefordert werden. Daher kann der Auf­stieg der Rechten nicht mit einer Logik des “ge­ringeren Übels” der Unterstützung von “linken” oder “fortschrittlichen” Regierungen bekämpft werden. Die herrschende Klasse und rechte Kräfte machen durch die bürgerlichen Medien die migrantischen Teile unserer Klasse für die Wirtschaftskrise verantwortlich. Nicht zuletzt bei der rassistischen Hetzkampagne um Silvester haben wir gesehen, dass die Medien die Abschiebung von vermeintlich “nicht-integrierbaren” migrantischen Kindern und Jugendlichen forderten.Die Reihen der multiethnischen Arbeiter:innenklasse in Deutschland sollen durch den anti-muslimischen Rassismus gespaltn werden. Es ist eine dringlichere Aufgabe denn je zuvor, sich dagegen zur Wehr zu setzen – unter anderem auch gegen die Politik der Rot-Rot-Grünen Regierung in Berlin, an der die LINKE beteiligt ist, die aus Razzien in Schischa-Bars, Racial Profiling in migrantischen Kiezen sowie Hexenjagden auf Jugendliche besteht. Wir müssen für die Abschaffung der Geflüchtetenlager und das Recht auf eine eigene und bezahlbare Wohnung kämpfen. Abschiebungen müssen gestoppt und Asylanträge anerkannt werden.Schluss mit unterschiedlichen Behandlung von Geflüchteten je nach Herkunftsland. Gegen die Logik der Spaltung von Geflüchteten durch besonders qualifizierten oder unqualifizierten Teile. Arbeitsrechte und volle Staatsbürger:innenrechte für alle Menschen, die hier leben. Auch wenn wir bei den Abgeordnetenwahlen keine unterstützenswerte Partei erkennen, kämpfen wir für das Wahlrecht aller Menschen, die hier leben. Es braucht Kampagnen in Gewerkschaften für antirassistische Forderungen und für den Ausschluss der GdP aus dem DGB, was wir als eine der Aufgaben der antibürokratischen und klassenkämpferischen Strömung sehen, die wir in den Gewerkschaften aufbauen wollen.

5. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugend aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt hirnloser und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugend an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt oder entschuldigt.

6. Wir sind der Meinung, dass die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, die Arbeiter:innenklasse ist. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Homophobie- und Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und offen queerer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderungen zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jegliche Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert.

7. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrecht erhalten, die stets versuchen, ökonomische von sozialen und politischen Kämpfen zu trennen. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr “Klassenpolitik” die Fragen der Unterdrückung herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht, ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der “weißen Arbeiterklasse” mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

8. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit „neo-reformistischen“ oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich. Sie sind keine Ausdrücke des Klassenkampfes. Im Gegenteil: Sie lenken den Klassenkampf in staatstragende Bahnen um. Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigte sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat – wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen –, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

9. Der Stalinismus hat die revolutionäre Tradition weltweit, aber gerade auch in Deutschland zutiefst beschädigt. Denjenigen, die heute aus der Krise der Linkspartei Schlussfolgerungen ziehen wollen, raten wir dringend, auch aus dem Erbe des Stalinismus die nötigen Lehren zu ziehen. Die Bürokratisierung der Arbeiter:innenstaaten – nicht zuletzt der DDR –, die Unterordnung von Fragen der Unterdrückung, die Unterstützung für bürgerliche Parteien im Namen der nationalen Befreiung (sowohl linkerer Varianten wie die des frühen Chavismus als auch die Unterstützung für reaktionäre Anführer wie Assad in Syrien im Namen des „Antiimperialismus“), die offene oder verdeckte Sabotage unzähliger revolutionärer Prozesse, und die absolute Geringschätzung der selbstorganisierten Demokratie der Arbeiter:innen sind nur einige Elemente, die uns dazu veranlassen zu sagen: Das ist nicht unser Sozialismus. Im Gegenteil: Eine revolutionäre Kraft in Deutschland kann nur entstehen, wenn sie dieses Erbe hinter sich lässt.

10. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, Bafög etc. an die Inflation, für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO, und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

11. Um ein solches Programm umzusetzen, müssen wir in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital aufbauen. Dazu ist es notwendig, die bremsende Rolle der Bürokratien der SPD, der Gewerkschaften und NGOs zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen –  für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der Konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mit unterschrieben. Gegen diese sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen Instanzen der Selbstorganisation und der breitestmöglichen Demokratie der Kämpfenden zu entwickeln, wie beispielsweise Streikversammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen. Wir wollen schon heute durch ein Bewusstsein erzeugen, dass Leute zu dem Schluss kommen: “Die Bosse und die Herrschenden brauchen wir nicht, wir nehmen die Wirtschaft selbst in die Hand und wollen den Staat stürzen.”

12. Dies kann nur der erste Schritt hin zum Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei der Arbeiter:innenklasse sein. Denn mit dem Bruch mit der Linkspartei fängt unsere Aufgabe erst an: eine Organisation aufzubauen, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann. Zu diesem Zweck haben wir bei dieser Konferenz begonnen, Debatten über strategische Lehren aus dem Scheitern der Linkspartei und über die Strategie für die Revolution zu führen. Diese Debatten wollen wir fortführen:

a. Als Alternative zur Anpassung an den Reformismus hat sich vor über zehn Jahren in Frankreich die Neue Antikapitalistische Partei gebildet, als Prototyp einer „breiten antikapitalistischen Partei“, die alle Strömungen links vom Reformismus, die sich als antikapitalistisch verstanden, sammeln wollte. Im Dezember 2022 hat sich die NPA infolge der Anpassung der Leitungsmehrheit an den Reformismus/Linkspopulismus gespalten. So hat sich gezeigt, dass die „breite antikapitalistische Partei“ ohne klare strategische Abgrenzung und ohne strategisches Zentrum im Klassenkampf problematisch ist. Für den Aufbau einer revolutionären Organisation ist es wichtig, daraus die korrekten Lehren zu ziehen. Das wollen wir in weiteren Diskussionen vertiefen.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte in kommende Kämpfe möglich und nötig ist. Wir wollen:

  • in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; die ver.di Kampagne um die TVöD-Runde mitaufbauen, gemeinsam mit der VKG in die Betriebsgruppen intervenieren und auf das Organisieren von politischen Demonstrationen an Streiktagen hinarbeiten, die ein solches Programm erheben:
  • Inflationsausgleich für alle, Anpassung aller Sozialleistungen an die Inflation, Erlass eines Mietenstopps, DWE durchsetzen.
  • Milliarden Investitionen in Gesundheit, Bildung und Klima statt 100 Milliarden in Aufrüstung, Einführung von Vermögenssteuern und Abgaben,
  • Vergesellschaftung der Energieversorgung unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung etc.,
  • Gegen die rassistische Hetze gegen unsere Kolleg:innen mit Flucht und Migrationserfahrungen und für Arbeits-und Studienerlaubnis für alle, Stopp aller Abschiebungen.
  • Solidarität mit Gewerkschaften und Arbeiter:innen anderer Länder, die unter Krise und Krieg leiden. Internationale Solidarität zwischen Arbeiter:innen, die unter gegenseitigen Sanktionen leiden.
  • in allen Kämpfen die Selbstorganisation der Arbeiter:innen unterstützen, wie bspw. aktuell in Kampf der Hebammen in Neuperlach gegen die Schließung ihres Kreißsaals.
  • angefangen mit dem Widerstand in Lützerath, mit einem sozialistischem Programm in die Klimabewegung intervenieren und Initiativen aus der Arbeiter:innenbewegung vorbereiten, um die Arbeiter:innenklasse als politisches Subjekt im Kampf gegen die Klimakatastrophe und eine demokratisch-ökologische Planwirtschaft aufzuzeigen.
  • uns an allen Mobilisierungen gegen den staatlichen Rassismus, Polizeigewalt, Abschiebungen und extremen/faschistischen Rechten beteiligen. An allen Orten besonders gegen die aktuelle rassistische Stigmatisierung von migrantischen Jugendlichen stellen.
  • uns an den Mobilisierungen um den 8.März beteiligen, darauf hinarbeiten, dass bundesweite Streikaktionen unterschiedlicher Bewegungen an diesem Tag mit einem feministischen Programm stattfinden.
  • uns an allen weiteren Mobilisierungen gegen Militarisierung und Krieg beteiligen, mit einer Perspektive der internationalen Solidarität der Arbeiter:innenklasse gegen die Agression der kapitalistischen Regierungen, für die Notwendigkeit des Kampfes der Arbeiter:innenklasse in Deutschland gegen ihre imperialistische Regierung.
  • Uns an Mobilisierungen gegen Kolonialismus zu beteiligen, mit einer bedingungslosen Solidarität mit dem Kampf der kolonisierten Völker wie in Kurdistan und Palästina für ihre Befreiung, die vom deutschen Staat insbesondere bekämpft werden. Wir treten für die Entkriminalisierung ihrer Widerstandsorganisationen und für den Stopp aller deutschen Waffenlieferungen an die Türkei, Israel, sowie anderer Länder ein.
  • angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen, tausenden Abschiebungen, Ausbau des rassistischen Polizeiapparates, weiterer Kürzungspolitik in Gesundheit und Bildung usw. lehnen wir eine Wahlunterstützung für die Linkspartei bei der Wiederho­lung der Abgeordnetenhauswahl ab. Dagegen betonen wir die Notwendigkeit der revolutionär-sozialistischen Kandidaturen abseits der reformistischen Parteien, organisieren gemeinsam mit allen Interessierten eine Kampagne gegen die erneuten Regierungsbeteiligungen der LINKEN an RRG und setzen uns für erneute Mobilisierungen für die Enteignung der großen Immobilienkonzerne durchführen.

c. Über die konkrete Intervention in Streiks und Kämpfe hinaus wollen wir eine politische Kraft aufbauen, die den Reformismus auf allen Ebenen – auch auf der Ebene der Wahlen – konfrontieren kann. Wir wollen dabei keine prinzipienlose Fusion verschiedener Organisationen mit unterschiedlichen Strategien oder eine breite Sammlung von antikapitalistischen Aktivist:innen ohne strategische Klarheit. Der Weg zu einer größeren programmatischen und strategischen Klarheit besteht darin, in gemeinsamen Kämpfen Positionen auszutesten und Übereinkünften weiterzuentwickeln – aber auch darin, beispielsweise gemeinsame Antritte bei Wahlen mit einem Programm der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse anzustreben. Deshalb rufen die Unterzeichner:innen alle Organisationen, die dem Inhalt dieser Erklärung zustimmen, dazu auf, Schritte für den Aufbau einer gemeinsamen revolutionären Front zu gehen. Diese Front muss basieren auf gemeinsamen Erfahrungen im Klassenkampf und der politischen Intervention in Streiks, sozialen Kämpfen sowie perspektivisch Wahlen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene. Mit den Lehren der Erfahrungen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind wir der Meinung, dass ein Bruch der Revolutionär:innen mit den sozialdemokratischen Verwalter:innen des Kapitalismus nicht nur notwendig, sondern unumgänglich ist.




Revolutionärer Bruch braucht Programm

Am 10. Oktober 2022 veröffentlichten junge Sozialist:innen, die in der Linksjugend solid aktiv sind, eine Erklärung unter dem Titel „Für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und solid“. Wir begrüßen die Diskussion um den Aufbau einer revolutionär-sozialistischen Partei in Deustchland, an der wir uns aktiv beteiligen wollen. Hier spiegeln wir eine Erklärung von mehreren Genoss:innen, die sich begannen in solid zu politisieren und sich im Verlauf des letzten Jahres auch der Jugendorganisation REVOLUTION anschlossen. Sie stellen hier ihre Ansichten zu den Grundlagen einer neuen revolutionären Kraft zur Diskussion.

Verfasser:

Die Weltgesellschaft befindet sich wahrhaftig an einem Wendepunkt. Die Bewegungen der Lohnabhängigen und sozial Unterdrückten sehen sich mit einer grundlegend neuen Situation konfrontiert.

Mit dem Krieg in der Ukraine hat auch eine allgemeine Auseinandersetzung um die Neuaufteilung der Welt begonnen. Großmächte wie China, Russland, Indien, die USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien bereiten sich auf einen globalen militärischen Konflikt vor, der die gesamte Zivilisation zerstören könnte. Die Diskussion über die Gefahr eines Dritten Weltkrieg ist in den offiziellen Medien, in den Reden von Politiker:innen und im alltäglichen Gespräch kein Tabu mehr. Gerade für die Jugend gilt es, zu verhindern, dass ein dritter Weltkrieg je ausbrechen kann.

Die Klimakatastrophe ist heute. Verwüstung, Trockenheit und Feuer wechseln Fluten, Überschwemmungen und Stürme ab. Gleichzeitig erleben wir ein apokalyptisches Artensterben. Wir erleiden die Vermüllung unseres Planeten, und die Vergiftung unseres Trinkwassers und unserer Nahrung. Während allein in diesem Jahr weltweit eine Billion Dollar für den Militarismus ausgegeben wurden, bleibt die ökologische Transformation aus, die uns bürgerliche Politiker:innen und Konzerne immer wieder versprachen. (Das sind 1000000000000 Dollar oder eintausend Milliarden Dollar.) Wenn wir die Zukunft der jungen Generation sichern wollen, braucht es einen radikalen Systemwechsel.

Gleichzeitig brach mit der Corona-Pandemie auch eine außerordentliche Wirtschaftskrise des Kapitalismus aus. Die Lohnabhängigen, kleine Bauern, die kleinen Gewerbetreibenden, sowie die städtische und ländliche Armut werden unter dieser Krise erdrückt. Große Teile der Welt erleben eine massive Hungerkrise. Auch hier in Deutschland überschritt die Inflation zuletzt die 10% Marke, viele bangen um ihre Arbeit, ihre Wohnung, fürchten sich vor der nächsten Gasrechnung oder dem Einkauf. Mehr als 16% der Bevölkerung lassen eine Mahlzeit aus, um zu sparen. Währenddessen vermehrt sich der Reichtum der großen Kapitalist:innen. Wenn wir nicht erneut wie 2008 für die kapitalistische Krise zahlen sollen, braucht es einen entschlossenen Kampf von unten.

Diese drei Menschheitsfragen können nicht durch den Kapitalismus gelöst werden. Denn es ist der Kapitalismus, der sie hervorgerufen hat.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die sich an den Bedürfnissen der gesamten Menschheit ausrichtet, auch der Generation von Morgen.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der demokratische Teilhabe nicht von der Wirtschaftsmacht einer Region, von einzelnen Staaten, Verbänden oder Individuen abhängig ist.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die frei von Privilegien ist, von Privilegien die andere Menschen klein machen, ausgrenzen und ihre Ausbeutung ermöglichen.

Das einzige Privileg, für das wir kämpfen, ist der Menschheit eine Zukunft auf diesem Planeten zu sichern. Wir streben eine Zukunft an, in der wir gleichberechtigt unsere Lebenszeit voll ausschöpfen und genießen können. Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der die Fähigkeiten und Interessen von Kollektiven und Individuen voll zur Entfaltung kommen können. Um diese Zukunft zu sichern, müssen die Technologien zu produktiven Kräften werden, anstatt zu Mechanismen der zunehmenden Kontrolle, oder gar der Zerstörung der Welt. Wir brauchen Formen des Zusammenlebens, die sich frei machen von der Irrationalität, dem Hass und der Lüge der heutigen Zeit. Eine Gesellschaft in der stattdessen der Drang nach Wissen, Austausch und dem Verständnis unserer Existenz im Vordergrund stehen.

Diese Gesellschaft nennen wir Sozialismus.

Wir müssen aber feststellen, dass wir diesem Ziel heute sehr fern stehen.

Mit dem Beginn der Krise 2007 hoffte eine ganze Generation junger und alter Menschen von einem Ende des Kapitalismus. Im gleichen Jahr wurden die LINKE und die Linksjugend solid gegründet. Fünfzehn Jahre später ist die LINKE in einer tiefen Krise. Heute fürchten die Kapitalist:innen in Deutschland nicht die linke Erhebung. Eine weit verbreitete Sorge der damailigen zeit, als Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung davon sprachen, dass das Marx zurück sei. Stattdessen müssen Lohanbhängige heute den Aufstieg der Rechten fürchten und unter der unsozialen Politik der Regierung leiden.

Es fehlt aber nicht an den objektiven Bedingungen dieses Ziel zu erreichen. Es fehlt an einer Kraft, die für dieses Ziel entschlossen kämpft. Wir denken, die LINKE ist nicht diese Kraft. Denn die LINKE formuliert nur ein vages Ziel. Sie hat die Kampfkraft der Lohnabhängigen in den letzten fünfzehn Jahren nicht gestärkt, sondern ihre Hoffnung auf grundlegende Veränderungen, und ihre Moral durch eine Reihe von prinzipienlosen Regierungsbeteiligungen gebrochen. Aktuell streitet sie darüber, ob die deutsche Regierung nun die blödeste Europas sei oder nicht. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, dass es eine kapitalistische Regierung ist, die unsere Interessen nicht umsetzt. Die LINKE scheitert auch praktisch, sie ist zerstritten und ist nicht das Zentrum eines linken Widerstandes gegen die Dreifachkrise.

Dies hat tiefere Gründe. Denn alle drei relevanten Flügel der LINKEN (Bewegungslinke, Wagenknecht-Flügel und Reformer) haben eine politische Schwäche, die sie teilen. Sie richten ihre Politik letztlich primär auf die graduelle Reform eines Systems aus, das nicht grundlegend reformierbar ist. Ihr Hauptvehikel bleibt dabei letztlich mehr oder weniger das Parlament und der bürgerliche Staat. Wir erkennen hingegen wirklich an, dass die heutige Welt in Klassen aufgeteilt ist. Einerseits in jene, die über Land, Ressourcen und Produktionsmittel besitzen, jene die direkt oder indirekt die Grundlagen der Politik der heutigen Staaten bestimmen. Andererseits in jene, die dies nicht tun. Ein Großteil dieser zweiten Klasse sind die Lohnabhängigen dieser Welt.

Für uns ist das nicht einfach eine Phrase, sondern kommt mit praktischen Verpflichtungen. Es heißt, dass die Welt von den Interessen einer kapitalistischen Minderheit bestimmt ist. Diese Minderheit bestimmt letztlich das Schicksal der „Wirtschaft“. Auch das vorherrschende Denken ist das Denken der Herrschenden, solange ihre Herrschaft nicht in Frage gestellt wird.

Das bedeutet, dass wir unser Ziel nur durch eine Politik verändern können, die diese herrschende Klasse herausfordert. Das ist eine Politik die wir als revolutionären Klassenkampf bezeichnen.

Die erdrückende Mehrheit in die LINKE und die linksjugend solid, und wichtiger ihr Apparat aus Funktionär:innen und Mandatsträger:innen die letztlich die Praxis dieser Partei bestimmen,

vertreten keine klassenkämpferische Politik. Sie vertreten eine Politik, die wir als Reformismus bezeichnen. Das ist eine Politik, die im besten Fall glaubt, durch graduelle Reformen den Sozialismus zu erreichen. In der Praxis ist es aber eine Politik und ein soziales System, dass die Lohnabhängigen an die Unternehmen der Kapitalist:innen und an „ihren Staat“ bindet und unterordnet.

Wir glauben, dass es einen grundlegenden Bruch mit dem politischen Programm und der organisatorischen Praxis der LINKEN und von Linksjugend solid benötigt, wenn wir unsere Zukunft sichern wollen. Denn mit dieser Politik ist ein wirklicher Systemwechsel ausgeschlossen.

Deshalb unterstützen wir von REVOLUTION den Aufruf zu einer Konferenz, in der alle kritischen Teile der linksjugend solid und der LINKEN zusammenkommen, die eine Politik wünschen, die für einen Systemwechsel eintritt und dies mit einer Politik des Klassenkampfes verbindet.

Um der heutigen, neuen Situation gerecht zu werden, muss es unser Anliegen sein, die antikapitalistischen Teile der Klimabewegung, der kämpferischen Gewerkschafter:innen, die klassenkämpferischen Teile der antirassistischen und feministischen Bewegung in einer gemeinsamen Partei zu vereinigen, um für solch einen Systemwechsel, eine sozialistische Revolution möglich zu machen.

In siebzehn Punkten möchten wir hier unsere grundlegenden Überlegungen äußern, welche Strategie und Organisationsform solche eine Partei kennzeichnen sollte und wie sie für den Sozialismus unter den aktuellen Bedingungen in Deutschland kämpfen müsste.

  1. Wir befürworten Reformen. Wir unterstützen jede Reform, die unsere unmittelbare Lebensgrundlage verteidigt oder verbessert. Das trifft auf alle gesellschaftlichen Bereiche zu, von der Erhöhung von Löhnen, der sofortigen Umsetzung von Maßnahmen zur Rettung der Umwelt und der Abschaffung von Praktiken oder Gesetzen, die rassistische, sexistische oder homophobe Unterdrückung zementieren.
  2. Wir müssen für Reformen kämpfen. Die Reichen, die Banker, Industriellen und Großgrundbesitzer, die bürgerlichen Politiker und staatliche Institutionen werden uns nichts freiwillig geben. In diesem Klassenkampf um Reformen, richten wir uns nicht an dem für die herrschende Klasse „machbaren“ aus. Wir schlagen immer den Kampf für das Leben und Überleben der Lohnabhängigen und der Menschheit „notwendige“ vor.
  3. Wir befürworten den Antritt zu Wahlen. Sozialist:innen sollten ihre Ansichten in Wahlen und im Parlament zum Ausdruck bringen. Diese Ansichten sollen aber den Kampf um Reformen und für die Revolution verbessern, und nicht zur Integration in jene bürgerlichen Regierungen und den büegrlichen Staat fordern, in dem es sich auch die LINKE bequem gemacht hat.
  4. Das strategische Ziel des Sozialismus bestimmt also unsere Taktik. Wir unterscheiden uns hier grundlegend von der reformistischen Politik der LINKEN oder der Gewerkschaftsführung. Denn diese ordnet ihre Forderungen und ihre Praxis dem unter, was die Koalitionspartner oder die Konzernchefs als „machbar“ verkaufen. Sie beteiligt sich an der Verwaltung des kapitalistischen Systems in bürgerlichen Regierungen, was wir kategorisch ablehnen. Gleichzeitig fordern wir reformistische Parteien und die Gewerkschaften immer wieder dazu auf, für konkrete Forderungen zu mobilisieren und zu kämpfen. Eine zentrale Kritik, die wir aktuell an ihnen haben, ist gerade, dass sie nicht entschlossen gegen Inflation, Krise, Krieg und Umweltzerstörung kämpfen. Wir fordern sie also jederzeit dazu auf eine gemeinsame Front für die Erkämpfung von Reformen zu schließen. Aber wir begrenzen unsere eigenen Aktivitäten, Forderungen und unser Programm im gemeinsamen Reformkampf nicht auf das, was die Führer:innen der Gewerkschaften oder der LINKEN für „machbar“ halten. Wir sagen jederzeit, was wir für „notwendig“ erachten und wir erhöhen dabei die Selbstorganisierung der kämpfenden Basis.
  5. Der Kampf um Reformen hat einen realen Zweck im Hier und Jetzt. Dieser Reformkampf ist nicht einfach ein „Trick“.Wenn wir zum Beispiel von unserem Lohn jetzt nicht leben können, dann muss der Lohn jetzt sofort steigen. Aber gleichzeitig kann der Sozialismus nicht ohne eine Revolution erreicht werden. Sozialist:innen werden dies in jedem Reformkampf betonen und den Kampf um die Reformen so führen, dass sie die Revolution vereinfachen, denkbar machen und vorbereiten.
  6. Sozialist:innen können die Revolution propagieren. Die Revolution machen kann aber nur die Klasse der Lohnabhängigen. Sie ist eine wirkliche soziale Kraft, und auch nur durch ihre Revolution gegen die Diktatur des Kapitals, kann eine Zukunft gesichert werden, in der es eine Demokratie der Lohnabhängigen anstatt einer stalinistischen Dystopie gibt.
  7. In Deutschland kann kein ernsthafter Reformkampf gewonnen, keine Revolution ohne die Gewerkschaften geschehen. Eine zentrale Aufgabe ist es daher auch die Gewerkschaften für eine Politik des entschlossenen Reformkampfes und für eine sozialistische Politik zu gewinnen. Es gibt eine riesige Klasse in Deutschland, aber sie ist von einer reformistischen Bürokratie beherrscht, oder anders gesagt von Menschen kontrolliert, die mit einem Parteibuch der SPD, der Grünen oder auch der LINKEN ausgestattet sind. Diese Bürokratie sitzt in Aussichtsräten, in staatlichen Institutionen und erhält zum Teil riesige Gehälter. Aber sie vertritt nicht unsere Interessen. Sie glaubt „die deutsche Wirtschaft“, das heißt die Profite der Kapitalist:innen wären das Maß aller Dinge. Zum Teil verhindert oder verschleppt diese Bürokratie auch die Organisierung ganz neuer Schichten der Lohnabhängigen. So verweigerte sie lange den Zutritt von Geflüchteten in die Gewerkschaften. Sie müssen wieder zu Orten der Demokratie und des Kampfes der Lohnabhängigen werden. Eine zentrale Aufgabe ist es also heute eine klassenkämpferische Basisopposition in den Gewerkschaften aufzubauen. Dies schließt auch die Auseinandersetzung mit weit verbreiteten Illusionen und Ideologie des Reformismus, sowie unterschiedlichen Formen des Chauvinismus unter einfachen Gewerkschaftsmitgliedern selbst ein.
  8. Denn die Klasse ist aktuell gespalten. Sie ist anhand nationaler Unterschiede, vermittels von imperialistischen und halb-kolonialen Kriegen, aufgrund von sexistischer, rassistischer, homophober Unterdrückung und auch anhand unterschiedlicher sozialer Stellung einzelner Schichten der Lohnabhängigen gespalten. Es ist eine zentrale Aufgabe diese Spaltung in der gemeinsamen Auseinandersetzung zu überwinden. Daher kämpfen wir auch für den Aufbau einer sozialistischen Internationale, die alle diese Auseinandersetzungen miteinander verbindet. Die gemeinsame internationale Organisierung ist das beste Mittel gegen den Chauvinismus.
  9. Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Dieser Hauptfeind ist für uns die deutsche Klasse der Kapitalist:innen und der mit ihr verbundene Staat. Das heißt für uns auch, dass wir uns nicht ihren außenpolitischen Ambitionen anschließen. Wir lehnen jede Form des Imperialismus und des Militarismus ab. Nur weil Deutschland nach innen größere demokratische Rechte gewährt als beispielsweise China oder Russland dies tun, heißt das nicht, dass deutsche Waffen, die an die Saudis und die Türkei verkauft werden, und im Jemen Krieg und in Kurdistan eingesetzt werden, demokratischer seien. Es heißt nicht, dass deutsche Bundeswehrsoldaten die Demokratie in Mali, in Afghanistan oder im Irak verteidigt haben. Das können nur die demokratisch und sozialistisch organisierten Lohnabhängigen dieser Länder selbst. Die ökonomische, diplomatische und militärische Intervention Deutschlands zerstört aber solche Prozesse immer wieder.
  10. Gleichzeitig wissen wir auch, dass es andere Großmächte wie Russland, China, die USA, Japan, Frankreich, Großbritannien oder Indien gibt. Wir stehen an der Seite keiner dieser Staaten. In der militärischen Auseinandersetzung zwischen diesen Staaten sagen wir „Dreht die Waffen um.“ Kämpft nicht gegen die Menschen des anderen Landes. Stattdessen sollten die Lohnabhängigen und die ins Militär eingezogene Jugend gegen ihre „eigenen“ Kapitalist:innen, Diktatoren oder bürgerlichen Regierungen und für eine sozialistische Revolution kämpfen.
  11. Wir tun alles uns mögliche, um den Aufbau von Gewerkschaften, sozialen und ökologischen Bewegungen sowie von sozialistischen Parteien in anderen Ländern zu unterstützen. Uns Interessieren die konkreten Kämpfe und die Debatten unserer Geschwister im Ausland. Wir beteiligen uns an einer internationalen Debatte, anstatt nationale Borniertheit zu betreiben.
  12. Dies muss sich auch durch den Aufbau einer sozialistischen Partei der Lohnabhängigen in Deutschland ausdrücken, die alle diese Aspekte hier vor Ort vereint. Jeder Kampf gegen jede Form von Unterdrückung ist unser Kampf, denn wer ist denn schwul, schwarz, weiblich oder geflüchtet, wenn nicht wir Lohnabhängigen?
  13. Eine revolutionäre Partei braucht ein revolutionäres Programm, auf dessen Basis die Mitglieder gemeinsam und verbindlich agieren. Dieses Verständnis unterscheidet sich grundlegend von dem der Linkspartei, deren Programm keine praktische Bedeutung für die tägliche Aktivität hat. Letztlich erwarten nicht einmal die Mitglieder der Partei, dass sie für ihr Programm kämpft. Wir hingegen halten es für notwendig, ein Programm zu diskutieren und zu erarbeiten, das als Anleitung zum Handeln dient, das den Kampf um soziale, ökonomische und politische Rechte mit dem Kampf für die sozialistische Revolution verbindet. Nur auf dieser Basis kann das gemeinsame, verbindliche Agieren einen demokratischen und befreienden Charakter haben.
  14. Dieser Prozess muss auf der Grundlage der vollen und freien politischen Diskussion beruhen. Gleichfalls bedarf es aber auch der gemeinsamen und verbindlichen Umsetzung von beschlossenen Aktionen.Für uns bedeutet „Partei“ also nicht einen Wahlverein zu gründen, der beständig die eigenen Versprechen in bürgerlichen Regierungen bricht, bürokratisch agiert und die Aktivität der Basis lähmt. Für uns ist die „Partei“ ein Zusammenschluss der kämpferischsten Aktiven, der Jugend, der sozialen Bewegung und der Gewerkschaften, die aus den Niederlagen und Siegen der Vergangenheit gemeinsame Schlüsse ziehen, diese in der täglichen Praxis im Kampf um Reformen überprüfen, dynamisch neue Erfahrungen machen, diese mit der breiteren Arbeiter:innenbewegung und den sozialen Bewegungen diskutieren und so im täglichen Handgemenge die Strategie der Revolution erklären und erfahrbar machen. Wir reden also von einer Form der Organisation, die einerseits das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein und die Selbstorganisierung unserer Klasse so steigert, dass die Revolution kein abstraktes, fernes Ziel ist, sondern etwas das zunehmend durch die gemachten Erfahrungen denkbar und auch machbar wird. Die reformistischen Parteien, vor allem die LINKE charakterisieren das Gegenteil einer solchen Praxis.
  15. Wir treten für den Aufbau einer revolutionären Jugendorganisation ein, die von der Partei ernst genommen wird, aber nicht von ihr bürokratisch beherrscht wird, eine Organisation mit einem sozialistischen Programm, dass sie gemeinsam mit der Partei erarbeitet, in der Jugendliche aber selbstbestimmt ihre eigenen Erfahrungen, und ohne Angst vor Rüge auch Fehler machen können.
  16. Die Revolution machen, heißt den bürgerlichen Staat zu zerbrechen. Die kapitalistische Justiz, die Regierung, Polizei, Militär und Bürokratie werden uns die Zukunft nicht gewähren, die wir brauchen, um zu überleben. Sie müssen gebrochen und durch eine Rätedemokratie der Lohnabhängigen ersetzt werden, die ihre Revolution auch verteidigen kann.
  17. Eine der ersten ökonomischen Aufgaben nach einer Revolution wäre die Umwandlung zu einer demokratischen Wirtschaft, die nach den Interessen von Mensch und Natur plant und ein Notfallprogramm durchsetzt, um den ökologischen Kollaps zu verhindern, das 1,5 Grad Ziel und die Ernährungs- und Energiesicherheit zu gewährleisten.

Diese Überlegungen stellen unserer Meinung nach noch kein Aktionsprogramm im eigentlichen Sinn dar. In den kommenden Monaten wird es unsere gemeinsame Aufgabe sein, ein solches gemeinsam mit all jenen innerhalb und außerhalb der LINKEN zu diskutieren, die auf einen neuen Morgen hoffen. Auch heute gibt es in Deutschland Zehntausende, die sich tagtäglich für eine Welt ohne Kapitalismus einsetzen, sei es in der Klimabewegung, in antirassistischen und feministischen Kämpfen und in gewerkschaftlichen oder betrieblichen Auseinandersetzungen mit den Chefs. Aber es fehlt uns an einer gemeinsamen revolutionär-sozialistischen Kraft. Es ist Zeit, sie aufzubauen!

Wenn du oder deine Gruppe diese Ansichten teilt, könnt ihr diese ebenfalls unterzeichnen, nicht zuletzt um den Austausch unterschiedlicher aktiven zu erleichtern.

Wenn du oder deine Gruppe den Aufbau einer neuen revolutionär-sozialistischen Partei teilt, aber Punkte in dieser Erklärung diskutieren möchtet, sind wir bereit eure Antwort als Debattenbeitrag zu veröffentlichen.

Schreibt uns an!




[’solid] Berlin: Was tun mit dem ersten Schritt nach links?

Lukas Resch

Ein Beschluss gegen den RGR-Koalitionsvertrag, ein Antizionist im LandessprecherInnenrat (LSPR) und ein „Nein zur EU der Banken und Konzerne“, ein klares Bekenntnis zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co enteignen“: Diese und weitere Entwicklungen in [’solid] Berlin sorgen seit der letzten Wahl für Aufsehen, bis in die bürgerlichsten Teile der Presse hinein. Einige Reaktionen aus der eigenen Organisation und der Mutterpartei lassen es scheinen, als hätte man das rote Berlin ausgerufen. Von ewig gestrigen StalinistInnen ist die Rede, öffentliche Hetzkampagnen gegen eigene Mitglieder lassen nicht lang auf sich warten. Was ist los in [’solid] Berlin?

The way so far …

Spricht man mit Mitgliedern, zeigt sich ein positiv gestimmtes Bild: Bei der Wahl zum LSPR schafften es die linkeren Basisorganisationen, diesen gemeinsam mit einigen neuen und vielversprechenden Gesichtern zu besetzen. Auch auf der letzten Landesvollversammlung zeichnete sich ein deutlich linkeres Bild ab als in der Vergangenheit. Unter anderem wurde beschlossen:

Eine Aufforderung an die Linkspartei Berlin, die Koalitionsverhandlungen abzubrechen, und an die Mitglieder, gegen den Vertrag und die Koalition mit den Grünen und der SPD zu stimmen; ein Beschluss gegen die alleinige Zusammenarbeit mit Jusos und grüner Jugend, um nicht als RGR-Jugend zu erscheinen. Eine Zusammenarbeit in größeren Bündnissen wird damit nicht ausgeschlossen.

Dies stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar, auch wenn es weiter notwendig sein wird, die Jusos als die Massenjugendorganisation einer bürgerlichen ArbeiterInnenpartei (1) zu gemeinsamen Mobilisierungen aufzufordern. Diese Notwendigkeit stellt sich auch bezüglich der Grünen Jugend, die trotz ihrer ökobürgerlichen Mutterpartei über eine Verankerung in der Umweltbewegung verfügt.

Eine Einschätzung der „EU der Banken und Konzerne“, die ersetzt werden soll durch „die Vereinigung europäischer Staaten“ (auch wenn unklar ist, wie diese  erreicht werden und wie sie aussehen soll), suggeriert immerhin einen „Bruch mit der EU“ (wobei aufgepasst werden muss, dass nicht einfach für einen „linken“ Austritt Deutschlands aus der EU eingetreten wird, sondern für eine sozialistische Vereinigung Europas).

Trotz allem: eine willkommene Entwicklung, die einige Mitglieder von [’solid] bereits von einem Linksrutsch sprechen lässt. Diese Entwicklungen sind, immerhin, ein frischer Wind, erst recht nach der zerschmetternden Wahlniederlage der Linkspartei bei der Bundestagswahl.

Grenzen

Deswegen wollen wir die Situation nutzen, um uns zu positionieren und zur Diskussion über das weitere Vorgehen etwas beizutragen.

Die neue Zusammenstellung des LSPR ist sicher ein Schritt nach vorne, auch wenn dieser noch in der kommenden Zeit beweisen muss, ob der radikale Ruf der ihm vorauseilt, auch entsprechende Taten mit sich bringt.

Die Ergebnisse der Landesvollversammlung sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache. Man stellt sich entschieden gegen die Ausrichtung der Berliner Linkspartei und erhebt den Anspruch, eine eigene, sozialistische Perspektive dagegenzuhalten.

Der erste Dämpfer ist da natürlich, die Abstimmung gegen die RGR-Koalition verloren zu haben. Von den 50 % der teilnehmenden Linksparteimitglieder haben 75 % für diese gestimmt.

Wie geht es jetzt also weiter für alle, die sich eine linkere, antikapitalistische Politik und Linkspartei wünschen und dafür im Jugendverband kämpfen?

Wir wollen uns auf zwei Punkte konzentrieren: die Grenzen, an die revolutionäre Jugendliche in der Linkspartei und [’solid] stoßen, und die Taktik, mit der sie kämpfen können.

Zunächst das Ernüchternde: Das, was in [’solid] Berlin passiert – ebenso die gewisse Bewegung in der Basis der Linkspartei –, stehen einer bundesweit gegenläufigen Tendenz gegenüber. Real sind die Linkspartei und ihr Jugendverband in den letzten Jahren nach rechts gegangen. Auch wenn sich in den letzten Wochen eine linke Opposition in Berlin gebildet hat und im Landesverband Nordrhein-Westfalen nach dem katastrophalen Ergebnis der Bundestagswahlen ein linker Landesvorsitzender gewählt wurde, so ändert das noch nicht das Gesamtbild. Ramelows Regierungspolitik stellt keine Ausnahme dar. Für alle Landesregierungen mit LINKE-Beteiligung gilt: Mitgehangen, mitgefangen – mit kapitalistischer Realpolitik. Und das gilt auch für Berlin.

Das ist auch kein Zufall oder einfach eine Schwäche gegenüber der größeren SPD, sondern das Interesse der Linksparteiführung . Sie betreibt reformistische Politik, die immer nur den Kompromiss mit dem Kapitalismus sucht, mit dem Leute wie Klaus Lederer an sich ganz gut leben können. Daher ist es für ihn auch kein Problem gewesen, DWe fallen zu lassen.

An die Grenzen dieses Führungsapparates werden alle RevolutionärInnen, die gern eine andere Linkspartei und ein antikapitalistisches [’solid] hätten, irgendwann stoßen, solange dieser Apparat die Partei und ihre Strukturen kontrolliert – so, dass der Apparat die Kontrolle gut behalten kann. Das muss sich auch in [’solid] niederschlagen, und wenn es der Geldhahn ist, an dem die Mutter vielleicht mal dreht.

 … and the way ahead

Ohne über diese Grenzen Gedanken anzustellen, wird jeder Versuch, [’solid] revolutionär umzugestalten, in blindem Aktivismus und Selbstverbrauch oder aber Anpassung an den erwähnten Apparat enden. Unserer Meinung nach sollte sich daher jede//r klar machen, dass es bei der Konfrontation mit der reformistischen Mehrheit und dem Apparat um eine grundsätzliche Auseinandersetzung geht. Letztlich vertritt der Reformismus nicht den Klassenstandpunkt der Lohnabhängigen, sondern ordnet vielmehr deren Interessen jenen der herrschenden Klasse unter.

Trotzdem kann sich das Ringen mit dem Apparat lohnen und unzufriedene Jugendliche in (und außerhalb von) [‚solid] um revolutionäre oder wenigstens eine alternative Politik zu RGR sammeln. Dazu sollten die vorhandenen Ansätze der letzten Wochen vertieft werden. Konkret sollten sich alle Jugendlichen zu einer Opposition organisieren – einer Fraktion.

Die angepeilte Taktik, um die eigene Mutterorganisation mittels einer digitalen Kampagne wieder auf die eigenen Werte zu besinnen, begleitet von Veranstaltungen, kann das nur begrenzt leisten, ist sie doch dazu verurteilt, vor allem einen Nachhall im eigenen Kreis hervorzurufen.

Darüber hinaus braucht es ein Sammeln um Aktionen wie Demonstrationen bis hin zu Streiks in Schule und Betrieb und mehr – wenigstens braucht es jetzt die Debatte darum. Und für sich alleine bringen solche Aktionen auch noch nichts. Es sollte sich auf einige Forderungen verständigt werden, die für Jugendliche gerade akut sind, um die mobilisiert werden kann und mit denen auch andere – Jusos, Grüne Jugend, Gewerkschaftsjugendliche, DWe usw. angesprochen werden können. Beispiele?

  • Sofortige Umsetzung des DWe-Volksentscheids! Gerade Jugendliche können sich das Wohnen ohne (reiche) Eltern nicht leisten! Dazu braucht es eine Massenbewegung und die Unterstützung der Gewerkschaften und MieterInnenverbände, um die Vergesellschaftung durch politische Streiks und Mietboykotts durchzusetzen!
  • Für eine echte Verkehrswende in Berlin – keine S-Bahn-Zerschlagung, dafür massive Einschränkung des Straßenverkehrs, Ausbau von S-Bahn und Tram, kostenloser ÖPNV!
  • Für die Kontrolle über coronabedingte Schulöffnungen und -schließungen durch demokratische Komitees der SchülerInnen und LehrerInnen selbst!

Das sind nur mal drei Beispiele. Der Kampf um solche Forderungen ist einer gegen die RGR-Regierung, und damit gegen Lederer und Co! Völlig richtig ist deshalb, dass [’solid] am kommenden Dienstag zu Protesten gegen RGR aufruft.

Aber es sind die nächsten Monate, die durchscheinen lassen werden, ob die gewisse Dynamik in [’solid] (und Linkspartei) nach links weitergetrieben werden kann oder im Treibsand reformistischer Realpolitik ausgebremst wird. Denn trotz aller positiven Berliner Entwicklungen der letzten Monate im Windschatten der Wahlen – DWe, Krankenhausstreik oder eben auch ein gewisser Linksdrall in DIE LINKE – gegen die Regierung zu kämpfen wird eine andere Nummer, in der das Überwinden der defensiven Position mit davon abhängen wird, ob sich revolutionäre, antikapitalistische Kräfte sammeln können und in [’solid], Jusos usw. reinwirken können.

Daher sollten sich AntikapitalistInnen ernsthaft überlegen, inwieweit sie in ihrem Kampf auf die LINKE setzen wollen, die die nächsten fünf Jahre Verrat schon ab Tag 1 beginnt, oder ob ein revolutionärer Bruch mit der Partei sinnvoller ist. Früher oder später wird dieser unserer Meinung nach unausweichlich. So oder so sind wir für die Debatte mit Euch offen.

Übrigens: Vor sieben Jahren hat die Jugendorganisation REVOLUTION eine umfassende Broschüre rausgebracht, die [’solid] kritisch beleuchtete und RevolutionärInnen im Jugendverband einen Handlungsvorschlag zur Sammlung ihrer Kräfte machte … immer noch aktuell: http://onesolutionrevolution.de/wp-content/uploads/2011/04/Solid-Polemik_Lukas_M%C3%BCller_2014.pdf

Endnote

(1) Unter einer bürgerlichen ArbeiterInnenpartei verstehen wir eine bürgerliche Partei, die sich jedoch über historische Verbindungen, über Gewerkschaften, proletarische Mitgliedschaft und WählerInnen auf die Klasse der Lohnabhängigen stützt, mit dieser organisch verbunden ist.




Gegen den Entzug des Parteistatus – Solidarität mit der DKP!

Am
8.7.21 entschied der Bundeswahlausschuss, die Deutsche Kommunistische
Partei (DKP) nicht zur Bundestagswahl zuzulassen. Wir kritisieren diesen
Angriff auf die DKP und die gesamte Linke aufs Schärfste!

Begründet
wurde diese Entscheidung damit, dass die Partei die Fristen zur Abgabe
eines Rechenschaftsberichtes nicht eingehalten habe. Ein
Rechenschaftsbericht enthält die gesamte Buchführung einer Partei, also
auch inklusive aller kleinen Kreisorganisationen und Bezirksverbände.
Für kleine Parteien, die keinen riesigen Apparat mit hauptberuflichen
Funktionär_innen haben, ist die Erstellung dieses Berichtes, der noch
dazu von einem_einer Wirtschaftsprüfer_in testiert werden muss, ein
großes Stück Arbeit, das lange dauert. Während die Nebeneinkünften von
bürgerlichen Spitzenpolitiker_innen kein Thema sind, wird einer linken
Kleinstpartei versucht daraus ein Strick zu drehen.

Angriffe
auf linke Parteien haben in Deutschland eine lange und schmutzige
Tradition, ob durch gesetzliche Verbote oder hinterhältige Tricks.
Während sich faschistische Parteien wie die NPD oder der „Dritte Weg“
für die Wahl aufstellen dürfen, wird die DKP drangsaliert und soll ins
finanzielle Ruin getrieben werden. Dabei müssen wir den Entzug des
Parteienstatus der DKP im Kontext vermehrter Angriffe von Staat und
Repressionsorganen auf die linke Bewegung insgesamt betrachten. So wurde
versucht linken Vereinen wie Attac oder dem VVN bda (Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten) die
Gemeinnützigkeit zu entziehen. Jugendclubs, die linken Organisationen
und Antifa-Gruppen Räumlichkeiten bieten, soll die öffentliche Förderung
entzogen werden. Die Finanzierung außerschulischer politischer Bildung
soll an die faschismusrelativierende Hufeisentheorie und ein Bekenntnis
zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung geknüpft werden. Linke
Gruppen werden durch den Verfassungsschutz überwacht, selbstorganisierte
Freiräume wie die Liebig34 oder Rigaer94 werden geräumt. Neue Polizei-
und Versammlungsgesetze sollen zudem die Handlungsspielräume
einschränken, sich dagegen zu wehren.

Wir
sind solidarisch mit der DKP! Getroffen hat es sie, aber gemeint sind
alle linken Organisationen, Vereine und Strukturen. Wir begrüßen die
Entscheidung der DKP vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die
Entscheidung des Bundeswahlausschusses zu klagen. Gleichzeitig haben wir
kein Vertrauen in den bürgerlichen Staat und seine Institutionen und
müssen den Kampf gegen Repressionen und die rechtsäugig blinde Justiz
auch auf der Straße organisieren. Dafür fordern wir auch ihrem Anspruch
nach linke Parteien wie SPD und Linkspartei, sowie den Deutschen
Gewerkschaftsbund zur Solidarität mit der DKP auf.




Der Abschluss für den Öffentlichen Dienst und die Linke

zuerst veröffentlicht am 21.11 unter: https://arbeiterinnenmacht.de/2020/11/21/der-abschluss-fuer-den-oeffentlichen-dienst-und-die-linke/

Mattis Molde

Die erste große Tarifrunde nach Beginn der Pandemie und der Vertiefung der Wirtschaftskrise ist vorbei. Der öffentliche Dienst hat Maßstäbe auch für die nächsten Runden gesetzt. Aber es ging nicht nur um die ökonomischen Verkaufsbedingungen der Ware Arbeitskraft. Es ging um mehr. Es ging darum, wie sich die Arbeiter_Innenklasse politisch aufstellt in einer entscheidenden historischen Phase, in der sich eine Krise des kapitalistischen Systems entfaltet, die tiefer und länger zu werden verspricht als die vor 10 Jahren, ja jetzt schon mit der von 1931 verglichen wird. Die begleitet ist von Krisen der politischen Systeme nicht nur in Halbkolonien, sondern auch in den Zentren der Macht wie in den USA und der EU. Die dominiert wird von rechten Massenmobilisierungen und Wahlerfolgen, in der es aber auch Gegenbewegungen gibt.

Ausverkauf

Das Kapital und sein Staat haben sich in dieser Tarifrunde von Anfang an klar positioniert. Das war zu erwarten. Die ver.di-Führung ignorierte das anfangs trotzdem und streute ihren Mitgliedern Sand in die Augen, als sie von einer „Politik der ausgestreckten Hand“ schwadronierte. Als diese Vorgangsweise scheiterte, erklärte sie es zum Ziel der Warnstreiks, dass die Arbeit„geber“_Innen „endlich ein Angebot vorlegen“. Die Forderung von 4,8 % mit einer Laufzeit von einem Jahr war damit schon unauffällig ersetzt. Entsprechend haben die Spitzenverhändler_Innen das „respektlose“ erste Angebot der Arbeit„geber“_Innenverbände in der letzten Verhandlung nur durch Umverteilung unter den Beschäftigten modifiziert, im Volumen kaum erhöht und dann zu „respektabel“ umgetauft. Diese Einschätzung macht nur dann einen Sinn, wenn man einen Streik von vorneherein ausschließt, wie es offensichtlich die ver.di-Führung getan hat, und noch nicht einmal eine Streikvorbereitung als Drohpotential aufbaut. Das macht diese Niederlage zur Kapitulation. Das haben wir an anderer Stelle ausführlich dargelegt. Eine Niederlage zu erleiden, ist eine Sache, eine andere, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Viele linke Gruppen und Personen haben das Ergebnis analysiert und fast alle kommen zum Schluss, dass es ein schwacher Abschluss war, der meilenweit von der Forderung entfernt war. Aber die meisten betonen, dass immerhin weitergehende Angriffe auf die Beschäftigten abgewehrt worden seien. So titelt die SAV: „Angriff abgewehrt, Gegenoffensive verpasst“. Ähnlich sieht das Olaf Harms in der UZ „Licht und Schatten“. Die Sol (Sozialistische Organisation Solidarität) meint: „Kampfkraft nicht genutzt“ und „ernüchterndes Ergebnis“. Auch RIO nennt das Ergebnis „,mager“. Die Rote Fahne schreibt „das Ergebnis: ein fauler Kompromiss, weil die volle gewerkschaftliche Kampfkraft nicht eingesetzt wurde“.

Apparat

Alle diese Einschätzungen sind näher an der Realität als die selbstgefällige Lobhudelei, die ver.di selbst verbreitet. Letztere wird nicht besser dadurch, dass ein Teil der Mitglieder das Einknicken der Verhandlungsführung unterstützte oder keine Alternative dazu sah. Aber sehr viele protestieren auch gegen diesen Abschluss auf Webseiten von ver.di oder in öffentlichen Medien. Aus den Kreisen der vielen Gewerkschaftssekretär_Innen, von denen etliche in linken Organisationen wie DIE LINKE, IL oder marx21 politisch organisiert sind, ist kein Anflug einer Kritik zu hören, alle tragen brav die Entscheidung mit. Sie verwechseln die Disziplin innerhalb einer Arbeiter_Innenorganisation, beschlossene Aktionen auch gemeinsam durchzuführen, mit einer innerhalb eines Apparates gegen diese Organisation: In einer Phase, in der ein Abschluss diskutiert werden soll, vertreten diese „Hauptamtlichen“, wie sie sich selber nennen, die Linie der Spitze und bekämpfen die Kritik, die von der Basis geäußert wird. Das Gleiche gilt für die breite Masse der betrieblichen Spitzenfunktionär_Innen, der sogenannten Ehrenamtlichen, der linken wie der rechten.

Diese Einstellung der „Linken“ in der Struktur von ver.di ist verheerend. Sie führt erstens dazu, dass sich die Kritik aus der Basis nicht wirklich innerhalb der Gewerkschaft ausdrücken kann. Diejenigen, die innerhalb der Strukturen Funktionen innehaben, weigern sich, sich zum Sprachrohr der Kritik zu machen. Sie überlassen die Basis sich selbst und sind hauptverantwortlich dafür, wenn jetzt gerade kritische Kolleg_Innen den Laden verlassen. Zweitens sind damit auch die nächsten Niederlagen vorprogrammiert. Dies wird innerhalb von ver.di vor allem der ÖPNV sein mit den Tarifverträgen Nahverkehr. Für die ganzen schlechter und schwächer organisierten Beschäftigtengruppen ist das Signal, das ver.di gegeben hat, eine wirkliche Entmutigung.

Diese Verweigerung der Linken im ver.di-Apparat, sich zum Sprachrohr der kritischen Teile der Gewerkschaftsbasis zu machen, wird übrigens voll auch von der Partei DIE LINKE getragen. Der Vorstand hat bisher kein einziges Wort der Kritik veröffentlicht und damit gezeigt, dass die Partei in dieser Frage als Wasserträgerin des reformistischen ver.di-Apparates fungiert und null Unterschied zur SPD darstellt. Auf unterer Ebene der Linkspartei gab es kritiklosen Jubel (Niedersachsen), leichte Kritik (z. B. Oberhausen), aber auch kommunale MandatsträgerInnen, die sich von Anfang an mit Blick auf ihre Gemeindefinanzen gegen die Forderungen gestellt hatten.

Zurückbleiben

Aber auch die Gruppen und Organisationen, die Kritik an dem Abschluss üben, müssen sich fragen, ob ihre Antworten ausreichend sind. So ist das Bemühen, dem Abschluss noch etwas Gutes abzugewinnen, mehrfach problematisch: Erstens führt es zu falschen oder unzureichenden Schlussfolgerungen bezüglich der betroffenen Kolleg_Innen. Zweitens zu falschen Perspektiven für die weiteren Tarifrunden und alle Abwehrkämpfe gegen die Krise.

Erstens gehört es zum ABC jeglicher Verhandlung auf jeglichem Gebiet, dass auch weitergehende Forderungen aufgestellt werden, auf die im Laufe der Verhandlungen verzichtet werden kann. Frank Werneke beispielsweise hat ja sehr offen zum Thema Laufzeit erklärt, dass die Forderung nach einem Jahr nie ernst gemeint gewesen sei, „weil da ja dann Bundestagswahl“ wäre. Warum das nicht gehe, ist damit noch nicht erklärt, aber anschaulich dargestellt, wie die Spitzen der Bürokratie zur „demokratischen Beschlüssen“ stehen. Natürlich stellt auch die andere Seite weitergehende Forderungen als Verhandlungsmasse auf. Linke sollten daraus lernen, nicht Scheinerfolge zu preisen oder kleine Lichter im großen Schatten auszumachen.

Zum Zweiten ist es eine sehr gängige Methode bei Tarifabschlüssen, diese möglichst nicht nachrechenbar zu gestalten: Tariferhöhungen, die in die Lohnstruktur eingehen, werden mit Einmalzahlungen vermengt. Gerne können einzelne Positionen in einzelnen Bereichen zeitlich verschoben, manchmal können bestehende Zahlungen angerechnet werden. Das Ganze dann unterschieden nach Einkommenshöhe usw. Das lässt jede Menge Spielraum für Schönrechnerei.

Ver.di hat diesmal vor allem auf den Trick gesetzt, die Minderheit der Beschäftigten in Krankenhäusern besserzustellen gegenüber allen anderen, die Reallohnverlust erleiden werden.
Die Krankenhausbeschäftigten, die noch im öffentlichen Dienst arbeiten und für die der Tarif gilt, stellen übrigens auch nur die Minderheit der Gesamtbeschäftigten in diesem Sektor dar. Ver.di hat also als Preis für diese Abschlusskosmetik mit einer neuen Spaltungslinie bezahlt, mit einem hohen Frust bei der Masse der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und besonders bei denen, die an anderer Stelle im Gesundheitswesen arbeiten, zum Beispiel als Rettungssanitäter_Innen oder in den Gesundheitsämtern.

Es ist also ein Fehler für Linke, dies mit dem reinen Geldbeutelblick zu analysieren und als „gut für die einen, schlecht für die anderen“ zu befinden. Die Spaltung schwächt die gesamte Klasse, auch diejenigen, die noch ein paar Rosinen abbekommen. Sie ist vor allem schlecht in einer Zeit, in der die Klasse als Ganzes angegriffen wird und zwar nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch, wo dieser Angriff vom bürgerlichen Staat organisiert wird, aber auch von rechten PopulistInnen. Heute, wo es so bitter nötig ist, dass wir die Perspektive „uns als Klasse gemeinsam gegen Kapital und Staat zu wehren“ gegen nationalistische und rassistische Demagogie verbreiten, sind der Reallohnverlust und die Entsolidarisierung durch diesen Tarifabschluss politisch verheerend. Sie stellen genauso eine Spaltung der Klasse dar wie die Standortpolitik der IG Metall, die die Beschäftigten dazu erzieht, ihre Interessen auf Kosten der Leiharbeiter_Innen und der Kolleg_Innen bei der Konkurrenz im eigenen Konzern, in anderen Unternehmen oder in anderen Ländern zu sichern.

Die Halbherzigkeit in der Analyse, das Bemühen, auch da noch Licht zu sehen, wo keines ist, fällt im Grunde auf die Strickmuster der Bürokratie für Tarifabschlüsse und zugleich auf deren ökonomistische, unpolitische Herangehensweise herein. Das wird dann auch bei Schlussfolgerungen deutlich, die von den meisten Linken gezogen werden. Fast alle weigern sich, eine Niederlage zu erkennen, wo sie stattfindet. Aber aus Niederlagen muss man lernen. Das gilt für Linke ebenso wie für gewerkschaftliche AktivistInnen und die große Masse.

Die entscheidende Antwort auf eine Führung, die bewusst Niederlagen organisiert, ist der Kampf für eine neue!

Kritik von links auf halbem Wege

Dies formuliert am klarsten die VKG: „Festzuhalten ist: Zu einem solch umfassenden Kampf war die Gewerkschaftsführung offenbar nicht bereit, einen solchen wagen sie seit langem nicht mehr zu führen. Und von der Basis her gab es die große Druckwelle nicht, die den Apparat in diese Richtung unter Druck gesetzt hätte. Dies hängt auch damit zusammen, dass auf gesamtgewerkschaftlicher Ebene eine sichtbare klassenkämpferische Strömung fehlt, die für Unentschlossene eine Orientierungshilfe oder Ermutigung hätte sein können. Diese gilt es aufzubauen.“ Leider scheut sich auch diese Erklärung, eine Niederlage als das zu bezeichnen, was sie ist. Unsere GenossInnen im Koordinationskreis der VKG sind hier in der Minderheit geblieben.

Auch die Sol, ebenfalls Teil der VKG, fordert in ihrer Erklärung: „Nun geht es darum, eine kämpferische Opposition innerhalb von ver.di aufzubauen, um zukünftig wirkliche Verbesserungen zu erreichen.“

Die SAV, obwohl auch Teil der VKG, kann sich in ihrer eigenen Erklärung nicht dazu entschließen, eine Opposition in den Gewerkschaften als Perspektive anzugeben. Sie beschränkt sich darauf, von der Gewerkschaftsführung den Bruch mit der Großen Koalition und der SPD zu fordern: „Für eine solche politische Kampagne muss sich die Gewerkschaftsführung aber mit den Parteien in der Großen Koalition im Bund anlegen, anstatt der SPD bei den Wahlen weiter die Treue zu halten.“

Ja, sie kritisiert die ver.di-Führung nur dafür, eine „Gelegenheit verpasst“ zu haben, „Kämpfe zusammenzuführen und die nötige gesellschaftliche Antwort in diesen Zeiten zu geben und den Widerstand aufzubauen.“ Ob Werneke für solche guten Ratschläge ein offenes Ohr hat?

Olaf Harms in der UZ beschreibt sehr richtig, was politisch nötig wäre: der Kampf gegen Fallpauschalen und Privatisierung sowie für Arbeitszeitverkürzung (AZV): „Es gilt nun nicht nachzulassen, den gestiegenen Kampfgeist auch angesichts der offensichtlichen Widersprüche in dieser Krise zu nutzen, weiter zu diskutieren und zu kämpfen: Für mehr Personal, kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen. Eine Erhöhung des Personals in den Krankenhäusern ist entsprechend des tatsächlich vorhandenen Bedarfes mittels einer Personalbemessung notwendig. Mit den bestehenden Fallpauschalen ist das nicht zu machen – sie müssen weg. Nach der überfälligen Angleichung der Arbeitszeiten von Ost an West muss endlich die Forderung über eine grundlegende Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich verhandelt werden – 30 Stunden die Woche sind genug. Und es geht um den Kampf gegen Privatisierungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge.“

Aber er verschweigt, dass diese Forderungen und Ziele bewusst von der Führung aus dem Tarifkampf ausgeklammert worden waren: Die AZV war schon ein Beschluss des letzten Gewerkschaftstages. Dass die Privatisierung und die Fallpauschalen angegriffen werden sollten, dafür gab es Beschlüsse vor der Tarifrunde. Die Frage nicht aufzuwerfen, warum die Bürokratie, das verhindern wollte und verhinderte, heißt letztlich, deren Politik abzudecken und den Basisaktivist_Innen zu raten, einfach tapfer weiterzukämpfen, so wie es auch die reformistischen Führer_Innen der Gewerkschaften immer nach Niederlagen tun.

Auch RIO greift in ihrer ersten Stellungnahme einen richtigen Ansatz auf: Sie schlägt vor, von der Basis her die Ablehnung des Tarifergebnisses zu organisieren. „Das Verhandlungsergebnis muss von allen Beschäftigten abgestimmt werden und das Abstimmungsergebnis sollte mit einfacher Mehrheit für die Bundestarifkommission (BTK) und alle Gremien von ver.di bindend sein.“ In einem anderen Artikel wird gefordert: „Es braucht, besonders jetzt nach dem Tarifabschluss, demokratische Online-Versammlungen der Beschäftigten und ein Programm, um gewerkschaftlich Druck für weitere Kämpfe aufzubauen.“ Wie aber eine Bewegung der Basis in einer Organisation organisiert werden soll, deren Organisationsstrukturen von der Bürokratie beherrscht werden, sagt RIO nicht – auch wenn sie generell eine scharfe Kritikerin der Bürokratie ist. Der Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung kann aber nicht mit einer spontanen Bewegung von unten gleichgesetzt werden, insbesondere wenn jeder Spontaneismus von Corona gedämpft wird.

Bleiben noch die Stimmen aus dem postautonomen Spektrum. Im AK schrieben Daniel und Lisa (IL) noch vor dem Abschluss zu Recht, dass „es sich bei den aktuellen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst um eine Schlüsselauseinandersetzung in den heraufziehenden Verteilungskämpfen um die Finanzierung der Krisenkosten handelt. Ihre politische Bedeutung geht jedoch über eine bloße Umverteilung von Geldern hinaus, denn diese Tarifrunde ist auch ein feministischer Kampf: Sie betrifft wichtige Bereiche des öffentlich verwalteten gesellschaftlichen Reproduktionssektors.“ Aber schon da verzichteten sie darauf, die Führung dieser Tarifrunde durch ver.di auch nur mit einem Wort an dieser politischen Erkenntnis zu messen. Vielmehr wird die Unverschämtheit der Arbeit„geber“_Innen beklagt und ver.di noch für den „Gesundheitstisch“ gelobt. Dabei war schon damals klar, dass dieser keineswegs die ursprünglichen, schon fallengelassenen Forderungen nach Privatisierung, Abschaffung der Fallpauschalen, Personalbemessungsschlüssel verfolgen würde, sondern die Spaltung der ÖD-Belegschaften vorbereitete.

So fokussiert der Artikel auf die Bewusstseinserweiterung der Beschäftigten:

„Wir haben es den erfolgreichen Kämpfen der letzten Jahre zu verdanken, dass es überhaupt zu einem Konflikt kommt und ver.di eine Nullrunde – und damit den Einstieg in die nächste Runde Austeritätspolitik – nicht einfach akzeptiert. Auch dass der Widerspruch zwischen Dankbarkeit und materieller Anerkennung so deutlich zutage tritt, ist ein Erfolg der vergangenen Kämpfe von Krankenhausbeschäftigten. Es ist unsere Aufgabe als radikale Linke, genau in diese Widersprüche zu intervenieren und uns mit den Beschäftigten aktiv zu solidarisieren.“ Also ver.di ist irgendwie scheiße und hätte am liebsten ’ne Nullrunde akzeptiert, aber wir haben keine politische Kritik daran, solidarisieren uns mit den Beschäftigten, helfen ihnen aber nicht gegen die Bürokratie. Das ist eine „radikale Linke“ so recht nach dem Geschmack von Frank Werneke.

Ähnlich die RAS aus Stuttgart. Ihre Unterorganisation „Solidarität und Klassenkampf“ benennt in ihrer Analyse viele der Schwachstellen des Ergebnisses und geht von einer starken Ablehnung dessen aus: „Deshalb fordern wir auch alle Beschäftigten auf, bleibt ver.di Mitglieder! Nichts wäre falscher, als auszutreten und unsere Kampfkraft zu schwächen.“ (https://solidaritaet-und-klassenkampf.org/2020/10/ein-respektables-ergebnis-oder/) Aber der Vorwurf der Schwächung wird keineswegs an die Führung gerichtet und es wird auch kein Kampf gegen diese propagiert jenseits dessen, das Ergebnis in Abstimmungen abzulehnen.

Das Fehlen einer expliziten Kritik am Vorgehen des Apparates in Verbindung mit der Perspektive, dass die Beteiligung an den Streiks nur größer werden müsste, um mehr Druck auf die Arbeit„geber“_Innenseite aufzubauen, um ein besseres Ergebnis zu erzielen, bedeutet: Es wird letztlich die Schuld der Gewerkschaftsbasis in die Schuhe geschoben, die halt noch nicht so weit sei.

Stattdessen sollen die Unzufriedenen für den Sozialismus kämpfen: „Wir wollen aber mehr als die Gewerkschaften. Uns geht es nicht nur um ein paar Prozente mehr oder weniger, sondern um ein grundlegend anderes System.“ Der Weg dahin ist natürlich „lang“. Deshalb tut es auch den reformistischen Bürokrat_Innen nicht weh, wenn die Genoss_Innen der RAS ihnen heute brav keine Steine in den Weg legen.

Hoher Aktivismus, wie ihn die RAS und ihr Umfeld an den Tag legen, ist gut. Aber er ist kein Mittel um die rechten, prokapitalistischen Positionen des Gewerkschaftsapparats zu bekämpfen. Einflussnahme der Basis, wie sie RIO propagiert, ist nötig im Kampf gegen die Bürokratie, aber sie braucht noch Organisierung unabhängig von jener und ein entsprechendes politisches Kampfprogramm. Die VKG und die darin aktiven Gruppen haben den Schritt gemacht, die aktuellen Kämpfe mit dem permanenten Eintreten für den Aufbau einer antibürokratischen Opposition in den Gewerkschaften zu verbinden.

Es sind Auseinandersetzungen wie dieser Tarifkampf, die aufzeigen, was das Ziel einer solchen Opposition sein muss: Eine Verankerung in den Betrieben aufzubauen und eine Struktur, die das Monopol der Bürokratie in der Propaganda und der Aktion durchbrechen kann: eine klassenkämpferische Basisbewegung.

Wir wenden uns an alle kritischen und unzufriedenen Kolleg_Innen genauso wie an die Organisationen der radikalen Linken, die diesen Abschluss kritisch bewerten: Zieht die entscheidende Konsequenz aus dieser Niederlage: Bauen wir gemeinsam die VKG auf, bündeln wir unsere Kräfte gegen die Bürokratie und führen wir eine solidarische Debatte, um unsere Differenzen zu klären!




Damals wie heute: der Kampf von Luxemburg, Liebknecht und Lenin gegen den Reformismus

Lenin, Liebknecht und Luexmburg, drei der bedeutendsten Revolutionäre des 20. Jahrhunderts

Vor 95 Jahren, am 15.01.1919, wurden Rosa Luxemburg und Karl-Liebknecht von einem rechtsextremen „Freikorps“ ermordet. Jährlich gedenken tausende Revolutionär_innen, Linke und Internationalist_innen mit der sog. „LL-Demo“ diesen historischen Persönlichkeiten, die sich Zeit ihres Lebens gegen Kapitalismus, den kapitalistischen Staat und imperialistischen Krieg und für eine sozialistische Gesellschaft und eine proletarisch-demokratische Wirtschaft einsetzten. Später wurde diese LL-Gedenkdemonstration durch ein „L“ – das für Lenin steht – ergänzt. Dieser starb 1924 an den Folgen eines Terroranschlags der Sozialrevolutionären Partei.

Aber wer waren diese Personen und unter welchem Hintergrund fand ihr politisches Wirken statt? Diesen Fragen wollen wir in diesem Artikel nachgehen.

Die Degeneration der Sozialdemokratie und der 1. Weltkrieg

Im August 1913 beschloss die Sozialistische (Zweite) Internationale – ein internationaler Zusammenschluss der Sozialdemokratischen Parteien – am Vorabend des drohenden Weltkrieges entschlossen gegen jede Mobilisierung und Kriegsanstrengungen der kapitalistischen Länder vorzugehen. Sie beschlossen, die Umwandlung des imperialistischen Kriegs in einen Bürgerkrieg zu propagieren. Dieser würde die Folge der Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse sein. Der Krieg sollte durch Massenaktionen wie Generalstreik und Besetzungen verhindert werden, welche mit der Reorganisation der Gesellschaft durch Gründung von Streik- und Soldatenräten sowie Produktions- ,Konsum- und Verwaltungsgenossenschaften einhergehen sollten.

Jedoch vollzog sich schleichend eine Verbürgerlichung der praktischen Politik und Führung der einzelnen sozialdemokratischen Parteien, auch wenn auf dem Papier weiterhin der Sozialismus durch soziale Revolution gepredigt worden ist.

In Russland argumentierte der rechte Flügel wie Akimov, Kritschewski und Martynow – um das Propagandaorgan „Rabotscheje Delo“ (Arbeiterbelang)- die Möglichkeit der spontanen Entwicklung des revolutionären Bewusstseins durch legalistische, rein-gewerkschaftliche Praxis, theoretisches Zirkelwesen und lose Parteinetzwerke. Der linke Flügel um Lenin, Plechanow und Axelrod – welche die Zeitschrift „Iskra“ (Funke) publizierten – kämpfte für eine konkrete Praxis, die sich aus legaler wie konspirativer Arbeit zusammensetzte, jedoch immer die konkrete Arbeit mit dem revolutionären Sturz der feudal-kapitalistischen Herrschaft verband. Dafür sei eine zentralisierte Partei und Vorfeldstrukturen notwendig.

Eduard Bernstein – einer der bedeutendsten ideologischen Begründer des Reformismus der SPD und politischer Feind Rosa Luxemburgs, die ihn u.a. in Schrifen wie „Sozialreform oder Revolution“ widerlegte.

In Deutschland griff Bernstein mit seinem 1899 veröffentlichen Artikel „Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie“ die Grundlagen des marxistisch-revolutionären Parteiprogramms an und argumentierte, dass die kapitalistische Entwicklung – entgegen der marxschen These von Kapitalkonzentration, Krisen und Kriegen – mit der Verbesserung der sozialen Lage der Gesellschaft, also auch der Arbeiterklasse und einer Entwicklung der demokratischer Rechte einhergehe. Im Bunde mit dem liberal-demokratischen Bürgertum sei für die Arbeiterklasse der Übergang zum Sozialismus durch reine Reformen möglich und Radikalismus deshalb schädlich.

Diese ideologische Richtung des Reformismus fand in den Schriften Bernsteins jedoch nur ihren Ausdruck. Eine reformistische Praxis, zunächst in den Gewerkschaften, schlich sich bereits früher ein. Nachdem die frühkapitalistische Phase abgeschlossen war und die imperialistische Phase begann (siehe hierzu „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ von Lenin, Anm. d. Red.), wurden durch Ausbeutung anderer Länder Extraprofite freigesetzt, die es erlaubten, gezielten Kreisen der Facharbeiterschaft soziale und politische Zugeständnisse zu machen. Dies traf vor allem auf die intellektuelle Elite der SPD, den Parteiapparat und die Funktionäre der Gewerkschaften zu. Diese Kreise entwickelten sich von einem kämpferisch-avantgardistischen Milieu zu einer bürokratisch-versöhnlerischen Schicht – derArbeiterbürokratie – und sahen ihre Rolle nicht mehr im Kampf für Arbeitermacht und Formierung der neuen proletarischen Staatsgewalt, sondern in erfolgreichen Verhandlungen und der Eroberung von Staatsposten im bürgerlich-aristokratischen Staatsapparat.

Die Strömung innerhalb der Sozialdemokratie, welche auf einen versöhnlerischen, rein reformistischen Kurs drang, wurde bald als reformistisch bzw. revisionistisch bezeichnet. Ihnen gegenüber standen die Revolutionäre. Die beiden Strömungen entwickelten sich immer stärker auseinander. Die Entwicklung eines „Marxistischen Zentrums“ um Karl Kautsky, welches zwischen den beiden Positionen vermitteln wollte, erschwerte nur diesen klaren Lösungsprozess und half den Reformisten schleichend die Partei und damit die Führung der Arbeiterklasse vieler Länder zu übernehmen. Diese arrangierten sich schließlich mit ihren einstigen Feinden. Und dies in einer Situation, wo die kapitalistischen Länder die Welt untereinander aufgeteilt hatten, keine neuen Märkte erobert werden konnten und jede weitere Expansion einen globalen Krieg und Millionen von Toten Arbeitern und Bauern bedeuten musste.

Arbeiter grüßen zum „Burgfrieden“ Kaiser Wilehlm den II. – am Rande der Postkarte steht „Ich kenne keine Parteien mehr“

Mit dem Beginn des 1. Weltkrieges im August 1914 verletzten die Führungen die Prinzipien ihrer Partei und Klasse von internationaler Solidarität und unterstützten ihre nationalen Bourgoisien in ihren imperialistischen Aggressionen. Mit der Verkündung des „Burgfriedens“ und der Bewilligung der Kriegskredite 1914 zerbrach die 2. Internationale und die internationale Klassensolidarität. Der Sturm nationaler Euphorie und die Paralyse der Arbeiterklasse musste erst nach der grausamen Kriegserfahrung und Millionen von Toten aufgebrochen werden.

International lösten die erfolgreiche Russische Revolution im Oktober 1917, der Sieg der Kommunisten und der sofortige Friedenschluss ein Signalfeuer in ganz Europa aus.

Die deutsche Admiralität will dem Gegner nicht die Deutsche Flotte nach der Niederlage überlassen. Matrosen meutern in Wilhelmshafen. Sie weigern sich ihr Leben zu Opfern, um die Flotte ein letztes mal vor Kriegsende gegen die britische Flotte zu schicken, um im Kampf unterzugehen.

Seit August 1918 häuften sich auch in Deutschland Fahnenflucht und Streiks, die im November 1918 in einen Aufstand der Soldaten, Matrosen und Arbeiter_innen gipfelten (Novemberrevolution). Soldaten- und Arbeiterräte und –milizen wurden gebildet. Der Staat und das Militär wurden handlungsunfähig.

Die SPD wurde von den Ereignissen überrollt. Der parteiinterne Widerstand gegen ihren pro-kapitalistischen Kurs wuchs an. Die Jugendverbände hatten sich politisch von ihrer Partei distanziert und organisierten mit der Parteilinken um Luxemburg, Liebknecht, Mehring und Zetkin eine innerparteiliche Opposition.

Der Kaiser wurde abgedankt, um eine Radikalisierung der Bewegung zu bremsen. Scheidemann – der Liebknechts Proklamation der „Freien sozialistischen Republik“ zuvorkommen wollte – rief die „deutsche Republik“ aus.

Friedrich Ebert, Vorsitzender der SPD und Begründer der Kooperation mit der Obersten Heeres Leitung (OHL) um die Rechtsmonarchisten von Hindenburg und Ludendorf, argumentierte:„ Wenn der Kaiser nicht abdankt, dann ist die soziale Revolution unvermeidlich. Ich aber will sie nicht, ja, ich hasse sie wie die Sünde.“

Durch den Pakt der SPD mit der OHL hatten die Kapitalisten und Konservativen noch ein Ass im Ärmel. Während die SPD sich an die Spitze der Arbeiter- und Soldatenräte stellte und die Revolution bremste, nahm sie durch den Rat der Volksbeauftragten die Funktion einer provisorischen Regierung ein und benutzte diverse „politisch zuverlässigen“ Reichswehreinheiten
gegen jede politische Opposition aus ihrer eigenen Basis.

In den Jahren 1918 und 1919 liquidierte die SPD, Polizei, Reichswehr und Freikorps geschätzte 3.000 bis 5.000 Arbeiter_innen durch direktes militärisches Einwirken oder individuellen Mord zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung der Ausbeuter.

Der Kampf gegen den Reformismus und Imperialismus

Rosa Luxemburg – vor einer Versammlung des Spartakusbundes redend, eine der Vorgängerorganisationen der „Kommunistischen Partei Deutschlands“, die am 1.Januar 1919 geründet wurde.

Rosa Luxemburg und Wladimir Uljanov Lenin verfassten etliche Beiträge gegen den rechten reformistischen Flügel der Sozialdemokratie. Luxemburg widerlegte Bernsteins ökonomische Analyse und ihre politischen Schlussfolgerungen der systemimmanenten Reformarbeit:

„Und zwar ist die jeweilige gesetzliche Verfassung bloß ein Produkt der Revolution. Während die Revolution der politische Schöpfungsakt der Klassengeschichte ist, ist die Gesetzgebung das politische Fortvegetieren der Gesellschaft. Die gesetzliche Reformarbeit hat eben in sich keine eigene, von der Revolution unabhängige Triebkraft, sie bewegt sich in jeder Geschichtsperiode nur auf der Linie und solange, als in ihr der ihr durch die letzte Umwälzung gegebene Fußtritt nachwirkt, oder, konkret gesprochen, nur im Rahmen der durch die letzte Umwälzung in die Welt gesetzten Gesellschaftsform. Das ist eben der Kernpunkt der Frage.

Es ist grundfalsch und ganz ungeschichtlich, sich die gesetzliche Reformarbeit bloß als die ins Breite gezogene Revolution und die Revolution als die zusammengedrängte Reform vorzustellen. Eine soziale Umwälzung und eine gesetzliche Reform sind nicht durch die Zeitdauer, sondern durch das Wesen verschiedene Momente. (…)

Wer sich daher für den gesetzlichen Reformweg anstatt und im Gegensatz zur Eroberung der politischen Macht und zur Umwälzung der Gesellschaft ausspricht, wählt tatsächlich nicht einen ruhigeren, sicheren, langsameren Weg zum gleichen Ziel, sondern auch ein anderes Ziel, nämlich statt der Herbeiführung einer neuen Gesellschaftsordnung bloß unwesentliche Veränderungen in der alten. So gelangt man von den politischen Ansichten des Revisionismus zu dem selben Schluss, wie von seinen ökonomischen Theorien: dass sie im Grunde genommen nicht auf die Verwirklichung der sozialistischen Ordnung, sondern bloß auf die Reformierung der kapitalistischen, nicht auf die Aufhebung des Lohnsystems, sondern auf das Mehr oder Weniger der Ausbeutung, mit einem Worte auf die Beseitigung der kapitalistischen Auswüchse und nicht des Kapitalismus selbst abzielen.“

(Rosa Luxemburg, „Sozialreform oder Revolution?“, S.86f.)

Die Beseitigung der Auswüchse des kapitalistischen Systems kann jedoch auf der selbigen Grundlage nicht beseitigt werden. Krisen und Kriege gehören ebenso zum Kapitalismus wie Repression und Revolutionen. Hier hat Luxemburgs marxistische Theorie zum Nachweis kapitalistischer Krisetheorie beigetragen. Lenin bekämpfte den reformistischen Flügel in Russland wie auf internationalem Parkett hart. Er steuerte viele Beiträge zu Praxis und Theorie bei, sei es zum marxistischen Staatsverständnis und der Notwendigkeit eines revolutionären Sturzes in seinem berühmten Werk „Staat und Revolution“, zu Aufgaben und Ausrichtung der Arbeiterpartei („Was tun?“), „DerImperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ oder des Kampfes gegen den Reformismus und Zentrismus („Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky“, Zentrismus bezeichnet eine zwischen Reform und Revolution schwankende Position, Anm. d. Red.).

Karl Liebknecht

Karl Liebknecht gehörte ebenfalls wie Luxemburg zur Parteilinken und war überdies Mitglied der SPD-Parlamentsfraktion. Er verfasste gute Beiträge gegen den Militarismus und Imperialismus („Militarismus und Anti-Militarismus“, „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“), war glühender Anhänger einer starken revolutionären, unabhängigen Jugendbewegung und Jugendinternationale und verteidigte den nationalen Befreiungskampf gegenüber imperialistischen Staaten („Nationale Selbstbestimmung und Selbstverteidigung“).

Formierung des politischen Widerstandes und der neuen revolutionären Arbeiterpartei

Liebknecht ruft am 09. November im Tiergarten die Räterepublik aus…

Während Lenin und die russische Sozialdemokratie diese Entwicklung vorhersahen, den parteiinternen Kampf führten und eine revolutionäre, sozialdemokratische Massenpartei vor der Revolution formierten, hielt die deutsche Linke bis 1916 an der SPD als Partei der Arbeiterklasse fest. Obwohl sie bereits 1914 eine innerparteiliche Opposition aufbauten, die sich gegen den imperialistischen Krieg aussprach („Gruppe Internationale“), brachen sie erst 1917 mit der SPD und konstituierten sich als Linker Flügel der „Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ (USPD) als „Gruppe Spartakus“, später als „Spartakusbund“.

Als im November 1918 die deutsche Revolution begann und die USPD mit der SPD die provisorische Regierung formierte („Rat der Volksbeauftragten“) erinnerte dies stark an die provisorische Regierung nach der Russischen Revolution im Februar 1917 („Februarrevolution“, im Oktober 1917 folgte die sozialistische „Oktoberrevolution“, Anm. d. Red.). Die USPD schwankte zwischen Revolution und Verteidigung der bestehen Ordnung und sah die neuen Macht- und Staatsstrukturen, welche die Arbeiter- und Soldatenräte waren, lediglich als Kontrollorgane des bürgerlichen Staates. Auch in Wirtschaftsfragen waren sie geprägt von sozialistischen Phrasen und einem Ausgleich zwischen Arbeiter_innen und Kapitalisten, während die SPD und die Reichswehr Rat um Rat und Miliz um Miliz zerschlug und die alte Ordnung wiederherstellte.

Die Gründung der KPD durch den kommunistischen „Spartakusbund“ und den „Internationalen Kommunisten Deutschlands“ (IKD) war eine wichtige und richtige Entscheidung, um in der letzten Phase der Revolution die besten Kräfte zu sammeln und eine politische Alternative zur Unfähigkeit der USPD und Verrat der SPD aufzubauen. Diese Entscheidung war jedoch – im Gegensatz zur russischen Entwicklung – bereits zu spät. Obwohl die Partei schnell wuchs, war die Zeit zu kurz um wichtige zentrale Fragen und Reifungsprozesse zu durchleben, wie das Verhältnis von legaler Arbeit zu Aufstand und Untergrund, Zentralismus zu Parteidemokratie sowie Einheitsfront zu Wahrung des politisch unabhängigen Profils.

…wenige hundert Meter weiter rufen die Verräter der Revolution mittels Scheidemann (SPD) die parlamentarische Republik aus. Wenige Wochen später beginnen sie die Arbeiter- und Soldatenräte zu entmachten und lassen mehrere tausend aufständische Arbeiter erschießen!

Ohne eine revolutionäre Führung und erfolgreicher Aufstände führten der Rätekongress und die Nationalversammlung in Richtung bürgerlichem Parlamentarismus und Kapitalismus. Parallel hetzte die konservative sozialdemokratische Presse gegen die Linken und rief zu Mord bzw. zur „Stunde der Abrechnung“ auf („Vorwärts“, SPD-Parteizeitung). Die sog. „Freikorps“ wurden zur Zerschlagung der Arbeiterräte, Arbeiterrepubliken oder –milizen bewaffnet, finanziert von Reichswehr, SPD, der Wirtschaft (u.a. der Deutschen Bank) und der rechtsextremen „Antibolschewistischen Liga“, die sogar Prämien für Morde an führenden Kommunisten auszahlte. Ermuntert griff die Reaktion erbarmungslos an und ermordete führende Kommunisten wie Levine, Muhsam, Landauer, Jogiches.

Liebknecht und Luxemburg wurden am 15. Januar 1919 von der Garde-Schützen-Kavalleriedivison unter Kommando des Generalmajors W. Papst in „Schutzhaft“ genommen, gefoltert, freigelassen sowie „auf der Flucht“ von Hinten
erschossen und in den Landwehrkanal entsorgt. Dazu notierte Papst in seinem Nachlass:

„Daß ich die Aktion ohne Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte – mit Ebert im Hintergrund – und auch meine Offiziere schützen musste, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Ich habe als Kavalier das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“

Nach der Identifizierung der Leichen erfasste ein Sturm der Entrüstung die SPD-Basis, die breite Arbeiterklasse und die gesamte sozialistische Linke. Viele Politiker, u.a. der Parteifreund Leo Jogiches setzten sich energisch für die Aufklärung der Tat ein. Dieser wurde jedoch daraufhin selbst Opfer eines Mordes. Nach bürgerkriegsähnlichen Arbeiteraufständen wurden die Freikorpssoldaten Runge und Souchon vor das Kriegsgericht gestellt, jedoch ihre Anklage gegen geringe Haft- und später Geldstrafen eingestellt bzw. gedeckt und aus Deutschland geschleust. W. Pabst – der Kommandant der Mordeinheit – wurde nicht angeklagt.

Damals und Heute!

Luxemburg-Liebknecht-Lenin Demonstration 2011 in Berlin

Wir von der internationalen kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION gehen nicht auf die LLL-Demontration, weil wir einen traditionalistischen Personenkult pflegen wollen, sondern weil den Leistungen und (Lebens-) Opfer dieser Menschen ehren wollen. In dem Kampf gegen die rechte Degeneration der Sozialdemokratie, die wir bis heute von Hartz 4 über Afghanistaneinsatz bis hin zu Hungerlöhnen spüren, spielten Luxemburg, Liebknecht und Lenin eine herausragende Rolle.

Egal ob die Kritik am Verrat der Sozialdemokratie, der Jugendunterdrückung und Ausbildungsmisere, dem Kampf für demokratische Rechte, gegen Angriffskriege, Nationalchauvinismus oder utopischen Pazifismus – die heutigen Krisen und Kriege, die Führungs- und Selbstführungschwäche der Arbeiterklasse beweisen, dass ihre Analyse, Kritik und Schlussfolgerungen immer noch höchst aktuell und ein wichtiger Bestandteil revolutionären Wirkens heute sind und sein müssen.

Daher gilt damals wie heute:

  • Kampf dem Kapitalismus und Liberalismus!
  • Kampf dem Imperialismus und für nationale Selbstbestimmung und -verteidigung!
  • Kampf für Frauenbefreiung und Freiheit der Sexualität!
  • Kampf für Jugendbefreiung und Jugendinternationale!
  • Kampf dem Reformismus und Stalinismus!
  • Kampf für Marxismus und revolutionäre Internationale!
  • Kampf für Basisbewegung und revolutionäre Gewerkschaften!
  • Kampf für Arbeitermacht, globale Revolution, Rätestaat und sozialistische Weltrepublik!

Ein Artikel von Ernesto, REVOLUTION-Hamburg




Berliner S-Bahn: Krise geht in die nächste Runde

ein Kommentar von Felix Wolkenfuß

Kein November ohne ordendliche S-Bahnkrise. Doch wer nun denkt, dass die sich dieses Mal wieder auf kappute Räder zurückführen ließe, der irrt. Das bleibt vorraussichtlich dem Dezember vorbehalten. Anstelle der üblichen Mängel tritt jetzt ein ganz neues Übel auf den Plan.

Die angebliche Arbeiterpartei SPD und die berliner CDU haben in ihren Koalitionsverhandlungen eine neue Möglichkeit zum Kaputtsparen entdeckt: Die privatisierung der berliner S-Bahn. Beginnen soll der ganze Spaß mit der Ringbahn und den Strecken im Südosten der Stadt. Auf diesen Strecken fahren rund ein viertel der berliner Züge. Diese sollen jetzt europaweit ausgeschrieben werden.

Was soll denn das heißen?

Ganz einfach: Für die Kolleg_innen die dort arbeiten heißt dies erstmal, dass nicht garantiert werden kann, dass sie ihren Job in den nächsten Jahren noch behalten, oder zu welchen Bedingungen sie dort arbeiten müssen.

Für Fahrgäste bedeutet dies in erster Linie noch höhere Fahrpreise und schlechterer Service, ganz zu schweigen von noch schlechterem Chaosmanagement, sowie dem ausbluten der öffentlichen Kassen durch weiteren Subventionszwang.

Wieso machen die das dann?

Dass die CDU scheiße ist, wissen wir alle, und auch bei der SPD hat man nur noch selten Hoffnung, was den politischen Stil angeht. Was jedoch diesmal besonders pikant rüberkommt ist, dass sich der SPD-Landesparteitag 2010 noch gegen eine Zerschlagung der S-Bahn ausgesprochen hatte und den Kolleg_innen versprach es nicht soweit kommen zu lassen. Ein weiteres reformistisches Märchen und ein Schlag ins Gesicht aller Mitarbeiter_innen des öffentlichen Nahverkehrs.

Was tun?

Ausgefuchst wie wir nun mal sind, sammeln wir bereits seit Sommer zusammen mit anderen Gruppen und den Verkehrsgewerkschaften EVG und GDL Unterschriften für ein Volksbegehren. Ziel dessen soll die Erhaltung und Sanierung des Betriebs sein, die nicht auf Kosten des Personals oder der Fahrgäste gehen darf.

Daher unterstütze auch du das Volksbegehren “Berliner S-Bahn-Tisch” und sammle Unterschriften. Noch bis Mitte Dezember haben wir Zeit 20.000 Unterschriften zusammenzukriegen und wir sind mit bisher gesammelten 16.000 auf einem guten Weg. Also ran da!

Website: http://www.s-bahn-tisch.de/




Die Gewerkschaft – vom Sozialpartner zum Klassenkämpfer

Gewerkschaft… Ein starkes Wort! Und da ist auch was dran. Gewerkschaften sind noch immer die mächtigsten Organisationen, die der Arbeiterklasse im Kampf gegen ihre Unterdrücker zur Verfügung stehen, weltweit sind Millionen von Kolleg_innen in ihnen Organisiert. Aber müsste die Gesamtsituation der abhängig Beschäftigten dann nicht eigentlich viel besser aussehen?

Ein Exkurs…

Die kollektive Diskussion über Arbeitsbedingungen und mögliche Verbesserungen ist bereits sehr alt. Bereits am 4. November 1159 vor Chr. legten ca. 40 Arbeiter die Werkzeuge nieder und begannen zu streiken, da sich ihr Arbeitgeber Ramses III. wiederholt geweigert hatte, den Kollegen ihren Lohn zu zahlen. Unter dem Motto „Wir haben Hunger!“ organisierten sie eine Demonstration zum nächsten Tempel. Der Konflikt dauerte zwar einige Zeit, im Endeffekt bekamen die Kollegen jedoch ihr Getreide voll ausbezahlt.

Wie man sich unschwer vorstellen kann, wurden in Europa Arbeitskämpfe erst viel später geführt. Auch die Organisierung von Handwerkern wie Webern, Hafen- und Metallarbeitern fand erst viel später statt und zeigte sich im 14. Jahrhundert zunächst in Form von Gilden, die als Keimform der modernen Gewerkschaft gesehen werden können.

Und dann?

Im Zuge der Industrialisierung und dem Siegeszug der bürgerlichen Gesellschaft, begann die Arbeiterklasse als funktionelle Klasse an Bedeutung zu gewinnen. Immer mehr entwickelte sich die feudale Gesellschaft zu einer kapitalistischen, in der zwei neue gesellschaftliche Klassen in Konflikt standen: Die Arbeiterklasse und die Kapitalisten – heute auch oft Arbeitnehmer und Arbeitgeber genannt.

Die allgemeine Funktionsweise der kapitalistischen Wirtschaft ist die, dass einer (der Kapitalist) eine Fabrik besitzt und viele Leute nichts besitzen. Daher müssen sie bei dem Typ mit der Fabrik arbeiten, um sich Geld für Essen zu verdienen. Und hier wird´s lustig: Während die Arbeiterklasse logischerweise so viel Geld wie möglich für ihre Arbeit haben will, will der Typ mit der Fabrik logischerweise so wenig wie möglich bezahlen, um mehr Profit mit der Arbeitskraft seiner Angestellten zu machen. Dieser “Klassengegensatz” ist der wichtigste, wenn man verstehen will, wieso wir Gewerkschaften brauchen.

Was ist eine Gewerkschaft?

Die Gewerkschaft ist, wie bereits erwähnt eine Kampforganisation der Arbeiterklasse, um für ihre Bedingungen und Anliegen im Betrieb zu kämpfen. Ihre Existenz ist zwingend erforderlich um Mindestlöhne, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgeld und andere grundlegende ökonomische Forderungen der Arbeiter_innen durchzusetzen. Getreu nach dem Motto: “Allein machen sie dich ein – gemeinsam sind wir stark!” Kein Wunder also, dass die gewerkschaftliche Organisation von Arbeiter_innen in Kapitalistenkreisen nicht gerne gesehen wird. Aus diesem Grund mussten im 19. Jahrhundert viele Gewerkschafter in der Illegalität arbeiten, viele wurden verfolgt und umgebracht, in vielen Ländern der Welt ist das heute noch so.

Wir können also Festhalten: Gewerkschaften führen den ökonomischen Kampf der Arbeiterklasse.

Aber wieso kämpfen die Gewerkschaften denn nicht mehr richtig? Wann gab es in der BRD mal einen Generalstreik, um staatliche oder privatwirtschaftliche Angriffe auf unsere Lebensbedingungen abzuwehren? Wieso werden immer mehr Tarifverträge abgeschlossen, deren Lohnerhöhung hinter der Inflationsrate zurückbleibt?

Wem gehört die Gewerkschaft?

Gewerkschaften haben heutzutage einen erheblichen Mangel an innerer Demokratie. Die Politik in ihnen wird heutzutage nicht mehr von der Basis bestimmt, sondern von einer Bürokratenkaste aus Hauptamtlichen, Betriebsratsfürsten und Vorsitzenden. Diese Leute nennen wir “Gewerkschaftsbürokratie” und sie sind – wie es der Zufall so will, fast ausschließlich sozialdemokratische Reformisten, die die Gewerkschaft für ihre eigenen politischen und sozialen Interessen missbrauchen. Ohne Scham machen sie mit ihrer verräterischen Politik die Gewerkschaften zu zahnlosen Vertretungen, die sich weder staatlichen Angriffen auf die Rechte und Errungenschaften der Arbeiterbewegung, wie damals bei der Agenda 2010 oder gegen Lohnkürzungen und Entlassungen im Betrieb nicht bzw. unzureichend in den Weg stellen. Es bleibt bei schmierigen Sonntagsreden von Vorstandsmitgliedern, wie dem SPD-Mitglieds und DGB-Vorsitzenden Michael Sommer.

Auch bei Tarifverhandlungen ist heute die “vertrauensvolle Zusammenarbeit” mit dem Arbeitgeber oberstes Gebot. Anstatt einen Betrieb Mal so richtig lahmzulegen, werden nach 2-3 Verhandlungsrunden faule Kompromisse geschlossen, die oft sogar zu Reallohnverlusten führen, ohne das es überhaupt einen Streik gegeben hätte. Oft kann man die Vorsitzenden der Gewerkschaften nach ihrer Amtszeit auf der Gehaltsliste des Arbeitgebers wiederfinden. Ein Schelm, wer da böses denkt.

Diese Gründe sind es auch, die dafür sorgen, dass immer mehr Kolleg_innen den Gewerkschaften ihren Rücken zukehren. In Deutschland sank der gewerkschaftliche Organisierungsgrad von 34,2% im Jahr 1960 auf 21,6% im Jahr 2000. Tendenz: weiter Sinkend!

Politik machen! Nur, geht das so einfach?

Viele aufrechte Kolleg_innen sind sich im klaren darüber, dass Gewerkschaftsarbeit wichtig ist. Gerade in Zeiten, in denen die wirtschaftliche Situation immer öfter ins Wanken gerät, ist es unabdingbar für Veränderungen einzutreten. Dafür stehen dem aktiven Gewerkschafter diverse Gremien offen. Leider muss man dazu anmerken, dass die diversen Ausschüsse leider allzu oft von der Bürokratie ausgebremst oder kontrolliert werden. Viele junge Aktivist_innen sind daher oft desillusioniert. Sie konzentrieren sich oft mit Leib und Seele auf ein Thema und versuchen diverse Aktionen zu organisieren, bis im Endeffekt von Oben ein „Nein“ oder einfach gar keine Reaktion kommt.

Diese Vorgehensweise ist jedoch kein Zufall! Politisch nicht gewünschte Beschlüsse der Basis werden solange ignoriert oder bleiben auf der To-Do-Liste stehen bis es entweder zu Spät ist oder sich ein höher stehendes Gremium doch dazu durchringt andere Dinge zu priorisieren.

Natürlich gibt es auch positive Beispiele für Gremienarbeit, um wirklich dauerhaft erfolgreiche Arbeit zu leisten, bedarf es jedoch einer weitergehenden Vernetzung und Organisation.

Allein machen sie dich ein…

Viele jugendliche Gewerkschaftsmitglieder sind von dem Opportunismus der Bürokraten angewidert und wollen etwas gegen sie unternehmen. Möglichkeiten dazu gibt es viele. Bereits in deiner Ortsjugendgruppe oder in deiner Betriebsjugendgruppe kannst du eine Menge tun. Viele deiner Kolleg_innen denken sicherlich genauso über die Hauptamtlichen und haben sich vielleicht einfach noch nicht getraut den Mund aufzumachen. Diskutiert eure Kritikpunkte untereinander und macht euch Gedanken, wie ihr eure Gewerkschaft selber gestalten würdet. Was wären die Punkte, die euch wichtig wären? Wenn ihr zum Anfang 2 oder 3 Kolleg_innen seid, ist das schon Mal ein guter Anfang. Vielleicht habt ihr Lust eine Veranstaltung für weitere Interessierte zu organisieren, ein unabhängiges Gewerkschaftsflugblatt herauszubringen oder euch als Gruppe auf Grundlage eines Aktionsprogramms aufzustellen…

Gewerkschaften zurückerobern!

Wie gesagt, du bist nicht der Einzige. Das ist ja das tolle an der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, es gibt eigentlich überall Leute die genauso denken wie du und nur darauf warten, dass etwas in die Gänge kommt. Doch was? Was uns alle eint, sind die Forderungen, mit denen wir gemeinsam Auftreten können. Diese sind z.B.:

●Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft! Für eine kämpferische Gewerkschaft, die die Interessen der Kolleg_innen bis zum bitteren Ende vertritt und keine faulen Kompromisse eingeht!

●Für die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit aller hauptamtlichen Funktionäre! Für die Anpassung ihrer Gehälter an einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn!

●Für die Erkämpfung des Rechts auf politische Streiks, letztlich dem Recht auf Generalstreiks, um zum Beispiel gegen die Rente mit 67, gegen Hartz IV, gegen die Kriege in Afghanistan, Kosovo oder für bessere Bildung kämpfen zu können!

●Eigene Entscheidungsgewalt für alle Jugendgremien, wenn es um Themen geht, die uns was angehen! Für vom Vorstand unabhängige Jugendstrukturen!

Wir müssen versuchen eine innergewerkschaftliche Bewegung von Basisaktivisten aufzubauen, die sich der Politik der sozialdemokratischen DGB-Führung entgegenstellt und diese zwingt Politik für die Mitglieder, und nicht für sich selbst, zu machen. Wir brauchen eine klassenkämpferische Basisopposition, die es sich zur Aufgabe macht, die Gewerkschaften wieder zu Kampforganen der Arbeiterklasse zu machen, die in den Händen der Arbeiter_innen liegt und nicht in den Händen von Bürokrat_innen!

Klar, das wird natürlich nicht einfach. Die DGB- und Einzelgewerkschaftsführung aus SPD, LINKE und zum Teil sogar Grünen wird sich einiges einfallen lassen, um uns das Leben schwer zu machen. Doch zeigt das nur eines – Dass sie Angst vor ihrer eigenen Basis haben. Eine gewerkschaftliche Basisbewegung, die Druck erzeugen kann, kann nämlich auch dazu übergehen die Bürokratie zu entmachten und demokratische Strukturen auf der oben genannten Grundlage aufbauen. Dies wäre der Untergang für die reformistischen Verräter und die Geburtsstunde für eine Zeit, in der Tarifauseinandersetzungen wieder Tarifauseinandersetzungen sind, und der Klassenkampf wieder Einzug in den Fabriken hält.

The workers united will never be defeated!