Italiens letzte Perspektive – Klassenkampf

Seit Beginn der Krise in Europa, stellt sich trotz der immensen Anstrengung seitens Politik und Finanzwesen, trotz der aufgewendeten Unsummen für Rettungsschirme für Banken und Krisenländern, keine nennenswerte Besserung der Lage ein. Im Gegenteil scheinen die als einzige wahre Lösung propagierten Sparprogramme nicht nur nicht zu fruchten, sondern die Lage in den einzelnen Ländern noch verheerender zu gestalten als zuvor.

Spanien, Portugal und Griechenland führen einen Tanz am Abgrund auf. Mit ganz vorne dabei ist Italien. Das erschreckende für die europäische Lage ist jedoch, dass es sich bei Italien um die drittstärkste Wirtschaftsmacht Europas handelt, hinter Deutschland und Frankreich. Das Verhältnis der Schulden zum Bruttoninlandsprodukt beträgt bei Griechenland immense 160%, in Italien 120% und Portugal 110%. Die bürgerliche Lösung: Um die Staatshaushalte zu sanieren und den immensen Schulden Herr zu werden, muss gespart werden. Zwar propagierte man noch vor einiger Zeit in Deutschland den Erfolg der antizyklischen Wirtschaftspolitik (d.h. der Staat muss in Zeiten wirtschaftlicher Krisen Geld investieren und Schulden machen, um die Wirtschaft wieder anzutreiben), doch scheint nun das komplette Gegenteil das Gebot der Stunde zu sein.

Das deutsche Kapital diktiert auch in Italien immer mehr die Politik.

Unter deutscher Führung werden die Staaten Europas zu rigorosen Sparkursen gezwungen. Durch die immensen Einsparungen wird der noch verbliebene Anteil des Binnenmarktabsatzes zunichte gemacht und der Bevölkerung das nötige Geld genommen, überhaupt eine Konjunktur antreiben zu können. In einer Gesellschaft der die Löhne und Renten gekürzt werden, in der Arbeitsplätze zu hunderttausenden vernichtet werden, kann keiner Geld aufbringen irgendwelche Konsumgüter zu kaufen. Die Wirtschaftsleistung der Länder wird buchstäblich kaputt gespart. In Spanien wird sogar massiv an Bildung und Forschung gespart, was besonders der Jugend der nächsten Generationen schadet. Das konfuse Sparprogramm schaffte es sogar die Zinsen für spanische Anleihen wieder gefährlich nach oben zu treiben – ebenso auch die des Wackelkandidaten Italien. Ein weiterer Widerspruch der kapitalistischen Logik: Es ist der freie Markt selbst, also die Spekulationen auf den Bankrott eines Staates, der die Zinsen für Staatsanleihen nach oben treibt und die wirtschaftliche Lage verschärft. Noch am Abgrund wird jede Chance auf Profit genutzt und Öl ins Feuer gegossen.

Die Lage scheint nun wieder brisant wie zuvor. Selbst der Rettungsschirm von unglaublichen 800 Milliarden Euro reicht bei weitem nicht aus, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Rechnet man die bereits verplanten 300 Milliarden heraus bleiben gerade noch 500 übrig und alleine bei Spanien rechnet man schon mit einem Bedarf von 436Milliarden.

Diese Rahmenbedingungen verbessern die Situation in Italien nicht gerade. Auch dort wurde von den imperialistischen Führungsmächten Deutschland und Frankreich ein harter Sparkurs verordnet. Eine Perversion der europäischen Ordnung, aber ganz im Sinne des Kapitals. Zwar waren die europäischen Mächte offiziell als gleichberechtigte Partner gedacht, in Realität ist es jedoch so, dass die wirtschaftsstärksten nun die Kontrolle über die schwächsten übernommen haben. Angesichts der italienischen Schuldenlage hilft es da auch nicht die drittstärkste Wirtschaftsmacht in Europa zu sein. So wurde Italien, der Verfassung zum Trotz eine Expertenregierung aufgezwungen, welche genau das zu tun hat was Deutschland und Frankreich von ihr erwarten: Politik im Interesse des Kapitals zu betreiben, sozialen Kahlschlag zu betreiben und rigorose Sparprogramme durchzupeitschen (Ebenso wurde auch mit Griechenland verfahren). Hierin offenbart sich ein weiterer Widerspruch des Kapitalismus: Zwar propagiert man die heilige Allianz der freien Marktwirtschaft und der parlamentarischen Demokratie, aber angesichts der bedrohten Interessenlage des Kapitals wird letztere einfach ausgeschaltet. Man „vertraut“ nicht in die Politik der gewählten, italienischen Volksvertreter, geschweige denn in den Willen der Bevölkerung. Wie soll also eine Volksvertretung als solche noch irgendeine Legitimation besitzen wenn sie schon in Erfolgszeiten nach dem Willen der vermögenden Klasse handelt und in Krisenzeiten ganz ausgeschaltet wird – Das Prinzip des Pluralismus von Marktwirtschaft und Demokratie wurde öffentlich als Lüge entlarvt. Nicht das uns dieser Umstand groß in Erstaunen versetzte, vielmehr untermauerte er die Tatsache, dass die wirkliche politische Macht von der vermögenden Klasse, des Großkapitals ausgeht.

Regierung Monti – Interessenvertreter der Bourgeoisie

Monti, undemokratisch eingesetzter Technokrat - er selbst ist mit seiner persönlichen Geschichte ein Paradebeispiel neoliberaler Ideologie.

Tatsächlich handelt Mario Monti, neuer Regierungschef in Italien, auch genau nach deren Interessen. Nicht demokratisch gewählt sondern auf Druck von außen eingesetzt, früherer Berater der Investmentbank Goldmann Sachs, nun neoliberales Zugpferd für Italiens Politik. Auch das Parlament hat unter der Bevölkerung keinen guten Stand mehr und wird gemein hin nur noch die „Kaste“ genannt.

Das Programm Montis ist so auch ganz nach der neoliberalen Schule gestaltet:

  • Privatisierung staatlicher Unternehmen
  • Liberalisierungen in verschiedenen Branchen (Banken-, Tankstellen-, Apotheken- und Taxigewerbe
  • Erhöhung von Benzin-, Tabak-, und Mehrwertsteuer, Grundsteuer auf das erste Haus
  • Erhöhung des Renteneintrittsalters sowie absenken des Rentenniveaus
  • Angriffe auf Arbeitsrechte wie Kündigungsschutz und Aushebeln von Tarifverträgen
  • Einsparungen im Öffentlichen Dienst von 24 Milliarden an Stellen, Gehältern, Sozialleistungen und Bildung

Insgesamt ein harter Schlag für die arbeitende Bevölkerung, die Pensionäre und Jugendlichen des krisengeschüttelten Landes. Das offensichtliche Problem ist jedoch, dass der IWF schon jetzt mit einem Wirtschaftsrückgang von 2,2 Prozent rechnet und dieses Paket nicht gerade zu einer Besserung der Konjunktur im Sinne der italienischen Bevölkerung beitragen wird. Die Zulassung von Neuwagen sanken um auf 18,9%, die Einzelhandelsumsätze sanken seit 2008 um 6,3% – solche Maßnahmen haben zahlreiche Länder Südamerikas in den Ruin stürzen lassen. Sein Kommentar im Fernsehen zum Aufbrechen des Kündigungsschutzes blanker Hohn: Man müsse sich von der Idee eines festen Arbeitsverhältnisses verabschieden, und eine Festanstellung sei doch eintönig.

Und dennoch wird noch nicht geschlossen gegen den gefährlichen Technokraten vorgegangen. Im Gegenteil erfreute er sich noch einer gewissen Beliebtheit, da er schließlich den verhassten Vorgänger Berlusconi aus dem Amt verdrängte und mit seinem kompromisslosen Führungsstil besondere Schlagkraft bewies. Für die Presse stellt er die Rettungsfigur der italienisch-europäischen Tragödie dar, obwohl keiner so genau weiß, was denn seine Politik so genau für Auswirkungen haben wird. Wichtig ist nur: Zielgerichtet und so wirtschaftsliberal wie möglich. Die Einzigen, die profitieren sind die Kapitalisten Europas, das deutsche Kapital im speziellen. Der Vergleich mit anderen Ländern bezüglich der Auswirkungen dieser Politik, wird daher bewusst von den bürgerlichen Medien vermieden!

Die Rolle der italienischen Gewerkschaften

Die momentan einzige Kritik der bürokratischen Gewerkschaftsführung besteht darin zu bemängeln, dass sie nicht an den Verhandlungen über neue Kürzungen beteiligt wurden – für sinnvolle Sparmaßnahmen gegen die eigenen ArbeiterInnen sei man ja schließlich offen.Während die aktuelle Führung aus Sozialdemokraten und Gewerkschaftsbürokratie die „eigene Nation“, sprich das „eigene“ herrschende Klasse retten will, brodelt es hingegen an der Basis!

Ihnen ist sehr wohl klar, dass sie, wie der Rest Europas auch, von einer gravierenden politischen Entrechtung und einem sozialen Abstieg bedroht sind, wie in Griechenland und Spanien bereits gesehen. Es war dieser Druck der Basis, der am 12. Dezember letzten Jahres zum Generalstreik führte. Bisher hatte die reformistische Führung der Arbeiterklasse jedoch, noch genug bürokratische Machtmittel und Zuspruch der Basis um militantere Aktionen auszubremsen oder im Sande verlaufen zu lassen.

Kampf den Sparprogrammen und Reformen des Kapitals

Rom - 24 stündiger Generalstreik gegen die Sparpläne der Regierung.

Aber angesichts der aktuellen Bedrohung ist es gerade jetzt unerlässlich
für die italienische Arbeiterklasse und die Jugend einen entschlossenen Widerstand zu organisieren. Während der politische Druck auf die Gewerkschaftsführung weiter erhöht werden muss, sollten sich die Arbeiter_innen nicht scheuen auch ohne ihre offiziellen Führer Streiks selbst zu organisieren und die gemeinsame Aktion mit der europäischen Arbeiterbewegung zu suchen. Eintägige Streiks werden jedoch auf Dauer nur die Bewegungen ermüden – der unbefristete Generalstreik steht auf der Tagesordnung. Er ist das einfachste und wirkungsvollste Mittel dieser Ausbeuterpolitik Einhalt zu gebieten und den Mächtigen in Wirtschaft und Politik einen ernsthaften Schaden zuzufügen. Die Sparprogramme Europas stellen einen der gewaltigsten Raubzüge der Geschichte dar. In Italien und Griechenland nicht einmal mehr unter dem Deckmantel einer Legitimierten Regierung, findet eine unglaubliche Verteilung von Vermögen statt. Das Großkapital finanziert sich durch die Klasse der Lohnabhängigen und erwartet Gehorsam.

Der unbefristete Generalstreik stellt automatisch die Frage im Land, wer die Macht in den Händen hält. Sind es die Unternehmer, Banker, ihre Politiker im Parlament und ihre Bürokraten in den Ämtern, die ein Sparprogramm nach dem Anderen zugunsten der Profite des Kapitals beschließen oder ist es die Arbeiterklasse, sind es die armen Jugendlichen, Rentner und Arbeitslose, die nicht nur eine Welt fern von Ausbeutung und Unterdrückung schaffen können, sondern es auch praktisch wollen! Der unbefristete Generalstreik verschafft der Arbeiterklasse die Möglichkeit sich ihrer eigenen Macht bewusst zu werden, sowie eigene Räte-Strukturen aufzubauen mit deren Hilfe ein revolutionäres Programm, sowie weitere Aktionen innerhalb der Bewegung diskutiert und beschlossen werden können.

Schlüsselindustrien müssen Enteignet und die Produktion unter Arbeiterkontrolle organisiert werden. Betriebe die Entlassungen planen müssen unter die Kontrolle von Arbeiterräten, die Erfolge durch gewählte Milizen verteidigt werden. Staatliche Investitionsmaßnahmen in Forschung, Bildung und Infrastruktur, sowie die Absicherung sozialer Leistungen müssen durch die Vermögen des Großkapitals finanziert werden. Die Macht des Bankensektors muss durch eine zentrale Staatsbank unter Rätekontrolle ersetzt werden. Das bürgerliche Parlament muss durch die Massen gestürzt und durch eine der Revolution verpflichtete Regierung der Arbeiterparteien ersetzt werden. Für einen übergreifenden Erfolg müssen diese Aktionen international koordiniert werden – nur auf globaler Ebene kann das System endgültig aus den Angeln gehoben werden, kann eine sozialistische Gegenpolitik betrieben werden. Die Durchführung eines solchen Programms kann nur durch die Schaffung einer revolutionären Partei, seitens der kämpfenden Arbeiterklasse und der Basis der Gewerkschaften, vorangetrieben werden. Italien und die Länder Südeuropas sind ein Beispiel dafür welche Maßnahmen Europa noch drohen. Italien, Griechenland, Spanien oder Portugal können aber auch die Länder sein, in denen die Arbeiterklasse den Herrschenden Europas und in Deutschland zeigen was ihnen drohen kann – die sozialistische Revolution!





Regierungskrise: Schwarz-Gelb vor dem Kollaps?

Trotz der politischen Sommerpause hat sich die Krise der Regierung vertieft. Die anschließenden Landtagswahlen und die weitere Zuspitzung der Schuldenkrise beschleunigen den Zerfall dieser Bundesregierung. Mitte September ließ sich sogar der Fraktionsvize der FDP-Bundestagsfraktion, Zastrow, zu der Aussage hinreißen: „Wenns nicht klappt in einer Koalition, muss man auch überlegen, diese zu beenden“. Aktueller Anlass für diese Endzeitstimmung ist die Diskussion um eine „geordnete Insolvenz“ für Griechenland. Diese brachte Vizekanzler Rösler (FDP) ins Gespräch. Gegen die EU-Rettungsfonds und Rettungsschirme (ESFS und ESM) betrieb die FDP Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin – im Widerspruch zur offiziellen Politik der Bundesregierung. Trotz der Wahlkampfrhetorik gegenüber dem EU-Rettungsschirm konnte die FDP bei den Wahlen ihren Niedergang nicht aufhalten, in beiden Bundesländern liegt sie noch hinter der NPD. Selbst die wieder entdeckte „Zweitstimmen“ Kampagne, welche vor allem CDU-WählerInnen anlocken sollte, schlug fehl, die FDP verlor viele Stimmen an die CDU. Nach den Wahlen kam die CSU der FDP zu Hilfe. Auch sie verschärft die Rhetorik in der Schuldenkrise. Selbst bürgerliche Kommentatoren sprechen inzwischen von einem möglichen Regierungsende, einige Abgeordnete aus beiden Regierungsfraktionen werden als „Euro-Rebellen“ vorgezeigt.

Die Schuldenkrise und die Interessen des Kapitals

FDP Wahlplakat von 1949

Offiziell waren Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble nicht sonderlich begeistert über die Vorstöße des Vizekanzlers, allerdings müssen wir diesen Konflikt vor dem Hintergrund der Interessen des deutschen Kapitals betrachten. Vizekanzler Rösler war bemüht, seine Insolvenzandrohungen als Teil der gesamten Diskussion darzustellen und dass es gar keinen Widerspruch zur Politik der CDU gibt. Das griechische Sparpaket bspw. wurde größtenteils von deutschen Bürokraten entworfen, die Schuldenbremse für die EU ist auch die Erfindung des deutschen Kapitals. Rösler bringt einfach die Drohung bei Nicht-Befolgung dieser Maßnahmen auf den Punkt: entweder die Diktate aus Berlin/Brüssel werden befolgt oder wir schicken eine Volkswirtschaft in die Insolvenz, mal abgesehen davon, dass keiner weiß, wie das aussehen soll. Somit verstärkt Rösler nur den Druck für die griechische Regierung, neue und härtere Sparmaßnahmen durchzusetzen.

Warum bekommt diese „bürgerliche“ Regierung in einer tiefen Wirtschaftskrise solche inneren Probleme? Zum einen muss die Bundesregierung als „ideeller Gesamtkapitalist“ auftreten, d.h. die grundlegenden objektiven Interessen des deutschen Kapitals umsetzen – als Klassenherrschaft gegen die Mehrheit, das Proletariat. In dieser Funktion wird eine Bundesregierung meist geleitet von den stärksten Sektoren des nationalen Kapitals, in unserem Fall das Exportkapital und der Finanzmarkt. Allerdings vertritt diese Koalition auch alle anderen Sektoren des Kapitals, auch jener, die in der Konkurrenz mit den starken Sektoren unterliegen und möglicherweise auch abweichende Interessen haben.

Gerade die Diskussion um die „Rettungsschirme“ zeigt diese inneren Widersprüche des Kapitals. Der Finanzmarkt braucht neue Milliarden als Bürgschaften und Spekulationsmunition und das Exportkapital braucht zahlungsfähige Absatzmärkte – dafür muss die Bundesregierung in erster Linie Politik machen. Wem diese Politik nützt, ist v.a. den anderen Kapitalsektoren, den kleinbürgerlichen Schichten völlig klar – so erklärt sich auch z.T. der FDP-Amoklauf. Hier fühlen sich einige Kapitalisten nicht richtig vertreten von ihrer „Wunschregierung“. Die Androhung einer „geordneten Insolvenz“ von Rösler hätte auch bedeutet, dass Kapitalfraktionen (Export und Finanzmarkt) auf ihre Gewinne in und an Griechenland hätten verzichten müssen – hier geht es um Profitinteressen und Profitabsicherung.

Diese Konflikte werden nun offen in der Koalition ausgetragen, dies ist sicher neu für christlich-liberale Koalitionen, aber deswegen wird diese Koalition auf keinen Fall von selbst aufgeben, sondern sich zumindest bis zur Wahl 2013 schleppen. Auch wenn das angesichts des Zustands der FDP derzeit wenig sicher scheint, so kann der Parteispitze zumindest soviel Verstand zugetraut werden, nicht jetzt auf Neuwahlen zu spekulieren

2013 würde noch eine Chance bestehen, in den Bundestag einzuziehen, derzeit würde die FDP sich bei einem Koalitionsbruch quasi selbst liquidieren. Spätestens diesen Fakt wird Kanzlerin Merkel den möglichen „Abweichlern“ einbläuen, zumindest für die Abstimmungen, bei denen die eigene Mehrheit stehen muss. Zwar ist bei Merkel derzeit auch wenig Souveränität zu erblicken, aber zumindest Sarkozy hat sie in Sachen Schuldenbremse und rechtliche Richtlinien für den ESFS auf Linie gebracht, dort handelt Merkel durchaus als ideeller Gesamtkapitalist für das deutsche Kapital. Trotz dieser tiefen Krise der Regierung, den widerstreitenden Kapitalfraktion bei Schwarz/Gelb, kann diese Bundesregierung sich auf zwei wichtige Unterstützer verlassen: die Gewerkschaftsführung und die Oppositionsparteien.

Parlamentarismus ohne Opposition

Die Abstimmung über den EU-Rettungsfond wird ein erster Test für die Mehrheitsverhältnisse in der Regierungskoalition. Gleichzeitig wird diskutiert, den Rettungsschirm ESM vorzuziehen, auch wenn Merkel sich manch eigener Abgeordneter nicht sicher sein kann – bei SPD und Grünen kann sie sicher sein. Diese beiden Parteien werden wahrscheinlich zu größeren Teilen für die EU-Maßnahmen stimmen, schließlich haben sie auch keine Alternative zu dieser Politik.

Die Kritik von SPD und Grünen geht eher in die Richtung, dass sie Merkel Langsamkeit vorwerfen und der Regierung eine schlechte Informationspolitik unterstellt wird. Somit werden die Stimmen der SPD und den Grünen die Merkel-Regierung erst mal stützen. Hier zeigt sich wieder einmal, was „demokratischer Parlamentarismus“ so wert ist. Wenn es um die Unterstützung der Finanzmärkte geht, gibt es nur eine Meinung, ebenso bei den Sparpaketen gegen Griechenland, Portugal, Irland, Spanien und Italien. Etwas Opposition kommt dann bei den Forderungen nach den „Euro Bonds“, welche besonders stark von Linkspartei und DGB gefordert werden – zumindest einen Unterschied zu Schwarz/Gelb gibt es noch.

Bei den geforderten „Euro Bonds“ haben wir es aber auch nicht mit einer realen Alternative, geschweige denn mit einer kämpferischen Alternative gegen die Schuldenkrise zu tun. Die Idee, den Euroraum als eine Anleihe zu handeln, würde voraussetzen, dass es auch ein geeintes europäisches Kapital gibt – dem ist aber nicht so. Von daher agieren Linkspartei und DGB zwar schon mal als „ideeller Gesamtkapitalist“ der EU, doch leider ist das Kapital noch nicht so weit wie die Reformisten.

Bislang profitiert das deutsche Kapital von der Schuldenkrise, es kann zu niedrigen Zinsen Kredite aufnehmen. Die „Euro Bonds“ würden einen Wettbewerbsvorteil des deutschen Kapitals eingrenzen, aber die EU als Währungsraum stärker gegenüber den USA in Stellung bringen. Soviel zu den „strategischen Ideen“ der LINKEN und der reformistischen Spitzen.

Besonders während einer Wirtschafts- und Schuldenkrise können wir sehen, wie überflüssig die parlamentarische Demokratie eigentlich ist bzw. welchen Interessen sie dient. Ob es die Rettungspakete in Deutschland oder die Euro-Rettung 2010 waren: Wenn der Finanzmarkt nach frischem Kapital ruft, folgt das Parlament wie selbstverständlich.

Noch deutlicher wurde diese Überflüssigkeit bei den letzten Wahlen in Portugal und Irland. Obwohl die jeweilige Opposition natürlich im Wahlkampf bessere Konditionen gegenüber der EU aushandeln wollte, manchmal sogar keine Rettung durch die EU in Anspruch nehmen wollte (Irland), sah es nach den Wahlen anders aus. Nach den Wahlen gab es Verhandlungen und den „Druck der Finanzmärkte“, sprich: die Anweisungen des Finanzkapitals. Sofort waren die Parteien, die davor noch gegen die EU und die Sparmaßnahmen im Wahlkampf gewettert hatten, handzahm.

So unterstützen z.B. die „Wahren Finnen“ (Finnland) oder die „Freiheit“ aus den Niederlanden, die Fonds und Schirme, ebenso wie die neuen Regierungen in Irland und Portugal die Anweisungen aus Brüssel befolgen. Die parlamentarische Demokratie kommt somit auch in dieser Krise an ihr gerechtes Ende. Für alle ist es sichtbar, dass diese Parlamente und Parteien Politik fürs Kapital machen und für niemand anders.
Wer in Deutschland auf ein schnelles Ende von Merkel setzt, auf mögliche Vertrauensfragen hofft etc., der unterschätzt, dass es a) eine große Koalition im Bundesrat gibt, b) auch die Grünen mitmachen dürfen und c) weder das Kapital noch die SPD eine Alternative zu Merkel hat. Ein Beispiel dafür ist die öffentliche Diskussion um einen Kanzlerkandidaten Steinbrück. Dieser war mit Merkel zusammen in der Großen Koalition äußerst verlässlich fürs Kapital. Wenn jetzt der Papst auch noch die „ökologische Bewegung“ lobt, ist zumindest auch Schwarz/Grün für 2013 noch nicht ganz vom Tisch.

Wiederholt haben wir beschrieben, welche Politik des Widerstands
nötig sein wird – gegen die Regierung, aber auch gegen die reformistischen Führungen in den Gewerkschaften. Die nächste Rezession ist im Anrollen, die Möglichkeit, dass daraus eine Depression wird, ist vorhanden und damit stehen auch die nächsten Sparpakete und Kürzungen vor der Tür.

Widerstand!

Wir müssen eine europaweite Solidarität und Koordinierung von kämpferischen AktivistInnen aufbauen, damit wir auch in Deutschland gegen die Sparpakete gegen Griechenland Widerstand mobilisieren können! Wenn in der BRD die Opposition schon keine Alternative zur Politik der Regierung und dem Kapital hat, dann müssen wir für eine andere Lösung an den Schulen, den Unis, den Betrieben und Stadtteilen diskutieren – wir brauchen Klassenkampf gegen die Krise! Das erste Sparpaket ging in der BRD relativ geräuschlos durch alle Instanzen, bei den nächsten Sparangriffen, dem nächsten Konjunktureinbruch müssen wir für die Wiederbelebung der „Anti-Krisen-Bündnisse“ werben, müssen breiten Widerstand organisieren. Das Kapital streitet in seiner Regierung, das Kapital will die Kosten der Krise auf uns abwälzen und streitet nur über den besten Weg. Anstatt der Politik den Rücken zu kehren, müssen wir unsere Politik formulieren – eine Politik gegen Merkel, die Sparpakete und die Krise, eine sozialistische klassenkämpferische Politik.

Ein Artikel von Tobi Hansen, Gruppe Arbeitermacht




Neue Schuldenkrise – oder wie die Wirtschaft den Bach runtergeht…

In den letzten Monaten berichteten die Medien wieder häufiger über die „Eurokrise“ in der EU, über Schuldenprobleme von Griechenland, Portugal, Spanien und Italien. Gleichzeitig gab es im Juli und August eine US -amerikanische Schuldenkrise, sogar über eine mögliche „Zahlungsunfähigkeit“ der USA wurde spekuliert, bis dann die beiden Kammern der USA(Senat & Repräsentantenhaus) eine Erhöhung der Schuldengrenze beschlossen.

In unserem Artikel wollen wir uns mit den Gründen für die Schuldenkrise beschäftigten, wieso die aktuelle Krise direkt mit der Wirtschaftskrise von 2008 zusammen hängt, was die astronomischen Summen eigentlich mit uns zu tun haben und welche Auswirkungen sie auf uns haben werden!

Woher kommen denn die ganzen Schulden?

Derzeit wird viel über die Schuldenquote bestimmter Staaten gesprochen, so liegt die Schuldenquote Griechenlands bei fast 160% – aber was heißt das eigentlich? Bei dieser Quote werden die Gesamtschulden eines Staates, in Beziehung zum jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesetzt, das BIP fasst alle Umsätze einer Volkswirtschaft zusammen.

Griechenland erwirtschaftete 2010 ein BIP von 230 Milliarden €, die Schuldenquote lag bei ca. 125% – damit überstieg die Schuldenmenge das jährlich erwirtschaftete BIP um 25%. In Griechenland entwickelte sich diese Quote in den letzten 4 Jahren rasant. 2007 lag diese Schuldenquote noch bei 95.7%, für 2011 wird eine Quote von 157% erwartet.

Diese Entwicklung trifft für alle Staaten der EU zu, wie auch für die USA & Japan – so erhöhten sich die Staatsschulden der BRD, USA und Japan in den letzten vier Jahren um ein Drittel oder mehr. Wie bei privaten Schuldnern, gibt es für Staaten sogenannte „Ratingagenturen“, die die Kreditwürdigkeit der Staaten bewerten. Diese „Ratings“ bestimmen wie viel Zinsen die Staaten für ihre Schulden bezahlen müssen, die BRD hat ein sehr gutes Rating (AAA) und bezahlt derzeit weniger als 3% Zinsen für ihre Schulden – Griechenland z.B. hat ein sehr schlechtes Rating (B1) und müsste auf dem Finanzmarkt 25% Zinsen für die Kredite zahlen.

Nun haben die Staaten aber keine neuen Schulden aufgenommen, um den Beschäftigten, der Jugend oder den Rentnern Wohltaten zu schenken. Woher also kommen die Schulden? Die Schulden wurden aufgenommen, um den Banken und Unternehmen zu helfen. Diese hatten in der Finanz – und Wirtschaftskrise 2008/2009 riesige Verluste angesammelt. Bei den Banken hießen diese Verluste „toxische Papiere“. Aus der Chemie wissen wir, das „toxisch“ ein sehr unangenehmer Zustand ist, bei den Banken hieß das, das viele Kredite quasi nichts mehr wert waren. In der Situation übernahmen die Staaten diese „toxischen“ Papiere mit direkten Finanzhilfen und sogenannten Bürgschaften, welche von den Banken in Anspruch genommen werden konnten.

In der BRD bürgte die Regierung beispielsweise mit 125 Milliarden € für die „Hypo Real Estate“ und legte den „SOFFIN“ Fond in Höhe von circa 500 Milliarden € an, von dem sich dann verschiedene Banken und Finanzinstitute Kredite abholen konnten. Ähnliche „Rettungsmaßnahmen“ gab es in den EU Staaten, der USA und Japan – insgesamt wurden mehrere Billionen Euro den Finanzmärkten und Banken zur Verfügung gestellt. Die Finanzmittel der damaligen Krise sind die Schulden von Heute. Die Staaten nahmen diese Schulden entweder bei den Zentralbanken (wie die FED in den USA oder die Bundesbank in der BRD) oder den privaten Banken auf – mit diesen Schulden wurde die Pleite von Banken und Unternehmen verhindert und die Profite der Kapitalisten gesichert.

Die Ratingagenturen – oder gib mir ein „Triple A“!

Seit 2008 haben die Staaten den Finanzmarkt mit Billionen finanziert und gestützt! Damit wurden die eigenen Staatsschulden erhöht. Besonders zugespitzt hatte sich diese Entwicklung beim „reichsten“ Land der Welt – den USA. In den USA gibt es eine „Schuldenobergrenze“. Diese lag bis Anfang August bei 14.3 Billionen $. Für dieses Jahr ist zu erwarten, dass diese Grenze überschritten werden muss, wenn die USA ihre Zinsen, die öffentlichen Beschäftigen oder das Militär bezahlen will. Anfang August wurde diese Grenze um 2.6 Billionen $ erhöht, dieses Jahr wird allein der US- Haushalt (also ohne Bundesstaaten und Kommunen) 800 Milliarden $ neue Schulden aufnehmen müssen. Dieser Vorgang ist nichts neues in der US-Geschichte. Im Durchschnitt wurde alle zwei bis drei Jahre die Schuldengrenze von der US-Regierung erhöht, seit 1945 neunzehn mal.

Nachdem die Grenze jetzt erhöht wurde, gab es aber eine Abstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch die Ratingagentur „Standard & Poor“. Die bisherige Topbewertung AAA wurde auf AA+ gesenkt. Konkret bedeutet das höhere Zinsen für die USA für künftige Kredite. Gleichzeitig wurden auch die EU Staaten Portugal und Italien abgewertet – danach sanken die Börsenkurse und vernichteten im August circa 25% der weltweiten Börsenwerte.

Die Ratingagenturen sind private Unternehmen, die im Auftrag der Großbanken die Kreditwürdigkeit von Staaten, Kommunen und Unternehmen bewerten – nach diesen Bewertungen wird das jeweilige Zinsniveau bestimmt.

Der französische Präsident Sarkozy bezeichnete es als „nationale Aufgabe“ für Frankreich die Topbewertung AAA zu behalten, gleich im Anschluss gab es ein weiteres Sparpaket, nachdem bereits 2010 ein Sparpaket mit massiven Sozialkürzungen durchgesetzt wurde. In dieser Zeit sprach sogar die „Financial Times Deutschland“ von einer „Diktatur der Ratingagenturen“.

Wie das Kapital die Krise lösen will…

Am Beispiel Griechenland können wir beobachten wie sich das Kapital eine „Krisenlösung“ vorstellt. Der griechische Staat bekommt Kredite von der EU und der EZB (Europäische Zentralbank), damit sollen die bisherigen Kredite abbezahlt werden. Das erklärt auch zu großen Teilen die gestiegene Schuldenquote Griechenlands in den letzten beiden Jahren. Um diese Kredite zu bekommen muss der griechische Staat aber zunächst massive Angriffe und Kürzungen gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchführen. Dazu gehören die Erhöhung der Lebensarbeitszeit, die Kürzung der Gehälter der öffentlichen Beschäftigten, die Erhöhung der Verbrauchssteuern und eine massive Privatisierung des noch vorhandenen öffentlichen Eigentums. Erst die Verabschiedung dieser „Spargesetze“, welche direkt durch die EU-Bürokratie und die BRD als imperialistischem Hegemon, der griechischen Regierung vorgeschrieben wurden, gab man die Kredite an Griechenland frei.

In der EU wird nun eine „Schuldenbremse“ von der BRD und Frankreich vorgeschlagen. Diese „deutsche“ Erfindung beinhaltet ein Gesetz, nachdem EU-Staaten ab einem bestimmten Jahr überhaupt keine Schulden mehr machen dürfen. In der BRD steht das nun im Grundgesetz – ab 2016 darf der Bund keine neuen Schulden mehr aufnehmen, ab 2020 die Bundesländer und die Kommunen.

Ähnliches, wenn auch unter anderen Bedingungen, geschah in den USA. Gleichzeitig mit der Erhöhung der Schuldengrenze wurde auch ein Sparpaket in gleicher Höhe verabschiedet. Das war die Voraussetzung für die „oppositionellen“ Republikaner, der Erhöhung überhaupt zu zustimmen.

Diese Sparpakete sind die Antwort von Kapital und Staat auf die Schuldenkrise. Wurden die Schulden aufgenommen um die Verluste des Kapitals während der Krise aufzufangen und gleichzeitig neue Profite zu sichern, sollen die Staaten jetzt weltweit die Kosten für die Schulden direkt auf die Arbeiterklasse, große Teile des Kleinbürgertums und die Jugend abwälzen. Dazu werden zum einen die Sozialleistungen massiv gekürzt, während gleichzeitig eine neue Privatisierungswelle gestartet wurde. Vor allem staatliche Unternehmen, aber auch Bereiche wie Gesundheit, Verkehr, Rente und Bildung, von denen sich das Kapital noch zusätzliche Profite verspricht, sollen privatisiert werden.

Die Krise heißt Kapitalismus!

Die momentane Schuldenkrise, wurde vom Kapital, beziehungsweise den Kapitalisten verursacht. Während alle Profite den Kapitalbesitzern „gehören“, die sich durch Ausbeutung aneignen und über die Börse auszahlen lassen, müssen die Verluste von der Allgemeinheit getragen werden.

Wenn jetzt die EU einen Rettungsfond für die Euro-Zone auflegt, so ist dieser Fond nur zur Rettung der Banken und Absicherung der Staatsanleihen da, genau wie die sogenannten „Euro Bonds“.

Die Nationalstaaten dienen dabei dem Kapital als Versicherung seiner Geschäfte. Durch vielfache Steuersenkungen bleibt der Profit meist unangetastet, durch Polizei und Militär wird jeder mögliche Widerstand national und international bekämpft und durch Bürgschaften und Kredite wird der Finanzmarkt zahlungsfähig gehalten. Nur durch die Hilfen seit 2008 sind die Banken und das Kapital heute in der Lage ganze Volkswirtschaften in den Ruin zu treiben, um sie dann gänzlich unter ihre Profitkontrolle zu stellen.

Aufgrund dieser aktuellen Fonds und Bürgschaften werden die nächsten Sparpakete bereits aufgelegt. In Frankreich werden neue Maßnahmen beschlossen
und in Spanien wird die „Schuldenbremse“ eingeführt. Diese „Schuldenbremse“ wird die soziale Realität der nächsten Jahre bestimmen, weitere Kürzungen, Entlassungen und Privatisierungen stehen auf der Tagesordnung.

Dagegen müssen wir Widerstand organisieren, besonders in den europäischen Gewerkschaften. Während in Frankreich und Griechenland die Gewerkschaften zum Generalstreik getrieben wurden, begnügte sich der DGB in der BRD mit Standortpolitik und stillhalten. Deswegen müssen wir die Beschäftigten und die Basis der Gewerkschaften gemeinsam mit den Jugendlichen und Arbeitslosen gegen die nächsten Sparpakete organisieren und schlagkräftige Bündnisse aufbauen.

Von der deutschen Revolutionärin Rosa Luxemburg ist der Ausspruch „Sozialismus oder Barbarei“bekannt, dieser wurde vor dem 1.Weltkrieg von ihr geprägt. Heute ist er aktueller denn je, denn dieses System hat abgewirtschaftet. Während Hungerkatastrophen, wie in Ostafrika zehntausende von Menschen heimsuchen und jährlich Hunderttausende sterben lassen, in einem Wirtschaftssystem, dass die ökologischen Grundlagen der Menschheit vernichtet – in so einer Situation soll uns interessieren, welche Buchstaben eine Ratingagentur über die Kreditwürdigkeit einer Volkswirtschaft veröffentlicht? Erbärmlicher geht’s eigentlich nicht!

Gefordert ist nun ein entschlossener internationaler Widerstand gegen den Kapitalismus, wir haben unsere Antwort Rosa Luxemburgs Frage. Für eine Gesellschaftsordnung die den Interessen der Mehrheit gehorcht und nicht den Profit -und Zinserwartungen einer kleinen parasitären Elite.

  • Wir zahlen nicht für ihre Krise! Organisiert euch gegen die Sparpakete und die Krise – baut  Organe des Widerstandes im Betrieb, in der Schule und im Stadtteil auf!
  • Für die entschädigungslose verstaatlichung der Banken zu einer zentralen Staatsbank, sowie aller Unternehmen, die Entlassungen oder Gehaltskürzungen fordern, unter Arbeiterkontrolle!
  • Für das Recht der Beschäftigten und der Arbeiterbewegung Einsicht in die Geschäftsbücher der Großkonzerne und Banken zu haben!
  • Vom Abwehrkampf zur Offensive! Gegen Hartz IV, die Rente mit 67 und die Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre! Bekämpft die Leiharbeit, für einen Mindestlohn von 11 Euro die Stunde!
  • Teilt die Arbeit auf alle Hände auf – für eine 35-Stunden Woche und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!
  • Fordert die Gewerkschaften und Arbeiterparteien zur Aktion auf und organisiert in ihren Reihen eine kämpferische Basisbewegung!
  • Gegen Krise und Kapital – der Widerstand muss international koordiniert werden! Gegen Chauvinismus und nationalistische Hetze gegen „die faulen Griechen“, „gegen die Migranten die unsere Arbeitsplätze klauen“ oder ähnliche Verleumdungen, die unseren Widerstand spalten! Für europaweite Aktionen gegen die Sparangriffe und die Auswirkungen der Krise, die Führer der Gewerkschaften und Arbeiterparteien müssen zur Unterstützung von Aktionen wie koordinierten Streiks, Massenprotesten, Besetzungen bis hin zum Generalstreik gezwungen werden!
  • Widerstand braucht Organisation – wenn ihr gegen Krise und Kürzungen kämpfen wollt, dann organisiert euch gemeinsam mit REVOLUTION!



Vor einem neuen Finanzcrash?

Wir veröffentlichen hier einen Artikel der Gruppe Arbeitermacht zur aktuellen Finanz- und Schuldenkrise. Er befasst sich mit dem momentanen Sturz der Aktienmärkte, der europäischen Union, den U.S.A. und der momentanen Perspektive für die Arbeiterbewegung – Martin Suchanek, Infomail 572, 12. August 2011

Kapitalistische Widersprüche spitzen sich zu 

Trotz fieberhafter Telefondiplomatie zwischen Berlin, Paris und Washington ging die Talfahrt der weltweiten Aktienmärkte am 8. August 2011 weiter. In Asien purzelten alle Indices an den Hauptfinanzplätzen Tokio, Hongkong, Taiwan und Shanghai erneut zwischen 2 und 4 Prozent herunter. Die europäischen Märkte zogen nach. Nach ernsten Abwärtsbewegungen fand sich der deutsche DAX bei 5%igem Abschlag, die Pariser und Londoner Börse bei 3,7% Minus wieder.

Die US-Märkte konnten sich dieser Welle nicht entziehen, und die Nachricht vom 5. August hat die Krisenentwicklung noch verstärkt. Standard und Poors, eine der 3 in der Welt führenden Ratingagenturen, verkündeten an dem Tag die erstmalige Herabstufung der US-Wirtschaft von einem dreifachen A auf AA+. Trotz US-Präsident Barack Obamas Fernsehansprache, in der er seinen Landsleuten versicherte, dass die USA „immer eine Dreifach A-Nation“ sein werde, gab die Wall Street um 5,6 % nach.

Am selben Tag gerieten Italien und Spanien ins Kreuzfeuer der Finanzmärkte, als die Zinsen für italienische und spanische Staatspapiere auf über 6% stiegen. Italien als drittgrößte Ökonomie der Eurozone ist mit 1,9 Billionen Euro Schulden belastet. Jetzt drohen diese Länder in den Sog von Griechenland und Portugal hineingezogen zu werden, für die dann selbst die ‚Rettungsschirme’ von EU und IWF nicht mehr ausreichend gespannt werden könnten.

Schon jetzt ist klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, wann die europäische ‚Finanzstabilität’ sich als nicht mehr haltbar erweisen wird, nicht einmal für die Ökonomien auf seiner Südflanke. Ein Teil der Staatsschulden von Griechenland, Irland, Portugal, ja sogar Spanien und Italien wird wohl in absehbarer Zeit abgeschrieben werden müssen.

Die Märkte geben „der Politik“ die Schuld

Die Finanzpresse schiebt einhellig dem US-Präsidenten, dem US-Kongress, den europäischen SpitzenpolitikerInnen und der EU-Kommission den schwarzen Peter für das Chaos zu. China stimmt ebenfalls in den Kritikerchor ein und greift Politiker wie Obama, Merkel und Sarkozy an, sie würden die Weltwirtschaft durch ‚kleinliches Gezänk’ aufs Spiel setzen und hätten sich einmal mehr als nicht fähig erwiesen, ‚entschlossen’ und ‚verantwortungsbewusst’ zu handeln.

Natürlich gibt es keinen Grund, die Handlungsweise von EU- und US-PolitikerInnen zu rechtfertigen. Aber sie treten nicht ‚den Willen des Marktes’ mit Füßen, sondern ganz im Gegenteil liegt ihre Schuld gerade in der sklavischen Unterwerfung unter die Zwänge des Kapitalismus. All diese Regierungschefs haben nicht nur die Megabanken und Milliardäre gerettet, sie haben Abermillionen Menschen von Athen bis Seattle, von Kairo bis Rejkjavik von Santiago bis Tel Aviv die Kosten für das Wohlergehen dieser privilegierten Parasiten aufgehalst. ArbeiterInnen, Jugendliche, Arme sowie auch Kleinbürgerschichten leiden überall unter den Auswirkungen der kapitalistischen Krise, glücklicherweise verharren sie nicht mehr in Schweigen.

Jetzt bedroht ein weiterer Finanzkrach an den Aktienmärkten die Weltwirtschaft mit einer neuen Rezession. Nicht nur die neuesten Wirtschaftsdaten aus den USA und Frankreich sind alarmierend für die Kapitalisten. Die OECD rechnet damit, dass der Höhepunkt der ‚weltweiten Erholung’ bereits wieder überschritten sein könnte. Dieser Aufschwung fand praktisch ohnedies nur in den BRIC-Staaten (China, Russland, Indien, Brasilien) statt sowie in Deutschland und den damit verbundenen Ökonomien im europäischen Raum.

Seit der Weltrezession 2007 treten große Teile der kapitalistischen Ökonomien (USA, Japan, West- und Südeuropa) auf der Stelle oder bewegen sich kaum. Obwohl Billionen aufgewendet worden sind, zunächst für die Auslösung und Stützung der Finanzeinrichtungen, dann durch Nullzinspolitik für Unternehmen, wie sie die amerikanische Bundesbank betrieb, ist keine Stabilität eingekehrt.

Die Maßnahmen haben zwar den völligen Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems verhindern können, die Weltwirtschaft leidet jedoch weiter an den selben Symptomen, die sich schon bei Krisenausbruch gezeigt haben.

Kapitalismus selbst ist Ursache der Krise

Die Ursache für die kapitalistischen Weltkrise liegt eben nicht in ‚verfehlter Politik’ oder in ‚spekulativer Gier’, die letztlich nur die Krise beschleunigt hat, sondern in der Überakkumulation des Kapitals selbst. Der Kapitalismus ist das erste System, dessen Krisen als Resultat von ‚Überfluss’ erscheinen, von zuviel Produktion, zu vielen Arbeitern, zu viel Warenangebot, zu viel Anlagekapital. Inmitten einer Spekulations- und Investitionshysterie platzt plötzlich eine Krisenbombe.

Das ist allerdings kein Zufall. Immer mehr Kapital wird in den Kapitalstock an Maschinerie und Gebäuden gesteckt, um die Profitmasse zu erhöhen. und treibt den Investitionslauf weiter an. Aber der ständige Anstieg dieses Kapitalbestandteils zu Ungunsten des Anteils an menschlicher Arbeit zieht ‚unbeabsichtigte’ doch unvermeidliche Folgen nach sich. Investitionen werden mit immer geringeren Profitaussichten und weniger realisiertem Profit getätigt. Die Rate für den Profit, den Antriebsmotor für Investitionen, sinkt. Was tun Kapitalisten nun? Sie verlagern ihr Kapital immer stärker in vielsprechendere Sphären der Ökonomie; auf der Suche nach kurzfristigeren und besseren Wertmargen ‚investieren’ sie v.a. an den Finanzmärkten.

Das kann für gewisse Zeit funktionieren wie in der Vorkrisenperiode von 2003 – 2007, aber dann muss diese Blase platzen, und eine Krise, eine Lähmung des ganzen Systems tritt ein. Diese Krise lässt sich nur lösen, d h. die Wiederherstellung eines zeitweiligen, dynamischen Gleichgewichts für eine neue Ausdehnung kann nur eintreten, wenn genügend Kapital in der Krise vernichtet worden ist, wenn ein veralteter Maschinenpark und Produktionsmittel ausgemerzt, wenn genug Arbeitskräfte entlassen worden sind und wenn überschüssiges, fiktives Kapital, das scheinbar aus dem Nichts in den Finanzmärkten erzeugt worden ist, vernichtet und abgeschrieben worden ist.

Aber während Millionen ArbeiterInnen ihre Jobs verloren haben und viele Klein- und Mittelbetriebe bankrott gegangen sind, fand immer noch ‚zu wenig’ Vernichtung von Kapital statt, um das kapitalistische System als ganzes neu zu beleben. Die Regierungen der großen imperialistischen Staaten Deutschland, Frankreich und USA retteten ihre global operierenden Riesenkonzerne mit staatlichen Geldern, oder wie im Fall von Autohersteller General Motors in den USA durch vorübergehende Nationalisierung, um die Karre auf Kosten der Steuerzahler wieder flott zu machen. Wie schon Marx sagte, Kapitalisten werden über Nacht zu ‚Sozialisten’, wenn es sich um ihre Verluste dreht.

Aber der eklatanteste Skandal bestand darin, dass die Regierungen nicht nur den größten Banken und Investmenthäusern Goldman Sachs, Deutsche Bank und die britische Honkong Shanghai Banking Corporation usw. die von ihnen selbst ausgelöste Krise überleben ließen, sondern ihnen auch noch die Spekulationsgewinne daraus sicherte. Im Jahrzehnt vor dem Kreditkrach floss das Kapital in den Händen dieser Institute in Immobilienspekulationen und danach in schuldenträchtige Staatsanleihen.

Die Rückzahlung des Geldes, das die Deutsche Bank dem griechischen Staat hochverzinslich lieh, dafür haftet nun der Europäische Finanzstabilitätsfonds. Es ist also nicht die griechische Ökonomie, die ‚gerettet’ wird, sondern vielmehr die deutschen und französischen Finanzkapitalisten und deren Spekulationsgewinne aus den Geschäften mit den Staatsschulden Griechenlands und anderer Länder. Ihnen werden die ‚Investitionen’ mit hohen Zinsen rückerstattet, während die Bedingungen, die an die neuen Kredite geknüpft sind, die Lebensbedingungen von griechischen ArbeiterInnen, BäuerInnen, dem Kleinbürgertum und der arbeitslosen Jugend zerstören. Wenn diese Ausplünderung der Massen in Griechenland funktioniert, warum soll sie nicht in Spanien oder Italien durchzuführen sein, und warum dann nicht auch in den USA oder Britannien, die noch weit mehr verschuldet sind?

Ungleichzeitige Entwicklung und innerimperialistische Konkurrenz

In den Monaten und Jahren seit der weltweiten Rezession hat sich außerdem die Schere der ungleichzeitigen Entwicklung in der Weltwirtschaft weiter geöffnet. Während Länder wie China, Deutschland oder Indien sich verhältnismäßig schnell erholt haben, zumal ihre Kapitalisten auf dem Weltmarkt größere Anteile erwerben konnten, sind andere deutlich zurück gefallen.

Aber all diese scheinbaren Erfolge sind großenteils auf dieselben Mechanismen und Antriebe zurück zu führen, die auch die Aufwärtsspirale, das plötzliche Scheitern und die schwerfällige Stagnation der anderen bewegen. Der Euro belastet bspw. die Konkurrenzfähigkeit der südeuropäischen Ökonomien, zumal er ihre Exporte verteuert; zugleich aber begünstigt er die deutsche Ausfuhrwirtschaft innerhalb und noch mehr außerhalb der Europäischen Union.

Eine rein deutsche Währung, die sich wie die DM in der
Vergangenheit ausschließlich auf die hoch produktive deutsche Wirtschaft stützen würde, wäre den Wechselkursmodalitäten mit einer starken Aufwertung wesentlich schärfer ausgeliefert als der Euro. Dieser Erfahrung unterliegt gerade der Schweizer Franken zum Schaden der eigenen Exporte. Für das deutsche Industriekapital ist also der ‚schwächere’ Euro vergleichsweise vorteilhafter.

Der kurzzeitige Vorsprung für die deutschen Kapitalisten muss vor dem Hintergrund der längerfristigen strategischen Orientierung des deutschen Imperialismus gesehen werden, der sich als führende Macht in der Eurozone und damit in ganz Europa absichern will. Derzeit ist er in seinen politischen und geostrategischen Bestrebungen durch verfassungsmäßige Beschränkungen innerhalb der EU als Bündnis von Nationalstaaten behindert.

Für die deutschen Imperialisten ist die gegenwärtige Schuldenkrise in der EU trotz der Gefahr für das gesamte EU-Projekt und den Euro auch eine Chance, den anderen europäischen Staaten die Anerkennung eines deutlichen und dauerhaften Schrittes zu einer gefestigteren politischen Union mit einer klareren Dominanz Deutschlands abzunötigen. Natürlich soll Frankreich Juniorpartner sein, der Deutschlands wirtschaftliche Überlegenheit eingesehen hat. Für das deutsche Finanzkapital und seine Regierung ist die derzeitige Krise von dem her nicht einfach eine wirtschaftliche Angelegenheit, sondern auch ein Schlachtfeld, auf dem die eigene Macht in der Europäischen Union, deren Charakter grundlegend verändert werden soll, ausgebaut werden kann.

Fast noch bedeutsamer erscheint der Umstand, dass die riesigen Dollarreserven Chinas die USA noch abhängiger von Peking werden lassen. War zur Jahrhundertwende die Anhäufung der US-Währung noch ein Mittel, den US-Markt für chinesische Waren zu öffnen, so nutzt China dies heute immer offener als Druckmittel gegen die USA. Die chinesische Ratingagentur Dagong hat die US-Wirtschaft bereits eine Woche vor Standard & Poors herabgestuft.

Nach dem langen und grotesken Tauziehen in Washington um die US-Schuldenobergrenze, den Wochen des Patts zwischen Obama und der republikanischen Mehrheit im US-Kongress forderte China, dass die USA „verantwortungsbewusst in Hinsicht auf die Weltwirtschaft handeln“ müsse. Der chinesische Staat erwartet von den USA eine „entschlossene Politik“, um ihre chronischen Schulden durch massive Kürzungen bei Sozial- und Rüstungsausgaben loszuwerden.

Die chinesischen Befürchtungen gegenüber der US- und europäischen Politik sind auch die Folge der allzu deutlichen Drohung, dass die Abwertung des US-Dollar und des Euro die Wareninflation weiter anheizen würde, wie das schon mit verheerenden Auswirkungen auf die Ökonomien und Bevölkerungen der ärmeren Länder der Fall war.

China selbst kämpft gegen eine wachsende Inflation und das Gespenst einer Krise in der eigenen kapitalistischen Entwicklung. Das wiederum verheißt eine Zunahme der Instabilität und eine neue Abwärtsspirale der Weltwirtschaft.

Explosiver Charakter…

Diese Beispiele verweisen auf zwei bedeutsame Umstände, die die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise so explosiv machen:

a) Die offenkundige Uneinigkeit und Unentschlossenheit zwischen und innerhalb von Regierungen und Parlamenten sind nicht nur kleinliches Gezänk; sie spiegeln wirkliche Spaltungen zwischen konkurrierenden Kapitalen und Fraktionen der herrschenden Klasse wider.

b) Die gegenwärtige Periode ist gekennzeichnet von tiefer Strukturkrise des Kapitalismus, die die Risse zwischen den kapitalistischen Hauptmächten verbreitert und verschärft. Sie lässt die internationale Konkurrenz anwachsen und geht Hand in Hand mit einem sich anbahnenden Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen diesen Mächten.

Gemeinsam ist allen Fraktionen der herrschenden Klasse jedoch die Entschlossenheit, die Arbeiter und Armen für die fortschreitende Schuldenkrise zahlen zu lassen. Die USA habe ihr Kürzungsprogramm mit 2,4 Billionen Dollar von Einsparungen an öffentlichen Ausgaben in den nächsten 10 Jahren verkündet. Die Speerspitze der Attacken richtet sich gegen das Gesundheitswesen. In Italien haben die Parlamente einen Burgfrieden mit dem reaktionären Ministerpräsidenten Berlusconi geschlossen und ermöglichen so, dass die ‚Sparprogramme’ vorangetrieben werden, ein verschleiernder Begriff, unter dem zynische Attacken auf die Lebensbedingungen von Arbeitern, Armen und auch Kleinbürgern durchgeführt werden.

Angesichts der Krise, der wachsenden imperialistischen und kapitalistischen Konkurrenz sowie der ungezügelten rücksichtslosen Offensive gegen die Arbeiterklasse werden die Kommentatoren der herrschenden Klasse nervös und unzufrieden mit ihren PolitikerInnen. Sind Obama und der ganze US-Kongress der Situation gewachsen? Nehmen Sarkozy und Merkel, ganz zu schweigen von dubiosen Figuren wie Berlusconi die Krise wirklich wahr? Noch schockierender für die herrschende Klasse ist, dass manche ihrer Kommentatoren sich fragen, ob nicht jeder bürgerliche Politiker, der antritt, das System zu retten, angesichts des historischen Ausmaßes der Weltkrise, sich als inkompetent erweisen wird.

Reformistische Politik und Illusionen:

Doch andererseits kann die herrschende Klasse beruhigt sein, dass die Führungen der Labour und sozialdemokratischen Parteien, der bürokratischen Gewerkschaften, die mit diesen Parteien oder gar den offen kapitalistischen Demokraten verbunden sind, ihnen eilig und eifrig bei der Rettung des Systems helfen wollen. Während Reformisten an der Regierung wie José Luis Zapatero in Spanien selbst die kapitalistischen Attacken tragen, entdecken ihre Gesinnungsgeschwister in der Opposition auf einmal ‚radikalere’ Lösungsvorschläge.

Gordon Brown, der frühere britische Premierminister rät nun zur Rückkehr zum Keynesianismus. Er befürwortet Steuererhöhungen für die reicheren Teile der Gesellschaft und erhöhte Staatsausgaben. Ähnliche Erklärungen kommen vom deutschen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, früher Minister in Gerhard Schröders und Angela Merkels Kabinett. Er fordert eine ‚europäisches Konjunkturprogramm’. Ein Brown/Gabriel-New Deal Kurs würde, so meinen sie, die EU, den Euro, die europäische Ökonomie, die Profite und Konkurrenzfähigkeit ihrer Bosse und gleichzeitig den Lebensstandard der ArbeiterInnen, wenigstens der europäischen, retten.

Man muss sich wundern, warum diese Labour und sozialdemokratischen Helden, als sie in der Regierung saßen, ihre keynesianische Politik zur Auslösung von Banken oder den Haushalt zur niedrigen Besteuerung von Reichen benutzt haben wie dies Tony Blair mit seiner Politik des ‚dritten Wegs’ oder Schröder mit seiner Orientierung auf die ‚neue Mitte’ getan haben. Man muss sich wundert, warum Brown das Programm von Kürzungen durchgeführt hat,das so viele seiner ParteianhängerInnen empört hat, oder warum Gabriel die Agenda 2010 vorangetrieben hat, eine strategische Offensive gegen die Nachkriegserrungenschaften der deutschen Arbeiterklasse.

Es ist dieselbe sozialdemokratische Story seit fast 100 Jahren. Einmal an der Regierung, behaupten sie, sie seien ‚gezwungen’ die Gegebenheiten der kapitalistischen Ökonomie zu akzeptieren. Zurück in der Opposition, fühlen sie sich frei, von einer alternativen Regierungspolitik zu träumen, natürlich auf der Grundlage von versöhnlicher Klassenharmonie.

Lenin hat einmal darauf hingewiesen, dass es selbst in der tiefsten Krise des Kapitalismus keine absolut hoffnungslose Lage für die herrschende Klasse gibt, solange sie nicht von der Macht verjagt worden ist. Anscheinend ist bei sozialdemokratischen Führern die Hoffnung auf Partnerschaft und Klassenkompromiss unausrottbar, selbst angesichts einer historischen Krise des Kapitalismus als Weltsystem.

Führungskrise der Arbeiterklasse!

Solange die Arbeiterklasse Führer dieses Schlages von Parteien wie SPD und Labour hat, solange die Gewerkschaften sie unterstützen und ihre reformistischen Ideen die Arbeiterbewegung dominieren, stehen die Aussichten gut für die herrschende Klasse, ihre Herrschaft zu behalten. Es ist die historische Führungskrise des Proletariats, die in Irreführern wie Brown und Gabriel zum Ausdruck kommt und damit entscheidend die herrschende Klasse stärkt.

Sie bilden ein gewaltiges Hindernis, dass der Widerstand erst beseitigen muss, will er erfolgreich die gegenwärtigen Attacken zurückschlagen. Die Arbeiterbürokratie in den reformistischen Parteien und Gewerkschaften verhindert wo sie kann die notwendigen entschlossenen Gegenwehrmaßnahmen. Sie sind entschiedene Gegner von Massenprotesten und Demonstrationen, die über gelegentliches Dampfablassen hinausgehen könnten. Sie hassen den bloßen Gedanken an ‚illegale’ Besetzungen, politische Massenstreiks oder gar an einen Generalstreik. Sie blockieren wo sie können den Aufbau von demokratisch koordinierten Kampforganen, von Massenversammlungen am Arbeitsplatz und in Wohngebieten, von Aktionsausschüssen.

Deshalb müssen wir uns und anderen helfen sich zu organisieren, darum müssen wir von den Massenorganisationen der Arbeiterklasse und ihren Führern diese Art von Aktionen fordern, zugleich aber für Lösungen der Schuldenkrise im Sinne der Arbeiterklasse kämpfen, dass die Bosse, Bänker und Großkapitalisten für ihre Krise zahlen. Wir müssen die Besteuerung der Reichen und Konzerne fordern, die entschädigungslose Verstaatlichung aller Banken und ihre Zusammenfassung in eine Staatsbank. Um die Erwerbslosen in gesellschaftlich sinnvoller Beschäftigung aufzufangen, müssen wir einen Plan zur Schaffung von sozialen Wohnungen, eine Wiederherstellung der Versorgungs- und Bildungssysteme fordern.

Deshalb müssen wir den Kampf um unmittelbare Massenaktion mit dem Eintreten
für eine Arbeiterregierung verbinden, die sich auf Massenorgane, Keimformen von Arbeiterräten, die aus solchen Kämpfen hervorgehen. berufen können.

Um solche Kämpfe bis zum siegreichen Abschluss, dem Sturz des dem Untergang geweihten kapitalistischen Systems selbst, führen zu können, brauchen wir eine politische Alternative an Stelle des in die Sackgasse führenden Labour-, sozialdemokratischen oder irgendeiner anderen Art von Reformismus: neue antikapitalistische und revolutionäre Parteien und eine neue, Fünfte Internationale.