Wiederholte Qual der Wahl

Zur Wahlwiederholung im Februar in Berlin von Wilhelm Schulz

Zuerst erschienen in der Neuen Internationalen der Gruppe Arbeiter:innenmacht.

Berlin wählt noch einmal. Am 12. Februar steht die Wiederholung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und der Bezirksverordnetenversammlungen an. Das Bundesverfassungsgericht ordnete die Wiederholung des Urnengangs vom 26. September 2021 zur „Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“ (Tagesschau 16.11.22) an.

Schließlich war die vergangene Wahl auch ein Desaster. Es wurden unvollständige Briefwahlzettel ausgeschickt. In 72 dokumentierten Fällen fehlten die Stimmzettel für den damaligen Volksentscheid von Deutsche Wohnen & Co. enteignen. In mindestens 424 Wahllokalen musste noch nach 18 Uhr abgestimmt werden, da nicht rechtzeitig ausreichend Stimmzettel vorlagen und 73 Wahllokale wurden aufgrund dessen zeitweise geschlossen. Teilweise wurden Stimmzettel vertauscht. Schlussendlich kam es in neun Prozent der Lokale zu Unregelmäßigkeiten.

Wiederholung und nicht Neuwahl

Politisch führte die Abgeordnetenhauswahl 2021 zu einer Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition. Sechs Parteien zogen ins Abgeordnetenhaus ein (SPD: 21,4 %, Grüne: 18,9 %, CDU: 18,9 %, LINKE: 14,1 %, AfD: 8,0 % und FDP: 7,1 %). Die Wahlprognosen ähneln diesem Ergebnis mit leichten Verschiebungen. Es ist unklar, ob SPD, Grüne oder CDU die meisten Stimmen erhalten werden. Die FDP und die LINKE drohen, 2 bzw. 3 Prozent zu verlieren.

Dabei ist zu beachten: Das Prozedere am 12. Februar ist eine Wahlwiederholung, keine Neuwahl. Dementsprechend dürfen die Parteien keine Veränderungen bezüglich der aufgestellten Direktkandidat_Innen sowie Landeslisten vornehmen – nur der Tod entschuldigt. Doch was bedeutet das für uns? Mehr als ein Jahr RGR2 liegt bereits hinter uns mit Auseinandersetzungen um die Krise der LINKEN, einer Konfrontation um die Frage „Regierungsbeteiligung oder Umsetzung des Mietenvolksentscheids?“, einem Krieg, einer Teuerungswelle und vielem mehr. Wir wollen dementsprechend in diesem Text auf die Politik der Koalition von SPD, Grünen und LINKEN, aber auch auf die Krise der LINKEN eingehen und unsere wahltaktischen Schlussfolgerungen darlegen.

Links blinken, rechts abbiegen?

Zahlreich sind die Versprechen für Verbesserungen, die Rot-Rot-Grün gegeben hat. Noch zahlreicher sind jedoch die, die über Bord geworfen oder so umgedreht wurden, dass man sie kaum als Verbesserungen verstehen kann. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Schulbauoffensive, ein Private-Public-Partnership-Modell, mit dem Versprechen, notwendige Sanierungsarbeiten zu tätigen, das mehr schlecht als recht läuft. Hinzu kommen massive Kürzungen bei den Verfügungsfonds der Berliner Schulen. Während früher pro Schule 28.000 Euro zur Verfügung standen, sind es nun 3.000 Euro.

Auch die von den Grünen geführte Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz (Senatorin: Jarasch) kann nicht besonders glänzen: Denn RGR2 setzt den Versuch der Teilprivatisierung der Berliner S-Bahn fort und schrieb am 17. Juni 2020 die sogenannte Stadtbahn (Ost-West-Verbindung) und den Nord-Süd-Tunnel aus. Die Netzausschreibung findet in Teilen statt und die Ausschreibung der Fahrzeuginstandhaltung ist ebenfalls davon getrennt.

Besonders präsent ist jedoch der Umgang mit dem Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen, der bereits während des letzten Wahlkampfes für einigen Aufruhr in der Parteienlandschaft sorgte. So machten die Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey (SPD), und mit Abstrichen die Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch, schon vor der Wahl klar, dass es eine Enteignung großer Immobilienkonzerne mit ihnen nicht geben wird. Somit wurde bereits vor dem ersten möglichen Sondierungsgespräch deutlich, dass es keine Koalition geben konnte, die bereit war, den Volksentscheid umzusetzen.

Das hielt die LINKE nicht davon ab, sich bis heute als bedingungslose Unterstützerin des Volksentscheids zu inszenieren. Statt ihn aber konsequent umzusetzen, stimmte sie der Einrichtung einer Expert_Innenkommission zu, die die Enteignung objektiv verschleppt, die nicht nur das „Wie“ sondern auch und vor allem das „Ob“ diskutieren soll. Währenddessen plante DIE LINKE mit der Koalition hinterrücks die personelle Zusammensetzung der Kommission, gaukelte der Initiative DWe aber vor, selbiges mit ihr abzusprechen.

Das gibt natürlich ordentlich Raum für emotionale Empörung und ist einer der Gründe, warum sich viele Linksparteimitglieder enttäuscht von der eigenen Partei abwandten. Überraschend ist es jedoch auf der anderen Seite nicht. Schließlich besteht einer der Funktionen reformistischer Organisationen darin, soziale Proteste zu inkorporieren. Gleichzeitig hat genau dies dazu geführt, dass sich die Spaltungslinien innerhalb der Linkspartei verstärkt haben, da man auch seiner sozialen Basis gerecht werden muss.

Auch wenn die Linkspartei wahrscheinlich weiter Stimmen verlieren wird, so ist sie noch immer eine Partei mit rund 8.000 Mitgliedern und rund 250.000 Wähler_Innen allein in Berlin. Trotz Unterordnung unter die Vorgaben der Koalition und Enttäuschung vieler Anhänger_Innen setzen bis heute viele Aktivist_Innen sozialer Bewegungen (sogar von DWe!) und die politisch bewussteren Schichten der Arbeiter_Innenklasse (z. B. Krankenhausbewegung) auf DIE LINKE – und sei es als kleineres Übel angesichts von Parteien, die ansonsten entweder für offen neoliberale, konservative und rassistische Politik stehen oder die imperialistische Aufrüstungspolitik und den Wirtschaftskrieg gegen Russland an der Bundesregierung mitverantworten.

Zerreißprobe für die Linkspartei: für eine linke Opposition!

Die Auseinandersetzung rund um das letzte Wahlergebnis zeigte auf, dass es in den unterschiedlichen Flügeln der LINKEN Differenzen gibt um die Frage, welche Politik die Partei angesichts ihrer generellen Krise anstoßen muss. Das regierungssozialistische Mehrheitslager in Berlin wie bundesweit warb für Rot-Grün-Rot und gab dafür weite Teile seiner Versprechen auf, während ein Minderheitsflügel die Beteiligung an einer Regierung mit SPD und Grünen nicht prinzipiell ablehnte, jedoch die Selbstaufgabe dafür.

Diese Orientierung der Mehrheit ist nachvollziehbar, da die LINKE seit ihrer Gründung länger an der Regierung in Berlin war als in der Opposition. Berlin ist quasi zu einem Vorzeigeprojekt der Regierungssozialist_Innen geworden. Die Beteiligung an etwaigen Koalitionen wird von diesem Lager mit der Existenzberechtigung der Gesamtpartei in eins gesetzt – eine Orientierung, die ein Hindernis und keinen Zugewinn gegenüber den Angriffen auf Errungenschaften der Klasse darstellt.

Während der Minderheitsflügel in der Partei in Teilen zwar ausspricht, dass sich beide Ziele entgegenstehen, bleiben die praktischen Konsequenzen aus. In Teilen der Partei wird anerkannt, dass es sich um zwei mögliche Pfade handelt, die sie einschlagen kann: entweder Orientierung auf die Regierung oder Kampf für die Umsetzung ihrer Versprechen. Das Ausbleiben einer systematischen Opposition durch DWe selbst hängt direkt damit zusammen, dass die Initiative programmatisch auf selbige Sackgasse zusteuert: eine Umsetzung durch parlamentarische Mehrheiten.

Zwischen der Wahl und der Koalitionsbildung bildete sich innerhalb der LINKEN Widerstand. Mit der Initiative für eine linke Opposition und Anträgen gegen die Regierungsbeteiligung wurde dies greifbar, doch erstickte dies schlussendlich im Keim. Anstatt über die Urabstimmung hinaus gegen die Regierungsbeteiligung zu kämpfen, endete der organisatorische Prozess zu Beginn des Jahres 2022. Zwar gibt es weiterhin eine Reihe von Direktkandidat_Innen der LINKEN, die sich gegen eine erneute Beteiligung an RGR aussprechen, doch ändert diese nichts an ihrer Zersplitterung. Unter den Parlamentarier_Innen findet sich keine Person, die offen ausspricht, gegen Giffey gestimmt zu haben.

Keine offenen Treffen der Gegner_Innen der Regierungsbeteiligung wurden organisiert. Der Konflikt hat sich verlagert – hin zur Frage der Umsetzung des Volksentscheids. Diese Verlagerung ist ein Ausdruck dessen, in welche Sackgasse sich die LINKE manövriert hat, jedoch zugleich ein falscher Konsens. Denn es zögert den Konflikt hinaus, da zugleich passiv auf das Ergebnis einer Expert_Innenkommission gewartet werden kann, deren Urteil nicht bindend ist, und das als eine Perspektive gegen die Verhinderungstaktik von SPD und Grünen dargestellt wird.

Die Verlagerung steht also aktiv dem politischen Konflikt im Wege. In diesem Sinne muss auch die bedingungslose Unterstützung des Volksentscheides, die die LINKE kürzlich erst erneut bekräftigte, als Lippenbekenntnis gewertet werden. Für Parteilinke bedeutet das, ihre Aufgaben in der LINKEN zu erkennen, wenn sie nicht Flankendeckung zur Verteidigung der Regierungsbeteiligung bleiben möchten.

Wie verhalten wir uns dazu?

Die Aufgabe für Revolutionär_Innen lautet nun aufzuzeigen, wie der linke Flügel den Kampf um seine Inhalte führen muss. Dazu muss an dieser Stelle Druck aufgebaut werden, da eine bisher systematische Organisierung des Widerstands gegen die Regierungssozialist_Innen ausgeblieben ist. Zugleich sind dessen Kandidat_Innen durchaus Repräsentant_Innen einer bedeutenden Minderheit in der Partei und kontrollieren faktisch Bezirke wie das mitgliederstarke Neukölln.

Deswegen rufen wir zur kritischen Unterstützung der Kandidat_Innen des linken Flügels der LINKEN bei den Erststimmen auf. Wir wollen damit jene Kräfte in ihr stärken, die sich gegen eine prinzipienlose Regierungsbeteiligung ausgesprochen und, wenn auch inkonsequenten, Protest gegen den Koalitionsvertrag unterstützt und organisiert haben. Das Ziel ist es, sie in die Verantwortung zu bringen und unter Druck zu setzen, den kämpferischen Worten auch ebensolche Taten folgen zu lassen.

Wir rufen daher bei den Erststimmen nur zur Wahl jener Kandidat_Innen auf, um unsere Stimme gegen die Regierungsbeteiligung sichtbar zu machen. Diese Sichtbarkeit machen wir fest an drei Punkten; Erstens unterstützen wir jene Kandidat_Innen direkt, die auf dem Landesparteitag der LINKEN den Antrag gegen die Regierungsbeteiligung aufgestellt haben. Zweitens rufen wir zur Stimmabgabe für jene Kandidat_Innen auf, die öffentlich die Initiative „Für eine linke Opposition“ unterstützten, sowie drittens jene, die öffentlich für einen Bruch mit der Regierungspolitik der LINKEN eintreten wie beispielsweise Jorinde Schulz und Ferat Koçak, beides Direktkandidat_Innen in Neukölln.

Die Unterstützung verbinden wir mit der Forderung, dem Nein-Lager einen organisatorischen Ausdruck zu geben. Zugleich rufen wir zur Zweitstimmenabgabe für DIE LINKE auf. Schlussendlich soll die eingeschlagene Taktik dem linken Flügel im Kampf zur Klarheit verhelfen und nicht durch reine Stimmabwesenheit zum Bedeutungsverlust ohne politische Alternative führen. Wäre dies der Fall, so würde unsere Wahltaktik gegenüber den Wähler_Innen nichts aussagen, außer zuhause zu bleiben. Mit dieser Taktik hingegen rufen wir dazu auf, auch über die Wahl hinaus Druck aufs Abgeordnetenhaus und die bremsende Mehrheit der LINKEN aufzubauen. Der essentielle Punkt ist nämlich nicht einfach nur, dazu aufzurufen, ein Kreuz zu machen, sondern die Stimmabgabe mit der Aufforderung zur gemeinsamen Aktion zu verbinden.

Warum schlagen wir diesen Weg ein?

Als revolutionäre Marxist_Innen betrachten wir die Überwindung des Kapitalismus und damit einhergehend des bürgerlichen Staates als die zentrale Aufgabe unseres politischen Wirkens. In Konsequenz dessen spielt für uns die Organisierung und Mobilisierung der Arbeiter_Innenbewegung eine zentralere Rolle als die Arbeit im Parlament, die strategisch überhaupt unfähig ist, den Kapitalismus zu überwinden. Für uns ist das Abgeordnetenhaus in diesem Sinne eine Tribüne im Klassenkampf. Der Reformismus hingegen steht dieser Aufgabenbeschreibung diametral entgegen. Während er zugleich am gewerkschaftlichen Bewusstsein kämpfender Teile der Klasse ansetzend die politische Vertretung als Partei der organisierten Arbeiter_Innenschaft zu repräsentieren vorgibt, hängt er zugleich der Utopie der schrittweisen Überwindung gesellschaftlichen Elends an. Das Ziel muss also sein, das vorherrschende reformistische Bewusstsein innerhalb der Arbeiter_Innenklasse – noch bürgerlich, aber von der Notwendigkeit einer Klassenpartei überzeugt – zu brechen. Das passiert nicht allein durch Denunziation oder moralische Empörung über den Verrat der bürgerlichen Arbeiter_Innenparteien. Ansonsten wäre es schwer erklärbar, warum nach mehr als 100 Jahren der stetigen Enttäuschung Olaf Scholz Kanzler ist oder Giffey in Berlin regieren kann.

Das heißt: Wir rufen zur kritischen Wahlunterstützung für DIE LINKE nicht auf, weil wir denken, dass ihr Wahlprogramm, ihre Politik die dringlichsten Ziele von Arbeiter_Innen, Migrant_Innen, Jugendlichen, Renter_Innen, Arbeitslosen oder anderen Ausgebeuteten und Unterdrückten einlösen, sondern weil sie gewählt wird von Hunderttausenden, die sie für eine soziale Kraft angesichts massiver Preissteigerungen und inmitten eines gesellschaftlichen Rechtsrucks halten. Entscheidend ist daher nicht das Programm, sondern das Verhältnis der Kandidat_Innen und/oder ihrer Partei zur Klasse und den Unterdrückten. Die Taktik der kritischen Wahlunterstützung setzt an diesem Punkt an, weil wir als revolutionäre Marxist_Innen nicht imstande sind, aus eigenen Kräften anzutreten. Folglich geben wir eine kritische Wahlempfehlung für nicht-revolutionäre Kandidat_Innen der organisierten Klasse mit dem Ziel, auf sie Druck auszuüben und somit Teile vom Reformismus aktiv leichter wegbrechen zu können, anstatt zu warten, bis diese von selbst desillusioniert werden. Denn ob man es will oder nicht: Mit rund 8.000 Mitgliedern und rund 250.000 Stimmen bei der letzten Wahl ist DIE LINKE keine Kraft, die einfach ignoriert werden kann.

Die Illusionen zerfallen nicht durch die reine Kritik an ihrer Ausrichtung, sondern dadurch, dass die Partei in die Lage versetzt wird, ihre Politik umsetzen zu müssen. Gerade angesichts der Wahlwiederholung muss deutlich gesagt werden, dass DIE LINKE bereits anschaulich bewiesen hat, dass die Regierungsbeteiligung für sie mehr bedeutet als ihrer Wähler_Innenbasis. Doch der linke Flügel der Partei läuft Gefahr, dies durch seine Passivität zu legitimieren, anstatt in der Partei und Wähler_Innenschaft Widerstand zu organisieren.

Daher sagen wir: Schluss damit! Wir fordern die sofortige Umsetzung des Volksentscheides, ansonsten kommt keine Koalition zu Stande. Wählt die Kandidat_Innen, die diese Position vertreten haben und lasst uns gemeinsam für die Umsetzung dieser kämpfen!




Für einen revolutionären Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus!

Minderheitsposition der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei“, Infomail 1211, 19. Januar 2023

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Für einen revolutionären Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus!

Antragsteller:innen: Carlos, Pauline, Stephie (REVO, GAM), Willi (GAM)

1. Seit 15 Jahren vertieft die Partei DIE LINKE stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Alle Versuche, die Partei in die Richtung einer Fundamentalopposition zu lenken, sind gescheitert. Die Partei und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] sowie Die Linke.SDS sind durch diese Entwicklung in eine Krise geraten. Auf der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid haben sich Mitglieder von [‘solid!] und DIE LINKE, kürzlich ausgetretene Genoss:innen, sowie Gruppen und Einzelpersonen aus der kommunistischen Bewegung versammelt. Wir nehmen das Zusammenfallen der Krise der Linkspartei und der gesamten gesellschaftlichen Opposition mit einer verschärften ökonomischen, politischen und sozialen Krise auf nationaler und globaler Ebene als Anlass, um die praktische Vorbereitung sowie die Debatte über den Aufbau einer Partei der arbeitenden Klasse mit einem fundamentaloppositionellen, revolutionären Programm in Deutschland wieder ins Rollen zu bringen.

Zur Ausgangslage in Deutschland und der LINKEN

2. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt, und für die internationale Solidarität der Arbeiter:innen aller Länder untereinander. Mit Einmalzahlungen im Gießkannenprinzip versucht diese dem Widerstand gegen Inflation und Krieg den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch in der Krise erkauft sich der imperialistische deutsche Staat die politische Loyalität von wirtschaftlich zentralen Teilen der Arbeiter:innenklasse mithilfe der Gewerkschaftsbürokratie, um einen übergreifenden Kampf aller Lohnabhängigen in Deutschland und auf globalem Maßstab auf Basis gemeinsamer Klasseninteressen vorzubeugen. So können die Kosten der Militarisierung auf die Lohnabhängigen in Deutschland und anderswo abgewälzt werden — wodurch Kriege finanziert werden, unter denen wiederum vor allem die Lohnabhängigen anderer Länder tagtäglich leiden müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats und der rechtsterroristischen Verankerung innerhalb derselben. Der rechte Terror im Innern ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Daher kann der Aufstieg der Rechten nicht mit einer Logik des „geringeren Übels“, der prinzipienlosen Unterstützung von „linken“ oder „fortschrittlichen“ Regierungen bekämpft werden.

3. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugendorganisation aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt absurder und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugendorganisation an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt und entschuldigt.

4. Die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, ist die Arbeiter:innenklasse. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Queer- und Transfeindlichkeit sowie Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und immer mehr offen queer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderung zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jeglicher Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert. Das wird ihr nur gelingen, wenn sie die Selbstorganisierung der auf unterschiedliche Weise unterdrückten Teile der Arbeiter:innenklasse nicht als Konkurrenz sieht, sondern begrüßt und aktiv zu einem großen Ganzen zusammenfügt.

5. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrechterhalten. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr „Klassenpolitik“ bestimmte Unterdrückungs- und Ausbeutungsformen herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der „weißen Arbeiterklasse“ mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

6. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit reformistischen oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich, welche den Klassenkampf in ihren jeweiligen Ländern in staatstragende Bahnen umgelenkt haben. Das linkspopulistische Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigt sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat — wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen —, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

7. Wir lehnen den zögerlichen Umgang der Linkspartei mit ihrem stalinistischen Erbe deutlich ab. Die stalinistische Konterrevolution in der Sowjetunion und ihr Abdruck in der DDR und anderswo, die Unterdrückung von nationalen und religiösen Minderheiten, Frauen und Homosexuellen, die Sabotage der Kämpfe der Arbeiter:innen und strategische Orientierung auf bürgerliche und reaktionäre Kräfte unter dem Vorwand der Verteidigung des sozialistischen Aufbaus, der Verteidigung gegen den Faschismus, der nationalen Befreiung usw. — auf diesem Erbe kann keine revolutionäre Politik fußen. Ein revolutionärer Bruch mit der reformistischen Linkspartei schließt einen Bruch mit der Toleranz gegenüber allen Erscheinungsformen des Stalinismus als linker Spielart des Reformismus mit ein.

8. Die Krise der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Als „demokratisch sozialistische“ bürgerliche Arbeiter:innenpartei ist sie strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtet, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen „kritisch“ sieht, ebenso wenig einzelne „linkere“ Ortsgruppen ihres Jugendverbandes. „Rebellisch regieren“, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Obwohl sie sich also sozial auf die Lohnabhängigen stützt, macht sie ihre Strategie letztlich zu einer Stütze der kapitalistischen Ordnung. Gegen diese Strategie, die letztendlich zur Unterordnung unter die Interessen des Kapitals führt, setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften, die sie stützen. Für uns bedeutet diese Unabhängigkeit keine Summe an Allgemeinplätzen, sondern muss auf dem Ziel der gemeinsamen Entwicklung eines revolutionären Programms fußen. Ein Prozess in den die verschiedenen Differenzen, die uns trennen diskutiert werden müssen.

Das Aktionsprogramm mit dem wir gegen die unterschiedlichsten aktuellen Krisen kämpfen wollen

9. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, BAföG, etc. an die Inflation für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

10. Um ein solches Notfallprogramm umzusetzen, müssen wir eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital mit allen grundsätzlich bereitwilligen Kräften aufbauen, wobei wir uns ausdrücklich an alle Genoss:innen an der Basis sowie in führenden Positionen der Linkspartei richten, die alle oder einige der Forderungen teilen und zu einer transparenten und diskussionsoffenen Zusammenarbeit bereit sind. Da ein Großteil der Lohnabhängigen in Deutschland reformistische Illusionen hegen, wird ein Aktionsbündnis kleiner linksradikaler Gruppierungen nicht reichen, um die notwendige Massenkraft rund um unsere Forderungen zu mobilisieren. Für den Erfolg einer Einheitsfront wird es aber notwendig sein, die bremsende Rolle der SPD, der Gewerkschaften zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen — für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mitunterschrieben. Gegen die sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen durch (Streik-)Versammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen das Bewusstsein der Lohnabhängigen für ihre eigene Macht als Klasse zu erwecken. Um erfolgreich eine revolutionäre Perspektive in die Einheitsfront hineinzutragen, müssen wir zugleich den Aufbau einer vom Kapital unabhängigen Massenpartei der Lohnabhängigen mit einem marxistischen, revolutionären Programm anvisieren, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, wie in der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen und anderer besonders unterdrückter Teile der arbeitenden Klasse im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann.

11. Die Konferenz sieht sich also einer doppelten Aufgabe gegenüber: Einerseits die Dominanz bürgerlicher Ideologien in der Arbeiter:innenklasse (v.a. den Reformismus) herauszufordern und andererseits eine revolutionäre Kraft aufzubauen. Zu diesem Zweck schlagen wir vor:

a. Die baldige Vorbereitung einer wirklich breiten Konferenz, auf der gemeinsam mit allen interessierten Kräften — inklusive mit denjenigen, die bisher nicht mit der Linkspartei gebrochen haben — über den aktuellen Zustand des globalen Kapitalismus und über die Ursachen und Erscheinungsformen des Reformismus diskutiert werden soll. Darüber hinaus wollen wir über die historischen und aktuellen Bedingungen, Probleme und Chancen eines radikalen Bruchs mit dem Reformismus auf nationaler und globaler Ebene reden, welche materielle Basis er in der Arbeiter:innenbewegung hat. Sowohl die Bedingungen eines Zusammenschlusses der kommunistischen Bewegung wie auch die Beziehung von Revolutionär:innen zu reformistischen Kräften sollen ausführlich diskutiert werden.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte nötig ist, um eine revolutionäre Opposition ins Leben zu rufen zu können, die in den Kämpfen außerhalb und innerhalb des Parlaments eine tatsächliche Alternative zum Reformismus darstellen kann. Um heute schon das Fundament zu legen für einen radikalen Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus, wollen wir: im Rahmen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; Angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen einerseits die politische Selbstorganisierung und Aktion der Mieter:innen als Lohnabhängige auf allen Ebenen vorantreiben, andererseits mit einer Kritik an der Taktik der Regierungsbeteiligung der Berliner Linkspartei bzw. an ihrem Umgang mit dem Volksentscheid in die kommende Abgeordnetenhauswahl treten. Dort, wo es möglich ist: Aufruf zur Wahl von Kandidat:innen der Linkspartei, die sich auf glaubwürdige Weise gegen die Regierungsbeteiligung ihrer Partei in Land und Bund stellen, wie der Genosse Ferat Koçak in Neukölln. Solche Unterstützungen müssen jedoch mit der Forderung des Aufbaus einer Strömung in der Partei verbunden werden, die den Kampf um Mehrheiten im Parlament nur als Mittel zum Zweck der Enteignung großer Immobilienkonzerne nutzt und nicht die Interessen ihrer Wähler:innen für die Regierungsbeteiligung aufopfert. Solidarität und kritische Unterstützung des parteiinternen Flügels in ihrem Kampf gegen die Regierungsbeteiligung, nicht zuletzt mit Marx21 in Berlin — für einen breiten Zusammenschluss innerhalb und außerhalb der Linkspartei für eine Fundamentalopposition!




Revolutionärer Bruch braucht Programm

Am 10. Oktober 2022 veröffentlichten junge Sozialist:innen, die in der Linksjugend solid aktiv sind, eine Erklärung unter dem Titel „Für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und solid“. Wir begrüßen die Diskussion um den Aufbau einer revolutionär-sozialistischen Partei in Deustchland, an der wir uns aktiv beteiligen wollen. Hier spiegeln wir eine Erklärung von mehreren Genoss:innen, die sich begannen in solid zu politisieren und sich im Verlauf des letzten Jahres auch der Jugendorganisation REVOLUTION anschlossen. Sie stellen hier ihre Ansichten zu den Grundlagen einer neuen revolutionären Kraft zur Diskussion.

Verfasser:

Die Weltgesellschaft befindet sich wahrhaftig an einem Wendepunkt. Die Bewegungen der Lohnabhängigen und sozial Unterdrückten sehen sich mit einer grundlegend neuen Situation konfrontiert.

Mit dem Krieg in der Ukraine hat auch eine allgemeine Auseinandersetzung um die Neuaufteilung der Welt begonnen. Großmächte wie China, Russland, Indien, die USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien bereiten sich auf einen globalen militärischen Konflikt vor, der die gesamte Zivilisation zerstören könnte. Die Diskussion über die Gefahr eines Dritten Weltkrieg ist in den offiziellen Medien, in den Reden von Politiker:innen und im alltäglichen Gespräch kein Tabu mehr. Gerade für die Jugend gilt es, zu verhindern, dass ein dritter Weltkrieg je ausbrechen kann.

Die Klimakatastrophe ist heute. Verwüstung, Trockenheit und Feuer wechseln Fluten, Überschwemmungen und Stürme ab. Gleichzeitig erleben wir ein apokalyptisches Artensterben. Wir erleiden die Vermüllung unseres Planeten, und die Vergiftung unseres Trinkwassers und unserer Nahrung. Während allein in diesem Jahr weltweit eine Billion Dollar für den Militarismus ausgegeben wurden, bleibt die ökologische Transformation aus, die uns bürgerliche Politiker:innen und Konzerne immer wieder versprachen. (Das sind 1000000000000 Dollar oder eintausend Milliarden Dollar.) Wenn wir die Zukunft der jungen Generation sichern wollen, braucht es einen radikalen Systemwechsel.

Gleichzeitig brach mit der Corona-Pandemie auch eine außerordentliche Wirtschaftskrise des Kapitalismus aus. Die Lohnabhängigen, kleine Bauern, die kleinen Gewerbetreibenden, sowie die städtische und ländliche Armut werden unter dieser Krise erdrückt. Große Teile der Welt erleben eine massive Hungerkrise. Auch hier in Deutschland überschritt die Inflation zuletzt die 10% Marke, viele bangen um ihre Arbeit, ihre Wohnung, fürchten sich vor der nächsten Gasrechnung oder dem Einkauf. Mehr als 16% der Bevölkerung lassen eine Mahlzeit aus, um zu sparen. Währenddessen vermehrt sich der Reichtum der großen Kapitalist:innen. Wenn wir nicht erneut wie 2008 für die kapitalistische Krise zahlen sollen, braucht es einen entschlossenen Kampf von unten.

Diese drei Menschheitsfragen können nicht durch den Kapitalismus gelöst werden. Denn es ist der Kapitalismus, der sie hervorgerufen hat.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die sich an den Bedürfnissen der gesamten Menschheit ausrichtet, auch der Generation von Morgen.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der demokratische Teilhabe nicht von der Wirtschaftsmacht einer Region, von einzelnen Staaten, Verbänden oder Individuen abhängig ist.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die frei von Privilegien ist, von Privilegien die andere Menschen klein machen, ausgrenzen und ihre Ausbeutung ermöglichen.

Das einzige Privileg, für das wir kämpfen, ist der Menschheit eine Zukunft auf diesem Planeten zu sichern. Wir streben eine Zukunft an, in der wir gleichberechtigt unsere Lebenszeit voll ausschöpfen und genießen können. Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der die Fähigkeiten und Interessen von Kollektiven und Individuen voll zur Entfaltung kommen können. Um diese Zukunft zu sichern, müssen die Technologien zu produktiven Kräften werden, anstatt zu Mechanismen der zunehmenden Kontrolle, oder gar der Zerstörung der Welt. Wir brauchen Formen des Zusammenlebens, die sich frei machen von der Irrationalität, dem Hass und der Lüge der heutigen Zeit. Eine Gesellschaft in der stattdessen der Drang nach Wissen, Austausch und dem Verständnis unserer Existenz im Vordergrund stehen.

Diese Gesellschaft nennen wir Sozialismus.

Wir müssen aber feststellen, dass wir diesem Ziel heute sehr fern stehen.

Mit dem Beginn der Krise 2007 hoffte eine ganze Generation junger und alter Menschen von einem Ende des Kapitalismus. Im gleichen Jahr wurden die LINKE und die Linksjugend solid gegründet. Fünfzehn Jahre später ist die LINKE in einer tiefen Krise. Heute fürchten die Kapitalist:innen in Deutschland nicht die linke Erhebung. Eine weit verbreitete Sorge der damailigen zeit, als Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung davon sprachen, dass das Marx zurück sei. Stattdessen müssen Lohanbhängige heute den Aufstieg der Rechten fürchten und unter der unsozialen Politik der Regierung leiden.

Es fehlt aber nicht an den objektiven Bedingungen dieses Ziel zu erreichen. Es fehlt an einer Kraft, die für dieses Ziel entschlossen kämpft. Wir denken, die LINKE ist nicht diese Kraft. Denn die LINKE formuliert nur ein vages Ziel. Sie hat die Kampfkraft der Lohnabhängigen in den letzten fünfzehn Jahren nicht gestärkt, sondern ihre Hoffnung auf grundlegende Veränderungen, und ihre Moral durch eine Reihe von prinzipienlosen Regierungsbeteiligungen gebrochen. Aktuell streitet sie darüber, ob die deutsche Regierung nun die blödeste Europas sei oder nicht. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, dass es eine kapitalistische Regierung ist, die unsere Interessen nicht umsetzt. Die LINKE scheitert auch praktisch, sie ist zerstritten und ist nicht das Zentrum eines linken Widerstandes gegen die Dreifachkrise.

Dies hat tiefere Gründe. Denn alle drei relevanten Flügel der LINKEN (Bewegungslinke, Wagenknecht-Flügel und Reformer) haben eine politische Schwäche, die sie teilen. Sie richten ihre Politik letztlich primär auf die graduelle Reform eines Systems aus, das nicht grundlegend reformierbar ist. Ihr Hauptvehikel bleibt dabei letztlich mehr oder weniger das Parlament und der bürgerliche Staat. Wir erkennen hingegen wirklich an, dass die heutige Welt in Klassen aufgeteilt ist. Einerseits in jene, die über Land, Ressourcen und Produktionsmittel besitzen, jene die direkt oder indirekt die Grundlagen der Politik der heutigen Staaten bestimmen. Andererseits in jene, die dies nicht tun. Ein Großteil dieser zweiten Klasse sind die Lohnabhängigen dieser Welt.

Für uns ist das nicht einfach eine Phrase, sondern kommt mit praktischen Verpflichtungen. Es heißt, dass die Welt von den Interessen einer kapitalistischen Minderheit bestimmt ist. Diese Minderheit bestimmt letztlich das Schicksal der „Wirtschaft“. Auch das vorherrschende Denken ist das Denken der Herrschenden, solange ihre Herrschaft nicht in Frage gestellt wird.

Das bedeutet, dass wir unser Ziel nur durch eine Politik verändern können, die diese herrschende Klasse herausfordert. Das ist eine Politik die wir als revolutionären Klassenkampf bezeichnen.

Die erdrückende Mehrheit in die LINKE und die linksjugend solid, und wichtiger ihr Apparat aus Funktionär:innen und Mandatsträger:innen die letztlich die Praxis dieser Partei bestimmen,

vertreten keine klassenkämpferische Politik. Sie vertreten eine Politik, die wir als Reformismus bezeichnen. Das ist eine Politik, die im besten Fall glaubt, durch graduelle Reformen den Sozialismus zu erreichen. In der Praxis ist es aber eine Politik und ein soziales System, dass die Lohnabhängigen an die Unternehmen der Kapitalist:innen und an „ihren Staat“ bindet und unterordnet.

Wir glauben, dass es einen grundlegenden Bruch mit dem politischen Programm und der organisatorischen Praxis der LINKEN und von Linksjugend solid benötigt, wenn wir unsere Zukunft sichern wollen. Denn mit dieser Politik ist ein wirklicher Systemwechsel ausgeschlossen.

Deshalb unterstützen wir von REVOLUTION den Aufruf zu einer Konferenz, in der alle kritischen Teile der linksjugend solid und der LINKEN zusammenkommen, die eine Politik wünschen, die für einen Systemwechsel eintritt und dies mit einer Politik des Klassenkampfes verbindet.

Um der heutigen, neuen Situation gerecht zu werden, muss es unser Anliegen sein, die antikapitalistischen Teile der Klimabewegung, der kämpferischen Gewerkschafter:innen, die klassenkämpferischen Teile der antirassistischen und feministischen Bewegung in einer gemeinsamen Partei zu vereinigen, um für solch einen Systemwechsel, eine sozialistische Revolution möglich zu machen.

In siebzehn Punkten möchten wir hier unsere grundlegenden Überlegungen äußern, welche Strategie und Organisationsform solche eine Partei kennzeichnen sollte und wie sie für den Sozialismus unter den aktuellen Bedingungen in Deutschland kämpfen müsste.

  1. Wir befürworten Reformen. Wir unterstützen jede Reform, die unsere unmittelbare Lebensgrundlage verteidigt oder verbessert. Das trifft auf alle gesellschaftlichen Bereiche zu, von der Erhöhung von Löhnen, der sofortigen Umsetzung von Maßnahmen zur Rettung der Umwelt und der Abschaffung von Praktiken oder Gesetzen, die rassistische, sexistische oder homophobe Unterdrückung zementieren.
  2. Wir müssen für Reformen kämpfen. Die Reichen, die Banker, Industriellen und Großgrundbesitzer, die bürgerlichen Politiker und staatliche Institutionen werden uns nichts freiwillig geben. In diesem Klassenkampf um Reformen, richten wir uns nicht an dem für die herrschende Klasse „machbaren“ aus. Wir schlagen immer den Kampf für das Leben und Überleben der Lohnabhängigen und der Menschheit „notwendige“ vor.
  3. Wir befürworten den Antritt zu Wahlen. Sozialist:innen sollten ihre Ansichten in Wahlen und im Parlament zum Ausdruck bringen. Diese Ansichten sollen aber den Kampf um Reformen und für die Revolution verbessern, und nicht zur Integration in jene bürgerlichen Regierungen und den büegrlichen Staat fordern, in dem es sich auch die LINKE bequem gemacht hat.
  4. Das strategische Ziel des Sozialismus bestimmt also unsere Taktik. Wir unterscheiden uns hier grundlegend von der reformistischen Politik der LINKEN oder der Gewerkschaftsführung. Denn diese ordnet ihre Forderungen und ihre Praxis dem unter, was die Koalitionspartner oder die Konzernchefs als „machbar“ verkaufen. Sie beteiligt sich an der Verwaltung des kapitalistischen Systems in bürgerlichen Regierungen, was wir kategorisch ablehnen. Gleichzeitig fordern wir reformistische Parteien und die Gewerkschaften immer wieder dazu auf, für konkrete Forderungen zu mobilisieren und zu kämpfen. Eine zentrale Kritik, die wir aktuell an ihnen haben, ist gerade, dass sie nicht entschlossen gegen Inflation, Krise, Krieg und Umweltzerstörung kämpfen. Wir fordern sie also jederzeit dazu auf eine gemeinsame Front für die Erkämpfung von Reformen zu schließen. Aber wir begrenzen unsere eigenen Aktivitäten, Forderungen und unser Programm im gemeinsamen Reformkampf nicht auf das, was die Führer:innen der Gewerkschaften oder der LINKEN für „machbar“ halten. Wir sagen jederzeit, was wir für „notwendig“ erachten und wir erhöhen dabei die Selbstorganisierung der kämpfenden Basis.
  5. Der Kampf um Reformen hat einen realen Zweck im Hier und Jetzt. Dieser Reformkampf ist nicht einfach ein „Trick“.Wenn wir zum Beispiel von unserem Lohn jetzt nicht leben können, dann muss der Lohn jetzt sofort steigen. Aber gleichzeitig kann der Sozialismus nicht ohne eine Revolution erreicht werden. Sozialist:innen werden dies in jedem Reformkampf betonen und den Kampf um die Reformen so führen, dass sie die Revolution vereinfachen, denkbar machen und vorbereiten.
  6. Sozialist:innen können die Revolution propagieren. Die Revolution machen kann aber nur die Klasse der Lohnabhängigen. Sie ist eine wirkliche soziale Kraft, und auch nur durch ihre Revolution gegen die Diktatur des Kapitals, kann eine Zukunft gesichert werden, in der es eine Demokratie der Lohnabhängigen anstatt einer stalinistischen Dystopie gibt.
  7. In Deutschland kann kein ernsthafter Reformkampf gewonnen, keine Revolution ohne die Gewerkschaften geschehen. Eine zentrale Aufgabe ist es daher auch die Gewerkschaften für eine Politik des entschlossenen Reformkampfes und für eine sozialistische Politik zu gewinnen. Es gibt eine riesige Klasse in Deutschland, aber sie ist von einer reformistischen Bürokratie beherrscht, oder anders gesagt von Menschen kontrolliert, die mit einem Parteibuch der SPD, der Grünen oder auch der LINKEN ausgestattet sind. Diese Bürokratie sitzt in Aussichtsräten, in staatlichen Institutionen und erhält zum Teil riesige Gehälter. Aber sie vertritt nicht unsere Interessen. Sie glaubt „die deutsche Wirtschaft“, das heißt die Profite der Kapitalist:innen wären das Maß aller Dinge. Zum Teil verhindert oder verschleppt diese Bürokratie auch die Organisierung ganz neuer Schichten der Lohnabhängigen. So verweigerte sie lange den Zutritt von Geflüchteten in die Gewerkschaften. Sie müssen wieder zu Orten der Demokratie und des Kampfes der Lohnabhängigen werden. Eine zentrale Aufgabe ist es also heute eine klassenkämpferische Basisopposition in den Gewerkschaften aufzubauen. Dies schließt auch die Auseinandersetzung mit weit verbreiteten Illusionen und Ideologie des Reformismus, sowie unterschiedlichen Formen des Chauvinismus unter einfachen Gewerkschaftsmitgliedern selbst ein.
  8. Denn die Klasse ist aktuell gespalten. Sie ist anhand nationaler Unterschiede, vermittels von imperialistischen und halb-kolonialen Kriegen, aufgrund von sexistischer, rassistischer, homophober Unterdrückung und auch anhand unterschiedlicher sozialer Stellung einzelner Schichten der Lohnabhängigen gespalten. Es ist eine zentrale Aufgabe diese Spaltung in der gemeinsamen Auseinandersetzung zu überwinden. Daher kämpfen wir auch für den Aufbau einer sozialistischen Internationale, die alle diese Auseinandersetzungen miteinander verbindet. Die gemeinsame internationale Organisierung ist das beste Mittel gegen den Chauvinismus.
  9. Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Dieser Hauptfeind ist für uns die deutsche Klasse der Kapitalist:innen und der mit ihr verbundene Staat. Das heißt für uns auch, dass wir uns nicht ihren außenpolitischen Ambitionen anschließen. Wir lehnen jede Form des Imperialismus und des Militarismus ab. Nur weil Deutschland nach innen größere demokratische Rechte gewährt als beispielsweise China oder Russland dies tun, heißt das nicht, dass deutsche Waffen, die an die Saudis und die Türkei verkauft werden, und im Jemen Krieg und in Kurdistan eingesetzt werden, demokratischer seien. Es heißt nicht, dass deutsche Bundeswehrsoldaten die Demokratie in Mali, in Afghanistan oder im Irak verteidigt haben. Das können nur die demokratisch und sozialistisch organisierten Lohnabhängigen dieser Länder selbst. Die ökonomische, diplomatische und militärische Intervention Deutschlands zerstört aber solche Prozesse immer wieder.
  10. Gleichzeitig wissen wir auch, dass es andere Großmächte wie Russland, China, die USA, Japan, Frankreich, Großbritannien oder Indien gibt. Wir stehen an der Seite keiner dieser Staaten. In der militärischen Auseinandersetzung zwischen diesen Staaten sagen wir „Dreht die Waffen um.“ Kämpft nicht gegen die Menschen des anderen Landes. Stattdessen sollten die Lohnabhängigen und die ins Militär eingezogene Jugend gegen ihre „eigenen“ Kapitalist:innen, Diktatoren oder bürgerlichen Regierungen und für eine sozialistische Revolution kämpfen.
  11. Wir tun alles uns mögliche, um den Aufbau von Gewerkschaften, sozialen und ökologischen Bewegungen sowie von sozialistischen Parteien in anderen Ländern zu unterstützen. Uns Interessieren die konkreten Kämpfe und die Debatten unserer Geschwister im Ausland. Wir beteiligen uns an einer internationalen Debatte, anstatt nationale Borniertheit zu betreiben.
  12. Dies muss sich auch durch den Aufbau einer sozialistischen Partei der Lohnabhängigen in Deutschland ausdrücken, die alle diese Aspekte hier vor Ort vereint. Jeder Kampf gegen jede Form von Unterdrückung ist unser Kampf, denn wer ist denn schwul, schwarz, weiblich oder geflüchtet, wenn nicht wir Lohnabhängigen?
  13. Eine revolutionäre Partei braucht ein revolutionäres Programm, auf dessen Basis die Mitglieder gemeinsam und verbindlich agieren. Dieses Verständnis unterscheidet sich grundlegend von dem der Linkspartei, deren Programm keine praktische Bedeutung für die tägliche Aktivität hat. Letztlich erwarten nicht einmal die Mitglieder der Partei, dass sie für ihr Programm kämpft. Wir hingegen halten es für notwendig, ein Programm zu diskutieren und zu erarbeiten, das als Anleitung zum Handeln dient, das den Kampf um soziale, ökonomische und politische Rechte mit dem Kampf für die sozialistische Revolution verbindet. Nur auf dieser Basis kann das gemeinsame, verbindliche Agieren einen demokratischen und befreienden Charakter haben.
  14. Dieser Prozess muss auf der Grundlage der vollen und freien politischen Diskussion beruhen. Gleichfalls bedarf es aber auch der gemeinsamen und verbindlichen Umsetzung von beschlossenen Aktionen.Für uns bedeutet „Partei“ also nicht einen Wahlverein zu gründen, der beständig die eigenen Versprechen in bürgerlichen Regierungen bricht, bürokratisch agiert und die Aktivität der Basis lähmt. Für uns ist die „Partei“ ein Zusammenschluss der kämpferischsten Aktiven, der Jugend, der sozialen Bewegung und der Gewerkschaften, die aus den Niederlagen und Siegen der Vergangenheit gemeinsame Schlüsse ziehen, diese in der täglichen Praxis im Kampf um Reformen überprüfen, dynamisch neue Erfahrungen machen, diese mit der breiteren Arbeiter:innenbewegung und den sozialen Bewegungen diskutieren und so im täglichen Handgemenge die Strategie der Revolution erklären und erfahrbar machen. Wir reden also von einer Form der Organisation, die einerseits das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein und die Selbstorganisierung unserer Klasse so steigert, dass die Revolution kein abstraktes, fernes Ziel ist, sondern etwas das zunehmend durch die gemachten Erfahrungen denkbar und auch machbar wird. Die reformistischen Parteien, vor allem die LINKE charakterisieren das Gegenteil einer solchen Praxis.
  15. Wir treten für den Aufbau einer revolutionären Jugendorganisation ein, die von der Partei ernst genommen wird, aber nicht von ihr bürokratisch beherrscht wird, eine Organisation mit einem sozialistischen Programm, dass sie gemeinsam mit der Partei erarbeitet, in der Jugendliche aber selbstbestimmt ihre eigenen Erfahrungen, und ohne Angst vor Rüge auch Fehler machen können.
  16. Die Revolution machen, heißt den bürgerlichen Staat zu zerbrechen. Die kapitalistische Justiz, die Regierung, Polizei, Militär und Bürokratie werden uns die Zukunft nicht gewähren, die wir brauchen, um zu überleben. Sie müssen gebrochen und durch eine Rätedemokratie der Lohnabhängigen ersetzt werden, die ihre Revolution auch verteidigen kann.
  17. Eine der ersten ökonomischen Aufgaben nach einer Revolution wäre die Umwandlung zu einer demokratischen Wirtschaft, die nach den Interessen von Mensch und Natur plant und ein Notfallprogramm durchsetzt, um den ökologischen Kollaps zu verhindern, das 1,5 Grad Ziel und die Ernährungs- und Energiesicherheit zu gewährleisten.

Diese Überlegungen stellen unserer Meinung nach noch kein Aktionsprogramm im eigentlichen Sinn dar. In den kommenden Monaten wird es unsere gemeinsame Aufgabe sein, ein solches gemeinsam mit all jenen innerhalb und außerhalb der LINKEN zu diskutieren, die auf einen neuen Morgen hoffen. Auch heute gibt es in Deutschland Zehntausende, die sich tagtäglich für eine Welt ohne Kapitalismus einsetzen, sei es in der Klimabewegung, in antirassistischen und feministischen Kämpfen und in gewerkschaftlichen oder betrieblichen Auseinandersetzungen mit den Chefs. Aber es fehlt uns an einer gemeinsamen revolutionär-sozialistischen Kraft. Es ist Zeit, sie aufzubauen!

Wenn du oder deine Gruppe diese Ansichten teilt, könnt ihr diese ebenfalls unterzeichnen, nicht zuletzt um den Austausch unterschiedlicher aktiven zu erleichtern.

Wenn du oder deine Gruppe den Aufbau einer neuen revolutionär-sozialistischen Partei teilt, aber Punkte in dieser Erklärung diskutieren möchtet, sind wir bereit eure Antwort als Debattenbeitrag zu veröffentlichen.

Schreibt uns an!




Solidaritätserklärung mit Solid Berlin: Sozialistische Positionen gegen bürokratische Angriffe verteidigen!

Der Berliner LINKE-Vorstand plant, die Finanzierung der Jugendorganisation Solid Berlin zu streichen. Solidaritätserklärung linker, sozialistischer und gewerkschaftlicher Gruppen und Einzelpersonen mit Solid Berlin.

Seit Längerem schon kritisiert die Linksjugend Solid Berlin, der Jugendverband der Berliner Linkspartei, den Regierungskurs der Mutterpartei. Am Sonntag, den 10. April, bekräftigte die Landesvollversammlung von Solid Berlin die Gegnerschaft zur Regierungsbeteiligung und forderte den Austritt der LINKEn aus dem Berliner Senat. Ebenso positionierte sich der Verband gegen Krieg und Aufrüstung ohne Unterordnung unter Russland oder unter die NATO, sowie für die entschädigungslose Enteignung von Deutsche Wohnen und Co. Mit diesen Positionen wirbt die Linksjugend Solid Berlin für eine sozialistische Oppositionspolitik im Gegensatz zum Regierungskurs der Parteispitze in Berlin und bundesweit.

Kritik an der Parteispitze zu üben, ist gerade das grundsätzliche Recht des Jugendverbandes und seine Existenzberechtigung. Laut Zeitungsberichten unter anderem des Tagesspiegel vom 14. April sowie des neuen deutschland vom 19. April plant die Berliner LINKE-Landesvorsitzende Katina Schubert jedoch, die Finanzierung des Jugendverbandes zu streichen, weil sie mit den inhaltlichen Beschlüssen der Landesvollversammlung von Solid Berlin nicht einverstanden ist. Mit dieser bürokratischen Methode will die Spitze der Landespartei die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Beschlüssen der Landesvollversammlung von Solid Berlin vom 10. April verhindern, die die Positionen der Linkspartei in Berlin und bundesweit kritisieren.

Insbesondere kritisiert Schubert die beschlossene Positionierung “zur Situation in Israel und Palästina”, die unter anderem ein bedingungsloses Rückkehrrecht für alle Palästinenser:innen, die Benennung Israels als Apartheidsstaat sowie die Unterstützung einer binationalen sozialistischen Ein-Staaten-Lösung auf dem Gebiet des historischen Palästinas beinhaltet. Wie der Neuköllner LINKE-Bezirksverband schreibt, bewegen sich diese Positionen “im Rahmen des Parteiprogramms der LINKEN”.

Unter dem Vorwand des Antisemitismus, befeuert von einer Hetzkampagne des Springer-Blattes DIE WELT, sollen jedoch nicht nur diese Positionen unsagbar gemacht, sondern die gesamte kritische Haltung von Solid Berlin zum Regierungskurs der Mutterpartei mundtot gemacht werden. Dabei schreckten sie auch nicht davor zurück, einen Genossen als jüdische Stimme mundtot zu machen und ihn in der Springerpresse als antisemitisch zu diffamieren . Zum Jahresanfang fielen Teile des Bundessprecher:innenrats durch Hasstiraden gegen Palästinenser:innen auf. Unter anderem bezeichnete ein Mitglied des höchsten Solidgremiums Palästina als ein “Phantasialand”. Der Vorfall bleibt bis dato von der Partei unkommentiert und offensichtlich „im Rahmen des linken Parteiprogramms“.

Wir Unterzeichner:innen erklären uns solidarisch mit Solid Berlin, auch wenn wir hinsichtlich der Positionen des Verbands unterschiedlicher Meinung sein können. Wir lehnen entschieden die bürokratische Methode der Meinungsunterdrückung gegenüber dem Jugendverband ab, die eine antidemokratische Zwangsdisziplinierung darstellen und die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Positionen der Linksjugend Solid Berlin verhindern sollen. In diesem Sinne schließen wir uns den Äußerungen von Ulas Tekin sowie von Ferat Koçak im nd an, die sich klar gegen diese Methode ausgesprochen haben. Wir machen uns auch den Beschluss der LINKE-Basisorganisation Wedding vom 14. April zu eigen: Solid Berlin hat als “eigenständiger Verband, der auch das Recht über einen eigenständigen Willensbildungsprozess hat”, das Recht, die Positionen der LINKEn in Berlin und bundesweit zu kritisieren und eigene Positionen zu vertreten. “Wenn Katina Schubert und andere andere im geschäftsführenden Landesvorstand andere Meinungen vertreten, dann sollte dieser Dissens über Argumente und nicht über Repressionen geklärt werden. Wir fordern daher, dass die Autonomie der Linksjugend [’solid] Berlin vollständig erhalten bleibt und die Parteispitze Ihre Pläne zur Einschränkung der Verfügungsgewalt über die eigenen Mittel beendet.“

Erstunterzeichner:innen

Gruppen:
Migrantifa Berlin
Jewish Bund
Palästina Spricht Bewegung (Koalition für palästinensische Rechte und gegen Rassismus)
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
Jüdisch-israelischer Dissens
„Bundestag 3 für Palästina“ BT3P
RIO / Klasse gegen Klasse
Gruppe ArtbeiterInnenmacht
Revolution
Ko-Kreis LINKE BO Wedding
LINKE Kreisverband Siegen-Wittgenstein
AKL Bünde
linksjugend [`solid] ROSA
linksjugend [`solid] Neuglienicke
linksjugend [`solid] Moabit / Tiergarten
linksjugend [`solid] Stuttgart
linksjugend [`solid] Heidelberg
linksjugend [`solid] Rems-Murr
linksjugend [`solid] Ortenau
linksjugend [`solid] Pforzheim
LAK Klassenkampf Niedersachsen/Bremen
linksjugend [`solid] Links der Weser
linksjugend [`solid] Salzgitter
linksjugend [`solid] Wolfenbüttel
linksjugend [`solid] Braunschweig
Jugendkommune Sara Dorşîn
Berlin for India
Wedding United
Berlin Migrant Strikers
India Justice project

Einzelpersonen:
Ferat Ali Kocak, Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin
Bettina Gutperl, Ko-Kreis BO Wedding und Bundesvorstand DIE LINKE
Ulas Tekin, Mitglied im Landesvorstand von die LINKE Berlin
Leonard Diederich, Mitglied im Bezirksvorstand die LINKE Mitte und Sprecher BO Moabit
Franziska Lindner, Mitglied im Bezirksvorstand die LINKE Mitte
Marius Weichler, Vorsitzender des LinksTreff Wedding e.V.
Thierry Kruber Ko-Kreis BO Wedding
Niklas Schrader, Ko-Kreis BO Wedding
Fabian Nehring, Ko-Kreis BO Wedding
Ava Matheis, Delegierte für den Bezirk Mitte des 8. Landesparteitags die LINKE Berlin
Sungsoo Park, Mitglied in der BO Rixdorf
Robin Bitter, Kreisvorstand LINKE Düsseldorf
Michael Sappir, Mitglied bei SDS Leipzig
Yuval Gal cohen, Aktivstin bei Jüdisch-israelischer Dissens
Shira Bitan, Aktivistin bei Jüdisch-israelischer Dissens
Yossi Bartal, Die LINKE Neukölln
Judith Bernstein, BT3P
Amir Ali, BT3P
Christoph Glanz, BT3P
Yasemin Cetinkaya, Schauspielerin
Soulmade Dam, Produzent

Unterschreibt den Brief sehr gerne mit eurer Gruppe, Linksjugend- oder DIE LINKE Gliederung oder einfach als Einzelperson. Schreibt dafür eine kurze Mail an nord-berlin@solid-berlin.org




Liebknecht oder Lederer? – Bericht von der 31. LVV von Solid Berlin

Wir spiegeln an dieser Stelle solidarisch einen Bericht von Dan Kedem und Tim Jonat von Solid Nord über die 31. Landesmitgliederversammlung von Solid Berlin. Zuerst erschienen auf Klassegegenklasse.org (https://www.klassegegenklasse.org/liebknecht-oder-lederer/).

Am Sonntag tagte die 31. Landesvollversammlung der linksjugend [‘solid] Berlin. Eine rechte Wende im Verband wurde zwar abgewandt, aber jetzt gilt es den Linkskurs jenseits von Beschlüssen umzusetzen.

Nach einem letzten Mobilisierungsversuch der Parteibürokratie vor Tagungsbeginn startete die 31. Landesvollversammlung der linksjugend [‘solid] Berlin mit unklaren Mehrheitsverhältnissen. Unter anderem wurden Nachwuchskarrierist:innen aus den sogenannten Jugend-Basisorganisationen (Einheiten der Parteibürokratie) mit dem Ziel mobilisiert, rechte Mehrheiten zu sichern und einen reformistischen, an die Parteibürokratie angepassten Kurs innerhalb des Jugendverbandes wiederherzustellen. Die Parteibürokratie hat sich mehrmals über den Kurs des Jugendverbands unzufrieden gezeigt und hat den Wunsch auch öffentlich geäußert (neben zahlreichen Distanzierungen), den Jugendverband wieder auf Kurs bringen zu wollen. Paul Schlüter zum Beispiel, seinerseits Mitglied des Parteivorstands der LINKE Berlin, war als „aktives“ Mitglied bei der Mitgliederversammlung dabei. Formell ist seine Mitgliedschaft durch Zahlung des Mitgliedsbeitrags zwar aktiv, gesehen hat man ihn auf solid Veranstaltungen aber noch nie. Spekulieren kann man nur, ob er von Klaus Lederer persönlich mobilisiert wurde.

Zur Einleitung der Tagung startete diese mit Grußworten der Abgeordneten Katalin Gennburg und Ferat Ali Kocak, welche beide für eine starke Linke und eine „widerständige“ Jugendorganisation appellierten. Gennburg forderte allerdings auch, dass Deutsche Wohnen und Co. enteignen (DWE) unbedingt in die Expert:innenkommission des Senats gehen sollten, nachdem dieser die Forderungen der Initiative von ⅔ der Sitze in der Kommission ignorierte und alles dafür tat, den Volksentscheid zu zermürben. Sie hat den Eindruck gemacht, der Parteijugend einreden zu wollen, dass wirklich an eine Umsetzung mit SPD und Grünen gearbeitet wird, und biederte sich insoweit an die Parteiführung an, dass sie das Gesagte von Katina Schubert am vergangenen Wochenende zu einem möglichen Austritt aus der Koalition, falls DWE nicht umgesetzt wird, wiederholte. Zum Krieg in der Ukraine hatte sie im Gegensatz zu den anderen Grußworten gar nichts zu sagen, obwohl sie alleine fast so lang gesprochen hat wie die anderen beiden zusammen.

Schlussendlich folgte ein Grußwort der Jugendorganisation REVOLUTION, die die starke Zusammenarbeit mit der Solid gegen Rassismus, die Immobilienwirtschaft und für einen starken Antimilitarismus begrüßten. Es folgten starke Appelle an den Jugendverband, welcher sich von seinem reformistischen Kurs abwenden und endlich revolutionäre Positionen vertreten müsse. Dafür sei es auch notwendig, sich der Mutterpartei zu stellen, denn DIE LINKE steht dem revolutionären Anspruch des linken Solid-Flügels diametral entgegen und praktiziert eine bürgerliche Politik, die der Sozialdemokratie identisch ist. Die Solid müsse einen Trennstrich zwischen der eigenen und der bürgerlichen Politik machen und einsehen, dass selbst Reformen immer von Arbeiter:innenkämpfen und eben nicht von Parlamenten ausgingen. Wir hoffen, dass REVOLUTION bereit ist, den Kampf gegen die verräterische Politik der LINKEn mit der Solid aufzunehmen und sie dabei zu unterstützen.

Nach diesem starken Schlusswort ging es in die allgemeine Tagesordnung über.

Wie üblich wurde mit einer rechten Mehrheit im Landesverband das Stimmrecht und dieses Mal auch das Wahlrecht für Sympathisant:innen (passive Mitglieder sowie nicht-Mitglieder des Verbandes) beschlossen, nachdem durch administrative Vorgänge einige Anmeldungen schief gingen und nicht genau klar war, wer aktives Mitglied und wer Sympathisant:in ist. Aufgrund dessen war es noch undurchsichtiger, wie die einzelnen politischen Lager verteilt waren.

Nach einer beschlossenen Generalüberholung der Satzung wurde von Seiten des rechten Flügels des Landessprecher:innenrats versucht, ein weiteres bürokratisches Mittel innerhalb des Landesverbandes durchzusetzen: ein sogenannter Basisgruppenrat, der einzelnen Delegierten weitreichende Befugnisse geben und die rechte Mehrheit unter den Basisgruppen gegen die nach links orientierte Mehrheit im Landesvorstand ausspielen sollte. Dieser Antrag wurde abgelehnt – ein weiterer guter Schritt für das linke Lager im Landesverband, denn so kann bisher zumindest garantiert werden, dass die rechte Mehrheit im Landesverband keine Beschlüsse eines linken Landesvorstands aufheben kann.

Die eigentlich wichtigen Punkte dieser Landesvollversammlung waren allerdings die Nachwahl der freigewordenen Stellen im Landesvorstand der Solid sowie die inhaltliche Antragsphase.

Linke Anträge für Enteignung, gegen Krieg und Aufrüstung

Begonnen wurde mit einem Antrag, der einen Kernteil einer jeden revolutionären Übergangsprogrammatik ausmacht: nämlich die Ablehnung von Entschädigungszahlungen und die Expropriation (Enteignung) der Expropriateur:innen. Im Antrag wird folgendes festgehalten:

  • Ablehnung der Entschädigung
  • Stellung des nationalisierten Eigentums unter Arbeiter:innenkontrolle
  • Verbindung der Frage der Enteignung mit der Frage nach der politischen Macht
  • Ablehnung des bürgerlichen Formalismus, das heißt: der Kampf um die Vergesellschaftung kann sich nicht auf Instrumente einer bürgerlichen Verfassung berufen und deren Umsetzung durch eine bürgerliche Regierung

Zur Überraschung des linken Lagers wurde dieser Antrag, nach starkem Einwand von Rechten, welche sich auf das Grundgesetz beriefen und für eine Entschädigung plädierten, mit einer ⅔-Mehrheit angenommen.

Der nächste Antrag aus dem linken Flügel, welcher den Rausschmiss von Agent:innen des Kapitals aus der Partei DIE LINKE forderte, wurde mit 45 Prozent Ja- zu 45 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Dieser forderte auch den Aufbau einer Partei nach den folgenden Organisationsprinzipien:

  • Funktionär:innen und Mandatsträger:innen für die Partei DIE LINKE verdienen nur einen Arbeiter:innenlohn und sind verpflichtet, den Rest ihres Gehalts an Streikkassen und andere vom Staat unabhängigen Organisationen der Klasse weiterzugeben
  • Die jederzeitige Abwählbarkeit aller Funktionsträger:innen und Mandatsträger:innen
  • Rechenschaftspflichtigkeit gegenüber den unteren Ebenen der Partei
  • Maximale Amtszeitbegrenzung auf zwei Legislaturen

An dieser Abstimmung wurde ersichtlich, dass die Lager auf der Versammlung ungefähr gleichmäßig verteilt waren. Wären allerdings ein Paul Schlüter aus dem Landesvorstand oder Nachwuchskarrierist:innen aus den Jugend-BOs nicht geschickt worden, hätte der eigentliche Jugendverband – zumindest auf Landesebene – sehr wohl ein Interesse an einer antibürokratischen Arbeiter:innenpartei. Die Mutterpartei ist sich jedoch für nichts zu schade und versucht zu sabotieren, wo es nur geht.

Wofür die Stimmen des rechten Lagers nicht genügten, war der nächste Antrag, welcher den sofortigen Austritt der LINKEn Berlin aus der Regierung fordert. Die Bedingungen, welche an eine Fortsetzung der Regierungsbeteiligung geknüpft waren, sind nicht umsetzbar und werden tagtäglich von der Linksfraktion verraten. Deshalb war für die Mehrheit des Jugendverbandes klar, dass die Partei aus der Regierung heraus muss. Ein weiterer Erfolg für das revolutionäre Lager.

Die Forderungen waren:

  • Sofortige Umsetzung von Deutsche Wohnen und co. enteignen
  • Sofortiger Abschiebestopp in der rassistischen Migrationspolitik
  • Sofortiger Abbruch des Autobahnausbaus der A100
  • Sofortiger Stopp der Ausschreibungen für die S-Bahn-Privatisierung
  • Einführung des kostenlosen ÖPNVs in Berlin

Zum Anfang der Versammlung wurde klar, dass im Landessprecher:innenrat die Priorisierung der Anträge kontrovers diskutiert wurde. Dies wurde spätestens deutlich, als mehrere mehr oder weniger unkontroverse Anträge zu Verbandsinterna wie dem öffentlichen Auftreten, eine Logoänderung und die Streichung des Sonderzeichen im Namen aneinandergereiht wurden. Nach einer erfolgreichen Änderung der Geschäftsordnung wurde der Antrag zur Neupositionierung des Berliner Landesverbandes zur Situation in Israel und Palästina vorgezogen. Die Debatte schien zunächst sehr heikel zu werden, schließlich umfasste dieser Antrag mehrere Forderungen, die vom Bundesverband und Partei als inakzeptabel angesehen werden und Positionen, die in der Vergangenheit zu Ausschlussforderungen führten. Folgende Forderungen waren im Antrag enthalten:

  • Unterstützung einer sozialistischen Ein-Staaten-Lösung auf dem Gebiet des historischen Palästinas
  • Anerkennung Israels als Apartheidstaat
  • Rückkehrrecht für alle Palästinenser:innen
  • Benennung des Zionismus als reaktionäre und nationalistische Ideologie
  • Teilnahme des Berliner Landesverbandes an Nakba-Woche

Widerstand kam wieder von der Linken Aktion Lichtenberg, welche den Antragstellenden „Inkompetenz“ unterstellte, da der Zionismus als nationalistische Ideologie gewertet wurde. Das israelische Apartheidregime wurde ebenfalls in der Debatte verneint. Ebenso kam Gegenwind von einer Bundessprecherin, welche darauf hinwies, dass dieser Antrag laut Bundesverbandsbeschluss als antisemitisch einzustufen sei. Die Spaltungslinie zum Bundesverband wurde an diesem Antrag besonders deutlich. Die traditionellen Argumentationsmuster der proimperialistischen Bundesführung, welche sich zur Rechtfertigung ihrer Positionen auf die sogenannte Kollektivschuldthese beruft, zogen bei der Berliner Basis jedoch am Ende gar nicht. Mit großer Überraschung wurde der Antrag nämlich mit absoluter Mehrheit angenommen. Ein großer Erfolg für den revolutionären Flügel von Solid Berlin, da sie nach heftigstem Widerstand innerhalb eines Solid-Verbands eine Mehrheit hinter ihrer Position zur Situation in Israel und Palästina versammeln konnten. Diese Position wird in Deutschland nur von einer handvoll Organisationen vertreten, entspricht jedoch der anerkannten Mehrheitspositionierung von sozialistischen Gruppen weltweit.

Der letzte zu behandelnde Antrag des Tages sollte ebenfalls einer aus dem linken Lager, gegen Krieg und Aufrüstung, sein. Nach einer relativ unkontroversen Debatte – nur die kernrechte Fraktion hatte wieder einmal etwas dagegen – wurde auch dieser Antrag mit absoluter Mehrheit angenommen. Somit positioniert sich die Solid Berlin klar gegen Putins Angriffskrieg, stellt sich aber auch klar gegen Sanktionen und Waffenlieferungen. Ebenso wird die Zerschlagung der NATO und die Umstellung der Rüstungs- auf zivile Produktion gefordert. Der Antrag richtete sich vor allem an die Linkspartei, die sich immer mehr dem deutschen Kriegstaumel anschließt. Am Wochenende waren vor allem Genoss:innen aus Nord-Berlin sowie der Basisgruppe „ROSA“ aus Steglitz-Zehlendorf bei der Antikriegsdemo in Berlin zahlenmäßig gut vertreten, was auf ein breites Mobilisierungspotential für diesen Beschluss schließen lässt. Vor allem hier wird es darauf ankommen, den Druck auf den Landesvorstand aufrechtzuerhalten, beziehungsweise notfalls auch durch öffentliche Kritik größere Mobilisierung durch den gesamten Landesverband zu erwirken.

Weitere Anträge, welche vom linken Flügel kamen – wie zum Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie, zur Nichtanerkennung des Bundessprecher:innenrats, zur Abschaffung der Polizei oder zum Rauswurf der Gewerkschaft der Polizei aus dem deutschen Gewerkschaftsbund -, wurden gar nicht erst behandelt, da diese durch reformistische Kräfte im Landessprecher:innenrat nach ganz hinten geschoben wurden. Dies stellt ein weiteres beliebtes Mittel von rechten Strömungen dar, um unbeliebte Themen gar nicht erst behandeln zu müssen.

Nachwahlen zum Landessprecher:innenrat

Bei den Wahlen wurde es nicht minder spannend, doch mit relativ deutlichen Mehrheiten wurden drei neue Genoss:innen in den Landessprecher:innenrat gewählt. Die Bilanz: Eine rechte Wende wurde zwar abgewendet, jedoch behält der Landesvorstand insgesamt einen linksreformistischen Charakter, obwohl zwei dem revolutionären Flügel nahestehende Genoss:innen gewählt wurden. Ein relativer Erfolg war es, dass Nachwuchsbürokrat:innen der Basisgruppe „Linke Aktion Lichtenberg“ (LiA) verhindert wurden, die unter anderem Sanktionen gegen Russland befürworten und die Position vertreten, es sei egal, wenn an diesen die Zivilbevölkerung leidet. Diese Basisgruppe, die im Übrigen eine der größten Fraktionen zur Landesvollversammlung stellte, vertritt ebenfalls die Positionen, dass es in der Ukraine und vor allem in der ukrainischen Armee keine Faschist:innen gäbe und dass die Linksjugend Berlin sich zum Grundgesetz bekennen solle.

Die Wahlergebnisse lassen vorerst darauf schließen, dass in der restlichen Legislaturperiode des Landessprecher:innenrats kein großer Rechtsdrift ansteht, sodass getroffene Beschlüsse, wie das Kooperationsverbot mit bürgerlichen Parteijugenden oder eine Kampagne gegen das Tesla-Werk, mit der Forderung, das dieses entschädigungslos enteignet und unter Arbeiter:innenkontrolle gestellt gehört, in Teilen des Gremiums Gehör finden. An dieser Stelle soll der Appell an alle linken Mitglieder des Rats gehen, dass wir darauf zählen, die Beschlüsse ernst zu nehmen und den Kampf um diese in die Partei, den Bundesverband und den Landessprecher:innenrat selber hineinzutragen und diese Übergangsforderungen auch öffentlich zu vertreten. Die revolutionären Genoss:innen sollten sich im Klaren darüber sein, dass der LSp:R als bürokratisches Gremium ein Bremsklotz ist, sodass ein gewisser Anpassungsdruck besteht, sich in die bürokratischen Strukturen des Verbandes sowie der Partei hinein zu integrieren. Der Anspruch revolutionärer Genoss:innen innerhalb der linksjugend [‘solid] Berlin ist es, dafür zu kämpfen, in der Perspektive eine leninistische Organisation aufzubauen. Dies schaffen wir nur mit Klarheit des Programms, welches zusammen in Opposition mit revolutionär-sozialistischen Verbündeten umgesetzt werden soll. Die Bildung einer solchen Fraktion innerhalb des Verbandes sowie der Partei sollte oberste Priorität haben und die linken Mitglieder des LSp:Rs dürfen sich dabei nicht vom reformistischen Alltag der Partei zermürben lassen. Im Zweifelsfall kann dies auch nur mit dem Bruch der reformistischen Parteiführung geschehen.

Wie weiter?

Doch was genau bedeutet das alles für die Solid Berlin und für die Linksjugend im Allgemeinen?

Zunächst wurde neben den Genoss:innen aus Nord-Berlin eine Basis für Grundzüge eines revolutionären Programms gefunden. Diese Basis stützt sich eben nicht nur auf eine Basisgruppe, sondern auf die Unterstützung durch andere Genoss:innen des Landesverbandes, die den zum rechten Bundesverband entgegengesetzten Kurs befürworten und sich vom offenen Kampf nicht abschrecken lassen. Das ist erstmal begrüßenswert, doch jetzt kommt es darauf an, als revolutionäre Minderheit diese programmatische Grundlage in eine Oppositionsplattform umzuwandeln, damit der neugewählte, mehrheitlich linksreformistische Landessprecher:innen bei der Umsetzung eben dieser Beschlüsse zu Genüge unter Druck gesetzt wird.

Revolutionär:innen bei der Linksjugend müssen alles dafür tun, dass diese Übergangsforderungen, welche von der Basis beschlossen und legitimiert worden sind, nach außen in der Öffentlichkeit vertreten werden. Der revolutionäre Flügel mag zahlenmäßig eine Minderheit darstellen, jedoch wurde sein Programm mehrheitlich von anderen Genoss:innen befürwortet. Es gilt jetzt, diese Basis für ein anderes Organisationsprinzip zu gewinnen und einen unversöhnlichen Kampf gegen Bundesverband und Partei aufzunehmen, welcher nicht davor zurückschreckt, sich auf die eigene Legitimation zu berufen. Ebenso darf sich dieser Kampf nicht hinter bürokratisch-administrativen Formalien verstecken, Konflikte in der Öffentlichkeit nicht austragen zu wollen. Die Partei ist nach wie vor auf den Jugendverband als Karriereschmiede angewiesen und hat ohne diesen zwar noch die Jugend-BOs, allerdings sind diese für linke Kräfte noch unattraktiver als die Solid an sich. Zu einem gewissen Grad toleriert sogar eine rechte Führung, wie die der Berliner Linkspartei, linke Beschlüsse des eigenen Jugendverbandes, da diese radikale Kräfte in gewohnte und eng gesetzte Bahnen lenkt und mit dem Verweis auf die formelle Unabhängigkeit zur Partei als linke „Spinnereien“ einer Handvoll Jugendlichen abgetan werden können. Die Partei behält sich auch immer vor, dem Jugendverband den Geldhahn zuzudrehen, falls durch bürgerliche Medien ein unerträgliches Ausmaß an Druck erwirkt wird.

Die revolutionäre Minderheit darf sich nicht mit einer formell linken Beschlusslage zufrieden geben. Es muss jeden Tag in der Partei, im Verband und in der Öffentlichkeit um dieses Programm gekämpft und dieses schonungslos nach Außen vertreten werden. Zentristischen Kräften in anderen Verbänden muss gezeigt werden, dass es weder um Posten oder Mehrheiten im Bundesverband geht, sondern um eine alternative Plattform bzw. Opposition, die die bürokratischen Strukturen der Linksjugend und rechte Hegemonie tagein tagaus demaskiert.

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Nachträgliche Anmerkung von uns:
Wie schon in unserem Grußwort am Sonntag gesagt, freuen wir uns sehr über die Wende in Solid Berlin hin zu revolutionärer Politik. Was man zum Text noch ergänzend sagen sollte: Die fortschrittlichen Forderungen, die auf der LVV durchgesetzt wurden, können bloß ein Anfang sein. Diese müssen nun mit Kampagnen verbunden werden, an denen sich möglichst viele Basisgruppen beteiligen sollten. Nur durch gemeinsame und koordinierte Arbeit innerhalb einer revolutionären Organisation, kann diese auch wirklich gesellschaftliche Wirkkraft entfalten. Aber dafür ist nun der Grundstein gelegt!




[’solid] Berlin: Was tun mit dem ersten Schritt nach links?

Lukas Resch

Ein Beschluss gegen den RGR-Koalitionsvertrag, ein Antizionist im LandessprecherInnenrat (LSPR) und ein „Nein zur EU der Banken und Konzerne“, ein klares Bekenntnis zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co enteignen“: Diese und weitere Entwicklungen in [’solid] Berlin sorgen seit der letzten Wahl für Aufsehen, bis in die bürgerlichsten Teile der Presse hinein. Einige Reaktionen aus der eigenen Organisation und der Mutterpartei lassen es scheinen, als hätte man das rote Berlin ausgerufen. Von ewig gestrigen StalinistInnen ist die Rede, öffentliche Hetzkampagnen gegen eigene Mitglieder lassen nicht lang auf sich warten. Was ist los in [’solid] Berlin?

The way so far …

Spricht man mit Mitgliedern, zeigt sich ein positiv gestimmtes Bild: Bei der Wahl zum LSPR schafften es die linkeren Basisorganisationen, diesen gemeinsam mit einigen neuen und vielversprechenden Gesichtern zu besetzen. Auch auf der letzten Landesvollversammlung zeichnete sich ein deutlich linkeres Bild ab als in der Vergangenheit. Unter anderem wurde beschlossen:

Eine Aufforderung an die Linkspartei Berlin, die Koalitionsverhandlungen abzubrechen, und an die Mitglieder, gegen den Vertrag und die Koalition mit den Grünen und der SPD zu stimmen; ein Beschluss gegen die alleinige Zusammenarbeit mit Jusos und grüner Jugend, um nicht als RGR-Jugend zu erscheinen. Eine Zusammenarbeit in größeren Bündnissen wird damit nicht ausgeschlossen.

Dies stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar, auch wenn es weiter notwendig sein wird, die Jusos als die Massenjugendorganisation einer bürgerlichen ArbeiterInnenpartei (1) zu gemeinsamen Mobilisierungen aufzufordern. Diese Notwendigkeit stellt sich auch bezüglich der Grünen Jugend, die trotz ihrer ökobürgerlichen Mutterpartei über eine Verankerung in der Umweltbewegung verfügt.

Eine Einschätzung der „EU der Banken und Konzerne“, die ersetzt werden soll durch „die Vereinigung europäischer Staaten“ (auch wenn unklar ist, wie diese  erreicht werden und wie sie aussehen soll), suggeriert immerhin einen „Bruch mit der EU“ (wobei aufgepasst werden muss, dass nicht einfach für einen „linken“ Austritt Deutschlands aus der EU eingetreten wird, sondern für eine sozialistische Vereinigung Europas).

Trotz allem: eine willkommene Entwicklung, die einige Mitglieder von [’solid] bereits von einem Linksrutsch sprechen lässt. Diese Entwicklungen sind, immerhin, ein frischer Wind, erst recht nach der zerschmetternden Wahlniederlage der Linkspartei bei der Bundestagswahl.

Grenzen

Deswegen wollen wir die Situation nutzen, um uns zu positionieren und zur Diskussion über das weitere Vorgehen etwas beizutragen.

Die neue Zusammenstellung des LSPR ist sicher ein Schritt nach vorne, auch wenn dieser noch in der kommenden Zeit beweisen muss, ob der radikale Ruf der ihm vorauseilt, auch entsprechende Taten mit sich bringt.

Die Ergebnisse der Landesvollversammlung sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache. Man stellt sich entschieden gegen die Ausrichtung der Berliner Linkspartei und erhebt den Anspruch, eine eigene, sozialistische Perspektive dagegenzuhalten.

Der erste Dämpfer ist da natürlich, die Abstimmung gegen die RGR-Koalition verloren zu haben. Von den 50 % der teilnehmenden Linksparteimitglieder haben 75 % für diese gestimmt.

Wie geht es jetzt also weiter für alle, die sich eine linkere, antikapitalistische Politik und Linkspartei wünschen und dafür im Jugendverband kämpfen?

Wir wollen uns auf zwei Punkte konzentrieren: die Grenzen, an die revolutionäre Jugendliche in der Linkspartei und [’solid] stoßen, und die Taktik, mit der sie kämpfen können.

Zunächst das Ernüchternde: Das, was in [’solid] Berlin passiert – ebenso die gewisse Bewegung in der Basis der Linkspartei –, stehen einer bundesweit gegenläufigen Tendenz gegenüber. Real sind die Linkspartei und ihr Jugendverband in den letzten Jahren nach rechts gegangen. Auch wenn sich in den letzten Wochen eine linke Opposition in Berlin gebildet hat und im Landesverband Nordrhein-Westfalen nach dem katastrophalen Ergebnis der Bundestagswahlen ein linker Landesvorsitzender gewählt wurde, so ändert das noch nicht das Gesamtbild. Ramelows Regierungspolitik stellt keine Ausnahme dar. Für alle Landesregierungen mit LINKE-Beteiligung gilt: Mitgehangen, mitgefangen – mit kapitalistischer Realpolitik. Und das gilt auch für Berlin.

Das ist auch kein Zufall oder einfach eine Schwäche gegenüber der größeren SPD, sondern das Interesse der Linksparteiführung . Sie betreibt reformistische Politik, die immer nur den Kompromiss mit dem Kapitalismus sucht, mit dem Leute wie Klaus Lederer an sich ganz gut leben können. Daher ist es für ihn auch kein Problem gewesen, DWe fallen zu lassen.

An die Grenzen dieses Führungsapparates werden alle RevolutionärInnen, die gern eine andere Linkspartei und ein antikapitalistisches [’solid] hätten, irgendwann stoßen, solange dieser Apparat die Partei und ihre Strukturen kontrolliert – so, dass der Apparat die Kontrolle gut behalten kann. Das muss sich auch in [’solid] niederschlagen, und wenn es der Geldhahn ist, an dem die Mutter vielleicht mal dreht.

 … and the way ahead

Ohne über diese Grenzen Gedanken anzustellen, wird jeder Versuch, [’solid] revolutionär umzugestalten, in blindem Aktivismus und Selbstverbrauch oder aber Anpassung an den erwähnten Apparat enden. Unserer Meinung nach sollte sich daher jede//r klar machen, dass es bei der Konfrontation mit der reformistischen Mehrheit und dem Apparat um eine grundsätzliche Auseinandersetzung geht. Letztlich vertritt der Reformismus nicht den Klassenstandpunkt der Lohnabhängigen, sondern ordnet vielmehr deren Interessen jenen der herrschenden Klasse unter.

Trotzdem kann sich das Ringen mit dem Apparat lohnen und unzufriedene Jugendliche in (und außerhalb von) [‚solid] um revolutionäre oder wenigstens eine alternative Politik zu RGR sammeln. Dazu sollten die vorhandenen Ansätze der letzten Wochen vertieft werden. Konkret sollten sich alle Jugendlichen zu einer Opposition organisieren – einer Fraktion.

Die angepeilte Taktik, um die eigene Mutterorganisation mittels einer digitalen Kampagne wieder auf die eigenen Werte zu besinnen, begleitet von Veranstaltungen, kann das nur begrenzt leisten, ist sie doch dazu verurteilt, vor allem einen Nachhall im eigenen Kreis hervorzurufen.

Darüber hinaus braucht es ein Sammeln um Aktionen wie Demonstrationen bis hin zu Streiks in Schule und Betrieb und mehr – wenigstens braucht es jetzt die Debatte darum. Und für sich alleine bringen solche Aktionen auch noch nichts. Es sollte sich auf einige Forderungen verständigt werden, die für Jugendliche gerade akut sind, um die mobilisiert werden kann und mit denen auch andere – Jusos, Grüne Jugend, Gewerkschaftsjugendliche, DWe usw. angesprochen werden können. Beispiele?

  • Sofortige Umsetzung des DWe-Volksentscheids! Gerade Jugendliche können sich das Wohnen ohne (reiche) Eltern nicht leisten! Dazu braucht es eine Massenbewegung und die Unterstützung der Gewerkschaften und MieterInnenverbände, um die Vergesellschaftung durch politische Streiks und Mietboykotts durchzusetzen!
  • Für eine echte Verkehrswende in Berlin – keine S-Bahn-Zerschlagung, dafür massive Einschränkung des Straßenverkehrs, Ausbau von S-Bahn und Tram, kostenloser ÖPNV!
  • Für die Kontrolle über coronabedingte Schulöffnungen und -schließungen durch demokratische Komitees der SchülerInnen und LehrerInnen selbst!

Das sind nur mal drei Beispiele. Der Kampf um solche Forderungen ist einer gegen die RGR-Regierung, und damit gegen Lederer und Co! Völlig richtig ist deshalb, dass [’solid] am kommenden Dienstag zu Protesten gegen RGR aufruft.

Aber es sind die nächsten Monate, die durchscheinen lassen werden, ob die gewisse Dynamik in [’solid] (und Linkspartei) nach links weitergetrieben werden kann oder im Treibsand reformistischer Realpolitik ausgebremst wird. Denn trotz aller positiven Berliner Entwicklungen der letzten Monate im Windschatten der Wahlen – DWe, Krankenhausstreik oder eben auch ein gewisser Linksdrall in DIE LINKE – gegen die Regierung zu kämpfen wird eine andere Nummer, in der das Überwinden der defensiven Position mit davon abhängen wird, ob sich revolutionäre, antikapitalistische Kräfte sammeln können und in [’solid], Jusos usw. reinwirken können.

Daher sollten sich AntikapitalistInnen ernsthaft überlegen, inwieweit sie in ihrem Kampf auf die LINKE setzen wollen, die die nächsten fünf Jahre Verrat schon ab Tag 1 beginnt, oder ob ein revolutionärer Bruch mit der Partei sinnvoller ist. Früher oder später wird dieser unserer Meinung nach unausweichlich. So oder so sind wir für die Debatte mit Euch offen.

Übrigens: Vor sieben Jahren hat die Jugendorganisation REVOLUTION eine umfassende Broschüre rausgebracht, die [’solid] kritisch beleuchtete und RevolutionärInnen im Jugendverband einen Handlungsvorschlag zur Sammlung ihrer Kräfte machte … immer noch aktuell: http://onesolutionrevolution.de/wp-content/uploads/2011/04/Solid-Polemik_Lukas_M%C3%BCller_2014.pdf

Endnote

(1) Unter einer bürgerlichen ArbeiterInnenpartei verstehen wir eine bürgerliche Partei, die sich jedoch über historische Verbindungen, über Gewerkschaften, proletarische Mitgliedschaft und WählerInnen auf die Klasse der Lohnabhängigen stützt, mit dieser organisch verbunden ist.




Austritt aus der Revolutionären Linken (in [solid'] ) – aber warum?

Entwicklung der Revolutionären Linken (RL)

Anfang Juli 2015 gründete sich in der linksjugend [solid‘] die RL, die den Anspruch hatte, für eine klassenkämpferische Jugendorganisation einzutreten. Eine Jugendorganisation, die in der Lage ist den Kapitalismus zu stürzen. Da einige unserer Mitglieder, die vormals in der [solid‘] Fulda aktiv waren, schon ein Jahr zuvor versucht hatten eine revolutionäre Fraktion zu gründen, waren wir über die Gründung und die Dynamik der RL sehr erfreut. Dieser Schritt war bitter nötig, weil [solid‘] einem sozialistischen Anspruch bei weitem nicht gerecht wurde. Dafür sorgen proimperialistische Antideutsche, eine reformistische Führung und ein linker Flügel, welcher sich zwar „Revolution“ auf die Fahnen schreibt, aber praktisch bestenfalls zentristische (SAV,Funke) oder gar offen reformistische Politik (BAK AuF) macht. Um die vergangenen und aktuellen Klassenkämpfe zu verarbeiten und eine Anleitung zum Handeln zu geben braucht es ein Programm. Genau das wollten wir mit Anträgen bei den Treffen der RL in Hamburg, wo seitens der SAV ein zweiseitiger Wisch als Programm verkauft werden sollte, und beim zweiten Treffen in Dortmund versuchen. Dort wurden unsere entsprechenden Anträge mit der Begründung, es brauche „Bewegung“ und kein Programm abgelehnt. Auch unsere Bemühungen eine demokratische Grundlage innerhalb der RL in Form eines Statuts zu schaffen wurde abgelehnt. Paradoxerweise wurde anschließend ein Koordinierungskreis, also eine nicht-demokratisch legitimierte Leitung, gewählt.

In den letzten Monaten gab es außerdem keine zahlenmäßige oder aktionistische Weiterentwicklung der RL. Zwar gab es am 18. Dezember einen bundesweiten Aktionstag, dieser ging allerdings nicht über die RL hinaus. Andere Gruppen oder gar unorganisierte Einzelpersonen einzubinden, wurde nicht einmal versucht. Man beging also genau die Fehler, die jetzt fälschlicherweise an Jugend gegen Rassismus kritisiert werden.

Jugend gegen Rassismus (JgR)

Ende März gab es ein weiteres Treffen der RL. Das Thema war hauptsächlich die über Deutschland hereinbrechende rassistische Welle. Für uns ist das natürlich untrennbar verknüpft mit der Frage: „Was tun gegen Rassismus?“ Eine Beteiligung der RL an dem dynamischsten, bundesweiten Antirassismusbündnis „Jugend gegen Rassismus“ schien uns der beste Weg für die RL an dem Aufbau einer Gegenbewegung mitzuwirken. Unser Antrag einer Beteiligung der RL an JgR wurde allerdings bis auf wenige Gegenstimmen abgelehnt, obwohl bundesweit mittlerweile Teile der SAV „Jugend gegen Rassismus“ unterstützen. Die Argumente waren, man wolle keine Bewegung von oben erzwingen, soziale Forderungen fehlten und die Massen seien nicht bereit mit Forderungen wie „Offene Grenzen“ oder „Selbstverteidigung gegen rassistische Angriffe“ konfrontiert zu werden. Mit einer solchen opportunistischen Argumentation sich einer Einheitsfront zu verweigern, ist schon ziemlich sektiererisch. Vor allem wenn man bedenkt, dass die SAV keinen Alternativvorschlag vorstellte.

Auch das „Argument“, dass JgR keine unorganisierten Jugendlichen ansprechen würde, ist lächerlich. Dass „Jugend gegen Rassismus“ gerade vom Refugee Schul- und Unistreik (RSUS) ins Leben gerufen wurde, an dem sich viele unorganisierte Jugendliche beteiligen, die soziale Fragen sehr wohl Beachtung findet und das Bewusstsein der Massen mit den entsprechenden Forderungen gehoben werden muss, sah die Mehrheit der RL nicht. Der wahre Grund für diese Blamage war viel eher, dass die SAV, die die RL dominiert, kein Projekt unterstützen möchte, bei welchem sie nicht die Führung innehat. Der Aufbau der eigenen Vorfeldstruktur wurde hier über die objektive Notwendigkeit des Aufbaus eines antirassistischen Bündnisses, welche die Keimform einer antirassistischen Bewegung sein kann, gestellt.

Der Bundeskongress 2016

Der Bundeskongress von solid (BuKo) ist offiziell das höchste demokratische Gremium in solid. Faktisch kann sich der Kongress in die Reihe von Kongressen einreihen, auf denen irgendwas beschlossen wird, das aber faktisch keine Auswirkungen hat, nichtmal für die eigene Organisation. Der linke Flügel macht was er will und ihm ist egal, was der rechte beschlossen hat. Andersrum gilt dasselbe. Dass ein nicht unbedeutender Teil von solid vollkommen ignoriert was beim BuKo passiert, drückt sich auch im BuKo selbst aus. Nur 190 von 250 Delegierten, sprich 74 %,[1] kamen und das trotz der Möglichkeit bei Krankheit, etc. Ersatzdelegierte zu schicken. Auch der Funke, der Teil der RL ist, kritisiert, dass der BuKo keine Auswirkungen auf die Arbeit in den Ortsgruppen und Landsverbänden hat: „Viele Beschlüsse des höchsten Gremiums verschwinden oftmals in der Schublade – wodurch die Frage nach dem Sinn und Zweck von Bundeskongressen provoziert werden kann.“[1]

Dass die RL ohne Programm und Statut innerhalb solid nicht fraktionsfähig sein kann, sah man dann während wie auch nach dem BuKo. Während ein Genosse, den man getrost als Linken in der RL bezeichnen kann, von „gemischten Gefühlen“ spricht, tobt auf Facebook ein Kampf zwischen der SAV und dem Funken, wie man sich zu Sexarbeit verhält. Von Diskussion nach innen, Geschlossenheit nach außen, wie es für leninistische Organisationen üblich ist, sah man nichts.

Dank eines Leaks mit dem Hashtag #NuernbergPapers ist uns bekannt, dass auf dem BuKo über JgR etwas beschlossen wurde und AntiDs dem wohl zustimmen wollten. Jedoch können wir, trotzdem wir teilweise zum jetzigen Zeitpunkt noch Mitglieder von solid sind, nicht nachvollziehen, wie das eigentlich ausgegangen ist. Grund dafür ist, dass wir keinen Zugang zu Protokollen des höchsten demokratischen Entscheidungsgremiums haben und auch noch nie hatten. Damit sollte alles zum BuKo gesagt sein.

Taktiken und Positionen

Ein weiterer Grund für das Stagnieren des Aufbaus der RL sind taktische Fehler. Auf der letzten Versammlung der RL wurde klar, dass sie unter keinen Umständen mit der SPD zusammenarbeiten will, weil die SAV diese als bürgerliche Partei charakterisiert. Das ist aber aus unserer Sicht ein grober Fehler, welcher taktische Folgen mit sich bringt. Die SPD ist eine bürgerliche Arbeiter_Innenpartei. Die Führung macht zwar Politik im Interesse der Bourgeoisie, aber ihre soziale Basis ist historisch und aktuell die Arbeiter_Innenklasse. Dies lässt sich auch einfach an ihrer Stärke in den DGB-Gewerkschaften, die sicher keine gelben Gewerkschaften sind, feststellen.

Die Illusionen der Arbeiter_Innenklasse in den Reformismus, wie auch ihr reformistisches Bewusstsein, kann nur durch gemeinsame Aktionen wie einer Einheitsfront mit JgR gebrochen werden. In dieser können Revolutionär_Inne durch eigenständige Propaganda und Kritik an der Führung aufzeigen, dass Diese einer fortschrittlichen Bewegung in Wege steht. Darüber hinaus, können revolutionäres Bewusstsein, wie auch der Einfluss von Revolutionär_Innen, in der Klasse gestärkt werden.

Gleichzeitig verhält sich die RL auch sektiererisch gegenüber anderen linksradikalen Organisationen, was ihre Weigerung „Jugend gegen Rassismus“ aufzubauen zeigt. Dieses Sektierertum geht Hand in Hand mit einer opportunistischen Politik gegenüber der LINKEN und [solid‘]. Hier steckt man tief in den Strukturen, ohne einen offenen Kampf um die Führung zu führen. Echter Entrismus, wie Trotzki ihn sich als Taktik für Revolutionär_Inne in reformistischen Parteien vorstellte, um einen linken Flügel wegzubrechen oder die Partei zu übernehmen, sieht anders aus.

Weiter bleibt die RL auf zentristischen Positionen hängen. Die Weigerung sich ein Programm zu geben ist ein deutlicher Indikator dafür. Brennende Forderungen, die es gerade seit dem massiven Aufkommen der Rassist_Innen und den verstärkten Flüchtlingsbewegungen seit Mitte 2015 braucht, werden nicht genannt. Dazu gehört, das keine offenen Grenzen gefordert werden und auch dem Aufbau von Selbstschutz keine Notwendigkeit zugesprochen wird.

Für eine revolutionäre Jugendorganisation!

Die sich anbahnende Krise und der katastrophale Rechtsruck in Europa machen die Notwendigkeit der Jugend eine einheitliche und revolutionäre Führung zu geben überdeutlich. Wir müssen endlich die aktuelle Führungskrise überwinden und uns für die kommenden Kämpfe wappnen! Dazu braucht es eine sozialistische Organisation mit einem klaren Programm, einem lebendigen demokratischen Innenleben und einheitlichen Aktionen nach außen. Gerade im Rahmen unserer Intervention in [solid‘] und der RL hat sich gezeigt, das keine dieser Strukturen in der Lage sind sich zu so einer Organisation zu entwickeln und die momentane Führungskrise der Jugend als auch der Klasse der Lohnabhängigen als Ganzes zu lösen. Schade auch, dass die SAV die Diskussion, wie eine solche Führung zu schaffen ist, nicht mehr mit uns weiter führen möchte. Dies zeigt sich dadurch, dass sie zum Beispiel Anträge innerhalb der RL durchboxte, die Programmdiskussionen auch auf kommenden Treffen unterbinden. Die SAV zeigt dadurch hervorragend, was sie von der reformistischen Bürokratie in der Linkspartei gelernt hat: bürokratische Manöver.

Ein Austritt unsererseits aus der RL und eine Konzentration auf die eigene Arbeit ist somit mehr als gerechtfertigt. Natürlich arbeiten wir gerne auch in Zukunft mit linken Teilen von [solid‘] und der SAV zusammen, um eine größere Aktionseinheit wie auch Gruppen übergreifende
Diskussionen innerhalb der Linken zu schaffen. Eine organisatorische Einheit ist allerdings nicht mehr gerechtfertigt. Unser eigentliches Ziel, nämlich den linken Flügel in [solid‘] organisatorisch auf die notwendigen Auseinandersetzungen mit der rechten Führung bis hin zum Bruch vorzubereiten, haben wir nicht erreicht. Trotzdem war unsere Arbeit nicht umsonst: Wir haben eine klare Kritik am Reformismus von [solid‘] und dem Zentrismus der RL und der SAV formuliert. Darüber hinaus haben wir REVOLUTION deutschlandweit bekannter gemacht, Kontakte herstellen können und einige Mitglieder in Fulda und Bonn dazu gewonnen. In Fulda wurde im Juni 2015 aus der solid-Gruppe eine sehr aktive REVOLUTION Ortsgruppe, die sich in einer konservativen 60.000 Einwohner_Innenstadt länger als sämtliche andere Jugendorganisationen links der Jungen Union halten konnte und kann.

[1] „Rückblick auf den Bundeskongress 2016“, Der Funke

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Bildungsproteste im Herbst – Für einen kämpferischen Bildungsstreik!

Wir veröffentlichen hier unsere Resolution, die wir auf der bundesweiten Bildungsstreikkonferenz vom 09.-11.09. in Berlin an der technischen Universität einbringen wollten und die unsere Perspektiven und Positionen für die kommenden Wochen und Monate wiederspiegelt. Sie setzt sich mit den vergangenen Protesten und unseren Vorschlägen für die kommenden Aktionen und Mobilisierungen auseinander. Wir bitten alle Jugendlichen, Aktivist_innen, Schüler_innen, Student_innen und Gruppen, die unsere Position in den grundlegendePunkten unterstützen mit uns in Kontakt zu treten beziehungsweise auf der Konferenz gemeinsam mit uns dafür einzutreten! Wenn du/ihr euch unter unsere Resolution als Unterstützer_innen setzen wollt, dann melde/t euch unter germany@onesolutionrevolution.de.

Die Bildungsproteste in den vergangenen Jahren waren eine der größten Jugendbewegungen in den letzten zwei Jahrzehnten in Deutschland. Auch in anderen Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien, Spanien, Frankreich, Griechenland, Chile, den U.S.A. oder im arabischen Raum spielten Proteste von Schüler_Innen und Student_Innen eine wichtige Rolle in sozialen Mobilisierungen gegen Kürzungen, gegen die Krise, für demokratische Forderungen und manchmal sogar direkt gegen die bürgerlichen Regierungen. Hierzulande mobilisierten sie Hunderttausende zu Beginn der Krise. Für viele Jugendliche waren diese Bewegungen der Anfang ihrer Politisierung. Hier konnten sie sich kämpferisch – manchmal erfolgreich – für ihre eigenen Interessen einsetzen. Es gab nicht selten verschiedenste Arten der Repressionen gegen die Protestierenden, doch oft fanden die Betroffenen Wege sich zu verteidigen, ihr Bewusstsein wurde geschärft und die Solidarität gestärkt.

So konnte die Bildungsbewegung in Deutschland fast überall die Studiengebühren aufhalten bzw. zurückdrängen. Besonders im universitären Rahmen war es möglich, einige politische Errungenschaften zu erkämpfen. Wir können davon ausgehen, dass viele Kürzungen in der ersten Welle der Krise ausblieben, weil es 2008/2009 eine starke Bildungsbewegung gab, die bereitstand, um sich gegen diese zu wehren!

Trotzdem konnten wir ab 2010 einen Rückgang der Bewegung erleben. Niederlagen in den Mobilisierungen sowie die nicht stattfindende Umsetzung wichtiger Kernforderungen des „Bildungsstreiks“. Der Rückgang ist unserer Meinung nach aber nicht auf eine eventuelle Stärke des politischen Gegners zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Fehler der eigenen Bewegung, die in den letzten Jahren gemacht wurden.

Die wichtigsten sind unserer Meinung nach:

  • Die fehlende Initiative großer politischer Organisationen, wie zum Beispiel dem SDS, solid, den Jusos oder von Organen wie Gewerkschaften oder einigen Asten, die Mobilisierungen nach der Bundestagswahl 2009 fortzuführen bzw. auszudehnen. Aufgrund der intransparenten Struktur und der schlechten Vernetzung der Bewegung musste diese ohne die Apparate der großen Organisationen zurückweichen, desorganisierte sich und verlor, speziell auf bundesweiter Ebene, ihre Anziehungskraft.
  • Das Fehlen einer politischen Perspektive für die Bewegung, die über eintägige Aktionen hinausging. Es gab weder eine bundesweite, allgemein akzeptierte Absprache über gemeinsame Forderungen, noch eine Vorstellung, wie diese erkämpft werden könnten. Die Bewegung war oft einen Schritt hinter den aktuellen Ereignissen hinterher, wie sich bei den europaweiten Universitätsbesetzungen 2009 zeigte. Ohne gemeinsame Absprachen, eine breite Basis an Aktivist_Innen und eine zielstrebig aufgebaute Verankerung an Schulen, Universitäten und Betrieben, blieben solch einzigartige Chancen erfolglos, vereinzelt und letztlich zum Scheitern verurteilt.
  • Die Dominanz des intransparenten und undemokratischen Konsensprinzips bei Entscheidungsfindungs-prozessen. Das fehlende Verständnis dafür, dass eine Bewegung möglichst breite Einheit in der Aktion, aber vollste Freiheit in der Diskussion haben sollte, führte zu ergebnislosen Konferenzen und wenig Aktionen. Die Positionen der verschiedenen Gruppen und Organisationen wurden verklärt und die gesamte Bewegung wurde in ihren Handlungen gebremst.

Die Schüler_innenkonferenz in Köln im Juli 2011 diskutierte bereits einige dieser Probleme sehr erfolgreich! Wir als REVOLUTION stehen hinter den Beschlüssen der Kölner Schulstreikkonferenz. Doch sind wir der Meinung, dass sie noch um einige Punkte ergänzt werden sollte.

Für den Aufbau einer neuen Bildungsstreikbewegung schlagen wir daher folgende Punkte vor:

1. Die gesamte Bewegung, insbesondere auf ihren Konferenzen, muss, so wie es in Köln von den Schüler_innen beschlossen wurde, auf der Grundlage von Mehrheitsentscheidungen aufgebaut sein. Wir möchten betonen, dass Minderheiten dabei das Recht eingeräumt wird, ihre politischen Positionen nach außen zu vertreten! Minderheiten sollten jedoch nicht dazu in der Lage sein, ganze Konferenzen ohne Beschlüsse stattfinden zu lassen. Unser Ziel muss es sein, gemeinsame Aktionen und freie Diskussionen für eine erfolgsorientierte Bewegung zu nutzen.

2. Die großen Jugendorganisationen wie Jusos/solid/SDS sowie Gewerkschaften und Gewerkschaftsjugendverbände müssen für Mobilisierungen wie am 15. und 17. November gewonnen werden.

3. Es muss dafür gekämpft werden, dass nicht nur Studenten_Innen und Schüler_Innen in der Bewegung vertreten sind, sondern, dass auch Azubis und Arbeiterinnen, Eltern und Lehrer_innen, mit in den Widerstand einbezogen werden.

4. Es darf nicht nur bei symbolischen Protesttagen bleiben. Unsere Anstrengungen müssen darauf gerichtet werden, die Bildungsbewegung durch Basisarbeit in Schulen/Unis/Betrieben aufzubauen und in einem breiten bundesweiten Bündnis zu organisieren. Aktionen, wie Vollbesetzungen, mehrtägige und unbefristete Streiks müssen eine diskutierte Option der Bewegung werden.

5. Die Proteste im November müssen als Startpunkt, nicht als Ende der Bewegung angesehen werden. Nach dem 17.11. muss es eine nachbereitende ‚Bildungsstreikkonferenz‘ geben, die bemüht ist neue Kräfte, die in den Protesten gewonnen wurden einzubinden. Besonders auf das Jahr 2012, in dem in etlichen Bundesländern Doppeljahrgänge zu erwarten sind und sich das Fehlen von Zivildienst, das Aussetzen der Wehrpflicht und ein mangelndes Angebot an Studien-/ Ausbildungsplätzen voll auswirken wird, müssen wir uns gut vorbereiten!

6. Reformen, wie Bologna oder Sparangriffe im Bildungsbereich haben internationale Ursachen und werden international koordiniert. Unsere Antwort muss internationaler Widerstand sein! Wir müssen uns mit Bewegungen in der EU und anderen Ländern solidarisieren. Darüber hinaus müssen wir uns aber mit diesen Bewegungen koordinieren, gemeinsame Absprachen treffen, letztlich eine tatsächlich internationale Jugendbewegung gegen Bildungs- und Sozialabbau werden.

7. Die Krise ist nicht vorbei! Momentan versuchen die Regierungen, die Kosten der letzten Banken- und Unternehmerrettungen auf uns abzuwälzen. In einer solchen Situation ist es für unsere Bewegung unerlässlich sich mit den Beschäftigten, Arbeitslosen – kurz anderen sozialen Bewegungen – auf Basis einer Anti-Krisen-Bewegung zu organisieren, die unsere sozialen Errungenschaften verteidigt, um sie auf Kosten der Banken und der Krisenprofiteure auszudehnen! Ein erneutes Zusammenbrechen der Märkte könnte auch in Deutschland weitaus schärfere Folgen und demzufolge weitere schärfere Angriffe auch im Bildungsbereich nach sich ziehen, auf die wir uns vorbereiten müssen!

8. In unserer Bewegung sind transparente und demokratische Strukturen
unerlässlich. Wir sprechen uns daher für einen Koordinierungskreis aus, der zwischen den Konferenzen tagt und in dem alle Gruppen, Jugendgewerkschaften, lokale und regionale Bündnisse jederzeit das Recht haben Delegierte zu entsenden. Die Aufgabe eines solchen Gremiums muss es sein, neue Konferenzen vorzubereiten, repräsentative Resolutionen der Bewegung zu beschließen und die bundesweiten Mobilisierungen zu koordinieren. Darüber hinaus sprechen wir uns für einen auf dieser Konferenz gewählten Pressesprecherrat aus, der der Bewegung rechenschaftspflichtig ist und die grundlegenden Positionen der Bewegung nach außen hin verteidigen muss!

Weitergehend schlagen wir folgenden Forderungskatalog als Orientierung für die kommende Bewegung vor:

  • Abschaffung aller Studien-/ Lern-/ Ausbildungsgebühren!
  • Studien- und Ausbildungsplätze für alle! Mindestlohn für Auszubildende, Grundsicherung für Schüler_Innen und Student_Innen ab 16 Jahren!
  • Weg mit dem mehrgliedrigen Schulsystem!
  • Weg mit dem G8-Abitur!
  • Weg mit den BA/MA Studiengängen!
  • Zurücknahme aller Kürzungen und Arbeitszeitverlängerungen im Bildungsbereich!
  • Sofortige Neueinstellung von 100.000 Lehrer_Innen bundesweit!
  • Sofortige Investition von 40 Milliarden € im Bildungsbereich z.B. für Sanierungen der Schulgebäude und der Einrichtung von Erholungsräumen!
  • Wir zahlen nicht für die Krise!
  • Für unsere materiellen Forderungen sollen die Reichen, Banken und Großkonzerne bezahlen, nicht die einfache Bevölkerung!
  • Prinzipielles Verbot des Betretens von Militär und Polizei oder Sicherheitsdiensten in Bildungseinrichtungen!
  • Sicherheit, Transparenz und Organisierung unserer Bewegung durch wähl- und abwählbare Schüler- und Studentenstrukturen!
  • Für volles Aktions- und Streikrecht aller Schüler_Innen, Student_Innen, Azubis und Lehrer_Innen!
  • Die Lehr- und Bildungsinhalte sollen nicht durch staatliche Bürokrat_Innen oder die private Wirtschaft bestimmt werden, sondern durch die Lernenden, Lehrenden und die Organisationen, wie Gewerkschaften, die tatsächlich wissen, welches Wissen man braucht, um in einer Gesellschaft zu leben und zu arbeiten.
  • Regionale, bundesweite und internationale Koordinierung unseres Kampfes auf Grundlage von rechenschaftspflichtigen und ständig wähl- und abwählbaren Gremien und Vertreter_Innen!



Auf Regierungskurs – Anti-Semitismus-Debatte in der Linkspartei

Wir dokumentieren hier einen Artikel der Gruppe Arbeitermacht, unserer Partnerorganisation, zu den Diskussionen über und innerparteilichen Kämpfen in der Partei die LINKE, um die Position zu dem rassistischen Appartheidsstaat Israel, der in der NI (neuen Internationale), der Zeitung der GAM, sowie in ihrer Infomail veröffentlicht wurde.

Vordergründig bildet eine „wissenschaftliche Studie“ den Anlass für die aktuelle Debatte in der Linkspartei. Samuel Salzborn und Sebastian Voigt legen darin dar, was für sie „Antisemitismus“ in der Linkspartei ist. Dabei ging es um die Teilnahme der Bundestagsabgeordneten Höger, Paech und Groth an der letztjährigen Gaza-Hilfs-Flotte und um Boykottaufrufe gegen Waren aus den besetzten Gebieten.

Diese aktuellen Vorwürfe reihen sich in die konsequent pro-zionistische Richtung des Vorstands um Gysi, Kipping, Ramelow, Bartsch u.a. ein. Das ideelle Fundament für diese Kampagne legte Fraktionschef Gysi bereits vor Monaten, als er in einem Grundsatzpapier über die Staatsräson der BRD fabulierte und dabei klar stellte, dass speziell die deutsche Linke Israel immer zu unterstützen hätte und gleichzeitig der Antiimperialismus der Vergangenheit angehören würde.

Als direkte Antwort auf die „Studie“ – wissenschaftlichen Anforderungen hält das Machwerk nicht stand – betreibt der Vorstand nun eine politische Kampagne gegen den linken Flügel.So entschieden der Vorstand am 21. Mai und die Fraktion am 22. Mai, welche Aktivitäten Mitglieder und Funktionsträger einzustellen hätten:

„Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahost-Konflikt, die eine Ein-Staaten-Lösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte noch an der diesjährigen Fahrt einer „Gaza-Flottille“ beteiligen. Wir erwarten von unseren persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Fraktionsmitarbeiterinnen und Fraktionsmitarbeitern, sich für diese Positionen einzusetzen.“

Diese Vorwürfe und die folgende Debatte waren ein gefundenes Fressen für die bürgerlichen Parteien und die Medien, speziell der linke Flügel in der Linkspartei, die Abgeordneten Buchholz und Höger wurden scharf angegriffen. Sogar eine „Aktuelle Stunde“ im Bundestag wurde genutzt, um diesen Flügel zu denunzieren.

Gerade die außerparlamentarischen Linken müssen jetzt solidarisch mit diesem Flügel der Linkspartei sein. Wir müssen zeigen, dass wir uns nicht als „Antisemiten“ abstempeln lassen und es auch andere politische Wahrheiten gibt, als die Konstrukte von Gysi, von „Konkret“ oder „Jungle World“.

Antizionismus gleich Antisemitismus?


Mit diesem Slogan (ohne Fragezeichen) führen die „Antideutschen“ seit nunmehr knapp 20 Jahren eine Kampagne gegen die antiimperialistische Linke. Diese  politische Strömung, die Antizionismus mit Antisemitismus gleichsetzt, hat inzwischen in der Linkspartei und in den DGB-Gewerkschaften an Einfluss gewonnen.  In der Linkspartei und in solid gibt es den antideutschen Bundesarbeitskreis Shalom und diverse pro-zionistische Gruppen, Plattformen und Medien, welche ein Bündnis mit dem rechten Flügel der Linkspartei eingegangen sind. Er verteidigt die bürgerlich-nationalistische Ideologie des Zionismus und bezieht sich positiv auf Israel und die USA, die für Demokratie und gegen den reaktionären Islamismus kämpfen würden.

Der Zionismus ist eine europäische verspätete nationalistische Ideologie, die von Th. Herzl begründet wurde. Sie sieht die Juden nicht nur als Religionsgemeinschaft, sondern als Volk und Nation, wobei die Klassendifferenzierung negiert wird. Im Unterschied etwa zum jüdischen BUND in Russland, der den Kampf der Juden gegen Unterdrückung als Teil des Befreiungskampfes des Proletariats ansah, war der Partner des Zionismus zur Durchsetzung seiner Ziele der Imperialismus. Dieser sollte die „Befreiung“ der Juden bewerkstelligen, indem er ihnen einen eigenen Staat „gab“. Der Kampf für den Sozialismus wurde ersetzt durch die Flucht in einen eigenen – bürgerlichen – Staat: Israel. Dieser war aber nur erreichbar, indem Millionen Nichtjuden, die in dieser Region lebten, vertrieben, getötet und unterdrückt wurden und werden.

Für die internationalistische Linke war stets entscheidend, den Widerspruch zwischen den Klassen hervorzuheben, zwischen Kapital und Proletariat. Die nationale Spaltung lag immer im Interesse des Kapitals, den internationalistischen antiimperialistischen Kampf dagegen zu organisieren war immer das Interesse einer revolutionären Klassenpolitik. Daraus ergibt sich, dass InternationalistInnen gegen jede Form nationaler Unterdrückung kämpfen und den Befreiungskampf der Unterdrückten – also in diesem Fall der PalästinenserInnen – unterstützen.

Die Antideutschen bekämpfen dies. Zum einen lehnen sie die Klassenanalyse ab. Der deutsche Staat wird allein über die Taten des deutschen Faschismus definiert, seine Klassen seien nicht existent oder jedenfalls nicht wirklich relevant. Allein die „Volksgemeinschaft“ der Nazis sei bis heute bestimmend, deswegen könnte es keine progressive Rolle der deutschen Arbeiterklasse geben, da diese „strukturell“ antisemitisch sei und bleiben müsse.

Israel wird als Staat definiert, in dem anscheinend keine Klassenwidersprüche wirken oder jedenfalls vernachlässigbar sind. Israel wird allein als Folge der Shoa definiert, weswegen alle Linken diesen kapitalistischen Staat verteidigen müssten. In dieser Ideologie gibt es daher auch einen „progressiven“ Imperialismus: die USA. Diese hätte den deutschen Faschismus besiegt und ist heute Israels Schutzmacht. Daher treten die Antideutschen auch für jeden Krieg des US-Imperialismus ein und rechtfertigen sämtliche Unterdrückungsmaßnahmen des israelischen Staates.

So wird der reaktionäre,  rassistische Charakter des israelischen Staates negiert.  Seine wirkliche Funktion und eigentliche Existenzgrundlage – Brückenkopf des US-Imperialismus und seiner Verbündeten – im Nahen Osten zur Beherrschung des arabischen Raums wird hinter einer Ansammlung von Geschichtsmythen verschleiert.

Mit der Ablehnung von Klassenbegriff, von Antiimperialismus und Internationalismus finden die Antideutschen auch leicht Freunde in den reformistischen Apparaten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich die “Regierungsozialisten” aus Berlin, Brandenburg, die Gysi und Co. in der Linkspartei jetzt dieser ideologischen Waffen bedienten, um zum Schlag gegen die InternationalistInnen in der Partei auszuholen. Jetzt sollen sich „Linke“ nicht mehr für die Ein-Staaten-Lösung einsetzen dürfen, nein, sie müssen die aggressive Besatzungspolitik des Zionismus unterstützen, d.h. es muss einen ethnisch definierten zionistischen Staat geben und ein abgezäuntes Reservat für die PalästinenserInnen.

„Linke“ dürfen noch nicht einmal an der „Gaza-Flotte“, die humanitäre Hilfsgüter transportiert und die menschenverachtende Hungerblockade des Gaza-Streifen in Frage stellt,  teilnehmen. Im letzten Jahr hatten diese AktivistInnen 9 Tote zu beklagen, als das israelische Militär die Schiffe stürmte.

Die Parlamentsfraktion begründet ihren Beschluss damit, dass auch offen antisemitische Gruppen an dem Gaza-Bündnis teilnehmen würden. Natürlich gibt es in der arabischen Welt auch Antisemitismus. Es ist aber ein politischer Skandal, dass von Seiten der pro-zionistischen Linken praktisch jede Solidaritäts-aktion mit dem unterdrückten palästinensischen Volk verleumdet wird, indem ihr in die Schuhe geschoben wird, sie würde sich mit Anti-Semiten und sonstigen Reaktionären gemein machen. Die Parlamentsfraktion macht sich diese Denunziantenmache zu eigen.

Was ist am Boykott falsch?

Als letztes Totschlag-Argument gilt die Frage des Boykotts israelischer Waren aus den Besatzungsgebieten, wie ihn die israelische Linke seit Jahren betreibt. Wenn hier auf die deutsche Geschichte und den Boykott der Nazis gegen jüdische Geschäfte verwiesen wird, so ist das einfach Demagogie. Als Linke sind wir nicht solidarisch mit reaktionären Besatzungsregimen, wir sind nicht solidarisch mit Überausbeutung und quasi Zwangsarbeit, wie sie die Palästinenser in den besetzten Gebieten für das israelische Kapital leisten müssen.

Natürlich ist ein Boykott nur ein Mittel, um dies zu bekämpfen. Entscheidend sind dafür Massenaufstände wie die Intifadah, Aktionen und Streiks der palästinensischen Arbeiterklasse wie gemeinsame Kämpfe israelischen und palästinensischen anti-zionistischen AktivistInnen und Lohnabhängigen.

Vorstand und Fraktion der Linkspartei geht es aber längst nicht um internationale Solidarität. Sie wollen vielmehr die Partei endgültig für eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene empfehlen, indem sie sich zentrale Prämissen der deutschen imperialistischen Außenpolitik zu eigen machen. Dazu gehören Militäreinsätze der UNO, vielleicht auch der NATO, wenn die UNO dabei ist – und die bedingungslose Unterstützung Israels.

Dies ist ein Einfallstor, die letzten verbliebenen Positionen und “Vorbehalte” der LINKEN gegen offen pro-imperialistische Politik zu schleifen. Daher ist die Solidarität mit den InternationalistInnen in derFraktion Pflicht.

Einfach skandalös aber ist dabei wieder einmal das Verhalten der „KommunistInnen“ um Sarah Wagenknecht, die den realen Konflikt – wie schon früher jede ernsthafte Differenz in der Linkspartei – zugunsten von „Neutralitätsbeschlüssen“ und des lieben Friedens Willen umgehen will. Ob diesen GenossInnen das „kommunistische“ Gewissen fehlt, sei dahin gestellt; dass ihnen der Arsch in der Hose fehlt, ist jedenfalls sicher.

Solidarität mit den Antiimperialisten
in der LINKEN bedeutet aber zugleich auch Kritik an deren Verhalten. So war es sicher taktisch mindestens ungeschickt, vor der Abstimmung über Gysis Antrag den Saal zu verlassen, anstatt dagegen zu stimmen, was u.U. den Beschluss sogar verhindert hätte.

Das Argument, dass solcherart die bürgerlichen Medien und Parteien Futter für eine weitere Skandalisierung der Linkspartei erhalten hätten, ist kurzsichtig. Der rechte Flügel und große Teile des Zentrums der Partei wollen mit ihrer öffentlichen Denunziation der Linken das Kräftverhältnis weiter nach rechts verschieben. Daher ist jedes politische Versteckspiel aussichtslos und unsinnig.




Bundesweiter Bildungsstreik? Aufruf zur Gründung einer antikapitalistischen Plattform!

Es tut sich wieder was! Am 16/17.7. 2011 werden sich wieder Schüler aus dem ganzen Land treffen um über ihre Forderungen und Planungen für einen bundesweiten Bildungsstreik zu diskutieren. Da nach dieser Schüler_innen-Konferenz auch eine bundesweite Bildungsstreikkonferenz kommen wird, dokumentieren wir hier den Aufruf zur Bildung einer antikapitalistischen Plattform im Bildungsstreikbündnis.

Gegen die Entpolitisierung des Bildungsstreiks – unite the radical forces!

Aufruf zur Bildung einer Antikapitalistischen Plattform im Bildungsstreik


In den letzten Jahren gingen hunderttausende Schüler_innen, Student_innen und auch Auszubildende, Eltern und Arbeiter_innen im Zusammenhang mit dem „Bundesweiten Bildungsstreik“ auf die Straßen. Der Grund für die Proteste war, dass es enorme Angriffe auf das Bildungssystem in den letzten Jahren gab. Es gab ein brennendes Bedürfnis von Tausenden sich gegen die Kürzungen, Schikanen und undemokratischen Verhältnissen im Bildungssystem zu wehren, zu organisieren und auf die Straßen zu gehen.

Die Proteste, wie der Bundesvorstand von „Die Linke.SDS“ selbst feststellte, konnten jedoch nur kosmetische „Verbesserungen“ herbeiführen. Außerdem gab es 2010 die eindeutige Entwicklung, dass die Proteste stagnierten. Statt 270.000 Demonstrant_innen am zentralen Demonstrationstag im Juni 2009 nahmen am 9.Juni 2010 nur noch rund 90.000 Demonstrant_innen an den Aktionen teil. Das Ende der Geschichte war dann, dass man sich für 2011 gar nicht erst traf.

Wir sind der Meinung, dass ein wesentlicher Grund dafür im politischen Versagen der Bewegung liegt. Wir stellen uns klar gegen die Behauptungen von vielen libertären Netzwerken oder reformistischen Organisationen, die versuchen ihre eigenen Fehler zu vertuschen, indem sie das Schrumpfen der Bewegung auf eine „Gottgegebene Spontanität“ der einzelnen Teilnehmer_innen zurückführen. Die Wahrheit ist nämlich eine andere! Seitdem eben solche Gruppen, „Netzwerke“ und Organisationen den Bildungsstreik politisch dominieren können wir die oben besagte Stagnation beobachten.


Sie weigern sich dem Bildungsstreik eine klare Perspektive zu geben. Sie waren es, die sich immer wieder dagegen stellten, offen zu sagen, wer die sozialen Angriffe gegen den Großteil der Bevölkerung führt: nämlich bürgerliche Politiker_innen im Interesse des deutschen Kapitals und im Zusammenhang mit der europäischen Kürzungspolitik. Sie versprachen sogar, dass Druck ausreichen würde, um die bestehenden Verhältnisse zu verbessern.


Doch darüber hinaus waren sie nicht einmal dazu bereit, diesen Druck tatsächlich aufzubauen und zu verallgemeinern. Sie waren es, die davor zurückschreckten Strukturen an den Universitäten und Schulen aufzubauen, als es im Juni 2009 zu riesigen Protesten kam. Sie waren es, die sich weigerten Streikräte an den Universitäten und Streikkomitees an den Schulen zu fordern und aufzubauen, die die Proteste hätten ausweiten können.


Gekoppelt war all dies mit undemokratischen und intransparenten Prozessen wie z.B. dem „Konsensprinzip“, sowie bundesweiten Konferenzen, die nicht dazu in der Lage waren breite Proteste zu organisieren, geschweige denn zu beschließen. Für neue Aktivist_innen waren politische Strömungen kaum sichtbar und wurden von oben genannten Kräften bewusst vertuscht, um eigene Fehler zu verbergen und eine offene Kritik zu verhindern. Do ch zuletzt, um intransparent und undemokratisch die eigene politische Führung über die Bewegung zu behalten!

Nun, wo die Proteste wieder losgehen können, viele ehemalige Teilnehmer_innen politisch verunsichert sind, werden sie es sein, die erneut versuchen werden sich an die Spitze der Bewegung zu stellen und genau das zu versuchen, was sie die letzten Jahre getan haben.

Doch wir, Antikapitalist_innen aus verschiedensten Gruppen, werden dies nicht nocheinmal mit ansehen. Wir wollen uns gemeinsam aufstellen und mit unserer Masse mehr erreichen. Wir wollen zusammen agieren, gemeinsam Zuschlagen, wenn es heißt, der Bewegung eine klassenkämpferische Perspektive zu geben.

Wir rufen alle Genoss_inn en auf eine gemeinsame Antikapitalistische Plattform innerhalb des Bildungsstreiks zu gründen. Grundlage einer gemeinsamen Arbeit sollten im wesentlichen f olgende Punkte sein:


  1. Für den Aufbau von aktionsorientierten (Basis-)Strukturen, um Proteste vorbereiten, tragen und ausweiten zu können. Mobilisierungen und Vorbereitungen von Protesten auf der Straße und in den Bildungseinrichtungen, die miteinander vernetzt sind! Lokal, Regional, Bundesweit, International.
  2. Für eine bewusste, demokratische und transparente Bildungsstreikbewegung – für Mehrheitsentscheidungen und Delegiertensysteme, in denen alle politischen Organisationen, Netzwerke und Strukturen das Recht auf Repräsentanz haben. Grundlage dafür muss die Wähl-und Abwählbarkeit und Rechenschaftspflicht aller Delegierten sein, jederzeit!
  3. Für eine aktionsorientierten Bewegung, die Proteste organisiert und bestehende Abwehrkämpfe gegen Kürzungen, Unterdrückung und für Selbstbestimmung aktiv unterstützt. Wir brauchen den Anschluss an die Kämpfe der Anti-Krisen-Proteste und die Kämpfe der Lohnabhängigen. Seite an Seite gegen den Sozialabbau, nicht nur in Worten sondern Taten!
  4. Für den politischen Kampf gegen Positionen, die die Illusion schüren, dass das Bildungssystem innerhalb des Kapitalismus wirklich im Interesse der Lernenden und Lehrenden gestaltet werden kann! Für eine klassenkämpferische Perspektive der Bewegung!
  5. Wir wollen unsere Bildung und ihren Ausverkauf nicht für die Kapitalist_innen mitverwalten! Wir wollen selbst über sie bestimmen, im Interesse der Gesellschaft, gemeinsam mit der arbeitenden Bevölkerung! Daher sehen wir entstehende Streikkomitees, Räte und Bündnisse nicht nur als Kampforgane von heute, sondern auch als Verwaltungsorgane von morgen!

Erstunterstützer: REVOLUTION, SDAJ Berlin, „Bildungsblockaden einreißen!“ – Berlin, KIDZ