TV-L: Warum unsere Lehrkräfte streiken!

November 2023

1. Warum unterstützen wir Streiks?

Wir befinden uns gerade mitten im Tarifkampf für einen neuen Tarifvertrag der Länder (kurz: TV-L). Konkret geht es um insgesamt 2,5 Millionen Beschäftigte, die 10,5 % Prozent mehr Gehalt und mindestens 500 € mehr fordern. Und was geht mich das an? Eine ganze Menge! Klar ist, dass zugegebenermaßen Streiks jeglicher Art, nicht so der Ort sind, an dem sich Jugendliche super wohl fühlen. Lauter alte Menschen ziehen mit bunten Westen und nervigen Trillerpfeifen durch die Innenstadt und wenn’s ganz doof kommt, fährt dann auch noch kein ÖPNV, die Krankenhäuser sind dicht, der Müll wird nicht abgeholt oder Geschäfte sind geschlossen. Doch genau hier zeigt sich, die reale Macht, die Streiks entfalten können: Da das Fortlaufen der kapitalistischen Produktionsweise darauf beruht, dass sich die Kapitalist_innen gesellschaftlich geschaffenen Mehrwert privat aneignen, wird sie durch Streiks dort getroffen, wo es ihr am meisten weh tut – bei den Profiten. Wenn eine ganze Belegschaft also kollektiv nicht zu Arbeit geht, können die Kapitalist_innen auch keinen Mehrwert abschöpfen und das wird sich sehr schnell negativ auf ihre Profite auswirken, sodass sie gezwungen sind, auf die Forderungen der Streikenden einzugehen. Deshalb haben die organisierte Arbeiter_innenklasse und ihre Streiks eine so wichtige Rolle, wenn es darum geht, das kapitalistische System aus den Angeln zu heben. Ob zum Beispiel im Kampf gegen den Klimawandel durch mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und ein ausgebautes Schienennetz bei der Bahn oder gegen den Umbau unserer Krankenhäuser zu Wirtschaftsunternehmen in der Pflege. Ebenso wurden bedeutende historische Errungenschaften wie das Frauenwahlrecht oder das Ende des Ersten Weltkrieges durch Streiks durchgesetzt. Auch wenn die meisten Streiks nicht unmittelbar das kapitalistische System als Ganzes in Frage stellen, lässt doch jede durchgesetzte Streikforderung das klassenkämpferische Bewusstsein der Arbeiter_innenklasse anwachsen und ist ein Etappensieg im Kampf unserer Klasse gegen das Kapital. Ob bei der Bahn, in der Pflege oder bei den Angestellten der Länder: Jeder Streik verdient unsere vollste Solidarität!

2. Worum geht’s beim TV-L?

Die Anzahl der Beschäftigten, deren monatliche Löhne durch den Tarifvertrag der Länder geregelt werden, ist mit 2,5 Millionen ziemlich beachtlich. Das sind so viele Menschen wie in München, Leipzig und Dortmund zusammen wohnen! Dazu zählen vor allem Lehrer_innen und Erzieher_innen, aber auch viele Verwaltungsangestellte, Sozialarbeiter_innen, Bauingineur_innen, Schulpsycholog_innen, Stadtplaner_innen, Systemtechniker_innen, Baumpfleger_innen, Hausmeister_innen usw. – alle Beschäftigten, die bei den Behörden und Institutionen des jeweiligen Bundeslandes angestellt sind. Leider zählen auch die Bullen dazu, die wir natürlich nicht als Teil der Arbeiter_innenklasse, sondern als Prügelknechte des bürgerlichen Staates betrachten. Wir treten für den Ausschluss ihrer Gewerkschaften aus dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ein und solidarisieren uns nicht mit ihren Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen, um uns zu schlagen und festzunehmen. So wie viele Bullen sind leider auch viele Lehrer_innen und andere Landesbeschäftigte Beamt_innen und dürfen aufgrund des restriktiven deutschen Streikrechts nicht selbst auf die Straße gehen, um für ihre Forderungen zu kämpfen.

In einem Tarifvertrag werden zwischen Arbeitgeber_innen und Gewerkschaften die Rechte und Pflichten der Beschäftigten und der Arbeitgeber_innen festgeschrieben und bieten für die Arbeiter_innen die Möglichkeit, Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen vertraglich festzuschreiben. Die Forderung mit denen nun die Gewerkschaften ver.di, die GEW und der Deutsche Beamtenbund für einen neuen TV-L in den Kampf ziehen sind 10,5 Prozent mehr Gehalt für alle. Und da 10,5 % mehr bei den niedrigen Einkommensgruppen nicht so viel ist, fordern sie mindestens 500 Euro mehr. Angesichts einer allgemeinen Teuerungsrate von 14% in den letzten 2 Jahren liegt diese vorsichtige Forderung aber sogar noch unter dem, wie die anstrengende Arbeit der Landesbeschäftigten täglich entwertet wird. Außerdem sollen die studentischen Beschäftigen an den Universitäten, die aktuell in vielen Bundesländern vollkommen wild bezahlt oder nicht-bezahlt werden, auch in den Tarifvertrag mit eingegliedert werden. Der Arbeitgeberverband der Länder (TdL) hat jedoch bereits in der ersten Verhandlungsrunde gesagt, dass er alle Forderungen komplett überzogen findet und angesichts „leerer Kassen“ keine Möglichkeit sieht, diese umzusetzen. Wenn wir uns ansehen, dass der deutsche Staat jedoch ein mehrere Milliarden hohes Steuerplus erwartet und 100 Milliarden in die Bundeswehr steckt, wird klar, dass das einfach nur eine dreiste Lüge ist. Vielmehr ist die Ampelregierung einfach nicht dazu bereit, mehr Geld in Bildung, Erziehung und andere öffentliche Aufgaben zu stecken. Die Blockadehaltung der TdL ist Teil des gigantischen Sparprogrammes, mit dem in der sozialen Daseinsvorsorge gekürzt werden soll, um die gesparten Milliarden in Aufrüstung und Unternehmenssubvention zu stecken. So verkörpert der Haushaltsentwurf der Ampel für 2024 einen fetten Sozialkahlschlag, den wir so seit der Agenda 2010 nicht mehr gesehen haben. Konkret geht es darum in Bildung, Obdachlosenhilfe, Sozialer Arbeit, Humanitärer Hilfe, Katastrophenschutz, Bundesfreiwilligendienst, Prävention gegen sexuelle Gewalt, BAföG und Hilfe für Menschen mit Behinderung mehrere Milliarden wegzukürzen, um diese in Bundeswehr und die Unterstützung von Unternehmen („Wachstumsförderungsgesetz“) zu stecken. Die Landesbeschäftigten müssen also erkennen, dass sie mit ihrem Kampf für einen TV-L gegen diese brutale Umverteilung öffentlicher Gelder vorgehen können!

3. Warum betrifft das uns Schüler_innen?

Wie oben schon erwähnt, betrifft uns eigentlich jeder Streik, denn erfolgreiche Streiks sind auch wieder motivierend für andere Berufsbranchen und heben das Bewusstsein der Klasse im Allgemeinen. Doch gerade beim TV-L geht es konkret um die Frage, wie viel Geld in die Rüstung und viel in die Schulen gesteckt wird. Ob kaputte Schulgebäude, stinkende Schulklos, mehr Klassenarbeiten, gestresste Lehrer_innen oder ständiger Unterrichtsausfall: die aktuelle Bildungskrise hängt davon ab, wie viel Geld der Staat für die Schulen auf den Tisch legt. Somit sind wir zwar nicht direkt durch den TV-L betroffen, da wir kein Geld fürs Lernen erhalten. Jedoch betrifft uns sein Ergebnis indirekt sehr stark, denn ein starker Abschluss bedeutet eine feste Zusicherung von mehr Geld im Bildungssystem, mit dem strukturelle Probleme wie der Personalmangel angegangen werden können. Ein starker TV-L bedeutet, die Umverteilungsplänen der Ampel mit den Mitteln des Klassenkampfes ein Stück weit aufzuhalten. Wenn am 28.11. also unsere Lehrer_innen für den TV-L streiken, heißt das nicht nur Schulausfall, sondern das heißt, dass sie unsere vollste Unterstützung bei ihrem Kampf brauchen. Auch wenn Frau Schmanz ungerechte Noten gibt und Herr Weiß den langweiligsten Unterricht der Welt macht – in diesem Kampf stehen wir an ihrer Seite, denn ihr Kampf ist auch der unsere. Jede Schwäche in ihrer Mobilisierung wird den Arbeitgeberverband nur dazu ermutigen, ein schlechteres Ergebnis und damit weniger Geld im Bildungssystem durchzusetzen.

4. Wie können wir die Streiks für den TV-L unterstützen?

Am 28.11. werden bundesweit die angestellten Lehrer_innen streiken. Meistens gibt es am Streiktag selbst einen Streikposten vor dem Schultor. Dort kann man vor Ort mit den streikenden Lehrer_innen reden, wie wir sie unterstützen können. Wenn sie korrekt sind, nehmen sie uns vielleicht auch direkt mit auf die Streikdemo oder machen daraus eine Politik-Exkursion. Oder ihr geht einfach selbst hin, wenn der Unterricht wegen des Streiks komplett ausfallen sollte. Ihr könnt auch ein kleines Flugblatt schreiben, dass ihr die Idee cool findet, und allen Lehrer_innen ins Fach legen. Auch das motiviert sie und hilft ihnen vielleicht auch bei Konflikten mit der Schulleitung, die Streiks meistens gar nicht toll findet. Auf einer Vollversammlung oder Sitzung der Schüler_innenvertretung kann eine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden, dass der Streik von uns Schüler_innen unterstützt wird. Wichtig ist, dass ihr gleich loslegt, denn der 28.11. ist nicht mehr weit entfernt.

Da wir uns jedoch mit unseren Lehrer_innen als gleichberechtigte Partner_innen im Kampf gegen die geplanten Angriffe auf das Bildungssystem verstehen, ist es wichtig, dass wir nicht nur die Forderungen der Gewerkschaften unterstützen, sondern auch eigene Ideen aufwerfen, um die Probleme anzugehen, die uns täglich in der Schule betreffen. Wir fordern deshalb zum Lehrer_innenstreik auch die Bildung einer Beschwerdestelle gegen Diskriminierung an jeder Schule. Diese muss unabhängig von der Schulleitung sein und gemeinsam von wähl- und abwählbaren Schüler_innen und Lehrkräften kontrolliert werden. Dafür brauchen wir an jeder Schule eine Art Antidiskriminierungs-Awarenessteam, das jederzeit ansprechbar ist und in dem auch von Diskriminierung betroffene Menschen selbst dabei sind. Es muss möglich sein, dort auch anonym eine Beschwerde über diskriminierendes Verhalten an der Schule einzureichen. Außerdem braucht die Beschwerdestelle eigene Befugnisse, um auch selbst gegen die Diskriminierung aktiv werden zu können. Das ist keine ferne Zukunftsmusik, sondern wir können gleich morgen damit beginnen, diskriminierenden Strukturen an unseren Schulen den Kampf anzusagen!

5. Wie geht es nach dem 28.11. weiter mit dem TV-L?

Leider verstehen sich die Führungen der Gewerkschaften in Deutschland nicht als Anführer_innen im Klassenkampf, sondern eher als Co-Verwaltung des kapitalistischen Systems. Das haben wir beispielsweise daran gesehen, dass sie keine großen Kampfmobilisierungen gegen die Corona-Krise, die Klimakrise oder die Aufrüstungspolitik organisiert, sondern stattdessen den Burgfrieden mit dem deutschen Kapital gesucht haben. Es ist also zu erwarten, dass sie nicht die volle Stärke ihrer Basis mobilisieren werden, dort wo sie schwach aufgestellt sind großangelegte Kampagnen zur Mitgliedergewinnung starten und dann ausgehend vom Vollstreik die Urabstimmung zum unbefristeten Erzwingungsstreik einleiten. Das bräuchte es aber, denn die einzelnen Nadelstiche der aktuellen Streikpolitik von ver.di und GEW tun dem Arbeitgeberband nicht weh, sodass dieser wahrscheinlich, wie schon zuvor beim Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TV-ÖD), mit einem schlechten Abschluss mit schlappen 5,5 % Lohnerhöhung rechnet. Dass die Gewerkschaftsführungen nicht gewillt sind, sich mit voller Stärke in den Kampf zu werfen, zeigt sich schon daran, dass gar nicht geplant ist, dass alle Beschäftigtengruppen am selben Tag streiken. Stattdessen streiken alle Berufsgruppen total vereinzelt, heute die Erzieher_innen, übermorgen die Lehrer_innen. Diese Taktik freut allein die Arbeitgeber. Dass die Beschäftigten auf diese Vereinzelung eigentlich keine Lust haben, hat am 17.10. eindrucksvoll eine Streikversammlung der Berliner Lehrer_innen gezeigt, bei der die absolute Mehrheit für eine Zusammenlegung der Streiktage gestimmt hat. Ähnlich hat sich auch das ver.di-Aktionskomitee der FU Berlin positioniert. Dieses klare Stimmungsbild wurde jedoch von der Bürokratie übergangen. Dieses undemokratische Verständnis von Gewerkschaftspolitik zeigt uns, dass es in allen Betrieben und Einrichtungen Streikkomitees brauch, die über wähl- und abwählbare Delegierte selber entscheiden, welche konkreten Kampfhandlungen als nächstes unternommen werden und wie die nächsten Streiktage aussehen. Ferner dürfen nicht die Gewerkschaftsbürokrat_innen entscheiden, ob ein Angebot der Arbeitgeberseite angenommen wird, sondern nur die Streikenden selbst!




Revolutionäre Arbeiter_Innen und Jugendliche in die Gewerkschaften!

Von Leila Cheng

Solche
Slogans lesen wir immer wieder bei linken Organisationen (Spoiler:
Auch bei uns), aber

Was
sind eigentlich Gewerkschaften?

Gewerkschaften
sind seit ihrer Entstehung Kampforgane der Arbeiter_Innenklasse. Die
Arbeiter_Innen merkten schnell, dass sie allein nichts gegen die
Übermacht der herrschenden Kapitalist_Innen ausrichten konnten und
schlossen sich in ihrer ersten Selbstorganisation zusammen, den
Gewerkschaften, und begannen das Mittel des Streiks zu nutzen, um
ihre Bedingungen zu verbessern. Gewerkschaften sind somit an vielen
erkämpften Erfolgen beteiligt gewesen, z.B. die 40-Stunden-Woche,
Kündigungsschutz, Verbot von Kinderarbeit, Betriebsräte,
Arbeitsschutzbestimmungen, steigende Löhne, u.s.w.

Doch Gewerkschaften beschränkten sich von Anfang an auf den ökonomischen Tageskampf. Sie wollten die Bedingungen der lohnabhängigen Klasse, oder wenigstens Teilen dieser, verbessern, aber sie hatten an sich nicht den Anspruch, die Ausbeutung oder den Privatbesitz an den Produktionsmitteln durch die Kapitalist_Innen aufzuheben und wären allein auch nie dazu in der Lage. Das liegt daran, dass gewerkschaftliche Organisierung allein kein revolutionäres Bewusstsein erzeugt, denn dafür müssten die ökonomischen Kämpfe mit der politischen Machtfrage verbunden werden, wofür es eine Partei der Arbeiter_Innenklasse braucht, die dies beides verbindet und um eine Zerschlagung des bürgerlichen Staates und den Aufbau einer Arbeiter_Innenmacht kämpft. Gewerkschaften können dabei als „Schulen des Sozialismus“ wirken, in dem sie zum Ausgangspunkt einer Arbeiter_Innenkontrolle über Fabriken und Betriebe werden, Arbeiter_Innen lernen also vermittelst gewerkschaftlicher Organisation, selbst die Produktion zu planen. Davon sind wir heute natürlich weit entfernt…Gewerkschaftskämpfe konzentrieren sich heute vor allem auf Lohnkämpfe oder Arbeitszeitauseinandersetzungen.

Doch warum sind Gewerkschaften heute so negativ besetzt?

Die
meisten Gewerkschaften heute und hierzulande führen seit Jahren
nicht mehr als ein paar Warnstreiks, wenn es einen neuen Tarifvertrag
geben soll und speisen ihre Mitgliedschaft mit den kleinsten
Zugeständnissen ab. Es ist also kein Wunder, dass immer mehr
Menschen die Gewerkschaften verlassen. So ist in den letzten 20
Jahren die Mitgliedschaft der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund)
Gewerkschaften um 1/3 gesunken.

Doch
woran liegt das? 1918 kam es in Deutschland zur Novemberrevolution,
diese wurde auf halber Strecke von der SPD-Führung verraten und
sozialistische Revolutionär_Innen wie Rosa Luxemburg wurden
ermordet. Doch auch die Gewerkschaftsführungen machten bei diesem
Verrat mit und gingen eine langfristige Partnerschaft mit dem Kapital
ein: So zum Beispiel das Stinnes-Legien Abkommen, wonach ein
Arbeitgeber_Innenverband mit einer Gewerkschaft Tarifverträge
eingeht, und diese für eine bestimmte Zeit gelten, bis neu
verhandelt wird. Im Gegenzug sollen sich per Theorie beide Partner
als gleichberechtigt anerkennen. Die Gewerkschaften wurden somit zur
anerkannten Mitverwalter_In des Kapitalismus.

Das
passierte nicht zufällig. Für die KapitalistInnen wie Stinnes
(daher der Name des Abkommens) war es nach der Novemberrevolution
nötig, die Führungen der Arbeiter_Innenbewegung wie Ebert (SPD)
oder Legien (Gewerkschaften) in den Kapitalismus einzubinden, um den
Kapitalismus und damit ihr Eigentum vor den revolutionären Massen
der Arbeiter_Innen zu retten. Und die Kapitalist_Innen fanden in den
Arbeiterführer_Innen der SPD und den mit ihr verbunden
Gewerkschaften willige Partner_Innen, den sie waren auf dem Rücken
der Arbeiter_Innenbewegung zu einer mittlerweile privilegierten
Stellung gekommen, in der sie kein Interesse mehr an einer
sozialistischen Revolution hatten. Wir nennen diese abgehobene
Schicht deswegen Arbeiter_Innenbürokratie, die sich selbst auf einen
besser gestellten Teil der Arbeiter_Innen stützt. An dieser
grundsätzlichen Struktur änderte sich auch in der BRD nichts.

In
den Gewerkschaften sprechen wir entsprechend von einer
Gewerkschaftsbürokratie, die von der Gewerkschaft bezahlt wird, die
aber heutzutage auch oft in Aufsichtsräten von Konzernen sitzt und
nochmal fett dazu verdient, direkt aus der Tasche des Kapitals.

Und nun stecken die Bürokrat_Innen in einer Klemme: einerseits muss der Kapitalismus erhalten werden und die Kapitalist_Innen möglichst zufrieden gestellt werden, denn von ihnen hängt ihre privilegierte Gesellschaftsstellung ab, gleichzeitig können sie die Klasse nicht 100 Prozent verraten, weil ihnen sonst Arbeitskämpfe aus ihrer Kontrolle gleiten können und Arbeiter_Innen auf einmal selbst entscheiden, wann sie z.B. streiken. Sie geben also ein bisschen dem Druck der Kolleg_Innen nach, aber leiten ihn in der Regel in ungefährliche Bahnen. Wenn wir als Revolutionär_Innen oder auch einfach als wütende Arbeiter_Innen selbst den Mund aufmachen und z.B. entgegen der Gewerkschaftsführung zum Kämpfen aufrufen, kann es nicht nur sein, dass wir den Job verlieren, sondern auch aus der Gewerkschaft fliegen.

Wie kann revolutionäre Praxis dann in Gewerkschaften aussehen?

Trotz
alledem sind wir überzeugt, dass revolutionäre Arbeit in
Gewerkschaften auch heute noch möglich und notwendig ist. Aber
warum?

Gewerkschaften sind die Schule des Klassenkampfes. In ihnen machen viele Arbeiter_Innen ihre ersten Erfahrungen mit elementaren Klassenkämpfen, auch wenn diese noch nicht besonders radikal sein mögen. In ihnen lernen sie aktiv zu werden, z.B. durch Streiks (bzw. Warnstreiks), Aussperrungen (=Betriebsbesetzungen) oder Bildung von Basisstrukturen. Wir als Revolutionär_Innen haben die Aufgabe und die Pflicht, in solche Selbstorganisationen der Arbeiter_Innenklasse zu gehen und revolutionäre Politik an die Basis zu tragen. Die Gewerkschaftsbürokratie werden wir dabei natürlich nicht überzeugen, und deswegen ist es auch wichtig, keine Hoffnungen in diese zu setzten. Wir treten an die Basis heran und versuchen sie in der gemeinsamen Aktion von unserer Politik zu überzeugen. Dabei treten wir für die Selbstorganisation der Basis in z.B. wähl- und abwählbaren Streikkomitees innerhalb der Gewerkschaften und Betriebe ein. In diesen versuchen wir auch über Tarifverhandlungen hinaus Streiks und andere Basisaktionen, bis hin zu politischen Streiks zu organisieren. Dies sorgt für eine Anpolitisierung für große Teile der Mitgliedschaft, gibt ihnen nach Jahren der Stagnation neue Hoffnung und bringt die Möglichkeit, Arbeiter_Innen revolutionär zu organisieren. Gleichzeitig setzt es die Gewerkschaftsbürokratie unter Druck. Und drittens schafft es Selbstorganisierung unserer Klasse und macht sie zum handelnden Subjekt. Für uns als Organisation, die langfristig eine sozialistische Rätedemokratie anstrebt, ist die Selbstorganisation der Basis unserer Klasse auch im Hier und Jetzt schon ein wichtiges Mittel und ein wichtiger Teil in der Schule des Klassenkampfes. Aber dieser Druck von unten muss natürlich auch mit einer Opposition zur Gewerkschaftsbürokratie innerhalb dieser Gewerkschaften einhergehen, sodass solche Basisbewegungen langfristig zu einer Räteorganisation unserer Klasse führen können.

Für uns als kommunistische Jugendorganisation ist auch die Intervention und Arbeit in den Gewerkschaftsjugenden besonders wichtig. Diese sind eigentlich für die Lage von Jugendlichen, also insbesondere Auszubildenden, Studierenden, FSJler_Innen und BFDler_Innen da. Jedoch haben die Gewerkschaftsjugenden kein Recht auf Tarifverhandlungen und müssen sich allen Beschlüssen ihrer Gesamtgewerkschaft unterordnen. Wenn sie eigene Beschlüsse treffen sollten, müssen diese von der Gesamtgewerkschaft umgesetzt werden und wenn man sich die aktuellen Tarifverhandlungen anschaut, zeigt sich, dass der Gewerkschaftsbürokratie nicht sehr viel an der Lage von Auszubildenden bei Tarifverhandlungen liegt. Noch schwieriger wird es dann für die restliche arbeitende Jugend (z.B. in 450 Euro Jobs oder Praktika), für die die Gewerkschaften fast gar nichts tun. Für uns ist es wichtig, die Lage von jugendlichen Arbeiter_Innen, die oft einer noch sehr viel stärkeren Ausbeutung unterliegen, mit in den Fokus zu rücken. Denn viele erkämpfte Forderungen gelten für Jugendliche noch nicht einmal, wie z.B. bei Auszubildenden der Mindestlohn, wenn deren Betrieb nicht tarifgebunden ist. Hier müssen wir ansetzen und uns auch für die Rechte und den Kampf von Jugendlichen in Gewerkschaften stark machen.

Und wie helfen uns Gewerkschaften jetzt in der Krise?

Die aktuelle Coronapandemie, aber auch die beginnende, dadurch ausgelöste, und vom kapitalistischen System verursachte Weltwirtschaftskrise treffen uns aktuell sehr hart. Umso mehr müssten die Gewerkschaften ein Faktor im Kampf gegen anstehende und bereits beginnende Massenentlassungen, Lohnkürzungen und vieles mehr sein. Dies sind sie jedoch oft nicht. Man braucht sich nur die Tarifverhandlungen von Verdi (Deutschlands größte Dienstleistungsgewerkschaft) oder der IG Metall im letzten dreiviertel Jahr, also während der Pandemie, anschauen. So wurden zum Beispiel Forderungen, die für Teile der Klasse maßgeblich wichtig waren, wie z.B. durch Verdi mehr Personal in der Betreuung und in Krankenhäusern nicht mal aufgeworfen, und am Ende die Mehrheit der aufgeworfenen Forderungen mit einem faulen Kompromiss mit den Kapitalist_Innen abgespeist. Trotzdem brauchen wir die Gewerkschaften, um den aktuellen Kampf zu führen. Deswegen ist es für uns als Revolutionär_Innen besonders wichtig, die Gewerkschaftsführungen durch Forderungen an diese und durch Mobilisierungen ihrer Basis unter Druck zu setzen, um Arbeitskämpfe zu entfachen.

Was ist die Schlussfolgerung daraus?

Gewerkschaften sind also ein Teil unseres Kampfes für eine revolutionäre Überwindung des Kapitalismus und aller Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse. Dafür brauchen wir aber die richtige Strategie im Umgang mit Gewerkschaften. Aktuell gibt es viele Bereiche, wo wir diese anwenden sollten, ob es die Gerechte-Bildungsbewegung, die Lage von Mieter_Innen (siehe Artikel zu Deutsche Wohnen und Co Enteignen), oder die Aufforderung zu bezahlten Betriebsschließung, um wirklichen Infektionsschutz leisten zu können. Deswegen kämpfen wir für Basisorganisierung in den Gewerkschaften, politische Streiks und versuchen eine revolutionäre Praxis hinein zu tragen. Für kämpferische Gewerkschaften- Kampf der Stagnation und Bürokratie!




Weitere Kürzungen im öffentlichen Dienst – Widerstand Jetzt!

Berlin, Oberbaumbrücke. Es ist Donnerstag Mittag, 14:00 Uhr. Am Ufer der Spree beginnen sich Gewerkschafter in Ver.di-Westen, junge und ältere Beschäftigte zu versammeln. Der Grund ist eine Personalversammlung unter freiem Himmel – gegen die massiven Kürzungen im öffentlichen Dienst und den einhergehenden Wegfall des so genannten Stellenpools. Auch Aktivist_innen von REVOLUTION und Arbeitermacht waren anwesend, um ihre Position einzubringen.

Georg Ismael führte am Rande der Kundgebung ein Interview für REVOLUTION mit Ines Rohde. Sie ist bei der Ver.di Jugend organisiert und Vorsitzende der Haupt-Jugend-und-Auszubildendenvertretung Berlins.

REVOLUTION: Was hat dich bewegt heute hierher zu kommen?

Ich möchte mich informieren, den Kontakt zu den Kollegen halten. Ich möchte aber nicht nur meine Solidarität bekunden, sondern selbst Stellung nehmen. Aktiv eingreifen! Viele der Anwesenden sind Auszubildende, Jugendliche genau wie ich. Wir sind besonders von der aktuellen Situation im öffentlichen Dienst betroffen.

 

REVOLUTION: Wie sieht denn die Situation aus?

Gegenfrage: Wann warst du das letzte mal auf einem Bürgeramt? Lange Wartezeiten, nicht ausreichende Betreuung, abnehmender Service – Das alles spiegelt die Situation wieder, die durch die andauernde Kürzungspolitik geschaffen wird.

Aber es sind nicht die Beschäftigten, die Schuld an dieser Situation sind. Wir arbeiten hart und wollen denen, die zu uns kommen oder unsere Dienstleistungen benötigen, helfen. Es ist die aktuelle Politik, die das verhindert. So steht zum Beispiel im aktuellen Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot, dass die Stellen im öffentlichen Dienst auf 100´000 herabgesenkt werden sollen. Die Situation ist bereits jetzt schlecht. Wie soll sie erst sein, wenn der Senat seine Pläne umsetzt?

REVOLUTION: Du sprichst von Stellenstreichungen trifft das nicht die Auszubildenden besonders hart?

Genau! Momentan haben wir zwischen 350 und 400 Auszubildende jährlich. Übernommen werden allerdings nur rund 60 vom Land Berlin. Viele haben berechtigte Angst davor, was nach der Ausbildung kommt.

Es wird noch irrsinniger, wenn man es mit dem Personalabbau vergleicht, der allein altersbedingt stattfinden wird. Bis 2017 würden nur noch 78% der jetzigen Beschäftigten arbeiten, wenn es so weiter geht.

REVOLUTION: Glaubst du Schwarz-Rot betreibt bewusst diese „Ausdünnungspolitik“, indem sie die Arbeitsstellen von Kolleg_innen, die in Rente gehen, nicht neu vergibt?

Vorstellen könnte ich es mir schon. Man schaue sich doch nur die anderen Maßnahmen an: Einschränkung der Mitbestimmungsrechte von Gewerkschaften und Beschäftigten, Kürzungen oder der Austritt Berlins aus den bundesweiten Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, der eine Spaltung der Aktionseinheit der Kolleg_innen zur Folge hat.

Wichtig ist allerdings, was wir fordern und tun. Der Politik der Stellenstreichung setzen wir als Jugendgewerkschaft Forderung wie die Übernahme aller Auszubildenden entgegen!

REVOLUTION: Wie steht es denn mit der gewerkschaftlichen Organisierung der Auszubildenden im öffentlichen Dienst?

 

REVOLUTION meint: Gewerkschaftliche Organisierung muss durch die Aktion gesteigert werden.

Es könnte besser sein, um nicht zu sagen schlecht in einigen Bereichen. Allerdings können wir durch entschlossene und kreative Aktionen auch die Bekanntheit und Wichtigkeit der gewerkschaftlichen Organisierung stärken. Insofern sollten wir die aktuellen Proteste auch als Chance begreifen.

Auch in den Tarifverhandlungen im nächsten Jahr sollten wir als Gewerkschaftsjugend eine stärkere Rolle spielen. Doch bis dahin wollen wir natürlich nicht ruhen. Wir beteiligen uns beispielsweise auch an den bundesweiten „UmFAIRteilen“ Aktionen am 29. September. In Berlin wollen wir einen eigenen Block organisieren.

Kurz. wir wollen durch unsere Aktionen den öffentlichen Dienst in den öffentlichen Raum tragen!

REVOLUTION: Was ist, wenn das nicht reicht – wenn der Senat darauf nicht eingeht?

Dann sollten wir über Streiks nachdenken. Die Tarifverhandlungen kommen bald und so kann es definitiv nicht weitergehen.

REVOLUTION bedankt sich für das Gespräch und unterstützt die Beschäftigten und die Gewerkschaft in den kommenden Auseinandersetzungen. Werde jetzt Mitglied bei Ver.di, wenn du im öffentlichen Dienst beschäftigt bist!