Marxistische Filmkritik: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel

Von Leonie Schmidt

Jedes Jahr aufs Neue wird in vielen Haushalten der Weihnachtstradition nachgegangen, den Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ (Václav Vorlíček, ČSSR/DDR 1973) an den Weihnachtsfeiertagen oder während der Adventszeit gemeinsam anzusehen. Märchenfilme generell sind sehr beliebt, doch dieser scheint besonders hervor zu stechen. Wir wollen uns an dieser Stelle anschauen, was eigentlich die Grundaussagen des Filmes sind und wie wir sie mit einem marxistischen Blick interpretieren können. Diese Herangehensweise lässt sich prinzipiell auf jedes Kulturgut anwenden, jedoch bietet sich es hier natürlich besonders an, immerhin handelt es sich um ein Werk aus dem sozialistischen Realismus.

Progressive Elemente

Voranstellend kann gesagt werden, dass dieser Film, insbesondere für einen Märchenfilm aus den 1970er Jahren, ziemlich viele progressive Elemente hat. Das muss natürlich in den Kontext der Produktionsländer ČSSR/DDR gestellt werden, welche zwar degenerierte Arbeiter_Innenstaaten darstellten, aber trotz alledem gerade hinsichtlich geschlechtlicher Gleichberechtigung den westlich-kapitalistischen Staaten um Einiges voraus waren. Beispielsweise gab es in der DDR ein umfängliches Abtreibungsrecht, im Gegensatz zur damaligen und heutigen BRD.

Auf der einen Seite haben wir also Aschenbrödel, welches von ihrem Vater entgegen der weiblichen Geschlechterrolle erzogen worden ist, besser reiten und jagen kann als so mancher Mann. Sie besticht durch Scharfsinn und ist auch mal frech, wie bspw. in der Szene gegen Anfang, als sie den Prinzen und seine Kumpanen mit Schnee bewirft und dann sein Pferd entwendet oder nachdem sie ihr Jägerkostüm abgelegt hat und dem Prinzen nicht verrät, wo sich besagter junger Jäger befindet. Sie ist emanzipiert, in dem Sinne, dass sie nicht einfach tatenlos auf den Prinzen wartet, sondern selbst aktiv wird, sich aber auch nicht von ihm unterbuttern lässt, und bspw. den Konsens ihn zu heiraten, aktiv einfordert (siehe dazu die Ballszene) und durch die Rätsel, welche sie ihm stellt, versucht herauszufinden, ob er ihr auch in puncto Intelligenz gewachsen ist (und ob er sich wirklich mit einer einfachen, armen jungen Frau abgeben will). Aschenbrödels Gegenspielerin, die klassische böse Stiefmutter, die sie und die anderen auf dem Hof ausbeutet, hingegen versucht sie in die Rolle der braven, armen Magd zu drängen, die alle möglichen (sinnlosen) Drecksarbeiten erledigen muss, während ihre leibliche Tochter Dora hemmungslos verwöhnt wird. Auch der Prinz stellt sich in gewisser Weise den Macht – und Geschlechterverhältnissen entgegen, indem er sich seinem Vater, dem König, quer stellt, welcher unbedingt möchte, dass er möglichst schnell und möglichst eine reiche, brave Frau heiratet. Auch lassen sich an manchen Stellen homoerotische Tendenzen interpretieren, etwa in der Szenen als das als Jäger verkleidete Aschenbrödel den Ring vom Prinzen angesteckt bekommt, der sie in ihrer Rolle als Jäger nicht nur für die Jagdkünste zu bewundern scheint. Die Grundaussage des Films scheint zu sein: nur die Liebe hilft gegen die Rollenvorstellung von Patriachat und Klassengesellschaft.

Kritik der Klassengesellschaft

Im Sinne des sozialistischen Realismus wird die Klassengesellschaft recht offensichtlich dargestellt, auch wenn der Film in feudalen Verhältnissen spielt. Die böse Stiefmutter könnte man hier als eine Klasse interpretieren, die aufsteigen möchte (in dem sie sich einschleimt und ihre leibliche Tochter Dora mit dem Prinzen verheiratet), aber selber schon Besitz an Produktionsmitteln hat und ihre Angestellten ausbeutet und quält. Ganz besonders die, die sie als Konkurrenz sieht und deren Aufstieg sie dringend unterbinden muss, notfalls mit allerlei Tricks und Hinterhältigkeit. Den wenigen Besitz, den Aschenbrödel hat, welches die Arbeiter_Innenklasse darstellt, wurde ihr auch schon entwendet. Bspw. Nikolaus, der prächtige Schimmel, und ebenso wurden auch ihre jeglichen sonstigen Freiheiten eingeschränkt. Der Vergleich des Kleinbürger_Innentums gegen die Arbeiter_Innenklasse im Rahmen der Faschismustheorie ließe sich hier beispielweise ziehen: die Emanzipation der Arbeiter_Innenklasse muss bewusst aufgehalten werden, um die herrschenden Verhältnisse zu sichern und das Kleinbürger_Innentum stellt sich an dieser Stelle in den Dienst der Bourgeoise, in der Hoffnung, eines Tages selber in diese aufzusteigen. Man kann die böse Stiefmutter auch noch auf eine marxistisch-feministische Art interpretieren: Sie ist der Beweis dafür, dass es keine natürliche Solidarität unter Frauen aller Klassen gibt und dass sich die Interessen von Frauen der verschiedenen Klassen stark unterscheiden. Denn ein Happy End für Aschenbrödel ist für die böse Stiefmutter im doppelten Sinne schlecht: Sie hat eine Frau weniger, die, unter anderem, ihre Reproduktionsarbeit übernehmen kann, und hat es zusätzlich nicht einmal geschafft, ihre Tochter Dora gewinnversprechend zu verheiraten.

Auch der Szene mit den Linsen und dem Mais, was eine absolut unnütze Aufgabe und vor allem eine Strafe ist, die die Stiefmutter nur Aschenbrödel aufhalst, damit sie es ja nicht wagt, sich zum Hofball zu schleichen, wohnt einer gewissen antikapitalistischen Symbolik inne. Repressionen gibt es viel in der kapitalistischen Gesellschaft, diese sollen uns auch schlauchen, damit wir nicht mehr in der Lage sind uns mit möglichen Verbesserungen oder gar der Organisierung dieser zu beschäftigen. Die Tauben werden hier zu einem Symbol der Solidarität und der Masse der Arbeiter_Innenklasse, da sie aufgrund ihrer Anzahl in der Lage sind, Aschenbrödel diese zeitintensive Aufgabe ohne viel Aufwand abzunehmen. Die Bedeutung liegt hier in der Kraft der Solidarität gegenüber Genoss_Innen, denen vom bürgerlichen Staat Repressionen aufgehalst werden.

Alles eine Frage des Bewusstseins

Auch das für MarxistInnen allseits bekannte Thema des fehlenden Bewusstseins der ausgebeuteten Schichten wird aufgegriffen. Das können wir beispielsweise erkennen beim Knecht Vinzek, der großes Mitleid mit Aschenbrödel hat, aber nicht in der Lage ist, ihr wirklich zu helfen. Er kann lediglich vertuschen, dass sie immer noch Nikolaus besucht und ihr die drei Haselnüsse von der Fahrt in die Stadt mitbringen. Oder aber auch in der Szene, als der Prinz auf das Gut von Aschenbrödels Stiefmutter kommt um „seine Prinzessin“ mit Hilfe des verlorenen Schuhs zu finden. Hier machen sich die Mägde und Knechte darüber lustig, dass es wirklich eine von ihnen sein könnte, die der Prinz da sucht. Sie können es sich einfach gar nicht vorstellen, dass sowas möglich wäre, auch wenn sie sich wahrscheinlich alle insgeheim wünschen, dass sie die Außerwählten sind, die endlich vom Joch der Knechtschaft befreit werden.

Klassenkampf und Kitsch?

Mit Sicherheit gibt es Leute, die diesen Film für kitschig halten. Allerdings liegen die Differenzen zu klassischen Disney-Märchen-Filmen auf der Hand: die Kulissen sind wenig pompös, selbst der Ballsaal und die Thronstühle vom Königspaar sind verhältnismäßig schlicht. Lediglich von der Kleidung vom Königspaar, dem Prinzen sowie der Stiefmutter und Dora (und Kleinrösschen!) kann man das nicht behaupten. Auch spielt die Natur eine wichtige Rolle: man kann sie als Art Parallelwelt, in welcher die Gesetze der Klassengesellschaft aufgehoben werden, interpretieren. Hier kann Aschenbrödel frei von Zwängen ausreiten, jagen und dem Prinzen begegnen. Der Prinz und seine Kumpanen müssen nicht dem Herrn Präzeptor (eine Art Hauslehrer) Folge leisten, sondern können ihn einfach im tiefen Schnee stehen lassen. Die böse Stiefmutter und Dora finden ihr vorzeitiges Ende im gefrorenen Weiher, weil die Kutschpferde durchgehen. Und der Prinz und Aschenbrödel reiten am Ende in die Freiheit in die verschneite Natur, anstatt eine pompöse, eigentlich dem Adel angemessene, Hochzeit im Palast des Königs abzuhalten.

Auch hinsichtlich des romantischen Plots trotzt Aschenbrödel den veralteten Disney-Klischees. Wie eingangs erwähnt, ist sie selbstbewusst, frech und lässt sich ihre Geschlechterrolle nicht aufdrängen. Besonders hervorstechend ist die Szene beim Ball, in welcher der Prinz sie von der Stelle weg heiraten will und sie ihn deutlich darauf hinweist, dass er vergessen hat, sie zu fragen und somit den Konsens dieser Beziehung einfordert, auch wenn sie ihn natürlich trotzdem schon toll findet. Ihre Unabhängigkeit wird trotz bevor stehender Ehe auch dadurch noch einmal verdeutlicht, dass sie in der Schlussszene nicht mit auf seinem Pferd sitzt, sondern ihr eigenes behält.

Liebe gegen Klassengesellschaft und Patriachat?

Nun widerstrebt es natürlich Marxist_Innen, die These aufzustellen, dass nur die romantische Liebe, welche ihre höchste Form in der bürgerlich-monogamen Ehe findet, die Menschheit befreien kann. Sicherlich ist die romantische Liebe von Aschenbrödel und dem Prinzen vor allem für feudale Zeiten, wie bereits aufgezeigt, emanzipatorisch. Auch in dem Punkt, dass der Prinz eine Liebesheirat einer arrangierten Heirat vorzieht, setzen sie ein Zeichen. Allerdings ist das glückliche Ende eigentlich ziemlich individualistisch, denn nur Aschenbrödel konnte sich (mit Hilfe des Prinzen) aus ihrer Stellung als arme Magd befreien, während die restlichen Angestellten des Guts der bösen Stiefmutter immer noch untergeordnet sind. Deswegen kann man auch die Liebe zwischen den beiden auf eine andere Weise interpretieren und zwar als Symbol für den gemeinsamen solidarischen Kampf der Arbeiter_Innnenklasse gegen die herrschenden Verhältnisse. Der Ritt in die verschneite Natur zeigt somit den Weg in die klassenlose Gesellschaft auf, Aschenbrödel und der Prinz (der vermutlich nicht mehr länger Prinz sein wird, aber das kann man unterschiedlich interpretieren) könnte man hier auch als Avantgarde, also als Anführer_Innen der Arbeiter_Innenbewegung deuten. Gleichzeitig muss man aber auch eine kritische Interpretation zulassen, die ein Ende der Unterdrückung Aschenbrödels nur durch die Einheirat in eine höhere Klasse und durch die Hilfe des Mannes ermöglicht.

Ob diese Botschaft so konkret vermittelt werden sollte, kann natürlich nicht nachgeprüft werden. Klar ist jedoch, dass sozialistische Ideale auch bei dieser Produktion eine Rolle gespielt haben müssen. Aber das ist eigentlich bei Filmkritiken auch nicht der wichtige Punkt; was der Autor sagen wollte, ist (meistens) irrelevant. Was hingegen der Film aussagt, ist entscheidend. Und bei diesem Film zeigt sich, dass Mut und Kampfgeist gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeiten mit Freiheit belohnt werden können!




Der Kampf gegen den „modernen Fußball“

Für die meisten Fußballfans ist das Wort „Kommerzialisierung“ ein Grund, dass ihnen die Galle hochkommt. Doch warum? Ist die Entwicklung wirklich so extrem?

Oh ja, schon lange! So ist zum Beispiel die Trikotwerbung  inzwischen selbstverständlich und weitverbreitet. Mittlerweile hat sie sich in Ländern wie Österreich derart entwickelt, dass der normale Fußballspieler von einer Werbetafel kaum noch zu unterscheiden ist. Die Werbung reicht vom Kragen bis zum Stutzen und so mancher Verein ist inzwischen nach einer „flügel-verleihenden“ Getränke-Firma benannt. Mit Austria Salzburg fing es an, über New York ging es bis nach Leipzig – aus dem SSV Markranstädt wurde Red Bull Leipzig. Danach war das Geld da, um Spieler in die Regionalliga Nord zu holen, die in der zweiten Liga durchaus Stammplatzchancen hätten. Für die Fans der zahlreichen Traditionsvereine ein derartiger Tabubruch, dass viele nicht einmal darüber nachdenken, dort ein Spiel ihres eigenen Vereins zu besuchen. Geht es ihnen doch nicht nur darum, in welcher Liga ihr Verein spielt, sondern wie der Verein gemeinsam mit seinen Fans in diese Liga gekommen ist!

Im Süden Deutschlands, wo ein Ort namens Hoffenheim mit knapp über 3200 Einwohnern liegt, gibt es ein noch extremeres Beispiel. Vor einigen Jahren dachte sich ein gewisser Dietmar Hopp, seines Zeichens Milliardär und Mitbegründer der Softwarefirma SAP, er könne in seinem Heimatort ein paar Millionen in seinen früheren Jugendverein investieren. Aus diesem Grund konnte die Mannschaft der TSG Hoffenheim seit 1990 in 18 Jahren aus der Kreisklasse A (9. Liga) in die 1. Bundesliga aufsteigen. Die Mannschaft der TSG konnte natürlich qualitativ nicht so schnell mitwachsen. Jedes Jahr wurde der Kader komplett umstrukturiert!

Solche Vereine werden oft als lächerliche Retortenclubs verspottet und von keinem Ultra, keinem wirklichen Fußballfan ernst genommen. Nun könnte man sich denken, dass es auf der anderen Seite eine Superchance für Clubs, wie die TSG war. Doch die Realität sieht anders aus, denn der Sport gerät immer mehr aus den Händen der Fans, der einfachen Leute und auch der Fußballer selbst, in die Hände der Konzerne und reichen Investoren. Diese bestimmen immer mehr den Sport, um ihre Profite zu scheffeln. Ihnen reicht es nicht aus, uns auf Arbeit schlecht zu bezahlen, auszubeuten und zu schikanieren. Sie wollen auch in unserer Freizeit noch fett an uns verdienen!

So kommt es auch zu den steigenden Ticketpreisen. Für manche Spiele in der ersten Liga muss man für einen Stehplatz bereits mehr als 20€ bezahlen. Die Spieltage sind inzwischen so zerstückelt, dass die Spiele der 1. und 2. Bundesliga zu neun verschiedenen Anstoßzeiten zwischen Freitag und Montag beginnen. Doch kaum ein Fan, der auch zur Schule, zur Uni oder zur Arbeit muss, kann an einem Wochentag durch das ganze Land fahren, um seinen Verein zu unterstützen. Doch selbst wenn man zu Hause bleibt, braucht man Pay-TV, um das Spiel live verfolgen zu können. In Italien und England, einst Ursprungsort der europäischen Fankultur, ist diese Entwicklung am extremsten fortgeschritten. In beiden Ländern sieht man nur noch selten echte Fußballfans im Stadion. Sie können es sich entweder schlicht nicht leisten, so kostet in England die billigste Karte nicht selten 60€. Oder sie haben den Kampf gegen die Kommerzialisierung verloren, wurden durch Repressionen seitens der Polizei oder der Vereine, wie die zahlreichen Stadionverbote oder die in Deutschland existierende Datei „Gewalttäter Sport“, vertrieben.

Wo ist der Fan, der Ultra, der alles für seinen Sport hingibt heute noch gerne gesehen? Bevorzugen die TV-Sender, Stadionbesitzer, Sponsoren und Investoren doch lieber den zahlenden Statisten, der viel Gewinn abwirft und schweigt. Die Fans hingegen werden immer stärkerer Kriminalisierung ausgesetzt. Es bleibt daher nur eine Möglichkeit – Wir, die Fans, müssen uns über Vereinsgrenzen hinweg gemeinsam wehren! Für unser Recht, am Samstag um 15:30 Uhr unseren Verein bejubeln zu können, mit Pyrotechnik, Fahnen, Bannern, Spruchbändern und – am allerwichtigsten – mit unserer Stimme. Die Investoren, die mit unserem Sport nur Geld verdienen wollen, müssen vertrieben werden.

Der Fußball gehört seinen Fans, er lebt durch uns. Die Vereine sollten durch Gremien der Fans, der einfachen Arbeiter und Jugendlichen geleitet werden, anstatt durch Aktiengesellschaften! Sie sollten bestimmen was in ein Stadion gehört. Dazu gehören niedrige Kartenpreise, Fangesänge und natürlich Fans – auf keinen Fall Investoren oder die Polizei. Die Fans können sich selbst organisieren, Ordner wählen und für Sicherheit im Stadion sorgen. Unser Widerstand muss Demonstrationen, wie die im Mai unter dem Motto „Fußball lebt durch seine Fans – zum Erhalt der Fankultur“, aber auch Aktionen im Stadion, Boykotte und Besetzungen beinhalten. Nehmen wir uns zurück, was uns gehört!