Welche Bildung wollen wir? Für welche Strukturen kämpfen wir?

Juni 2009

Am 15.-19. Juni werden in einem bundesweiten Bildungsstreik SchülerInnen, Studierende, LehrerInnen und Eltern gemeinsam auf die Straße gehen, um ihre Stimme für ein besseres Bildungssystem zu erheben. Die Bildungsproteste an den Schulen, Berufsschulen und Universitäten richten sich gegen die soziale Selektion in der Bildung. Neben der Forderung nach ausreichenden finanziellen Mitteln und mehr Lehrpersonal stellen sich die SchülerInnen und Studierenden gegen jegliche Repressionen und Einschränkungen in Schule und Uni.

Die gemeinsamen Forderungen nach einer besseren Ausstattung der Bildungseinrichtungen, der Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, der Anstellung von mehr LehrerInnen, der Ablehnung von Schul- und Studiengebühren und der Rücknahme von Schulzeitverkürzungen (Turbo-Abi) werden von allen sozialen Gruppen, von SchülerInnen und Studierenden, LehrerInnen und Eltern, unterstützt.

Doch die Proteste beschränken sich bislang darauf, von den jeweiligen zuständigen Ministerien der Länder mehr „Geld für Bildung“ zu erbitten. Wir von REVOLUTION hingegen wollen, dass Schüler und StudentInnen selbst gemeinsam mit Lehrern und Eltern bestimmen, wie viel Geld die jeweilige Bildungseinrichtung wofür braucht.

Die Grundlage der Situation in der Bildung ist das kapitalistische Verwertungssystem unserer Gesellschaft. Die Politik im Kapitalismus ist stets bemüht, den Wünschen der Privatwirtschaft nachzukommen und so Ausgaben für wirtschaftlich nicht lukrative Bereiche wie die Bildung zu reduzieren – zugunsten von Unternehmen und Banken. Gerade in der aktuellen Wirtschaftskrise sehen wir, wie den Banken und Konzernen hunderte Milliarden an Staatsgeldern hinterher geschmissen werden, während wir selbst Kürzungen hinnehmen müssen.

Unser Kampf gegen die Missstände im Bildungssystem muss also zwangsläufig ein Kampf gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem sein, ein Kampf, der nur dann erfolgreich sein kann, wenn wir geschlossen zusammenhalten. Unsere Ziele können wir nur gemeinsam mit den Protesten der Arbeiterbewegung und der sozialen Bewegungen gegen Staat und Kapital durchsetzen.

Die Kürzungen der letzten Jahre, die den Bildungsnotstand verursacht haben und täglich verschärfen, können wir nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn wir die Struktur der Kürzungen und der Privatisierung ganzer Bereiche der Bildung abschaffen. Dazu gehört vor allem die Finanzhoheit des Ministeriums über den Haushalt jeder einzelnen Schulen, Berufsschulen und Unis – die Landesministerien haben bei der Zuweisung des Geldes stets das letzte Wort. Mit jeder Kürzung werden die Bedingungen so für uns schlechter, mit jeder Privatisierung teurer, ohne dass wir auch nur ansatzweise darüber entscheiden könnten.

Innerhalb der Schule selbst sind die Ministerien und die Interessen der Wirtschaft durch den Schulrektor repräsentiert, welcher durch disziplinarische Mittel Schüler -und Lehrerschaft kontrolliert. Kultusminister und Rektoren setzen die Erlasse an der Schule durch, SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern und Beschäftigte sind nur in der sogenannten „Gesamtkonferenz“ vertreten, einem Gremium, das nur wenige Entscheidungen trifft und eigentlich nur existiert, um die Erlasse des Ministeriums in der Schule umzusetzen.

Wir fordern, dass die Gruppen des Bildungsstreiks, dass die Schüler und StudentInnen, die LehrerInnen und Eltern die Entscheidungen darüber treffen, wie viel Geld sie für ihre Schule bzw. Uni bekommen – nur sie, keine Beamten oder Minister, können diese Frage im Interesse aller Beteiligten beantworten.

Der bürgerliche Staat und die föderalen Institution setzen seit Jahren den Bildungsabbau um, privatisieren Bereiche innerhalb der Schule und Uni und schachern der Privatwirtschaft mittlerweile auch die Lehrinhalte zu – diesem Staat wollen wir die Hoheit über die Bildung entreißen, an diesen Staat stellen wir keine Bitten – diesen Staat bekämpfen wir!

Wir von REVOLUTION schlagen ein alternatives Konzept zur von der Wirtschaft und ihren staatlichen Institutionen beherrschten aktuellen Bildung vor. Schul- und Universitätsräte, zusammengesetzt aus den SchülerInnen bzw. StudentInnen, den Beschäftigten und LehrerInnen brauchen keinen Rektor, keine Dienstverpflichtungen und keine Sparhaushalte. Diese Räte sollen das Budget selbst erarbeiten, Privatisierungen bekämpfen und rückgängig machen und so vollständige Selbstbestimmung in der Bildung durchsetzen.

Dazu gehört die Abschaffung der sozialen Selektion in den Bildungseinrichtungen. Statt der Aufteilung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium fordern wir eine gemeinsame Bildung ohne soziale Einschränkungen und ohne Förderung privater Eliteschulen!

In der Schule und Uni müssen wir die volle Lernmittelfreiheit erkämpfen. Gerade der Zugang zu Bildung wird durch das dreigliedrige Schulsystem massiv erschwert. Wenn bürgerliche Politiker von „bildungsfernen Schichten“ in der Gesellschaft sprechen, dann weil sie selbst armen und arbeitslosen Familien und Kindern von Alleinerziehenden den Zugang zur Bildung systematisch behindern.

Wenn wir für eine solche gemeinsame auf der Organisation in demokratischen Rätestrukturen basierende Bildung kämpfen, so kämpfen wir für ein Bildungssystem ohne Konkurrenz und soziale Spaltung – eine grundlegende Eigenheit der vom Kapitalismus unterworfenen Gesellschaft.

Unser bürgerlich-kapitalistisches Bildungssystem spaltet zunächst die Jugendlichen in „Bildungsklassen“ auf. Ab der 5.Klasse werden der weitere Bildungsweg und so auch die späteren Arbeitsmöglichkeiten der Jugendlichen vorbestimmt – ein Hauptschüler wird niemals Ingenieur, eine Realschülerin niemals Ärztin. Dies sind die Interessen des kapitalistischen Arbeitsmarkt, für jede Form der späteren Arbeit soll es genügend Bewerber geben; diese Auslese, zusammen mit der Verkürzung der Abiturzeit, setzt die SchülerInnen schon früh massiv unter Druck.

Wenn wir von anderer, von gerechter Bildung sprechen, so sprechen wir von einer Gesellschaft, die den Kapitalismus überwunden und das Profit- und Repressionssystem des bürgerlichen Staats hinter sich gelassen hat. „Bildung im Sozialismus“ bedeutet das Ende der sozialen Selektion, bedeutet gleicher, freier und zeitlich nicht beschränkter Zugang aller Menschen zur Bildung statt schulischer Auslese, bedeutet gemeinsames Lernen und die beste Förderung mit allen zu Verfügung stehenden Mitteln. Konkret heißt dies nicht nur mehr LehrerInnen und kleinere Klassen, sondern auch Abschaffung der staatlichen Kontrolle an den Schulen, Abschaffung jeglichen von außen auferlegten Leistungsdrucks und somit das Ende der „bürgerlichen Bildung“. Aus dem heutigen Schulsystem kennen wir alle den Satz, „das brauchst du später im Leben eh nie“ – mit autoritärem Frontalunterricht werden den SchülerInnen Fakten eingepaukt, die sie dann in Klausuren abgefragt bekommen – so funktioniert heute Bildung, so sollen die SchülerInnen auf den kapitalistischen Arbeitsmarkt vorbereitet werden. An der Uni wird das dann fortgeführt, dort gibt es die wohlklingende Bezeichnung „Fachidiot“ – das kapitalistische Bildungssystem soll nur neue verwertbare Arbeitskräfte formen, diese brauchen keinen allgemeinen und wissenschaftlichen Zugang zur Bildung, nein, sie müssen später „ihren“ Aufgabenbereich im Arbeitsmarkt beherrschen können – mehr nicht.

Schon Marx benennt dies, als „Spaltung von Kopf -und Handarbeit“ welche nicht nur die Klasse auf dem Arbeitsmarkt spaltet, sondern auch in ihren Bildungszugängen vorher trennt. Sozialistische Bildung soll diese Spaltung überwinden, Bildung soll als Einheit von Lernen und Arbeiten verstanden werden, das Wissen soll in allen Bildungsbereichen praktisch erfahrbar werden.

Sozialistische Bildungstheoretiker wie Edwin Hoernle nennen diese Bildung, „polytechnische Bildung“ – alle Bereiche der Bildung werden darauf ausgerichtet, dass Theorie und Praxis zusammenlaufen und alle „Empfänger“ einen vollständigen Zugang zur Wissenschaft und deren Anwendung bekommen.

In der Bildungsstreikbewegung müssen wir darüber diskutieren, was unsere Vorstellungen von einer anderen Bildung sind und so Alternativen ausarbeiten.

Wir dürfen unseren Protest nicht auf Demos und isolierte Proteste beschränken, um nach dem Bildungsstreik wieder einzuschlafen. Wir als Jugend müssen für unsere Zukunft kämpfen – gegen Bildungs -und Sozialabbau, gegen die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Dafür müssen wir uns gegen Staat und Kapital organisieren, müssen eine antikapitalistische revolutionäre Jugendbewegung aufbauen. Wir von REVOLUTION wollen mit Euch in der Streikwoche aktiv sein, wollen mit Euch die weitere Perspektive des Widerstands diskutieren und so eine starke kämpferische Jugendbewegung aufbauen.