100 Jahre Russische Revolution: Teil 1 Die Februarrevolution

VON LEONIE SCHMIDT


Bevor es zur Oktoberrevolution und somit zur proletarischen Revolution kam, gab es eine andere Revolution 1917 in Russland. Das war die Februarrevolution und ohne diese wäre es auch nicht zu einer proletarischen Revolution gekommen, denn sie war nötig um den Zaren zu stürzen, das revolutionäre Bewusstsein der Arbeiter_Innen zu stärken und die Massen zu organisieren. Eine Besonderheit der Februarrevolution ist aber auch, dass sie ohne wirkliche Führung d.h. einer revolutionären Partei geschah, sondern nur aus den fortschrittlichsten Schichten der Massen heraus.


Tatsächlich hatte es aber schon 1905 einen Versuch gegeben, den Zaren zu stürzen. Dieser war jedoch gescheitert und blutig niedergeschlagen worden. Das lag vor allem daran, dass die Industrie und damit das Proletariat noch deutlich schwächer waren. Außerdem fehlten Kampferfahrung, eine klare Arbeiter_Innenführung, zudem war die Verbrüderung von Soldaten (mehrheitlich Bauern) und Arbeitern_Innen war wenig entwickelt. Natürlich waren damals vor allem Arbeiter_Innen beteiligt und gerade die fortschrittlichen Petrograder (St. Petersburger) Arbeiter_Innen hatten viele Lehren aus dieser ersten Revolution in Russland gezogen.


Warum kam es zur Februarrevolution?


Russland befand sich seit 1914 im 1.Weltkrieg und war Verbündeter von England und Frankreich (Tripleentente). Russland jedoch war das schwächste Glied in dieser Kette, denn es hatte keine sonderlich große Industrie, 90% der Menschen lebten auf dem Land. Russland war noch halb feudalistisch, während die Westmächte bereits ganz im Kapitalismus angekommen waren. Das hatte auch Auswirkungen auf die Machtverteilung in der imperialistischen Kette, z.B. gab es in Russland besonders viele ausländische Investoren. Dadurch konnte die Industrialisierung in Russland zwar stark angekurbelt werden, jedoch blieb Russland damit total abhängig von seinen Verbündeten.


Auch war die russische Armee sehr schlecht ausgestattet und es wurde hauptsächlich für die Bedürfnisse an der Front produziert (50 % der Wirtschaftsleistung), die normale Bevölkerung musste hungern. Ein Drittel der Menschen, die an der Front gekämpft hatten waren entweder tot (2,5 Millionen) oder verletzt (2,5 Millionen), katastrophale Niederlagen und Hunger hatten Armee und Hinterland total demoralisiert. Viele verschiedene Völker des Zarenreiches wie z.B. Kasachen, Kirgisien, Turkmenen, Usbeken und die baltischen Völker wurden vom zaristischen Regime unterdrückt. Der Knackpunkt allerdings war, dass die Agrarfrage (Aneignung des adeligen Landbesitzes durch die einfachen Bauern) nicht gelöst war.


Der Sturz des Zarismus


Am Frauentag des Jahres 1917, in Russland der 23. März, kam es zu Streiks in Petrograd. Man streikte hauptsächlich für Brot und gegen den Zarismus. Aber die Bolschewiki rieten sogar von dem Streik ab, denn sie befürchteten, dass der Aufstand in eine Niederlage enden würde. Das interessierte die Arbeiter_Innen aber nicht und 90.000 Menschen streikten noch am selben Tag. In den folgenden Tagen breiteten sich die Streiks über das ganze Land immer weiter aus.
Es kam aber auch zu zahlreichen, blutigen Zusammenstößen vor allem mit der Polizei. Das positiv daran aber war, dass sich die Soldaten, welche zu meist ebenfalls aus armen Bauern- und Arbeiterfamilien kamen, mit den Demonstrant_Innen verbündeten.


Es auch gemeinsame Forderungen von Arbeiter_Innen und Soldaten: Niederwerfung der Polizisten und der regierungstreuen Truppen, Besetzung von Regierungsgebäuden, öffentlichen Plätzen, Bahnhöfen, Postämtern, Druckereien, Waffenlager etc., Vereinigung alle übriger Soldaten mit den Arbeitern und Befreiung von politischen Gefangenen. Dadurch konnte der Zarismus gestürzt werden.


Das neue Regime


Die Zeit zwischen Februar und Oktober 1917 ist in Russland durch die Doppelherrschaft gekennzeichnet. Das bedeutet, dass die Macht zwischen mehreren Klassen geteilt ist und je nach Ausgang der Kämpfe in eine Konterrevolution oder eine Fortsetzung der Revolution münden kann.
Das Zentralexekutivkomitee des Petrograder Arbeiter- und Soldatensowjets, (im Folgenden XK), welches am Tag des Umsturzes gegründet wurde, rief zu Sowjetwahlen (Wahlen zu demokratischen Räten) im ganzen Land auf. Auf der anderen Seite gründete sich zur gleichen Zeit eine provisorische Regierung des Adels und der Kapitalist_Innen. Dass es zwei Regierungen gab, war der höchste Ausdruck der Doppelherrschaft, die die ganze Gesellschaft durchdrang.


Die fortschrittlichsten Petrograder Arbeiter_Innen waren im Februar zwar in der Lage den Zarismus zu stürzen, aber nicht die Macht selbst in die Hand zu nehmen: Der Petrograder Sowjet und vor allem das XK spiegelten die Stimmung der Massen sehr verzerrt wieder, da vor allem konservative Sozialisten (Menschewiki und Sozialrevolutionäre) gewählt wurden. Der Petrograder Sowjet trat unter ihrer Führung sogar für eine Fortsetzung des Krieges und eine Übergabe der Macht an die provisorische Regierung ein. Grund für diesen Widerspruch zwischen Basis und Führung war, dass die Massen zu dieser Zeit noch kaum einen Unterschied zwischen den sozialistischen Parteien sahen.


Die Verschiedenen Programme der sozialistischen Parteien


Die Bolschewiki schwenkten nach Lenins Ankunft aus dem schweizer Exil im April auf die Forderungen: „Sturz der Regierung“, „alle Macht den Sowjets“, „Land den Bauern“ und „Beendigung des Krieges“ um (Aprilthesen). Lenin setzte diesen Kurs nicht mit diktatorischen Vollmachten o.ä. durch, sondern schaffte es seine Partei nach heftigen internen Auseinandersetzungen von dieser (richtigen) Politik zu überzeugen.


Menschewiki, Sozialrevolutionäre und Bolschewiki stimmten darin überein, dass im rückständigen Russland zuerst eine bürgerliche Revolution von statten gehen muss. Diese ist vor allem durch die Lösung der Agrarfrage (Aneignung des Landes des Adels durch die armen Bauern) gekennzeichnet. Menschewiki und Sozialrevolutionäre argumentierten aber, dass dafür die Führung der Bourgeoisie nötig sei, was war aber aufgrund der verspäteten Entwicklung in Russland nicht mehr möglich war. Hauptziel der Bourgeoisie war es nämlich faktisch, wieder eine Monarchie zu errichten, da sie nicht stark genug war eine eigene Regierung zu etablieren und keinen anderen Alternative gegen die Macht der Arbeiter_Innen und Bauern sahen. Die Agrarfrage konnte deshalb nur unter der Führung der Arbeiter_Innen gelöst werden. Haben diese aber einmal die Macht ergriffen, werden sie natürlich zu sozialistischen Maßnahmen (z.B. Enteignung der Kapitalist_Innen) übergehen (Theorie der Permanenten Revolution). Die Enteignung des Adels wurde dann auch erst durch die Regierung der Oktoberrevolution unterstützt, welche zeitgleich begann sozialistischen Maßnahmen umzusetzen.


Apriltage, erste Koalition und russische Offensive


Im April kam es zu erfolgreichen Demonstrationen gegen erneute Annexionen (Besetzung und Aneignen von fremden Gebieten), welche die provisorische Regierung durchsetzen wollte. Die Bevölkerung jedoch war strikt dagegen, denn sie wollte endlich Frieden. Die Bolschewiki forderten den Sturz der provisorischen Regierung weiterhin und fingen so an das Vertrauen der Massen zu gewinnen. Um die Bourgeoisie zu retten bildeten die Versöhnler_Innen (Menschewiki und Sozialrevolutionäre (wegen Versöhnung mit der Bourgeoisie)) daraufhin sogar eine Koalitionsregierung mit der Bourgeoisie. Während die Massen immer mehr nach links schwenkten und an Macht gewannen, schwenkten das XK dagegen immer mehr nach rechts.


Aber den Massen ging es weiterhin schlecht. Zwar setzten die Arbeiter_Innen den Acht-Stunden-Tag durch und mancherorts wurde der Lohn angehoben, jedoch waren auch die Preise weiterhin gestiegen und so mussten sie hungern. Das führte dazu, dass es im Juni mächtige Demonstrationen gab. Die Bolschewiki unterstützen diese und wurden dafür vom Rest des Sowejtkongresses, der zu dieser Zeit statt fand, scharf kritisiert.
Unterdessen trieb eine gescheiterte russische Offensive die Armee an den Rand des Zusammenbruchs. Die Versöhnler_Innen hatten die Offensive befürwortet und zogen so den Hass der Massen auf sich, die höchstens noch bereit waren die Front zu halten.
Das alles führte dazu, dass sehr viele Arbeiter_Innen und Soldaten den Versöhnler_Innen den Rücken kehrten und lieber die Bolschewiki unterstützen. Bis zur Oktoberrevolution waren aber noch viele entscheidende Kämpfe zu führen, um die Geschichte von hunderten Jahren (vom Absolutismus zum Sozialismus) in 8 Monaten nachzuholen.