Warum diese Euro-Krise?

Warum ist in Europa ein Land nach dem anderen „überschuldet“, muss „Hilfszahlungen“ annehmen, zu Bedingungen, die von anderen, mächtigeren Ländern wie der BRD diktiert werden? Warum geben bürgerliche Regierungen unvorstellbare Summen aus, um die „Märkte zu beruhigen“? Warum sind überhaupt die Märkte „in Panik“ und was bedeutet das? Um dies zu beantworten, müssen wir einen Blick unter den ideologischen Schleier werfen, der diese Phänomene bedeckt – denn nur von außen erscheint die Krise als eine Folge falscher, kurzsichtiger Entscheidungen durch Politiker_innen, Banker_innen, Investor_innen.

Tatsächlich stehen die Länder Europas seit vielen Jahren mit immer größeren Milliardensummen in der Schuld von Investoren, also Kapitalist_innen, die nicht benötigtes Kapital angelegt haben. Diese Kredite wurden gut verzinst, das aufgenommene Kapital wurde durch den Staat wieder investiert und die Tilgung galt als sicher, weil die gesamte Volkswirtschaft mit ihren Steuerverpflichtungen dafür haften musste. Der Staat hat damit beigetragen, die Investition von neuem Kapital in Wirtschaft und Infrastruktur auch dann aufrechtzuerhalten, wenn Kapitalist_innen selbst nicht dazu bereit waren. Gleichzeitig wurde aber eine langfristige Tendenz überdeckt: die Tendenz, dass überschüssiges Kapital aus den Gewinnen der Kapitalist_innen nach profitablen Anlagemöglichkeiten sucht, die immer häufiger nicht vorhanden sind. Die Regierungen schufen selbst diese Anlagen, indem sie Staatsanleihen ausgaben und die Zinsen aus den Steuereinnahmen bezahlten. Die gleiche Ursache – Wachsende Kapitalberge bei gleichzeitig schwindenden Profitraten – haben die Kapitalist_innen dazu getrieben, immer mehr Kapital in fiktive, spekulative Anlagen zu stecken, rund um den Globus jeden Winkel der Welt zu privatisieren und als Investitionsmöglichkeit zu erschließen („Globalisierung“) und mit immer schärferen Mitteln um die Beherrschung fremder Märkte und Ressourcen zu kämpfen. Die Verlagerung von Produktionsanlagen in Niedriglohnländer, immer schärfere Angriffe auf soziale Errungenschaften, Kriege um Länder, wo Rohstoffe gefördert werden oder politischer Einfluss erzielt werden soll – all dies ist der Versuch, entgegen einer allgemeinen Tendenz die Profitabilität der wichtigsten und stärksten Nationalökonomien zu steigern.

Eine Zeitlang hat dies für die mächtigsten und erfolgreichsten Kapitalist_innen die Illusion grenzenlosen Wachstums geschaffen – dies ist seit 2008 endgültig vorbei. Nun herrscht Zähneklappern. Die Euro-Krise wurde ausgelöst durch Verwerfungen an den Börsen, wo Papiere wie Staatsanleihen gehandelt werden. Investoren verkauften in großer Zahl Anleihen von als „riskant“ geltenden Ländern, um ihr Kapital in „sichere“ Länder (wie die BRD) oder gänzlich andere Anlagen zu verlagern. Die Papiere bspw. Irlands, Griechenlands oder Spaniens verloren an Wert – die zu zahlenden Zinsen stiegen. Erst dadurch waren diese Länder nicht mehr in der Lage, die Kredite zu bedienen.

Unsere Krisenlösung ist nicht die Restaurierung der alten kapitalistischen Verhältnisse, sondern ihr Sturz, zugunsten einer befreiten, sozialistischen Gesellschaft!

Die „Panik“ der Märkte dreht sich zunächst um eine Frage: Wer muss als erster seine entwerteten Papiere abschreiben und für nicht bezahlte Kredite haften? Bürgerliche Regierungen scheuen keine Kosten, um zumindest einen chaotischen, unkontrollierbaren Crash zu verhindern. Wichtige Banken werden „gerettet“, indem vom Staat gewaltige Summen an Geld geliehen und an diese vergeben werden – es werden also neue Anleihen ausgegeben, deren Ausfall noch schwerwiegendere Folgen haben würde. Die Ursachen der Krise werden nicht bekämpft – dies ist den Kapitalist_innen auch nicht möglich. Die Politik der Bankenrettung auf Pump ist also zwar eine Scheinlösung, aber es gibt im Rahmen des Kapitalismus überhaupt keine Lösung, die nicht entweder zulasten anderer Kapitale oder Ökonomien, oder auf Kosten der Unterdrückten, der Arbeiter_innen und Jugend geht.

Die Forderungen von Kommunist_innen zielen daher nicht auf eine „nachhaltigere“ Sanierung der kapitalistischen Wirtschaft, wie dies bei Reformist_innen und Linksbürgerlichen meist der Fall ist. Während kapitalistische „Krisenlösungen“ immer das Ziel verfolgen, den Reichtum der Kapitalisten und die Ausbeutung der Unterdrückten zu sichern, kämpfen Kommunist_innen dafür, dass die Kapitalist_innen selbst für alle Verluste bezahlen sollen und ihr Reichtum und ihre Macht in die Hände der Unterdrückten gelegt wird.

Ein Artikel von Bruno Lahrius, REVOLUTION-Stuttgart




Prekarisierung und Bildungsabbau stoppen – „Mit alten Erfahrungen, eine neue Bewegung aufbauen“

Wir veröffentlichen hier die Resolution „Prekarisierung und Bildungsabbau stoppen – Mit alten Erfahrungen, eine neue Bewegung aufbauen“, die wir an diesem Wochenende auf der bundesweiten Bildungsstreikkonferenz in Hannover einbringen. Denn auch wenn die Bewegung so nicht mehr existiert, sind die Probleme geblieben und mit ihnen die Notwendigkeit einer klassenkämpferischen Jugendbewegung in Deutschland.

Was auf den letzten bundesweiten Bildungsstreikkonferenzen bereits diskutiert wurde, hat sich im vergangenen Jahr bestätigt. Die ehemalige „Bildungsstreikbewegung“ existiert so nicht mehr. Doch das veranlasst uns nicht dazu anzunehmen, dass es keine weiteren Angriffe gibt, die Probleme verschwunden sind. Es gab zwar seit mehr als 2 Jahren keine starke bundesweite Bewegung, doch fanden regionale Kämpfe statt. Es gibt nach wie vor das Potential Jugendliche für ihre Interessen in Aktion zu bringen. Die damalige Bewegung hat eine Schicht von Jugendlichen geschaffen, die sich mit politischen Themen beschäftigt, sich dafür organisieren will und auf gemachte Erfahrungen ab 2007 zurückgreifen kann.

Doch sind viele dieser Jugendlichen nicht mehr in den Schulen, sondern bereits in Ausbildung oder Betrieb. Auch hat sich eine neue Schicht von Jugendlichen entwickelt, die zunehmend von Prekarisierung, Perspektivlosigkeit und steigender Konkurrenz – direkt in der Bildung oder am Arbeitsmarkt – betroffen ist. Während im Rest Europas die Jugend von Sparmaßnahmen betroffen ist, die von Berlin aus geplant werden, sind Jugendliche in Deutschland vor allem durch antisoziale Gesetze bei Hartz IV, durch Leiharbeit oder durch soziale Selektion an den Schulen betroffen. Deshalb braucht die Jugend in Ländern wie Spanien oder Griechenland unsere Solidarität, gleichzeitig ist ihr Kampf motivierend und ein Vorbild für die deutsche Jugend.

Zusammen kämpfen, gemeinsam streiken – in diesem Sinne müssen die Initaitiven und Organsationen der linken und Arbeiterjugend für breite Proteste zusammengeführt werden.

Eine neue Bewegung muss sich an diesen Umständen orientieren, um die bereits politisierten Jugendlichen erneut zu gewinnen und neuen Generationen eine Perspektive anzubieten. Dafür braucht es eine breite Aktionseinheit der linken Organisationen, Schüler, Studierenden- und Auszubildendenvertretungen und ihrer Initiativen. Außerdem sollte sich eine neue Bewegung von Anfang auf lokale, unabhängige Aktionskomitees und Bündnisse der Aktivisten stützen, diese aktiv aufbauen und sie auf bundesweiter Ebene zusammenzubringen. Denn es geht nicht nur um verständliche Slogans, die von einer breiten Masse getragen werden können. Die Bildungsproteste in Quebec und Großbritannien, die Generalstreiks Spanien und Frankreich haben gezeigt, dass es eine starke Organisation aller braucht: eine unbürokratische, aus der Bewegung gewachsene Schüler- und Studentengewerkschaft.

Die stärker werdende Krise in Europa wird diese Tendenzen noch vertiefen. Die Notwendigkeit einer Jugendbewegung in Deutschland wird sich zuspitzen. Die gesellschaftliche Diskussion zur kommenden Bundestagswahl ist unsere Chance, die dringenden Fragen der Jugend nach Bildung, sicheren Arbeitsplätzen und ihrer Rolle in der Gesellschaft erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Wir dürfen die Antworten darauf nicht den jetzigen Regierenden überlassen, sondern sollten mit Protesten für unsere eigenen Positionen und Forderungen mobilisieren.

Die Bildungsstreikkonferenz fordert daher ihre Teilnehmer, Jugendgewerkschaften, linke Organisationen und Parteien, sowie die Initiativen und Vertretungen der Schüler, Studierenden und arbeitenden Jugendlichen auf:

  • Eine breite bundesweite Aktionskonferenz im Frühling für die Planung von Massenprotesten vor den Bundestagswahlen im Sommer zu organisieren.
  • Aktionskomitees aufzubauen und mit existierenden Strukturen unter den oben genannten Themen der Bewegung zusammenzuführen.
  • Gemeinsame Jugendblöcke und Aktionen im Rahmen existierender Kampagnen (z.B.Aktion Übernahme, Solidaritätsproteste mit Südeuropa, Kämpfe gegen Sozialabbau und Krise) zu organisieren, um die Idee einer neuen Jugendbewegung aufleben zu lassen.

Resolution für die Konferenz der Bildungsstreikakitivisten, REVOLUTION-Deutschland




Rock your School – Aktiv werden, Aktionsgruppen aufbauen

Das neue Schuljahr 2012 geht jetzt – von Bundesland zu Bundesland etwas unterschiedlich – schon seit einigen Wochen. Fast sechs Jahre ist es nun her, das von Berlin aus die Schulstreikbewegung begann, die 2009 in den damaligen Bildungsstreik-Aktionswochen ihren Höhepunkt fand, an denen sich mehr als 270´000 Jugendliche beteiligten. Wie können sich Jugendliche nach der Bewegung heute an ihrer Schule organisieren?

Militante Proteste vor der Tory-Zentrale, organisiert von der britischen Studentengewerkschaft, dieBewegung dauerte mehrere Monate an. Dafür war der Organisationsgrad und eine allgemeine politische Perspektive in der breite jedoch nie in Deutschland gegeben.

Seit 2009 ging es mit zeitweiligen Erfolgen, die jedoch nur von begrenzter Dauer waren und ohne eine gemeinsame Perspektive der Bewegung waren, bergab. Wir von REVOLUTION versuchten bis zum Ende eine solche Perspektive aufzuweisen. Wir wollten eine Bewegung, die zu mehrtägigen Streiks und Besetzungen aufrufen würde, entschlossene und weitreichende Forderungen aufstellen sollte, die Bildungsstreikbewegung mit anderen sozialen Kämpfen verbinden müsste und letztlich eine Schüler-und Studierendengewerkschaft (gestützt auf lokale Streikkomitees und Aktionsgruppen) aufbauen müsste, um eine unabhängige Interessenvertretung der Jugendlichen zu gewährleisten. Nur so hätten wir eine Kraft werden können, die weitgehende Forderungen umsetzen kann.

Der Grund dafür, dass diese Vorschläge nicht angenommen wurden war jedoch kein Zufall. Es war die Dominanz von reformistischen Organisationen wie dem SDS (Studierendenverband der Linkspartei), Solid und den Jusos, später insbesondere von einem Flügel der Anarchisten.

Um über berechtigte, aber nur symbolische Proteste hinauszukommen, braucht es eine bundesweite Perspektive, die sich auf Streik – und Aktionskomitees stützen kann, die nicht nur einige Reformforderungen stellt, sondern sich gegen das kapitalistische Bildungssystem stemmt.

Aus diesen Gründen existiert die bundesweite Bewegung nun seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Die Probleme allerdings sind geblieben und mancherorts gibt es auch lokale Proteste dagegen. Diese Proteste müssen organisiert und erneut auf bundesweiter Ebene gebündelt werden. Gerade unter der zunehmenden Krise in Europa wäre es naiv anzunehmen, dass unsere Bildung von weiteren Kürzungen verschont bleiben könnte.

Doch die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es mehr als nur Bündnisse in Bewegungen braucht. Insbesondere, wenn man das kapitalistische Bildungssystem – letztlich immer den Profitinteressen der Unternehmer und Banken untergeordnet – nicht nur reformieren sondern zugunsten einer freien, kommunistischen Bildung überwinden will!

Wir glauben daher, dass es neben Streikkomitees und breiten Bündnissen der Bewegung zu denen wir alle aufrufen sich zu beteiligen auch eine revolutionäre Organisierung braucht – REVOLUTION an deiner Schule!

Die aktivsten und kämpferischsten Jugendlichen brauchen Strukturen, in denen sie sich dauerhaft organisieren können. Ihr eigenes Engagement sollte nicht von den Aufs und Abs von Bewegungen abhängen. Viele von ihnen wollen nicht nur Aktionen für den Bildungsstreik diskutieren, sondern ihre Anschauungen über Politik im Allgemeinen, Aktionen, die über die Schultore hinaus gehen und andere Themen, wie den Kampf gegen Faschisten, Sozialabbau bis hin zu revolutionärer Politik ungehindert besprechen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass sich diese Gruppen deshalb nicht an Streikkomitees oder der Politik an ihrer Schule heraushalten sollten. Ganz im Gegenteil – sie sollten die entschlossensten Aktivist_innen sein, die ihre Ideen einbringen und mit Tatkraft einbringen.

REVOLUTION ist diese Organisation – unabhängig, international und kommunistisch!

Gemeinsam wollen wir uns mit euch an eure Schulen organisieren:

  • Um Aktionen zu planen. Sei es für einen Freiraum an eurer Schule, gegen Faschisten, die den Schulweg unsicher machen, weil euch euer Rektor den Mund verbietet oder weil ihr gegen den generellen Verfall eures Bildungssystems kämpfen wollt.
  • Um den Schüler_innen endlich eine unabhängige Stimme zu geben. Egal, ob es darum geht die verstaubten GSV´s aufzumischen oder eigenständige Strukturen,wie Streikkomitees aufzubauen.
  • Um dem System, dass hinter der Krise in Bildung und Gesellschaft steht den Kampf anzusagen, für eine befreite, selbstbestimmte, kommunistische Gesellschaft einzutreten.

Es ist Zeit, dass wir Jugendlichen uns organisieren, eine eigene Stimme bekommen: REVOLUTION an deiner Schule!

Rock your School – werde gemeinsam mit REVOLUTION an deiner Schule aktiv, argumentiere mit uns in der Schülervertretung und lass uns unabhängige Aktionskomitees aufbauen!

Mit REVOLUTION eine Schulgruppe aufbauen!

Wenn du Lust bekommen hast aktiv zu werden, eine Gruppe an deiner Schule mit uns aufzubauen, dann melde dich per Mail (germany[ät]onesolutionrevolution.de) oder komm einfach zu unserem nächsten Ortsgruppentreffen in deiner Stadt. Denn du sollst natürlich nicht ganz alleine eine solche Aufgabe stemmen müssen!

REVOLUTION hilft dir mit Rat und Tat. Gemeinsam wollen wir mit dir Aktionen besprechen, Materialien erstellen und weitere Aktivist_innen an deiner Schule für unsere gemeinsamen Ideen gewinnen. Doch nicht alles muss neu gemacht werden. Du kannst unsere aktuellen Zeitungen, Programme, Flyer und Fahnen von unserer Gruppe bekommen – und natürlich selbst über die Aktionen der gesamten Organisation mitentscheiden!

Wenn erst einmal neue Mitsreiter_innen gefunden sind, dann geht’s los. Wir können Flyer oder Schülerzeitungen direkt für deine Schule drucken, Veranstaltungen zu spannenden Themen an oder in der Nähe deiner Schule organisieren oder direkte Aktionen planen!

Ein Artikel von Georg Ismael, REVOLUTION-Berlin




Hungry Britain – Sparpolitik treibt Millionen in die Armut

Bilder von langen Schlangen, die wie in Athen an den Suppenküchen anstehen – bald auch in Großbritannien?

Seit Beginn der Krise und insbesondere Seit die Konservativ-Liberale Koalition in Großbritannien an der Macht ist, werden Monat für Monat weitere Sparmaßnahmen durchgesetzt, Milliarden von Pfund wurden in den öffentlichen Ausgaben gestrichen, zehntausende haben bereits ihre Arbeitsplätze verloren, während Pensionen und das Gesundheitswesen zerschlagen werden. So leben mittlerweile mindestens 13 Millionen Menschen in Großbritannien unter der Armutsgrenze und selbst in einem industrialisierten Land, wie Großbritannien leiden jeden Tag Menschen an Hunger – sind gezwungen Suppenküchen und Essensausgaben zu besuchen.

Die Gründe für den Hunger reichen von Arbeitslosigkeit bis zu privater Verschuldung. 2011-12 waren daher 128.687 Menschen von den Essensausgaben abhängig, 100% mehr als im Vorjahr.

Essensausgabe in Coventry

Eine der größten Suppenküchen in Großbritannien ist in Coventry und wird durch den Trussell Trust betrieben. Drei Tage in der Woche gibt es dort qualitativ hochwertige Lebensmitteln wie Reis, Zucker, Konserven Fleisch, Fisch und Getreide. Allerdings kann man nicht einfach hingehen und essen. Die Einzigen, die eine Mahlzeit bekommen, sind diejenigen, die durch soziale Dienste oder staatliche Beratungsstellen dorthin verwiesen werden. Sobald sie ein- oder zweimal dort war, wird man in Programme gebracht, um die Ursache seiner Armut zu erklären.

43% der Menschen, die die Essensausgaben besuchen, tun dies, weil sie auf Sozialhilfe, Pensionen etc. angewiesen sind, die gestrichen wurden, deren Zahlung sich verzögert oder das Geld, das sie bekommen einfach nicht genug ist, um sich zu ernähren. Darüber hinaus wurden in den ersten 3 Monaten diesen Jahres 167.000 Menschen ihre Arbeitslosenhilfe ohne ersichtlichen Grund gestrichen. Wenn das geschieht, haben viele kaum eine andere Wahl, als die Suppenküchen aufzusuchen und ein „Krisen-Darlehen“ aufzunehmen.

Die anderen 57% haben zwar Arbeit, können es sich aber trotzdem nicht leisten, sich selbst zu ernähren. Viele von ihnen können sich kein Essen leisten, weil sie Schulden aufgenommen haben, um Rechnungen zu bezahlen, die sie nun zurückzahlen müssen – von dem Geld, von dem sie eigentlich Essen kaufen müssten. Denn viele borgen sich Geld von trügerischen Geldleihern, die sich mit den Betroffenen anfreunden, um sie dann zu zwingen das Geld zu horrenden Zinsen zurückzuzahlen.

Doch es gibt keine 250 Tafeln in Großbritannien, die mehr als drei Mal die Woche geöffnet haben. Während also das Sozialsystem für diejenigen, das in der Theorie diejenigen unterstützen sdollte, die es nicht selbst können – erschwert es in der Tat ihr Leben. Mit Sozialleistungen, die nicht reichen, um die eigene Existenz zu sichern und einer Regierung, die Tausenden von Menschen jeden Tag ihre Zahlungen verweigert, nur um die Statistiken zu senken, ist es kein Wunder, dass die Menschen beginnen zu hungern.

Dem muss mit geeintem Widerstand von Arbeitslosen und Arbeitenden geantwortet werden. Die Gewerkschaften und Arbeiterorganisationen müssen den politischen Widerstand organisieren, aber auch die Versorgung der Hungernden gewährleisten, als Teil ihres Widerstands.

  • Jobs für Alle, bei Verkürzung der Arbeitszeiten und einem Mindestlohn, der von der Arbeiter-und Jugendbewegung festgesetzt wird!
  • Für ein Mindesteinkommen, von dem sich gut Leben lässt, für diejenigen, die nicht mehr Arbeiten können oder keine Arbeit finden!
  • Für eine Arbeitslosenbewegung innerhalb der Arbeiterbewegung – Beteiligt euch am Generalstreik am 20.11.2012 in Großbritannien!

Artikel von Sally Turner, REVOLUTION-Großbritannien (mit Ergänzungen)




Hamburg: Solidaritätsaktion anlässlich der Massenproteste in Spanien!

Am 25.9. fand in Hamburg eine Solidaritätsaktion für die von Sparpolitik betroffenen europäischen Länder vor dem spanischen Generalkonsulat statt. Anlass war der Aufruf für die unbefristete Umzingelung des spanischen Parlaments in Madrid, um die Regierung zum Rücktritt zu zwingen und eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen.  Aufgerufen für die Aktion hatte United Hamburg, ein Bündnis aus verschiedenen Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen, bei dem auch REVOLUTION und die Gruppe Arbeitermacht aktiv mitarbeitet (www.united-hamburg.de).

Um 18 Uhr hatten sich ca. 50 Menschen vor dem Konsulat versammelt, um ihren Protest auszudrücken. Dabei ging es natürlich nicht nur um die Situation in Spanien, sondern auch in Griechenland, Portugal und Italien – alles Länder, die von den Finanzmärkten an den Rand des Ruins getrieben wurden und wo von den Regierungen massive Sparprogramme aufgelegt werden, damit die Arbeiterklasse, die Unterdrückten und die Jugend die Krise bezahlen sollen, die von den Kapitalist_innen verursacht wurde. Das Schema ist dabei überall gleich: um die Rettungspakete für die Banken zu finanzieren und die Schulden an die internationalen Finanzinstitutionen zu bezahlen wird bei staatlichen Leistungen gekürzt was das Zeug hält: Renten und Löhne werden gekürzt, Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld und Zuschüsse abgebaut, Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlassen etc.

Hamburger Aktivist_innen protestieren vor dem spanischen Konsulat

Dabei geht es einzig und allein darum, die Profite für das internationale Kapital zu garantieren. Der Finanzminister von Deutschland, Wolfgang Schäuble, regte sich am Montag in der Financial Times darüber auf, dass über einen neuen Schuldenschnitt für Griechenland debattiert würde. „So können wir das Vertrauen der Finanzmärkte niemals zurück gewinnen.“ Was zeigt das anderes, als dass die deutsche Regierung – wie alle europäischen Regierungen – zu reinen Handlangern des internationalen Kapitals verkommen ist. Es tritt deutlich zu Tage, was schon immer der Charakter des Kapitalismus war: das ist keine Demokratie, sondern die Diktatur des Kapitals.

So wurde in den Redebeitragen auch deutlich gemacht, dass diese Politik eine internationale Frage ist und es besonders wichtig ist, endlich hier in Deutschland Protest und Solidarität zu organisieren. Zu Beginn wurde das spanische Manifest, welches zu der Umzingelung des Parlaments aufgerufen hat, in Spanisch und Deutsch verlesen. Anschließend gab es einen Redebeitrag, der unter anderem auf die immer weiter steigende Repression in ganz Europa aufmerksam machte. Der Redebeitrag des Genossen der Gruppe Arbeitermacht unterstrich, dass endlich europaweiter Widerstand organisiert und koordiniert werden muss und kritisierte die sozialchauvinistische Politik der Gewerkschaftsbürokratie und reformistischen Parteien, die die Politik des Fiskalpaktes mittragen anstatt internationale Solidarität zu organisieren. Er endete damit, dass die Frage der Zukunft in Europa mit der Systemfrage verknüpft ist und nur durch den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau des Sozialismus gelöst werden kann. In dem anschließenden Beitrag wurde auf die beschämende Rolle der SPD in Hamburg eingegangen, die wie so oft gewählt wurde, um eine sozialere Politik umzusetzen, heute aber den Sozialkahlschlag aktiv vorantreibt und umsetzt. Führende Verdi-Bürokraten, die gleichzeitig Abgeordnete sind, fallen ihren streikenden Kolleg_innen im Rathaus in den Rücken! Im letzten Redebeitrag wurde schließlich noch einmal näher auf die Losung der verfassungsgebenden Versammlung in Spanien eingegangen.

Madrid – Athen – Hamburg, gemeinsam gegen die Sparpolitik der Troika!

Obwohl die Kundgebung vergleichsweise schwach besucht war, war es richtig und wichtig sie durchzuführen: wir haben ein deutliches Zeichen gesetzt, dass wir auch in Hamburg aktiv Solidarität organisieren wollen. Durch völlige Abwesenheit glänzte ein weiteres Mal ein Großteil der Hamburger Linken: die Linkspartei, Solid, SAV, Sol, Jour Fixe Gewerkschaftslinke, sowie die komplette autonome Szene . Das bestärkt uns einerseits in der politischen Kritik an diesen Organisationen, andererseits in unserer Aufforderung an diese, sich an kommenden Aktionen zu beteiligen und zu mobilisieren.

Diesen Samstag, den 29.9., stehen die „Umfairteilen“-Demonstrationen an, an denen wir von Revolution teilnehmen und für ein revolutionäre Perspektive eintreten werden. Für den Herbst ist eine europaweite Konferenz in Florenz geplant (Florenz 10 + 10) und für das Frühjahr 2013 in Athen (Altersummit). Darüber hinaus wollen wir von REVOLUTION auch in Hamburg eine Vernetzungskonferenz im Herbst organisieren, auf der diskutiert werden soll wie der Widerstand gegen das Kapital europaweit organisiert werden kann.

Auf dass der Widerstand endlich in Fahrt kommt! Hoch die internationale Solidarität!

Ein Artikel von Ernesto – REVOLUTION Hamburg




Bankrott – aber nicht am Ende!

Quelle: Scharf-Links

Warum also nicht etwas riskieren, Widerstand organisieren oder einen Aufstand wagen, einen kleinen oder auch größeren, so oder ähnlich dürften derzeit viele denken in Spanien, in Griechenland. Und sie tun es, die Mineros (Minenarbeiter_innen in Asturien), die Stahlarbeiter_innen in Thessaloniki und viele, viele andere Jugendliche, Arbeitslose, Arbeiter_innen, Rentner_innen in ganz Europa – hunderttausende, bis zu 800.000 waren es am 19. Juli in Madrid, mehrere Millionen waren es letzte Woche in Portugal und Spanien. Sie müssen befürchten, dass es für sie nach Jahren steigender Arbeitslosigkeit, sozialer Angriffe, Kürzungen in Bildung, Gesundheit, Rente nun noch viel schlimmer kommt, denn das ist der Plan ihrer Regierungen, der EU und ganz besonders „unserer“ Frauen und Herren Merkel und Rösler. Doch dieser Plan kann gestoppt werden, und dass hierfür der erste Schritt bereits getan ist, das zeigen die hektischen Reaktionen der rechten deutschen Presse, die ein „Umkippen“ Spaniens befürchtet. Sind die Proteste also bloß Ausdruck einer Verzweiflung angesichts des unvermeidlichen Bankrotts?

Nein, sie sind vielmehr die richtige und notwendige Reaktion – auf den Versuch der herrschenden Kapitalist_innen, ihre Krise in unseren Ruin zu verwandeln. Der Kampf gegen Sparprogramme und „Bankenrettung“ kann erfolgreich sein, und so er das in Spanien und Griechenland nicht ist, werden auch uns derartige Angriffe nicht erspart bleiben. Von den Zuständen manch anderer Länder – in Griechenland und Spanien sind mehr als die Hälfte der Jugendlichen arbeitslos – sind wir in Deutschland weit entfernt. Doch die Durchsetzung der gewaltigen Sparprogramme dort würde die Situation für uns nicht etwa verbessern – ganz im Gegenteil wären die deutschen Kapitalist_innen ermutigt, auch uns solche Einschnitte aufzuhalsen: Denn sie wissen, dass sie hauptsächlich deswegen besser dastehen, weil bereits seit Jahren die Löhne in Deutschland stagnieren und Hartz 4, Agenda 2010 und Leiharbeit höhere Profite als anderswo erlauben. Und umgekehrt ist das Fehlen von massenhaftem Widerstand in Deutschland, vor allem das weitestgehende Stillhalten von Gewerkschaften und der Partei „DIE LINKE“ mit dem Ziel, „friedlich und ruhig“ durch die Krise zu kommen, nicht nur ein schändlicher Verrat an der Bevölkerung in „Krisenländern“, sondern wird auf uns selbst zurückfallen, sobald Griechenland und Spanien „abgehakt“ ist. Der Kampf gegen die Politik der Bundesregierung ist daher jetzt notwendig – es ist falsch, erst auf die „Zuspitzung der Lage“ zu warten (wie manche linke Reformist_innen in Deutschland, aber auch SYRIZA in Griechenland)  oder – wie die DGB-Gewerkschaften in den Tarifrunden vormachen – „verantwortungsvoll“ gemeinsam mit den Kapitalist_innen die Krise „auszustehen“. Verantwortungsvoll ist dies nur vom Standpunkt der Ausbeuter, den Kapitalist_innen.

Für den Kampf gegen die Krise schlagen wir folgende Schritte vor:

  • Europaweite Mobilisierung gegen Fiskalpakt, Sparpaket, Bankenrettung! In ganz Europa muss 2012 ein Herbst des Widerstandes werden!
  • Generalstreiks in Spanien und Griechenland sind in der Diskussion. Diese sind notwendig, wenn die Verarmung gestoppt werden soll!
  • Solidaritätsstreiks auch in Deutschland! Überhaupt jeder Arbeitskampf, jede Demo muss auch Solidarität mit Spanien und Griechenland zum Ausdruck bringen!
  • Unterstützung muss praktisch werden: Solidaritätskomitees in jeder Stadt! Kampf der nationalistischen Hetze gegen Griechenland! Materielle Unterstützung für die griechische Arbeiter_innenklasse, wo der Kampf dies erfordert!
  • Aktionstag „UMfairTEILEN“ am 29. September: Alle auf die Straße, in jeder Stadt! Bildet Vorbereitungskomitees!
  • Schluss mit dem Stillhalten der Gewerkschaftsführungen! Ernsthafte Mobilisierung, klassenkämpferische Opposition von unten!
  • Für eine europaweite Konferenz der Linken, Arbeiter_innen- und Jugend-Aktivist_innen zur Verstärkung des Kampfes gegen die Krise – beteiligt euch vom 08.-11. November an „Florenz 10+10“. Macht es mit uns zu einer europaweiten Aktionskonferenz unseres Widerstandes!



Post aus Athen – Griechenland am Scheideweg

Am morgigen Tag findet ein weiterer Generalstreik in Griechenland statt. Fast 20 Generalstreiks hat das Land seit Ausbruch der Krise 2007 gesehen – fast keine der elementaren Angriffe konnte bisher verhindert werden. Im Zusammenhang mit der sich zuspitzenden Lage und der aktuellen Solidaritätskampagne unserer Organisation veröffentlichen wir daher den Bericht unserer Genossin Sonja Spunk, den sie im August 2012 nach ihrem 3 wöchigen Aufenthalt in Athen verfasste.

Nirgendwo sonst fanden in Europa so heftige Klassenkämpfe statt wie in Griechenland in den letzten 3 Jahren – Stahlwerke und Krankenhäuser werden besetzt und unter Arbeiterkontrolle gestellt, ein Generalstreik folgt dem anderen, riesige Massendemonstrationen lassen die Straßen von Athen beben und brennen, es kommt zu brutalen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Protestierenden.

REVOLUTION organisiert Solidaritätsdelegationen nach Griechenland.

Doch diese Kämpfe nur zu heroisieren, Solidarität nur Kund zu tun, indem man Bilder auf Facebook teilt und im viel zu ruhigen Deutschland darauf zu warten, dass die Griechen das Ding schon schaukeln werden, hilft niemandem. Denn wenn man genauer hinsieht, entstanden diese Kämpfe nicht als eine spontane Idee von einigen Jugendlichen, die Lust auf Krawall hatten, sondern sie drücken den Willen der Unterdrückten in Griechenland aus, die seit Beginn der Krise 2008 immer weiter in Armut und Elend gedrängt werden. Der Wille nach einem Leben,dass nicht vom auf und ab der kapitalistischen Wirtschaft bestimmt ist, sondern nach einer Zukunft, die man selbst in die Hand nehmen kann.

Um einen Eindruck von den griechischen Lebensverhältnissen zu bekommen, mit Aktivisten zu sprechen, über unsere eigenen Vorschläge für Griechenlands Zukunft zu diskutieren und um an Aktionen teilzunehmen haben wir von REVOLUTION gemeinsam mit der Liga für die 5. Internationale Anfang Juli begonnen, Solidaritätsdelegation nach Athen zu schicken, die bis Ende August mit wechselnder Besetzung vor Ort sein werden. Was nun folgt, ist ein Bericht über die Eindrücke, die wir während unserer Zeit in Griechenland gewonnen haben, sowie die Schlüsse,die wir daraus ziehen.

Betrachtet man zu erst einmal das Stadtbild von Athen, und damit meinen wir nicht die touristischen Einkaufsmeilen oder die Akropolis, sondern die normalen Wohnbezirke, ist man doch erstaunt, wie groß das Gefälle des Lebensstandards innerhalb von Europa ist. Zerfallene Häuser reihen sich an geschlossene Geschäfte vor denen Bettler sitzen, die noch weniger haben als die erst kürzlich obdachlos gewordenen, die noch viel von dem Hausrat bei sich haben, der aus ihrer alten Wohnung stammt. Man muss auch nicht in den hintersten Winkel der Stadt gehen, um Drogenabhängige sich Heroin spritzen zu sehen, als Student der Polytechnischen Universität wird man von ihnen an der Eingangstür begrüßt.

Athen macht keinen Hehl daraus, heruntergekommen und von der Krise schwer getroffen zu sein, es wirkt fast so als wolle es allen, die hierherkommen, sagen: „So sieht Wettbewerb und Marktwirtschaft auf der Seite der Verlierer aus!“ Aber die Armut hat keineswegs den Nachgeschmack der Hoffnungslosigkeit oder der Ohnmacht der Gesellschaft, ganz im Gegenteil. Was aus diesen Zuständen erwächst ist Widerstand und Kampfgeist. Der Wille, für eine bessere Zukunft zu kämpfen, denn was hat man schon zu verlieren?

Tsipras: Held oder doch eher Heuchler?

SYRIZA, die größte linke Partei, die bei den letzten Wahlen beinahe die konservative Nea Demokratia vom Throne der Regierung geschubst hätte, gewann in den letzten Monaten viele Mitglieder und Sympathisanten. Ihre Forderung nach einem sozialen Griechenland der Arbeiter_innen, der Menschen und nicht des Kapitals, traf auf breite Unterstützung. Die fehlenden drei Prozent zum Wahlsieg, hätten kein Hindernis für SYRIZA sein sollen, um auch nach der Wahl den Kurs Richtung Antikapitalismus zu halten, gegen die neue Regierung zu mobilisieren und sich auf die Basisstrukturen zu stützen, die die griechische Bevölkerung aufgebaut hat, um sich selbst zu organisieren.

Stattdessen sieht SYRIZAs Parteivorsitzender Tsipras tatenlos zu, wie die Regierung neue Angriffspläne schmiedet, wie zum Beispiel das bereits durchgesetzte Sparpaket in Höhe von 11,5 Mrd. Euro, die durch geringere Renten und massenhafte Entlassungen zusammenkommen sollen oder der Plan eine 6-tägige Arbeitswoche einzuführen.

Antarsya, das kleine und radikalere linke Bündnis, eine Allianz aus 10 Gruppen, lag bei den letzten Wahlen zahlenmäßig unter einem Prozent. Auf der Straße scheinen sie jedoch bei sämtlichen Aktionen ganz vorne mit dabei zu sein. Ein Beispiel war die antifaschistische Demonstration in Nikea, einem stark migrantisch geprägten Viertel von Athen, das Mitte Juni von Faschisten und der Polizei pogromartig angegriffen wurde. Am 05. Juli fand dort eine Demonstration statt, bei der klar wurde, dass die Migrant_innen in Zukunft mit ausnahmslos allen Mitteln bereit seien, sich selbst und ihren Stadtteil zu verteidigen. Antarsya-Mitglieder waren dort zahlenmäßig gut vertreten und mobilisierten zu der Demonstration, jedoch gibt es auch von ihnen keinen entschlossenen Schritte in Richtung des Aufbaus gemeinsamer Selbstverteidigungsstrukturen für Migrant_innen und linker Aktivist_innen, die im Angesicht der immer stärker werdenden Faschist_innen  nun immer notwendiger werden.

Ebenso wenig Ruhm verdiente sich bisher die stalinistische KKE. So radikal manche ihrer Thesen auch sein mögen, reicht es doch nicht aus, sich in seinem Büro zu verschanzen und darauf zu warten, dass die revolutionären Massen von ganz alleine zu einem strömen. Sie lehnt gemeinsame Aktionen mit anderen Organisationen meist ab, organisiert nur eigene Demonstrationen und auch bei dem jährlich stattfindenden Antirassismus-Festival, bei dem diesen Sommer 30.000 Besucher teilnahmen, ließ sie sich nicht blicken. Als vermeintlich revolutionäre Kraft hätte sie die Pflicht – gerade unter dem Anbetracht, dass sie einen erheblichen Organisationsgrad unter der industriellen Arbeiterklasse besitzt – jeden Kampf mit aller Kraft zu unterstützen, um die Arbeiter_innen zum Sieg zu führen. Stattdessen versteckt sie sich und mobilisiert ihre Basis nur zu symbolischen Aktionen außerhalb der praktischen Bewegung. Nur um das theoretische Potential der KKE und wie sie damit umgeht, aufzuzeigen erinnern wir an den Streik der Stahlarbeiter in Chalivourgia. Beispielsweise schaffte sie es gemeinsam mit der ihr nahe stehenden Gewerkschaft „PAME“ innerhalb kürzester Zeit, eine Demonstration von 30.000 auf die Straße zu bringen, die gegen die Räumung des besetzten und seit 9 Monaten bestreikten Stahlwerks in Chalivourgia protestierten. Über eine Demonstration schienen die Führer jedoch nicht hinaus gehen zu wollen, weder Syntagma noch Omonia wurden besetzt, das Stahlwerk nicht zurückerobert.

Doch bei aller Kritik an den politischen Mängeln der einzelnen Organisationen – Wie erreicht man nun sein Ziel, wenn scheinbar keine Organisation genügend Durchschlagskraft besitzt?

Die griechische Arbeiterklasse darf sich weder von ihren falschen politischen Führern, noch von der herrschenden Klasse aufhalten lassen, will sie ihrem Elend ein Ende bereiten!

Schuld sind nicht die Mitglieder, die, wie manche behaupten, gar keine Lust hätten, die Regierung zu stürzen und die Macht in ihre Hand zu nehmen. Schuld tragen die Führungen dieser Organisationen, die sich manchmal nicht einmal ihres genauen Zieles, manchmal aber auch nur nicht dem Weg dorthin bewusst sind. Tsipras spricht nicht offen davon, eine Arbeiterregierung und eine Rätedemokratie in Griechenland zu erkämpfen. Es wüsste auch gar nicht wie, denn er setzt er auf den parlamentarischen Weg, auf seine Rolle als „verantwortungsvolle Opposition“. Seine Basis will aber sicherlich nicht bis zur nächsten
Wahl abwarten und alle Maßnahmen ertragen, die die neue Regierung zur Zufriedenheit der Bourgeoisie erlässt.

Was die Arbeiter_innen, die Jugend und andere Unterdrückte zum Erfolg, also zur Umsetzung ihrer Forderungen bringen würde, wären riesige Proteste, die sich auf alle Basiskomitees, Aktions- und Streikkomitees stützen würden. Ein unbefristeter Generalstreik, der die gesamte Wirtschaft zum Stillstand bringt und enormen Druck gegen die Herrschenden aufbaut – letztlich die Frage der Macht in der griechischen und europäischen Gesellschaft stellen würde – muss angekündigt werden. Alle linken Organisationen, Migrantenorganisationen, Jugendorganisationen, Arbeiter_innen und Arbeitslose müssten zusammen eine demokratisch gewählte Arbeiterregierung aufbauen, die der Bourgeoisie, der EU, Merkel & Co. die Stirn bieten kann. Sie müsste sich selbst verteidigen gegen die Polizei der Herrschenden, gegen das Militär und die Faschisten. Nur auf diesem Weg, durch die gemeinsame Aktion aller Unterdrückten kommt man dem Sieg gegen die Kapitalisten von Europa, die Griechenland unter ihrer Führung behalten wollen, einen Schritt näher.

Griechenland ist der beste Beweis, dass man im Parlament keinen Kapitalismus reformieren kann, dessen einziges Ziel es ist, die Wirtschaft und die Gesellschaft und die Kontrolle der Besitzenden zu stellen, während die Arbeiter_innen den eigentlichen gesellschaftlichen Reichtum produzieren. Die Mehrheit der Bevölkerung will keine Sparmaßnahmen diktiert bekommen, aber im Parlament scheint das niemanden zu interessieren. Schon das allein zeigt, wie demokratisch dieses Parlament, das über dem Syntagma Platz erhebt, wirklich ist.

Doch kann man die Griech_innen nicht alleine kämpfen lassen, denn auch ein noch so sozialistisches Griechenland wäre in Europa vollkommen von der Wirtschaft isoliert und würde in kürzester Zeit zusammenbrechen, bliebe es isoliert. Deshalb müssen alle europäischen Arbeiter_innen gegen ihre bürgerlichen Regierungen kämpfen, um Solidarität organisieren zu können und überhaupt Handelsbeziehungen mit Griechenland aufrecht erhalten können. Diese Kämpfe müssen international koordiniert werden, von Gewerkschaften, von Jugendorganisationen, von Arbeiterparteien in einer neuen, fünften Internationale Seite an Seite mit einer revolutionären Jugendinternationale!

Ein Artikel von Sonja Spunk, REVOLUTION Ulaan Bataar




Ausgrenzung und Befreiung in Saudi Arabien

Das Saudi-Arabische Regime hat Pläne bekannt gegeben, nach denen industrielle Zonen nur für Frauen geschaffen werden sollen, dies wird die strikte Trennung von Männern und Frauen in dem Land noch weiter verfestigen.

 

In Saudi-Arabien gibt es bereits getrennte Schulen, Universitäten, Büros, Restaurants und Eingänge zu öffentlichen Gebäuden. Frauen wird der Führerschein verweigert und sie dürfen das Haus nur in Begleitung eines männlichen Verwandten verlassen.

Gewaltsame Unterdrückung gegen Frauen, die den extrem repressiven Gesetzen in Saudi Arabien nicht folgen, ist alltäglich

Bei solch strengen Gesetzen, die bestimmen, welche Kleidung Frauen tragen dürfen, was sie tun und wohin sie gehen dürfen, ist es kein Wunder, dass nur 15% der Arbeitenden weiblich sind – obwohl 60% der Hochschulabsolvent_innen Frauen sind. Von diesen Akademikerinnen sind 78% arbeitslos – der herschende Familienclan weiß, dass dies soziale Unruhen auslösen kann.

Klingt diese extreme Ausgrenzung nicht bekannt? Durch die „Jim Crow“ Gesetze im Süden der USA gab es massive rassistische Ausgrenzung und getrennte Einrichtungen für Weiße und Schwarze unter der Floskel „Getrennt aber Gleich“. In Wahrheit waren die Einrichtungen alles andere als gleich.

Durch die Einführung von „Nur-Frauen“ Arbeitsplätzen, welche die gesellschaftliche Spaltung nur noch vergrößert, wird nichts gegen die fundamental sexistische Basis dieser Geselllschaft getan.

Diese Arbeitszonen werden nur das Recht der Männer, nämlich das Leben der Frau zu diktieren, verfestigen und gleichzeitig die Stellung der Frauen als massiv unterdrückte gesellschaftliche Schicht beibehalten.

Ähnlich wie in den 60ern in den USA müssen die saudischen Frauen Widerstand leisten gegen die Pläne, nach denen sie in Arbeitsghettos zusammengedrängt werden sollen. Sie müssen dabei von einer internationalen Solidaritäts-Bewegung unterstützt werden. Sie sollten die Gleichstellung vor dem Gesetz, das Recht auf gleiche Arbeit und das Recht auf Führungspositionen fordern.

Eine solche Bewegung aufzubauen wird keine einfache oder schnelle Aufgabe sein – trotzdem ist es unbedingt notwendig. Die Proteste während des „Arabischen Frühlings“ haben die Möglichkeit für Widerstand in der Saudi Arabischen Gesellschaft bewiesen. Der jetzige Versuch, die Geschlechtertrennung weitergehend gesetzlich zu legitimieren könnte ein Auslöser für weitere Proteste sein.

Nicht nur die Aufstände in Ägypten haben gezeigt, dass Frauen oftmals in den ersten Reihen der Revolution stehen.

Seltsamerweise sind die USA bei diesem Thema still. Der sogenannte globale Verteidiger der Freiheit ist Saudi Arabiens stärkster Verbündeter und leistet dem Regime jedes Jahr milliardenschwere Rüstungshilfe. Diese Hilfe wurde erst vor kurzem dazu genutzt den Aufstand im benachbarten Bahrain brutal niederzuschlagen – die saudische Regierung wird auch nicht davor zurückschrecken, ihre Waffen gegen die eigene Bevölkerung zu richten.

Doch die Frauen in Saudi-Arabien fürchten keine Waffen oder Bomben, wenn ihr Leben onehin in jedem Bereich von dem reaktionären Regime eingeschränkt wird. Sie werden sich von den Frauen aus Ägypten und Tunesien inspirieren lassen, die in der ersten Reihe ihrer eigenen demokratischen Revolution standen. Die einzig fortschrittliche Lösung ist ein Kampf zur Gleichstellung aller Geschlechter. Dieses Ziel ist untrennbar verbunden mit dem Sturz der saudischen Monarchie und deren Ersetzung durch eine auf Räte der Arbeitenden- und Landbefölkerung gestützte Demokratie, in der die Produtionsmittel der Mehrheit derGesellschaft gehören und von dieser verwaltet werden. Dieser revolutionäre Kampf muss von Frauen ausgehen oder er wird nicht beginnen.

Ein Übersetzung des Artikels „Segregation and Liberation  in Saudi Arabia“ von unserer Schwestersektion in Großbritannien




Athen, Berlin, Madrid – gemeinsam gegen Sparpolitik

„Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ sagte Karl Liebknecht Anfang des 20. Jahrhunderts. Heute, wo die herrschenden Klassen versuchen die Arbeiter und Jugendlichen Europas untereinander auszuspielen ist der Satz aktueller denn je. Unsere Waffe dagegen: die revolutionäre internationale Solidarität!

Zum 15. und 25. September 2012 mobilisieren die spanischen Gewerkschaften und Teile der 15-M-Bewegung zu einem „Marsch auf Madrid“. Sie protestieren damit gegen die massive Sparpolitik der Troika aus EU, EZB und IWF. Diese sieht enorme Einschnitte bei Löhnen der öffentlich Beschäftigten, eine Verschlechterung des Arbeits- und Sozialrechts und eine Privatisierung der Altersvorsorge vor. Damit droht Spanien das „zweite Griechenland“ zu werden.

Auch in Griechenland werden die Spardiktate gegen die lohnabhängige Bevölkerung mit immer größerem Druck vorangetrieben. So sind weitere Kürzungen auf Kosten der Rentner geplant. Offen wird über die Einführung von „Wirtschaftssonderzonen“ diskutiert. In diesen gibt es keine gewerkschaftlichen und tarifvertraglichen Rechte. Dafür brauchen die hier angesiedelten Unternehmen kaum Steuern zahlen. Hinter der Troika steht vor allem Deutschland. Die BRD nutzt die jetzige Krise dazu, auf Kosten der Werktätigen anderer EU-Staaten die internationale Wettbewerbsfähigkeit ihrer eigenen Banken und Konzerne zu verbessern. Dabei kümmert es sie nicht, dass die Situation in Griechenland und in Spanien längst die Kriterien einer humanitären Katastrophe erfüllt (Arbeitslosigkeit in beiden Ländern um die 25 %, Jugendarbeitslosigkeit über 50 %, Zunahme von Obdachlosigkeit, Selbstmorden und Armutsprostitution). Besonders die schwarz-gelbe Koalition macht fortwährend mehr Druck für neue Kürzungswellen, fordert offen „Exempel zu statuieren“ und verschärft rassistische Töne gegen die „faulen Südländer“.

Derweil wächst in Griechenland die faschistische Gefahr. Im Aufwind der herrschenden Propaganda gegen Immigranten und andere „Sozialschmarotzern“ machen Faschisten der Partei „Goldene Morgenröte“ Jagd auf die sozial Schwächsten. Die griechische Regierung begleitet diesen Kurs, indem sie Tausende von Migranten in Internierungslager steckt. Gegen diese sozialen Angriffe wächst auch in Griechenland und Spanien der Widerstand.

Es ist längst überfällig, etwas dagegen zu tun! Griechenland und Spanien sind die Experimentierfelder für neoliberale Krisenlösungen, die früher oder später auch hier in Deutschland eingeführt werden. Bereits jetzt leben 6 Mio. Menschen in Deutschland mit einem Existenzminimum am Rand der Gesellschaft. Allein die jetzige Solidarität und der gemeinsame Kampf mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Griechenland und Spanien und europaweit kann eine verschärfte Attacke auf die sozialen Errungenschaften in Deutschland verhindern. Wir brauchen eine starke Protestbewegung, die sich den Plänen der Banker, Konzernchefs und deren Politiker zur Abwälzung der Krisenkosten auf die arbeitende Bevölkerung in Europa entgegenstellen. Die Wirtschaftskrise ist genauso international, wie der brutale soziale Kahlschlag der herrschenden Konzerne und Banken und ihrer Regierungen. Höchste Zeit, dass wir, die lohnabhängige Bevölkerung, Jugend und Rentner, uns international zur Wehr setzen. Deshalb versammeln wir uns am 25. September auch in Berlin.

  • Rücknahme und Stopp aller Spardiktate!
  • Für einen drastischen Schuldenschnitt zugunsten Griechenlands und Spaniens!
  • Massive Besteuerung der Superreichen!

 

Aufruf des Griechenland-Solidaritäts-Komitees Berlin

Weitere UnterstützerInnen sind: Real Democracy Now! Berlin/Griechenland, 15M Berlin, DIE LINKE. Berlin, Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband (DIE LINKE. SDS), Antifaschistisch-Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB), Sozialistische Initiative Berlin (SIB), Sozialistische Alternative Voran (SAV), Internationale Sozialistische Linke (isl), Revolutionär-Sozialistischer Bund (RSB/ IV: Internationale), Gruppe Arbeitermacht (GAM), Revolution, Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO), Gruppe soziale Kämpfe (GsK), ATTAC Berlin

Wir weisen darauf hin, dass eine Minderheit aus REVOLUTION, Gruppe Arbeitermacht und RIO in dem Bündnis für eine weitere Forderung – die Verstaatlichung der Banken und großen Konzerne unter Arbeiterkontrolle – eintraten, die jedoch von der Mehrheit des Bündnis als gemeinsame Forderung abgelehnt wurde.




Interview mit Syrer – "Warum ich mich dem Aufstand anschloss."

Wir veröffentlichen hier ein Interview mit „Muhamed“, Mitglied der Freien Syrischen Armee, das am 11. September an der türkisch-syrischen Grenze von unserem Genossen Reimund Fleck (Gruppe Arbeitermacht, deutsche Sektion der LFI und REVOLUTION – internationale kommunistische Jugendorganisation) geführt wurde.

Reimund Fleck: Wie kam es, dass Du dich dem Aufstand gegen das Regime von Baschar al-Assad angeschlossen hast?

Patient stirbt nachdem die syrische Armee ein Krankenhaus blockiert.

Muhamed: Ich war als Militärarzt der Assad-Armee in einem Lazarett in Homs stationiert. Was ich dort gesehen habe, hat mich dazu gebracht, zu desertieren und mich der FSA anzuschließen. Ich habe viele tote Zivilisten gesehen, und sogar die Leichen wurden unwürdig behandelt. Ich habe gesehen, wie ungefähr 100 Leichen zu einem Haufen aufgetürmt wurden. Diese Armee behandelt unsere Leute wie Tiere – ich konnte nicht mehr daran glauben, dass es eine gute Armee ist. In meinem Krankenhaus waren Gefangene, die gegen die Regierung demonstriert hatten – sie wurden an ihre Betten gefesselt, die Krankenschwestern traten sie mit Stiefeln und folterten sie, anstatt sie zu versorgen. Sie durften nicht einmal zur Toilette gehen. In meiner Stadt habe ich viele friedliche Demonstrationen gesehen.

Sie riefen: „Wir wollen Assad nicht, wir wollen Freiheit“. Dafür wurde auf die Demonstranten geschossen. Auch einer meiner Freunde wurde erschossen, nur weil er auf die Straße gegangen war und „Weg mit Assad“ forderte. Ich wollte nicht mehr an der Seite derer stehen, die meine Leute ermorden, mein Gewissen konnte das nicht mehr ertragen. So habe ich beschlossen, zu desertieren.

Reimund Fleck: Warum setzt man das eigene Leben aufs Spiel, um einen Aufstand zu unterstützen, dessen Sieg nicht sicher ist?

Muhamed: Bei der Armee war ich ja auch in Gefahr. Bei einem Angriff der FSA hätte ich auch ums Leben kommen können. Ich hätte nicht das Feuer erwidert, denn ich wusste, dass sie meine Leute sind. Dann wäre ich aber von meinem Kommandeur erschossen worden. Das Risiko ist also auf beiden Seiten dasselbe – es macht keinen Unterschied. Aber ich denke, es ist besser zu desertieren. Ich habe jetzt ein gutes Gefühl, das ist wichtig, auch wenn ich in Gefahr bin. Es ist egal, wenn ich sterbe. Jetzt unterstütze ich die Freie Syrische Armee mit dem, was ich kann. Ich bin im Sanitätsdienst und kümmere mich um die Verwundeten und um die Flüchtlinge.

Reimund Fleck: Was sind die wichtigsten Ziele der Revolution?

Muhamed: Ich denke, Demokratie ist die wichtigste Forderung in unserem Kampf. Ich möchte meine Meinung sagen können, ohne mich in Gefahr zu begeben, zum Beispiel ob ich für den Präsidenten bin oder nicht. Seit 50 Jahren haben wir keine freien Wahlen mehr gehabt. Wenn Du gegen Assad stimmst, bist Du in Gefahr, glaub mir. Wir wollen selbst unseren Präsidenten bestimmen können und keine Sklaven für den Präsidenten sein. Es ist also eine Art „französische“ Revolution.

Reimund Fleck: Erschöpft sich die Revolution im Kampf für demokratische Freiheit? Was ist mit der sozialen Situation?

 

Die beste Hilfe für die syrische Revolution ist die Unterstützung durch die Gewerkschaften, die sozialen Bewegungen und Arbeiterorganisationen mit Nahrungsmitteln, Medizin und Waffen – unabhängig von den Imperialisten!

Muhamed: In Syrien leben 80 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Es ist sehr schwer, genügend, Nahrung zu bekommen. Die Leute schuften den ganzen Tag, um ihren Familien etwas zu Essen mitbringen zu können. Der Grund ist, dass Baschar die Erlöse aus Öl und Landwirtschaft einsteckt und nichts für die Bevölkerung übrig lässt. Es ist also auch eine wirtschaftliche Frage. Wir brauchen eine starke Wirtschaft, um die Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllen zu können.

Reimund Fleck:  Es gibt Stimmen, die militärische Hilfe vom Westen oder Lieferung von Ausrüstung befürworten, andere befürchten, diese Länder würden dann über die Zukunft Syriens entscheiden. Was denkst Du?

Muhamed: Bei manchen Gütern brauchen wir unbedingt Unterstützung von außen. Im Moment gibt es aber keinerlei derartige Unterstützung. Die Medien sagen, der Westen schicke uns Waffen, aber das ist falsch. Die Freie Syrische Armee erbeutet ihre Waffen bei Angriffen auf Assads Armee. In den Flüchtlingslagern haben wir nicht genügend Nahrungsmittel. 7.000 Flüchtlinge warten an der Grenze zur Türkei, sie werden nicht hereingelassen. Wo bleiben die angeblichen Hilfslieferungen? Waffenlieferungen brauchen wir nicht. Wir brauchen Nahrung und Medikamente, und bis jetzt kommt nichts an. Hilfslieferungen gibt es nur in den Medien.

Reimund Fleck:  In Europa gibt es viele, die in der Revolution keinen legitimen Volksaufstand sehen. Sie behaupten, es sei in Wirklichkeit eine Verschwörung westlicher Länder, die den Nahen Osten ins Chaos stürzen wollen. Was würdest Du antworten?

„Nieder mit dem Regime“ – steht auf den Händen eines jungen Mädchens, das gegen Assads Diktatur demonstriert.

Muhamed: Verzeih mir diese Antwort – es ist einfach dumm, zu bestreiten, dass diese Revolution von der syrischen Bevölkerung ausgeht. Was würdest Du tun, wenn deine Eltern getötet werden? Du würdest Dich der Revolution anschließen, weil Du den Terror beenden und Freiheit haben möchtest. Lass mich den Anfang der Revolution erzählen. Die Revolution hat ihren Anfang in Daraa genommen. Neun Kinder waren festgenommen worden, sie wurden gefoltert. Hamza Ali Al-Khabeer wurde getötet. Als die Leute daraufhin zur Polizeistation gingen, wurden auch sie verprügelt. Die Polizei sagte zu ihnen: „Haut ab, sonst holen wir auch noch eure Frauen.“ Das war der Auslöser dieser Revolution. Seit 50 Jahren leben wir in Angst und Unterdrückung. Man musste nur den Deckel anheben, um eine Explosion auszulösen. Genau das ist die Revolution. Es stecken nicht die Geheimdienste dahinter.

Reimund Fleck:  Manche Leute meinen, es handle sich um einen „Religionskrieg“.

Muhamed: Selbst wenn das der Fall wäre, so würde einzig und allein Baschar Al-Assad die Schuld dafür tragen. Die Alawiten waren 30 Jahre lang unsere Brüder und Schwestern. Aber seit Beginn des Aufstandes gibt Baschar ihnen Geld, damit sie uns töten – und sie tun es. Sie bekommen auch Häuser dafür, und die Einrichtungen, die er von uns geraubt hat. Dafür töten sie uns. Aber wenn die Revolution gesiegt hat, würde ich sie verschonen, denn unser ursprüngliches Verhältnis war von Toleranz geprägt – wir leben im selben Land. Ich hoffe nur, dass sie aufhören, uns zu massakrieren. In Wirklichkeit ist Baschar Al-Assad nicht nur unser Feind, er ist ebenso ihr Feind – denn eines Tages wird Assad sich in ein Flugzeug nach Russland setzen und sie unter uns zurücklassen.

Reimund Fleck:  Was wird deiner Einschätzung nach auf Assads Sturz folgen?

Muhamed: Meine große Angst ist, dass es einen Bürgerkrieg geben könnte. Aber man sieht, dass in dieser Revolution die Menschen auch zusammenrücken. Das ist der Fall in Aleppo und auch in Damaskus. Ich glaube nicht, dass es einen solchen Bürgerkrieg geben wird. Ich denke wir sollten eine demokratische Regierung haben, vielleicht eine islamische wie in Ägypten. Aber hierzu muss ich sagen: wirkliche Muslime töten sich nicht gegenseitig, wie es Al-Quaida tut. Das Bild über den Islam ist völlig entstellt. Glaub mir, wir sind nicht so, wie die Medien uns darstellen. Wirkliche Muslime sind sehr gastfreundlich. Wenn Du nach Syrien gehst, sind die Menschen dort bereit, ihr eigenes Leben zu riskieren, um Deines zu schützen – ob Du Christ bist oder was auch immer. Die Menschen aller Religionen sind unsere Brüder und Schwestern. Auch Baschar ist Muslim – aber nur in Worten, in Wahrheit tötet er uns. Das eigentliche Problem ist also nicht die Religion, sondern was man daraus macht.

Reimund Fleck:  Was sollten UnterstützerInnen in anderen Ländern tun, um euch zu helfen?

Muhamed: Ihr müsst es einfach selbst anpacken, wir haben hier nicht einmal die Zeit, darüber nachzudenken. Wer wirklich helfen möchte, wird einen Weg finden. Ihr solltet große Massenproteste organisieren und internationale Unterstützung für die Revolution. Die Revolution ist dem Sieg nun ziemlich nah. Baschar Al-Assad wird sich bald aus dem Staub machen. Was die FSA jetzt braucht, sind Luftabwehrraketen, das ist alles. Wir haben den Boden unter Kontrolle, aber Assad kontrolliert den Luftraum. Wenn wir die Flugzeuge vom Himmel holen, haben wir den Sieg.

Reimund Fleck:  Bekommt ihr Unterstützung aus Libyen oder Ägypten?

Muhamed: Ein paar Kämpfer sind aus diesen Ländern zu uns gekommen, aber sehr wenige, vielleicht 200. Aus Saudi-Arabien und Katar bekommen wir finanzielle Unterstützung, das ist sehr gut. Wir sind ihnen dafür dankbar.

Reimund Fleck:  Wie ist jetzt im Moment die Lage in Syrien?

Muhamed: Wir brauchen dringend Hilfe, und zwar jetzt! Die ganze Welt ist gegen uns – Russland, China und Iran, ebenso Libanon. Sie sind alle gegen uns. Dann gibt es die USA und Europa – sie sehen zu und tun überhaupt nichts. Für mich ist auch das ein Verbrechen. Sie könnten unserem Leiden ein Ende setzen, aber sie tun es nicht. Die Türkei hat ihre Grenzen dichtgemacht und will uns alle rauswerfen. Unsere Situation ist also wirklich miserabel.

Reimund Fleck: Vielen Dank für das Interview. Ihr habt unsere volle Unterstützung und wir wünschen euch einen vollständigen Sieg über Baschar Al-Assad.

Ausführliche Darstellung der Positionen von REVOLUTION zum Bürgerkrieg in Syrien unter anderem in den Artikeln Nieder mit Assad – Sieg der Free Syrian Army, Aufstand in Syrien: Nieder mit dem Assad Clan! Solidarität mit der Revolution, Für „Freiheit und Demokratie“ in Syrien – und weiter?