Offener Brief an die Klimabewegung in Deutschland

Erstunterzeichnende/First signatories

Organisationen/Organisations:

REVOLUTION Germany, palestine speaks, pa_allies, MigrAntifa Braunschweig, Jüdische stimme für gerechten Frieden im nahen Osten, Ende Gelände Düsseldorf, FightforFalastin, Gruppe ArbeiterInnenmacht

Einzelpersonen/Persons:

Betül Çınar, Hasan Özbay(@migrantischewut), Georg Ismael, Ela Sommer 

Hier könnt ihr auch unterzeichnen:

https://docs.google.com/document/d/1OLa9YQBTulQA-AdZz8QPC7QaxaLKqkbVmUgTxcQzU54/

-english below-

Offener Brief an die Klimabewegung in Deutschland

Liebe deutsche Klimabewegung,

hiermit distanzieren wir uns von Fridays for Future Deutschland. Unter dem Deckmantel einer Stellungnahme gegen Antisemitismus hat FFF-Deutschland in den vergangenen Wochen mehrmalsdie Sache eines gemeinsamen, globalen Kampfes gegen die Klimakrise und für Gerechtigkeit & Freiheit verraten. Sie brechen dadurch nicht nur das Vertrauen der anderen FFF-Sektionen, die sich seit dessen Beginn gegen einen genozidalen Krieg in Gaza gestellt haben. Sie lassen auch herzlos die Menschen Palästinas im Stich und damit nicht nur von Krieg und Besatzung, sondern auch von der Klimakrise „most affected people and areas“. Wir sind der Meinung, dass Klima-Aktivismus ohne Internationalismus nicht funktionieren kann! Imperialistische Länder wie Deutschland oder USA exportieren Klimaschäden in die Länder des Globalen Südens, die in künstlicher Abhängigkeit gehalten werden. Dies geschieht z.B. indem besonders umweltschädigende Abschnitte von Produktionsketten in diese Länder verlegt werden oder indem direkt Müll und giftige Abfälle dort abgeladen werden. Es sind auch diejenigen, die am härtesten durch Dürren und Überschwemmungen, das Artensterben oder den steigenden Meeresspiegel bedroht sind, während ihnen die Mittel, sich dagegen zu schützen, verwehrt bleiben. Die Antwort darauf kann nur in einer internationalen Bewegung bestehen. Wir dürfen nicht auf die Taschenspielertricks der deutschen Regierung reinfallen, wenn sie uns ihren Green New Deal verkaufen wollen. Und genauso wenig, wenn sie über das „Selbstverteidigungsrechts Israels“ reden, es in Wirklichkeit jedoch nur um geopolitische und wirtschaftliche Interessen geht. FFF International veröffentlichte schon im Oktober ein Statement, in welchem sie sich solidarisch mit dem palästinensischen Kampf, dem Widerstand, der Befreiung und der Selbstverteidigung erklären. Sie schreiben sehr deutlich, dass sie im Angesicht von Aggression, Genozid und Faschismus nicht neutral bleiben können. Sie benennen die Besatzung als Resultat eines kolonialen Prozesses, angestoßen durch die westlichen Imperialmächte, damit diese ihre geopolitischen Interessen umzusetzen. FFF international schreibt deutlich, dass sie nicht schweigen werden, während die westlichen Mächte den Genozid in Palästina beklatschen. Wir unterstützen dieses klare Statement der internationalen Strukturen und lehnen die Position des deutschen Verbands und die unfundierte und politisch nicht begründete Abgrenzung von den internationalen Strukturen ganz klar ab. Außerdem solidarisieren wir uns mit dem Aktivisten Hasan, der für die Internationalen Statements verantwortlich gemacht wurde und dann von diesen Medien angegriffen wurde. Diese Hetzkampagne unterstützt Fridays for Future Deutschland. Wir sehen, wie FFF Deutschland Hand in Hand mit dem Deutschen Staat für Israel kämpft.

Nachdem FFF Deutschland schon seit Jahren linke oder antikapitalistische Kräfte systematisch aus der Bewegung drängt, zeigen sie mit diesen Statements erneut, dass antikapitalistische und antiimperialistische Positionen in dieser Bewegung nicht zur Diskussion stehen. Die Nutzlosigkeit von fünf Jahren Appellen an die Politik und das Nachlassen der Mobilisierungen in Folge dessen führen offenbar nicht zu einem radikalen Bruch mit dem deutschen Klimaimperialismus, sondern zu fortgesetzter Anbiederung an Grüne &Co.

Wir rufen alle linken Kräfte in der Klimabewegung, die dieser Kritik zustimmen, auf, den offenen Brief

zu unterstützen und zu teilen. Tretet mit uns in Kontakt und lasst uns gemeinsam in Diskussion treten, wie die Klimabewegung mit antikolonialen Kämpfen weltweit verbunden werden kann und wie wir vom Kuschelkurs mit dem Grünen Kapitalismus hin zu einem vereinten Kampf für Klimagerechtigkeit und Befreiung international kommen.

Dafür wollen wir uns schon am 24.02.24 um 10 Uhr in Berlin treffen, um darüber gemeinsam zu diskutieren und uns zu vernetzen! Wenn ihr kommen wollt, gebt uns Bescheid. 

Wann: 24.02.24 // 10 Uhr 

Wo: Rungestr. 20, 10179 Berlin

Brief unterschreiben?! Hier.

Open letter to the climate movement in Germany

Dear German climate movement,

We hereby distance ourselves from Fridays for Future Germany. Under the guise of a statement against antisemitism FFF Germany has repeatedly betrayed the cause of a common, global fight against the climate crisis and for justice & freedom. In doing so, they are not only breaking the trust of the other FFF sections, which have fought against a genocidal war in Gaza since its inception. They also heartlessly abandon the Palestinian people and thus not only the people most affected by war and occupation, but also the people most affected by the climate crisis.

We are of the opinion that climate activism cannot work without internationalism!

Imperialist countries like Germany or the USA export climate damage to the countries of the Global South, which are kept in artificial dependency. This happens, for example, by transferring particularly environmentally damaging sections of production to these countries or by dumping waste and toxic waste there directly. It is also these countries which are hit hardest by droughts and floods, the extinction of species or rising sea sea levels, while at the same time they are denied the means to protect themselves against these catastrophes. The answer to this can only be an international movement. We must not fall for the not fall for the sleight of hand of the German government when they try to sell us their Green New Deal. And just as little when they talk about Israel’s „right to self-defense“, while in reality it’s all about geopolitical and economic interests. FFF International published a statement back in October in which it expressed its solidarity with the Palestinian struggle, resistance, liberation and self-defense. They write very clearly that they cannot remain neutral in the face of aggression, genocide and fascism. They name the occupation as the result of a colonial process, initiated by the Western imperial powers to realize their geopolitical interests. FFF international writes clearly that they will not remain silent while the Western powers applaud the genocide in Palestine.

We support this clear statement by the international structures and reject the position and the politically unfounded distancing from the international structures by FFF Germany. We also show our solidarity with the activist Hasan, who was made responsible for the international statements by the German media and was then attacked by this same media. A smear campaign is supported by Fridays for Future Germany. We see how FFF Germany fights hand in hand with the German state for Israel.

FFF Germany has been systematically pushing left-wing or anti-capitalist forces out of the movement for years. They show once again with these statements that anti-capitalist and anti-imperialist positions are not up for discussion in this movement. The uselessness of five years of appeals to politicians and the decline in mobilizations as a result of this are obviously not leading to a radical break with German climate imperialism, but to continued pandering to the Greens etc.

We call on all left forces in the climate movement who agree with this criticism to support and share the open letter. Get in touch with us and let’s get together to discuss how the climate movement can be linked to anti-colonial struggles worldwide and how we can move from cuddling up to green capitalism to a united struggle for climate justice and liberation internationally.

For this we want to meet on February 24th at 10am in Berlin to discuss this together and to network! If you want to come, let us know. 

When: 24.02.24 // 10:00

Where: Rungestr. 20, 10179 Berlin

Wanna sign the letter? Here.




10 Forderungen für den palästinensischen Befreiungskampf

Dezember 2023

Seit dem 7. Oktober findet ein erbarmungsloser Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung statt. Gefangen in einem Freiluftgefängnis haben die Bewohner_innen keine Möglichkeiten zur Flucht vor dem Tod durch Bomben oder die Bodentruppen der IDF. Israels Regierung stellt diesen Staatsterror kaum widersprochen als Akt der „Selbstverteidigung“ dar. Dabei sind sie nicht die einzigen, die mit Rassismus und Nationalismus die Bevölkerung hinter sich vereinen. Auch in imperialistischen Ländern wie Deutschland wird jegliche Palästina-Solidarität kriminalisiert und unter dem Vorwand des Kampfes gegen Antisemitismus findet eine zutiefst rassistische Politik statt, in welcher Migrant_innen als die Übeltäter gelten. Wir möchten hiermit 10 Forderungen aufstellen, die wir zum einen in Palästina und dann in Deutschland diesen Verhältnissen entgegensetzen.

In Palästina: 

1. Sofortiges Ende der brutalen und kriegsverbrecherischen Angriffe auf Gaza! Aufhebung der Blockade! Abzug aller Truppen der IDF aus Gaza und Westbank! Für die Freilassung aller Gefangenen! 

Nach der kurzen Waffenruhe, gehen die Angriffe in unverminderter Härte weiter und die IDF unter der Führung einer ultrarechten Regierung haben keine Probleme damit, abertausende Zivilist_innen zu ermorden und die dort lebende Bevölkerung als Tiere zu bezeichnen. Das sofortige Ende der brutalen und kriegsverbrecherischen Angriffe auf Gaza ist dabei mehr als die Forderung nach einer erneuten Waffenruhe! Eine unbefristete Waffenruhe und ein Durchlassen der Hilfslieferungen sind in der aktuellen Situation überlebensnotwendig für die Bevölkerung, jedoch beendet dies nicht Besatzung, sondern bedeutet, dass die jetzigen Konflikte eingefroren werden. Was wir zudem nicht fordern, ist die Demilitarisierung der Palästinenser_innen, denn das Recht aufSelbstverteidigung und der Kampf nach Freiheit muss auch militant durchgesetzt werden. Alle Truppen der IDF müssen Gaza sowie die Westbank verlassen, sie sind unterdrückerische Truppen, die die Herrschaft des Staate Israels mit allen Mitteln durchsetzen. Der Abzug der IDF sowie die Forderung nach einem sofortigen Ende des Mordens müssen bedingungslos durchgesetzt werden! Wir stehen ein für die Freilassung der Gefangenen. Ca. 4500 Palästinenser_innen, darunter viele Kinder und Jugendliche, waren schon vor dem 7.10. in israelischen Gefängnissen. Seitdem wurden weitere 4-5000 verhaftet, die auf israelischem Staatsgebiet gearbeitet hatten. Freigekommene berichten in den meisten Fällen über Misshandlungen und Folter.

2. Für das Recht der israelischen Soldat_innen sich zu weigern, in Gaza und Westbank zu kämpfen. Löst die bürgerliche Armee und die Polizei auf und bildet demokratische Arbeiter_innenmilizen, die sich dem palästinensischen Widerstand anschließen! 

Wie wir es in Gaza zur Zeit sehen, haben die palästinensischen Streitkräfte allein wenige Chancen, sich gegen das von USA und BRD hochgerüstete Militär Israels zu verteidigen. Daher ist es unabdingbar, auch innerhalb der israelischen Gesellschaft nach Verbündeten zu suchen. Wir wissen, dass aktuell die israelische Bevölkerung mehrheitlich vereint für den Krieg gegen die Palästinenser_innen steht. Dieser Umstand liegt allerdings nicht nur an der reaktionären und kriegstreiberischen Rhetorik der Regierung und an der engen ideologischen Bindung der israelischen Bevölkerung an den Zionismus, die historisch auch durch diemateriellen Vorteile aus der Besatzung entstanden ist. Sondern zudem an dem harten Vorgehen gegen all jene Menschen, die nur ansatzweise gegen diese vorherrschende Meinung stehen. Umso wichtiger ist es daher, die wenigen Kriegsdienstverweigernden und Antizionist_innen in Israel zu unterstützen. Der Aufbau einer antizionistischen Opposition in Israel ist notwendige Voraussetzung für eine Abschaffung von Militär und Polizei und für die Befreiung der israelischen Arbeiter_innenklasse. Wir sehen schon heute in kleinen Teilen wie antizionistische Juden und Jüdinnen weltweit die Proteste mit antreiben und unterstützen. In Israel ist es Aufgabe von Fortschrittlichen und Revolutionär_innen sich von den prozionistischen und staatstragenden Organen wie der gelben Gewerkschaft Histadrut zu lösen, diese durch eine gemeinsame Organisierung mit ihren palästinensischen Geschwistern zu ersetzen und offen aufzuzeigen, dass der Krieg nicht in dem Interesse der israelischen Arbeiter_innen sondern dem der Herrschenden liegt, wie es zum Beispiel lange wichtiger zu sein schien, die Vernichtung der Palästinenser_innen voranzutreiben, als die Befreiung der Geiseln durchzusetzen. Der Klassenkampf, wie er sich zuletzt auch in den Protesten gegen die Justizreform geäußert hatte, darf nicht zurückgestellt werden zu Gunsten der vermeintlichen „Vaterlandsverteidigung“. 

3. Nieder mit der Apartheidsmauer und allen Freiheitsbeschränkungen für Palästinenser_innen. Für die völlige rechtliche Gleichstellung aller Einwohner_innen zwischen Mittelmeer und Jordan! Verstaatlichung allen Landbesitzes und Gewährung des Rückkehrrechts aller Palästinenser_innen weltweit. 

Palästinenser_innen sind Menschen dritter Klasse in Israel, sie sind billige Arbeitskräfte, nicht gleichgestellt vor dem Gesetz und werden systematisch in sozialen wie in ökonomischen Bereichen ihres Lebens unterdrückt. Israelische Institutionen, staatliche oder nicht-staatliche, entscheiden über Häuserbau, Wohnungen und in Gaza über Strom, Wasser, Rohstoffe. Checkpoints, stundenlange Kontrollen, Hausdurchsuchungen, Razzien oder Verhaftung stehen an der Tagesordnung, wenn man Palästinenser_in ist. Darum muss die Apartheidsmauer niedergerissen werden und alle Freiheitsbeschränkungen müssenaufgehoben werden. Wir fordern die völlige Gleichstellung aller Menschen vor Ort und das Recht auf Rückkehr aller vertriebenen Palästinenser_innen. Grundlage dafür ist das vergesellschaftete Eigentum an Produktionsmitteln, Grundstücken, Fabriken, Büros und ebenso die gleichberechtigten Bereitstellung von Gesundheit, Bildung und Wohnen, koordiniert durch einen demokratischen Plan. Deshalb kämpfen wir für eine sozialistische Lösung, die auf dem gemeinsamen Besitz des Landes und aller wichtigen Produktionsmittel basiert. 

4. Für ein vereinigtes säkulares, sozialistisches Palästina, mit Gleichheit für alle seine Bürger_Innen, israelische wie palästinensische, als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens.  Für einen neuen arabischen Frühling!

Die Befreiung des palästinensischen Volkes und die Freiheit der Völker des Nahen Ostens von westlicher Herrschaft und Ausbeutung erfordern den revolutionären Sturz Israels als rassistischen Staat und seine Ersetzung durch einen einzigen bi-nationalen Staat, sowohl für sein palästinensisches als auch für sein israelisch-jüdisches Volk. Das bedeutet weder die Vertreibung der israelischen Bevölkerung noch ihre Zerstörung als Nation. Die „Zweistaatenlösung“ ist in Wirklichkeit tot. Ihre Anerkennung in Worten existiert als Feigenblatt für israelische Übergriffe. Für die USA und die westeuropäischen Staaten rechtfertigt sie die anhaltende Unterstützung Israels, und für reformistische Parteien wie die britische Labour ermöglicht sie es, vermeintlich Gesicht zu bewahren vor ihrer muslimischen Wähler_innenschaft, ohne sich jedoch zum palästinensischen Widerstand zu bekennen. Es ist Aufgabe der Palästinenser:innen sowie der Arbeiter:innenklassen der umliegenden Länder den israelischen Staat zu stürzen. Letzteren kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie sind es, die ihren Diktatoren und Herrschernentgegentreten müssen, denn weder die Assads noch die Khomenies, die Sissis oder die Erdogans dieser Region haben ein Interesse an einem befreiten Palästina. Es braucht ein Auflammen eines zweiten arabischen Frühlings, in welchem sich die Arbeiter_innen in den umliegenden Ländern gegen ihre Unterdrücker_innen organisieren und siestürzen, die Grenzen nach Gaza öffnen und unter gemeinsamer Kontrolle Hilfsgüter und den Kampf vor Ort unterstützen.

5. Für die Schaffung einer unabhängigen Arbeiter_innenpartei Palästinas, die gestützt auf Gewerkschaftenund regionale Komitees der Unterordnung der palästinensischen Linken unter Hamas und Fatah ein Ende bereitet!

Um für ein freies, säkulares und sozialistisches Palästina zu kämpfen, sowie für die davor genannten Forderungen, ist es notwendig die fortschrittlichsten Kräfte in einer Partei zu bündeln, die sich auf Räte und Komitees stützt, diese Forderungen durchsetzt und der Bewegung ein politisches Programm gibt. Mit dem Kampf für nationale Befreiung müssen hierbei soziale und ökonomische Forderungen der Arbeiter_innenklasse wie z.B. nach einem angemessenen Mindestlohn, nach Frauenrechten oder Rechten von LGBT+! Es braucht zudem einen Bruch mit der Politik der Hamas und Fatah. Beide haben sie oft genug gezeigt, dass sie keine Strategie haben, den Befreiungskampf zu gewinnen und dass ihnen die Interessen der palästinensischen Massen letztlich egal sind. Sie beweisen dies nicht zuletzt, indem sie, unter dem Deckmantel einer falschen Einigkeit, soziale Proteste niederschlagen, womit sie sich praktisch als Instrument der Besatzungsmacht erweisen. Wir stehen für die Interessen der Arbeiter_innen, kleinen Bäuer_innen, Jugendlichen und Frauen, die nicht nur gegen die zionistische Besatzung, sondern am Ende auch gegen die palästinensischen Kapitalist_innen durchgesetzt werden müssen!

In Deutschland

1. Sofortiger Stopp aller Waffenlieferung, Stopp der militärischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Unterstützung Israels! Weg mit den Kriegsschiffen vor Gazas Küste! Für gewerkschaftliche Aktionen zur Blockade von Kriegsgütern! 

Die deutsche Rüstungsindustrie liefert schon seit langem mit Vorliebe Kriegsgüter an Israel. Eine Auswertung der statistischen Daten von 2011 bis 2022 ergibt, das Israel auf Platz vier aller Staaten ist, in die Deutschland Waffen exportiert. Seit dem Kriegsausbruch sind diese Zahlen noch einmal explodiert: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich schon jetzt das Volumen an Rüstungsexporten mehr als verzehnfacht! Es ist einerseits eine grauenhafte Vorstellung, wie sich deutsche Konzerne an dem Morden in Palästina bereichern. Andererseits werden diese Lieferungen auch durch Steuergelder gefördert, denn die Unterstützung von Ordnungsmächten wie Israel und die Aufrechterhaltung der Verhältnisse von halbkolonialer Abhängigkeit und Ausbeutung durch den Imperialismus ist deutsche „Staatsräson“. All das zu verhindern, ist unsere beste Chance hier in Deutschland dem Krieg in Palästina entgegenzutreten und internationale Solidarität praktisch werden zu lassen. Die Arbeiter_innen in der Logistik und in der Rüstungsindustrie haben kein Interesse an der Unterdrückung ihrer Klassengeschwister in Palästina. Sie müssen zu Streiks, Blockaden und Protestaktionen gewonnen werden!

2. Schluss mit der Kriminalisierung des Befreiungskampfes! Keine Verbote von Demos mehr und Aufhebung der Verbote von Samidoun, PFLP, Hamas und PKK! 

Während AfD, holocaustleugnende Nazis oder antisemitische Querdenker_innen unter Polizeischutz ihre Ideologie auf die Straße tragen durften, wurden Solidaritätsdemos und Gedenkveranstaltungen mit den Opfern des Krieges in Palästina reihenweise verboten. Dort wo sie stattfinden, geht dies mit Schikanen der Polizei einher: Menschen werden geschlagen, verhaftet und angezeigt. Wir haben schon länger an der Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung gesehen, wie der deutsche Staat seine außenpolitischen Interessen auch z. B. mit dem Verbot der PKK ins Innere übersetzt. Nun werden ebenso die Organisationen des palästinensischen Widerstands mehr und mehr verboten: ob links, so wie Samidoun oder PFLP oder religiös-fundamentalistisch wie die Hamas. Auch wenn wir viel Kritik an diesen Gruppen haben, ihre Ideologien nicht teilen und ihre Taktiken ablehnen, stellen wir uns gegen ihr Verbot durch den deutschen Staat. Eine Überwindung der reaktionären Führung des Widerstandskampfes in Gaza wird nur als Teil dieses Kampfes möglich sein, nicht durch staatliche Repression von Israel oder Deutschland.

3. Weg mit dem Kuffiyah-Verbot in den berliner Schulen! Mitbestimmung von Schüler_innen und Lehrer_innen über die Behandlung des Kriegs statt Senatsvorgaben!

Während auf der Staat auf der einen Seite das „Selbstverteidigungsrecht“ Israels, d.h. den Angriff auf Gaza als zentrale Botschaft des Schulunterrichts vorgibt, wird auf der anderen Seite im Namen einer vermeintlichen „politischen Neutralität“ den Schüler_innen eine eigenständige Stellungnahme verwehrt. Dies drückt sich auf symbolischer Ebene z.B. in dem Verbot aus, eine Kuffiyah zu tragen. Eine Kleidervorschrift, die, ausgedehnt auf weitere arabische Tücher, gleichzeitig einen rassistischen Charakter trägt, weil sie auch politisch unbeteiligte Schüler_innen trifft, die das Tuch einfach aus kulturellen Gründen tragen. 

4. Abschiebestopp jetzt! Gegen den heuchlerischen Vorwand des Antisemitismus‘ für eine rassistische Asylpolitik! Bildet antirassistische Selbstverteidigungskomitees gegen Angriffe von Bullen und Faschos!

5. Offene Grenzen und Staatsbürger_innenrechte für alle, die vor Krieg, Armut und Klimaschäden flüchten!

Wir können gerade bezeugen, wie in Europa das Recht auf Asyl systematisch ausgehebelt und abgeschafft wird. Fluchtwege werden blockiert, Grenzkontrollen werden verstärkt und auch innerhalb des Schengen-Raums eingeführt, Geflüchtete werden in überfüllte Lager gepfercht und in Krieg und Krisen abgeschoben. Vorschläge ein Bekenntnis zum Staat Israel zur Bedingung für eine Einbürgerung zu machen oder die Ankündigung, dass vermeintlich antisemitische Geflüchtete „endlich im großen Stil“ abgeschoben werden müssten sind ein zynischer Versuch, diese Absage an grundlegende Menschenrechte in eine moralisch positives Licht zu rücken. Wir stellen dem die Forderung nach Bewegungsfreiheit für alle entgegen! Im Kampf dafür ist es notwendig, dass sich die Gewerkschaften endlich öffnen und die gewerkschaftliche Organisierung der Geflüchteten voranbringen!




Bangladesch: Solidarität mit der Student:innenbewegung

Revolutionary Socialist Movement (Pakistan); Baloch Student Organisation; Labour Qaumi Movement (Pakistan); Pakistan National Trade Union Federation; REVOLUTION, internationale kommunistische Jugendorganisation, League for the Fifth International, 19.7.2024, zuerst veröffentlicht in der Infomail 1260, 20. Juli 204

Wir erklären uns solidarisch mit den mutigen Student:innenprotesten, die landesweit an den Universitäten ausgebrochen sind.

Ausgelöst wurde die Bewegung durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 6. Juni, die Quote wieder einzuführen, nach der 30 Prozent der Stellen im öffentlichen Dienst für Kinder von registrierten Freiheitskämpfer:innen aus dem Unabhängigkeitskrieg von 1971 reserviert sind.

Dieses Quotensystem war ursprünglich für diejenigen eingeführt worden, die im Krieg gekämpft hatten, wurde aber 1997 auf ihre Kinder und Enkelkinder ausgedehnt. Es wurde 2018 nach breiten Protesten abgeschafft, aber jetzt wieder eingeführt.

Hunderttausende von Studierenden haben gegen die Wiedereinführung der Quote mobilisiert, die in erster Linie Kindern von Anhänger:innen der autoritären Premierministerin Scheich Hasina Wajed zugutekommen soll, die seit 2009 an der Macht ist. Die Proteste haben sich landesweit ausgebreitet, wobei die Student:innen breite öffentliche Unterstützung erhalten. Die Proteste werden durch die Wut Hunderttausender arbeitsloser Hochschulabsolvent:innen genährt, von denen es nach offiziellen Angaben mindestens 800.000 gibt.

Die regierende rechtsnationalistische Awami-Liga ging hart gegen die Student:innen vor, die sie als Feind:innen der Unabhängigkeit und moderne Razakars, die Kollaborateur:innen mit Pakistan während des Krieges von 1971, beschimpfte.

Am 16. Juli wurden die Polizei und paramilitärische Truppen gegen die Proteste eingesetzt. Die regierungsnahe studentische Bangladesh Chhatra League griff die Demonstrant:innen mit Ziegelsteinen und Bambusstäben an. Mindestens sechs Menschen wurden getötet und mehr als 300 verletzt, viele davon schwer.

Wir verurteilen diese Angriffe und die Rolle der Regierung von Bangladesch bei der Anstiftung zu Gewalt und Repression. Wir bekunden unsere Solidarität mit den protestierenden Student:innen.

Die bangladeschische Regierung versucht, der Wirtschaftskrise zu entkommen, indem sie die Lebensbedingungen der Studenten und der Arbeiter:innenklasse im Allgemeinen verschlechtert. Das Quotensystem zielt darauf ab, Privilegien für Regierungsanhänger:innen zu schaffen und einen Keil zwischen die Student:innen und die Massen zu treiben.

Am 18. Juli wurde ein landesweiter Streik ausgerufen, an dem sich mehrere Gewerkschaften beteiligten. Die Kämpfe haben sich über das ganze Land ausgebreitet, wobei mindestens 32 Menschen von den Repressionskräften getötet und Tausende verletzt wurden. Die Bewegung hat eindeutig die Forderung nach Rücktritt der Regierung erhoben.

Eine solche Bewegung sollte nicht nur das unmittelbare Ziel verfolgen, die Niederschlagung zu beenden, sondern den Weg für eine breitere Offensive der Arbeiter:innen und Jugendlichen gegen Hasinas autoritäres Regime zu ebnen.

Wir appellieren an alle Student:innen-, Jugend- und Arbeiter:innenorganisationen, die Unterdrückung anzuprangern und Solidarität mit der mutigen Student:innenbewegung in Bangladesch zu organisieren.




Aufstände in Kenia – Worum geht es und wie können wir sie unterstützen?

von Jona Everdeen, Juli 2024

Seit etwas mehr als 2 Wochen finden in Kenia Massenproteste statt. Ihr Ursprung lag in der breiten Ablehnung eines Gesetzes, das Steuererhöhungen einführen sollte, die ausschließlich Arbeiter:innen und Arme treffen. Doch obwohl der Präsident des ostafrikanischen Landes diese inzwischen zu großen Teilen zurückgenommen hat, gehen die Proteste weiter – und richten sich nun gegen ihn selbst, die korrupte Machtelite sowie auch den Imperialismus, der Kenia im Würgegriff hält.

Imperialismus als Ursache der Krise

Auslöser der Proteste waren die vom 2022 gewählten Präsidenten William Ruto vorgeschlagenen Steuererhöhungen, in erster Linie in Form von Mehrwertsteuern auf Waren, die zum Leben essentiell sind. Dadurch sollten insgesamt 2,7 Milliarden US-Dollar aufgebracht werden, um den Staatshaushalt zu stabilisieren und die Rückzahlung von Krediten sicherzustellen. So sollten sie auf Brot, Speiseöl sowie den Besitz eines Fahrzeugs deutlich angehoben werden. Als besonders dreist empfunden wurde auch die Ankündigung, die Steuer auf Menstruationsprodukte zu erhöhen, nachdem im Wahlkampf eine Politikerin aus Rutos Partei angekündigt hatte, diese in Zukunft kostenlos zur Verfügung stellen zu wollen.

Diese Steuern kommen noch zu den durch hohe Inflation massiv gestiegenen Preisen hinzu, die jetzt schon dafür sorgen, dass sich viele in Kenia nur noch eine oder maximal zwei Mahlzeiten am Tag leisten können. Großen Teilen der kenianischen Bevölkerung droht absolute Armut. Wer davon hingegen weit entfernt ist und auch nicht mit zusätzlichen Steuern belastet werden soll, sind die kleine kenianische Bourgeoisie sowie, was die Wut der Massen besonders anheizt, die herrschende Politiker:innenschicht. Denn die Gehälter von Politiker:innen sind im Vergleich zum Durchschnittseinkommen mit die höchsten der Welt und Präsident Ruto selber lebt im Luxus.

Auch auf dem Korruptionsindex steht Kenia auf dem nicht besonders rühmlichen Platz 126 von 180. Doch auch wenn die Korruption und der Luxus der Politiker:innen, während die Massen verelenden, besondere Wut hervorrufen, haben viele in Kenia erkannt, dass diese nur das oberflächliche Problem darstellen, und pfeifen auf Rutos nun einsetzende Schlichtungsversuche nach dem Motto, man könne nochmal neu über die konkreten Sparmaßnahmen diskutieren und, als Zeichen des guten Willens, auch im Präsidialamt beginnen. Denn das Problem liegt nicht darin, so dreist das auch klingt, dass Rutos Frau im Jahr 5 Millionen Euro ohne wirklichen Grund aus der Staatskasse bekommt oder der Präsident mit schickem, 2.800 Dollar teurem Gürtel in die Kirche geht, sondern es verursachen die Sparmaßnahmen als solche. So gibt Ruto selber an, dass Kenia mehr als 60 % seines Staatshaushaltes zur Tilgung von Schulden aufwenden muss. Die Gläubiger:innen? Die ehemalige Kolonialmacht Britannien, die USA, China, die EU und ganz oben natürlich der Internationale Währungsfonds. Dieser hat auch der kenianischen Regierung den neuen Haushalt mit den massiven Steuererhöhungen „empfohlen“. Diese Empfehlung dürfte in etwa den Charakter haben wie Schäubles Rat an die Syriza-Regierung in Griechenland, man sollte vielleicht doch lieber das Diktat der Troika akzeptieren, wenn man nicht wolle, dass diese mit einem brutalen Wirtschaftskrieg das Land ins absolute Elend stürze.

Ruto, der sich selber so wie die meisten Staatschef:innen halbkolonialer Länder nur zu gerne in den Dienst des Imperialismus stellt, in seinem Fall vor allem des westlichen, hatte versucht, die Abgabenforderungen von IWF und Co. einzig und allein auf dem Rücken der Massen zu erfüllen und seinen eigenen Reichtum und den seiner politischen Freund:innen unangetastet zu lassen. Auch wenn er nun bereit zu sein scheint, persönliche Abstriche zu machen, um seine Position irgendwie zu retten, darf die Bewegung nicht dabei stoppen und muss ihre Wut nicht nur gegen die imperialen Statthalter:innen, sondern gegen das System der globalen Unterdrückung selbst richten!

Jugend und Arbeiter:innen haben es satt

Die Massenbewegung, die sich im ganzen Land seit einigen Wochen auf der Straße befindet, mit dem vorläufigen Höhepunkt am 25. Juni beim Sturm auf das kenianische Parlamentsgebäude, ist eine Reaktion auf die Ungerechtigkeit. Die Arbeiter:innenklasse Kenias und besonders die Jugend, die große Teile der Bevölkerung ausmacht (rund zwei Drittel sind unter 25 Jahre alt) leben sowieso häufig in prekären Verhältnissen. 80 % der Beschäftigten arbeiten informell, also ohne jede Jobsicherheit oder Arbeitsschutz. Auch die Arbeitslosigkeit ist hoch, besonders unter Jugendlichen. Die Krise der letzten Jahre, der massive Preisanstieg vor allem für Lebensmittel im Zuge des Ukrainekriegs und die hohe allgemeine Inflation haben die Lage vieler massiv verschlechtert und die schon zuvor nur recht kleine Mittelschicht zusammenbrechen lassen. Die Steuerpläne der Regierung haben das Fass dann zum Überlaufen gebracht. Die Menschen haben Ruto, die Privilegien der Politiker:innenkaste, ihr Elend, ihre Armut, den IWF und die imperialistischen Mächte satt, die dafür verantwortlich sind. Und das zeigen sie auch.

Trotz Rutos „Versprechen“, das Gesetz zurückzunehmen, was jedoch nicht einmal wirklich in seiner Macht steht, nachdem das Parlament es bereits gebilligt hat, gingen die Proteste weiter. Am 27. Juni ließen Protestierende verlauten, dass sie nicht aufhören werden, bevor Ruto zurückgetreten ist. Auch die massive Gewalt von Polizei und Militär konnte die Entschlossenheit bislang nicht brechen. Diese setzten massenhaft Tränengas und immer wieder scharfe Munition ein, töteten damit mehr als 30 Menschen und verletzten hunderte weitere. Auch wurden Menschen von der Polizei entführt, ihr aktueller Verbleib ist unklar. Diese brutalen Repressionen haben die Entschlossenheit der Bewegung jedoch eher bestärkt. Immer wieder gelang es, die massiv mobilisierte Polizei zum Rückzug zu zwingen. In der Bewegung tut sich besonders die Jugend hervor, weshalb Medien auch von einem „Generation-Z-Aufstand“ schreiben. Zu Protesten wird massiv auf sozialen Medien mobilisiert und an Schulen und Unis entstehen Protestkomitees. Die Jugend kämpft für ihre Zukunft und, wie alle Arbeiter:innen und Armen, für ein besseres Leben. Doch wie kann die Bewegung siegen?

Nur die Revolution kann die Menschen befreien!

Es ist gut, dass die Bewegung sich nicht von Rutos Zugeständnissen und seiner vermeintlichen Einsicht täuschen lässt und stattdessen seinen Rücktritt fordert! Und es ist gut, dass die Menschen auf die Repressionen der Staatsgewalt mit Widerstand antworten! Doch das alleine wird nicht reichen, um die Krise zu lösen. Will die Bewegung wirklich den Präsidenten stürzen und das korrupte System, an dessen Spitze er steht, gleich mit, will sie das Land ein für alle Mal von der Ausbeutung durch  den Imperialismus, seit 1963 in seiner halbkolonialen Form, befreien, dann muss sie bereit sein, den nächsten Schritt zu setzen. Die Gründung von Komitees an Schulen und Unis zeigt, was auch anderswo geschehen muss: nämlich in den Betrieben und Armenvierteln, wo die Menschen leben, die keine oder informelle Jobs haben. Diese Komitees könnten nicht nur die Proteste effektiver organisieren und zum Sieg führen, sondern wären auch die Organe, die nach einem möglichen Sturz der Ruto-Regierung in der Lage wären, eine neue, gerechte Ordnung zu etablieren.

In der Protesten wurde immer wieder die Forderung nach einem Generalstreik laut. Diese gilt es, aufzugreifen und durchzuführen! Denn nur ein Generalstreik, der das komplette Land lahmlegt, ist wirklich in der Lage, Regierung und System zu besiegen. Auch hierfür wären Streikkomitees in Betrieben und Stadtteilen zentral. Zur Verteidigung der Bewegung gegen die Repression durch Polizei und Armee ist es ebenfalls nötig, organisierte Selbstverteidigungseinheiten zu schaffen, die eine militante Gegenmacht zu den Truppen des Staates darstellen.

Welche Führung braucht es?

Es sind letztendlich die Arbeiter:innen, die den Kampf anführen müssen, den sie gemeinsam mit Jugend und Kleinbäuer:innen gegen die Regierung und ihre imperialen Herr:innen auszufechten haben. Und diese Arbeiter:innen brauchen eine politische Führung.

Anders als in vielen anderen Ländern gibt es in Kenia eine kommunistische Partei, die eine reale Verankerung in den proletarischen Massen besitzt und in der Bewegung eine aktive Rolle spielt. Diese Partei, als sozialdemokratische Arbeiter:innenpartei entstanden, wandte sich in den letzten Jahren dem Maoismus (Marxismus-Leninismus) zu. Diese Entwicklung nach links führte außerdem auch zu weiteren Abspaltungen, teilweise Richtung chinesischem „Kommunismus“, teilweise unter der Jugend aber auch in Richtung Trotzkismus. Auch wenn die KP Kenias (CKP) eine reale Verankerung in der Arbeiter:innenklasse darstellt, so bleiben ihr Programm und ihre Politik weiter bürgerlich und von der stalinistischen Etappentheorie geprägt, derzufolge heute eine nationale, demokratische Revolution anstehe. So ruft sie in ihrem 10-Punkte-Programm zum Bruch mit dem IWF, Sturz der Regierung, zur Umsetzung einer Reihe sozialer Reformen und Einstellung jeder staatlichen Gewalt gegen die Bewegung auf. Es enthält aber keine einzige darüber hinausgehende Übergangsforderung, geschweige denn ein Konzept, wie der Kampf mit dem für eine sozialistische Umwälzung verbunden werden könne.

So wichtig es daher ist, an die CKP die Forderung zu stellen, mit allen Flügeln der kenianischen Bourgeoisie zu brechen, so wenig stellt sie mit ihrem Programm nichtsdestotrotz die Lösung der Führungskrise der kenianischen Arbeiter:innenklasse dar, sondern vielmehr einen Teil des Problems. Dazu braucht es vielmehr eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei, die den Kampf für die Enteignung der internationalen wie nationalen Konzerne mit dem für eine Regierung aus Räten der Arbeiter:innen und Armen verbindet! Wenn dieser Kampf erfolgreich geführt wird, dann können die kenianischen Arbeiter:innen, Armen und Jugendlichen die Krise tatsächlich lösen und ein neues System schaffen, das ihre Bedürfnisse an erste Stelle stellt. Dann kann Kenia zum Beispiel für Dutzende halbkoloniale Länder in ähnlichen Situationen und für Milliarden Menschen werden, wie sie ihre Unterdrückung und ihr Elend beenden können!

Was können wir in den Zentren tun?

Doch der Kampf der Arbeiter:innen und Jugendlichen in Kenia ist nicht nur relevant für Menschen in anderen Halbkolonien, sondern auch für uns. Denn auch wir haben, wenn auch weniger konkret, akut und scharf mit den Folgen der Krise zu kämpfen. Auch wir spüren die gestiegenen Lebensmittel-, Heizkosten und Mieten. Auch wir merken, wie Infrastruktur, Bildung und Soziales durch die neoliberale Ampelregierung dem Dogma des „Sparen, Sparen, Sparen“ geopfert wird. Unsere Länder, Deutschland, Britannien, die USA, sind es, die in der imperialistischen Pyramide ganz oben stehen. Doch nicht wir stehen oben, sondern unsere Bosse und Vermieter:innen. Diejenigen, die in Kenia die Menschen auspressen und ins Elend stürzen, sind dieselben, die das auch mit uns tun. Wir haben nichts gemein mit ihnen, dafür vieles mit den mutigen Kenianer:innen, die gerade in Massen gegen das System ankämpfen, das uns alle knechtet! Zeigen wir ihnen unsere Solidarität, indem wir hier im Herzen der Bestie für die Streichung aller Schulden der halbkolonialen Länder kämpfen und gleichzeitig auch für unsere eigene Freiheit! Kämpfen wir gegen ungerechte Steuern, die die Massen treffen, und holen wir uns, was wir brauchen, bei denjenigen, die fürs Nichtstun massenhaft Geld in Form von Dividenden, Miete und anderen Kapitalrenditen bekommen! Ob Nairobi, London oder Berlin – Sieg für Proletariat und Jugend! Nieder mit dem Imperialismus und seinen Lakai:innen!

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Wir müssen endlich im großen Stil Abschiebungen verhindern!

Gegen jede Abschiebung – Gegen Spaltung zwischen Geflüchteten!

von Jona Everdeen, Juli 2024

Drei geplante Abschiebungen sorgten letzte Woche für öffentliche Empörung und konnten durch Protest vorerst verhindert werden. So sehr wir uns darüber freuen: Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir endlich alle Abschiebungen beenden können.

Abschiebungen durch Proteste gestoppt

Abschiebungen in den Iran, gerade von Oppositionellen, sind keine Ausnahme. Für besondere Wut sorgte die drohende Abschiebung einer 17-jährigen iranischen Kurdin und ihrer Großmutter durch ein Flughafenverfahren. Das ist ein Verfahren, bei dem innerhalb von zwei Tagen entschieden wird, ob eine Person einreisen darf oder nicht. Das geschieht auf willkürlicher Basis und dient dazu, längere rechtliche Asylverfahren zu unterbinden. Ein längeres Verfahren wurde abgelehnt, weil die zuständigen Beamt:innen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge meinten, der Anspruch auf Asyl sei „offensichtlich unbegründet“ und ihr würde „im Iran keine Gefahr drohen“.

Den Schreibtischtäter:innen war egal, dass die Jugendliche an den Protesten gegen das Mullah-Regime vor bald 2 Jahren beteiligt gewesen war. Im Iran drohen Aktivist:innen wie ihr schwere Strafen bis zur Hinrichtung. Deshalb protestierten Menschenrechtsaktivist:innen und Poliker:innen gegen die drohende Auslieferung an das Terrorregime. Am Ende musste das Innenministerium einschreiten und den beiden die Einreise gewähren.

Für Unverständnis sorgte auch der Fall von Robert A. Bevor seine aus Serbien stammenden Eltern nach Deutschland kamen, wurde er in den Niederlanden geboren. Der 31-jährige lebt seit 30 Jahren in Chemnitz. Dort ging er zur Schule und lernte einen Beruf. Arbeiten durfte er nicht, die Ausländerbehörde verweigerte es. Jetzt soll er nach Serbien abgeschoben werden, ein Land, in dem er nicht geboren wurde und dessen Sprache er nicht spricht. Zu Gute kam Robert, dass er sich in der Vergangenheit für die Grünen engagiert hatte. Diese organisierten gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat Proteste in Dresden und Chemnitz und forderten, dass Robert bleiben darf. Das sächsische Innenministerium erfüllte die Forderungen vorerst und reichte einen Antrag bei der Härtefallkommission ein, um die Abschiebung zu stoppen.

Im Fall von Joel, einem 18-jährigen Abiturienten aus Hamburg, wurde bereits entschieden, dass er bleiben darf. Mit seiner Volljährigkeit war sein Aufenthaltstitel abgelaufen. Er sollte nach Ghana abgeschoben werden, getrennt von seinem Vater und seiner Schwester. Mitschüler:innen und eine Lehrerin protestierten dagegen und setzten eine Petition auf, die von 100.000 Menschen unterschrieben wurde. Größere Proteste hätten das Abschieberegime der rot-grünen Hamburger Regierung als Ganzes in Frage stellen können. Vermutlich aus Angst davor lenkte der Senat ein und empfahl einen Aufenthaltstitel gemäß der Härtefallregel. Die Begründung war, Joel sei so gut integriert, dass es falsch wäre, ihn abzuschieben.

Diese Fälle, in denen Abschiebung durch Proteste verhindert wurde, zeigen, was möglich ist, wenn Menschen sich zusammenschließen, um für ihre Mitschüler:innen, Kolleg:innen, Nachbar:innen und Freund:innen einzugestehen. Doch diese Siege dürfen nur der Anfang sein, um gegen die menschenfeindliche Asylpolitik von BRD und EU anzukämpfen. Auf die Unterteilung in „gute“ und „böse“ Ausländer:innen dürfen wir uns nicht einlassen. Jede Abschiebung ist falsch und muss gestoppt werden!

Es trifft immer „die Falschen“?

Die Fälle der letzten Woche haben eines gemeinsam: Es trifft Menschen, die sich in den Augen der deutschen Öffentlichkeit „gut integriert“ haben, oder die voraussichtlich „gut integrierbar“ sind. Klar gibt es zahlreiche ultra-reaktionäre Rassist:innen bei der AfD und beim Dritten Weg, die von Blut und Boden schwadronieren und für die keine Integration mustergültig genug sein kann. Doch die liberalen, sozialdemokratischen und Teile der konservativen Parteien lassen sich gnädigerweise zu Ausnahmen herab: Wer fließend Deutsch kann, einen guten Schulabschluss gemacht hat und brav arbeiten geht, der darf gerne bleiben.

Diese Logik folgt der Erkenntnis, dass Migrant:innen unabdingbar für die deutsche Wirtschaft sind: ohne migrantische Arbeitskräfte könnte sie ihre aktuelle Stärke unmöglich aufrechterhalten, geschweige denn weiterwachsen. Dass allzu viele wahllose Abschiebungen wirtschaftliche Interessen gefährden würden, ist der deutschen Bourgeoisie bewusst. Dementsprechend trugen große Teile der liberalen und konservativen Bourgeoisie die Empörung über die Deportationspläne der Potsdamer Konferenz mit.

Von der Bourgeosie werden Migrant:innen stets zu einem bestimmten Zweck eingesetzt: Als billige Arbeitskräfte, in Konkurrenz zu den gewerkschaftlich organisierten deutschen Arbeiter:innen. Für Migrant:innen ist es schwieriger als für Deutsche, sich über miese Arbeitsbedingungen zu beschweren und dagegen zu protestieren. Sobald sie das tun, sind sie keine „nützlichen“ Ausländer:innen mehr, keine „gut integrierten“. Mit der Abschiebung droht eine Repression, die für deutsche Arbeiter:innen von unbekannter Härte ist.

Bei wem die Ausbildung hin zur „nützlichen Arbeitskraft“ zu aufwändig wäre, oder wer die Anforderungen nicht erfüllt, der muss gehen. Dieser unmenschlichen Logik müssen wir aufs Schärfste widersprechen. Die Zwangsintegration in die Interessen des deutschen Kapitals zeigt deutlich, dass „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ nur eine hohle Phrase ist.

Offene Grenzen statt Überausbeutung!

Für das deutsche Kapital bedeutet „gute Integration“ die Disziplinierung zu braven Untertan:innen, die jeden Scheißjob widerspruchslos hinnehmen, egal wie scheiße die Bezahlung ist und wie viele Überstunden geleistet werden müssen. Wir halten mit noch so vielen Überstunden und noch so schlechter Bezahlung widerspruchslos hinnehmen.

Dieser knallharten Brutalität halten wir eine andere Perspektive entgegen: offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle, dort wo sie leben! Diese Forderung steht im Widerspruch zum Kapitalismus, denn dieser ist in seinem höchsten Stadium, dem Imperialismus, darauf angewiesen, ärmere Länder auszupressen. Daraus werden Extraprofite abgeschöpft, die durch die Ausbeutung der eigenen nationalen Arbeitskraft nicht erreichbar sind.

Diese Extraprofite entstehen aus der Überausbeutung der Arbeiter:innen und kleinen Bäuer:innen halbkolonialer Länder in Afrika, dem „Nahen Osten“, Süd- und Südostasien und Lateinamerika. Diese Überausbeutung ist darauf angewiesen, dass die Grenzen dicht sind. Denn wenn Menschen, die in Nigeria von deutschen Konzernen überausgebeutet werden, ohne Probleme nach Deutschland gehen könnten, dann würde das ganze System nicht funktionieren.

Schluss mit Nützlichkeitsrassismus!

Wir wollen eine Welt frei von Ausbeutung, in Deutschland, in Nigeria, überall auf der Welt! Eine Welt in der jede:r frei von ökonomischen Zwängen entscheiden kann, wo er oder sie leben will. Doch wie kommen wir dahin?

Für uns gilt es, an bestehende Kämpfe anzuknüpfen, um Strukturen zu schaffen, die Abschiebungen verhindern können. Wir müssen die Selbstorganisation Geflüchteter unterstützen und diese mit den Kämpfen der Arbeiter:innenbewegung zu verknüpfen. An die Gewerkschaften müssen wir die Forderung richten, Geflüchtete aufzunehmen. Dadurch wird ihnen ermöglicht, für ihre eigenen Rechte zu kämpfen, und es wird verhindert, dass die Bourgeoisie sie weiterhin als Lohndrücker:innen gegen deutsche Arbeiter:innen einsetzt.

An unseren Schulen müssen wir uns für gerechte und inklusive Bildung für alle organisieren. Es braucht Antidiskriminierungsstellen, die rassistische Unterdrückung bekämpfen, sowie die Aufhebung der Segregation in sogenannte „Willkommensklassen“. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass keine:r unserer Mitschüler:innen mehr abgeschoben wird!

Wir wollen nicht, dass irgendjemand sich in die bürgerliche Ideologie von Leistungszwang und deutscher Leitkultur integrieren muss. „Desintegriert euch!“ steht groß an einer Hausfassade in Neukölln geschrieben. Das ist es, was wir allen migrantischen Arbeiter:innen und Jugendlichen ans Herz legen: den gemeinsamen Klassenkampf!




Nazi-Angriff auf Antifas- Wie können wir uns schützen?

Von Brokkoli Bittner, Juli 2024

Es ist Samstag der 6.7. 2024. Du machst dich auf den Weg zum Ostkreuz. Von dort aus soll es eine gemeinsame Anreise zu einer antifaschistischen Demonstration in Berlin-Hellersdorf geben. Kurz nachdem du den Treffpunkt erreichst, stürmen 20 Maskierte auf dich und die Leute los. Sie rufen „Kommt her! Ihr wollt doch Nazis boxen!“. Sie haben Schlagstöcke, Reizgas und Knüppel. Du schaffst es nicht mehr weg zu kommen. Du liegst auf dem Boden und spürst eine Minute lang massive Gewalt. Immer wieder wird gegen deinen Kopf getreten. Du  liegst auf dem Boden und wirst Krankenhaus reif geschlagen. Nach dem Angriff gibt es eine Reihe verletzter Linker. Genau das ereignete sich letzte Woche in Berlin.

Diese Gewalt gegen die Linke und Antifaschisten ist dabei immer normaler zu werden. Der III. Weg ist im letzten Jahr immer aktiver geworden. Er geht an Schulen und versucht Jugendliche für seine Jugendorganisation zu gewinnen. Er übt am heiligsten Tag auf Sportplätzen den Angriff auf Unterdrückte und Linke. Und der III. Weg übt nicht nur, er jagt uns auch, was der vergangene Monat mehr als verdeutlicht hat. In diesem gab es bundesweit Angriffe auf Linke, vor allem in Berlin. Es lässt sich auch damit rechnen, dass diese Angriffe nicht weniger werden.  Letztes Jahr hat der III. Weg versucht, den CSD in Berlin anzugreifen. Dieses Jahr hat er schon Gegenaktionen zum CSD in Dresden organisiert und es lässt sich auch davon ausgehen, dass sie wieder versuchen werden, den CSD in Berlin anzugreifen. Das allein ist schon beängstigend genug, aber es kommt dazu, dass der III. Weg noch gefährlicher ist als letztes Jahr.  Während vor einem Jahr die Nazis mit blanken Fäusten Queers klatschen wollten, sehen wir, dass die Nazis nun auch bewaffnet sind. Siehe zum Beispiel den Angriff am Samstag. Doch wie können wir uns vor diesen Angriffen schützten oder sie gar für immer verhindern?

Selbstverteidigungsstrukturen aufbauen!

Es ist wichtig zu wissen, dass der Staat niemanden davon abhalten wird, Linke oder Unterdrückte zu schlagen. Denn genau dieser Staat lässt Unterdrückte und Linke täglich seine Gewalt spüren: Wenn er auf unsere Demos einprügelt oder uns aufgrund unserer Hautfarbe ermordet. Warum sollte dieser Staat uns also jetzt beschützen? Das zeigt der Angriff am Samstag auch noch mal. Während Linke kassierten haben, haben die Cops zugeschaut. Doch wenn der Staat uns nicht schützt, dann müssen wir es selber tun. Das heißt aber nicht, dass wir uns alle individuell eine Dose Pfeffer Spray kaufen und damit sicher sind, sondern vielmehr, dass wir Strukturen aufbauen für Selbstverteidigung. Diese Strukturen müssen lokal, also an Schulen, Unis und Betrieben aufgebaut werden, denn das sind die Orte wo wir unseren Tag verbringen und wo wir auch angegriffen werden können. Vor allem Schulen sind hier wichtig, da wir wissen, dass der III. Weg gerade immer wieder versucht, dort Leute zu erreichen durch Infostände und das Verteilen von Flugblättern. Auch um solche Verteil-Aktionen zu unterbinden, sind diese Strukturen wichtig. Diese Strukturen müssen auch von der Gewerkschaft aufgebaut werden, denn diese sind der Kontakt in die Betriebe. Außerdem sind ihre Mitgelder eher von rechten Angriffen bedroht, denn Faschos wollen nicht, dass wir uns zusammen schließen und die Krisen sozial bekämpfen- ein Potenzial, das vor allem Gewerkschaften haben. Und so ist es auch die Verantwortung der Gewerkschaften, dass ihre Mitglieder geschützt werden. In diesen Selbstverteidigungsstrukturen muss es kostenfreie Selbstverteidigungs-Kurse für jede:n geben. Es muss aber auch die Möglichkeit geben, dass diese Strukturen bei Angriffen schnell da sind, um uns und andere verteidigen zu können. Diese Strukturen sind es auch, die bei Demonstrationen wie der Demo am Samstag oder dem CSD rechte Angriffe abwehren und die Demo schützen können.

Selbstverteidigungsstrukturen sollten keine Jagd auf den III. Weg machen. Denn klar ist, dass wir nicht einfach jeden Fascho verhauen können bis der Rechtsruck endet. Jeder Angriff auf Nazis ist auch ein Risiko für uns und dieses Risiko zu akzeptieren macht nur Sinn, wenn der Gewinn es wert ist. Doch mit 5 gebrochen Nazi-Nasen allein ist niemanden geholfen.

Ein Ende der Angriffe wird es erst geben, wenn die Rechten politisch geschlagen wurden. Doch wie tun wir das?

Dafür müssen wir verstehen warum die Rechten aktuell so einen Zulauf haben. Hier sehen wir, dass vor allem in der sozialen Krise Rechte profitieren. Denn dann schaffen es die Rechten, den Leuten glaubhaft zu machen, dass nicht der Kapitalismus das Problem ist, sondern der Migrant neben dir. In ihrer Logik sind Menschen arm, weil andere arme Menschen, z.B. Migrant:innen oder Arbeitslose, Sozialleistungen empfangen. Aber es ist nicht der Migrant wegen dem wir zu wenig Geld haben, sondern der Kapitalist, der sich den Profit, den wir produzieren, in seine Tasche steckt, anstatt ihn der Gemeinschaft zugutekommen zu lassen. Das verschweigen die Rechten aber. Sie wollen nicht, dass wir fragen, warum wir von unseren Bossen beklaut und ausgebeutet werden, sondern wollen uns verkaufen der Migrant sei schuld. Diese Lügen gilt es als aufzudecken. Es braucht eine Einheitsfront aus Gewerkschaften, Linkspartei und SPD die genau das tut, denn sie sagen ja, dass für sie der Kampf gegen Rechts so wichtig sei. Dann sollen sie endlich gegen die soziale Krise kämpfen indem sie die Reichen dafür zahlen lassen. Es sind diese Organisationen, sowie die Jugend und alle Unterdrückten, die wenn sie sich zusammen tun, etwas gegen den Rechtsruck tun können. Das Wichtigste dabei bleibt: ein richtiger Kampf gegen Rechts ist ein Kampf gegen das System, was den Rechten den Nährboden gibt.

Lasst uns also gemeinsam dafür kämpfen, dass es keine weiteren rechten Angriffe gibt. Lasst uns den Rechten das Handwerk legen.




Wahlen in Frankreich – Scheiß auf Volksfront, Jugend in die Offensive!

von Flo Rojo, Juli 2024

Vorgestern fand der erste Wahlgang bei den Neuwahlen des französischen Parlaments statt. Aus dieser ging Le Pens RN als stärkste Kraft hervor. Wie in den meisten Ländern Europas aber auch weltweit, ist dass einer der Ausdrücke des vorranschreitenden Rechtsrucks in Folge der Führungskrise der Arbeiter:innen. Doch was können wir als Jugendliche dagegen tun?

Demokratie oder Faschismus?

Nach dem immensen Erfolg des Rassemblement National (RN, deutsch: Nationale Sammlungsbewegung) bei den EU-Wahlen letzten Monat, beschloss noch am selben Tag der französische Präsident Emanuel Macron die Auflösung des Parlaments und somit Neuwahlen.

Kurz darauf bildete sich ein linkes Bündnis aus der linkspopulistischen La France Insoumise, den bürgerlichen Arbeiter:innenparteien (Sozialistische und Kommunistische Partei) und den französischen Grünen, die zwar linker als die deutschen, aber trotzdem eine kleinbürgerliche Partei sind. Unter dem Banner der „Neuen Volksfront“ (Nouveau Front Populaire, NFP) schließen sie an eine Taktik an, die schon 1936 kläglich gescheitert ist. Doch warum ist das so?

Der Zusammenschluss, will unter dem Motto „Alles gegen den RN“ die politische Krise Frankreichs herunterbrechen auf die Frage von „Demokratie gegen Faschismus“. Das zeigt sich auch daran, dass sie nun ankündigten in den Wahlkreisen wo sie hinter den Liberalen liegen, ihre Kandidatur zurückzuziehen und somit ganz offen Macrons Bündnis zu unterstützen. Das hat den Zweck, dass „keine einzige Stimme an das RN geht“. Wie richtig es auch ist sich den Rechten entgegenzustellen, kann dieses Bündnis deren Aufstieg nicht verhindern. Das erkennt man auch schon ganz praktisch am Programm der Volksfront selber. Denn selbst ohne die offenen bürgerlichen Parteien bereits im Boot zu haben, ordnen sie sich dem Imperialismus unter, so in der Frage der Wiederaufrüstung oder selbst der Aufrechterhaltung der kolonialen Herrschaft über Kanaky (Neukaledonien). Ihr Ziel ist es dabei im Parlament zusammen mit Macrons Liberalen (welche in der ersten Runde hinter der NFP und dem RN liegen) ein Bündnis aufzustellen um somit eine RN-Regierung zu verhinden. Doch selbst wenn ihr Plan aufgeht, stellt sich die Frage was sie damit bewirkt haben? Werden die Arbeiter:innen nicht mehr ewig schuften müssen bis sie in die Rente können? Werden Migrant:innen weniger rassistisch angegangen werden und wir Jugendlichen Geld für unsere Billdung haben? Wird die Kriegstreiberei ein Ende finden? Die Antwort ist Nein, denn die Taktik der Volksfront bekämpft eben nicht die Ursachen, welche den Aufstieg der Rechten begünstigen.

Denn der Kampf gegen Rechtsruck und Faschismus kann nie ein Kampf mit sondern nur gegen die Kapitalist:innen, ihre Parteien und ihre Ordnung sein! Denn ihr System ist es, welches erst die Bedingungen für den Aufstieg des Rechtspopulismus bis hin zum Erstarken von offen faschistischen Kräften schafft. Sich ihnen in einem „Kampf gegen den Faschismus“ unterzuordnen heißt unsere Kampfkraft abzugeben und die Lösung des Problems faktisch zu verhindern.

Denn die geballte Stärke der Jugend und Arbeiter:innenklasse ist es, die durch Streiks, Besetzungen und Aufstände, bis hin zu einer Revolution, die Überwindung der Probleme erreichen kann. Den Rechtsruck aber auch das was diesen erst geschaffen hat, wie die hohen Lebenserhaltungkosten oder ganz generell die tägliche Ausbeutung und Unterdrückung.

Wenn wir jedoch den Illusionen der netten Fratze der Diktatur des Kapitals, also der „Demokratie“, hinterherrennen, kann unser Kampf kein erfolgreicher sein! Denn der demokratische Staat ist es, der unsere Armut, Ausbeutung und Unterdrückung aufrechterhält. Der demokratische Staat ist es der Kriege führt und Genozide unterstützt. Der demokratische Staat ist es der uns abschiebt und durch seine Handlanger, die Polizei, ermordet. Der demokratische Staat ist es, der uns bis zum Zusammenbruch arbeiten lassen will, damit er auf dem Weltmarkt besser konkurrieren kann. Wenn wir also den demokratischen, bürgerlichen Staat und die Ordnung die er aufrecht erhält wählen, wählen wir nicht das kleinere Übel sondern schaufeln fleißig weiter unser eigenes Grab! Denn die Leute haben die bürgerliche Demokratie und ihre Politik, ob von Macron, Biden oder Habeck, satt und zwar völlig zu Recht!

Der ganze Aufstieg der Rechten ist letztendlich auch ein Ausdruck davon, dass die Organisationen der Arbeiter:innenklasse den Kampf gegen diese Ordnung, an der nicht die Rechten die schlechten Stellen sind, sondern die als ganzes ein Übel ist, nicht konsequent geführt haben. So haben wir es bei den Rentenreformen gesehen, wo die großen Gewerkschaften und linkspopulistischen sowie reformistischen Parteien notwendige und mögliche Generalstreiks verhindert, den Kampf in die Bahnen des Parlaments verschoben und somit geschwächt haben.

Was braucht es dann?

Anstatt mit bürgerlichen Kräften zu liebäugeln und am liebsten zusammen mit Macron eine Regierung zu bilden, braucht es einen Zusammenschluss der Organisationen der Arbeiter:innenklasse und der Gewerkschaften zu einer Einheitsfront, welche die geballte Kampfkraft der Jugend und Arbeiter:innen entfesselt. Dabei müssen wir als Revolutionäre die Jugendlichen und Arbeiter:innen von den Illusionen der reformistischen, bürgerlichen Arbeiter:innenparteien wegbrechen und für ein revolutionäres Programm gewinnen. In einem gemeinsamen Kampf gegen und nicht mit dem Klassenfeind!

Die spontanen Proteste nach der Europawahl und auch nach den Neuwahlen zeigen das Potenzial für eine Bewegung welche diesen Kampf führen kann. Wir als Jugend müssen in diesen Kämpfen eine militante und führende Rolle einnehmen, was in den letzten Jahren schon teilweise passiert ist. Doch darauf müssen wir aktiv ausbauen und, im Bündnis mit der Arbeiter:innenklasse, den Umsturz des Systems vorrantreiben! Auch in der Jugend selber müssen wir die Überzeugung festigen, dass eine revolutionäre Perspektive notwendig ist um unsere Probleme zu lösen.

Um das zu tun müssen wir uns organisieren, an unseren Schulen sowie in Unis und Betrieben. Wir müssen die Orte an den wir uns täglich aufhalten zur Agitation nutzen und Organe wie Schul- und Unikomitees schaffen. Diese können auch langfristig den Grundstein der Selbstverwaltung legen, die eine Ordnung nach dem Zerschlagen des bürgerlichen Staats braucht. Darauf aufbauend müssen wir Schul- und Unistreikkomitees initiieren, um unseren Kampf zu organisieren und als geballte Front den Rechten und den Kapitalist:innen entgegenzutreten!

Um diese Arbeit zu koordinieren und zum Erfolg zu führen braucht es eine unabhängige Jugendorganisation die diesen Kampf vorrantreibt. Sie muss international den kämpfenden Jugendlichen eine revolutionäre Perspektive aufzeigen und dabei den Aufbau einer Jugendinternationale anstreben. Die Organisierung der Jugend in Europa und Weltweit, über die nationalen Grenzen hinaus, ist notwendig, denn wir uns muss klar sein: Genauso wie die Arbeiter:innen, hat die Jugend kein Vaterland und kann nur international organisiert siegen!

Wir fordern:

  • Schluss mit der Volksfront! Es braucht eine Einheitsfront der Jugend und Arbeiter:innenklasse!
  • Nieder mit Macron – Nieder mit der RN! Für ein revolutionäres Programm der Jugend und der Arbeiter:innen!
  • Aufbau von Schul- und Unikomitees sowie einer schlagkräftigen Bewegung gegen die Angriffe der Kapitalist:innen und den Aufstieg der Rechten!
  • Für den Aufbau einer Jugendinternationale!



Unsere Klassenfahrt – unsere Regeln!

von Erik Likedeeler, Juli 2024

Klassenfahrt: Für manche weckt dieses Wort Erinnerungen an die aufregendsten Tage ihrer Schulzeit. Für andere beginnt mit der Busreise ins Schullandheim ein Albtraum, von dem sie sich Jahre später noch nicht erholt haben. Wieder andere dürfen gar nicht erst mitfahren. Wie kann das sein, und was muss passieren, damit solche Reisen für uns alle als erfreuliches Ereignis in Erinnerung bleiben?

Klassenfahrt darf kein Luxus sein!

Wie üblich fängt das Problem beim Geld an: Ein Städtetrip mit Hotel und anspruchsvollem Kulturprogramm wird schnell kostspielig. Wenn Rücksicht auf Schüler:innen aus ärmeren Familien genommen wird, läuft es auf Schullandheim und Wandern hinaus. Eine finanzielle Belastung entsteht aber selbst in der heruntergekommenen Unterkunft mit der ekligen Mensa.

Die Finanzierungsmöglichkeiten sind dürftig: Schulvereine, Wohlfahrtsverbände und die Sozialfonds einiger Bundesländer machen hin und wieder etwas Kohle locker. Für Menschen, die Bürger:innengeld beziehen, gibt es Unterstützungsanträge. Aber all diese Optionen sind unsicher und es gibt viele Voraussetzungen, die zu erfüllen sind, um an Ermäßigungen zu kommen.

Die grundlegende soziale Ungleichheit, die das kapitalistische System verursacht, lässt sich sowieso nicht wegbeantragen. Auch während der Klassenfahrt kristallisieren sich Geldprobleme heraus, mehr als im gewöhnlichen Schulalltag. Während einige Schüler:innen sich noch nicht einmal einen Koffer leisten können, gehen andere vor Ort im Restaurant essen und decken sich bei Shopping-Touren mit neuen Klamotten ein. Dass die Bezuschussung das Problem nicht löst, merken wir daran, dass manche Mitschüler:innen dennoch zuhause bleiben müssen.

Statt entwürdigende Bettel-Anträge mit mäßiger Erfolgsaussicht brauchen wir eine unbürokratische, vollumfassende staatliche Kostenübernahme von Klassenfahrten – finanziert aus den Taschen der Reichen und unter Kontrolle der Arbeiter:innen! Dazu gehören müssen natürlich auch eine genießbare Vollverpflegung vor Ort, sowie Geld für Reiseutensilien und ein Taschengeld.

Kein Schulstress unterwegs!

Mitbestimmung über das Reiseziel und die Aktivitäten auf der Klassenfahrt bekommen Schüler:innen selten. Laut Gesetz müssen alle Aktivitäten der Klassenfahrt irgendwie mit dem Unterricht zusammenhängen. Hier zeigt sich der Bildungs-Chauvinismus des Schulsystems, denn natürlich ist es kein Zufall, welcher Ausflug als „sehenswürdige Hochkultur“ gilt und welcher als „nutzloser Touri-Scheiß“.

Der Leistungsdruck des Schulalltags wird bei Klassenfahrten nicht zurückgestellt, sondern sogar ausgeweitet. In Form von benoteten Referaten und Sportprüfungen wird uns allen die Woche gründlich vermiest. In einer sozial überfordernden Umgebung sollen wir dann auch noch 24/7 auf unsere Note achten.

Die Lehrer:innen betonen dabei gern, dass eine Klassenfahrt anstrengend sein darf, weil sie eben kein Urlaub ist. Aber für einige von uns ist die Klassenfahrt die einzige Reise, die wir uns leisten können, da sollte etwas Urlaub schon drin sein!

Außerdem sind schlecht geplante Sportaktivitäten nicht nur anstrengend, sondern auch gefährlich. Bei meiner Klassenfahrt in ein Skigebiet lagen am Ende 4 Mitschüler:innen mit gebrochenen Knochen in einem Krankenhaus im Ausland. Die meisten von uns hatten nicht einmal Lust auf Skifahren gehabt.

Deshalb müssen Schüler:innen in Zukunft Mitspracherecht bei der Planung der Klassenfahrt haben. Über unsere Reise wollen wir gemeinsam mit unseren Lehrer:innen entscheiden, anstatt uns von der Schulleitung oder der Schulbehörde bevormunden zu lassen! Die Kontrolle über die Lehrpläne und die Abschaffung der Schulnoten gehören zu den wichtigsten Stellschrauben für eine Klassenfahrt nach unseren Vorstellungen.

Keine Klassenfahrt ohne Inklusion!

Auf Klassenfahrten sind Schüler:innen ihren Mobber:innen mehrere Tage lang auf engstem Raum ausgeliefert, ohne Möglichkeit, zu entkommen. Angesichts dessen ist es verständlich, die Klassenfahrt nicht genießen zu können und Heimweh zu bekommen – doch das ist nur ein weiterer Anlass, um von Lehrer:innen und Schüler:innen belächelt zu werden.

Im eng getakteten Programm gibt es kaum Momente zum Ankommen, Durchatmen und Entspannen, und keine Möglichkeit, sich einzelnen Aktivitäten zu entziehen. Häufig wird sich bei Klassenfahrten an den Bedürfnissen der Schüler:innen mit der meisten Energie und der höchsten Belastbarkeit orientiert. Alle anderen müssen sich unterordnen und anpassen.

Neurodivergente und psychisch kranke Mitschüler:innen müssen die ganze Zeit über maskieren, denn Überreizung oder soziale Ängste dürfen im schulischen Kontext nicht existieren. Wenn die Situation unerträglich wird, bleibt ihnen keine andere Wahl, als ihre Diagnosen offenzulegen.

Körperlich behinderte Schüler:innen werden im Zuge von ableistischem Mobbing als Klotz am Bein abgestempelt, wenn Ausflugsziele aufgrund zahlreicher Barrieren abgeändert werden.

Bei der Planung von Klassenfahrten müssen Barrierefreiheit und Inklusion zu den wichtigsten Kriterien gehören – es ist Aufgabe des Lehrplans, das nötige Bewusstsein darüber zu vermitteln. Zusätzlich braucht es Schutzmaßnahmen wie Selbstverteidigungskurse und ein Caucusrecht, um sich gegen Unterdrückung zu organisieren.

Vertrauen statt Taschenkontrollen!

„Wenn du dich nicht benimmst, dann darfst du nicht mit auf Klassenfahrt“ ist eine gern gewählte Wichtigtuerei von Lehrkräften, um Jugendliche im Zaum zu halten – in den meisten Fällen übrigens eine leere Drohung.

Vor der Abreise nimmt die Überwachung an Fahrt auf: Lehrkräfte picken sich gern Schüler:innen heraus, deren Taschen und Koffer durchwühlt werden. Hier merken wir schnell, wer die Lieblingsschüler:innen sind und wer als „Problemkind“ identifiziert wurde.

Am Zielort angekommen geht die Entmündigung weiter, mit lächerlichen Bettruhezeiten, Handyverboten oder verpflichtendem Ausziehen am Nordseestrand. Diesen sinnlosen Regeln sollen wir uns nur unterordnen, damit wir von unangepassten Jugendlichen zu braven zukünftigen Arbeiter:innen diszipliniert werden.

Wenn Schüler:innen beim Konsum von Alkohol und Zigaretten erwischt werden, kommt es vor, dass sie direkt nach Hause geschickt werden. Das Rauchverbot auf Klassenfahrt steht einer Realität entgegen, in der viele Schüler:innen seit Jahren rauchen. Der Anstieg der jugendlichen Raucher:innen ist eine bittere Konsequenz aus Krise, Pandemie und Inflation. Die Jugendlichen werden garantiert nicht damit aufhören, nur weil sie gezwungen sind, es heimlich zu tun.

Den Alkoholkonsum aus Angst vor Strafe verheimlichen zu müssen, kann sogar noch schlimmere Folgen haben, wenn sich Schüler:innen in Notlagen dagegen entscheiden, nach Hilfe zu fragen. Wenn zusätzlich die Eltern informiert werden, bedeutet ein Geständnis nur doppelten Ärger.

Deshalb muss Schluss sein mit den entwürdigenden Taschenkontrollen! Wir brauchen eine zeitgemäße, ergebnisoffene Aufklärung zum Thema Drogen, sowie Straffreiheit für den Konsum auf Klassenfahrt! Über die gemeinsamen Regeln des Zusammenlebens soll nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden werden, sondern mit uns zusammen.

Sicherheit statt Geschlechtertrennung!

Häufig wird die engmaschige Kontrolle mit „Horrorstorys“ darüber gerechtfertigt, dass Schüler:innen auf Klassenfahrten schwanger werden würden. Natürlich könnte man mit Gelassenheit und neutraler Aufklärung reagieren, wenn Jugendliche sich dafür entscheiden, Sex zu haben.

Stattdessen wird die Vorstellung von unkontrolliert vögelnden Teenagern als Legitimation genutzt, um die Zimmeraufteilung nach Geschlechtern zu rechtfertigen. Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür nicht.

Diese billige Scheinlösung ist für alle scheiße, die nicht mit ihren besten Freund:innen ein Zimmer teilen dürfen. Besonders leiden jedoch trans Personen darunter, denen ihr Geschlecht abgesprochen wird und die als Spanner:innen abgestempelt werden.

Das Misstrauen führt jedoch nicht dazu, dass sexualisierte Gewalt bei Klassenfahrten tatsächlich geahndet wird. Solche Vorkommnisse werden eher heruntergespielt und verheimlicht, um Skandale zu vermeiden und das Gesicht der Schule zu wahren. Als ein Schüler aus dem Jahrgang unter mir eine Kamera in der Dusche der Mädchen installierte, musste er als Konsequenz lediglich die Klasse wechseln.

Um sicher vor Übergriffen zu sein, brauchen wir keine Sexfeindlichkeit und moralische Panik, sondern zeitgemäßen Sexualkundeunterricht und kostenlose Verhütungsmittel. Zusätzlich zu einer unabhängigen, von uns kontrollierten Antidiskriminierungsstelle an der Schule brauchen wir auch auf Klassenfahrt unabhängige Ansprechpersonen, um Täter:innen gemeinsam zur Rechenschaft zu ziehen.

Offene Grenzen für unsere Klassenfahrt!

Bei der Auswahl der Reiseziele geht die Ignoranz weiter: Einige Schullandheime stammen noch aus den 1930er Jahren und wurden damals für die Hitlerjugend gebaut, ohne, dass die Schüler:innen heute darüber aufgeklärt werden. Andere Reiseziele lassen als „Kinder-In***ner-Dörfer“ unreflektiert kolonial-rassistische Mythen aufleben.

Manche Klassenfahrten haben sehr rechte Gegenden oder Länder mit queerfeindlichen Gesetzen zum Ziel, wie z.B. Ungarn. Dadurch werden manche Schüler:innen einer noch größeren Gefahr ausgesetzt als ohnehin schon. Erst letztes Jahr musste eine Schulklasse eine Klassenfahrt abbrechen, weil Schüler:innen rassistisch bedroht worden waren. Für solche Fälle braucht es umfassende Sicherheitskonzepte und psychologische Hilfsangebote.

Zusätzlich werden Klassenfahrten für alle Schüler:innen zum Problem, die keinen deutschen oder europäischen Pass haben. Zwar gibt es spezielle Verfahren, die es Schüler:innen ermöglichen, ohne Pass mitzufahren, dennoch ist das mit Risiken bei der Wiedereinreise verbunden. Dazu kommt die Gefahr von Racial Profiling an Grenzübergängen, also rassistischer Gewalt bei Polizeikontrollen. In Lehrer:innen-Foren wird teilweise empfohlen, geflüchtete Schüler:innen nicht mit ins EU-Ausland zu nehmen, z.B. nach Großbritannien.

Im aktuellen Bildungssystem wird solchen Problemen „vorgebeugt“, indem migrantische Schüler:innen in sogenannte „Willkommensklassen“ ausgesondert werden und gar nicht erst mit auf Klassenfahrt dürfen. Statt rassistischer Segregation und Abschiebung fordern wir gemeinsamen Unterricht, offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle unsere Mitschüler:innen!

Religionsfreiheit erkämpfen!

Eine Klassenfahrt, auf der Gebete verboten werden oder keine Zeit dafür eingeplant wird. Ein Schullandheim, in dem ohne Alternativen Schweinefleisch serviert wird. Der obligatorische Besuch in der örtlichen Kirche. Besonders mies kann sich das auf Schüler:innen muslimischen oder jüdischen Glaubens auswirken.

Der Rechtsruck macht vor den Schüler:innen keinen Halt: Erst vor wenigen Wochen gelangte eine deutsche Schulklasse in die Schlagzeilen, nachdem sie bei einer Klassenfahrt zur Gedenkstätte Auschwitz Videos mit Hitlergrüßen veröffentlicht hatte. Nicht selten kommt es vor, dass auch Lehrkräfte im Namen von Zusammenhalt und Klassengemeinschaft über solche „Späße“ hinwegblicken. Wenn man das hört, ist es fast schon ironisch, wenn die Bundeswehr ihre Jugend-Camp mit einer Klassenfahrt vergleicht.

Was wir brauchen ist eine richtige Aufarbeitung des Faschismus und Kolonialismus im Unterricht: Das Erinnern darf nicht als Rückblick auf „abgeschlossene Zeiten“ betrachtet werden. Der Geschichtsunterricht muss uns auch die theoretische Grundlage für die organisierte Bekämpfung des aktuellen Rechtsrucks vermitteln. Dazu gehört auch der Kampf für Religionsfreiheit an unseren Schulen und auf unserer Klassenfahrt!

Hat dieser Artikel unangenehme Erinnerungen hervorgerufen und dich wütend gemacht? Willst du gemeinsam mit uns Wege finden, unsere Forderungen in die Tat umzusetzen? Möchtest du die Klassenfahrt nachholen, die du in der Schule nie haben durftest? Dann melde dich jetzt zu unserem Sommercamp an! Hier kommst du zur Anmeldung!




Ein neues Wir-Gefühl – mit dem Klassenfeind?

Von Maximilian Macht und Felix Ruga

Menschenmassen mit Deutschlandfarben im Gesicht bemalt oder schwarz-rot-goldene Mützen oder Fahnen sieht man nicht nur bei den vielen organisierten Public Viewings, sondern auch in Restaurants, Kneipen oder Spätis, wo die EM-Spiele übertragen werden. Falls ein Tor fällt oder das Spiel gewonnen wird, hört man lautstark den Namen des Landes und vielleicht gibt’s sogar am Ende ein Autokorso oder ein Feuerwerk. In der Halbzeit kommen dann die Tagesthemen, in denen es darum geht, dass Scholz es jetzt mit aller Gewalt versucht, doch noch Abschiebungen in „sichere“ Drittstaaten zu ermöglichen. Oder Pistorius erklärt uns, dass es mit der Kriegstüchtigkeit endlich mal vorwärts gehen müsse, damit Deutschland „Verantwortung übernehmen“ kann.

Die meisten in der radikalen Linken werden sich verständlicherweise von Fanzonen und einem Check24-Trikot fernhalten. Aber wie sollten wir politisch dazu stehen und welche Fragen wirft das für uns auf?

Endlich unverkrampft

Bis noch vor gar nicht allzu langer Zeit hatte es noch etwas Anrüchiges, wenn man stolz die schwarz-rot-gelbe Fahne im Garten stehen hatte oder sich damit einhüllte. Das war eher etwas, was man mit rechtem Gedankengut verbunden hat, und sicherlich hat es auch heute noch was davon, auch wenn es sich ändert. Denn mit der Wiedervereinigung, dem damit verbundenen nationalistischen Taumel und der Neuausrichtung des deutschen Imperialismus wurde hier eine Bresche geschlagen, und das hat das „Sommermärchen“, also die Fußball-WM 2006 in Deutschland, vollends normalisiert. Damals wurde voller Begeisterung von Presse und Politik verkündet, dass man nun endlich wieder ohne politische Hintergedanken patriotisch und stolz auf Deutschland sein dürfe. Bei diesem Gefühl hat zum einen der millionenfach verkaufte Deutschland-Merch von Fähnchen bis Autospiegelüberzieher eine große Rolle gespielt, aber auch das erstmalige Aufkommen von großangelegten Public Viewings, bei denen man in der Sonne mit seinen Freund:innen, der Familie und hunderten anderen Leuten das Spiel geguckt hat und so eine Volksfest-Stimmung aufgekommen ist.

Und das ist mit Sicherheit auch der größte Reiz, weswegen internationale Fußballturniere so massenhaft die Menschen bewegt: Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, denn alle sind jetzt hier auf der gleichen Seite, nämlich „für Deutschland“. Wenn man mal kritisch nachfragt, werden viele auch erstmal sagen, dass es dabei vor allem darum geht, dass man halt gemeinsam die Fußballmannschaft („unsere Jungs“) unterstützt. Aber auch, dass es halt normal sei oder sein sollte, dass man „sein Land“ unterstützt. Und sowieso ruft man ja auch nicht „Olé DFB!“, sondern „Deutschland, Deutschland!“. Auch wenn es für Viele in erster Linie ein spaßiges Event zu sein scheint, normalisieren und verbreiten sich damit nationalistische Annahmen von Zugehörigkeit und „wir gegen die“.

Nationalismus und seine Funktion

Nationalismus schafft ein verfälschtes Gemeinschaftsgefühl von Familie, Heimat und dessen „Schutz“. In der Realität sind das aber höchst widersprüchliche Dinge und mit Sicherheit nicht die wohlig-weichen Gemeinschaften, wie sie von bürgerlicher Seite gemalt werden: In der Familie reproduziert sich die Unterdrückung von Frauen, von queeren Menschen und von Jugendlichen. „Das Heimatland“ wird bestimmt und kontrolliert durch das Kapital und seinen Staat und damit auch sicherlich nicht „unser Land“. Und „Schutz“ eben dieser bedeutet meist Angriff auf äußere und innere „Feinde“, also Krieg und Repression. 

Dennoch spielen diese Vorstellungen eine sehr wichtige Rolle für den Kapitalismus, nämlich als eine ideologische Grundlage der Verblendung und Ausbeutung, um seine Existenz zu sichern. Nationalismus zu stärken ist in Krisenzeiten vom Kapitalismus eine wichtige Technik des bürgerlichen Staates, denn die „notwendigen“ Sparmaßnahmen, kriegerischen Entbehrungen und Angriffe auf die demokratischen Rechte müssen ja irgendwie gerechtfertigt werden, da sie offensichtlich gegen die Interessen der großen Mehrheit der Gesellschaft, der Arbeiter:innenklasse, stehen. Also sagen Staat und Kapital: „Schaut her, wir sind doch alles Deutsche und wir müssen nun gemeinschaftlich die Interessen Deutschlands vertreten“, was zuverlässig immer bedeutet, sich den Interessen des Staates und des Kapitals unterzuordnen, indem man sich den „Notwendigkeiten“ der internationalen Konkurrenz ergibt. Letztendlich geht es darum, die Arbeiter:innenklasse in solchen Momenten ideologisch zu integrieren und zu spalten, ob durch Rassismus, Sexismus oder Anderem, um diese verstärkt auszubeuten. Das Kapital versucht also, reelle Gemeinschaften und Solidarität mit Mystischen zu ersetzen.

Rassisten und ihre Widersprüche

Für die Spieler ist es ein Moment, in welchem sie sich als nationalistisches Aushängeschild des Staates hergeben müssen, um im Wettbewerb gegen andere zu gewinnen. Für diesen Wettbewerb stellt der deutsche Staat seinen Rassismus momentan beiseite, um nicht-weiße Spieler für sich spielen zu lassen, um dann kurz davor wieder Rassismus als Wahlkampfthema Nummer eins zu verwenden. Deutlich wird dies durch die Kommentare von Olaf Scholz, welcher vor einiger Zeit forderte, wieder „im großen Stil abzuschieben“. Gleichzeitig seien die Spieler „alles Deutsche“ und „unsere Jungs“, um ein Zeichen gegen den Rassismus jener 30 % zu setzen, welche sich laut einer Umfrage der ARD wünschten, weniger Menschen mit Migrationshintergrund in der Nationalmannschaft zu haben. Problematisches Verhalten von Fans im Kontext von „Wir gegen die“ schlägt nicht selten in offenen Rassismus um, wenn nun ein Spieler die „Frechheit“ hat, bei der Nationalhymne nicht mitzusingen oder schlichtweg nicht wie erhofft performt, oder ein anderer Fan die falsche Fahne mit sich trägt.

Mit dem internationalen Rechtsruck ist ein Anwachsen von Nationalismus für Rechte vorteilhaft, und die EM kommt dort sehr gelegen. Denn auch innerhalb des bürgerlichen Lagers gibt es einen Kampf darum, welche konkrete Bedeutung nun der deutsche Nationalismus haben sollte. Liberale sprechen davon, dass Deutschland ja jetzt zeigen könnte, wie offen, gastfreundlich und tolerant es sei, und dass das sei, was man meine, wenn man „stolz auf Deutschland“ ist. Ausdruck dessen sollte auch das neue, pinke Ausweichtrikot sein, das laut dem ehemaligen DFB-Geschäftsführer Bierhoff „den Nerv der Kids“ treffen sollte, also gewissermaßen dem etwas angestaubten Nationalismus neuen Lack verleihen. Die Rechten sehen das natürlich anders: Nicht nur gab es online schwere Wutausbrüche wegen des Trikots, was als „unmännlich“ wahrgenommen wird. Die AfD will den Pride Month zum „Stolzmonat“ umdeuten und dieser fällt dieses Jahr in die EM. Maximilian Krah sagte deshalb, dass der Stolzmonat das „Gegenmodell zum Pride Month, zur Pride EM, zum Regenbogen“ sei.

Was machen wir daraus?

Aus all dem sollte klar geworden sein: Diesen nationalistischen Taumel zu jeder WM und EM sollten wir kritisieren und ablehnen. Aber es macht dabei keinen Sinn, uns über die einzelnen Fans zu erheben und dafür zu maßregeln, denn die Allermeisten gehören zur Arbeiter:innenklasse und haben den nachvollziehbaren Wunsch, in einer widersprüchlichen und unterdrückerischen Gesellschaft etwas Gemeinschaft zu erleben und einfach für ein paar Stunden eine gute Zeit zu haben, auch wenn man dabei als Linke ziemlich Bauchschmerzen haben dürfte. Im privaten Umfeld kann es auch durchaus sinnvoll sein, etwas kritische Reflexion anzustoßen. Auf politischer Ebene sollten wir aber selbstverständlich dagegen agitieren, wenn dies in rassistischen oder sexistischen Angriffen mündet – sei es von Fans oder der Regierung, die die EM-Stimmung als Rückendeckung missbraucht.

Vielmehr macht es eine Frage für fortschrittliche Kräfte auf: Wie können wir selbst kollektive Erlebnisse der Gemeinschaft schaffen? Neben massenhaften politischen Aktionen können solche Dinge wie Fußball dabei sogar eine Rolle spielen: Denn Fußball ist gewissermaßen ein Sport der Arbeiter:innenklasse, ein Massensport mit Vereinsstrukturen mit 7 Millionen Mitgliedern allein in Deutschland. Fußball hat erst so eine große gesellschaftliche Relevanz bekommen, als die Arbeiter:innen sich den 8-Stunden-Tag und höhere Löhne erkämpft haben, denn so war nach der Arbeit Zeit, zum Training zu gehen und samstags zum Spiel. Man muss sich dafür nur mal angucken, wann die meisten großen Vereine gegründet wurden.

Andererseits ist der Fußball fest unter der Kontrolle des Kapitals. Dagegen müssen wir auch kämpfen, um uns den Fußball wie den Sport allgemein zurückzuholen. Hierbei macht es zum einen Sinn, uns die Geschichte der Arbeiter:innensportvereine ins Bewusstsein zu rufen, aber auch als klassenbewusste Jugendliche und Arbeiter:innen organisiert in den existierenden Vereinen und Verbänden zu wirken, dabei den Sport zu politisieren, zu demokratisieren und den Einfluss des Kapitals zurückzudrängen. Letztendlich muss es gesellschaftlich darum gehen, den Breitensport gegenüber dem Spitzensport zu fördern, zu verallgemeinern und für weite Teile des Proletariats überhaupt erst zu ermöglichen. Damit würde auch den Spitzenwettbewerben gänzlich ihr Charakter als unerreichbare und vergötterte Ereignisse verloren gehen. Somit könnten wir diesen passiven Konsumnationalismus des Fernsehschauens ersetzen durch echte und erlebte Gemeinschaft, was letztendlich nur durch die Überwindung der gesamten Ausbeutergesellschaft vollends möglich wird!




Was ist eigentlich antimuslimischer Rassismus und woher kommt er?

Von Dilara Lorin und Stephie Murcatto, April/Mai 2024, Revolution Zeitung 2/2024

„Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse!“

Dass die rechtsextreme AfD-Abgeordnete Alice Weidel diesen Satz im Bundestag gesagt hat, ist noch gar nicht so lange her. Lehrer:innen, die deine Hijab tragenden Mitschüler:innen verbal angreifen und fragen, ob sie dazu gezwungen wurden und das Kopftuch wieder abnehmen sollen, bis hin zu Sprüchen wie „Na bekommt dein Gehirn darunter noch Luft“. Oder die Wohnungssuche, bei der Vermieter:innen einen Lukas einem Hamid vorziehen, obwohl beide die gleichen Unterlagen vorlegen, was zu offener Diskriminierung und Benachteiligung führt und auf dem Arbeitsmarkt nicht anders aussieht. Dies sind nur Bruchstücke des antimuslimischen Rassismus, mit dem viele Menschen tagtäglich konfrontiert sind. Dabei hat sich die Lage in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 verschlechtert, indem alle Muslim:innen unter Generalverdacht gestellt werden. Vize-Kanzler Robert Habeck fordert in einer Ansprache alle Muslim:innen dazu auf, sich zum 7. Oktober zu verhalten und Israel als Staat anzuerkennen. Würde dem nicht Folge geleistet, könnten sie Gefahr laufen, ihren Aufenthaltstitel zu verlieren. Der Generalverdacht, der von allen Seiten der deutschen Politik kommt, ist ein Schlag ins Gesicht der 5,3 – 5,6 Millionen in Deutschland lebenden Muslimen (ungefähr 6,4 – 6,7 Prozent der deutschen Bevölkerung). Doch was ist antimuslimischer Rassismus und woher kommt er? Um dies zu verstehen, müssen wir uns zuerst anschauen, was Rassismus ist:

Was ist Rassismus?

Eines ist klar: Rassismus ist kein Produkt der „menschlichen Natur“ und auch nicht Ausdruck einer „tief verwurzelten Angst vor dem Fremden“. Vielmehr ist Rassismus eng mit der Entstehung bürgerlich-imperialistischer Nationalstaaten verbunden. In einer Zeit, in der der Kapitalismus einen Weltmarkt schuf und die Nationalstaaten neue Märkte erschließen mussten, wuchs aufgrund der kolonialen Ausbeutung das Bedürfnis nach Erklärungen, die die „Unzivilisiertheit“ dieser Menschen konstatierten und sie damit zu ewigen „Dienern des weißen Mannes“ machten. Damit war der Boden bereitet für die pseudowissenschaftliche Erklärung ihrer „Minderwertigkeit“ durch den Rassenbegriff. Rassismus übersteigt jedoch bloße sprachliche oder kulturelle Kategorisierungen und nutzt phänotypische Merkmale wie zum Beispiel Hautfarbe und Kopfform, um Menschen in vermeintlich feste Gruppen einzuteilen. Der Rassenbegriff diente als effizientes Werkzeug für bürokratische Grenzziehungen und demagogische Mobilisierung. Der Rassismus ermöglicht auch die Zuteilung unterschiedlicher Rechte je nach Zugehörigkeit zu einer „rückständigen“ oder „zivilisierten“ Nation oder Nationalität. Damit wird die ethnische Zugehörigkeit zu einem imperialistischen „Staatsvolk“ positiv und die zu allen anderen negativ bewertet, was zu einer Abwertung der Angehörigen unterdrückter Nationen führt. Rassismus ist tief in unserem gegenwärtigen Herrschaftssystem verankert. Die materielle Basis des Rassismus‘ in der Arbeiterklasse ist die massenhafte Überausbeutung in den Halbkolonien, die einem Teil der Arbeiterklasse in den imperialistischen Ländern einen gewissen Wohlstand zu garantieren scheint.

Was zeichnet antimuslimischen Rassismus aus?

Dabei handelt es sich um eine Form des Rassismus, der sich nicht nur gegen religiöse Sympathien und Praktiken richtet, sondern gleichzeitig Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft rassifiziert und dem Islam zuordnet. Antimuslimischer Rassismus und Islamophobie machen den:die „Muslim:in“ zu einer unveränderlichen Sache, sodass Menschen verschiedener Nationalitäten und sogar Glaubensrichtungen als „muslimisch“ charakterisiert werden. Somit trifft antimuslimischer Rassismus nicht nur Muslim:innen sondern auch diejenigen, die scheinbar „muslimisch“ aussehen oder Menschen sind, die aus einem Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung stammen. Dabei hat der antimuslimische Rassismus einen ähnlichen Zweck wie der Rassismus: Spaltung der Arbeiter:innenklasse und herausentwickeln einer prekären Schicht dieser, Trennung des Arbeitsmarktes und Legitimation von Kriegen und imperialistischen Interessen. Durch die Spaltung der Arbeiter:innenklasse wird einerseits eine einheitliche Masse der Ausgebeuteten verhindert und andererseits können jene Arbeiter:innen besser ausgebeutet werden, die aufgrund ihrer Rassifizierung nicht die gleichen Rechte erhalten. Die Verbindung der Diskriminierung von Arbeitsmigrant:innen mit ihrer rassistischen Brandmarkung als „Muslimin:innen“ stellt diese als „Gefahr“ für „zivilisierte“ Gesellschaften dar. Diese Charakterisierung wird zunehmend von Rechtsextremen aufgegriffen und mit Verschwörungsideologien verknüpft. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte „Islamisierung des Abendlandes“, wegen der angeblich muslimische Einwanderung stattfindet, um die weiße Bevölkerung zu marginalisieren. So soll die Abschottung und Rückführung von Geflüchteten besser gelingen. Letztendlich sind alle Formen von Islamophobie und antimuslimischem Rassismus rassistische Ideologien, die der Unterdrückung von eingewanderten und geflüchteten Arbeiter:innen dienen sowie einen ideologischen Deckmantel für „humanitäre“ Interventionen in Halbkolonien oder die Unterstützung des zionistischen Staates rechtfertigen.

Wie ist der antimuslimische Rassismus entstanden?

In den letzten Jahren hat sich der Rassismus gegen Muslim:innen und die Islamophobie erheblich verändert, wodurch dem antimuslimischen Rassismus ein anderer Charakter verliehen wurde. Seit den 2000er Jahren können wir erkennen, dass der antimuslimische Rassismus eine dominierende Form des Rassismus in den imperialistischen Ländern eingenommen hat. Dies hat seine Ursache in verschiedenen historischen Entwicklungen. Eine davon ist der Zusammenbruch der Sowjetunion, der die Weltlage schlagartig verändert und die USA dazu veranlasst hat, die Welt neu ordnen zu wollen, um ihre Hegemonie und ihre Machtansprüche zu sichern. In den USA wurden in dieser Zeit immer mehr Bücher und Publikationen veröffentlicht, die Wege und Strategien für die Hegemonie der USA skizzieren. Dabei wurden vor allem andere imperialistische Länder wie China und Russland als Rivalen dargestellt und Strategien veröffentlicht, die verhindern sollten, dass diese Länder die Hegemonie der USA angreifen können. Eines dieser rassistischen Bücher war Huntingtons Clash of Civilisations (Kampf der Kulturen), das auch den „Islam“ als einen Imperialismus beschrieb, der sich zu einem globalen Rivalen entwickeln könnte, und das voller rassistischer Ideologie war. Dabei ist der Islam weder eine wirtschaftliche Einheit noch eine Nation oder eine Föderation von Nationen. Er ist kein Rivale um die Weltmacht. Aber er eignet sich gut als globaler Feind, der sowohl intern als auch extern ist. Nach den Angriffen am 11. September 2001 wird diese Ideologie dann genutzt, um den sogenannten „war on terror“ zu legitimieren und dutzende imperialistische Kriege wie in Afghanistan, auf vermeintlich muslimische Länder im Mittleren Osten, aber auch überall in der Welt zu legitimieren. Außerdem bietet es nicht nur eine ideologische Rechtfertigung für die Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens, sondern auch für die polizeiliche Überwachung und Stigmatisierung der muslimischen Bevölkerung. Dafür mussten der „Islam“ und der „Islamismus“ als einheitliches Gebilde konstruiert werden, um somit einen homogenen, gefährlichen und barbarischen Feind zu kreieren, dessen Anhänger:innen zu einer rückständigen Kultur gehören, die nicht in die moderne, demokratische Gesellschaft integrierbar ist. Dass im Islam selbst unterschiedliche Schulen und Glaubensauslegungen vorherrschen, beispielweise Unterschiede zwischen Schiiten und Sunniten, spielt dabei gar keine Rolle. Dabei wird oft von allem Islam als Islamismus gesprochen, ohne zwischen echtem Islamismus (politischem Islam) und dem Islam als bloßer Religion zu unterscheiden. So werden die in Deutschland stattfindenden Pro-Palästina-Demonstrationen von Robert Habeck als islamistisch bezeichnet, obwohl es sich bei den Organisatoren größtenteils um säkulare, linke Organisationen handelt.

Situation von Muslim:innen

Insgesamt gehört die Mehrheit der Muslim:innen in der EU zu den prekären Teilen der Arbeiter:innenklasse: So ist die Arbeitslosenquote unter türkischen Arbeiter:innen in Deutschland oder unter pakistanischen und bangladeschischen Arbeiter:innen in Großbritannien um 15 bis 40 Prozent höher als im nationalen Durchschnitt; man kann also sagen, dass die Arbeitslosenquote unter Migrant:innen und Muslim:innen (soweit getrennte Daten vorliegen) wesentlich höher ist als im nationalen Durchschnitt. Dadurch wird deutlich, dass Muslim:innen systematischer Unterdrückung, Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt sind, was als Folge Ghettoisierung mit sich bringt.

Auf dem Arbeitsmarkt und in der Schule erleben Migrant:innen und Muslim:innen alltägliche Diskriminierung und Unterdrückung aufgrund ihrer Herkunft und Religion, auch wenn es in vielen Ländern oberflächliche Antidiskriminierungsgesetze gibt, die nicht verhindern, dass z. B. die Arbeitssuche für Migrant:innen mit Kopftuch wesentlich schwieriger ist als für weiße Frauen ohne Kopftuch. Auch in der Schule ist es für Schüler:innen aufgrund ihrer sozialen Lage schwieriger, akademische Erfolge zu erzielen, was insgesamt dazu führt, dass Muslim:innen (und Migrant:innen insgesamt) tendenziell in schlechter bezahlten Sektoren arbeiten als weiße Arbeiter:innen.

Wir wollen im zweiten Teil der Artikelreihe zu antimuslimischem Rassismus genauer darauf eingehen, was wir tun können, um dagegen anzukämpfen. Welche Forderungen sollten wir im Kampf aufstellen? Wieso ist der Kampf für Religionsfreiheit für alle wichtig? Seid gespannt.




Neben mir sitzt ein Nazi, was soll ich tun?

von Brokkoli Bittner, Juni 2024

Europa hat gewählt und Europa hat mehrheitlich rechts gewählt. Diesmal durfte in Deutschland sogar ab 16 gewählt werden. Das ist erstmal ein Erfolg. Doch hat die Wahl ebenso gezeigt, dass Jugendliche nicht automatisch für eine freiere und sozialere Welt einstehen. Im Gegenteil: Auch ein Großteil der Jugend hat Rechts gewählt. Unter den 16- bis 24-Jährigen hat die AfD 11 Prozent dazu gewonnen und die CDU 5 Prozent. Diese sind damit stärkste Kräfte unter Jugendlichen. Dass die Grünen für ihren Verrat an der Klimabewegung mit einem Verlust von 23 Prozent abgestraft wurden, ist angesichts dieser Rechtsentwicklung nur ein schwacher Trost. Auch die Linke, zu deren kritischer Wahlunterstützung wir aufgerufen haben, hat 2 Prozent unter Jugendlichen verloren. Doch diese Wahlergebnisse überraschen uns nicht, denn gerade für migrantisierte und queere Jugendliche war schon vor der Wahl klar: Die Jugend ist auch vom Rechtsruck betroffen und das merken wir auch täglich. Es sind nicht nur Lehrer:innen, die sich über migrantische Mitschüler:innen lustig machen. Es ist nicht allein das rassistische Bildungssystem, welches unsere Mitschülis migrantisiert und ihnen das Leben zur Hölle macht. Es sind eben auch unsere Mitschülis, die Hakenkreuze in Tische ritzten, „Ausländer raus“ auf Insta-Posten oder trans Personen gewaltvoll angreifen. Der Rechtsruck macht vor unseren Schulen und eben auch vor unseren Mitschülis keinen Halt. Und auch hier muss unser Kampf ansetzen. Doch wie schaffen wir das? Wie können wir verhindern, dass wir jeden Tag aufs Neue Hakenkreuze übermalen müssen, weil unsere Mitschülis endlich mal verstanden haben, dass es scheiße ist?

Was die Schule mit dem Rechtruck zutun hat

Zuerst ist es wichtig zu verstehen, dass, anders als wir es beigebracht bekommen, politische Einstellungen im Jugendalter nicht einfach Phasen sind, die zur Entwicklung dazu gehören. Jugendliche sind in der Lage, sich selbst Positionen zu bilden. So ist unser Nazimitschüler auch nicht in einer Phase, die er durchleben muss, sondern er ist einfach überzeugt von einer menschenfeindlichen Ideologie. Das ist wichtig zu verstehen, denn wenn wir sagen, es sei eine Phase, nehmen wir das Problem von Rechten in der Schule einfach nicht ernst. Andererseits sprechen wir Jugendlichen damit auch wieder einmal ab, eigene Entscheidungen treffen zu können. Doch diese eigenen Entscheidungen können eben auch scheiße, falsch und sogar rassistisch sein.

Wenn Teile deiner Klasse zu Klassenfeinden werden, kommt damit eine extreme Wut in uns auf. Man glaubt vielleicht, dass ein paar Schellen ausreichen, damit sie die Scheiße nicht wieder sagen. Aber jede:n Rechte:n zu verhauen in einer Gesellschaft, die nach rechts rückt, ist leider nicht so einfach. Hinzu kommt noch, dass sich rechte Ideologien nicht aus den Menschen herausprügeln lassen. Wir müssen uns deshalb mit den Ursachen des Rechtsrucks beschäftigen, als denen eine zu drücken, die diese Ideologie reproduzieren. Ein Grund dafür, dass sie es so leicht haben, ist, dass unsere rechten Mitschüler:innen von der Schule gar nicht so ungewollt sind, wie sie es tut. Natürlich tut die Schulleitung ganz schockiert, wenn jemand auf dem Schulhof den Hitlergruß zeigt. Von systematischem Rassismus oder gar faschistischen Strukturen hat man aber nie etwas mitbekommen. Und wenn in unseren Schulen Podiumsdiskussionen mit der AfD stattfinden, dann ist es für die Schulleitung klar, dass diese Meinung auch einen Platz bekommen muss. Es sind ihre Vorurteile gegenüber migrantisierten Menschen, die unsere Mitschülis nachlabern. Es ist ihre soziale Selektion, die unsere Mitschülis für biologisch gegeben halten. Es ist ihr heterosexueller Sexualkundeunterricht, den unsere Mitschülis für natürlich halten. Es ist ihr struktureller Rassismus, den unsere Mitschülis reproduzieren. Ein Kampf dem Nazi-Sitznachbarn muss also auch ein Kampf dem kapitalistischen System sein, das den Rassismus braucht, um zu existieren.

Krise & Rechtsruck Hand in Hand

Es ist nämlich genau die Krise dieses Systems, die dazu führt, dass die Rechten aktuell so stark sind. Sie erstarken genau dann, wenn der Lebensstandard vieler Leute durch Inflation und soziale Kürzungen schlechter wird, es keinen entschlossenen Kampf dagegen von links gibt und sich die Rechten als einzige Alternative dagegen präsentieren können. Die Bundesregierung versucht genau diesen Zusammenhang zwischen der Stärkung der AfD und ihrer Politik zu verschleiern und den Rechtsruck als Bildungsproblem darzustellen. Doch die AfD hat unter Jugendlichen nicht allein gewonnen, weil sie sich einen TikTok-Account angelegt hat. Sondern weil sie so tut, als hätte sie Lösungen für unsere Probleme. Schuld daran, dass du keinen Ausbildungsplatz bekommst, sei nicht die kapitalistische Krise, sondern eben „die Ausländer“. Es ist also kein Wunder, dass die Rechten gerade unter Jugendlichen, die nochmal mehr von der Krise betroffen sind, weil diese auf ihre Kosten ausgetragen wird, gewinnen.

Um die Rechten also zu stoppen, muss es ein Stoppen der Kürzungspolitik geben – die Kürzungspolitik der Ampel, die Schulen unterfinanziert und Jugendclubs dicht macht. Vielmehr sollten nicht wir für ihre Krise zahlen, sondern die Reichen! Dann werden auch weniger von uns den Rechten in die Arme getrieben. Klar ist also: Ein Kampf gegen Rechts ist auch ein Kampf für Masseninvestitionen statt für Kürzungen im sozialen Bereich und der Bildung. Doch wie schaffen wir das?

Organisieren an der Schule gegen Rechtsruck und Krise!

Um gegen die Kürzungspolitik zu kämpfen, müssen wir uns an unseren Schulen zusammentun. Dafür braucht es gemeinsame Aktionen. Anlass dafür können zum Beispiel die entlassenen Sozialarbeiter:innen sein, die kaputte Turnhalle oder das teure Mensaessen. Es können aber die Hakenkreuz-Schmierereien sein. Diese könnte man dann also, anstatt alleine zu crossen, mit seinen Freund:innen überstickern, mit Stickern der Jugendorganisation deines Vertrauens. Geht wahrscheinlich dann sogar schneller und macht vielleicht sogar Spaß. Nach so einer Aktion kann man dann ein gemeinsames Treffen machen, wo man darüber redet, wie man in Zukunft damit umgeht und wie man den Rechtsruck bekämpft. Dazu kann auch gehören, gemeinsam zu großen Antifa-Aktionen zu fahren, wie zu den Blockadeaktionen gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen. Dort können wir gemeinsam aufzeigen, dass es mehr braucht als „Nazis raus“, bzw. dass unserer „Nazis raus“ auch einen gemeinsamen Kampf mit Gewerkschaften und linken Parteien gegen Kürzungen und für Masseninvestitionen in Bildung bedeutet.

Der Rechtsruck kann nur durch eine Massenbewegung gestoppt werden, die sich nicht nur einmal im Jahr in Essen trifft, sondern in Schule, Uni und Betrieb verankert ist. Unsere Organisierung an der Schule ist deshalb ein wichtiger Schritt, um eine solche Bewegung aufzubauen. Denn das ist der Ort, wo wir täglich die Krise spüren, also müssen wir uns auch dort gegen diese organisieren. Eine soziale Forderung, die wir an Schulen erkämpfen können, ist zum Beispiel, dass die Schülis und Lehrkräfte über das Mensa-Essen und den Preis entscheiden können. Ebenso aber auch die Kontrolle über die Lehrpläne, die aktuell noch Rassismus und Queerfeindlichkeit reproduzieren und Kritik am Kapitalismus maximal in die Politik-AG verbannen. Wenn wir uns außerdem zusammentun, müssen wir auch weniger Angst vor rechten Mitschülis, Lehrer:innen oder Stress mit der Schulleitung haben. Einmal, weil man keine 30 Leute von der Schule werfen kann, aber auch weil wir uns zusammen uns bei Angriffen von Rechten verteidigen können.

Denn es ist der traurige Alltag, dass Unterdrückte angegriffen werden. Angst auf dem Nachhauseweg vor Angriffen von seinen eignen Mitschülis zu haben, ist längst Realität geworden. In den meisten Fällen haben wir nicht mal irgendwas zum Selbstschutz dabei, weil das in unseren Schulen als Waffen gilt und somit verboten ist. Klar ist auch, dass, wenn wir angegriffen werden, das Rufen der Bullen kaum etwas bringen wird. Denn die Bullen sind die, die doch selbst jeden Tag migrantisierten Menschen das Leben zur Hölle machen. Ausrechnet sie werden wohl kaum wen anderes davon abhalten. Wir brauchen also Strukturen, die nicht Teil dieses rassistischen Staates sind, der tagtäglich neu die Saat für den aktuellen Rechtsruck pflanzt. Wir müssen selbst eigene Strukturen an unseren Schulen aufbauen. Die Strukturen müssen die Schülis befähigen, sich selbst gegen Angriffe zu verteidigen, wenn Rennen nichts mehr bringt. Diese Strukturen müssen aber auch, wenn es zu Angriffen kommt, die Opfer unterstützen, und das heißt auch, als Gruppe organisiert Angriffe abzuwehren.

Wir finden es gut, wenn solidarische Lehrkräfte Räume zur Verfügung stellen, aber wir sollten nicht davon ausgehen, dass das passiert. Genauso, wie Orte und Strukturen zur Abwehr von Angriffen aufgebaut werden müssen, braucht es auch Strukturen, die diskriminierende Vorfälle sammeln und Maßnahmen dagegen beschließen können. Diese Stelle muss von den Schülis demokratisch gewählt, aber unabhängig von der Schule organisiert werden. Diese Informationen sollen nicht für die Schulleitung gesammelt werden, sondern die Schülis selbst sollen entscheiden können, wie sie damit umgehen wollen. Wie genau eine solche Antidiskriminierungsstelle aussehen und wie man sie erkämpfen kann, erfahrt ihr in unserem Artikel dazu auf unserer Homepage.

Lasst uns diesen Schock nach der Wahl für mehr nutzen als 2 Insta-Storys. Die Rechten bekämpfen wir nicht im Netz sondern auf der Straße, in der Schule, Uni und im Betrieb!




Gegen Pistorius’ „freiwillige“ Wehrpflicht: Die Herrschenden wollen Krieg, wir wollen eine Zukunft!

von Pippine Garterbelt, Juni 2024

Boris Pistorius (Bundesminister der Verteidigung, SPD) warnt vor einem nahenden russischen Angriff auf die NATO und stellte daher am Mittwoch, dem 12.06.2024, seine Pläne für ein neues Wehrdienstmodell vor. Diese Pläne sehen vor, dass in Zukunft alle Jugendlichen nach ihrem 18. Geburtstag einen Online-Musterungsbogen von der Bundeswehr zugesendet bekommen. Männer zwischen 18 und 25 Jahren sind dann nach diesem Gesetz verpflichtet, diesen Bogen auszufüllen und zurückzusenden. Wenn man dann im Zuge dessen genügend Motivation und Kriegstauglichkeit zeigt, wird man verpflichtend zur Musterung eingeladen, also einer Untersuchung zur Eignung zum Wehrdienst. Dass man dann schlussendlich zum Dienst an der Waffe verpflichtet wird, lehnt Pistorius noch ab. Frauen wird dieser Bogen auch zugesendet. Sie sollen jedoch nicht verpflichtet sein, diesen Musterungsbogen auszufüllen und wieder zurückzusenden. Das alles entspricht einer ersten Stufe wieder zurück zur Wehrpflicht, das heißt: der massenhaften Mobilmachung von Arbeiter:innen und Jugendlichen, um als Soldat:innen für die Interessen der Herrschenden zu morden – und zu sterben.

Also jetzt doch?

Denn am Ende des Tages sind es wir, die Jugend, die ihr Leben gefährden und für die Herrschenden in den Krieg ziehen und mörderische Konflikte in ihren Namen bestreiten müssen. Mit dem neuen Wehrdienstmodell möchte die SPD jährlich 40.000 bis 50.000 neue Soldaten rekrutieren. Dies sei notwendig, um einen Krieg gegen Russland zu bestehen, sagt Pistorius. Er vermutet einen Angriff Russlands bereits im Jahr 2029. Bis dahin möchte er die Zahl der Reservist:innen auf 460.000 erhöhen – also mehr als verdoppeln. Betont wird, dass das Modell keine neue Wehrpflicht sein soll, sondern auf Freiwilligkeit basieren soll. Netterweise wirst du in dem Musterungsbogen, zu dessen Ausfüllen du gezwungen wirst, nämlich auch gefragt, ob du überhaupt Interesse an der Bundeswehr hast. Bekommst du eine Einladung zur Musterung, ist die zwar deine Pflicht, aber hey, wenigstens wirst du mit einem Kreuzchen mal nach deiner Meinung gefragt. Parteien wie die CDU/CSU, SPD und AfD positionieren sich klar für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. So schreibt die CDU/CSU in ihrem neuesten Grundsatzprogramm: „Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen […] Das Bekenntnis zur Wehrpflicht ist ein wichtiges Bekenntnis zur Stärkung der Bundeswehr.“ Die Pläne der SPD sind als vorbereitende Maßnahmen für eine langsame Wiedereinführung der Wehrpflicht einzuordnen. SPD, FDP und Grüne betonen die Wichtigkeit der Freiwilligkeit beim Wehrdienst und schaffen Anreize, sich noch länger als die vorgesehenen 6 Monate zu verpflichten. Um sich die Bereitwilligkeit der Jugend zu erkaufen, packt die SPD die Kostenübernahme für einen (mittlerweile extrem teuren) Führerschein oder eine berufliche Ausbildung obendrauf. Besonders gefährdet sind Schulabgänger:innen und Jugendliche aus sozialschwachen Hintergründen, aus ihrer finanziellen Not heraus in den Wehrdienst gelockt zu werden. Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages (SPD) Eva Högl begrüßt die Pläne ihres Parteikollegen und setzt, ebenso wie CDU-Politiker Johann Wadephul, noch einen obendrauf: Unter dem Deckmantel der Gendergerechtigkeit fordern sie die Pflicht für Männer und Frauen. So sagt die SPD-Politikerin dazu: „Es ist nicht mehr zeitgemäß, nur junge Männer anzusprechen. In die Bundeswehr gehören alle Geschlechter, auch Frauen wollen ihren Beitrag leisten.“ – Um auch Frauen verpflichten zu können, müsste eine Änderung im Grundgesetz vorgenommen werden, die dies legitimiert. Währenddessen hetzt die BILD-Zeitung munter gegen die Jugend: „Pistorius plant neuen Wehrdienst: Ist unsere Jugend zu weich für die Bundeswehr?“ und schreibt weiter: Die heutigen Jugendlichen „können doch nur Hafermilch trinken, TikTok-Videos glotzen und gendern.“ Pseudowissenschaftlich versucht der Artikel, die Verweichlichung der Jugend zu beweisen. Im Interview mit der BILD soll die Zuständige für die Werbung der Bundeswehr Sabine Castenow dazu gesagt haben: „Klar ist, dass die Generation Z völlig anders tickt als ihre Vorgängergenerationen. Sie ist einerseits sehr behütet aufgewachsen und die Eltern sind enge und wichtige Berater ihrer Kinder.“ Das klingt rhetorisch sehr nach der autoritären und völkischen Erziehungspädagogik, in der Kinder von Anfang an gefühlskalt und streng für Gefolgsamkeit in Krieg und harter Arbeit erzogen werden sollen. Während die jahrelange Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht aus dem Bundestag nun bittere Realität zu werden scheint, trifft dies in der Jugend auf wenig Zustimmung. Laut Umfragen sind nur 16% der Jugendlichen für die Wehrpflicht. Das ist kaum verwunderlich. Denn es sind am Ende nicht die Politiker:innen im Bundestag, die an der Front für die Verteidigung des Kapitals sterben sollen, obwohl sie behaupten, wir alle müssten uns für unsere Demokratie in den Schützengraben werfen. Stattdessen sind es wir Arbeiter:innen und Jugendlichen, die morden sollen, während die Reichen durch die Kriege noch reicher werden und der bürgerliche Staat seine geostrategischen Interessen verfolgen kann.

Denn tatsächlich: Mit der dringenden Stärkung des deutschen Militärs streben die Regierungsparteien an, sich auf verstärkte weltweite Konfrontationen unter den imperialistischen Blöcken vorzubereiten, was gemeinhin als „Zeitenwende“ bezeichnet wird. Die Abschaffung des Wehrdienstes 2011 wurde zwar durch gesellschaftlichen Protest begleitet, aber in erster Linie war sie eine Sparmaßnahme während der Wirtschaftskrise und eine politische Entscheidung zur Neuausrichtung der Bundeswehr, indem ein Fokus auf eine deutlich kleinere, aber gut ausgebildete Berufsarmee gesetzt wurde. Das war damals auch gut für die Weltlage zugeschnitten, denn die Kriegseinsätze der Bundeswehr in Halbkolonien wie Afghanistan, Kosovo oder im Libanon waren keineswegs Materialschlachten ebenbürtiger Kriegsparteien wie in den Weltkriegen, sondern glichen einem unterdrückerischen Polizeieinsatz im Ausland. Daher brauchte man eher wenige Soldat:innen, die dafür in der Lage waren, die hochtechnologischen Kriegsgeräte zu bedienen oder einzelne Ziele anzugreifen. Auf der anderen Seite ist der russische Angriff auf die durch die NATO aufgerüstete Ukraine seit vielen Jahrzehnten der erste Krieg, der ganz anders abläuft: Hunderte Kilometer lange Feindeslinien mit schweren Verteidigungsanlagen, ständigem Artilleriebeschuss und zehntausenden Toten auf beiden Seiten. Hier wird der Krieg dadurch entschieden, wer sowohl die größere (Kriegs-)Industrie als auch wehrfähige Bevölkerung hat, um länger eine Massenarmee mit Hunderttausenden Soldat:innen zu unterhalten. Und da sich im Zuge von politischen und wirtschaftlichen Krisen der Konflikt zwischen den imperialistischen Blöcken eher noch verschärfen dürfte, will die Bundesregierung für genau so einen Krieg die Bundeswehr zu einer Massenarmee umstellen, um so die Arbeiter:innen und Jugendlichen für ihre Interessen in Stellung zu bringen. Aber nicht, wenn wir das verhindern können!

Für eine internationale Jugendbewegung gegen Krieg und Krise!

Die Reaktion des westlichen Imperialismus, auf immer stärkere Aufrüstung und Wehrdienst-Rekrutierung zu pochen, ist also nur logisch. Logisch für uns muss daher sein, dass die Interessen der Herrschenden nicht unsere sind! Wir können uns nicht auf den Staat verlassen, wenn es um die Sicherung unserer Zukunft geht. Wir müssen also eine unabhängige, internationale Bewegung der Jugend und Arbeiter:innen gegen Krieg und Aufrüstung aufbauen. Gewerkschaften und traditionelle Arbeiter:innenorganisationen sollten dabei unsere Bündnispartner sein. Nur durch Aktionen des Klassenkampfes in internationaler Absprache können wir die Spirale der Aufrüstung und der aggressiven „Verteidigung“ durchbrechen und das kapitalistische System angreifen, das Kriege und Krisen verursacht. Jugendliche müssen sich gegen Aufrüstung und für soziale Verbesserungen organisieren, sowohl lokal als auch international.

Dabei setzen wir uns für folgende Forderungen ein:

  • Nein zur Wehrpflicht und dem neuen Wehrdienstmodell der SPD unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit! Wir wollen kein Kanonenfutter sein!
  • 100 Milliarden für Soziales, Bildung und die Jugend und nicht für die Bundeswehr! Gegen jede Aufrüstung aller imperialistischen Nationen, ob Russland oder Deutschland!
  • Bundeswehr raus aus den Schulen! Kein Werben für’s Sterben!
  • Für den Aufbau einer Schüler:innengewerkschaft, die unsere Interessen gemeinsam mit der Arbeiter:innenklasse vertritt und durchsetzt!
  • Für eine Antikriegsbewegung international! Nur die Arbeiter:innen können den Konflikt lösen.
  • Für eine revolutionäre Jugendinternationale! Die Jugend braucht eine unabhängige und internationale Vertretung.