AfD – Die schärfste Verfechterin der Staatsräson
Von Jona Everdeen
Die AfD ist die stärkste Verfechterin der Staatsräson und der israelischen Politik und offenbart damit nicht nur, dass sich fanatische Unterstützung für Israel und massiver Antisemitismus keinesfalls ausschließen, sondern ebenfalls den durch und durch reaktionären Charakter des Zionismus. Die auch von Baerbock und Scholz hochgehaltene und von sogenannten „Ideologiekritikern“ vergötterte Staatsräson findet ihre militanteste Verteidigerin genau dort: in der äußersten Reaktion, bei AfD, NPD und anderen rechtspopulistischen bis faschistischen Kräften.
AfD for Israel
„Das ist ein fatales außenpolitisches Signal. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten und hat das unveräußerliche Recht auf Selbstverteidigung – insbesondere gegen den Terror der Hamas in Gaza und im Westjordanland. Wer Israel in einer solch kritischen Phase in den Rücken fällt, stärkt indirekt islamistische Kräfte und gefährdet sowohl die Stabilität der gesamten Region als auch die fruchtbare deutsche Zusammenarbeit mit der israelischen High-Tech- und Rüstungsindustrie. Die AfD-Fraktion steht fest an der Seite Israels und fordert von der Bundesregierung, sich auf EU-Ebene klar gegen einseitige Sanktionen zu stellen und stattdessen im Interesse des eigenen Landes zu handeln, wie es auch Ungarn unter Viktor Orbán praktiziert.“
AfD-Bundestagsabgeordneter Alexander Wolf, Mitglied des Auswärtigen Ausschuss
Die halbherzigen Versuche der Merz-Klingbeil-Regierung, sich als Folge des immer weiter steigenden öffentlichen wie internationalen Drucks zumindest symbolisch gegen die israelischen Verbrechen in Gaza zu stellen, quittierte die AfD mit einer scharfen Kritik von rechts. Während andere bürgerliche Kräfte von den Grünen bis zur CDU nun versuchen, ihre Hände in Unschuld zu waschen, und die deutsche Unterstützung für Israel entweder zurückfahren oder besser verstecken wollen, brüstet sich die AfD damit, dass noch so viele tote Palästinenser:innen sicherlich nichts an der „fruchtbaren deutschen Zusammenarbeit“ mit dem zionistischen Terrorstaat ändern sollten. Das spiegelt sich auch in Umfragen wider, wo in der Regel bei AfD-Anhänger:innen die Unterstützung für Israel weit überdurchschnittlich ist und die Kritik an begangenen Verbrechen Israels weit unter dem Durchschnitt liegt. Man kann also mit Recht sagen, dass die rechtspopulistische AfD diejenige der deutschen Parteien ist, die am deutlichsten für die Linie der „bedingungslosen Solidarität mit Israel“ eintritt. Aber warum ist das so?
Zionismus und die Rechte
Nicht nur in Deutschland, überall auf der Welt sind in aller Regel die reaktionärsten und menschenfeindlichsten Kräfte diejenigen, die am energischsten und kompromisslosesten Partei für Israel ergreifen. Sei es Donald Trump, der noch stärker seine Unterstützung für jedes israelische Gräuel ausspricht als sein Amtsvorgänger „Genocide Joe“ Biden. Sei es der rechtspopulistische argentinische Präsident Milei, der sich im Gegensatz zu fast allen anderen südamerikanischen Staatschefs entschieden hinter Israel stellt. Sei es die rechtspopulistische Reform-UK-Partei und Bewegung um Nigel Farage, die als entschiedenster Gegner der großen Palästinabewegung im Land auftritt. Oder sei es die französische Rechte um das Rassemblement National, die fest zu Israel steht. In Frankreich war es der RN-Rechtsabspalter Eric Zemmour, der bei einem Besuch Israels nach dem 7. Oktober 2023 dieses als „Hort gegen den internationalen Islamismus“ betitelte. Zemmour spricht hier das aus, was das zentrale Element der rechten Israelsolidarität ist: antimuslimischer Rassismus. Seit dem proklamierten „War on Terror“ ist dieser der Hauptausdruck von Rassismus in allen westlichen Staaten und das wichtigste Mittel aller Rechtspopulist:innen in Europa, um für ihre reaktionären Scheinlösungen zu werben.
Prozionistisch und Antisemit? Kein Widerspruch!
Der antimuslimische Rassismus hat auch in Deutschland den Antisemitismus als verbreitetste Ausprägung rassistischer Ideologie abgelöst. Das heißt aber nicht, dass Antisemitismus verschwunden ist. Insbesondere in Form von Verschwörungen von einer „geheimen Elite“, dem „Großen Austausch“ oder Ähnlichem schwingen antisemitische Ressentiments mal offener, mal versteckter mit. Solcherlei Ideologien zu vertreten und Israel zu unterstützen schließt sich jedoch keineswegs aus, sondern geht im Gegenteil häufig Hand in Hand. Besonders deutlich ist das in den USA zu sehen, wo einerseits viele Republikaner:innen an zutiefst antisemitische Mythen wie „QAnon“ glauben, andererseits aber die Partei für eine aggressive Solidarität mit Israel steht.
Insbesondere eine recht neue, aber bei rechtspopulistischen Kräften wie der AfD und der Identitären Bewegung weit verbreitete Form rechtsradikaler Ideologie ist perfekt kompatibel mit Unterstützung für Israel: der Ethnopluralismus. Diese Ideologie sagt in etwa aus, dass es verschiedene Kulturen gebe, die alle ihre Existenzberechtigung haben, aber Mischung zwischen diesen unbedingt zu vermeiden sei. Durch diese Logik wird es inzwischen möglich, eine global vernetzte Rechte zu haben, da sich Rechtsradikale unterschiedlicher Nationalitäten nicht mehr per se hassen. Israel, als vom Grundprinzip monoethnischer und reaktionärer Staat, passt da perfekt hinein. Am liebsten wäre es vielen in AfD und Co. vermutlich, wenn man alle Jüdinnen und Juden einfach dorthin abschieben könnte, damit sie dort für Deutschland „die Drecksarbeit machen“. Ihre Israelsolidarität hat also in sich schon eine antisemitische Idee: „Die Juden“ sollen raus aus Deutschland, dann muss man sich nicht mehr damit rumschlagen. Anders als sie es vermuten lassen, geht es nicht um den Schutz von jüdischem Leben, sondern um ein Deutschland ohne Juden – eine Vorstellung, die auch Hitler schon hatte, der ebenfalls die Vorstellung eines zionistischen Staates hatte.
Zionismus zur Legitimation des Deutschen Imperialismus
In Deutschland ist das Verhältnis zum Zionismus ein besonderes, verglichen mit den anderen westlichen imperialistischen Ländern, da dessen Unterstützung für den deutschen Imperialismus noch eine gesonderte Funktion erfüllt. So hatte der deutsche Imperialismus nach den abscheulichen Verbrechen des Hitlerfaschismus ein großes Legitimationsproblem. Doch mit einer bedingungslosen Unterstützung des „jüdischen Staates“ Israel lässt sich der Anschein erwecken, aus den historischen Fehlern gelernt zu haben, und der massiven Aufrüstung und offenen imperialistischen Ambitionen steht ideologisch nichts mehr im Wege. „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson“, wurde das Credo dieser politischen Linie. Ihr Ziel: Deutschland kann wieder zu einer imperialistischen Großmacht werden, nun, zur Zeitenwende, auch wieder mit einer riesigen Militärmacht, wenn es nur hinter Israel steht und damit zeigt, aus seinen Fehlern gelernt zu haben. Diese Logik, die die Gleichsetzung von Israel mit „den Juden“ und somit Antisemitismus beinhaltet, ist eigentlich nur ein billiger Trick zur Reinwaschung des Nachfolgestaats des Dritten Reiches, aber einer, der erschreckend gut funktioniert. Kein Wunder, dass die AfD und der gesamte rechte Rand diese Möglichkeit gerne in Kauf nehmen. Mit dem Verweis auf ihre Solidarität mit Israel können sie jegliche Vorwürfe, wie die Nazis 1933 zu sein, abblocken. Sie könnten ja gar nicht antisemitisch sein, ergo könnten sie gar keine Nazis sein.
Der rechte Kampf gegen die Palästina-Solidarität
Ein weiterer wichtiger Grund für die massive Unterstützung Israels ist der innenpolitische Kampf gegen „importierten Antisemitismus“. Zum einen kann dieser Mythos genutzt werden, um den tatsächlichen Antisemitismus von rechts und die Gefahr für jüdisches Leben in Deutschland zu verstecken, zum anderen – und das ist der wichtigste Punkt dabei – kann damit Hetze gegen migrantische Menschen und die Palästina-Solidaritätsbewegung perfektioniert werden. Schon die Ampelregierung und in noch stärkerem Maße die Regierung Merz‘ nutzen diesen Mythos, um Abschiebungen in die Höhe zu treiben und die größte migrantische Bewegung der letzten Jahre zu diskreditieren. Gefundenes Fressen für die AfD, die einen weiteren Grund findet, gegen Migrant:innen zu hetzen. Mit dem Verweis auf die angebliche Gefahr für jüdisches Leben durch Migration erscheint die Forderung nach geschlossenen Grenzen und massiven Abschiebungen für Verfechter der Staatsräson nur folgerichtig. Das zeigt sich auch in den Anträgen der AfD-Fraktion im Oktober 2023, keine palästinensischen Geflüchteten aufzunehmen. Dass es weder der AfD noch den Regierungen darum geht, jüdisches Leben zu schützen, sondern rein um imperialistische Ansprüche zu rechtfertigen und innenpolitische Kritik daran zu schwächen, liegt auf der Hand.
Kampf gegen die AfD heißt Kampf für ein freies Palästina!
Wie oben dargelegt, ist es nur logisch, dass die AfD als relevanteste Kraft der äußersten Rechten in der BRD auch diejenige ist, die die Staatsräson am stärksten vertritt. Und damit hatte ein Thomas Maul recht (ein AfD-naher Reaktionär, der 2018 vom Conne Island für eine Veranstaltung eingeladen wurde), wenn er sagte, dass man mit Israelsolidarität und „Kampf gegen den Islamismus“ dort am besten aufgehoben ist. Für uns als Linke muss jedoch daraus folgen, dass die Staatsräson selbst und die Unterstützung für den Zionismus etwas Reaktionäres sind, etwas, das man nicht von links claimen kann, so sehr man das im Conne Island oder in der Roten Flora auch versucht. Und wir müssen erkennen, dass gegen die AfD zu kämpfen auch heißt, für ein freies Palästina einzustehen, und andersherum! Die Bewegung gegen die AfD und die für Palästina-Solidarität sind die beiden größten politisch-fortschrittlichen Bewegungen im Deutschland der letzten Jahre. Diese Bewegungen gilt es zu verknüpfen! Die Anti-Rechtsruckbewegung muss sich hinter jene stellen, die am meisten von Abschiebungen, staatlicher und gesellschaftlicher Hetze betroffen sind und gleichzeitig als Bewegung herhalten müssen für die Aushebelung demokratischer Rechte und der autoritären Wende. Die Bewegung gegen den Rechtsruck muss sich das Vertrauen der Palästina-Solidarität erkämpfen. Als weiß dominierte Bewegung, in der Palästinenser:innen und palästina-solidarische Aktivist:innen marginalisiert, ausgegrenzt und angegriffen werden, ist sie in der Verantwortung, diese Fehler zu korrigieren und den Kampf um ein freies Palästina und den gegen die AfD zu verbinden! Denn der Kampf gegen Rassismus und die autoritäre Wende wird in Palästina wie in den imperialistischen Zentren geführt. Sie muss aktiv palästinensische Organisationen in führende Rollen in die Proteste einladen.
Es gilt, gemeinsam auf die Straße zu gehen und Verankerung an den Orten zu schaffen, an denen wir uns täglich aufhalten: in der Schule, in der Uni oder im Betrieb! Auch die Partei Die Linke, die mit dem Eintreten gegen die AfD punkten konnte und sich auch zaghaft in Richtung Palästina-Solidarität entwickelt, sowie ihre Jugendorganisation Linksjugend Solid sind dazu angehalten, diese Kämpfe, die zusammengehören auch zu verbinden! Beginnen können wir damit am 29. November in Gießen, wenn wir gemeinsam massenhaft gegen die Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation auf die Straße gehen, mit unseren palästinensischen Genoss:innen neben uns! Nur wenn wir gemeinsame Kämpfe gegen die Reaktion auch gemeinsam führen, können wir dem Rechtsruck und dem aggressiver werdenden deutschen Imperialismus eine schlagkräftige Alternative von links entgegenwerfen!
- für den Aufbau von palästinasolidarischen Schulkomitees! Schluss mit Staatsräson, „Both-Sideism“ und Verwässerung des Antisemitismusbegriffs an unserer Schule! Für Schüler:innenkontrolle über die Lehrpläne, gemeinsam mit Organen der Arbeiter:innenbewegung!
- Kampf dem Rassismus! Kampf der Kriminalisierung von Palästina-Solidarität an unseren Schulen, kein Hofieren von AfD oder CDU bei Podiumsdiskussionen oder Ähnlichem! Wir bestimmen selbst, wer an unsere Schulen darf!
- Für ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer – Nieder mit dem Apartheidstaat Israel, für eine multiethnische, säkulare und sozialistische Ein-Staaten-Lösung!