Bangladesch: Solidarität mit der Student:innenbewegung

Revolutionary Socialist Movement (Pakistan); Baloch Student Organisation; Labour Qaumi Movement (Pakistan); Pakistan National Trade Union Federation; REVOLUTION, internationale kommunistische Jugendorganisation, League for the Fifth International, 19.7.2024, zuerst veröffentlicht in der Infomail 1260, 20. Juli 204

Wir erklären uns solidarisch mit den mutigen Student:innenprotesten, die landesweit an den Universitäten ausgebrochen sind.

Ausgelöst wurde die Bewegung durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 6. Juni, die Quote wieder einzuführen, nach der 30 Prozent der Stellen im öffentlichen Dienst für Kinder von registrierten Freiheitskämpfer:innen aus dem Unabhängigkeitskrieg von 1971 reserviert sind.

Dieses Quotensystem war ursprünglich für diejenigen eingeführt worden, die im Krieg gekämpft hatten, wurde aber 1997 auf ihre Kinder und Enkelkinder ausgedehnt. Es wurde 2018 nach breiten Protesten abgeschafft, aber jetzt wieder eingeführt.

Hunderttausende von Studierenden haben gegen die Wiedereinführung der Quote mobilisiert, die in erster Linie Kindern von Anhänger:innen der autoritären Premierministerin Scheich Hasina Wajed zugutekommen soll, die seit 2009 an der Macht ist. Die Proteste haben sich landesweit ausgebreitet, wobei die Student:innen breite öffentliche Unterstützung erhalten. Die Proteste werden durch die Wut Hunderttausender arbeitsloser Hochschulabsolvent:innen genährt, von denen es nach offiziellen Angaben mindestens 800.000 gibt.

Die regierende rechtsnationalistische Awami-Liga ging hart gegen die Student:innen vor, die sie als Feind:innen der Unabhängigkeit und moderne Razakars, die Kollaborateur:innen mit Pakistan während des Krieges von 1971, beschimpfte.

Am 16. Juli wurden die Polizei und paramilitärische Truppen gegen die Proteste eingesetzt. Die regierungsnahe studentische Bangladesh Chhatra League griff die Demonstrant:innen mit Ziegelsteinen und Bambusstäben an. Mindestens sechs Menschen wurden getötet und mehr als 300 verletzt, viele davon schwer.

Wir verurteilen diese Angriffe und die Rolle der Regierung von Bangladesch bei der Anstiftung zu Gewalt und Repression. Wir bekunden unsere Solidarität mit den protestierenden Student:innen.

Die bangladeschische Regierung versucht, der Wirtschaftskrise zu entkommen, indem sie die Lebensbedingungen der Studenten und der Arbeiter:innenklasse im Allgemeinen verschlechtert. Das Quotensystem zielt darauf ab, Privilegien für Regierungsanhänger:innen zu schaffen und einen Keil zwischen die Student:innen und die Massen zu treiben.

Am 18. Juli wurde ein landesweiter Streik ausgerufen, an dem sich mehrere Gewerkschaften beteiligten. Die Kämpfe haben sich über das ganze Land ausgebreitet, wobei mindestens 32 Menschen von den Repressionskräften getötet und Tausende verletzt wurden. Die Bewegung hat eindeutig die Forderung nach Rücktritt der Regierung erhoben.

Eine solche Bewegung sollte nicht nur das unmittelbare Ziel verfolgen, die Niederschlagung zu beenden, sondern den Weg für eine breitere Offensive der Arbeiter:innen und Jugendlichen gegen Hasinas autoritäres Regime zu ebnen.

Wir appellieren an alle Student:innen-, Jugend- und Arbeiter:innenorganisationen, die Unterdrückung anzuprangern und Solidarität mit der mutigen Student:innenbewegung in Bangladesch zu organisieren.




Ein neues Wir-Gefühl – mit dem Klassenfeind?

Von Maximilian Macht und Felix Ruga

Menschenmassen mit Deutschlandfarben im Gesicht bemalt oder schwarz-rot-goldene Mützen oder Fahnen sieht man nicht nur bei den vielen organisierten Public Viewings, sondern auch in Restaurants, Kneipen oder Spätis, wo die EM-Spiele übertragen werden. Falls ein Tor fällt oder das Spiel gewonnen wird, hört man lautstark den Namen des Landes und vielleicht gibt’s sogar am Ende ein Autokorso oder ein Feuerwerk. In der Halbzeit kommen dann die Tagesthemen, in denen es darum geht, dass Scholz es jetzt mit aller Gewalt versucht, doch noch Abschiebungen in „sichere“ Drittstaaten zu ermöglichen. Oder Pistorius erklärt uns, dass es mit der Kriegstüchtigkeit endlich mal vorwärts gehen müsse, damit Deutschland „Verantwortung übernehmen“ kann.

Die meisten in der radikalen Linken werden sich verständlicherweise von Fanzonen und einem Check24-Trikot fernhalten. Aber wie sollten wir politisch dazu stehen und welche Fragen wirft das für uns auf?

Endlich unverkrampft

Bis noch vor gar nicht allzu langer Zeit hatte es noch etwas Anrüchiges, wenn man stolz die schwarz-rot-gelbe Fahne im Garten stehen hatte oder sich damit einhüllte. Das war eher etwas, was man mit rechtem Gedankengut verbunden hat, und sicherlich hat es auch heute noch was davon, auch wenn es sich ändert. Denn mit der Wiedervereinigung, dem damit verbundenen nationalistischen Taumel und der Neuausrichtung des deutschen Imperialismus wurde hier eine Bresche geschlagen, und das hat das „Sommermärchen“, also die Fußball-WM 2006 in Deutschland, vollends normalisiert. Damals wurde voller Begeisterung von Presse und Politik verkündet, dass man nun endlich wieder ohne politische Hintergedanken patriotisch und stolz auf Deutschland sein dürfe. Bei diesem Gefühl hat zum einen der millionenfach verkaufte Deutschland-Merch von Fähnchen bis Autospiegelüberzieher eine große Rolle gespielt, aber auch das erstmalige Aufkommen von großangelegten Public Viewings, bei denen man in der Sonne mit seinen Freund:innen, der Familie und hunderten anderen Leuten das Spiel geguckt hat und so eine Volksfest-Stimmung aufgekommen ist.

Und das ist mit Sicherheit auch der größte Reiz, weswegen internationale Fußballturniere so massenhaft die Menschen bewegt: Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, denn alle sind jetzt hier auf der gleichen Seite, nämlich „für Deutschland“. Wenn man mal kritisch nachfragt, werden viele auch erstmal sagen, dass es dabei vor allem darum geht, dass man halt gemeinsam die Fußballmannschaft („unsere Jungs“) unterstützt. Aber auch, dass es halt normal sei oder sein sollte, dass man „sein Land“ unterstützt. Und sowieso ruft man ja auch nicht „Olé DFB!“, sondern „Deutschland, Deutschland!“. Auch wenn es für Viele in erster Linie ein spaßiges Event zu sein scheint, normalisieren und verbreiten sich damit nationalistische Annahmen von Zugehörigkeit und „wir gegen die“.

Nationalismus und seine Funktion

Nationalismus schafft ein verfälschtes Gemeinschaftsgefühl von Familie, Heimat und dessen „Schutz“. In der Realität sind das aber höchst widersprüchliche Dinge und mit Sicherheit nicht die wohlig-weichen Gemeinschaften, wie sie von bürgerlicher Seite gemalt werden: In der Familie reproduziert sich die Unterdrückung von Frauen, von queeren Menschen und von Jugendlichen. „Das Heimatland“ wird bestimmt und kontrolliert durch das Kapital und seinen Staat und damit auch sicherlich nicht „unser Land“. Und „Schutz“ eben dieser bedeutet meist Angriff auf äußere und innere „Feinde“, also Krieg und Repression. 

Dennoch spielen diese Vorstellungen eine sehr wichtige Rolle für den Kapitalismus, nämlich als eine ideologische Grundlage der Verblendung und Ausbeutung, um seine Existenz zu sichern. Nationalismus zu stärken ist in Krisenzeiten vom Kapitalismus eine wichtige Technik des bürgerlichen Staates, denn die „notwendigen“ Sparmaßnahmen, kriegerischen Entbehrungen und Angriffe auf die demokratischen Rechte müssen ja irgendwie gerechtfertigt werden, da sie offensichtlich gegen die Interessen der großen Mehrheit der Gesellschaft, der Arbeiter:innenklasse, stehen. Also sagen Staat und Kapital: „Schaut her, wir sind doch alles Deutsche und wir müssen nun gemeinschaftlich die Interessen Deutschlands vertreten“, was zuverlässig immer bedeutet, sich den Interessen des Staates und des Kapitals unterzuordnen, indem man sich den „Notwendigkeiten“ der internationalen Konkurrenz ergibt. Letztendlich geht es darum, die Arbeiter:innenklasse in solchen Momenten ideologisch zu integrieren und zu spalten, ob durch Rassismus, Sexismus oder Anderem, um diese verstärkt auszubeuten. Das Kapital versucht also, reelle Gemeinschaften und Solidarität mit Mystischen zu ersetzen.

Rassisten und ihre Widersprüche

Für die Spieler ist es ein Moment, in welchem sie sich als nationalistisches Aushängeschild des Staates hergeben müssen, um im Wettbewerb gegen andere zu gewinnen. Für diesen Wettbewerb stellt der deutsche Staat seinen Rassismus momentan beiseite, um nicht-weiße Spieler für sich spielen zu lassen, um dann kurz davor wieder Rassismus als Wahlkampfthema Nummer eins zu verwenden. Deutlich wird dies durch die Kommentare von Olaf Scholz, welcher vor einiger Zeit forderte, wieder „im großen Stil abzuschieben“. Gleichzeitig seien die Spieler „alles Deutsche“ und „unsere Jungs“, um ein Zeichen gegen den Rassismus jener 30 % zu setzen, welche sich laut einer Umfrage der ARD wünschten, weniger Menschen mit Migrationshintergrund in der Nationalmannschaft zu haben. Problematisches Verhalten von Fans im Kontext von „Wir gegen die“ schlägt nicht selten in offenen Rassismus um, wenn nun ein Spieler die „Frechheit“ hat, bei der Nationalhymne nicht mitzusingen oder schlichtweg nicht wie erhofft performt, oder ein anderer Fan die falsche Fahne mit sich trägt.

Mit dem internationalen Rechtsruck ist ein Anwachsen von Nationalismus für Rechte vorteilhaft, und die EM kommt dort sehr gelegen. Denn auch innerhalb des bürgerlichen Lagers gibt es einen Kampf darum, welche konkrete Bedeutung nun der deutsche Nationalismus haben sollte. Liberale sprechen davon, dass Deutschland ja jetzt zeigen könnte, wie offen, gastfreundlich und tolerant es sei, und dass das sei, was man meine, wenn man „stolz auf Deutschland“ ist. Ausdruck dessen sollte auch das neue, pinke Ausweichtrikot sein, das laut dem ehemaligen DFB-Geschäftsführer Bierhoff „den Nerv der Kids“ treffen sollte, also gewissermaßen dem etwas angestaubten Nationalismus neuen Lack verleihen. Die Rechten sehen das natürlich anders: Nicht nur gab es online schwere Wutausbrüche wegen des Trikots, was als „unmännlich“ wahrgenommen wird. Die AfD will den Pride Month zum „Stolzmonat“ umdeuten und dieser fällt dieses Jahr in die EM. Maximilian Krah sagte deshalb, dass der Stolzmonat das „Gegenmodell zum Pride Month, zur Pride EM, zum Regenbogen“ sei.

Was machen wir daraus?

Aus all dem sollte klar geworden sein: Diesen nationalistischen Taumel zu jeder WM und EM sollten wir kritisieren und ablehnen. Aber es macht dabei keinen Sinn, uns über die einzelnen Fans zu erheben und dafür zu maßregeln, denn die Allermeisten gehören zur Arbeiter:innenklasse und haben den nachvollziehbaren Wunsch, in einer widersprüchlichen und unterdrückerischen Gesellschaft etwas Gemeinschaft zu erleben und einfach für ein paar Stunden eine gute Zeit zu haben, auch wenn man dabei als Linke ziemlich Bauchschmerzen haben dürfte. Im privaten Umfeld kann es auch durchaus sinnvoll sein, etwas kritische Reflexion anzustoßen. Auf politischer Ebene sollten wir aber selbstverständlich dagegen agitieren, wenn dies in rassistischen oder sexistischen Angriffen mündet – sei es von Fans oder der Regierung, die die EM-Stimmung als Rückendeckung missbraucht.

Vielmehr macht es eine Frage für fortschrittliche Kräfte auf: Wie können wir selbst kollektive Erlebnisse der Gemeinschaft schaffen? Neben massenhaften politischen Aktionen können solche Dinge wie Fußball dabei sogar eine Rolle spielen: Denn Fußball ist gewissermaßen ein Sport der Arbeiter:innenklasse, ein Massensport mit Vereinsstrukturen mit 7 Millionen Mitgliedern allein in Deutschland. Fußball hat erst so eine große gesellschaftliche Relevanz bekommen, als die Arbeiter:innen sich den 8-Stunden-Tag und höhere Löhne erkämpft haben, denn so war nach der Arbeit Zeit, zum Training zu gehen und samstags zum Spiel. Man muss sich dafür nur mal angucken, wann die meisten großen Vereine gegründet wurden.

Andererseits ist der Fußball fest unter der Kontrolle des Kapitals. Dagegen müssen wir auch kämpfen, um uns den Fußball wie den Sport allgemein zurückzuholen. Hierbei macht es zum einen Sinn, uns die Geschichte der Arbeiter:innensportvereine ins Bewusstsein zu rufen, aber auch als klassenbewusste Jugendliche und Arbeiter:innen organisiert in den existierenden Vereinen und Verbänden zu wirken, dabei den Sport zu politisieren, zu demokratisieren und den Einfluss des Kapitals zurückzudrängen. Letztendlich muss es gesellschaftlich darum gehen, den Breitensport gegenüber dem Spitzensport zu fördern, zu verallgemeinern und für weite Teile des Proletariats überhaupt erst zu ermöglichen. Damit würde auch den Spitzenwettbewerben gänzlich ihr Charakter als unerreichbare und vergötterte Ereignisse verloren gehen. Somit könnten wir diesen passiven Konsumnationalismus des Fernsehschauens ersetzen durch echte und erlebte Gemeinschaft, was letztendlich nur durch die Überwindung der gesamten Ausbeutergesellschaft vollends möglich wird!




Was ist eigentlich antimuslimischer Rassismus und woher kommt er?

Von Dilara Lorin und Stephie Murcatto, April/Mai 2024, Revolution Zeitung 2/2024

„Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse!“

Dass die rechtsextreme AfD-Abgeordnete Alice Weidel diesen Satz im Bundestag gesagt hat, ist noch gar nicht so lange her. Lehrer:innen, die deine Hijab tragenden Mitschüler:innen verbal angreifen und fragen, ob sie dazu gezwungen wurden und das Kopftuch wieder abnehmen sollen, bis hin zu Sprüchen wie „Na bekommt dein Gehirn darunter noch Luft“. Oder die Wohnungssuche, bei der Vermieter:innen einen Lukas einem Hamid vorziehen, obwohl beide die gleichen Unterlagen vorlegen, was zu offener Diskriminierung und Benachteiligung führt und auf dem Arbeitsmarkt nicht anders aussieht. Dies sind nur Bruchstücke des antimuslimischen Rassismus, mit dem viele Menschen tagtäglich konfrontiert sind. Dabei hat sich die Lage in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 verschlechtert, indem alle Muslim:innen unter Generalverdacht gestellt werden. Vize-Kanzler Robert Habeck fordert in einer Ansprache alle Muslim:innen dazu auf, sich zum 7. Oktober zu verhalten und Israel als Staat anzuerkennen. Würde dem nicht Folge geleistet, könnten sie Gefahr laufen, ihren Aufenthaltstitel zu verlieren. Der Generalverdacht, der von allen Seiten der deutschen Politik kommt, ist ein Schlag ins Gesicht der 5,3 – 5,6 Millionen in Deutschland lebenden Muslimen (ungefähr 6,4 – 6,7 Prozent der deutschen Bevölkerung). Doch was ist antimuslimischer Rassismus und woher kommt er? Um dies zu verstehen, müssen wir uns zuerst anschauen, was Rassismus ist:

Was ist Rassismus?

Eines ist klar: Rassismus ist kein Produkt der „menschlichen Natur“ und auch nicht Ausdruck einer „tief verwurzelten Angst vor dem Fremden“. Vielmehr ist Rassismus eng mit der Entstehung bürgerlich-imperialistischer Nationalstaaten verbunden. In einer Zeit, in der der Kapitalismus einen Weltmarkt schuf und die Nationalstaaten neue Märkte erschließen mussten, wuchs aufgrund der kolonialen Ausbeutung das Bedürfnis nach Erklärungen, die die „Unzivilisiertheit“ dieser Menschen konstatierten und sie damit zu ewigen „Dienern des weißen Mannes“ machten. Damit war der Boden bereitet für die pseudowissenschaftliche Erklärung ihrer „Minderwertigkeit“ durch den Rassenbegriff. Rassismus übersteigt jedoch bloße sprachliche oder kulturelle Kategorisierungen und nutzt phänotypische Merkmale wie zum Beispiel Hautfarbe und Kopfform, um Menschen in vermeintlich feste Gruppen einzuteilen. Der Rassenbegriff diente als effizientes Werkzeug für bürokratische Grenzziehungen und demagogische Mobilisierung. Der Rassismus ermöglicht auch die Zuteilung unterschiedlicher Rechte je nach Zugehörigkeit zu einer „rückständigen“ oder „zivilisierten“ Nation oder Nationalität. Damit wird die ethnische Zugehörigkeit zu einem imperialistischen „Staatsvolk“ positiv und die zu allen anderen negativ bewertet, was zu einer Abwertung der Angehörigen unterdrückter Nationen führt. Rassismus ist tief in unserem gegenwärtigen Herrschaftssystem verankert. Die materielle Basis des Rassismus‘ in der Arbeiterklasse ist die massenhafte Überausbeutung in den Halbkolonien, die einem Teil der Arbeiterklasse in den imperialistischen Ländern einen gewissen Wohlstand zu garantieren scheint.

Was zeichnet antimuslimischen Rassismus aus?

Dabei handelt es sich um eine Form des Rassismus, der sich nicht nur gegen religiöse Sympathien und Praktiken richtet, sondern gleichzeitig Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft rassifiziert und dem Islam zuordnet. Antimuslimischer Rassismus und Islamophobie machen den:die „Muslim:in“ zu einer unveränderlichen Sache, sodass Menschen verschiedener Nationalitäten und sogar Glaubensrichtungen als „muslimisch“ charakterisiert werden. Somit trifft antimuslimischer Rassismus nicht nur Muslim:innen sondern auch diejenigen, die scheinbar „muslimisch“ aussehen oder Menschen sind, die aus einem Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung stammen. Dabei hat der antimuslimische Rassismus einen ähnlichen Zweck wie der Rassismus: Spaltung der Arbeiter:innenklasse und herausentwickeln einer prekären Schicht dieser, Trennung des Arbeitsmarktes und Legitimation von Kriegen und imperialistischen Interessen. Durch die Spaltung der Arbeiter:innenklasse wird einerseits eine einheitliche Masse der Ausgebeuteten verhindert und andererseits können jene Arbeiter:innen besser ausgebeutet werden, die aufgrund ihrer Rassifizierung nicht die gleichen Rechte erhalten. Die Verbindung der Diskriminierung von Arbeitsmigrant:innen mit ihrer rassistischen Brandmarkung als „Muslimin:innen“ stellt diese als „Gefahr“ für „zivilisierte“ Gesellschaften dar. Diese Charakterisierung wird zunehmend von Rechtsextremen aufgegriffen und mit Verschwörungsideologien verknüpft. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte „Islamisierung des Abendlandes“, wegen der angeblich muslimische Einwanderung stattfindet, um die weiße Bevölkerung zu marginalisieren. So soll die Abschottung und Rückführung von Geflüchteten besser gelingen. Letztendlich sind alle Formen von Islamophobie und antimuslimischem Rassismus rassistische Ideologien, die der Unterdrückung von eingewanderten und geflüchteten Arbeiter:innen dienen sowie einen ideologischen Deckmantel für „humanitäre“ Interventionen in Halbkolonien oder die Unterstützung des zionistischen Staates rechtfertigen.

Wie ist der antimuslimische Rassismus entstanden?

In den letzten Jahren hat sich der Rassismus gegen Muslim:innen und die Islamophobie erheblich verändert, wodurch dem antimuslimischen Rassismus ein anderer Charakter verliehen wurde. Seit den 2000er Jahren können wir erkennen, dass der antimuslimische Rassismus eine dominierende Form des Rassismus in den imperialistischen Ländern eingenommen hat. Dies hat seine Ursache in verschiedenen historischen Entwicklungen. Eine davon ist der Zusammenbruch der Sowjetunion, der die Weltlage schlagartig verändert und die USA dazu veranlasst hat, die Welt neu ordnen zu wollen, um ihre Hegemonie und ihre Machtansprüche zu sichern. In den USA wurden in dieser Zeit immer mehr Bücher und Publikationen veröffentlicht, die Wege und Strategien für die Hegemonie der USA skizzieren. Dabei wurden vor allem andere imperialistische Länder wie China und Russland als Rivalen dargestellt und Strategien veröffentlicht, die verhindern sollten, dass diese Länder die Hegemonie der USA angreifen können. Eines dieser rassistischen Bücher war Huntingtons Clash of Civilisations (Kampf der Kulturen), das auch den „Islam“ als einen Imperialismus beschrieb, der sich zu einem globalen Rivalen entwickeln könnte, und das voller rassistischer Ideologie war. Dabei ist der Islam weder eine wirtschaftliche Einheit noch eine Nation oder eine Föderation von Nationen. Er ist kein Rivale um die Weltmacht. Aber er eignet sich gut als globaler Feind, der sowohl intern als auch extern ist. Nach den Angriffen am 11. September 2001 wird diese Ideologie dann genutzt, um den sogenannten „war on terror“ zu legitimieren und dutzende imperialistische Kriege wie in Afghanistan, auf vermeintlich muslimische Länder im Mittleren Osten, aber auch überall in der Welt zu legitimieren. Außerdem bietet es nicht nur eine ideologische Rechtfertigung für die Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens, sondern auch für die polizeiliche Überwachung und Stigmatisierung der muslimischen Bevölkerung. Dafür mussten der „Islam“ und der „Islamismus“ als einheitliches Gebilde konstruiert werden, um somit einen homogenen, gefährlichen und barbarischen Feind zu kreieren, dessen Anhänger:innen zu einer rückständigen Kultur gehören, die nicht in die moderne, demokratische Gesellschaft integrierbar ist. Dass im Islam selbst unterschiedliche Schulen und Glaubensauslegungen vorherrschen, beispielweise Unterschiede zwischen Schiiten und Sunniten, spielt dabei gar keine Rolle. Dabei wird oft von allem Islam als Islamismus gesprochen, ohne zwischen echtem Islamismus (politischem Islam) und dem Islam als bloßer Religion zu unterscheiden. So werden die in Deutschland stattfindenden Pro-Palästina-Demonstrationen von Robert Habeck als islamistisch bezeichnet, obwohl es sich bei den Organisatoren größtenteils um säkulare, linke Organisationen handelt.

Situation von Muslim:innen

Insgesamt gehört die Mehrheit der Muslim:innen in der EU zu den prekären Teilen der Arbeiter:innenklasse: So ist die Arbeitslosenquote unter türkischen Arbeiter:innen in Deutschland oder unter pakistanischen und bangladeschischen Arbeiter:innen in Großbritannien um 15 bis 40 Prozent höher als im nationalen Durchschnitt; man kann also sagen, dass die Arbeitslosenquote unter Migrant:innen und Muslim:innen (soweit getrennte Daten vorliegen) wesentlich höher ist als im nationalen Durchschnitt. Dadurch wird deutlich, dass Muslim:innen systematischer Unterdrückung, Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt sind, was als Folge Ghettoisierung mit sich bringt.

Auf dem Arbeitsmarkt und in der Schule erleben Migrant:innen und Muslim:innen alltägliche Diskriminierung und Unterdrückung aufgrund ihrer Herkunft und Religion, auch wenn es in vielen Ländern oberflächliche Antidiskriminierungsgesetze gibt, die nicht verhindern, dass z. B. die Arbeitssuche für Migrant:innen mit Kopftuch wesentlich schwieriger ist als für weiße Frauen ohne Kopftuch. Auch in der Schule ist es für Schüler:innen aufgrund ihrer sozialen Lage schwieriger, akademische Erfolge zu erzielen, was insgesamt dazu führt, dass Muslim:innen (und Migrant:innen insgesamt) tendenziell in schlechter bezahlten Sektoren arbeiten als weiße Arbeiter:innen.

Wir wollen im zweiten Teil der Artikelreihe zu antimuslimischem Rassismus genauer darauf eingehen, was wir tun können, um dagegen anzukämpfen. Welche Forderungen sollten wir im Kampf aufstellen? Wieso ist der Kampf für Religionsfreiheit für alle wichtig? Seid gespannt.




Neben mir sitzt ein Nazi, was soll ich tun?

von Brokkoli Bittner, Juni 2024

Europa hat gewählt und Europa hat mehrheitlich rechts gewählt. Diesmal durfte in Deutschland sogar ab 16 gewählt werden. Das ist erstmal ein Erfolg. Doch hat die Wahl ebenso gezeigt, dass Jugendliche nicht automatisch für eine freiere und sozialere Welt einstehen. Im Gegenteil: Auch ein Großteil der Jugend hat Rechts gewählt. Unter den 16- bis 24-Jährigen hat die AfD 11 Prozent dazu gewonnen und die CDU 5 Prozent. Diese sind damit stärkste Kräfte unter Jugendlichen. Dass die Grünen für ihren Verrat an der Klimabewegung mit einem Verlust von 23 Prozent abgestraft wurden, ist angesichts dieser Rechtsentwicklung nur ein schwacher Trost. Auch die Linke, zu deren kritischer Wahlunterstützung wir aufgerufen haben, hat 2 Prozent unter Jugendlichen verloren. Doch diese Wahlergebnisse überraschen uns nicht, denn gerade für migrantisierte und queere Jugendliche war schon vor der Wahl klar: Die Jugend ist auch vom Rechtsruck betroffen und das merken wir auch täglich. Es sind nicht nur Lehrer:innen, die sich über migrantische Mitschüler:innen lustig machen. Es ist nicht allein das rassistische Bildungssystem, welches unsere Mitschülis migrantisiert und ihnen das Leben zur Hölle macht. Es sind eben auch unsere Mitschülis, die Hakenkreuze in Tische ritzten, „Ausländer raus“ auf Insta-Posten oder trans Personen gewaltvoll angreifen. Der Rechtsruck macht vor unseren Schulen und eben auch vor unseren Mitschülis keinen Halt. Und auch hier muss unser Kampf ansetzen. Doch wie schaffen wir das? Wie können wir verhindern, dass wir jeden Tag aufs Neue Hakenkreuze übermalen müssen, weil unsere Mitschülis endlich mal verstanden haben, dass es scheiße ist?

Was die Schule mit dem Rechtruck zutun hat

Zuerst ist es wichtig zu verstehen, dass, anders als wir es beigebracht bekommen, politische Einstellungen im Jugendalter nicht einfach Phasen sind, die zur Entwicklung dazu gehören. Jugendliche sind in der Lage, sich selbst Positionen zu bilden. So ist unser Nazimitschüler auch nicht in einer Phase, die er durchleben muss, sondern er ist einfach überzeugt von einer menschenfeindlichen Ideologie. Das ist wichtig zu verstehen, denn wenn wir sagen, es sei eine Phase, nehmen wir das Problem von Rechten in der Schule einfach nicht ernst. Andererseits sprechen wir Jugendlichen damit auch wieder einmal ab, eigene Entscheidungen treffen zu können. Doch diese eigenen Entscheidungen können eben auch scheiße, falsch und sogar rassistisch sein.

Wenn Teile deiner Klasse zu Klassenfeinden werden, kommt damit eine extreme Wut in uns auf. Man glaubt vielleicht, dass ein paar Schellen ausreichen, damit sie die Scheiße nicht wieder sagen. Aber jede:n Rechte:n zu verhauen in einer Gesellschaft, die nach rechts rückt, ist leider nicht so einfach. Hinzu kommt noch, dass sich rechte Ideologien nicht aus den Menschen herausprügeln lassen. Wir müssen uns deshalb mit den Ursachen des Rechtsrucks beschäftigen, als denen eine zu drücken, die diese Ideologie reproduzieren. Ein Grund dafür, dass sie es so leicht haben, ist, dass unsere rechten Mitschüler:innen von der Schule gar nicht so ungewollt sind, wie sie es tut. Natürlich tut die Schulleitung ganz schockiert, wenn jemand auf dem Schulhof den Hitlergruß zeigt. Von systematischem Rassismus oder gar faschistischen Strukturen hat man aber nie etwas mitbekommen. Und wenn in unseren Schulen Podiumsdiskussionen mit der AfD stattfinden, dann ist es für die Schulleitung klar, dass diese Meinung auch einen Platz bekommen muss. Es sind ihre Vorurteile gegenüber migrantisierten Menschen, die unsere Mitschülis nachlabern. Es ist ihre soziale Selektion, die unsere Mitschülis für biologisch gegeben halten. Es ist ihr heterosexueller Sexualkundeunterricht, den unsere Mitschülis für natürlich halten. Es ist ihr struktureller Rassismus, den unsere Mitschülis reproduzieren. Ein Kampf dem Nazi-Sitznachbarn muss also auch ein Kampf dem kapitalistischen System sein, das den Rassismus braucht, um zu existieren.

Krise & Rechtsruck Hand in Hand

Es ist nämlich genau die Krise dieses Systems, die dazu führt, dass die Rechten aktuell so stark sind. Sie erstarken genau dann, wenn der Lebensstandard vieler Leute durch Inflation und soziale Kürzungen schlechter wird, es keinen entschlossenen Kampf dagegen von links gibt und sich die Rechten als einzige Alternative dagegen präsentieren können. Die Bundesregierung versucht genau diesen Zusammenhang zwischen der Stärkung der AfD und ihrer Politik zu verschleiern und den Rechtsruck als Bildungsproblem darzustellen. Doch die AfD hat unter Jugendlichen nicht allein gewonnen, weil sie sich einen TikTok-Account angelegt hat. Sondern weil sie so tut, als hätte sie Lösungen für unsere Probleme. Schuld daran, dass du keinen Ausbildungsplatz bekommst, sei nicht die kapitalistische Krise, sondern eben „die Ausländer“. Es ist also kein Wunder, dass die Rechten gerade unter Jugendlichen, die nochmal mehr von der Krise betroffen sind, weil diese auf ihre Kosten ausgetragen wird, gewinnen.

Um die Rechten also zu stoppen, muss es ein Stoppen der Kürzungspolitik geben – die Kürzungspolitik der Ampel, die Schulen unterfinanziert und Jugendclubs dicht macht. Vielmehr sollten nicht wir für ihre Krise zahlen, sondern die Reichen! Dann werden auch weniger von uns den Rechten in die Arme getrieben. Klar ist also: Ein Kampf gegen Rechts ist auch ein Kampf für Masseninvestitionen statt für Kürzungen im sozialen Bereich und der Bildung. Doch wie schaffen wir das?

Organisieren an der Schule gegen Rechtsruck und Krise!

Um gegen die Kürzungspolitik zu kämpfen, müssen wir uns an unseren Schulen zusammentun. Dafür braucht es gemeinsame Aktionen. Anlass dafür können zum Beispiel die entlassenen Sozialarbeiter:innen sein, die kaputte Turnhalle oder das teure Mensaessen. Es können aber die Hakenkreuz-Schmierereien sein. Diese könnte man dann also, anstatt alleine zu crossen, mit seinen Freund:innen überstickern, mit Stickern der Jugendorganisation deines Vertrauens. Geht wahrscheinlich dann sogar schneller und macht vielleicht sogar Spaß. Nach so einer Aktion kann man dann ein gemeinsames Treffen machen, wo man darüber redet, wie man in Zukunft damit umgeht und wie man den Rechtsruck bekämpft. Dazu kann auch gehören, gemeinsam zu großen Antifa-Aktionen zu fahren, wie zu den Blockadeaktionen gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen. Dort können wir gemeinsam aufzeigen, dass es mehr braucht als „Nazis raus“, bzw. dass unserer „Nazis raus“ auch einen gemeinsamen Kampf mit Gewerkschaften und linken Parteien gegen Kürzungen und für Masseninvestitionen in Bildung bedeutet.

Der Rechtsruck kann nur durch eine Massenbewegung gestoppt werden, die sich nicht nur einmal im Jahr in Essen trifft, sondern in Schule, Uni und Betrieb verankert ist. Unsere Organisierung an der Schule ist deshalb ein wichtiger Schritt, um eine solche Bewegung aufzubauen. Denn das ist der Ort, wo wir täglich die Krise spüren, also müssen wir uns auch dort gegen diese organisieren. Eine soziale Forderung, die wir an Schulen erkämpfen können, ist zum Beispiel, dass die Schülis und Lehrkräfte über das Mensa-Essen und den Preis entscheiden können. Ebenso aber auch die Kontrolle über die Lehrpläne, die aktuell noch Rassismus und Queerfeindlichkeit reproduzieren und Kritik am Kapitalismus maximal in die Politik-AG verbannen. Wenn wir uns außerdem zusammentun, müssen wir auch weniger Angst vor rechten Mitschülis, Lehrer:innen oder Stress mit der Schulleitung haben. Einmal, weil man keine 30 Leute von der Schule werfen kann, aber auch weil wir uns zusammen uns bei Angriffen von Rechten verteidigen können.

Denn es ist der traurige Alltag, dass Unterdrückte angegriffen werden. Angst auf dem Nachhauseweg vor Angriffen von seinen eignen Mitschülis zu haben, ist längst Realität geworden. In den meisten Fällen haben wir nicht mal irgendwas zum Selbstschutz dabei, weil das in unseren Schulen als Waffen gilt und somit verboten ist. Klar ist auch, dass, wenn wir angegriffen werden, das Rufen der Bullen kaum etwas bringen wird. Denn die Bullen sind die, die doch selbst jeden Tag migrantisierten Menschen das Leben zur Hölle machen. Ausrechnet sie werden wohl kaum wen anderes davon abhalten. Wir brauchen also Strukturen, die nicht Teil dieses rassistischen Staates sind, der tagtäglich neu die Saat für den aktuellen Rechtsruck pflanzt. Wir müssen selbst eigene Strukturen an unseren Schulen aufbauen. Die Strukturen müssen die Schülis befähigen, sich selbst gegen Angriffe zu verteidigen, wenn Rennen nichts mehr bringt. Diese Strukturen müssen aber auch, wenn es zu Angriffen kommt, die Opfer unterstützen, und das heißt auch, als Gruppe organisiert Angriffe abzuwehren.

Wir finden es gut, wenn solidarische Lehrkräfte Räume zur Verfügung stellen, aber wir sollten nicht davon ausgehen, dass das passiert. Genauso, wie Orte und Strukturen zur Abwehr von Angriffen aufgebaut werden müssen, braucht es auch Strukturen, die diskriminierende Vorfälle sammeln und Maßnahmen dagegen beschließen können. Diese Stelle muss von den Schülis demokratisch gewählt, aber unabhängig von der Schule organisiert werden. Diese Informationen sollen nicht für die Schulleitung gesammelt werden, sondern die Schülis selbst sollen entscheiden können, wie sie damit umgehen wollen. Wie genau eine solche Antidiskriminierungsstelle aussehen und wie man sie erkämpfen kann, erfahrt ihr in unserem Artikel dazu auf unserer Homepage.

Lasst uns diesen Schock nach der Wahl für mehr nutzen als 2 Insta-Storys. Die Rechten bekämpfen wir nicht im Netz sondern auf der Straße, in der Schule, Uni und im Betrieb!




Gegen Pistorius’ „freiwillige“ Wehrpflicht: Die Herrschenden wollen Krieg, wir wollen eine Zukunft!

von Pippine Garterbelt, Juni 2024

Boris Pistorius (Bundesminister der Verteidigung, SPD) warnt vor einem nahenden russischen Angriff auf die NATO und stellte daher am Mittwoch, dem 12.06.2024, seine Pläne für ein neues Wehrdienstmodell vor. Diese Pläne sehen vor, dass in Zukunft alle Jugendlichen nach ihrem 18. Geburtstag einen Online-Musterungsbogen von der Bundeswehr zugesendet bekommen. Männer zwischen 18 und 25 Jahren sind dann nach diesem Gesetz verpflichtet, diesen Bogen auszufüllen und zurückzusenden. Wenn man dann im Zuge dessen genügend Motivation und Kriegstauglichkeit zeigt, wird man verpflichtend zur Musterung eingeladen, also einer Untersuchung zur Eignung zum Wehrdienst. Dass man dann schlussendlich zum Dienst an der Waffe verpflichtet wird, lehnt Pistorius noch ab. Frauen wird dieser Bogen auch zugesendet. Sie sollen jedoch nicht verpflichtet sein, diesen Musterungsbogen auszufüllen und wieder zurückzusenden. Das alles entspricht einer ersten Stufe wieder zurück zur Wehrpflicht, das heißt: der massenhaften Mobilmachung von Arbeiter:innen und Jugendlichen, um als Soldat:innen für die Interessen der Herrschenden zu morden – und zu sterben.

Also jetzt doch?

Denn am Ende des Tages sind es wir, die Jugend, die ihr Leben gefährden und für die Herrschenden in den Krieg ziehen und mörderische Konflikte in ihren Namen bestreiten müssen. Mit dem neuen Wehrdienstmodell möchte die SPD jährlich 40.000 bis 50.000 neue Soldaten rekrutieren. Dies sei notwendig, um einen Krieg gegen Russland zu bestehen, sagt Pistorius. Er vermutet einen Angriff Russlands bereits im Jahr 2029. Bis dahin möchte er die Zahl der Reservist:innen auf 460.000 erhöhen – also mehr als verdoppeln. Betont wird, dass das Modell keine neue Wehrpflicht sein soll, sondern auf Freiwilligkeit basieren soll. Netterweise wirst du in dem Musterungsbogen, zu dessen Ausfüllen du gezwungen wirst, nämlich auch gefragt, ob du überhaupt Interesse an der Bundeswehr hast. Bekommst du eine Einladung zur Musterung, ist die zwar deine Pflicht, aber hey, wenigstens wirst du mit einem Kreuzchen mal nach deiner Meinung gefragt. Parteien wie die CDU/CSU, SPD und AfD positionieren sich klar für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. So schreibt die CDU/CSU in ihrem neuesten Grundsatzprogramm: „Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen […] Das Bekenntnis zur Wehrpflicht ist ein wichtiges Bekenntnis zur Stärkung der Bundeswehr.“ Die Pläne der SPD sind als vorbereitende Maßnahmen für eine langsame Wiedereinführung der Wehrpflicht einzuordnen. SPD, FDP und Grüne betonen die Wichtigkeit der Freiwilligkeit beim Wehrdienst und schaffen Anreize, sich noch länger als die vorgesehenen 6 Monate zu verpflichten. Um sich die Bereitwilligkeit der Jugend zu erkaufen, packt die SPD die Kostenübernahme für einen (mittlerweile extrem teuren) Führerschein oder eine berufliche Ausbildung obendrauf. Besonders gefährdet sind Schulabgänger:innen und Jugendliche aus sozialschwachen Hintergründen, aus ihrer finanziellen Not heraus in den Wehrdienst gelockt zu werden. Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages (SPD) Eva Högl begrüßt die Pläne ihres Parteikollegen und setzt, ebenso wie CDU-Politiker Johann Wadephul, noch einen obendrauf: Unter dem Deckmantel der Gendergerechtigkeit fordern sie die Pflicht für Männer und Frauen. So sagt die SPD-Politikerin dazu: „Es ist nicht mehr zeitgemäß, nur junge Männer anzusprechen. In die Bundeswehr gehören alle Geschlechter, auch Frauen wollen ihren Beitrag leisten.“ – Um auch Frauen verpflichten zu können, müsste eine Änderung im Grundgesetz vorgenommen werden, die dies legitimiert. Währenddessen hetzt die BILD-Zeitung munter gegen die Jugend: „Pistorius plant neuen Wehrdienst: Ist unsere Jugend zu weich für die Bundeswehr?“ und schreibt weiter: Die heutigen Jugendlichen „können doch nur Hafermilch trinken, TikTok-Videos glotzen und gendern.“ Pseudowissenschaftlich versucht der Artikel, die Verweichlichung der Jugend zu beweisen. Im Interview mit der BILD soll die Zuständige für die Werbung der Bundeswehr Sabine Castenow dazu gesagt haben: „Klar ist, dass die Generation Z völlig anders tickt als ihre Vorgängergenerationen. Sie ist einerseits sehr behütet aufgewachsen und die Eltern sind enge und wichtige Berater ihrer Kinder.“ Das klingt rhetorisch sehr nach der autoritären und völkischen Erziehungspädagogik, in der Kinder von Anfang an gefühlskalt und streng für Gefolgsamkeit in Krieg und harter Arbeit erzogen werden sollen. Während die jahrelange Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht aus dem Bundestag nun bittere Realität zu werden scheint, trifft dies in der Jugend auf wenig Zustimmung. Laut Umfragen sind nur 16% der Jugendlichen für die Wehrpflicht. Das ist kaum verwunderlich. Denn es sind am Ende nicht die Politiker:innen im Bundestag, die an der Front für die Verteidigung des Kapitals sterben sollen, obwohl sie behaupten, wir alle müssten uns für unsere Demokratie in den Schützengraben werfen. Stattdessen sind es wir Arbeiter:innen und Jugendlichen, die morden sollen, während die Reichen durch die Kriege noch reicher werden und der bürgerliche Staat seine geostrategischen Interessen verfolgen kann.

Denn tatsächlich: Mit der dringenden Stärkung des deutschen Militärs streben die Regierungsparteien an, sich auf verstärkte weltweite Konfrontationen unter den imperialistischen Blöcken vorzubereiten, was gemeinhin als „Zeitenwende“ bezeichnet wird. Die Abschaffung des Wehrdienstes 2011 wurde zwar durch gesellschaftlichen Protest begleitet, aber in erster Linie war sie eine Sparmaßnahme während der Wirtschaftskrise und eine politische Entscheidung zur Neuausrichtung der Bundeswehr, indem ein Fokus auf eine deutlich kleinere, aber gut ausgebildete Berufsarmee gesetzt wurde. Das war damals auch gut für die Weltlage zugeschnitten, denn die Kriegseinsätze der Bundeswehr in Halbkolonien wie Afghanistan, Kosovo oder im Libanon waren keineswegs Materialschlachten ebenbürtiger Kriegsparteien wie in den Weltkriegen, sondern glichen einem unterdrückerischen Polizeieinsatz im Ausland. Daher brauchte man eher wenige Soldat:innen, die dafür in der Lage waren, die hochtechnologischen Kriegsgeräte zu bedienen oder einzelne Ziele anzugreifen. Auf der anderen Seite ist der russische Angriff auf die durch die NATO aufgerüstete Ukraine seit vielen Jahrzehnten der erste Krieg, der ganz anders abläuft: Hunderte Kilometer lange Feindeslinien mit schweren Verteidigungsanlagen, ständigem Artilleriebeschuss und zehntausenden Toten auf beiden Seiten. Hier wird der Krieg dadurch entschieden, wer sowohl die größere (Kriegs-)Industrie als auch wehrfähige Bevölkerung hat, um länger eine Massenarmee mit Hunderttausenden Soldat:innen zu unterhalten. Und da sich im Zuge von politischen und wirtschaftlichen Krisen der Konflikt zwischen den imperialistischen Blöcken eher noch verschärfen dürfte, will die Bundesregierung für genau so einen Krieg die Bundeswehr zu einer Massenarmee umstellen, um so die Arbeiter:innen und Jugendlichen für ihre Interessen in Stellung zu bringen. Aber nicht, wenn wir das verhindern können!

Für eine internationale Jugendbewegung gegen Krieg und Krise!

Die Reaktion des westlichen Imperialismus, auf immer stärkere Aufrüstung und Wehrdienst-Rekrutierung zu pochen, ist also nur logisch. Logisch für uns muss daher sein, dass die Interessen der Herrschenden nicht unsere sind! Wir können uns nicht auf den Staat verlassen, wenn es um die Sicherung unserer Zukunft geht. Wir müssen also eine unabhängige, internationale Bewegung der Jugend und Arbeiter:innen gegen Krieg und Aufrüstung aufbauen. Gewerkschaften und traditionelle Arbeiter:innenorganisationen sollten dabei unsere Bündnispartner sein. Nur durch Aktionen des Klassenkampfes in internationaler Absprache können wir die Spirale der Aufrüstung und der aggressiven „Verteidigung“ durchbrechen und das kapitalistische System angreifen, das Kriege und Krisen verursacht. Jugendliche müssen sich gegen Aufrüstung und für soziale Verbesserungen organisieren, sowohl lokal als auch international.

Dabei setzen wir uns für folgende Forderungen ein:

  • Nein zur Wehrpflicht und dem neuen Wehrdienstmodell der SPD unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit! Wir wollen kein Kanonenfutter sein!
  • 100 Milliarden für Soziales, Bildung und die Jugend und nicht für die Bundeswehr! Gegen jede Aufrüstung aller imperialistischen Nationen, ob Russland oder Deutschland!
  • Bundeswehr raus aus den Schulen! Kein Werben für’s Sterben!
  • Für den Aufbau einer Schüler:innengewerkschaft, die unsere Interessen gemeinsam mit der Arbeiter:innenklasse vertritt und durchsetzt!
  • Für eine Antikriegsbewegung international! Nur die Arbeiter:innen können den Konflikt lösen.
  • Für eine revolutionäre Jugendinternationale! Die Jugend braucht eine unabhängige und internationale Vertretung.



UEFA-EM 2024: Fußtritte gegen demokratische Rechte

von Bruno Tesch, ursprünglich erschienen in der Neuen Internationale 283 der Gruppe Arbeiter:innenmacht, Juni 2024

Am 14. Juni beginnt die Fußballeuropameisterschaft (EM 2024) der Männermannschaften und endet einen Monat später. Sie wird dieses Mal In Deutschland an 10 Spielstätten ausgetragen. Das rein sportliche Spektakel wird jedoch von innen- und weltpolitischer Krisenhaftigkeit und Unsicherheit in Beschlag genommen. Regierungen nutzen solche Großveranstaltungen, die massenhafte Aufmerksamkeit auf sich ziehen, gerne, um sich gleichzeitig im Licht erfolgreicher Nationalteams zu sonnen und währenddessen bspw. unpopuläre Gesetze zu installieren. Diesmal wird die Öffentlichkeit jedoch bereits im Vorwege hellhörig durch Pläne der deutschen Bundesregierung, die EM als Vorwand für verschärfte politische Repression zu projektieren.

Ausbau des EU-Sicherheitsapparats

Die Vorbereitungen zur Großveranstaltung laufen auf Hochtouren und auch die Bundespolizei bereitet sich sehr gründlich darauf vor. „Die Sicherheit der Fußball-EM bei uns im Land hat höchste Priorität. Alle Sicherheitsbehörden bereiten sich hochprofessionell vor. An allen Spielorten und überall, wo sich viele Menschen bewegen, gilt: Die Polizei wird hohe Präsenz zeigen. Dafür bin ich den Landespolizeien und unserer Bundespolizei sehr dankbar“, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

„Dabei intensivieren wir die Maßnahmen auf allen Verkehrswegen für die Sicherheit der Fußballfans und Reisenden. In Zügen und Bahnhöfen wird die Bundespolizei die Präsenz erhöhen“. Alle Maßnahmen wären eng mit den Polizeien der Länder, Grenzpolizeien der deutschen Anrainerstaaten, Eisenbahnverkehrsunternehmen, Flughafenbetreiber:innen und relevanten Sicherheits- und Ordnungspartner:innen abgestimmt.

Die Bundespolizeidirektion Koblenz wird hier an insgesamt neun Grenzübertrittsorten zu Frankreich, Luxemburg und Belgien die Reisebewegungen überwachen. Von dort aus erfolgen gemeinsame Streifen mit der Bundespolizeiinspektion Saarbrücken und den Kolleginnen und Kollegen der französischen Police aux Frontières (Grenzpolizei) sowie des Service National de la Police Ferroviaire (französische Bahnpolizei). Außerdem gibt es für Schwerpunkteinsätze ein gemeinsames Kommissariat.

Mit Frankreich sind etwa gemeinsame Polizeieinheiten und Streifen im grenzüberschreitenden Bahnverkehr geplant. Die Ministerin hob hervor, dass auch bei der Abwehr hybrider Bedrohungen und beim Schutz vor Terrorismus eng mit Frankreich zusammengearbeitet wird.

Regierungsoffziell heißt es: Im Fokus stehen der Schutz vor Islamist:innen und anderen Extremist:innen, vor Hooligans und weiteren Gewalttäter:innen sowie die Sicherheit der Netze.

Diese Konzeption wird ergänzt durch eine stärkere Kooperation des Staatsapparats auch auf Länderebene. So hat etwa der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul für die Fußball-Europameisterschaft erhöhte Sicherheitsmaßnahmen angekündigt. Teil des Konzepts: Urlaubssperre für Polizist:innen und ein internationales Polizeizentrum in Neuss. Teil dieser Aufrüstungspläne ist auch ein besserer Datenaustausch zwischen Behörden. Die derzeitige Kommunikation sei unter anderem aus Datenschutzgründen eingeschränkt und wichtige Informationen dürften nicht weitergegeben werden. Um dem entgegenzuwirken, seien Reuls Ansicht nach verbesserte Instrumente wie die umstrittene Vorratsdatenspeicherung erforderlich. So wird die Fußball-EM zum „zivilen“ Test für weitere staatliche Überwachung.

Staatsräson im DGB: die Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Als spezielle Scharfmacher:innen für Hass und Hetze erweisen sich wieder einmal die Spitzen der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der Bezirksvorsitzende für Bundespolizei und Zoll, Andreas Roßkopf, meinte: Im Visier der Kontrollen stünden vor allem „die Fangruppierungen, gewaltbereite Hooligans, aber natürlich auch – islamistische Vereinigungen“.

„Und da brauchen wir – und haben auch – die Hinweise aus nationaler und internationaler Zusammenarbeit.“ Mit dieser besonderen Belastung zur EM habe man aber bereits gerechnet und sei vorbereitet.

Da muss dann sogar der Anschlag in einem „befreundeten“ Land auf eine Moskauer Konzerthalle Ende März 2024 herhalten, der mutmaßlich von ukrainischen Nationalist:innen verübt worden ist, ebenso wie ein Posting einer islamistischen Gruppierung in den sozialen Medien, das plakativ drei EM-Spielorte als Anschlagsziele nennt, um den aufgefahrenen Sicherheitsapparat zu verteidigen.

Ein Hintergedanke der sicherheitspolitischen Kooperation ist nicht zuletzt das imperialistische Interesse der Bundesrepublik, ihre Führungsposition in der Europäischen Union zu stärken und auch die noch nicht kriegstüchtige eigene Bevölkerung an die angebliche Notwendigkeit von polizeilicher Präsenz und finanziellen Opfern für Aufrüstung zu gewöhnen. Sie kann sich der stetigen Unterstützung durch staatslammfromme DGB-Gewerkschaften dabei sicher sein.

Die Positionierung der GdP verdeutlicht außerdem einmal mehr, dass die Polizeigewerkschaft im DGB nichts verloren hat. Gewerkschafter:innen, die gegen Spaltung und Repression am Arbeitsplatz, gegen Rassismus, Überwachungsstaat und Militarisierung kämpfen, brauchen keine Interessensvertretung des Staatsapparates in den eigenen Reihen, sondern müssen für den Ausschluss der GdP aus dem DGB eintreten.

Repression und Rassismus

Selbstverständlich ist diese Sicherheitslawine nicht erst in Erwartung einer solchen Veranstaltung überstürzt losgetreten worden. Dieses Paket reiht sich vielmehr als strategisches Kalkül der herrschenden Klasse ein, das eine rassistische Politik mit repressiven Maßnahmen gegen linkere Opposition verbindet. Die Asylgesetzgebung der bürgerlichen „Mitte“ passt nahtlos mit der Erstickung von Solidaritätsbekundungen für die palästinensische Bevölkerung zusammen, die in die Ecke „terroristischer Bedrohung“ gestellt werden. Die Verschärfung des Strafrechts beinhaltet auch eine Neudefinition von Gewalt, die Vollzugsmaßnahmen wie Abschiebung und Zwangsexmatrikulation unmittelbarer und auf höherer Eskalationsstufe spüren lässt.

Die EM nahm Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dankbar als Steilvorlage auf und forderte rasche Konsequenzen für Gewalttäter:innen. Er teilte der Zeitung „Bild am Sonntag“ mit, auch Hooligans und Krawalltourist:innen würden sich auf den Weg nach Deutschland machen. Wenn Straftaten begangen würden, sollte dort, wo es möglich sei, die Strafe auf dem Fuße folgen.

Kritik

Es erhebt sich aber auch Kritik im bürgerlich-liberalen Lager gegen den Sicherheitshype. So moniert bspw. der Deutsche Anwaltsverein drei problematische Überwachungstechnologien, die nun auf keinen Fall etabliert oder weiter ausgeweitet werden dürften. Dazu gehören Staatstrojaner, die Zugriffe auf PCs legitimieren, durchgängiger Einsatz biometrischer Gesichtserkennungsprozeduren sowie anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Zu den Eckpunkten des Sicherheitskatalogs zählt neben den genannten Pfeilern auch Präventionsarbeit durch die Unterstützung von Fanprojekten, z. B. durch das Fanbetreuungsprogramm „Fans welcome“.

Für die Polizei und den Staat stehen die Fangruppen selbst im Visier der verschärften Überwachung. Gegen diese, gegen die Kommerzialisierung des Sports, die bei den Großveranstaltungen besonders krass und überteuert hervortritt, gegen die verordnete Fankultur sollten sie sich organisiert zur Wehr zu setzen. Viele Fangruppen aus den Vereinen haben durch ihre bundesweit organisierten Proteste gegen die Machenschaften des DFL Deutsche Fußball Liga e. V. und Mauscheleien hinter ihrem Rücken mit zweifelhaften sportfremden Investor:innen nicht nur Erfolg gehabt, sondern auch bewiesen, dass sie als organisierte Kraft Kapitalkraken widerstehen können.

Diese Gruppen sind auch an den jeweiligen Spielorten stark vertreten. Sie könnten dabei die Kritik an der Kommerzialisierung der Veranstaltungen bis zum Public Viewing mit der am Überwachungswahn verbinden. Sie müssten sich dazu aber sowohl mit gewerkschaftlichen Organisationen abseits von GdP und Deutscher Polizeigewerkschaft (DPolG) wie auch mit internationalen Fanverbänden verbinden, Kontrollen und Einreisebeschränkungen entgegentreten. Statt der Polizei könnten die Fanclubs eigenständige Ordner:innendienste organisieren und so für einen geregelten Ablauf der Veranstaltungen sorgen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund überlässt es leider „seiner Fachvertretung“, der GdP, sich mit dem Thema Staatsaufrüstung im Namen der Sicherheit aller zu beschäftigen und klassenfeindlich hervorzutun.

  • Keine Grenzkontrollen!
  • Keine migrant:innenfeindliche Repression!
  • Keine Legitimierung von Überwachungseinrichtungen!
  • Nein zu allen Strafgesetz- und Sicherheitsverschärfungen!
  • Keine Mittel und Personal für polizeiliche Aufrüstung!
  • GdP raus aus dem DGB!
  • Organisierung von Sicherheitsvorkehrungen und Gegenwehr gegen staatliche Kontroll- und  Einreisewillkür durch internationale Fangruppierungen und Gewerkschaften!



3 Gründe, warum “Willkommens”klassen nichts mit Inklusion zu tun haben

April 2024

Es klingt erst mal nett: eine Klasse, in der geflüchtete Kinder und Jugendliche willkommen geheißen werden, gemeinsam Deutsch und Lesen und Schreiben lernen, um dann einen einfachen Einstieg in den Regelunterricht zu haben. Da hat man gar nicht mehr diesen spaltenden flavour wie damals, als dasselbe Konzept noch „Ausländerklassen“ genannt wurde. Zu Recht? Nein, die Regierung will uns pranken und die Leidtragenden des Pranks sind unsere geflüchteten Mitschüler:innen (sowie in geringerem Maße die Lehrkräfte und alle anderen im Schulbetrieb). Wir sind „Jugend gegen Abschiebung“ und wir wollen nicht nur Abschiebungen verhindern und den Rechtsruck stoppen, sondern in eine antirassistische Gegenoffensive übergehen, deswegen bieten wir euch hier ein paar Fakten sowie 3 Argumente gegen „Willkommens“klassen und einige Stichpunkte, was wir stattdessen bräuchten für einen inklusiven Schulalltag für alle.

Die Schulpflicht in Deutschland ist in der Regel nicht abhängig vom Aufenthaltsstatus, d.h. geflüchtete Kinder sind genauso schulpflichtig wie hier aufgewachsene. Wie genau Geflüchteten der Schulbesuch ermöglicht werden soll, ist aber Ländersache und es funktioniert überall ein kleines bisschen anders. In elf Bundesländern ist dies in sogenannten Willkommensklassen (WK) organisiert, wir beziehen uns hier der Einfachheit halber vor allem auf eines dieser elf: Berlin. Es gibt hierzu nicht extrem viele kritische Untersuchungen, wir empfehlen aber ‚Die Kontinuität der Separation‘ (Karakayalı et al.), auf die wir uns auch hier beziehen. Während der Senat einige Grundlinien und Ziele formuliert hat (neben dem deutschen Spracherwerb z.B. die „Vermittlung kultureller Werte, Normen und Verhaltensweisen des Aufnahmelandes Deutschland“), bleibt die genaue Ausgestaltung weitgehend den einzelnen Schulen überlassen, sodass auch die Probleme je nach Schule in unterschiedlichem Maße zu Tage treten.

1. Direkte Ausgrenzung im Schulalltag

Dass WK nicht besonders inklusiv sind, wird schon auf räumlicher Ebene bemerkbar, etwa wenn der Unterricht in entlegenen Teilen der Schulgebäude, im Hort oder wie in einigen Fällen, sogar in einem gänzlich verschiedenen Gebäudekomplex oder in der Unterkunft stattfindet, sodass überhaupt keine gemeinsam genutzten Räume von nicht und neu zugewanderten Schüler:innen bestehen. Dieses Prinzip setzt sich fort, wenn WK nicht an Schulfesten, Tagen der offenen Türen beteiligt sind, wenn WK nicht auf Klassenfahrten fahren oder wenn den geflüchteten Schüler:innen keinen Mitwirkung in der Schüler:innenvertretung ermöglicht wird. Nachmittagsangebote werden zwar formal angeboten, können aber oft insbesondere in Grundschulen allein schon deshalb nicht genutzt werden, weil die Eltern nicht über die Möglichkeiten informiert werden.

2. Schlechte Behandlung und strukturelle Benachteiligung

Auf dem Schulhof verprügelt, Sand in den Mund gesteckt, von Lehrer:innen angeschrien oder gewaltsam durch den Klassenraum gezerrt. Die zahlreichen Beispiele von Diskriminierung gegenüber geflüchteten Schüler:innen sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck einer systematischen Unterdrückung. Die Schüler:innen in den WK sind, dadurch dass sie unter sich bleiben, abgeschnitten von Mitteln, um sich gegen ihre Diskriminierung zu wehren, die Zeug:innenschaft der anderen Schüler:innen bleibt aus und deren Solidarisierung wird erschwert. Im Übrigen sind auch die zusätzlichen Lehrkräfte in den WK zum Teil Mobbing durch die anderen Lehrer:innen ausgesetzt.

3. Mangelnde Ressourcen und nobody cares

Wir haben bereits an anderer Stelle die These aufgestellt, dass sich das deutsche Bildungssystem in einer tiefen, sich stetig weiter zuspitzenden Krise befindet. Vor dem Hintergrund von maroden Schulgebäuden, dringendem Lehrkräftemangel und unzeitgemäßen Unterrichtsformen erhärtet sich der Eindruck, dass Willkommensklassen in erster Linie dazu dienen sollen, den Schulbetrieb in den Regelklassen möglichst „ungestört“ weiterlaufen zu lassen, bzw. dessen endgültigen Kollaps zu verhindern. Um die Bedürfnisse der geflüchteten Schüler:innen geht es eigentlich nicht. Dafür existieren auch gar nicht die Mittel. Ein Drittel der Berliner Schulen mit WK hat nicht einmal ein schriftliches Konzept für diese. Durch den Raummangel werden WK teilweise in Unterkünfte verdrängt oder müssen in Horträumen unterrichten, inmitten zwischen den Bastelsachen für die Regelschüler:innen, die die Geflüchteten nicht anfassen dürfen. Weniger als 5% der Lehrkräfte sind ausgebildet für das Lehramt von Deutsch als Fremdsprache und an mehr als einem Viertel der Schulen unterrichten überhaupt keine ausgebildeten Lehrer:innen in den WK. Die meisten Lehrkräfte sind zudem nicht darauf vorbereitet, mit den traumatisierenden Erfahrungen, die die Schüler:innen auf der Flucht gemacht haben, angemessen umzugehen.  Digitale Lehrmaterialien werden fast überhaupt nicht in WK genutzt, teilweise sind die Lehrer:innen sogar dafür verantwortlich, sich privat um ihre Lehrmittel zu kümmern. Dies alles führt dazu, dass selbst wenn die Geflüchteten nach einer gewissen Zeit in den Regelunterricht überwechseln, sie den Inhalten meistens nicht folgen können. Schließlich gibt es auch einfach nicht genügend Plätze in den WK, sodass allein in Berlin tausende Jugendliche monatelang auf einen Schulplatz warten müssen.

Was bräuchte es stattdessen?

Wir wollen in der Zukunft ein detaillierteren Forderungskatalog für eine antirassistische Wende an den Schulen erarbeiten und wir laden dich als interessierte:n Schüler:in herzlich dazu ein, dabei mitzudiskutieren. Als ersten Schritt schlagen wir aber die folgenden Eckpunkte vor:

  • Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in die regulären Klassen ab dem ersten Tag
  • Wahlmöglichkeit zwischen Unterricht in der Muttersprache oder Unterstützung durch DaF-Lehrer:innen und Übersetzer:innen
  • umfassende psychologische Betreuung zur Traumaverarbeitung
  • Kennenlern- und Vermittlungsangebote zwischen nicht und neu zugewanderten Schüler:innen (gemeinsam Fußballspielen, Musizieren, Spiele spielen…)
  • Vollen Zugang zu politischer Mitbestimmung an der Schule für WK-Schüler:innen
  • eine selbstverwaltete Antidiskriminierungsstelle (siehe unseren Artikel zu dieser Forderung)

Wir sollten jetzt in allen Schulen die Frage der Willkommensklassen diskutieren, die bestehende Ungerechtigkeiten aufzeigen und gemeinsam nach Alternativen suchen. Vielleicht fragst du einmal die Schüler:innen in der WK, wie es ihnen im Schulalltag geht und für welche Verbesserungen sie sich mit einsetzen würden.

Bei alldem müssen wir aber dennoch klar benennen, dass der Schulbesuch nicht von den Angriffen auf das Asylrecht gesondert betrachtet werden kann. Niemand kann sich in der Schule wohlfühlen, wenn man von Abschiebung bedroht ist, wenn man nachts nicht schlafen kann, weil es in der überfüllten Unterkunft zu laut ist oder wenn das wenige Geld auf der Bezahlkarte nicht reicht, um die Grundbedürfnisse zu bedienen. Wir betrachten daher den Kampf für Inklusion an der Schule als Teil des Kampfes gegen den staatlichen Rassismus, für Bleiberecht und volle Staatsbürgerrechte für alle!

Quellen:

https://www.dipf.de/de/forschung/pdf-forschung/steubis/wiko-studie-zusammenfassung-zentraler-befunde
https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&id_artikel=ART102186&uid=frei
https://taz.de/Willkommensklassen-in-Berlin/!5933590
https://www.dw.com/de/ukrainische-sch%C3%BCler-kritik-an-willkommensklassen/a-64077205
https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Expertise_Willkommensklassen.pdf
https://www.berliner-zeitung.de/open-source/integration-an-berliner-schulen-fragwuerdiger-umgang-mit-willkommensklassen-li.2148195



EU-Wahl 2024: Wählt links, aber organisiert den Kampf für ein sozialistisches Europa!

Gemeinsame internationale Resolution von REVOLUTION, Juni 2024

Auch wenn es für die meisten von uns kaum im Alltag präsent ist: Die vielen Wahlplakate erinnern uns daran, dass alle fünf Jahre mal wieder ein neues EU-Parlament gewählt werden muss. Dieses Jahr dürfen auch wir Jugendliche über 16 ran, aber die Zeichen stehen auf Rechtsruck. Laut den aktuellen Prognosen werden die größten Stimmengewinne in fast allen Ländern an rechtspopulistische Parteien gehen. Gleichzeitig hat die EU auch ohne rechtspopulistische Mehrheit erst kürzlich durch die sogenannte GEAS-Reform das Asylrecht für Einzelpersonen faktisch abgeschafft, Abschiebungen erleichtert und wochenlange Inhaftierungen von Geflüchteten legalisiert. Während jede:r vierte Jugendliche in der EU in Armut lebt, nutzt sie den Krieg in der Ukraine, um allen Schein vom angeblichen „Friedensprojekt Europa“ endlich in die Tonne zu treten und fleißig aufzurüsten. Es geht schnell in so einer Situation die Hoffnung zu verlieren. Warum sollten wir als Kommunist:innen also überhaupt wählen gehen? Und wo sollten wir unser Kreuzchen machen?

Wahlboykott ist Unsinn!

Zuallererst müssen wir uns klar machen, dass Wahlen nur selten wirklich Veränderung bringen und ganz sicher nicht den Kapitalismus stürzen können. Die Hoffnung, dass wir den Kommunismus herbeiwählen können, wird immer enttäuscht werden. Da der bürgerliche Nationalstaat als Organisationsstruktur entstanden ist, um die Herrschaft des Bürgertums abzusichern, wird sich die herrschende Klasse auch nicht mit ihren eigenen Mitteln entwaffnen lassen. Wenn politische Mehrheiten entstehen, die es dem Kapital zu brenzlich werden lassen, kann es immer noch auf Militärputsche, faschistische Mobs oder Spardiktate zurückgreifen, um parlamentarisch gewählte unliebsame Akteure oder Reformen in die Knie zu zwingen. Unser Verhältnis zu bürgerlichen Wahlen ist deshalb ein taktisches.

Im Falle des EU-Parlamentes ist die Situation noch absurder, da dieses im politischen System der EU nur eine sehr begrenzte Macht hat. So ist es nicht mit einem normalen gesetzgebenden Parlament wie dem Bundestag oder dem Nationalrat zu verwechseln, da es weder eigene Gesetze initiieren kann noch die EU-Kommission direkt wählt. Doch auch wenn das EU Parlament keine wirkliche Macht hat, können Linke es als Bühne nutzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen oder um Korruption und Lobbyarbeit zu bekämpfen. Ebenso gilt es, den Massen, die Illusionen in dieses Parlament haben, aufzuzeigen, dass sie eine wirkliche Verbesserung ihrer Lebenssituation schon selbst erkämpfen müssen. Wir nutzen das Parlament als eine historische Errungenschaft für uns und zeigen gleichzeitig durch den praktischen Kampf auf, dass die Möglichkeiten zu parlamentarischen Reformen, die die herrschende Klasse einschränken, sehr gering sind. Es bleibt unsere Aufgabe praktisch zu zeigen, wo die Grenzen der bürgerlichen Demokratie liegen und dass nur eine sozialistische Revolution der Arbeiter:innen in der Lage ist, den Kapitalismus zu stürzen und seinen Krisen ein Ende zu setzen. Deshalb nutzt die politisierte Stimmung rund um die EU-Wahl in euren Schulen, die Podiumsdiskussionen, Jugendwahlen, Politikstunden etc. aber auch eure Wahlstimme, um die Illusionen einer „Friedens-EU“ zu zerstören und den Kampf gegen Asylrechtsverschärfungen, Rechtspopulismus, Umweltverschmutzung, Massenarmut und Militarisierung zu organisieren.

Die EU wird von der eigenständigen imperialistischen Macht zur Juniorpartnerin der USA!

Die EU ist mit dem Versprechen angetreten, das vom Weltkrieg zerrüttete Europa friedlich und sozial zu vereinigen und genoss deshalb lange eine große Popularität in weiten Teilen Europas. Doch davon ist angesichts von Krieg, Spardiktaten, Brexit, Rassismus, Umweltzerstörung und Inflation kaum noch was übriggeblieben. Uns überrascht dies nicht, denn eine Einigung Europas ist auf kapitalistischer Grundlage unmöglich. Als Marxist:innen ist uns klar, dass eine politische Einigung Europas nicht ohne ökonomische Grundlage erfolgen kann. Doch eine gemeinsame ökonomische Grundlage konnte sich aufgrund der verschärften Konkurrenz zwischen den einzelnen Nationalstaaten angesichts ihrer widersprüchlichen Interessen nicht herausbilden. Lange hat die Idee eines immer enger zusammenwachsenden Europas, das sich als eigene imperialistische Macht neben den USA, Russland, China etabliert, die verschiedenen Staaten der EU zusammengeschweißt und bei der Stange gehalten. Es fehlt der EU an einem integrierenden strategischen Projekt, das die auseinanderdriftenden Fliehkräfte der Einzelstaaten zusammenhalten kann. Dafür hat die EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen bei der letzten EU-Wahl einen Green New Deal versprochen, der mithilfe massiver Subventionen die Kapitale der führenden EU-Staaten auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger machen sollte (mit „green“ hatte das leider nicht so viel zu tun). Doch der Krieg in der Ukraine und die Wirtschaftskrise haben diesem Projekt einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Widersprüche zwischen den einzelnen EU-Staaten verstärkt.

So sind die exportorientierten Kernstaaten der EU – Deutschland und Frankreich – durch den Zusammenbruch der weltweiten Lieferketten im Zuge der Corona-Pandemie aber auch durch die Sanktionspolitik im Zuge des Ukraine-Krieges stark angeschlagen. Die relative Unabhängigkeit der EU gegenüber den USA hat nur so lange funktioniert, wie ihre Produktionsketten nach China ausgedehnt werden konnten und billige Rohstoffe aus Russland flossen. Durch die verschärfte Blockbildung und die Sanktionen musste die EU ihre relative Unabhängigkeit aufgeben und sich den USA als „Juniorpartner“ unterordnen. Das von deutschem und französischem Kapital vorangetriebene Projekt einer eigenständigen imperialistischen EU-Macht wurde damit weitestgehend beerdigt. Ähnliche Interessen in geringerem Maße verfolgt der erweiterte Kern der EU aus Italien, Spanien, den BeNeLux-Staaten und Österreich. Südeuropa (Griechenland, Malta, Zypern, Portugal) hat dagegen auf der EU-Bühne kaum was zu sagen. Allen voran das deutsche Kapital hat seinen Arsch aus der Wirtschaftskrise 2007/2008 gerettet, indem es die Kosten der Krise Südeuropa durch brutale Sparprogramme und die Entmachtung ihrer gewählten Regierungen aufgedrückt hat. Südeuropa wurde damit vollständig und gewaltvoll untergeordnet und gefügig gemacht. Bekannt für ihre EU-kritische Haltung sind vor allem die Staaten Osteuropas wie zB. Polen oder Ungarn. Osteuropa aber insbesondere das Baltikum versucht seine Stellung in der EU dadurch auszubauen, dass sie als Partner der USA und enger NATO-Verbündeter ihre Interessen durchsetzen.

Wenn wir uns die aktuellen Wahlplakate anschauen, wird ganz deutlich: Der EU, und allen voran den Staaten, die die EU dominieren, fehlt es an einem integrativen Projekt, dass diese auseinanderdriftenden Tendenzen zusammenhalten kann. Die Folge dessen ist eine Zersplitterung im bürgerlichen Parteienlage, da die verschiedenen nationalen Kapitalfraktionen nach strategischer Orientierung suchen. Außerdem bedeutet dies, dass die Mitgliedsstaaten nun verstärkt auf ihre eigene Aufrüstung setzen, um eine eigenständigere Rolle zu spielen. Für uns in Deutschland und Österreich bedeutet das Kürzungswellen in unseren Schulen und Unis, um die massiven Aufrüstungsprogramme zu finanzieren und Debatten um die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Der Rechtsruck in der EU ist nicht die Ursache der Krise, sondern ist ein Ausdruck dessen!

In den Sonntagsreden vieler EU-Abgeordnete hören wir, dass sich Europa gegen die wachsende Macht der Rechtspopulist:innen verteidigen müsse. So weit so richtig. Allerdings tun diese Reden häufig so, als ob in der EU eigentlich alles tutti wäre, nur die Rechtspopulist:innen versuchen in die paradiesische EU einzudringen und wollen alles kaputt machen. Für uns Jugendliche ist die EU jedoch kein Dreamland, sondern bedeutet Militarisierung, Rassismus und Neoliberalismus. Außerdem sind die Rechtspopulist:innen nicht vom Himmel gefallen, sondern sie sind ein Produkt ebendieser Krise der EU und der zunehmenden Unzufriedenheit mit ihr in Teilen des Kapitals und des Kleinbürger:innentums. Wie wir eben aufgezeigt haben, hat die Krise der EU ihre Ursache in der kapitalistischen Krise selbst und nicht im wachsenden Rechtspopulismus. Dieser macht sich die Krise jedoch zunutze, um die Unzufriedenen und Abgehängten angesichts eines Mangels an einer linken Alternative hinter sich zu versammeln.

In Österreich haben wir die Situation, dass die rechtsextreme FPÖ in allen Umfragen auf Platz 1 liegt. Zwar kommen die Stimmen zu großen Teilen von der ÖVP, trotzdem bedeutet das weiterhin eine rechte parlamentarische Mehrheit und eine Stärkung der organisierten Rechten. Die AfD erreicht selbst in der U-16-Wahl in Brandenburg Spitzenwerte von 38 Prozent! Laut aktuellen Prognosen wird vermutlich jede vierte Stimme in Europa an rechtspopulistische Parteien gehen. Diese massiven Stimmenzuwächse verteilen sich jedoch auf die „Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer“ (zu deren stärkster Kraft die Partei von Italiens Ministerpräsidentin Meloni gehört) und „Identität und Demokratie“ (zu der auch AfD und FPÖ gehören). Wo sich beide Fraktionen in ihrem Rassismus einig sind, so uneinig sind sie sich in der Positionierung gegenüber dem Krieg in der Ukraine. Die „Konservativen und Reformer“ scheinen dabei die meisten Stimmenzuwächse zu erwarten und unterscheiden sich außenpolitisch nicht wesentlich von der herrschenden EU-Linie.

Doch auch die anderen europäischen Fraktionen sind von einem Rechtsruck geprägt. So versuchen die Europäische Volkspartei (CDU/CSU, ÖVP) und die Liberalen ihre Stimmenverluste an die Rechtspopulist:innen dadurch auszugleichen, in dem sie sich als stärkere Verfechter:innen der Festung Europa zu präsentieren versuchen. Doch auch die Grünen und Sozialdemokraten (SPD, SPÖ) stimmen in den Chor aus Abschottung, Krieg, Militarisierung und Aufrüstung ein. Einig sind sie sich ohnehin alle darin, dass man im Falle des genozidalen Kriegs in Gaza an der Seite Israels stehen müsse. Dabei hat die österreichische SPÖ doch dieses Jahr das erste mal seit langem wieder einen Parteiobmann, der sich positiv auf den Marxismus und die Arbeiter:innenbewegung bezieht? Der Linksruck, den manche damit herbeigesehnt haben, blieb leider aus. Vielmehr gehen die abgehobenen Streitigkeiten weiter. Die um einiges rechteren Landeshauptläute schießen regelmäßig gegen Babler, damit er ja nicht vergisst, dass die Sozialdemokratie schon lange nicht mehr auf die kleinen Leute schaut. In Deutschland hat sich der Rechtsruck auch in der Linkspartei ausgedrückt. So hat sich das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ von der Partei abgespalten und hofft mit rechteren Positionen zur Migration und gegen den angeblichen „Genderwahn“ Wähler:innen von der AfD zurückzuholen. Ihr wirtschaftspolitisches Programm wird in den Medien häufig als links bezeichnet, steht jedoch in erster Linie nur für eine ein wenig sozialere Marktwirtschaft, welche angesichts der aktuellen Krise ein utopisches Modell zu sein scheint.

Wählt die Europäische Linke, aber organisiert den Widerstand!

Wir rufen euch zur Wahl der Europäischen Linken (Linkspartei, KPÖ) auf. So finden wir mit ihren Forderungen nach einem Stopp der Privatisierungen und Kürzungswellen an unseren Schulen und Unis, einem EU-weiten Mindetslohn, einem Stopp der Aufrüstungsspirale und legalen und sicheren Fluchtwege in die EU noch die größte Übereinstimmung. Während die Linkspartei in Deutschland überhaupt darum kämpfen muss, ins Parlament einzuziehen zu dürfen, hat die KPÖ in Österreich dieses Jahr mehrere Erfolge einfahren können. Allen voran die Wahl in Salzburg, wo sie über 20% geschafft haben, aber auch für die EU-Wahlen stehen ihre Chancen gut. Die Parteien der Europäischen Linken eint die Idee von einem sozialeren Europa. Doch wie diese Forderungen genau umgesetzt werden sollen, insbesondere wenn sie auf den erbitterten Widerstand der herrschende Klasse stoßen werden – darüber schweigt die Fraktion. Doch dennoch vereint sie die Illusionen und Hoffnungen der fortschrittlichsten Teile der europäischen Arbeiter:innenklasse, der Gewerkschaften, der Klimabewegung auf sich. Mit diesen müssen wir brechen und den Massen aufzeigen, dass – wie oben schon näher erläutert – nur auf revolutionärem antikapitalistischen Wege eine soziale, friedliche, antirassistische und ökologische Vereinigung Europas unter kooperativer sozialistischer Planung der Produktion möglich ist.

Doch dafür dürfen wir nicht die kommunistischen Besserwisser:innen am Gartenzaun sein. Unsere Aufgabe ist es die richtigen Forderungen der Europäischen Linken zu unterstützen und im gemeinsamen Kampf aufzuzeigen, dass diese nicht auf parlamentarischem Wege und nur eingebettet in ein revolutionäres Programm durchgesetzt und verteidigt werden können. Die Basis und Wähler:innen dieser reformistischen Parteien müssen wir dazu auffordern, ihre Führung auf die Probe zu stellen und von ihnen einen tatsächlichen Kampf für ihre Forderungen einzufordern. Unsere Aufgabe ist es, Teil dieses Kampfes zu sein, das reformistische Bewusstsein in der Klasse zu brechen und ihn anhand unseres Programms auch zum Erfolg zu führen.

Die Wahl von irgendwelchen „linken Kleinstparteien“ wie DKP, MLPD, MERA25, SGP oder auch der Letzten Generation lehnen wir ab. Während DKP und MLPD versuchen aus dem Friedhof der Untoten des Steinzeitstalinismus auszubrechen, versucht sich die vom ehemaligen griechischen Finanzminister Varoufakis gegründete MERA25 als einzige palästinasolidarische Partei zu präsentieren. Sie alle eint jedoch, dass sie keinerlei Rückhalt in irgendwelchen Teilen der Arbeiter:innenklasse besitzen. Ihre Wahl hat keinerlei Einfluss auf das Bewusstsein der Klasse, sodass wir die Klasse auch nicht erreichen, wenn wir unser Kreuz für ihre zusammengekleisterten, reformistischen und sektiererischen Wahlprogramme machen.

In einer Zeit in der Wirtschaftskrisen und Genozide zu unserem Alltag gehören, braucht es massenhaften und organisierten Widerstand in unseren Schulen und Unis. Einen Zettel in eine Box werfen kann dabei maximal eine Nebenbeschäftigung sein.




EU-Wahlen: AfD raus aus unseren Schulen!

Von Sani Meier, April 2024

Alle Jahre wieder der gleiche Zirkus: Bald stehen Bundestags-, Landtags- oder wie jetzt die EU-Wahl an und schon fühlen sich Schulen dazu verpflichtet, ihren Schüler:innen alle zur Wahl stehenden Parteien persönlich vorzustellen. In den meisten Fällen werden Podiumsdiskussionen mit deren Vertreter:innen organisiert. Dabei ist es ganz egal, wie transphob oder rassistisch deren Inhalte sind, denn „es ist ja alles von der Demokratie gedeckt“.

Aber bei der AfD sind sich große Teile der Gesellschaft momentan nicht mehr so sicher: Nachdem Geheimtreffen mit Kapitalist:innen und Rechtsextremen aufgedeckt wurden, die eine „Remigration“ von nicht-deutschen Menschen geplant hatten, sind Hunderttausende gegen sie auf die Straße gegangen. Bestimmt waren auch viele von euch dabei. Wozu sollten wir der AfD also in unseren Schulen eine Bühne geben?

Unsere Schulen sind die Orte, an denen wir uns jahrelang fünf Tage pro Woche aufhalten müssen. Hier entstehen Freund:innenschaften, Fähigkeiten und Entscheidungen, die sich auf den Rest unseres Lebens auswirken. Deshalb ist es so wichtig, dass sich alle Schüler:innen wohl fühlen und in einem sicheren Rahmen lernen können. Dass das nicht der Realität entspricht, ist klar. Umso wichtiger ist es, dass wir denen, die mit ihrer Politik unsere Mitschüler:innen angreifen, keinen Raum geben.

Was will die AfD eigentlich?

Lasst uns gemeinsam einen Blick in das Wahlprogramm der AfD für die Europawahlen 2024 werfen:

  • Der Islam als „Gefahr für Europa“ sei „mit den europäischen Grundprinzipien von Recht, Freiheit und Demokratie nicht in Einklang zu bringen“. Deshalb müsse die Zuwanderung „massiv beschränkt“ werden – auch mithilfe der „Errichtung physischer Barrieren“ an den EU-Außengrenzen.
  • Die gleichgeschlechtliche Ehe wird abgelehnt: „Wir unterstützen es, wenn Menschen traditionelle Geschlechterrollen leben.“
  • Das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche soll weitestgehend eingeschränkt werden bis auf „absolute Ausnahmen“ – etwa aus medizinischen Gründen oder bei Vergewaltigungen.
  • „Wir teilen die irrationale CO2-Hysterie nicht, die unsere Gesellschaft, Kultur und Lebensweise strukturell zerstört.“ Das Klima habe sich „seit dem Bestehen der Erde“ stets gewandelt. „Die jetzigen klimatischen Veränderungen ordnen sich vollkommen normal in diese Wechsel ein.“

Alleine von diesen Auszügen wird einem schon schlecht. Muslimische Menschen seien undemokratisch und würden angeblich nicht zu Europa passen. Deshalb wolle man die EU-Außengrenzen, an denen schon jetzt Tausende ertrinken und in Lagern inhaftiert sind, noch stärker abriegeln.

Wie sicher fühlen sich wohl muslimische und/oder geflüchtete Mitschüler:innen, wenn das öffentlich an unserer Schule propagiert wird? Noch dazu sollen alle „traditionelle Geschlechterrollen leben“, also entweder als Mann oder als Frau, aber bitte nicht in gleichgeschlechtlichen Ehen. Alle queeren Schüler:innen haben hier keinen Platz.

Zu guter Letzt leugnen sie auch noch den menschengemachten Klimawandel und stellen sich gegen politische Maßnahmen, um diesen aufzuhalten. Alle Bemühungen der FFF-Bewegung werden mit Füßen getreten und unsere Zukunft auf einem lebenswerten Planeten wird weggeworfen.

Den Rassismus und Sexismus der AfD können wir selbst erkennen und brauchen dafür keine öffentliche Podiumsdiskussion, bei der sich ihre Vertreter:innen inszenieren können.

Gerade wir jungen Menschen und Erstwähler:innen sind die Zielgruppe der AfD und die ersten Erfolge sehen wir bereits. Die Partei produziert gezielt Content auf den Social Media Plattformen, die wir nutzen. Ihre Videos werden von allen Parteien auf TikTok am häufigsten aufgerufen.

Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt, dass die Altersgruppe 16-22 die AfD für „am ehesten geeignet“ hält, „um die anstehenden Probleme in Europa zu lösen“. Dieser Plan darf nicht aufgehen und es ist unsere Aufgabe, uns gemeinsam der AfD in den Weg zu stellen!

Was können wir gegen die AfD an unserer Schule tun?

Vernetzen!

Zuerst ist es wichtig, dass wir mit unseren Mitschüler:innen über die Einladung der Schule an die AfD sprechen und erklären, warum das ein Problem ist. Gerne könnt ihr dafür diesen Artikel und die oben genannten Auszüge aus dem Wahlprogramm nutzen. Vielen ist noch nicht bewusst, wie konkret Menschen, mit denen wir täglich zusammen lernen, dadurch diskriminiert werden.

Die Angriffe der AfD treffen nicht nur unsere Mitschüler:innen, sondern auch unsere Lehrkräfte, die nicht in deren Bild passen. Auch sie können potentielle Verbündete sein. Wenn es noch keine Struktur an der Schule gibt, um sich gemeinsam politisch zu organisieren, ist es höchste Zeit dafür, eine zu gründen, z.B. in Form eines Schulkomitees.

Forderungen aufstellen!

Wenn wir es geschafft haben, einen Teil unserer Mitschüler:innen davon zu überzeugen, dass die AfD unbedingt wieder ausgeladen werden muss, ist es Zeit, diese Forderung festzuhalten. Leider werden Schulen selbst dann keine diskriminierungsfreien Räume, wenn diese Forderung erreicht ist.

Es ist ein guter Zeitpunkt, um gemeinsam zu überlegen, was sich noch an der Schule ändern muss: Geschlechtsneutrale Toiletten? Geschichtsbücher, in denen der Kolonialismus weder beschönigt noch geleugnet wird? Fortschrittlicher Sexualkundeunterricht? Antidiskriminierungsstellen? Sprecht gemeinsam über eure Erfahrungen, tauscht euch aus und entscheidet gemeinsam, was ihr von der Schulleitung fordern wollt – Hauptsache, es läuft demokratisch.

Spread the News!

Sobald ihr eure Liste mit Forderungen abgestimmt habt, ist es Zeit, sie öffentlich zu machen. Macht daraus einen kleinen Flyer, druckt ihn im Copyshop aus und verteilt ihn morgens vor der ersten Stunde oder in der Pause vor der Schule. Auch wenn es vielleicht Überwindung kostet, sind Flyer eine super Möglichkeit, um mit Schüler:innen ins Gespräch zu kommen.

Habt ihr eine Schulzeitung? Dann ab zur Redaktion und darum bitten, eure Forderungen abzudrucken. Auch ein Instagram-Account eures Komitees kann helfen, euch an der Schule bekannt zu machen. Wichtig ist, die Schüler:innenvertretung mit ins Boot zu holen. Stellt sicher, dass sie von eurer Aktion mitbekommt und sie unterstützt.

Druck aufbauen!

Wenn eure Mitschüler:innen euch und eure Forderungen auf dem Schirm haben, ist es Zeit, ihnen Nachdruck zu verleihen. Einen Flyer kann die Schulleitung vielleicht ignorieren, eine Kundgebung direkt vor dem Schultor nicht.

Dazu muss lediglich eine Person die Kundgebung anmelden. Lasst euch dabei nicht von Lehrkräften oder anderen Leuten einschüchtern – Versammlungsfreiheit ist euer gutes Recht. So lange die Kundgebung angemeldet und behördlich genehmigt ist, kann sie euch niemand verbieten.

Ladet alle eure Freund:innen (auch von anderen Schulen), Mitschüler:innen, Lehrkräfte und sonstige interessierte Menschen ein, daran teilzunehmen und eure Forderungen zu unterschreiben. Auf der Kundgebung könnt ihr in einer Rede erklären, wie es zu der Aktion gekommen ist, warum ihr der AfD keinen Raum an der Schule geben wollt und welche Forderungen ihr gemeinsam an die Schulleitung stellt.

Besonders gut ist es, wenn ihr vorher der Lokalpresse Bescheid gegeben habt und vor Ort über euch berichtet wird. In Berlin haben wir es auf diesem Weg bereits geschafft, dass die AfD an einer Schule wieder ausgeladen wurde.

Egal wie eure Aktion ausgeht – wichtig ist, dass wir einfordern, über unsere Schule und deren Alltag selbst zu bestimmen. Bleibt auf jeden Fall vernetzt und schließt euch mit Schüler:innen anderer Schulen zusammen. Je mehr wir sind, desto mehr Druck können wir aufbauen. Falls ihr bei der Organisation Hilfe braucht oder Fragen habt, schreibt uns jederzeit an und wir unterstützen euch.

Für sichere Schulen unter demokratischer Kontrolle der Schüler:innen und Lehrer:innen! Kein Raum für Sexismus, Rassismus  und Antisemitismus – kein Raum der AfD!




Die Brandmauer bröckelt im Osten. Aber stand sie je wirklich?

von Gale Annum, Juni 2024

Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!“ – Marcel Grauf, rechtsextremer Aktivist und ehemaliger AfD-Mitarbeiter.

Von moderateren Aufrufen zur Diskriminierung, über euphemistisch formulierte Vernichtungsfantasien bis hin zu offener Volksverhetzung und rassistischen Gewaltaufrufen macht die AfD allen klar, was sie wirklich will.

Selbst den bürgerlichen Parteien Deutschlands ist aufgefallen, dass wir ein Problem haben. CDU/CSU, FDP und Grüne haben erkannt, dass die AfD keine Kleinpartei aus eurokritischen Rechtspopulist:innen und verschrobenen Schwurbler:innen mehr ist.

Sie ist zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft geworden, in der selbst die etablierten Parteien eine Gefahr für „unsere“ liberale Demokratie sehen – Rechtsextreme, mit denen keine Zusammenarbeit vertretbar sei.

Die CDU: Aufrechte Antifaschist:innen?

So errichteten sie eine „Brandmauer“ gegen die aufzüngelnden Flammen des Faschismus. Ein politisches Bollwerk gegen den Rassismus und das antidemokratische Gedankengut, das sich von außen in die hohen Hallen der Entscheidungsträger:innen eingeschlichen hatte.

Schon 2018 beschloss die CDU auf ihrem Parteitag, dass „jegliche Formen der Zusammenarbeit“ mit extremen Parteien wie der AfD (und selbstverständlich auch der Linken) abzulehnen sei. Die Parteispitze macht das auch in ihrer Rhetorik immer wieder klar. So sagte CDU-Generalsekretär Lindemann: „In dieser Partei gibt es nachweislich Nazis, da möchte ich gar nichts mit zu tun haben!“

Alles gut! Demokratie gerettet! Rassismus besiegt! Jetzt darf die AfD nur keine absoluten Mehrheiten gewinnen. Dann werden sie nie in der Lage sein reaktionäre Forderungen gegen das Asylrecht in die Tat umzusetzen. Die Freiheitsliebe und Prinzipientreue der Christdemokrat:innen und Liberalen hat uns allen den Arsch gerettet. Könnte man meinen.

Wo CDU und AfD gemeinsame Sache machen

Die Realität sieht anders aus: Besonders im Osten hebt die CDU immer wieder gerne im Einklang mit der AfD die Hand. So stimmte die Bautzener CDU für einen Antrag der „gesichert rechtsextremen“ sächsischen AfD zur Asyl- und Migrationspolitik des Landkreises.

In Stralsund gibt es bei den Christdemokrat:innen noch weniger Berührungsängste: Hier wurden sowohl die AfD-Anträge in der Asylpolitik als auch zum Gender-Verbot wohlwollend durchgenickt. Wenn es um so etwas „Unkontroverses“ geht wie Steuersenkungen für Besserverdiener:innen, ist auch für die CDU Thüringen klar, dass die AfD nur das Beste für alle will. Diese Politik der stillen und möglichst heimlichen Kooperation auf lokaler Ebene hat auch CDU-Vorsitzender Friedrich Merz, der noch großspurig tönte, jeder der die Hand hebe mit der AfD, sähe sich daraufhin mit einem Parteiausschlussverfahren konfrontiert, inzwischen abgenickt. Auch wenn er später den offensichtlichen Inhalt seiner Aussage zur Kommunalpolitik unbeholfen versuchte zu relativieren bleibt deren Inhalt dennoch faktisch bestehen und sagt kommunalen CDU-Politiker:innen: Im Stadtrat dürft ihr auch mit der AfD stimmen und faktisch kooperieren. 

Ganz vorn im Rassismus-Wettbewerb: Die Bezahlkarte für Geflüchtete

Wie jede:r Rassist:in weiß, geben Geflüchtete angeblich alles was sie besitzen, nur für Drogen und Verbrechen aus und schicken den Rest nach Hause – deshalb kann man ihnen auch kein richtiges Geld anvertrauen.

Solche an Rassismus kaum zu überbietenden Vorurteile bereiteten im November 2023 der bundesweiten Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber:innen den Weg. Olaf Scholz und die Ministerpräsident:innen der Länder beschlossen, statt Sozialleistungen solle es ab jetzt nur noch Essensmarken geben, mit denen nur bestimmte Produkte in ausgewählten Läden gekauft werden können.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Brandmauer nie wirklich stand, finden wir hier in Dresden. Weil ihnen die Beschneidung der Rechte von Geflüchteten nicht schnell genug ging, entschlossen sich in Dresden sowohl die CDU als auch die AfD dazu, ihre eigenen Anträge für ein Bezahlkartensystem einzubringen.

Nachdem der Antrag der CDU scheiterte, wurde der Antrag der AfD mit den Stimmen der CDU und FDP angenommen. Dass das Abstimmen für den AfD-Antrag mit der Unvereinbarkeitserklärung ihrer Partei kollidiert, sehen die sächsichen CDU-Politiker:innen nicht so. Der eigene Antrag sei halt nicht durchgekommen und der der AfD nahe genug dran.

Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU/CSU, kommentierte das Abstimmungsverhalten der Dresdner CDU mit den Worten: „Die Entscheidung ist in der Sache richtig, im Verfahren inakzeptabel.“

Die bürgerliche Mitte: keine Brandmauer, sondern der Brandbeschleuniger

Die Ablehnung der bürgerlichen Parteien gegenüber der AfD begründet sich nicht in deren Rechtspopulismus und Rassismus. Höchstens deren unverblümte Worte sind es, die stören.

Vielmehr ist es die Strategie der Parteien, sich auf öffentlicher Ebene von der AfD zu distanzieren, gleichzeitig aber ihre eigene Politik an deren Wähler:innen auszurichten. Denn weniger Stimmen für die AfD bedeuten mehr Stimmen für die eigene Partei und damit auch mehr Einfluss in den Parlamenten.

Doch weder das Weltbild noch die Forderungen der AfD sind dadurch gebannt – sie leben in der Politik der anderen Parteien weiter. Wenn man ähnliche Politik anbietet, dann kommt es auf lokaler Ebene halt auch mal vor, dass man „aus Versehen“ zusammenarbeitet. Und wenn von den Grünen bis zur CDU alle darum wetteifern, wer die rassistischste Politik und den härtesten Sozialabbau liefert, dann braucht es keine „Alternative“ mehr.

In der derzeitigen Krise geht es Arbeiter:innen immer schlechter. Miese Arbeitsverhältnisse, eine strauchelnde Wirtschaft und steigende Preise in den Geschäften setzen uns allen zu. In Zeiten des Rechtsrucks versuchen die Ampel, CDU/CSU und AfD uns die gleichen Lösungen zu verkaufen: Sozialabbau und Rassismus statt sozialer Absicherung auf Kosten der Reichen.

Denn die Ursache der Probleme liegt in unserem aktuellen Wirtschaftssystem. Krisen und Unterdrückung sind im Kapitalismus so inhärent, wie es auch reaktionäre Ideologien bis hin zum Faschismus sind. Nur, wer für eine Alternative zum Kapitalismus kämpft, hat eine Perspektive, sowohl die zyklischen Wirtschaftskrisen als auch rechte Kräfte und ihre Ideologien endgültig zu besiegen.

Nur der gemeinsame, internationale Kampf der Arbeiter:innen kann uns vor den Auswirkungen des Kapitalismus befreien. Nur, wenn wir zusammen gegen Ausbeutung und Unterdrückung stehen, können wir gewinnen. Nicht aber, wenn wir diese Aufgabe denjenigen überlassen, die an der aktuellen Situation schuld sind!

Der angeblichen Brandmauer müssen wir eine Analyse des Rechtsrucks und der AfD entegenstellen, die deren Charakter aufzeigt, um ihn effektiv bekämpfen zu können: Auch wenn viele Aussagen der Partei kaum zu ertragen sind, ist sie keine faschistische Partei. Aktuell sammeln sich in ihr verschiedene Flügel, vom wirtschaftsliberalen bis hin zum völkischen Flügel um Björn Höcke, der durchaus bereit ist, mit rechtsextremen und faschistischen Kräften zusammenzuarbeiten. Im Gesamten versucht die Partei aber, ihre Politik durch Macht in den Parlamenten durchzusetzen und nicht durch militante Bewegungen auf der Straße, wie es in faschistischen Bewegungen der Fall wäre.

Was wir brauchen ist eine Einheitsfront der Organisationen der Arbeiter:innenklasse mit linken Bewegungen gegen Rassismus, Ausbeutung, Sexismus und alle weiteren Formen kapitalistischer Unterdrückung. Wir müssen uns also in Komitees und Arbeitsgruppen in unseren Schulen, Unis und Betrieben organisieren, um unseren Kampf gemeinsam auf die Straße zu tragen und den Rechtsruck aufzuhalten!