Besetzen vs. Enteignen?!

von Felix Robeson

Irgendwann kommt für uns alle der Moment, wo wir von zu Hause ausziehen. Doch wohin? Die meisten können sich eine eigene Wohnung kaum leisten. Also doch mit Freund_Innen oder anderen eine WG gründen? Doch wo? Denn Wohnraum ist in den Städten mehr als knapp, selbst das Mieten eines WG-Zimmers wird für einige mittlerweile zur finanziellen Herausforderung. Die angebliche Abhilfe, die uns die Bundesregierung 2015 mit der Mietpreisbremse versprochen hat, ist ein Witz. Dort wo sie überhaupt gilt, wird sie nicht beachtet und der freie Wohnraum trotzdem deutlich zu teuer neuvermietet. Wer einmal eine Wohnung gefunden hat, versucht also, so lang wie möglich in dieser zu bleiben, auch wenn die Lebensumstände sich ändern. Überhaupt: Ausziehen ist für viele von uns schlichtweg zu teuer, sodass Jugendliche während der Ausbildung oft gezwungen sind, bei der Familie zu wohnen oder als Student_Innen nebenbei zu jobben. Während der Schulzeit auszuziehen, ist für die meisten von uns undenkbar aufgrund der finanziellen Abhängigkeit von der Familie und der Schwierigkeit, eine bezahlbare Bleibe zu finden.

Was machen wir gegen die Miethaie?

Antworten gibt’s viele.  In diesem Artikel möchten wir kurz die zwei Konzepte Häuserbesetzen und Immobilienkonzerne enteignen einander gegenüberstellen. Doch zuerst wollen wir kurz anreißen, warum die Mieten immer teurer werden. Eine der Ursachen ist die Spekulation. Sie kaufen Häuser in der Hoffnung, dass das Grundstück über die Zeit begehrter wird und sie es somit für mehr Geld verkaufen können und lassen dafür die Wohnungen meist sogar leerstehen. Deswegen sind besetzte Häuser oftmals auch in Stadtteilen wo die Mieten besonders stark steigen.

Die Konzerne wie die Deutsche Wohnen oder Vonovia sind groß, aber nicht, weil sie selbst als Unternehmen so viele Wohnungen gebaut haben, sondern weil ihnen die Wohnungen vom Staat geschenkt wurden. In Berlin zum Beispiel wurde der gesamte soziale Wohnungsbau an private Firmen zu so günstigen Preisen verkauft, dass sie eigentlich verschenkt wurden. Seitdem wurde auch so gut wie kein bezahlbarer Wohnraum mehr gebaut, weil dieser ja kaum Rendite bringt.

Besetzen

Als Antwort auf die Wohnungsnot nehmen sich einige Menschen einfach den Wohnraum, den sie brauchen. Das nennt man eine Hausbesetzung. Besetzte Häuser gibt es in Deutschland schon sehr lange und nachdem die Bewegung im 21. Jahrhundert sehr geschrumpft (und zahnlos geworden) war, gab es in der letzten Zeit wieder eine leichte Zunahme an Hausbesetzungen in Deutschland zu verzeichnen. Da der Staat das Eigentum schützt und selbst leerstehende Häuser auf dem Papier irgendwem gehören, ist das in Deutschland verboten. Deshalb werden solche Hausbesetzungen von der Polizei auch meistens sehr schnell wieder beendet. Die Hausbesetzer_Innen können sich meistens nur wenige Stunden oder Tage gegen die Räumung durch die Polizei wehren. Dies ist also zur Zeit keine wirkliche Option, um dort dauerhaft zu wohnen. Aber selbst die Häuser, die länger besetzt werden und sich erfolgreich gegen die Räumungsversuche wehren können, wie die Rigaer 94 in Berlin zum Beispiel, haben regelmäßig mit Angriffen durch die Polizei zu kämpfen. Ein ruhiges Leben sieht anders aus. Auch ist die Besetzer_Innenszene vielerorts nicht sehr integrativ, das heißt, es ist für Leute außerhalb der Szene nicht immer so leicht, ein Zimmer in einem besetzten Haus zu bekommen. Insgesamt scheint die Besetzer_Innenbewegung momentan nicht wirklich eine Perspektive für die wohnungssuchenden Massen insgesamt zu sein. Nichtsdestotrotz sind Besetzungen ein wichtiges Mittel im Kampf für Wohnraum für alle,  das auch in der Lage ist, die Widersprüche zwischen den Interessen der Bevölkerung und dem Staat und den Konzernen zuzuspitzen. Damit es zum Erfolg führt, braucht es aber eine massenhafte Bewegung, die die Besetzungen auf der Straße verteidigt, denn jede Besetzung wirft die Frage auf, wem der Wohnraum gehört und diese wird erfahrungsgemäß von den Eigentümer_Innen und den Bullen mit aller Gewalt beantwortet.

Deutsche Wohnen enteignen!

Dass es aber ein gesteigertes Interesse an bezahlbarem Wohnraum gibt, zeigt sich nicht nur bei Wohnungsbesichtigungen mit über 50 Interessent_Innen, sondern auch auf den großen Demonstrationen, die es in den letzten Jahren zu diesem Thema gab. Auf Grundlage dieser Bewegung hat sich in Berlin das Bündnis „Deutsche Wohnen enteignen“ gegründet. Die Deutsche Wohnen (DW) besitzt in Berlin über 100.000 Wohnungen, in ganz Deutschland sind es über 163.000 und sie ist eine der am stärksten profitorientierten Immobiliengesellschaften Deutschlands. Dort werden, um die Rendite für die Aktionäre zu steigern, notwendige Reparaturen und Instandsetzungen der Wohnung nicht durchgeführt, oder die Miete wird plötzlich um bis zu 193€ pro Monat erhöht. Da die Deutsche Wohnen, wie viele andere Immobilienunternehmen auch, ihren sozialen Verpflichtungen, bezahlbaren und bewohnbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, nicht nachkommt, wird nun deren Enteignung gefordert. Laut dem Grundgesetz ist eine Enteignung nach den Artikeln 14 und 15 möglich, auch die meisten Bundesländer haben einen solchen Artikel in ihren Verfassungen. Doch selbst wenn die Deutsche Wohnen und andere Immobilienkonzerne enteignet werden würden, wäre der Kampf um bezahlbaren Wohnraum noch nicht gewonnen.

Die Häuser denen, die sie brauchen!

Eine Enteignung ist nur dann sinnvoll, wenn auch wir, die Bewohner_Innen der Häuser, entscheiden, was in Zukunft mit unseren Häusern passiert. Wenn wir sie einfach an die Regierungen geben, werden sie nur an den nächsten Immobilienkonzern verschenkt und es ändert sich nichts für uns. Die Kontrolle über die Wohnungen und auch darüber, wo und welche Art von Wohnungen neu gebaut werden, muss unter der Kontrolle derer stehen, die diesen Wohnraum benötigen. Das sind mehrheitlich Arbeiter_Innen und Erwerbslose. Letztendlich ist es eine Illusion, dass dieser Staat, der in den letzten Jahrzehten massiv Wohnraum privatisiert und verschleudert hat, nach einem Volksentscheid plötzlich seinen Charakter ändert und anfängt im Interesse von uns Arbeiter_Innen und Jugendlichen zu handeln, anstatt für die Konzerne und Bosse.

Was wir brauchen, ist eine Bewegung, die die Deutsche Wohnen wie auch die anderen Unternehmen selbst enteignet und in die Hand der Mieter_Innen gibt. Dabei darf sie auch nicht davor zurückscheuen, die Häuser zu besetzen, falls notwendig. Dass es überhaupt zu diesen extremen Situationen auf dem Wohnungsmarkt gekommen ist, liegt am Kapitalismus und dem Zwang, aus allem eine Ware zu machen, sei es Gesundheit, unsere Bildung oder eben auch unser Wohnraum. Deswegen muss sich eine Bewegung, die sich gegen den Wohnungsnotstand stellt, auch gegen den Kapitalismus als wirtschaftliches und gesellschaftliches System stellen!

Deshalb fordern wir:

Verteidigung aller besetzten Häuser gegen Staat und Kapital – Leerstand nutzen!

Die Wohnungen denen, die drin wohnen! Enteignung aller Immobilienkonzerne unter Mieter_Innenkontrolle!

Wohnungsbau unter Arbeiter_Innenkontrolle! Für ein antikapitalistisches Programm in der Bewegung!