Kenias Jugendliche an vorderster Front: Erneute Massenproteste – Gerechtigkeit für Albert Ojwang!

Yorick F., zuerst veröffentlicht in der Infomail 1285 der Gruppe Arbeiter:innenmacht, 25. Juni 2025 – 11 Minuten Lesezeit

Etwa ein Jahr nach den Massenprotesten gegen die Steuererhöhungen von Präsident William Ruto in Kenia finden seit dem 8. Juni 2025 wieder große Demonstrationen in Nairobi und anderen kenianischen Städten statt. Bereits vor 11 Monaten waren die maßgeblich von Jugendlichen geführten und von Medien als „Gen-Z-Aufstände“ betitelten Demonstrationen von brutalen Repressionen überzogen, inkl. diverser Toter und Entführter, Festnahmen und dem Einsatz von Riot-Control-Shotguns mit sog. „less lethal ammunition“ (Aufstandsbekämpfung mit nicht tödlicher Schusswaffenmunition, z. B. Gummigeschossen). Zur Einordnung der Proteste hier ein Auszug aus unserem Artikel zu den Ursachen der Proteste aus dem Juli 2024.

Imperialismus als Ursache der Krise

„Auslöser der Proteste waren die vom 2022 gewählten Präsidenten Ruto vorgeschlagenen Steuererhöhungen, in erster Linie in Form von Mehrwertsteuern auf Waren, die zum Leben essenziell sind. Dadurch sollten insgesamt 2,7 Milliarden US-Dollar aufgebracht werden, um den Staatshaushalt zu stabilisieren und die Rückzahlung von Krediten sicherzustellen. So sollten sie auf Brot, Speiseöl sowie den Besitz eines Fahrzeugs deutlich angehoben werden. Als besonders dreist empfunden wurde auch die Ankündigung, die Steuer auf Menstruationsprodukte zu erhöhen, nachdem im Wahlkampf eine Politikerin aus Rutos Partei angekündigt hatte, diese in Zukunft kostenlos zur Verfügung stellen zu wollen.

Diese Steuern kommen noch zu den durch hohe Inflation massiv gestiegenen Preisen hinzu, die jetzt schon dafür sorgen, dass sich viele in Kenia nur noch eine oder maximal zwei Mahlzeiten am Tag leisten können. Großen Teilen der kenianischen Bevölkerung droht absolute Armut. Wer davon hingegen weit entfernt ist und auch nicht mit zusätzlichen Steuern belastet werden soll, sind die kleine kenianische Bourgeoisie sowie, was die Wut der Massen besonders anheizt, die herrschende Politiker:innenschicht. Denn die Gehälter von Politiker:innen sind im Vergleich zum Durchschnittseinkommen mit die höchsten der Welt und Präsident Ruto selber lebt im Luxus.

Auch auf dem Korruptionsindex steht Kenia auf dem nicht besonders rühmlichen Platz 126 von 180. Doch auch wenn die Korruption und der Luxus der Politiker:innen, während die Massen verelenden, besondere Wut hervorrufen, haben viele in Kenia erkannt, dass diese nur das oberflächliche Problem darstellen, und pfeifen auf Rutos nun einsetzende Schlichtungsversuche nach dem Motto, man könne noch mal neu über die konkreten Sparmaßnahmen diskutieren und, als Zeichen des guten Willens, auch im Präsidialamt beginnen. Denn das Problem liegt nicht darin, so dreist das auch klingt, dass Rutos Frau im Jahr 5 Millionen Euro ohne wirklichen Grund aus der Staatskasse bekommt oder der Präsident mit schickem, 2.800 US-Dollar teurem Gürtel in die Kirche geht, sondern es sind die Sparmaßnahmen als solche, die das Problem verursachen. So gibt Ruto selber an, dass Kenia mehr als 60 % seines Staatshaushaltes zur Tilgung von Schulden aufwenden muss. Die Gläubiger:innen? Die ehemalige Kolonialmacht Britannien, die USA, China, die EU und ganz oben natürlich der Internationale Währungsfonds. Dieser hat auch der kenianischen Regierung den neuen Haushalt mit den massiven Steuererhöhungen „empfohlen“. Diese Empfehlung dürfte in etwa den Charakter haben wie Schäubles Rat an die Syriza-Regierung in Griechenland: Man sollte vielleicht doch lieber das Diktat der Troika akzeptieren, wenn man nicht wolle, dass diese mit einem brutalen Wirtschaftskrieg das Land ins absolute Elend stürzt.

Ruto, der sich selber so wie die meisten Staatschef:innen halbkolonialer Länder nur zu gerne in den Dienst des Imperialismus stellt, in seinem Fall vor allem des westlichen, hatte versucht, die Abgabenforderungen von IWF und Co. einzig und allein auf dem Rücken der Massen zu erfüllen und seinen eigenen Reichtum und den seiner politischen Freund:innen unangetastet zu lassen. Auch wenn er nun bereit zu sein scheint, persönliche Abstriche zu machen, um seine Position irgendwie zu retten, darf die Bewegung nicht dabei stoppen und muss ihre Wut nicht nur gegen die imperialen Statthalter:innen, sondern gegen das System der globalen Unterdrückung selbst richten!“

Erneutes Aufflammen der Proteste

Neben dem anrückenden Jahrestag des Gesetzbeschlusses zu den Steuererhöhungen war zentraler Auslöser der erneut aufflammenden Proteste die Ermordung von Albert Ojwang, einem 31-jährigen Lehrer und Blogger, der seit einiger Zeit eine prominente Rolle in sozialen Bewegungen innerhalb Kenias einnahm. Albert wurde am 7. Juni von der Polizei in seinem Haus nahe der Stadt Homa Bay am Südufer des Victoriasees verhaftet, unter dem Vorwand, er habe Kenias Polizeichef Eliud Lagat auf Social Media „verleumdet“. Daraufhin wurde er ins 350 km entfernte Nairobi auf die zentrale Polizeiwache gebracht, wo er am 8. Juni tot in seiner Zelle gefunden wurde.

Die Polizei log zunächst und erzählte, er habe sich seine tödlichen Verletzungen durch „wiederholtes Schlagen seines Kopfes gegen die Wand“ selbst herbeigeführt. Dies konnte mittlerweile als Lüge entlarvt werden, was selbst Ruto öffentlich eingestehen musste. Der verantwortliche Polizeichef Lagat ist zwar von seinem Posten zurückgetreten, bezieht aber immer noch ein saftiges Gehalt und wird wie auch die direkten Mörder:innen Alberts bisher nicht rechtlich belangt. Diese Verhaftung reiht sich ein in Verhaftungen von bekannten Gesichtern der letztjährigen Proteste, wie etwa Rose Njeri, einer Softwareentwicklerin, die eine Website entwickelte, über welche die Kenianer:innen einfacher Forderungen an die Regierung stellen können, und die sich außerdem offen gegen die Steuererhöhungen ausgesprochen hatte.

Seit dem 8. Juni gibt es als Reaktion darauf militante Massenproteste, die Gerechtigkeit für Albert Ojwang fordern, aber auch weiterhin für einen Sturz Rutos, einen Bruch Kenias mit dem IWF und ein Ende der massiven staatlichen Gewalt gegen die Protestbewegung eintreten. Neuen Aufwind bekam die Bewegung erst kürzlich, als am Rande des Protestes am 17. Juni einem jungen Mann, der Masken verkaufte, aus nächster Nähe mit einer Riot-Control-Shotgun ins Gesicht und damit durch den Kopf geschossen wurde. Der junge Mann überlebte dies zwar zum Glück, dennoch ist die Wut und der Widerstand dagegen mehr als berechtigt!

Am selben Tag wurden die Proteste, außer durch die Polizei mit Tränengas, Riot-Control-Shotguns usw., auch von sog. „Goons“, bewaffneten Banden, die mit der Polizei kooperieren, auf Motorrädern und mit Baseballschlägern angegriffen. Diese wurden jedoch erfolgreich zurückgeschlagen und zwei ihrer Motorräder verbrannt.

Regionale Vernetzung der Repression

Dabei beschränkt sich die Repression gegen Oppositionelle nicht nur auf das kenianische Staatsgebiet. Die Regierung arbeitet eng mit den beiden Nachbarstaaten Uganda und Tansania zusammen, um soziale Bewegungen in Ostafrika zu unterdrücken. So z. B. bei der Verhaftung des kenianischen Aktivisten Boniface Mwangi und der ugandischen Journalistin Agather Atuhaire am 20. Mai. Beide hatten zuvor den Prozess des Oppositionsführers Tundu Lissu in der tansanischen Hauptstadt Daressalam beobachtet (Tundu Lissu ist wegen Hochverrats angeklagt, worauf in Tansania die Todesstrafe steht) und wurden mehrere Tage von der tansanischen Polizei festgehalten, befragt, gefoltert und vergewaltigt.

Bei diversen Operationen teilen tansanische, ugandische und kenianische Behörden miteinander Logistik und Informationen und unterstützen sich gegenseitig. Ihnen ist wohl sehr bewusst, dass sich die Bewegungen in allen drei Ländern gegen dieselbe Feindin richten: die Bourgeoisie, die sich an der imperialistischen Auspressung der Länder durch den ehemaligen Kolonialherren Großbritannien, aber auch andere imperialistische Staaten wie die USA, China oder Deutschland, beteiligt und auf Kosten der Arbeiter:innenklasse und der Jugend ordentlich bereichert.

Regionale Vernetzung des Widerstands!

Nicht nur in Kenia gehen Massen auf die Straße. Nachdem der ugandische Präsident (seit 1986!) Yoweri Museveni ein neues Gesetz verabschiedet hatte, nach welchem Zivilist:innen, welche die „nationale Sicherheit“ gefährden, also auch Oppositionelle, von einem Militär- statt von einem Zivilgericht verurteilt werden dürfen, gingen in der Hauptstadt Kampala am 15. Juni Tausende auf die Straße. Bereits seit Jahren entwickelt sich Uganda in eine immer autoritärere Richtung und im Zuge der anstehenden Wahlen zieht das Land seinen Repressionsapparat noch einmal deutlich hoch.

Auch in Tansania gab es in den letzten Jahren massive Repressionen, nicht zuletzt gegen den oben bereits genannten Tundu Lissu und andere Mitglieder der größten Oppositionspartei CHADEMA (Chama cha Demokrasia na Maendeleo; Partei für Demokratie und Fortschritt), einer rechtsliberalen Partei. Diese Repressionen geschahen im Kontext von Massenprotesten, die eine Abwählbarkeit der Präsidentin Samia Suluhu Hassan sowie eine Einschränkung ihrer Befugnisse forderten und von Massen der Arbeiter:Innenklasse getragen, in Ermangelung einer Alternative aber nur sehr unzureichend von Chadema geführt wurden. Die tansanische Polizei antwortete darauf mit massiver Repression gegen die Proteste, mit Verhaftungen und außerjuristischen Tötungen von Chadema-Mitgliedern.

Die enge Kooperation der Herrschenden Kenias, Ugandas und Tansanias zeigt also: Die Herrschenden haben Angst vor einer zusammenhängenden regionalen und letztlich internationalen Bewegung gegen ihre Kompliz:innenschaft mit dem Imperialismus!

Wir sagen: Das ist ein gutes Zeichen! Die Herrschenden sollen zittern vor dem berechtigten, kraftvollen Zorn der ostafrikanischen Arbeiter:innenklasse und Jugend!

Für eine revolutionäre Perspektive!

Doch die Angst der Herrschenden macht noch keinen Sieg. So beeindruckend und heroisch die aktuellen und vorangegangenen Proteste auch sind, aktuell haben sie noch keine klare Strategie, über Ländergrenzen hinweg langfristig gegen den staatlichen Terror und die imperialistische Auspressung ihrer Länder siegen zu können. Bereits im letzten Jahr schwappte der Protest in Nairobi auf Kampala und in einem geringeren Maße auch auf Daressalam über, jetzt ist es notwendig, den Kampf gegen die anhaltende Korruption und den miteinander koordinierten staatlichen Terror der drei Länder bewusst zu verbinden! Im Zuge dessen müssen in allen Staaten wichtige strategische Fragen geklärt werden: Unter welcher Führung stehen die Proteste? Was braucht es für eine neue große Offensive gegen die Regime, möglichst gleichzeitig in allen drei Ländern?

Hierfür braucht es bewusste Kräfte, die nicht nur Reformforderungen stellen, sondern ein Übergangsprogramm aufstellen und einen Weg von den aktuellen Kämpfen hin zur Zerschlagung des Kapitalismus aufzeigen können. Es muss auf die Kämpfe momentan dominierenden Kräfte Druck ausgeübt werden. Die CKP (KP Kenias) ist zwar eine in der Arbeiter:innenklasse verankerte Partei, die jedoch eine rein reformistische Politik verfolgt und sich in den letzten Jahren stärker an China orientiert. So wichtig es daher ist, an die CKP die Forderung zu stellen, mit allen Flügeln der kenianischen Bourgeoisie zu brechen, so wenig stellt sie mit ihrem Programm die Lösung der Führungskrise der kenianischen Arbeiter:innenklasse dar, sondern vielmehr einen Teil des Problems. Dazu braucht es vielmehr eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei, die den Kampf für die Enteignung der internationalen wie nationalen Konzerne mit dem für eine Regierung aus Räten der Arbeiter:innen und Armen verbindet!

Ansätze in diese Richtung gibt es, nachdem sich auch Teile der Jugend nach links von der KP abgespalten haben, darunter die Revolutionary Socialist League, die kenianische Sektion der Internationalen Sozialistischen Liga, mit der wir in Diskussion stehen und die erkannt hat, dass ein Bruch mit dem Stalinismus nötig ist, um eine revolutionäre Perspektive für Arbeiter:innen und Jugend aufzeigen zu können!

Wie betrifft das uns?

Auch hier, in einem der Herzen des Imperialismus, sehen wir Kürzungswellen auf uns zukommen. Dieselben, die auch Kenias Jugend auspressen, kürzen uns auch hier die Bildung, die Sozialleistungen und vieles mehr weg. Auch sie fahren einen immer autoritäreren Repressionsapparat hoch, um Widerstand dagegen im Keim zu ersticken. Natürlich haben wir deutlich weniger akut und scharf mit diesen Entwicklungen zu kämpfen als die Jugend in Ostafrika. Denn wir sitzen im imperialistischen Zentrum. Unsere Bourgeoisien unterdrücken die Arbeiter:innen und Jugendlichen in „ihren“ Halbkolonien, von der Natur des Imperialismus ausgehend, noch viel stärker als die im eigenen Land. Und doch unterdrücken sie auch uns, pressen sie auch uns, sind sie nicht unsere nationalen Freund:innen, sondern unsere Klassenfeind:innen! Unser Kampf und der Kampf der kenianischen Jugend sind eng miteinander verbunden! Darum müssen wir auch hier, ob in Deutschland, Großbritannien, Frankreich oder den USA, gegen die Schulden halbkolonialer Länder kämpfen, unter denen die kenianische Jugend, wie so viele andere Unterdrückte auf der ganzen Welt, ächzt.

  • Für eine sofortige Streichung aller Schulden der Halbkolonien bei imperialistischen Staaten und Finanzinstitutionen wie dem IWF! Schluss mit der Ausbeutung eines Teils der Welt durch einen anderen!
  • Aufbau von Selbstverteidigungsorganen der Arbeiter:innen und Jugendlichen gegen die Angriffe der Polizei und reaktionärer Banden! Für den Aufbau von Arbeiter:innen- und Jugendmilizen und für Agitation unter einfachen Soldat:innen, mit ihren Offizier:innen und dem Staat, dem diese dienen, zu brechen!
  • Für den Sturz der Bourgeoisie und die Kontrolle von Räten in den Betrieben, Schulen und Nachbarschaften über wirtschaftliche Produktion, Bildung und Verwaltung! Für eine Arbeiter:innenregierung, die sich auf diese Räte und Milizen stützt und die Wirtschaft des Landes auf Grundlage eines demokratischen Plans reorganisiert!
  • Für eine Vereinigung sozialistischer Staaten in Ostafrika!
  • Für den Aufbau einer revolutionären Jugendinternationale und einer neuen revolutionären Internationalen, damit wir unsere in der Realität miteinander verbundenen Kämpfe auch gemeinsam führen können!



Gemeinsam gegen die NATO! Bericht der internationalen Delegation aus Den Haag

Yorick F./Flo R. Gebhard, zuerst veröffentlicht in der Infomail 1285 der Gruppe Arbeiter:innenmacht, 27. Juni 2025 – 5 Minuten Lesezeit

Vom 23.06. bis 25.06. fand der 38. NATO-Gipfel in Den Haag statt. Rutte, Trump, Merz, Macron und Co. fanden sich in der Stadt des Internationalen Gerichtshofs ein – nicht, um dort für ihre zahllosen Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen zu werden, sondern um noch viel mehr davon vorzubereiten.

Mit dem Beschluss, alle NATO-Staaten dazu zu verpflichten, 5 % des BIP jährlich in Rüstungsausgaben zu stecken (in der BRD immerhin etwa die Hälfte des gesamten Bundeshaushalts), beschloss die NATO ein seit dem Kalten Krieg beispielloses Aufrüstungsprogramm. Historisch war auch das Aufgebot der niederländischen Polizei in Den Haag: Bereits ab dem 20.06. waren über 30.000 Bullen im Einsatz, damit etwa die Hälfte der gesamten niederländischen Polizei (!).

Protest gegen den NATO-Gipfel

Zu diesem Anlass versammelten sich am Wochenende des 21. und 22. Juni Aktivist:innen gegen die Kriegsanstrengungen der NATO. Wir selbst waren mit einer Delegation von Genoss:innen der Jugendorganisation Revolution und der Gruppe Arbeiter:innenmacht am Wochenende in Den Haag, um am Gegengipfel der „tegentopcoalitie“ (Gegengipfelkoalition) und der Demonstration am Tag danach teilzunehmen. Dieser wurde vor allem von der „Nieuwe Vredesbeweging“ (Neuen Friedensbewegung), ROOD – Socialistische Jongeren (ROT – Sozialistische Jugend; bis zum Bruch 2021 Jugendorganisation der SP) sowie der Revolutionair Socialistische Partij (Revolutionär-Sozialistische Partei; RSP) organisiert. Dieser war einer von 3 parallel stattfindenden Gegengipfeln. Obwohl er maßgeblich von kleinbürgerlichen Friedensaktivist:innen dominiert wurde, haben wir auf Einladung von ROOD an diesem Gipfel teilgenommen. Nicht ausschlaggebend war für uns das Programm und die soziale Zusammensetzung des Gegengipfels, sondern vielmehr die Möglichkeit, mit jungen Internationalist:innen aus verschiedenen Ländern in Kontakt zu kommen und mit ihnen über Analysen, Strategien und Forderungen sowie praktische nächste Schritte gegen die NATO-Aufrüstung zu diskutieren. Allein dafür hat es sich definitiv gelohnt! Wir konnten produktive Diskussionen mit Genoss:innen aus Ungarn, Serbien, Slowenien, Luxemburg, Belgien und vor allem den Niederlanden führen und uns somit bereits am Rande des Gegengipfels über mögliche Zusammenarbeit austauschen und die Erfahrung unserer Arbeit gegenseitig teilen.

Im des Aufrufs zum Gegengipfel erkennt man, dass sich die NATO zu einem Entscheidungstreffen zusammenfindet. Da wurde selbst der Fokus lieber auf große Namen gelegt, statt ebenfalls zu entscheiden, wie man sich den Kriegsplänen widersetzen kann. Obwohl Jeremy Corbyn nicht kommen konnte und wir so nur die Videobotschaft zu sehen bekamen, durften wir z. B. Redner:innen wie dem Vorsitzenden der belgischen Partei der Arbeit zuhören. Trotzdem bespielte der Gegengipfel durchaus interessante Themen, ob über die Lage in Palästina und den Nahen und Mittleren Osten, die Verbindung zu anderen sozialen Bewegungen oder konkrete Panels zum Kampf gegen die NATO international. Nebenbei wurden wir als einzige Delegation aus Deutschland mehrfach gefragt, ob es diese „Antideutschen“ eigentlich wirklich gäbe, da dies den meisten Personen berechtigterweise zu absurd schien, um wahr zu sein. Denn verdeutlicht wurde an dem Wochenende, als unsere Genoss:innen in Berlin gleichzeitig mit 50.000 für Gaza demonstrierten, noch mal, dass außerhalb der BRD in der Linken der Grundkonsens auf der Solidarität mit Palästina liegt.

Trotz interessanter Themen gab es in den Workshops einige klare politische Schwächen, welche den Gegengipfel prägten: Zum einen gab es nur sehr begrenzte Diskussionsmöglichkeiten. Die, die es gab, wurden sehr stark durch die Moderation kontrolliert, so dass eigentlich gar keine wirkliche kontroverse Diskussion möglich war. Dabei hätte es genügend Punkte gegeben, welche notwendig gewesen wären zu diskutieren. Ähnlich wie bei vergleichbaren Konferenzen und Kongressen in Deutschland wurde zwar (begrenzt) diskutiert, jedoch wurden keine gemeinsamen Beschlüsse über Forderungen und gemeinsame Aktionen gefasst. Es bleibt genauso unklar wie davor, was Charakter und Ziel einer Bewegung gegen die NATO sein sollen und welche Schritte gegangen werden müssen, um diese international aufzubauen. Perspektiven, wie wir aktiv über das Wochenende hinaus unsere Anstrengungen in der Aktion vereinen können, wurden vom offiziellen Programm nicht aufgeworfen, geschweige denn direkt geplant.

Auch politisch-inhaltlich gab es einige haarsträubende Äußerungen: Dominiert war der Gegengipfel vor allem von Forderungen gegen die USA. Diese sorge dafür, dass Europa bei der Verteidigung nicht „souverän“ sei. Deshalb müsse v. a. die USA und die NATO als ihr verlängerter Arm aus Europa gedrängt werden. Diese Perspektive ignoriert jedoch vollkommen die Interessen des „eigenen“ Imperialismus, der sehr wohl auch ohne die USA aufrüsten würde, als Resultat seiner eigenen Stellung in der imperialistischen Blockbildung. Dabei die „Souveränität“ der EU, Frankreichs, Belgiens oder Deutschlands zu fordern, kommt einer Unterordnung unter den eigenen Hauptfeind gleich: Dieser steht nämlich immer noch nicht im eigenen „Block“, sondern in erster Linie im eigenen Land!

Abschluss

Am darauffolgenden Sonntag, dem 22.06., fand ein Treffen internationalistischer und sozialistischer Kräfte statt. Dieses war einberufen worden von RSP und ROOD. Insbesondere letzteren sind wir sehr dankbar dafür, uns eingeladen zu haben, und für die solidarische Zusammenarbeit! Dieses Treffen war vor allem durch reformistische, zentristische und vereinzelt stalinistische Kräfte geprägt, bot aber im Vergleich zum v. a. kleinbürgerlich geprägten Gegengipfel eine bessere Grundlage für produktiven Austausch.

Auch wenn es nur bei der Vorstellung der Organisationen und ihrer Arbeit in verschiedenen Ländern geblieben ist, wurden so Kontakte ausgetauscht für gemeinsame weitere Schritte. Diese müssen aber auch gegangen werden, um eine schlagkräftige Bewegung gegen die NATO aufzubauen. Wie wir auch auf dem Treffen argumentiert haben, treten wir deswegen für eine internationale (Jugend-)Konferenz ein, auf welcher sich auf gemeinsame Forderungen und Aktionen zur Durchsetzung unserer Ziele bindend geeinigt wird, um linke Jugendliche, Arbeiter:innen und Unterdrückte und ihre Organisationen im Kampf gegen diese Entwicklung in der Aktion zu vereinen.

Die anschließende Demonstration brachte etwa fünf bis siebentausend Menschen auf die Straßen Den Haags. Außerdem fanden während des Gipfels auch weitere Gegenaktionen und Blockaden statt, bei denen die Polizei mit brutaler Repression vorging und über 200 Personen festnahm. Hier zeigten die Bullen des Trump-Fans Rutte ihr wahres Gesicht.

Trotz dieser massiven Repression blicken wir auf ein Wochenende voller positiver und solidarischer Diskussionen zurück, das mit einem kraftvollen gemeinsamen Ausdruck bei der Demonstration beendet wurde. Wir freuen uns auf eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit mit den internationalen Genoss:innen und einen starken Kampf gegen Militarisierung, Krise und imperialistischen Krieg! Auf zum Sturz des Imperialismus!




10 Forderungen für den palästinensischen Befreiungskampf

aktualisiert Juni 2025, ursprünglich veröffentlicht im Dezember 2023 – 12 Minuten Lesezeit

Seit über 20 Monaten verübt Israel einen Genozid in Gaza. In Fakten ausgedrückt sind das über 55.000 Tote, über eine Millionen Hugenernde, Zerstörung von Schulen, Krankenhäusern, Universitäten, Bibliotheken, Wohn- und Gebetshäusern und fast der gesamten Infrastruktur. Inzwischen hat Israel auch offiziell angekündigt die palästinensische Bevölkerung vertreiben und den Großteil des Gaza-Streifen dauerhaft zu besetzen. Unterstütz wird es dabei von dem westlichen Imperialisten:innen allen voran den USA und Deutschland. Dabei trifft nicht nur die genozidale Politik in Israel auf große Zustimmung, sondern auch in imperialistischen Ländern wie Deutschland wird Palästinasolidarität unter dem Vorwand des Kampfes gegen Antisemitismus kriminalisiert. Dies geht einher mit einer zutiefst rassistischen Politik und Hetze in der Migrant:innen als die Übeltäter und Träger des sogenannten „importierten Antisemitismus“ gelten. Wir möchten hiermit 10 Forderungen für den palästinensischen Widerstand und die Solidaritätsbewegung in Deutschland im Kampf gegen diese Verhältnisse vorschlagen.

In Palästina

1. Sofortiges Ende des Genozids in Gaza! Aufhebung der Blockade! Abzug aller Truppen der IDF aus Gaza und Westbank! Für die Freilassung aller Gefangenen! 

Trotz verschiedener Waffenruhen, die immer wieder von Israel gebrochen wurden, geht der Genozid in Gaza weiter, die IDF ermordet Zivilist: innen, Zerstört jegliche Infrastruktur, blockiert Hilfslieferungen in den Gazastreifen und führt so direkt eine Hungersnot herbei. Das sofortige Ende der brutalen und kriegsverbrecherischen Angriffe auf Gaza ist dabei mehr als die Forderung nach einer erneuten Waffenruhe! Eine unbefristete Waffenruhe und ein Durchlassen der Hilfslieferungen sind in der aktuellen Situation überlebensnotwendig für die Bevölkerung, jedoch beendet dies nicht Besatzung, sondern bedeutet, dass die jetzigen Konflikte eingefroren werden. Was wir zudem nicht fordern, ist die Demilitarisierung der Palästinenser:innen, denn das Recht auf Selbstverteidigung und der Kampf nach Freiheit muss auch militant durchgesetzt werden. Alle Truppen der IDF müssen Gaza sowie die Westbank verlassen, sie sind unterdrückerische Truppen, die die Herrschaft des Staate Israels mit allen Mitteln durchsetzen. Der Abzug der IDF sowie die Forderung nach einem sofortigen Ende des Mordens müssen bedingungslos durchgesetzt werden! Wir stehen ein für die Freilassung der palästinensischen Gefangenen. Ca. 4500 Palästinenser:innen, darunter viele Kinder und Jugendliche, waren schon vor dem 7.10.23 in israelischen Gefängnissen. Seitdem wurden aber Tausende weitere verhaftet. Freigekommene berichten in den meisten Fällen über Misshandlungen und Folter.

2. Nieder mit der Apartheid und allen Freiheitsbeschränkungen für Palästinenser:innen. Für die völlige rechtliche Gleichstellung aller Einwohner:innen zwischen Mittelmeer und Jordan! Verstaatlichung allen Landbesitzes und Gewährung des Rückkehrrechts aller Palästinenser:innen weltweit. 

Palästinenser:innen sind Menschen dritter Klasse in Israel und den besetzen Gebieten, sie sind billige Arbeitskräfte, nicht gleichgestellt vor dem Gesetz und werden systematisch in sozialen wie in ökonomischen Bereichen ihres Lebens unterdrückt. Israelische Institutionen, staatliche oder nichtstaatliche, entscheiden über Häuserbau, Wohnungen und in Gaza über Strom, Wasser, Rohstoffe. Checkpoints, stundenlange Kontrollen, Hausdurchsuchungen, Razzien oder Verhaftung stehen an der Tagesordnung, wenn man Palästinenser:in ist. Die besetzte Westbank wird territorial zerstückelt und die Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt, Siedler:innen führen im Schutz der IDF Pogrome durch und vertreiben Palästinenser:innen von ihrem Land. Für Siedler: innen gilt dabei das israelische Recht während Palästinenser: innen dem Militärrecht unterworfen sind. Darum muss die Apartheid niedergerissen werden und alle Freiheitsbeschränkungen müssen aufgehoben werden. Wir fordern die völlige Gleichstellung aller Menschen vor Ort und das Recht auf Rückkehr aller vertriebenen Palästinenser:innen. Grundlage dafür ist das vergesellschaftete Eigentum an Produktionsmitteln, Boden, Fabriken, Büros und ebenso die gleichberechtigte Bereitstellung von Gesundheit, Bildung und Wohnen, koordiniert durch einen demokratischen Plan. Deshalb kämpfen wir für eine sozialistische Lösung, die auf dem gemeinsamen Besitz des Landes und aller wichtigen Produktionsmittel basiert. 

3. Für ein vereinigtes säkulares, sozialistisches Palästina, mit Gleichheit für alle seine Bürger:Innen, israelische wie palästinensische, als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens.  Für einen neuen arabischen Frühling!

Die Befreiung des palästinensischen Volkes und die Freiheit der Völker des Nahen Ostens von westlicher Herrschaft und Ausbeutung erfordern den revolutionären Sturz Israels als rassistischen Staat und seine Ersetzung durch einen einzigen bi-nationalen Staat, sowohl für sein palästinensisches als auch für sein israelisch-jüdisches Volk. Das bedeutet weder die Vertreibung der israelischen Bevölkerung noch ihre Zerstörung als Nation. Die „Zweistaatenlösung“ ist in Wirklichkeit tot. Ihre Anerkennung in Worten existiert als Feigenblatt für israelische Übergriffe. Für die USA und die westeuropäischen Staaten rechtfertigt sie die anhaltende Unterstützung Israels, und für reformistische Parteien wie die britische Labour ermöglicht sie es, vermeintlich Gesicht zu bewahren vor ihrer muslimischen Wähler:innenschaft, ohne sich jedoch zum palästinensischen Widerstand zu bekennen. Es ist Aufgabe der Palästinenser:innen sowie der Arbeiter:innenklassen und Unterdrückten der umliegenden Länder den israelischen Staat zu stürzen. Letzteren kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie sind es, die ihren Diktatoren und Herrschern entgegentreten müssen, denn weder die Khomenies, die Sissis oder die Erdogans dieser Region haben ein Interesse an einem befreiten Palästina. Es braucht ein Auflammen eines zweiten arabischen Frühlings, in welchem sich die Arbeiter;innen in den umliegenden Ländern gegen ihre Unterdrücker:innen organisieren und sie stürzen, die Grenzen nach Gaza öffnen und unter gemeinsamer Kontrolle Hilfsgüter und den Kampf vor Ort unterstützen.

Letztendlich ist eine demokratisch geplante, durch die Arbeiter:innenklasse kontrollierte Wirtschaft die einzige Möglichkeit, Gaza und die Westbank nach den Interessen ihrer Bewohner:innen wiederaufzubauen und das Rückkehrrecht der Palästinenser:innen einzulösen, bei gleichzeitiger Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts für alle Nationalitäten (z. B. das Recht, ihre Sprache zu sprechen). Andererseits kann die Befreiung Palästinas nur durch den Sturz der Regime in der Region erkämpft werden, die, wenn sie nicht direkt mit Israel kollaborieren, keinen ernsthaften Widerstand gegen den zionistischen Staat leisten oder ihn auch nur tolerieren, weil sie die Solidarität ihrer eigenen Bevölkerung mit dem palästinensischen Befreiungskampf als Bedrohung für sich selbst sehen.

4. Für das Recht der israelischen Soldat:innen sich zu weigern, in Gaza und Westbank zu kämpfen. Löst die bürgerliche Armee und die Polizei auf und bildet demokratische Arbeiter:innenmilizen, die sich dem palästinensischen Widerstand anschließen! 

Auch innerhalb der israelischen Gesellschaft muss der Kampf gegen den Genozid und den Zionismus an sich aufgenommen werden.
Allerdings findet die Politik gegen die Palästinenser:innen große Unterstützung in der israelischen Bevölkerung, auch in der israelischen Arbeiter:innenklasse, die ihren Lebensstandard nur dank der westlichen Wirtschafts- und Militärhilfen halten kann, welche Israel aufgrund seiner Rolle als Vorposten des Imperialismus in der Region erhält. Um die zionistische Einheit aufzubrechen, ist es also notwendig, die materielle Unterstützung dieses auf Unterdrückung und Vertreibung basierenden Staates so weit zu schwächen, dass auch Teilen der israelisch-jüdischen Arbeiter:innenklasse deutlich wird, dass der Zionismus keine Sicherheit bringt, sondern nur permanenten Rassismus und Unterordnung unter einen Staat, der auf kolonialer Vertreibung beruht.
Auch wenn wir uns also nicht von der inneren Entwicklung in Israel abhängig machen dürfen, ist es dennoch auch jetzt richtig dafür zu kämpfen möglichst viele Israelische Arbeiter: innen und Unterdrückte zum Bruch mit dem Zionismus zu führen.
Dafür ist es wichtig, die wenigen Kriegsdienstverweigernden und Antizionist:innen in Israel zu unterstützen. Der Aufbau einer antizionistischen Opposition in Israel ist notwendige Voraussetzung für eine Abschaffung von Militär und Polizei und für die Befreiung der israelischen Arbeiter.innenklasse. Wir sehen schon heute in kleinen Teilen wie antizionistische Juden und Jüdinnen weltweit die Proteste mit antreiben und unterstützen. In Israel ist es Aufgabe von Fortschrittlichen und Revolutionär:innen sich von den prozionistischen und staatstragenden Organen wie der gelben Gewerkschaft Histadrut zu lösen, diese durch eine gemeinsame Organisierung mit ihren palästinensischen Geschwistern zu ersetzen und offen aufzuzeigen, dass der Krieg nicht in dem Interesse der israelischen Arbeiter.innen sondern dem der Herrschenden liegt. So ist es zum Bespiel der israelischen Regierung offensichtlich wichtiger die Vernichtung der Palästinenser:innen voranzutreiben, anstatt die Geiseln frei zu kriegen. Der Klassenkampf, darf nicht zurückgestellt werden zu Gunsten der vermeintlichen „Vaterlandsverteidigung“.

5. Für die Schaffung einer unabhängigen kommunistischen Arbeiter:innenpartei Palästinas, die gestützt auf Gewerkschaften und regionale Komitees der Unterordnung der palästinensischen Linken unter Hamas und Fatah ein Ende bereitet!

Um für ein freies, säkulares und sozialistisches Palästina zu kämpfen, sowie für die davor genannten Forderungen, ist es notwendig die fortschrittlichsten Kräfte in einer Partei zu bündeln, die sich auf Räte und Komitees stützt, diese Forderungen durchsetzt und der Bewegung ein politisches Programm gibt. Mit dem Kampf für nationale Befreiung müssen hierbei soziale und ökonomische Forderungen der Arbeiter:innenklasse wie z.B. nach einem angemessenen Mindestlohn, nach Frauenrechten oder Rechten von LGBTI+! Es braucht zudem einen Bruch mit der Politik der Hamas und Fatah. Beide haben sie oft genug gezeigt, dass sie keine Strategie haben, den Befreiungskampf zu gewinnen und dass ihnen die Interessen der palästinensischen Massen letztlich egal sind. Die Fatah in dem sie sich zum Kolonialverwalter in der Palästinensischen Autonomiebehörde erhoben hat und offen mit Israel kooperiert um Proteste gegen die Besetzung und den Genozid niederzuschlagen. Aber auch die Hamas setzt auf den Iran und die sogenannte „Achse des Widerstands“ als ihre Verbündeten und nicht auf die Masse der Arbeiter: innen und kleinen Bäuer:innen des Nahen Ostens. Das tut sie, weil sie letztendlich die Klasseninteressen der palästinensischen Bourgeoisie und kleinbürgerlicher Schichten zum Ausdruck bringt, sie führt den Widerstand aber so in eine Sackgasse. Wir stehen für die Interessen der Arbeiter:innen, kleinen Bäuer:innen, Jugendlichen und Frauen, die nicht nur gegen die zionistische Besatzung, sondern am Ende auch gegen die palästinensischen Kapitalist:innen durchgesetzt werden müssen!

In Deutschland und anderen westlichen Staaten

1. Sofortiger Stopp aller Waffenlieferung, Stopp der militärischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Unterstützung Israels! Weg mit den Kriegsschiffen vor Gazas Küste! Für gewerkschaftliche Aktionen zur Blockade von Kriegsgütern! 

Die deutsche Rüstungsindustrie liefert schon seit langem mit Vorliebe Kriegsgüter an Israel. Eine Auswertung der statistischen Daten von 2011 bis 2022 ergibt, dass Israel auf Platz vier aller Staaten ist, in die Deutschland Waffen exportiert. Seit dem Kriegsausbruch sind diese Zahlen noch einmal explodiert: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich schon jetzt das Volumen an Rüstungsexporten mehr als verzehnfacht! Deutschland ist der zweitgrößte Waffenexporteur an Israel und stellt ein Drittel aller Waffenlieferungen. Es ist einerseits eine grauenhafte Vorstellung, wie sich deutsche Konzerne an dem Morden in Palästina bereichern. Andererseits werden diese Lieferungen auch durch Steuergelder gefördert, denn die Unterstützung von Ordnungsmächten wie Israel und die Aufrechterhaltung der Verhältnisse von halbkolonialer Abhängigkeit und Ausbeutung durch den Imperialismus ist deutsche „Staatsräson“. All das zu verhindern, ist unsere beste Chance hier in Deutschland dem Krieg in Palästina entgegenzutreten und internationale Solidarität praktisch werden zu lassen. Die Arbeiter:innen in der Logistik und in der Rüstungsindustrie haben kein Interesse an der Unterdrückung ihrer Klassengeschwister in Palästina. Sie müssen zu Streiks, Blockaden und Protestaktionen gewonnen werden! Blockaden von Waffenlieferungen wie in Genua, Marseille und vielen weiteren Häfen weltweit zeigen den Weg auf!

2. Schluss mit der Kriminalisierung des Befreiungskampfes! Keine Verbote von Demos mehr und Aufhebung der Verbote von Samidoun, PFLP, Hamas und PKK! 

Während AfD, holocaustleugnende Nazis oder antisemitische Querdenker:innen unter Polizeischutz ihre Ideologie auf die Straße tragen durften, wurden Solidaritätsdemos und Gedenkveranstaltungen mit den Opfern des Krieges in Palästina reihenweise verboten. Dort wo sie stattfinden, geht dies mit Schikanen der Polizei einher: Menschen werden geschlagen, verhaftet und angezeigt. Wir haben schon länger an der Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung gesehen, wie der deutsche Staat seine außenpolitischen Interessen auch z. B. mit dem Verbot der PKK ins Innere übersetzt. Nun werden ebenso die Organisationen des palästinensischen Widerstands mehr und mehr verboten: ob links, so wie Samidoun oder PFLP oder religiös-fundamentalistisch wie die Hamas. Auch wenn wir viel Kritik an diesen Gruppen haben, ihre Ideologien nicht teilen und ihre Taktiken ablehnen, stellen wir uns gegen ihr Verbot durch den deutschen Staat. Eine Überwindung der reaktionären Führung des Widerstandskampfes in Gaza wird nur als Teil dieses Kampfes möglich sein, nicht durch staatliche Repression von Israel oder Deutschland.

3. Abschiebestopp jetzt! Gegen den heuchlerischen Vorwand des Antisemitismus‘ für eine rassistische Asylpolitik! Bildet antirassistische Selbstverteidigungskomitees gegen Angriffe von Bullen und Faschos!

4. Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle, die vor Krieg, Armut und Klimaschäden flüchten!

Wir können gerade bezeugen, wie in Europa das Recht auf Asyl systematisch ausgehebelt und abgeschafft wird. Fluchtwege werden blockiert, Grenzkontrollen werden verstärkt und auch innerhalb des Schengen-Raums eingeführt, Geflüchtete werden in überfüllte Lager gepfercht und in Krieg und Krisen abgeschoben. Vorschläge ein Bekenntnis zum Staat Israel zur Bedingung für eine Einbürgerung zu machen oder die Ankündigung, dass vermeintlich antisemitische Geflüchtete „endlich im großen Stil“ abgeschoben werden müssten sind ein zynischer Versuch, diese Absage an grundlegende Menschenrechte in eine moralisch positives Licht zu rücken. Wir stellen dem die Forderung nach Bewegungsfreiheit für alle entgegen! Im Kampf dafür ist es notwendig, dass sich die Gewerkschaften endlich öffnen und die gewerkschaftliche Organisierung der Geflüchteten voranbringen!

5. Für Palästinasolidaritätsgruppen an Unis, Schulen, in den Betrieben und Gewerkschaften, die sich bundesweit organisieren!

Um die Palästinasolidaritätsbewegung in Deutschland weiterzubringen, müssen wir es schaffen uns in breiteren Schichten der Jugend und Arbeiter: innenklasse zu verankern.
Obwohl die große Mehrheit der Deutschen den Genozid ablehnt, gehen oft nur die gleichen Milieus gegen den Genozid auf die Straße.
Ein Grund dafür ist, dass viele Menschen in Deutschland nicht in ihrer alltäglichen Lebensrealität mit dem Kampf gegen den Genozid konfrontiert sind, diesen zwar oft ablehnen aber nicht wissen, was sie tun können.
Ein Weg diese Isolierung aufzubrechen ist die Gründung von Palästinasolidaritätsgruppen an Schulen, Unis und Betrieben, also da wo wir uns täglich aufhalten müssen.
Die Aktionen können dabei von BDS an Universitäten, Solidaritätsaufrufe und Blockade von Waffenlieferungen in Betrieben, oder dem Kampf gegen rassistische Lehrinhalte oder Diskriminierung von Palästinenser: innen und Muslim: innen an Schulen reichen.
Dass eine solche Verankerung erfolgt haben und neue Schichten in den Kampf ziehen kann hat vor allem die Bewegung an den Universitäten gezeigt. Wenn wir die Unterstützung für Israel brechen wollen müssen wir überall dort wo wir uns täglich aufhalten den Kampf gegen den Genozid und den Imperialismus aufnehmen und das bundesweit organisieren!




Resolution zum Krieg in der Ukraine

internationale Resolution der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION, Mai 2025
33 Minuten Lesezeit

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine läuft nun seit knapp über drei Jahren. Auch wenn Krise und
Auseinandersetzung seit 2014 anhält, ist der Angriff den wir seit Anfang 2022 sehen eine
Zuspitzung welche nicht nur die Frage der Unabhängigkeit der Ukraine auf den Tisch wirft, sondern auch die der Neuafteilung der Welt zwischen den Großmächten. Als junge Revolutionär:innen brauchen wir eine klare Haltung und Handlungsorientierung für einen der heftigsten Kriege seit dem 2. Weltkrieg. Wir versuchen uns in diesem Papier thesenhaft an einer Orientierung für die jetzige Situation. Das ist auch zwingend nötig, denn es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieses Jahr zum entscheidenden für den Russisch-Ukrainischen Krieg wird.

Militärischer Stand

Der Ukrainekrieg ist seit längerer Zeit in einem Stellungskrieg erstarrt, bei dem wenig Gebiet eingenommen, aber auch wenig Gebiet verloren wird. Es kommt hin und wieder zu Vorstößen von beiden Seiten, aber seit den Niederlagen der Ukraine in den Schlachten um Bachmut und Awdijiwka, und der erfolglosen ukrainischen Sommeroffensive 2023, ist die Ukraine in die Defensive geraten. Stellungskrieg heißt dabei sicher nicht, dass es nicht zu hohen Todeszahlen kommt. Die genauen Informationen sind nicht zugänglich, es dürften sich aber auf beiden Seiten um mehrere Hunderttausende Opfer handeln (die meisten davon an der Front). Der Krieg erinnert frappierend an die Westfront des 1. Weltkriegs, in dem auch jeder Meter Frontverschiebung zum Preis von Menschenleben erkauft wurde.

Trotz der Hoffnung des Westens durch die Lieferung von hochtechnologischen Angriffssystemen (Kampfpanzer (Abrams, Challenger, Leopard), Schützenpanzer (diverse IFVs), Flugzeuge (sowohl alte MIG wie auch modernere F16), Raketen- (HIMARS, Storm Shadow, ATACMS) und Artilleriesysteme (Ceasar, M777, inklusive Streumunition)) der Ukraine zu ermöglichen, verlorenes Territorium zurück zu erobern, konnte das bisher nicht realisiert werden. Vielmehr kommt Russland in dem Abnutzungskrieg Stück für Stück geländemäßig vorwärts, wenn auch in einem sehr langsamen Tempo. Sowohl Russland als auch die Ukraine haben Probleme damit, die Verluste der in den Fleischwolf der Ostukraine geworfenen Soldat:innen zu kompensieren. Auf ukrainischer Seite wurde zwar zu Beginn des Krieges eine Generalmobilisierung verkündet, aber wirklich durchgezogen wurde sie nicht. Die ukrainische Regierung schreckte vor allem davor zurück, die gut ausgebildete und dadurch kampfstärkste Generation der 18-25 jährigen zu mobilisieren. Auf russischer Seite gab es bisher auch nur eine Teilmobilisierung und der Bedarf an Soldaten wird in erster Linie durch Freiwilligenmobilisierungen gedeckt, wie „freiwillig“ das oft ist, bleibt fraglich.

Der Ukrainekrieg ist der Krieg, der bisher den höchsten Technologieeinsatz hat. Neben klassischem schweren Kriegsgerät wie Artilleriesystemen und Panzern, spielen Drohnen in der Kriegsführung eine immer zentralere Rolle, und werden zum häufig tödlichen Schrecken für vorrückende Soldat:innen. Ebenfalls mit KI, zum Beispiel für die Auswahl von Zielen, wird immer wieder experimentiert.

Doch wie konnte es zu so einem Krieg kommen, der in seiner Intensität (was die Schwere der Kampfhandlungen betrifft) wohl nur von den beiden Weltkriegen übertroffen wird? Um das zu verstehen, beginnen wir zunächt mit einem Überblick der jüngeren Geschichte der Ukraine und ihrem Verhältnis zum Russischen Imperialismus.

Geschichte der Ukraine

Der russische Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 war kein isoliertes Ereignis, sondern das Ergebnis der sich zuspitzenden Verhältnisse zwischen imperialistischen Blöcken – dem „Westen“ und Russland – nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 und im Kontext eines globalen Machtkampfs um die Neuaufteilung der Welt.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion stand der junge ukrainische Nationalstaat vor tiefgreifenden wirtschaftlichen Krisen, die eine chronische politische Instabilität nach sich zogen. Eine kleine Gruppe ehemaliger Funktionär:innen nutzte gezielt die Überreste der stalinistischen Bürokratie, um sich im Zuge der kapitalistischen Restauration und umfassender Privatisierungen massiv zu bereichern. In diesen neuen Verhältnissen bildete sich eine neue mächtige Oligarchie.

Aufgrund der engen wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen mit dem russischen Imperialismus sowie einer bedeutenden russischsprachigen Minderheit im Süden und Osten des Landes, geriet die Ukraine in ein Spannungsverhältnis zwischen pro-russischen und pro-westlichen Oligarch:innen. Weder wirtschaftlich noch militärisch in der Lage, selbst zur imperialistischen Macht aufzusteigen, sah sich die Ukraine gezwungen, sich einem der beiden Blöcke – dem westlichen oder dem russischen – in halbkolonialer Abhängigkeit anzuschließen. Das Ergebnis war eine zwischen den Lagern hin- und herpendelnde staatliche Politik.

Diese inneren Widersprüche spiegelten sich auch in der demografischen Struktur des Landes wider: Der Süden und Osten waren stark von der russischen Sprache, Kultur und historischen Bindungen an Russland geprägt, während im Westen ein ausgeprägter ukrainischer Nationalismus mit pro-westlicher Orientierung vorherrschte.

Die Euromaidan-Bewegung 2014 stellte die Zuspitzung dieser Widersprüche dar. Der damalige ukrainische Präsident Janukowytsch war Vertreter der pro-russischen Fraktion und zog sich im Laufe des Jahres 2014 von einem EU-Assoziierungsabkommen zurück, das von seinem pro-westlichen Vorgänger in die Wege geleitet worden war. Daraufhin begannen nationalistische Kräfte, die eine Bindung an den Westen forderten, einen Protest gegen Janukowytschs Politik auf die Straße zu tragen. Als dessen Regime mit Gewalt antwortete und es zu Schüssen auf Protestierende kam, wagten die führenden rechten und
faschistischen Kräfte der Bewegung einen Putsch gegen die ukrainische Regierung. Diese wurde abgesetzt und durch eine pro-westliche Regierung ersetzt. Damit nahm die Unterdrückung der russischen Minderheit im Süden und Osten der Ukraine zu, deren Sprache und Autonomie in der Folge weitreichend eingeschränkt wurden. Als sich im Osten der Ukraine Widerstand gegen diese Entwicklungen formierte, griffen faschistische Banden auf die Ostukraine über und wurden nur durch Selbstverteidigungskräfte der russischen Minderheit gestoppt. Dem folgte die russische Annexion der Krim – zum Halt der strategisch wichtigen Krimhäfen, aber auch zum Schutz der russischen Minderheit – und die Erklärung der Unabhängigkeit der Volksrepubliken Luhansk und Donezk durch Separatist:innen.

Die Volksrepubliken führten in der Folge einen bis 2022 andauernden Bürger:innenkrieg gegen die ukrainische Zentralregierung. Auch wenn die Separatist:innen in der Folge stark vom russischen Imperialismus, die Zentralregierung hingegen vom westlichen Imperialismus abhängig waren, darf das Recht auf Selbstbestimmung der russischstämmigen Separatist:innen nicht untergraben werden.

Friedensbemühungen wie das Minsker Abkommen von 2015, das Autonomie und Sprachrechte zugesichert hätte, wurden mehrfach sabotiert. Das westlich-russische Konkurrenzverhältnis, aber auch die innere Konkurrenz des westlichen Blocks zwischen EU und USA, trugen nicht zu einer Befriedung des Konflikts bei. Die Eskalation des ukrainisch-russischen Konflikts setzt trotz der Annexion der Volksrepubliken durch Russland auch den ukrainischen Bürger:innenkrieg in anderer Intensität fort.

Die Zuspitzung der Auseinandersetzung zwischen imperialistischen Blöcken in und um die Ukraine mündeten im russischen Überfall 2022. Der Westen drohte die Ukraine durch Aufrüstung und wirtschaftliche Durchdringung zu seiner eigenen abhängigen Halbkolonie zu machen – ein Zustand, den Russland mit Gewalt zu verhindern suchte, als es den dauerhaften Verlust seines Einflussgebietes fürchtete. Doch die anfänglichen Erfolge blieben aus, und der Widerstand der ukrainischen Streitkräfte führte dazu, dass die Invasion bislang kaum nennenswerten Gebietsgewinne brachte. Stattdessen forderte sie zig- bis hunderttausende Tote und verwandelte weite Teile des Landes in ein Schlachtfeld.

Der Krieg in der Ukraine weist in seiner Geschichte gleich mehrere Ebenen auf, die es zu berücksichtigen gilt. Den innerimperialistischen Konflikt zwischen dem Westen und Russland, den Kampf um nationale Selbstbestimmung innerhalb der Ukraine, und damit auch die Fortführung des Bürgerkriegs, und den Verteidigungskampf der Ukraine selber gegen den Angriff des imperialistischen Russlands.

Russlands Imperialistischer Angriffskrieg

Der reaktionäre Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 hebt den zuvor bereits
brodelnden Konflikt auf ein neues Level. Die imperialistische Aggression stellt das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Bevölkerung nun offen in Frage. Die Behauptung einiger Linker, Russland werde „angegriffen“, weil die NATO zunehmend in seine Einflusssphäre eindringe, ist als Entschuldigung dieser Aggression gemeint, verdeutlicht aber vielmehr den zwischenimperialistischen Aspekt des Konflikts sowie die Gefahr, dass er sich zu einem zwischenimperialistischen Krieg von beispielloser Zerstörung ausweiten könnte.

Was will Russland?
Die Interessen des russischen Imperialismus in der Ukraine sind klar: Es geht um die Sicherung
sogenannter „traditioneller Einflussphären“, da die Ukraine sowohl industriell, agrarisch als auch
rohstofftechnisch ein bedeutender Bestandteil des russischen Monopolkapitals war – und es aus
Sicht der herrschenden Klasse Russlands wieder werden soll. Russischsprachige Minderheiten
sowie historische Verbindungen werden dabei gezielt instrumentalisiert, um politischen und
militärischen Druck auszuüben und Vorwände für Aggressionen zu schaffen.

Da Russland nicht über die ökonomischen und ideologischen Mittel des Westens verfügt –
Stichwort „Demokratie!“ – bleibt ihm vor allem die militärische Stärke, um im Konzert der
Großmächte mitzuspielen und seinen Einfluss zu behaupten. Die zunehmende Aggressivität ist
Ausdruck seiner relativen Schwäche, ein Versuch, durch immer brutalere Mittel seine
Machtansprüche und Interessen dennoch durchzusetzen.

Der Verlauf des Krieges
Einerseits war die russische Armee nicht in der Lage, einen entscheidenden Sieg gegen die vom
Westen hochgerüstete und im Selbstverteidigungswillen motivierte ukrainische Armee zu erringen. Andererseits stellt der derzeit stattfindende Abnutzungskrieg zunehmend eine ökonomische Frage dar. Russland gewinnt an Boden, weil es seine Wirtschaft erfolgreich auf Kriegswirtschaft umgestellt hat. Die quantitative Versorgung der Truppen mit militärischem Material wird immer entscheidender. Die russische Ökonomie hat sich in diesem Prozess eindeutig als imperialistische Macht erwiesen: Die Ausfälle von Kapital- und Warenimporten konnten mit nur leichten Einbrüchen abgefedert werden. Die Waffenproduktion wurde um 68 % gesteigert und macht mittlerweile 6,5 % des BIP aus. Nach einer Rezession im Jahr 2022 ist die russische Wirtschaft 2023 wieder um 2,8 % gewachsen. Natürlich haben steigende Importpreise und die Kriegswirtschaft auch zu einer Inflation von rund 7% geführt. Die Hauptleidtragenden sind, wie in jedem Krieg, die Arbeiter:innen, die mit steigenden Lebenshaltungskosten und einem eingeschränkten Angebot zukämpfen haben.

Der globale Charakter des Russischen Imperialismus
Der russische Imperialismus ist nicht nur in der Ukraine aktiv, nicht einmal nur in Europa. Im Zuge
der Blockbildung nahmen auch Stellvertreter-Konflikte in Afrika zu. Dort unterstützt das Putin Regime verschiede bewaffnete Gruppen, allen voran die russischen „Wagner“-Söldner, denen zahlreiche Verbrechen gegen Zivilist:innen vorgeworfen werden. Der russische und chinesische Imperialismus zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Einflusssphären nicht durch das angebliche Wahren von Menschenrechte und Demokratie durchsetzen wollen, und die halbkolonialen Länder, welche oft diktatorische Regime haben, nicht an ihren autoritären Maßnahmen zu hindern versuchen (auch wenn der Westen das selber häufig nur symbolisch tut). Die Innenpolitik von abhängigen Staaten wird seltener durch diese Imperialist:innen angefochten, was auf viele wirkt, als ob sie freundlicher und respektvoller währen als die westlichen Ausbeuter:innen. Dabei ist es aber auch nur eine Frage der Zeit, wann die Bourgeoisien in Moskau und Beijing beschließen, ihren Preis zu fordern. Putin und Xi sind sicher um nichts humaner als die Herrschenden im Westen.

Nationale Unterdrückung in Russland
Auch innerhalb der eigenen Grenzen unterdrückt der russische Staat nationale Minderheiten. Wer an die Front geht bekommt ein gutes Gehalt und wer stirbt, dessen Familie bekommt sogar noch mehr Geld. Das führt dazu, dass besonders aus verarmten Regionen die überausgebeutet werden, überdurchschnittlich viele Soldaten in die Ukraine geschickt werden und dort sterben. Am stärksten betroffen sind Regionen in denen unterdrückte Minderheiten leben. Nach dem Zerfall der Sowjetunion war die russische Föderation gezwungen, Gebiete aufzugeben. Umso brutaler klammert sie sich an die noch erhaltenen Gebiete. So in Tschetschenien, wo zwei blutige Kriege zu tausenden Toten geführt haben, da der russischen Imperialismus um jeden Preis eine Loslösung der Kaukasusregion verhindern wollte.

Wofür müssen Linke kämpfen?
Die entscheidende Aufgabe aus linker Perspektive besteht darin, diesen reaktionären Krieg in einen Klassenkampf zu transformieren. Die Unterstützung antiimperialistischer Kräfte in Russland ist dafür unerlässlich. Während unser übergeordnetes Ziel der Sturz der russischen Regierung durch eine demokratische Antikriegsbewegung und der Aufbau einer breiteren sozialistischen Bewegung ist, sehen wir den Sturz Putins nicht als Vorbedingung für eine russische Niederlage. Vielmehr steigen die Aussichten auf seinen Sturz mit der militärischen Niederlage der russischen Streitkräfte. Im Zusammenhang mit dem ukrainischen Widerstand gegen die imperialistische Aggression unterstützen wir deshalb eine militärische Niederlage Russlands und den vollständigen Rückzug aus den besetzten Gebieten! Weder der russische, noch der westliche Imperialismus können wirklich Frieden und Unabhängigkeit bringen. Die Situation heute macht auch deutlicher denn je, dass kapitalistische Staaten die nationale Frage nicht lösen können. In allen Ländern müssen wir daher die Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse erhalten und ausbauen. Dem bürgerlichen Staat, aber auch Stalins Sozialismus in einem Land, stellen wir eine sozialistische Föderation in Europa und Asien entgegen. Anstatt uns zu teilen und uns einem imperialistischen „Team“ anzuschließen, wollen wir die Weltrevolution und das Ende aller Imperialist:innen!

Zwischenimperialistischer Konflikt um die Ukraine

Der zwischenimperialistische Konflikt hat sich mit der Invasion Russlands in die Ukraine und der beispiellosen wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung der westlichen NATO-Staaten klar
herauskristallisiert. Dabei wurde im Verlaufe des Krieges immer deutlicher, dass der westliche
Imperialismus, allen voran die USA, ein Interesse daran hat, Russland als imperialistischen Rivalen
zu schwächen. Die damit einhergehende demokratische Rhetorik der NATO ist lediglich eine
heuchlerische Farce.

Verhältnis zum Hauptwiderspruch USA vs China
Der Ausbruch des Krieges hat den aktuell weltbestimmenden Konflikt der Blockbildung zwischen
den USA und China weiter verschärft. In dieser Auseinandersetzung wurde Russland stärker an den Chinesischen und die EU an den US-Imperialismus gebunden. Russlands Imperialismus hat seine Stärke im Militär. Diese Stärke muss aus Sicht des Westens und der USA für den kommenden Konflikt mit China möglichst klein bis inexistent werden. Die Bindung der EU an den US-Imperialismus konnte vor allem durch die Sanktionen und die darauffolgende Zerstörung der Beziehungen zwischen EU-Staaten und Russland vollzogen werden. Seit kein Öl und Gas aus Russland mehr importiert wird, sind die Importe von LNG-Gas aus den USA in die Höhe geschossen.

Wirtschaftskrieg
Auf der wirtschaftlichen Ebene ist die Unterstützung der Ukraine längst zu einem Wirtschaftskrieg gegen Russland geworden. Russland soll von der Weltwirtschaft isoliert und darüber geschwächt werden. Die Sanktionen treffen Russland jedoch kaum, die russische Wirtschaft war darauf vorbereitet und wurde immer mehr zu einer Kriegswirtschaft umgebaut. Vor allem aber hat sich nicht nur China, sondern auch ein Großteil der Halbkolonien geweigert, die Sanktionen mitzutragen, sodass in der Konsequenz hauptsächlich die EU-Staaten die wirtschaftlichen Folgen tragen mussten. In der Folge befindet sich die EU und insbesondere Deutschland in einer immer komplizierteren Konjunkturkrise. Steigende Energie- und Lebensmittelpreise sowie hohe Inflationsraten treffen hier besonders die Arbeiter:innen und Jugendlichen. Gleichzeitig besteht die politische Antwort der Regierungen auf die Krise in sozialen Angriffen und Kürzungen.

Aufrüstung in Europa
Durch den Ukrainekrieg ist für den westlichen Imperialismus eine perfekte Möglichkeit zur massiven Aufrüstung entstanden. Kurz nach Beginn des Krieges wurde in Deutschland ein 100 Mrd.-Paket für die Bundeswehr beschlossen. Anfang 2025 kam ein weiteres Paket von 500 Mrd. für das Militär und weitere 500 Mrd. für die Infrastruktur. Über Ringtausche wird altes Kriegsmaterial abgegeben und durch neues ersetzt. Dieser Ringtausch gilt im Jahr 2025 als abgeschlossen. Deutschland spielt bei der europäischen Aufrüstung eine zentrale Rolle: Durch das große Eisenbahnnetz und grenzüberschreitenden Verkehr ist es Drehachse der Hochrüstung Europas. Die 500 Mrd. für die Infrastruktur sollen hier weitere Abhilfe schaffen und die Infrastruktur für weitere, größere und schwerere, Kriegstransporte fit machen. Stillgelegte Gleise werden reaktiviert, Weichen, die längst aufgegeben wurden, neu gebaut, die Elektrifizierung vorangetrieben. In unseren Schulen spüren wir die Auswirkungen ebenfalls stark. Ob auf Jobmessen, wo die Bundeswehr fürs Töten wirbt, Kriegspropaganda auf Monitoren oder Besuche von Offizier:innen in unseren Schulen, all das hat in den letzten Jahren zugenommen. Zusätzlich sollen in Deutschland die über 18-Jährigen über ihre Kriegstüchtigkeit befragt werden, um darauf Musterungen aufzubauen. Die neue Regierung von Merz, aber auch schon die Ampelregierung, steuern auf eine Wiedereinführung der Wehrpflicht zu.

Wie müssen wir uns verhalten?
Als Jugend und als Arbeiter:Innenklasse in den westlichen imperialistischen Staaten müssen wir einem zwischenimperialistischen Krieg entschieden entgegentreten! Gleichzeitig müssen wir auch das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine berücksichtigen und verteidigen. Wie sieht dies jedoch konkret aus? Die wichtigste Aufgabe der Jugend und Arbeiter:innen in den imperialistischen Ländern, welche die Ukraine in immer tiefere ökonomische, militärische und politische Abhängigkeit verwickeln wollen, besteht darin, sich in Wort und Tat gegen diese neo-koloniale Politik zu organisieren. Wir wissen, das der Imperalismus nicht im Interesse der national Unterdrückten handeln wird und immer in seinem eigenen imperialistischen Interesse, weswegen wir in seinen Parlamenten dagegen stimmen, Waffen unter den Bedingungen der Imperialisten zu liefern. Statt dieser falschen Solidarität fordern wir eine echte Solidarität mit den Arbeiter:innen und Jugendlichen in der Ukraine und als Teil dessen:

  • Alle Schulden müssen sofort erlassen werden!
  • Konzerne wie Bayer-Monsanto, Rheinmetall oder aus der Bauindustrie, welche direkt oder indirekt ihre Profite aus dem Leiden der ukrainischen Bevölkerung ziehen, müssen entschädigungslos enteignet werden!
  • Waffen- und humanitäre Lieferungen müssen ohne Kosten und ohne Bedingungen entsendet werden, die Transporte sollen von Arbeiter:innen kontrolliert werden!
  • Militärische Transfers aus dem Westen an die Ukraine sollen Teil eines westlichen Abrüstungsprogramms sein! Nehmt die Waffen aus den Händen der Imperialisten und gebt sie den Ukrainer:innen zur Verteidigung ihres Landes!
  • Die Bedienung der Waffen soll nicht von NATO-Ausbilder:innen abhängen. Wo möglich müssen Anleitungen schriftlich oder per Video dokumentiert werden, wo doch Ausbilder:innen benötigt werden, müssen diese aus ihrem eigenen Militär entlassen und dem der Ukraine unterstellt werden!
  • Es braucht die Arbeiter:innenkontrolle vor allem in den Waffenproduktionstätten und im Transportsektor, damit nicht die imperialistischen Staaten und ihre Regierungen bestimmen, wie wohin und welche Waffen zur Verteidigung des ukrainischen Volkes geliefert werden, sondern wir die Arbeiter:innen und die Jugend!

Rolle in der Blockbildung

Die gegenwärtige Weltlage befindet sich in einer grundlegenden kapitalistischen Krise, die ihren ersten tiefen Riss in der Finanzkrise 2008 gezeigt hat. Diese Krisenperiode, die sich in verschiedenen ökologischen, sozialen, militärischen, ökonomischen und vielen weiteren Zuspitzungen der Wiedersprüchlichkeit des Systems widerspiegelt, hat nun eine neue Phase erreicht, die vor allem durch den Ukrainekrieg in ein offeneren Zustand getreten ist. In dieser neuen Phase geht es nicht „nur“ um Wirtschaftskrisen oder lokale Kriege – es geht um die offene, teils kriegerische, Neuaufteilung der Welt zwischen den imperialistischen Mächten, allen voran den USA, Russland und China. Die Imperialistischen Mächte der EU (v.a. Deutschland, Frankreich und Italien) sowie Großbritannien und Japan, einst dominierende Imperialisten, befinden sich auf dem absteigenden Ast, müssen sich anderen unterodnen, schaffen es verzweifelt nicht, sich neu zu orientieren und etablieren.

Langfristige Krisenperiode seit 2008
Seit 2008 befinden wir uns in einer anhaltenden Krisenperiode, die sich nicht nur durch eine stagnierende Durchschnittsprofitrate auszeichnet, sondern auch durch einen tiefgreifenden Zerfall globaler Produktionsketten. In zahlreichen wieder oder neu aufflammenden Konflikten – wie in Syrien, Libyen, Kaschmir, dem Sudan und Myanmar – zeigen sich die imperialistischen Auseinandersetzungen, die von den großen kapitalistischen Mächten teils selber geführt, aber noch öfter verschärft und ermöglicht, werden. Der Aufstieg Chinas und auch Russlands als globale Konkurrents zu den älteren Imperialisten hat die weltpolitische Landschaft bereits lange vor demUkrainekrieg verändert. Die imperialistischen Kräfte versuchen, ihre Einflusszonen auszuweiten oder zumindest zu erhalten, was u.a. durch die Aktivitäten in Westafrika (z.B. die russische Rolle in der Zentralafrikanischen Republik) und durch den fortwährende Krieg in der Ukraine verdeutlicht wird. Auch die US Ambitionen, Gebietsansprüche wie den „Grönlandkauf“ von Dänemark zu erlangen oder den Panamakanal zu kontrollieren, sind Teil dieser Imperialistischen Neuordnung.

Blockbildung vor dem Ukrainekrieg
Vor dem Ukraine-Krieg war die Frage, ob die EU es schaffen würde, ein imperialistischer Akteur zu
werden, der eigenständig auftritt und international handlungsfähig ist, eine zentrale. Dies war insbesondere mit Blick auf ein mögliches Bündniss mit Russland und dem Aufstieg Chinas für die USA eine Bedrohung, die dessen Stellung als Welthegemon herausfordern hätte können. Der Ausbau von Militärkapazitäten im Ostpazifik und ein klareres wirtschaftliches Konkurrenzverhalten zeigten wiederum, dass die USA sich zunehmend eine Konfrontation mit China als Hauptkonkurrenten vorbereitet. Die Frage stellte sich, ob andere abgestiegene Großmächte – wie Japan oder Großbritannien – es schaffen könnten, eine stärkere Rolle zu spielen, ohne völlig von den USA abhängig zu sein.

Blockbildung nach dem Ausbruch des Ukrainekrieg
Der Ukraine-Krieg hat die geopolitische Landschaft dramatisch verändert. Der Bruch zwischen der EU und Russland, durch den beiden Seiten verlieren, ist in nächster Zeit erstmal nicht umkehrbar. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass sich das mit Veränderung im imperialistischen Weltgefüge auch irgendwann wieder ändern kann. Russland wird inzwischen von den USA als bedeutende militärische Macht anerkannt, wobei das Ziel vor allem darin besteht, Russland weiter von der EU abzudrängen. Russland versuchte in der Phase seit Kriegsausbruch, ein limitiertes taktisches Bündniss mit China einzugehen, um weiterhin Absatzmöglichkeiten für seine Rohstoffe zu haben. Die EU hat sich in dieser neuen Blockbildung völlig der USA untergeordnet. Sie hat es nicht geschafft, den Krieg eigenständig fortzuführen oder eine entscheidende Rolle in den Verhandlungen zu spielen um ihre eigenen Interessen umzusetzen. Die EU ist ohne die militärische und politische Unterstützung der USA in diesem Konflikt fast machtlos. Der NATO-Beitritt von Schweden und Finnland zeigt ebenfalls, wie sehr sich die EU unter die USA begibt, um die Sicherheit ihrer imperialistischen Interessen zu garantieren, da sie dazu alleine wohl nicht in der Lage wäre.

Donald Trumps Versuche den US-Imperialismus neu aufzustellen
Mit der Amtsübernahme von Donald Trump wurde eine neue Phase in der Neuaufteilung der Welt eingeleitet. Trump versuchte, den Fokus der US-Imperialisten von Russland noch stärker auf China
zu verlagern. Der Handelskrieg, die Erhöhung von Zöllen auf chinesische Waren und der weitergehende Ausbau von Militärbasen im südchinesischen Meer, Japan, Südkorea und den Philippinen verdeutlichen diese Strategie. Trump wollte nicht nur China wirtschaftlich und militärisch eingrenzen, sondern auch einen Teil der globalen Produktionsketten, von China in die USA, schwächen. Das Ziel war, die USA von der chinesischen Wirtschaft weniger abhängig zu machen und gleichzeitig einen neuen Block von Ländern zu schaffen, die sich zunehmend von China distanzieren und den USA unterordnet. Auch versuscht Trump relativ offen, Russland aus seinem Bündnis mit China herauszubrechen, während er traditionelle US-Verbündete, die er als „wertlos“ im Kampf gegen China sieht, offen brüskiert. So die EU der Kanada.

Die EU als Verliererin dieser Entwicklungen
Die EU hat sich als klare Verliererin der letzten imperialistischen Entwicklungen herausgestellt. Im Konflikt mit Russland ist sie zur entschiedensten Unterstützerin der Ukraine geworden, hat jedoch keine eigenen strategischen Mittel, um den Krieg zu beeinflussen oder zu beenden. Stattdessen ist sie gezwungen, sich vollständig der US-Strategie unterzuordnen, ohne eine eigenständige politische Linie zu entwickeln. Der Ukraine-Konflikt hat auch gezeigt, dass die EU militärisch und wirtschaftlich nicht in der Lage ist, ihre eigenen Ziele erfolgreich zu verfolgen. Die EU konnte nicht verhindern, dass Russland weiter auf der globalen politischen Bühne agieren kann, die westlichen Sanktionen wurden selbst von traditionellen Verbündeten wie Israel, der Türkei oder Saudi-Arabien nicht mitgetragen und laufen stattdessen auf dem Rücken der EU, und auch in den Verhandlungen ist sie machtlos. Ihre Rolle wird zunehmend von den USA bestimmt, die EU agiert in dieser neuen Weltordnung zunehmend als reine Gehilfin der USA. Dennoch zeigt sich mit Amtsantritts Trumps die Brüchigkeit dieser imperialistischen Bündnisse – und die Frage der politische Vereinigung Europas stellt sich vermehrt, da es den europäischen Imperialisten sonst unmöglich ist, sich als eigenständiger imperialistischer Akteur hervorzutun. Daran wird deutlich, dass wir trotz abzeichnender Tendenzen, keine für immer feststehenden Aussagen über die widersprüchlichen Dynamiken im imperialistischen Weltsystem abgeben können.

Die Rolle nationaler Unterdrückung

Da es oft um Einflusssphären und territoriale Neuafteilung geht, kommt der nationalen Unterdrückung eine besondere Relevanz zu. Auch wenn wir keine Nationalist:innen sind, vertreten wir die Haltung, dass jedes unterdrückte Land selbst entscheiden können sollte, wie es sich verwaltet. Nationale Unterdrückung abzuschütteln kann oft nur mit einem Abschütteln der unterdrückenden Nation erreicht werden. Wir sehen das an Kämpfen wie in Rojava oder Palästina, aber auch in der Ukraine. In der Ukraine wird das umso deutlicher, desto stärker der Krieg sich seinem Ende entgegen neigt.

Waffenruhe und imperialistischer „Frieden“
Seit dem Amtsantritts Donald Trumps im Weißen Haus versuchen die USA den Ukrainekrieg zu beenden. Noch im Wahlkampf versprach Trump dies an Tag 1 seiner Präsidentschaft umzusetzen. Kalkül dahinter ist wohl zum einen, Ressourcen lieber in den Pazifik und in einen kommenden Konflikt mit China zu stecken, als in einen Krieg, den die Ukraine gerade augenscheinlich verliert. Stattdessen versucht Trump, Russland von China loszulösen und zumindest in einem kommenden Konflikt neutral zu halten.

Aktuelle Perspektive
Da Russland aktuell den Krieg gewinnt und Trump sich schon mehrmals öffentlich auf einen Frieden als Option festgelegt hat, ist dieses in einer sehr starken Verhandlungsposition und verlangt entsprechend viel. Ein innerimperialistischer Frieden, bei aktuellen Kräfteverhältnissen, läuft auf eine Niederlage der Ukraine im Kampf um ihre nationale Selbstbestimmung hinaus. Solch ein Frieden muss selbst gegen das Kollaborationsregimes Zelenskys durchgesetzt werden. Dessen Abhängigkeit und Hilflosigkeit gegenüber den USA haben Trump und Vize Vance jedoch Anfang März 2025 unter Beweis gestellt, als sie Zelensky in einer Liveübertragung demütigten. Dem Zelenskyregime bliebt trotz Unterstützung aus Großbritannien und Frankreich nichts übrig, als sich den USA zu fügen, die Perspektive des Friedens zu akzeptieren und den Ausverkauf des Landes durch den Rohstoffdeal mit den USA auf ein neues Level zu heben. Gleichzeitig lässt Trump bei dieser Entwicklung die europäischen Imperialisten, allen voran Deutschland, Frankreich und Großbritannien, außen vor. Dies hat das traditionelle westliche Bündnis in Frage gestellt und wirft eine strategische Neuorientierung für die politisch geschwächten europäischen Imperialisten auf. Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit eines innerimperialistischen Friedens aufgrund der Linie der
US-Führung hoch, allerdings führen die Forderungen Russland auch zu gegenläufigen Tendenzen.

Charakter des Friedens
Welche Auswirkungen hätte ein solcher Frieden auf den Charakter des Krieges und die Weltlage, bzw. welche Auswirkungen hat die Tendenz zum Frieden bereits heute? Die Ebene des innerimperialistischen Konflikts tritt im Moment der Friedensschließung vollkommen in den Hintergrund. Ja, sie wandelt sogar im Bezug auf die Ukraine ihren Charakter. Aus dem Konflikt über die Vorherrschaft über die Ukraine, wird der gemeinschaftlich begangene Raub der Imperialisten an der Ukraine. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Imperialisten nicht mehr konkurrieren, aber sie haben die Ukraine als ihre Beute aufgeteilt und zwingen dem ukrainischen Volk das nun auf. Höchstwahrscheinlich wird dabei Russland die von ihm besetzen Gebiete endgültig annektieren können, während der westliche Teil der Ukraine eine noch abhängigere Halbkolonie des Westens würde. Der Löwenanteil würde dabei wohl an die die USA gehen, während sich die europäischen Räuber:innen mit kleineren Stücken begnügen müssten. Für die Ukraine würde dies die Spaltung ihres Landes, dauerhafte Besatzung eines Teils und entsprechende Unterdrückung der dort lebenden ukrainischen Bevölkerung, Ausverkauf und völlige Abhängigkeit des anderen Teils bei damit einhergehender Verarmung großer Bevölkerungsteile, bedeuten. Es wird deutlich: Die Frage der Verteidigung des ukrainischen Selbstbestimmungsrecht gegen diesen inner-imperialistischen Raubfrieden, wird im Moment des Friedens alle anderen Ebenen verdrängen und alleine im Vordergrund stehen. Mit der aktuellen Tendenz zum innerimperialistischen Frieden rückt damit die Frage der Verteidigung der nationalen Selbstbestimmung der Ukraine in den Vordergrund. Bereits der Akt des Aufteilens selbst ist eine massive imperialistische Einflussnahme. Doch auch wenn ein imperialistischer Diktatfrieden jetzt die größte Bedrohung für die Arbeiter:innen, Bäuer:innen und Jugend in der Ukraine ist, so kann die Tendenz auch nochmal umschlagen, wenn keine Einigung erzielt wird.

Bedeutung für die Weltlage
Auf Weltebene würde solch ein Frieden Russland wohl zunächst stärken, wobei eine Loslösung von China unwahrscheinlich bleibt. Unter den Imperialisten werden die EU und Großbritannien die großen Verlierer sein und ihre Brüskierung, aufgrund ihrer aktuellen Schwäche, wohl kurzfristig hinnehmen müssen. Allerdings könnte der Frieden zu einer strategischen Neuorientierung dieser führen. Der Aufrüstungswahn wird durch den Frieden nicht gestoppt, sondern wenn überhaupt weiter angeheizt werden. Schon jetzt wird der Bruch im westlichen Bündnis genutzt um Rüstungspakete von 500 Milliarden und mehr zu rechtfertigen, mit der Niederlage Europas wird diese Tendenz nur zunehmen. Auch die Gefahr eines innerimperialistischen Kriegs wird durch den Frieden mittel- bis langfristig größer.

Kriege und Antikriegsbewegungen
Wie muss eine erfolgreiche Antikriegsbewegung in den imperialistischen Zentren aussehen? Dafür müssen wir uns die Widersprüche und Probleme genau ansehen, die je nach Ausgangslage anders aussehen können. Für große imperialistische Länder wie Deutschland oder Frankreich gilt es momentan, sich auf die Aufrüstung zu konzentrieren, dagegen mobil zu machen und alle Register zu ziehen, um die Verbindung zwischen militärischer „Unterstützung“ anderer Länder und der eigenen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung aufzuzeigen. Die Interessen der eigenen Länder im Kontext von Blockbildung und Einflusszonen müssen aktiv aufgezeigt werden. Pazifismus und Neutralität bieten für uns keine Alternative. Auch wenn wir in einigen Ländern (wie Österreich oder der Schweiz), die Abschaffung der Neutralität als Schritt hin zu einer Militarisierung ablehenen, sehen wir in ihr nur eine Scheindebatte. Es gibt keine neutralen Staaten auf einer aufgeteilten Erde. Die Realität ist: unsere Solidarität gilt ausschließlich den Unterdrückten und Arbeiter:innen aller Nationen. Das bedeutet, dass wir fortschrittliche Elemente in Kriegen sehen können, wenn sich diese für Emanzipation einsetzen. Wir haben aber nie Illusionen in die Herrschenden, egal welcher Seite, die sich niemals ernsthaft für Befreiung einsetzen, auch wenn sie das behaupten. Es muss abgewogen werden: Kann es möglich sein, durch revolutionäre Arbeit
Kämpfe auch gegen die eigene Regierung und nicht nur gegen den Aggressor zu richten? Was sind
die Auswirkungen die eigene Bourgeoisie gewähren zu lassen, wenn man sich nicht gegen ihre
Aufrüstungs- und Wirtschaftsinteressen stellt? Das sind Fragen, die von Situation zu Situation
unterschiedlich sind. Faustregel ist aber, dass man niemals auf der Seite eines imperialistischen
Staates steht, und für uns in Ländern wie Deutschland oder Frankreich der Hauptfeind immer die
eigene Regierung und die eigene Bourgeoisie darstellt. In Halbkolonien hingegen kann es teilweise
nötig sein, temporäre taktische Allianzen einzugehen, um einen antiimperialistischen Kampf zu führen. So zum Beispiel in Palästina gemeinsam mit dortigen bürgerlichen Kräften des Widerstands. Gleichzeitig muss man auch in diesem Fall deren reaktionäre Ideologie ablehnen und eine eigenständige Position der Arbeiter:innen erhalten.

Geflüchtete Ukrainer:innen

Allein 6.4 Millionen geflüchtete Ukrainer:innen leben zur Zeit außerhalb der Ukraine in Europa. Sie wurden durch die Zerstörung und Verwüstung des Krieges aus ihrem Land getrieben. Während noch mehr innerhalb der Ukraine fliehen mussten, aus dem Osten in den Westen. Allein 1.2 Millionen Ukrainer:innen leben in Deutschland, fast eine Million in Polen, ca. 370.000 in Tschechien und in fast jedem europäischen Land zehn- bis hunderttausende. Doch haben wir gesehen, dass diese immens anders behandelt wurden, als jene die z.B. 2015 vor Kriegen in Syrien oder Afghanistan geflohen sind. So erhielten sie ab dem ersten Tag eine Arbeitserlaubnis, Sozialleistungen wie Bürgergeld und wurden vorallem in privatem Wohnraum untergebracht. Menschen die für die EU-Staaten nicht „politisch richtige“ Geflüchtete waren, leiden häufig jahrelang unter Beschäftigungsverboten, welche sie dazu zwingen, ihre Arbeitskraft auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen und müssen in Lagern verweilen, wo sie vielfach Übergriffen ausgesetzt sind. Doch auch die Behandlung der Ukrainer:innen ist nicht makellos. So sind sie betroffen von rassistischen Segregation auf dem Arbeitsmarkt und Überausbeutung ihrer Arbeitskraft, wie z.B. beim Fleischunternehmen Tönnies, was sich auch aus den Hürden bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen ergibt. Gleichzeitig probiert die ukrainische Regierung Deals mit anderen Staaten zu schließen, um Geflüchtete, welche sich dem Wehrdienst entzogen haben, an die Front zu zwingen.

Als Resultat der Krise der EU und ihrer führenden imperialistischen Mächte Deutschland und Frankreich, stehen nun unter einer Regierung Merz aber auch die „Privilegien“, welche die geflüchteten Ukrainer:innen erfahren, auf der Kippe. Anstatt den Erhalt dieser „Privilegien“ der ukrainischen Geflüchteten zu verteidigen, ist es unsere Aufgabe als revolutionäre Jugendliche das 2-Klassen System unter Geflüchteten positiv aufzulösen, indem wir generell gegen die rassistische Spaltung der Arbeiter:innen und Jugendlichen kämpfen. Der Ungleichbehandlung der geflüchteten Klassengeschwister konsequent entgegentreten! Das Proletariat hat kein Vaterland! Und das bedeutet zu kämpfen für:

  • Gleiche Rechte für alle, egal wo sie herkommen oder welche Hautfarbe sie haben!
  • Dezentrale Unterbringung durch Enteignung der Wohnungsunternehmen unter Kontrolle der Mieter:innen und der Arbeiter:innenklasse!
  • Kostenlose Angebote für Sprachkurse durch Besteuerung der Reichen!
  • Gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und ein Mindesteinkommen durch die Besteuerung der Reichen!
  • Die Aufnahme von Geflüchteten in die Gewerkschaften – Um in gemeinsamen Kampf diese Forderungen umzusetzen!
  • Offene Grenzen und Freizügigkeit überall!
  • Volle Staatsbürger:innenrechte für alle dort wo sie leben!

Außerdem macht die spezifische Situation der Ukrainekriegs es ebenfalls nötig klar und eindeutig
zu fordern:

  • Gegen jede Abschiebung von Kriegsdienstverweigerer:innen, ob nach Russland, in die Ukraine oder sonst wohin! Für das Recht zu desertieren!

Aufgaben der revolutionären Jugend in der Ukraine

Die Aufgaben der Jugend in der Ukraine sind mit Sicherheit die Schwierigsten. Zum einen sieht sich diese mit der imperialistischen Invasion Russlands konfrontiert und wird, mitunter unfreiwillig und gewaltsam, in die ukrainische Armee und an die Front geschickt. Gleichzeitig steht sie einem autoritären Staatsapparat gegenüber, der enorm repressiv gegen Linke Kräfte vorgeht. Die „Kommunistische Partei“ ist seit 2015 verboten, positiver Bezug auf die Sowjetunion und selbst der Besitz marxistischer Literatur stehen unter Strafe. Gleichzeitig überwiegt innerhalb der Ukraine klar die Ebene des gerechten Selbstverteidigungskrieges der Halbkolonie Ukraine gegen die Imperialistische Großmacht Russland, auch wenn dieser Kampf aktuell von einer reaktionären bürgerlichen Regierung geführt wird.

Die Regierung kann keine Unabhängigkeit schaffen
Diese Regierung führt keineswegs einen konsequenten Kampf um Selbstbestimmung, sondern zielt auf eine Unterordnung unter den westlichen militärischen Apparat und macht seine Kriegsziele maßgeblich von dessen Interessen abhängig. Anstatt sich gegen den sich immer mehr abzeichnenden gemeinsamen Raub der Imperialist:innen an der Ukraine zu verteidigen, lässt sie den Raub der USA wie EU bereitwillig zugunsten ihrer eigenen Interessen zu. Die militärischen „Hilfen“ des Westens, deren Konsequenz 3 Jahre Zermürbungskrieg und am Ende ein „Frieden“ mit Kapitulations-Beigeschmack zu sein droht, waren von Anfang an ein Mittel, die Ukraine in ökonomische Abhängigkeit zu bringen und die Ausbeutung ihres natürlichen Reichtums und der Arbeitskraft ihrer Bevölkerung auf lange Zeit zu sichern.

Dies einerseits indem die Lieferungen die Schulden der Ukraine weiter in die Höhe getrieben haben (aktuell liegen diese bei 171 Mrd USD – ca. 96% des BIP). Andererseits war die westliche Unterstützung an die Einführung von Sparmaßnahmen, Kürzungen und nicht zuletzt eine Bodenreform geknüpft (ein Boden, auf dem 30% des Weizens weltweit wächst), die den Weg für westliches Kapital auf ukrainische Felder geebnet hat. Heute sind 9 der 10 größten Investor:innen in ukrainisches Land im Ausland gemeldet, darunter DuPont, Cargill und Bayer-Monsanto. Mit dem neuen Rohstoffabkommen hat sich zudem die USA Anspruch auf die Förderung von 57 Bodenschätzen wie Erdöl und -gas, Titanium, Lithium und seltene Erden erteilt. Die ökonomische Unterjochung bedeutet darüberhinaus auch eine politische Abhängigkeit insbesondere von den USA, wie nicht zuletzt durch den Kurswechsel Trumps, den Eklat im Weißen Haus sowie die vollständige Übergehung der Ukraine bei möglichen Friedensverhandlungen zwischen den USA und Russland, bei denen im Zweifelsfall die Ukraine Konzessionen an Russland zugunsten der USA machen und sich dennoch ökonomisch von u.a. letzterer auspressen lassen müsste.

Die Jugend muss den Kampf, gemeinsam mit den Arbeiter:innen, selber in die Hand nehmen!
Dies darf für die ukrainische Jugend aber nicht bedeuten, den gerechten Kampf um nationale Selbstbestimmung nicht zu führen. Das bedeutet auch innerhalb der Ukraine anzuerkennen, dass die Ukraine ein Recht hat, die notwendigen Waffen für diesen Kampf zu erhalten um diesen auch führen zu können. Wir rufen also auch zu keinen Sabotageaktionen o.ä. gegen die Ukrainische Armee auf. Das bedeutet keineswegs eine Kapitulation vor der pro-imperialistischen und arbeiter:innenfeindlichen Politik Selenskys. Dieser und die Ukrainische herrschende Klasse sind diejenigen, welche am wenigsten unter dem Krieg leiden, ja durch z.B. die Verpachtung von Ackerland und anderen Deals noch von ihm profitieren und in relativer Sicherheit vor den eigentlichen Kampfhandlungen leben, während die Arbeiter:innenklasse und Jugend an der Front kämpfen, geflohen sind oder nur unzureichend bis gar nicht geschützt werden.

Der Kampf der ukrainischen Jugend muss ebenfalls mit einschließen, gewerkschaftliche Rechte zu verteidigen und zu erkämpfen. Im Betrieb und dort wo es möglich ist, und diese überhaupt noch existieren (im Krieg wurden bereits zahlreiche Schulen zerstört), auch in den Schulen für bessere
Lebensbedingungen und demokratische Rechte zu kämpfen. Dies steht nicht im Gegensatz zur Verteidigung gegen die russischen Angreifer:innen. Vielmehr stärkt es die Widerstandskraft und die Moral der Bevölkerung. Diese Kämpfe müssen auch an der Front geführt werden, überall wo es Schikane durch Offiziere, sinnlose Manöver oder Zusammenarbeit mit Neonazi-Batallionen gibt, ist es notwendig, dagegen Widerstand zu leisten. Aus diesen Kämpfen heraus ist es notwendig, Soldat:innenkomitees zu bilden welche sowohl im hier und jetzt eine Stellung der Gegenmacht aufbauen können, als auch im Falle eines Imperialistischen Friedens gegen eine Entwaffnung der Ukraine kämpfen, und real in der Lage sein können, auch die westlichen Imperialisten wieder aus dem Land zu jagen. Im Kontext eines drohenden aufgezwungenen Friedens, muss es klar sein, dass wir uns gegen das Zelenskij Regime stellen und keinerlei Vertrauen in diese Regierung hegen. Wie auch immer das Land unter den kapitalistischen Verbänden aufgeteilt wird, braucht es eine unabhängige Arbeiter:innenklasse, die sich gegen die Interessen des Westens stellt und die Verteidigung gegen den russischen Agressor in die eigenen Hände nimmt!

Es ist also notwendig, sowohl für den konsequenten Kampf gegen imperialistische Unterwerfung der Ukraine und konsequente Verteidigung ihres Selbstbestimmungsrechts, als auch für die Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse und der Jugend im Kampf um die Selbstbestimmung zu kämpfen. Dies würde die Grundlage legen um für weitere Forderungen, welche jetzt ebenso aufgeworfen werden müssen, kämpfen zu können:

  • Volle Unterstützung des Selbstbestimmungsrechtes der Ukraine! Agitation, revolutionäre Propaganda, Aufdeckung des Charakters des Krieges, die nicht nur Russland und die NATO/USA/EU angreifen, sondern auch die Kriegsziele der ukrainischen Regierung verdeutlichen.
  • Die Waffen für den gerechten Kampf müssen angenommen werden, die Bedingungen an die diese geknüpft sind, dürfen es nicht!
  • Für wirksamen Schutz und Verteidigung der Zivilbevölkerung durch Regierung und Armee!
  • Kampf um die Kontrolle über Waffen und knappe Güter in Fabriken, Städten und Dörfern, wenn möglich auch Aufbau von Milizen. Diese müssen im Zweifelsfall auch zur Verteidigung gegen rechtsnationalistische und faschistische Kommandant:innen und Kräfte bereit sein, und diese aktiv ausschließen!
  • Die Lohnabhängigen sollten sich für die Einrichtung einer Arbeiter:innenkontrolle über den Erhalt und die Produktion von Rüstungsgütern einsetzen. Die Ukraine muss in die Lage versetzt werden, selber Waffen zu erwerben und produzieren, ohne von westlichen Lieferungen abhängig zu sein!
  • Antimilitaristische und antiimperialistische Agitation, die sich gegen die russischen Besatzungssoldat:innen richtet. Widerstand gegen die Konsolidierung der russischen Besatzung!
  • Kampf gegen die Einschränkung der demokratischen Rechte und die Angriffe auf die Arbeiter:innenrechte durch das Kiewer Regime!
  • Anerkennung der Rechte aller nicht ukrainischsprachigen Minderheiten, gegen ihre kulturelle oder politische Unterdrückung – Für das Recht auf Unterricht in ihrer Muttersprache in ukrainischen Schulen für alle nicht ukrainischsprachigen Minderheiten!
  • Gegen die Entführung und Zwangsrekrutierung ukrainischer Jugendlicher um diese an die Front zu schicken, für das Recht der ukrainischen Jugend das Land zu verlassen! Für die Agitation innerhalb der Jugend warum es aber notwendig ist innerhalb der Armee für die Interessen der Jugend und Arbeiter:Innenklasse zu kämpfen und revolutionäre Politik zu machen!
  • Für das volle Selbstbestimmungsrecht der Krim und der „Volksrepubliken“ (einschließlich ihres Rechts, sich Russland anzuschließen oder ein unabhängiger Staat zu werden)! Für die Anerkennung voller Rechte der ukrainischsprachigen Minderheiten in diesen Regionen! Letztlich braucht es eine sozialistische Förderation aus Arbeiter:Innenstaaten um die nationalistischen herrschenden Klassen daran zu hindern, Feindseligkeit in ihrem Interesse zu schüren.
  • Für die entschädigungslose Enteignung von Land und Produktionsmitteln aller ausländischen Investor:innen – Sofortiger Schuldenschnitt! Wiederaufbau von Schulen, sozialen Einrichtung und des ganzen Landes unter Kontrolle der Arbeiter:innen und Jugend!



Hände weg vom Iran – Israel muss den Krieg verlieren!

von Urs Hecker, Juni 2025 – 9 Minuten Lesezeit

Aktuelle Lage

In der Nacht vom 12. auf den 13. Juni hat Israel den Iran massiv angegriffen und greift ihn weiter an. Vor allem trifft es dabei Zivilist:innen und zuletzt auch ein Krankenhaus, zusätzlich dazu iranische Offiziere, Wissenschaftler und Atomanlagen. Grund für den unvermittelten Angriff, kurz bevor Verhandlungen um das iranische Atomprogramm angesetzt waren, sei angeblich, dass der Iran, mal wieder, kurz davor stand, Atomwaffen zu entwickeln. Nur steht der Iran laut Israel seit über 25 Jahren „kurz davor“. Eine Atombombe, geschweige denn Beweise dafür, dass überhaupt eine entwickelt wird, liegen aber nicht vor. Israel bleibt die einzige Atommacht der Region. Auf die Angriffe Israels reagiert der Iran mit Gegenschlägen, die zwar nicht mit der israelischen Gewalt vergleichbar sind, aber es wiederholt geschafft haben, den „Iron Dome“ zu durchbrechen. Unterdessen begeht Israel weiterhin seinen Genozid in Gaza, weiterhin droht eine Hungerkatastrophe, weiterhin werden täglich Massaker an der palästinensischen Bevölkerung verübt. Zuletzt schossen israelische Panzer in Khan Yunis wieder auf eine Essensausgabe und verletzten so über 700 (!) Menschen, über 50 Menschen wurden ermordet.

Umso perfider ist dabei die Haltung der USA, Deutschlands und der restlichen westlichen Imperialisten. Wurde vor einigen Wochen Israel noch vorsichtig „kritisiert“, in einem durchschaubaren Versuch, das eigene Gesicht zu wahren, so wird sich jetzt auch wieder offiziell bedingungslos an die Seite des Apartheidstaates gestellt. Die offizielle Propaganda erreicht dabei eine absurde Entfernung von der offensichtlichen Wahrheit. Nach einem unvermittelten Angriff auf einen anderen Staat wird in der Erklärung der G7 das „Selbstverteidigungsrecht“ Israels betont und der Iran als „die Hauptquelle regionaler Instabilität und des Terrors“ bezeichnet. Die USA, in Person von Präsident Trump, drohen dabei offen der iranischen Zivilbevölkerung und fordern diese auf, die Hauptstadt Teheran, eine Metropolregion mit 15 Millionen Einwohner:innen, zu verlassen.

Israel

Die Beweggründe Israels liegen bei dem Angriff wohl nicht bei der vorgeschobenen Lüge, dass der Iran eine Atombombe baue, um Israel zu vernichten, sondern vielmehr darin, eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Teheran und den westlichen Imperialisten zu verhindern. Die Regierung Netanjahu sieht sich dank der westlichen Unterstützung aktuell in der Lage, das Ziel der endgültigen Ausbreitung des israelischen Siedlerstaats vom Jordan bis zum Mittelmeer umzusetzen und sich durch Genozid und Vertreibung die palästinensische Frage vom Hals zu schaffen. In einer möglichen Normalisierung der Verhältnisse mit dem Iran sehen sie eine Gefahr für dieses Ziel.
Die westlichen Imperialisten teilen nämlich nicht das Ziel eines Genozids am palästinensischen Volk, sondern wollen in erster Linie eine Stabilisierung des Nahen Ostens in ihrem imperialistischen Interesse. Eine Normalisierung mit dem Iran könnte dazu führen, so befürchtet Israel, dass sie es dazu zwingen, seinen Genozid – um dieser Stabilisierung willen – abzubrechen. Mit dem Angriff Israels ist es diesem nun gelungen, die westlichen Imperialisten ein weiteres Mal hinter sich zu vereinen und den Genozid ungestört fortzusetzen.
Auch innenpolitisch konnte die rechte Regierung in Israel durch den Angriff an Boden gewinnen, nachdem sie zuletzt durch das liberal-zionistische Lager und Angehörige der Geiseln unter Druck geraten war. Aber hier zeigt sich wieder der durchweg reaktionäre Charakter des Zionismus, auch in seiner liberalen Spielart, wo am Ende die Unterstützung für die „nationale Sache“ immer über politischen Differenzen zur aktuellen Regierung gestellt wird.

USA und EU

Andererseits wird hier aber auch die Rolle Israels als schießwütiger Hilfspolizist der westlich-imperialistischen Weltordnung deutlich. Israel greift an, doch Donald Trump ist es, der dem Iran die Bedingungen für einen möglichen Waffenstillstand diktieren will.
Hat der Westen also zunächst auf Verhandlungen mit dem Iran gesetzt, so nutzt er nun den Angriff Israels, dessen militärische Überlegenheit (für die er selbst täglich sorgt), sowie seine eigenen Drohungen gegen den Iran, um dem Iran immer drakonischere Bedingungen zu diktieren. Wenn Israel den Iran also angreift, so schafft es in den Augen des Westens Fakten für kommende Verhandlungen und schwächt den Iran weiter, um ihm noch härtere Zugeständnisse an die westlichen Imperialisten aufzwingen zu können. Sogar die Forderung nach einem Regime Change im Iran wird offen ausgesprochen. Wenn Friedrich Merz also sagt, dass Israel für „uns“ die „Drecksarbeit“ erledigt, so ist das vom Standpunkt des deutschen Kapitals durchaus richtig.
Es ist also nur folgerichtig aus westlicher Sicht, Israel bedingungslos in seinem Krieg zu unterstützen. Über Jahrzehnte wurde und wird der kleine Siedlerstaat wirtschaftlich wie militärisch hochgerüstet, um die imperialistische Ordnung im Nahen Osten aufrecht-erhalten und die Völker der Region, sollte sich Widerstand regen, mit Terror zu überziehen. So überrascht es auch nicht, dass Deutschland und die USA im Vorhinein über die Angriffe informiert wurden und die leise Kritik, die davor an Israel geäußert wurde, wieder verstummt. Auch die Imperialisten, die Israel davor weniger stark unterstützten, wie z. B. Frankreich, schließen die Reihen hinter dem zionistischen Terrorstaat. Dabei kann nicht oft genug betont werden, dass Israel nur durch die westliche Unterstützung überhaupt in der Lage ist, den Genozid in Gaza zu verüben und die Länder des Nahen Ostens ohne Furcht vor ernsthaften Konsequenzen anzugreifen.
Das Abhängigkeitsverhältnis ist klar: Ohne westliche Unterstützung wäre dem zionistischen Terror schnell ein Ende bereitet.

Arabische Despoten

Neben dem westlichen Imperialismus erhält Israel auch Unterstützung durch die Despoten und Tyrannen der arabischen Welt, die im Bunde mit den westlichen Imperialisten ihre Völker unterdrücken. So hat Bonaparte Sisi in Ägypten Hunderte Aktivist:innen des Global March to Gaza verhaften lassen und hält zusammen mit Israel weiter die Blockade des Gazastreifens aufrecht. Aber auch die Könige von Saudi-Arabien, Jordanien und Marokko stützen den israelischen Terrorstaat. Dabei versuchen sie durch inszenierte Proteste oder konsequenzloses pro-palästinensisches Gerede ihre eigenen Arbeiter:innenklassen und Unterdrückten ruhig zu halten, die einen hohen Grad an Solidarität mit dem palästinensischen Volk zeigen.
Mit dem Ausbruch des Krieges zwischen Israel und dem Iran fahren sie genau diese Linie weiter: In Worten wird der Angriff Israels verurteilt und vor einem Flächenbrand gewarnt, in Taten wird der Zionismus unterstützt, wenn Jordanien zum Beispiel iranische Drohnen abfängt. Die Unterstützung der arabischen Despoten ist zentral für Israel, da die von ihnen beherrschten Arbeiter:innenklassen und Unterdrückten die tatsächliche Macht hätten, den Genozid aufzuhalten und den Zionismus zu stürzen.

Im Iran

Der israelische Angriff kommt für das iranische Regime in einem Moment der eigenen Schwäche. Westliche Sanktionen schaden seit Jahren massiv seiner Wirtschaft; Verbündete des Landes wie der Diktator Assad und die Hisbollah erlitten empfindliche Niederlagen – Niederlagen, vor denen sie das iranische Regime nicht schützen konnte. Auch im Inneren steht das Regime auf wackeligen Beinen: Spätestens seit der Revolte von 2022/23 sind seine Tage gezählt, große Teile der Jugend lehnen es offen ab, und auch in den unterdrückten Nationen (Ostkurdistan, Balochistan) hat sich der Widerstand verankert. In dieser Situation der Instabilität und der Krise sah sich das Regime gezwungen, zunehmend auf eine Normalisierung mit dem Westen und eine Rücknahme der Sanktionen zu setzen. Das ist auch ein Grund, warum es sich zwar rhetorisch für die palästinensische Sache stark gemacht und große Töne gespuckt hat, aber der israelischen Aggression im Libanon und dem Genozid in Gaza nur symbolische Gegenschläge entgegenzusetzen hatte, was sich erst mit dem Angriff auf die iranische Führung selbst änderte. Die Hoffnungen, die die Führung des palästinensischen Widerstands in den Iran setzte, enttäuschte das Mullah-Regime – und musste es auch enttäuschen, da es letztendlich anhand seiner eigenen Regionalmachtsambitionen Politik macht und die Solidarität mit Palästina dafür nur ein Mittel zum Zweck ist. Die aktuellen Angriffe haben diese Schwäche des Regimes abermals offenbart: Seine Luftabwehr war nicht in der Lage zu verhindern, dass israelische Kampfjets Teheran bombardieren, während es dem Mossad möglich war, den Iran großflächig zu infiltrieren. Die Konsequenz der israelischen Angriffe sind Hunderte Tote und die Erkenntnis, dass das Regime seine Bevölkerung nicht vor dem zionistischen Terror schützen kann.
Es muss aber auch klar sein, dass ein israelisch-westlicher Sieg dem Iran niemals Freiheit bringen kann. Israel führt, unterstützt durch den Westen, einen reaktionären Krieg, um seinen Genozid in Palästina fortsetzen zu können und den Iran den westlichen Imperialisten zu unterwerfen. Eine Unterjochung des Irans hätte nicht die Freiheit der iranischen Arbeiter:innen, der Frauen oder der unterdrückten Nationen zur Folge, sondern nur ihre weitere Ausbeutung und Unterdrückung. Der Angriff Israels, der jetzt schon die Leben von Hunderten iranischen Zivilist:innen forderte, muss also entschieden abgelehnt werden. Große Teile der iranischen Zivilgesellschaft und der Diaspora tun dies bereits. Das iranische Volk hat das Recht, sich gegen die zionistische und imperialistische Aggression zu verteidigen – Israel muss diesen Krieg verlieren! Im Kampf für die Niederlage des Zionismus dürfen wir das iranische Regime aber nicht schonen, das sein eigenes Volk unterdrückt und nicht in der Lage ist, effektiven Widerstand gegen den Imperialismus und seinen zionistischen Gendarm zu leisten.

Kampf dem Zionismus und Imperialismus!

Der Kampf gegen den Zionismus kann nämlich nicht primär militärisch gewonnen werden. Solange Israel durch die westlichen Imperialisten hochgerüstet wird, solange die arabischen Despoten den Zionismus stützen, kann es die Völker der Region weiter ohne Konsequenzen mit Terror überziehen. Den Arbeiter:innen und Unterdrückten in der Region und der Arbeiter:innenklasse im Westen kommt deshalb in diesem Krieg eine Schlüsselrolle zu.
Es sind die Arbeiter:innen und Unterdrückten des Nahen Ostens und Westasiens, die die Macht haben, ihre Despoten zu stürzen. Die Wut gegen die Despoten und ihre Unterstützung des Genozids wächst; ein neuer Arabischer Frühling könnte eine neue revolutionäre Welle in der Region auslösen und dem Zionismus, der Festung des Imperialismus und der Reaktion in der Region, den Kampf ansagen.
Aber auch die Arbeiter:innenklasse und die Solidaritätsbewegung hier im Westen spielt eine wichtige Rolle. Wir müssen den Kampf gegen den Genozid mit dem Kampf gegen den Angriff auf den Iran verbinden, ohne dabei das Regime im Iran zu beschönigen! Ziel muss sein, jegliche militärische und ökonomische Unterstützung für den zionistischen Terrorstaat zu brechen! Das heißt den sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen – Kappen aller ökonomischen und institutionellen Verbindungen!

  • Hände weg vom Iran! Stoppt die zionistischen Angriffe! Israel raus aus Syrien und dem Libanon!
  • Rücknahme aller Sanktionen gegen den Iran!
  • Sofortiger Stopp der Bombardements und der Angriffe der IDF in Gaza! Rückzug der israelischen Armee aus Gaza und Westbank, Aufhebung der Blockade!
  • Stopp der Kriminalisierung der Palästina-Solidaritätsbewegung! Nein zu allen Abschiebungen von Aktivist:innen, Aufhebung aller Verbote palästinensischer Organisationen!
  • Keine Waffen für den Genozid! Unterstützung der BDS-Kampagne und Durchsetzung eines Boykotts Israels durch die Arbeiter:innenbewegung und die Gewerkschaften!
  • Sieg dem palästinensischen Widerstand!
  • Für ein vereinigtes, säkulares, sozialistisches Palästina mit gleichen Rechten für alle als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens!



Von „Differenziertheit“ zu Diffamierung – Kritik am Statement der Linksjugend [’solid]

von Urs Hecker, Juni 2025 – 9 Minuten Lesezeit

Die Linksjugend Solid bzw. ihr Bundessprecher:innenrat hat am 31.05 ein Statement auf ihrem Instagram-Kanal hochgeladen, in welchem sie der Palästinasolidaritätsbewegung in Deutschland strukturellen Antisemitismus unterstellt. Dabei wird – in für die deutsche Öffentlichkeit typischer Manier – keine Trennlinie zwischen „Israelhass“, Antizionismus und Antisemitismus gezogen. Anlass zum Statement war das Attentat auf zwei Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft in Washington D.C., von dem die Linksjugend Solid eine direkte Verbindung zu Parolen der Palästinasolidaritätsbewegung in „deutschen Großstädten“ zieht. Damit ist sie nicht nur klar auf Linie der deutschen Staatsräson, sie fungiert auch als Stichwortgeber von „Links“, um die Repression, welche die Palästinasolidarität aktuell massiv „in deutschen Großstädten“ erfährt, zu rechtfertigen.

Im Folgenden wollen wir uns das Statement genauer anschauen und zum einem herausarbeiten, wie gegen diese Haltung eine Opposition in der Solid aufgebaut werden könnte, und zum anderen wie sich Revolutionär:innen überhaupt gegenüber der Palästinasolidaritätsbewegung verhalten sollten.

Antizionismus oder Antisemitismus

Durch das gesamte Statement zieht sich eine Argumentationslinie in der Antizionismus, also Opposition zu Israel als siedlerkoloniales Projekt, und Antisemitismus mit einander vermischt oder in Eins gesetzt werden. Von Beginn an wird „Hass auf Israel und auf Zionist: innen“ mit Antisemitismus und antisemitischer Gewalt in Verbindung gebracht. Parolen wie „Globalize the Intifada“ und „Zionists not welcome“, welche auf Demos gerufen oder an Universitäten geschmiert werden, seien Ausdruck eines „antisemitischen Vernichtungswahns“, da die Aktivist:innen Israel und Zionist:innen als weltbeherrschend und per se als „das Böse“ ansehen würden. Solche Parolen seien sogar mittelbar für das Attentat in Washington und antisemitischer Gewalt verantwortlich.

Parolen wie „Globalize the Intifada“ oder“ Zionist not welcome“ und Antizionismus im Allgemeinen sind natürlich nicht antisemitisch, da Jüd:innen und Israel eben nicht identisch sind. Vielmehr fördert diese Vermischung der Begriffe gerade Antisemitismus und macht Jüd:innen allgemein für die Verbrechen Israels mitverantwortlich. Dass der zionistische Apartheidsstaat, der aktuell einen Genozid ausübt, gehasst und als Feind wahrgenommen wird, ist völlig richtig und legitim. Ebenso wie der Kampf gegen die Imperialist:innen, welche ihn außenpolitisch unterstützen und für ihre Interessen einsetzen.

Mit ihrer Argumentation reiht sich die Solid in die Propaganda ein, dass der Zionismus tatsächlich mit dem jüdischen Volk und Glauben identisch sei und Angriffe auf den Zionismus antisemitisch seien. Nicht nur das, auch für die deutsche rassistische Medienlandschaft und Politik, die seit jeher die Palästinasolidaritätsbewegung als antisemitisch diffamieren, um so die Repression zu rechtfertigen, liefert die Linksjugend Argumentationshilfe von „Links“. Neben Springer und Tagesschau redet jetzt auch die Linksjugend Solid von angeblich strukturell antisemitischen Demonstrationen in deutschen Großstädten, die für Attentate wie das in Washington verantwortlich seien.

Auch wenn man in Lippenbekenntnis die Gewalt Israels verurteilt, hilft man so objektiv der staatlichen und rassistischen Repression und Hetze gegen die Palästinasolidaritätsbewegung. Das alles vor dem Hintergrund des Genozids entbehrt jeglicher „Differenziertheit“.

Zum Attentat in D.C.

Als Anlass für diese Diffamierungen nimmt sich die Solid das Attentat in Washington D.C.
Der Attentäter fuhr hier von Chicago nach Washington um eine Veranstaltung für israelische Diplomat:innen auszukundschaften und daraufhin anzugreifen. Dabei tötete er zwei Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft. Das Attentat in Washington war also nicht antisemitisch, da der Täter gezielt Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft und nicht Jüd:innen per se angriff. Auch sollte hier erwähnt werden, dass eins der Opfer nicht jüdisch war.

Das Attentat stellt auch keine „Zäsur“ dar, wie die Solid behauptet, in einem Genozid, in dem Israel über 70.000 Menschen direkt ermordet hat, Hunderttausende vom Hungertod durch die israelische Blockade bedroht sind und Millionen vertrieben werden, stellt die Ermordung zweier Mitarbeiter:innen dieses Staates sicher kein neues Level an Gewalt und Verrohung dar.

Trotzdem lehnen wir den Anschlag ab. Terrorismus und Attentate liefern keine Perspektive für einen effektiven Kampf gegen Unterdrückung und haben in der Geschichte entsprechende Bewegungen geschwächt. Nur die gemeinsame bewusste Aktion der Arbeiter:innen und Unterdrückten in Palästina und im restlichen Nahen Osten, unterstützt durch die Arbeiter:innenklasse in den imperialistischen Zentren können den zionistischen Apartheidsstaat und den ihn stützenden Imperialismus bezwingen. Keine noch so entschlossene und radikale Einzelaktion kann hier eine Abkürzung liefern. Stattdessen fungieren sie als Rechtfertigung für die Repression, verbrennen die entschlossensten Aktivist:innen und führt die Bewegung in eine Sackgasse.

Dieser individuelle Aktionismus und Terrorismus ist dabei oft Ausdruck der Marginalisierung und Perspektivlosigkeit einer Bewegung in der Aktivist:innen aber unbedingt und zurecht etwas verändern wollen. Genau hier könnte die Solid ansetzen und zusammen mit der Anbindung an breitere Teile der Jugend und Arbeiter:innenklasse eine linke Perspektive für die Bewegung aufwerfen. Sie reiht sich, wie oben erwähnt, aber lieber mit Springer und dem deutschen Staat ein, um der Bewegung an sich Antisemitismus vorzuwerfen.

Palästinasoli und Antisemitismus

Wenn man tatsächlich der Palästinasolidaritätsbewegung teilnimmt und die Statements der verschiedenen Akteur:innen verfolgt, ist klar, dass diese zwar ein Sammelbecken von verschiedenen (klein-)bürgerlichen Ideologien (Nationalismus, Postkolonialismus, Islamismus) und einigen revolutionär auftretenden Kräften ist, in der Mehrheit aber klar nicht antisemitisch ist. Hass auf Israel und den Zionismus ist dabei natürlich weit verbreitet, aber auch angesichts von Generationen andauernder Unterdrückung, Vertreibung und Genozid mehr als gerechtfertigt. Wenn Antisemitismus in der Bewegung auftaucht, dann meistens aus berechtigtem Hass auf den Unterdrücker Israel, welcher dann aber falscher Weise mit Jüd:innen insgesamt in Verbindung gebracht wird. Das ist genau der gegensätzliche Zusammenhang zu Nazis, die aufgrund ihres Antisemitismus vorgeben, Palästina zu unterstützen. Dass der Antisemitismus überhaupt in der Lage ist, in der Bewegung Raum zu finden, liegt auch an der Dominanz der verschiedenen bürgerlichen Ideologien in der Palästinasolidaritätsbewegung, die nicht in der Lage sind, die Unterdrückung durch Israel in die Totalität des imperialistischen Weltsystems einzufügen. Das macht den Antisemitismus nicht weniger gefährlich, natürlich in erster Linie für Jüd:innen, aber auch für den Kampf gegen den Genozid. Zu wissen, wie er entsteht, ist dabei eine notwendige Voraussetzung, um ihn überhaupt bekämpfen zu können.

Er ist zumindest nicht so zu bekämpfen, indem man der Palästinasolidaritätsbewegung und dem Widerstand grundsätzlich die Solidarität entzieht. Der Kampf gegen Unterdrückung, Besatzung und Genozid ist gerechtfertigt und notwendig. Von dem Standpunkt der bedingungslosen Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand kann über die Ursachen der Unterdrückung, der westlichen Unterstützung und über Perspektiven im Kampf diskutiert werden. Hier kann die Einordnung ins imperialistische Weltsystem erfolgen und dabei stets die falsche Gleichsetzung von Judentum und Zionismus aufgezeigt werden. Die Linksjugend macht das genaue Gegenteil, indem sie diese falsche Gleichsetzung reproduziert, um sie gegen die Palästinasolidaritätsbewegung zu richten. Damit hilft sie nicht nur der Repression gegen die Palästinasolidarität, sondern stärkt auch antisemitische Sichtweisen in ihr.

Aufgabe Linker Kräfte

Die Aufgabe linker Kräfte im Verhältnis zur Palästinasolidaritätsbewegung ist also eine fundamental andere. Als erstes muss uns klar sein, dass es eben nicht unsere Aufgabe ist, besonders „differenziert“ von außen zuzuschauen und dabei die Aktionen der einzelnen Akteur:innen isoliert nach moralischen Maßstäben hier in Deutschland zu bewerten. Für uns muss klar sein, dass der Gewalt in Palästina ein Unterdrückungsverhältnis zu Grunde liegt, welches im imperialistischen Weltsystem und konkret im Siedlerkolonialstaat Israel begründet ist. Alle Gewalt rührt letztendlich aus diesem Unterdrückungsverhältnis. Zusätzlich sei noch die Asymmetrie im Kräfteverhältnis zwischen der Atommacht Israel plus ihrer imperialistischen Unterstützer:innen und dem palästinensischen Widerstand erwähnt und der damit verbundenen Möglichkeit, Gewalt auszuüben. Es ist Israel, das de facto einen Genozid ausübt, es ist Israel, das vernichtet.

Aus diesem Verständnis folgt, dass wir klar Stellung beziehen auf der Seite der Unterdrückten, der Palästinenser:innen. Dass wir ihr Recht auf Widerstand anerkennen, ohne diese Unterstützung dabei von der moralischen Bewertung einzelner Aktionen oder Gruppen abhängig zu machen. Diese Intervention muss aber auch erfolgen! Zum einem im Praktischen, indem wir im Rahmen unserer Kräfte Aktionen durchführen und unterstützen und so einen Beitrag zur Bewegung leisten, aber auch im Theoretischen, um die Unterdrückung im imperialistischen Weltsystem einordnen zu können und so den Weg zu ihrer Überwindung zu finden. Dabei müssen wir auch die verschiedenen bürgerlichen Ideologien, die im Widerstand und der Solidaritätsbewegung vorhanden sind, kritisieren und ihre Dominanz herausfordern. Es ist deshalb auch wichtig, Kritik an der HAMAS und ihrer fehlgeleiteten Strategie zur Befreiung Palästinas anzubringen, allerdings immer auf der Grundlage der grundsätzlichen Unterstützung des palästinensischen Widerstands.

Unser Ziel ist es also möglichst breit im Widerstand gegen den Zionismus und Imperialismus zusammenzuarbeiten. Dabei müssen wir aber gleichzeitig unsere politische und organisatorische Unabhängigkeit bewahren, um nicht unseren Klassenstandpunkt unter die verschiedenen bürgerlichen Akteure unterzuordnen. Deswegen fordern wir die antiimperialistische Einheitsfront, also die Aktionseinheit aller Kräfte, die sich gegen den zionistischen Apartheidstaat und den Imperialismus stellen, bei gleichzeitiger Freiheit der Kritik an- und untereinander.

Opposition in der Solid

Dass die Führung der Solid sich hier so opportunistisch zeigt, ist kein Zufall, sondern unter anderem Ausdruck des ideologischen Einflusses durch die Bürokratie der Linkspartei.
Dieser Einfluss führt dazu, dass die Solid, obwohl sie selbst weniger bürokratisch geprägt ist als die Linkspartei, ihr opportunistisches Schwanken zu Palästina und ihr reformistisches Programm mitträgt.

Gegen das Statement der Solid-Leitung haben verschiedene Landesverbände, Basisgruppen und der BAK-Klassenkampf Kritik veröffentlicht. Das begrüßen wir ausdrücklich und spricht sicher hunderten Genoss:innen in der Solid aus der Seele, die die Diffamierung der Palästinabewegung und die Vermischung von Antizionismus und Antisemitismus nicht mittragen wollen. Diese haben auch zahlreich Luft in der Kommentarspalte verschafft, bis sie dann geschlossen wurde. Diese Kritik ist wichtig! Zu sagen, was ist, ist immer noch die revolutionärste Tat.

Es aber auch notwendig, dem einen organisatorischen und programmatischen Ausdruck zu geben. Dazu ist es sinnvoll, sich innerhalb der Solid zu einer revolutionären Fraktion zusammenzuschließen. Das ist notwendig, um nicht nur zufällig im organisationsinternen Kampf einmal auf der einen und einmal auf der anderen Seite zu stehen, sondern um die Kräfte zu bündeln, gemeinsam zu intervenieren und einen echten inhaltlich/programmatischen Pol in der Solid bilden zu können.
Diese Fraktion muss darum kämpfen, den Opportunist:innen die Führung der Solid zu entziehen, dabei wird die Frage zum Verhältnis zur Palästinasolidaritätsbewegung eine entscheidende Rolle spielen.

Wenn ihr Mitglied bei der Linksjugend seid und unsere Kritik teilt oder auch als Basisgruppe dem zustimmt, dann kommt auf uns zu (schreibt uns einfach eine DM) und lasst uns darüber diskutieren, wie diese notwendigen Schritte im Verband gegangen werden können, um Diffamierung und Opportunismus entschlossen entgegenzutreten und die Linksjugend zu einer Kraft zu machen, welche reale Veränderung erkämpfen kann!

Hier könnt ihr den Beitrag der Linksjugend [’solid] nachlesen: https://www.instagram.com/p/DKRHaTUt62h/?img_index=1




Syria: The end of Assad and what awaits

International Resolution of the independent communist youth organisation REVOLUTION

Assads Regime has fallen in December. This article looks at the history of the Syrian struggle as well as the ongoing developments since then.

With the start of the Arab Spring in Tunisia at the end of 2010, a Series of Uprisings started in North Africa and the middle East. This forced many governmental changes and also started civil wars, such as in Libya, where Muammar al-Gaddafi was overthrown. Similarly the Revolution came to Syria which later ended in a civil war, because the Assad regime’s security cracked down bloodly on protests. In consequence, armed rebel groups like the Free Syrian Army (FSA) began forming, which often included deserters from Assad’s Syrian army. The different rebel groups received weapons form Turkey, the Golf Cooperation Council (UAE., Saudi Arabia, Qatar, Oman Kuwait, Bahrain) and some Western countries, and made advances in the beginning. The Assad Forces received Weapons as well as other Military and civil support from Russia and Iran at the time. Another actor appeared in 2013, the Islamic State of Iraq and Syria (ISIS). Hay’at Tahrir al-Sham’s (HTS) current Leaders had coordinated the expansion of Al-Qaeda in Syria with ISIS between 2012 and 2013, but later had a fallout with them. The fight against ISIS happened largely on shoulders of the Kurds and their Allies, because ISIS encroached on territory Ethnically dominated by Kurds – which was also one of the reasons the prominent US support of the Kurdisch forces was made possible. The successful fight against ISIS roughly created the boarders for the following years, as well as an autonomous Region of Rojava under kurdish control. Several ceasefires were brokered between Assad and oppositions groups. Over this Period more than half a Million people were killed, 7,2 Million internally displaced and with a Diaspora of 8 to 13 million, the situation of the Syrian People dramatically deteriorated since 2011, 90% of the population in Syria are living in poverty.

    Fall of Assad

    The recent Fall of Assad happened due to an offensive from the Islamist and Syrian Nationalist Military Operations Command (MOC), which is Dominated by HTS. They wanted to Attack Aleppo at the end of 2023, but Turkey wanted to pursue negotiations with the Assad regime, which didn’t lead to a result that was sufficient for Turkey. Today, we can say that Turkey likely gave the green light for the HTS operation; however, it does not have full control over them.

    2023, HTS began looking for and creating Allies, by supporting the creation of the Southern Operations Room (SOR), which united 25 Militias south of Damascus. The groups of the MOC got weapons from Turkey from time to time, which further indicates Turkey’s involvement in the offensive planed by the MOC on Aleppo. The resistance from Assad’s forces started to crumble after Aleppo was taken. Four days after Aleppo, Hama was taken and only three days after that the MOC toke Homs. The SOR took control of Damascus at the same day as Homs was taken. The capture of Latakia in the Alawite dominated west of the country, that boarders with the Mediterranean, concludes the capture of the most important cities and regions of Syria in under a month.

    With the capture of these important cities the large prisons that the Assad dictatorship had maintained were opened, so that the political prisoners could relish in the new regime change. The opening of the torture prisons was also a top priority in many military operations. The largest prison, Sednaya could hold up to 20.000 people, with the total amount of Syrians arrested since the begin of the civil war estimated to be in the 6 digits. Systematic killing and Torture of Prisoners was also practiced by Assad’s Security Forces, with 11.000 being killed only from March 2011 to August 2013, leaving open the question of the total.

    The successful overthrow of the Assad dictatorship, also seemed to be a surprise for the rebel groups. Indicator for that is the absence of a clear political program of HTS and it’s Allies. The absence of a program is obvious in their handling of key questions such as their relations towards their neighbors and other Regional actors, such as Israel, Hezbollah in Lebanon, Iran, Russia, the US, the Kurds in an outside of Syria, and Turkey. Further the question of the Syrian Diaspora, relations to Ethnic Minorities and that of Elections are only slowly and timidly being Answered.

    Internationally the fall of the 54 year long dictatorship of the Assad family has been celebrated widely, especially in the Diasporas around the globe. Many of the people that had fled the country, fled because of the Assad regime, directly or because of the civil war. This presents a Historic change for the Syrian people in Syria and in the Diaspora, as well as for regional actors that reformulate their influence on Syria and in the whole region. Additionally with the Overthrow of the Assad dictatorship many countries have paused the granting of Asylum to Syrians, only days after the fall of Assad. This could force people to return to Syria, even if their future is uncertain and could be endangered easily if the Provisional Government should fall.

    What are the interests of the actors and the problems of the region?

    Having a look at relations of the largest of the fighting groups in the syrian civil war and the recent overthrow it is very clear that the groups fighting have international backers. With Turkey being a large benefactor of the fall of Assad, their constant fights with the Syrian Democratic Forces (SDF), which are dominated by kurdish forces, in north eastern Syria, indicate their interest in continuing to fight against kurdish self-determination. Clearly exposed with the attack of the Syrian National Army (SNA), a Turkish backed group, on the SDF in north Syria, at the same time as the beginning of the fight over Aleppo by HTS, which later lead to the fall of Assad. Further, the attempt by Erdoğan to negotiate with Assad in 2023 shows the attempts by Turkey to force a power shift in Syria, which ultimately happened through the Overthrow by HTS. Turkey having international powers such as Russia and the US in its backyard didn’t soothe the tension in and around Syria. Especially with the less than great economic situation in Turkey in recent times it is in its interest to expand its regional influence.

    Russia which was and is a backer of Assad, has aided Assad with military support such as airstrikes on Opponents like HTS and stationing troops in the country. Russia also more recently granted Asylum to Assad in Moscow, after he fled the country. Russia’s capability of supporting Assad has weakened in the last 3 Years due to the war in Ukraine. Russian Military bases stationed at the Mediterranean coast have strategic importance, because with their strategically and logistically useful locations, they enable Russia to conduct its imperialist interventions in Africa. Another actor that has lost a strategic ally is Iran. It lost its land connection to Lebanon and therefore the ease of transporting equipment into Hezbollah. Further it closely watches the actions of the Transitional Government towards Israel, with Iran wanting to maintain its Axis of resistance. Under Assad, Syria wasn’t really hindering Iran, but it also didn’t fight back against Israel, when it attacked Syria.

    Taking advantage of the newly formed situation in Syria is Israel. It moved troops into the demilitarized zone in between the occupied Golan Heights and southern Damascus, so it could expand its settlements. This also could prepare an encirclement of Hezbollah in Southern Lebanon. Israel’s Airforce also took on of its largest missions where it bombed military infrastructure in Syria, claiming they are eliminating military capabilities for a potential threat. The fact that numerous civilians were killed in the process is something they are willing to accept. Furthermore, Israel repeatedly tries to exploit the Druze and Alawites for its own interests, thereby advancing the destabilization of the country.

    The biggest profiteers from the fall of Assad are the ones who are at the head of the transitional government in Damascus: HTS. They have risen from a regional actor in control of the Idlib province to a head of government, without a clear perspective but with the aim to stay in power, as islamists and nationalists. Their governmental structures in Idlib give them a blueprint to quickly unite the rest of Syria under their rule. They have announced that all rebel groups should become a part of a newly formed syrian army of whom a HTS member is minister over.

    The actor with a somewhat unclear future is the Kurdish dominated SDF and the region it controls. The SDF have expanded their territory over the Euphrates River and clashed with the SNA. Their political perspective for Syria is secular, democratic and federalized, which could be made compatible with the HTS perspective, or at least what has been visible of it. But the latest developments clearly show that Al Sharaa is more likely to reject a federalist Syria.

    Parts of the SDF have also made publicly clear that they would support a HTS under Syria. At the same time support against the turkish attacks in Rojava remains unlikely by the new Syrian government. The SDF receives a large amount of military support form the US, hundreds of millions of dollars of equipment, and 900 to 2000 troops are stationed in Syria to support them at this point in time. The SDFs reliance on US support means their decisions are not completely independent of US interests.

    Why did this happen now?

    Main Supporters of the Assad regime are occupied with different conflicts that necessitate their attention more than the support of Assad. Hezbollah is fighting Israel, with their ground invasion and Leaders of Hezbollah having been killed by Israel in targeted attacks, leaving them weak. Pulling back large amounts of troops from Lebanon wasn’t feasible for Hezbollah. Similarly, Russia is very occupied with the War in Ukraine, where it binds most of its military capabilities. Russia doesn’t have the capability to support a weakened Assad with the military equipment needed elsewhere more urgently. Turkey on the other hand has the capabilities and desire to fill the power vacuum created by the fall of Assad, and the lower engagement from Russia. Identifiable through the support of insurgent groups that continually attack the SDF and Turkey’s relation to HTS. Iran clearly doesn’t have an interest in larger participation in the conflict with Israel, where they had many possibilities to enter more directly and didn’t. Similarly, it didn’t try to support Assad with large amounts of Resources, further indicating internal instability. Other actors that have been in the region in the past such as ISIS have mostly been defeated and are too weak to pose a large threat at current time.

    What will happen?

    With the seizure of power by HTS and Israel’s annexation of more territory in the Golan heights, it is not clear cut what will happen in Syria. Remnants of the Assad Government have agreed to work with the HTS administration to ensure public services for the next 1,5 years. With the persual of cementing their power it was announced that militias are going to be combined into a new Syrian Army, In the resent published Statements SDF agreed on beeing part of the army as its own military arm, but the Agreements and Statements are still uncertain and on thin ice.“

    The planning of elections has also been announced, with it taking up to 4 years to realize them, because they want to precede them with a census. More pressing questions, those of international relations have not definitively been answered, with the transitional government trying to not take a direct stance. An example of this is by suggesting to Russia that the relationship should benefit both parties. The bases at the mediterranean sea are of military importance, necessary for Russia to support and project its imperialist presence in Africa and for the naval presence of its black sea fleet, because parts of it were stationed there. The future of these bases will depend on the relation between HTS and Russia. To not lose their strategic access to Africa and the operations in Mail, Libya and elsewhere, a relocation to Libya could be possible, where Russia has a presence through the Wagner group, which supports Haftar. In Libya Turkey would also be the main external rival.

    Iran being the less proactive power in the support of Assad, compared to Russia or any of the other imperialist and regional powers involved in Syria, such as Turkey or the US, could also be an indicator for Iran’s future actions in Syria. The most important factor for Iran is the positioning towards Israel, and the possibility for supporting it’s “axis of Resistance”, by using the ground connection to Hezbollah for weapons Deliveries. If Syria where to continue maintain the relationship it had under Assad, Israel occasionally attacking Syria without a response, and continuing to allow Iran to transport weapons to Hezbollah, the relationship would not change Dramatically. It has to be made clear that the so called axis of resistance was always far more focused on their own regional interest and in no way a reliable ally to Palestine as well as a true wall against western imperialism.

    With Turkey being a probable supporter of the regime change in Syria, their actions and demands will play an important role for the actions in and around Syria, not only because Turkey borders Syria but also due to the amount of support Turkey supplies to groups in Syria, such as the Syrian National Army that has attacked the SDF with the beginning of the HTS insurgence. Turkey wants to destroy the YPG, which is a part of the SDF, and wants to destroy kurdish autonomy and regain land and control of different kurdish areas.

    The SDF receives large support from the US in forms of Military equipment and Troops with the task of supporting them. Under the new Trump government it is much more likely a recall of the troops and military support is being prepared (similar to the last Trump administration). How this will develop and if the decision to withdraw troops will be similar to Afghanistan remains to be seen. At this point in time the US administration has not made any moves to do so – there was even a temporary increase in US troops. Communists generally support the withdrawal of imperialist forces from non-imperialist countries because their interests remain their own without any benefit for the people of the region. We also need to acknowledge the still ongoing fights and how to support the SDF against turkish attacks. The future position of the SDF is very dependent on the stance the new government has towards them, because attacks from Turkey and the Syrian National army are inevitable, and the possibility of a fight with the newly combined forces of the Syrian HTS government could pose a threat. The support of the population that the SDF has, especially in non ethnically Kurdish dominated regions are going to decide how successful a resistance from attacks the SDF is going to be. From past endeavors of the SDF the support is low due to them repressing demonstrations by the population of non ethnically Kurdish dominated regions, by shooting at them. Their former role in the Syrian Civil War is also an important factor regarding non-kurdish sympathies for them. First choosing a non enganging “third way” between parties, as to stay out of the revolution in Syria and then at some instances allying with Assads Army has not made them a reliable ally for the Syrian people. At the same time the FSA and other oppositional forces have never considered independence and autonomy of the Kurdish resistance of any importance, so the problems lie deep.

    New Developments around the declaration of the dissolution of the PKK (which has not happened as of now and does not include the structures in Syria who are officially independent) have to be viewed closely together with the developments in Syria.

    HTS not having a clear political program and having changed their politics in the past, from trying to building up Al-Qaeda in Syria, after distancing themselves from them, and now their closer relation to Turkey makes a prediction to their future actions Difficult. The plans HTS has made with their respecting rights of minorities, could or could not include some form of self determination for the Kurds. A step in this direction was taken by including the SDF forces into the government led military – something that stands as a guarantee to not go more into the direction of the turkish states and its attacks of the region. This means a regional integration but also a commitment to kurdish rights in Syria.

    Similarly, their relation to regional actors such as Iran are still open. HTS in its proclamations and actions are conservative, clerical chumming up to the west. If we compare them to the – still relevant but in no position of power – regime of the IS in the region, we can see that the clerical fascist elements are not the policies on which the HTS builds up its power. The promise of a somewhat democratic, and dependable western ally that protects minorities is more prominent as the origin of HTS from the same ideological current as the IS. But even though it is not a fascist force, does not mean that we can trust their promises and not see the reactonary practices they have already set in motion, like the lacking support for different attacked minorities or postponing elections instead of holding them now. Although it took some time, there were revenge killings in the region targeting the Alawite minority (the minority from which the Assads also come). After attacks by pro-Assad forces, the military and other armed groups intervened. A precise attribution of the perpetrators is difficult due to the chaotic situation, which makes independent research challenging. However, it is certain that parts of these groups were linked to both HTS and the SNA, and could be categorized as Islamist and nationalist forces. In total, 1,500 civilians were killed during these outbreaks. Despite this massacre, spontaneous demonstrations broke out in support of the Alawites, demanding an end to the killings.

    What are the tasks of revolutionaries?

    The ousting of Assad and the end of the dictatorship of the reactionary nationalist Baath Party (Arab Socialist Baath Party) represent a victory not only for the HTS-led coalition but also for the Syrian masses. They must now seize this moment to revive the struggle for the original democratic, social, and economic demands of the Syrian revolution. It is crucial to emphasize at this moment: No trust in HTS, no trust in the transitional government! Similarly, under the rule of an HTS-led government, whether it initially includes parts of the old state apparatus or even representatives of national or religious minorities, such a development cannot be expected. Any such government will be partially or entirely shaped by a strong Islamist-reactionary influence. Moreover, it will attempt to „resolve“ the political and social crisis of the country in coordination with Western powers and their financial institutions, as well as in the interests of its own bourgeois and petty-bourgeois clientele.

    Therefore, revolutionaries must not place any trust or support in such a government. Instead, they must warn the rural and urban masses about its reactionary nature, help them make use of the current opportunities for their own political, trade union, and social organization, create forms of self-organization at the workplace and local levels, and, where possible, establish their own self-defense forces to organize security in both urban and rural areas.Moreover, it is clear that, in reality, HTS stands for economic liberalism. According to them, the economy of future Syria should be „a competitive free-market system.“

    Therefore, it is all the more important that the existing social movements, trade union, and workplace structures in Syria—who gained organizational and assembly freedoms with the fall of Assad—use and expand the current opportunities.

    The Arab Spring demonstrated what the fighting masses of workers and the oppressed are capable of, but also the reasons for their defeat. The spontaneous uprising of the masses and its spread in 2011 clearly showed in Syria that people were demanding a better life in freedom and were willing to fight for it, even at the cost of their lives. However, as the regime became increasingly brutal and murderous towards its own population, two key weaknesses became evident: there was a lack of centralization in the movement and a program that outlined how to fight for specific demands and what could come after the fall of Assad. While the working class carried the movement, it lacked its own, class-conscious vanguard and, therefore, strength.

    Therefor the most pressing task for revolutionaries is to build a revolutionary party that is able to make sure that the fall of Assad and the seizure of power by HTS does not turn into another dictatorship. This should be done by developing a revolutionary workers Party, by creating a party out of the most determined parts of the fighters of the working class and the most advanced from parts of the intelligentsia and youth. This should be supported by building workers councils, as well as councils of the youth in and outside of Syria, these should challenge the power over the means of (re)production. The tasks of democratic and socialist Syria have to be fought in combination, therefore an independent constituent assembly that discusses the political and social future of Syria is to be Pursued. This Party has to win over and include the (fighting) minorities in the region as well, foremost the Kurds and the Druzes.

    A constituent assembly would still be a bourgeois institution, but the fight for the working class and the building of a revolutionary party would have a better terrain to expose the antidemocratic character of the HTS and it’s allies. In a democratic election the right for refugees to vote has to be ensured.

    This assembly should include minorities and give nationally oppressed groups the possibility of self determination, regardless of how this self-determination is done, as a semi-autonomous region or as an independent country. The assembly should also support the struggle of the oppressed nation elsewhere, such as in Turkey or Iraq for the Kurdish and for the Palestinians in Palestine. For Syria this would also mean, the support of the Palestinian resistance and a fight against the oppression by Turkey, even if they played an important role in the overthrow of Assad.

    The right to self-determination of oppressed nations and the possibilities for overthrowing regimes in the region, open the question of how such a success could be maintained. Imperialism or other Capitalist Hegemony would threaten the successes. By creating a socialist federation in the middle east and expanding the revolution internationally, the threat of deterioration can be avoided, due to removing the root of the cause of the system, which is private ownership of the means of productions.

    Maintaining the right to return for Syrian refugees is an important task of the party, as well as the ensuring a safe accommodation and minimal income for those returning and already there. This and more generally the rebuilding of the country should be financed by expropriating the wealth of the Assad regime and from the ruling capitalists and large landowners. Further international aid should be provided by imperialist states without any condition. Continuing the sanctions on Syria would also complicate the rebuilding efforts and hit the weakest the hardest. Such tasks, of which only a few could be presented, are a collection of tasks that can’t be performed by a bourgeois government: A worker’s government is needed to accomplish them. Above all, the youth can play a key role in this. They were the ones who fought heroically on the frontlines during the Arab Spring. And even today, it is in their interest to fight for a future that they, along with the workers and peasants, can determine for themselves.

    With the Fall of Assad many countries postponed the granting of refugee status to Syrians that fled the civil war or that were persecuted. With the shift towards the right, the aim of many bourgeois parties to do mass deportations grew more popular. Fighting these Racist policies is the task of revolutionaries in the imperialist centers of power, Just like the fight against the sanctions and the interference of imperialist forces in Syria.

    We as revolutionary internationalists share the excitement about the overthrow of Assad with the Syrian Masses around the world. But we are aware of the tasks to come to ensure a new, democratic, socialist Syria.




    Kann die Linkspartei den Rechtsruck aufhalten?

    von Jona Everdeen, April 2025 – Lesezeit: 8 Minuten

    In einem unglaublichen Comeback ist die Partei die Linke innerhalb eines halben Jahres von Umfragewerten bei ungefähr drei Prozent auf ein Wahlergebnis von fast 9 Prozent geklettert. In der gleichen Zeit hat sie ihre Mitgliederzahlen auf inzwischen über 100.000 (Rekord in der Parteigeschichte) verdoppelt. Dieser Aufstieg der Linken, die zuvor in einer tiefen Krise steckte, zeigt den Wunsch vieler, große Teile davon Jugendliche und junge Arbeiter:innen, nach einer echten Alternative zum Rechtsruck. Doch wie kann „die Linke“, deren innere Widersprüche sicher nicht überwunden sind, tatsächlich den Erwartungen an sie gerecht werden und eine entschlossene Kraft gegen den Rechtsruck bilden?

    Kampf gegen Rechtsruck heißt Kampf gegen Krise!

    Zuerst einmal muss, was die Partei im Wahlkampf zumindest teilweise gemacht hat, die Verbindung gezogen werden zwischen der Krise und dem Rechtsruck. So machte die Linke deutlich, dass für den Aufschwung der AfD die jüngsten Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen verantwortlich sind. Allerdings begründet die Linke das auf eine recht schematische Art und Weise. So würden Menschen, denen es ökonomisch schlecht geht, leicht empfänglich werden für rechte Propaganda, wenn jedoch eine linke Partei ihre Lebensbedingungen verbessere, sich davon wieder abwenden. Entsprechend auch ihr Wahlprogramm, das sehr ambitionierte Reformforderungen aufwirft, Forderungen, die wenn sie restlos umgesetzt werden würden, tatsächlich die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen enorm verbessern würden! Forderungen für die wir einen Kampf jederzeit unterstützen würden! Doch genau hier kommt es zum Knackpunkt, denn wie diese Forderungen zu erreichen sind, weiß die Partei „die Linke“ bisher nicht. In einer Regierungskoalition mit SPD und Grünen 2029 und mit Heidi Reichinnek als Kanzlerin, wird das sicher nicht passieren. Eine andere Perspektive hat die Partei „die Linke“ nicht, da ihr, wie für reformistische Parteien üblich, das Verständnis fehlt, wie man mit einer proletarischen Massenbewegung auf der Straße Siege erringen kann.

    Nach dem Wahlkampf kommt der Straßenkampf!

    Was es zunächst braucht, ist die Erkenntnis, dass der Wahlkampf nur eine Bühne ist für den eigentlichen politischen Kampf, der woanders geführt wird: Auf der Straße, in den Betrieben, in den Schulen und Universitäten! Positiv hervorzuheben sind bereits zweierlei Dinge: 1. Die Organisierung von Studis gegen Rechts an Universitäten und 2. Die Unterstützung von Streikposten in der Tarifrunde Öffentlicher Dienst (TVöD) durch Aktivist:innen und Mitglieder der Linken! Doch das kann nur der Anfang sein. So muss Studis gegen Rechts aufhören, bloß eine Plattform für Großmobilisierungen und den Wahlkampf zu sein und beginnen, aktiv auch an den Unis selber zu kämpfen. Und so braucht es auch ähnliche Strukturen an den Schulen und in den Betrieben. Es muss klar sein, dass der Kampf in erster Linie dort beginnt, wo uns das System zwingt, uns täglich aufzuhalten, wo unser Platz in diesem System ist. Denn dort befindet sich auch unser Hebel, dieses System herauszufordern!

    Während es sehr lobenswert ist, dass die Linke die Streiks der Beschäftigten unterstützt, darf es nicht bloß bei rein symbolischer Solidarität bleiben. Die Linke muss ganz aktiv den ökonomischen Kampf der Arbeiter:innen verbinden mit politischen Forderungen, ihn zu einem politischen Kampf gegen die Kürzungen machen, muss dabei aufzeigen, dass nicht Migrant:innen für das Elend der deutschen Arbeiter:innen verantwortlich sind, sondern die deutsche Bourgeoisie und dass deutsche Arbeiter:innen Verbesserungen nur gemeinsam mit ihren migrantischen Kolleg:innen erkämpfen können! Und sie muss sich selber dafür einsetzen, ein Gegengewicht in den Gewerkschaften zu etablieren zur falschen Politik der Sozialpartner:innenschaft, die von der SPD-nahen Gewerkschaftsführung betrieben wird und immer wieder zum Verrat an den Beschäftigten und ihrem Kampf führt. Die Linke muss sich im Zuge ihrer Streiksolidarität aktiv gegen diesen Verrat stellen, und für eine Kontrolle der Tarifverhandlungen durch die Streikenden selber eintreten!

    Ebenfalls muss sie aktiv die Kämpfe der Streikenden für mehr Lohn, gegen Entlassungen und für bessere Arbeitsbedingungen verbinden mit dem Kampf gegen Kürzungen, gegen den Rechtsruck, gegen Rassismus und den Kolleg:innen aufzeigen, warum diese miteinander verbunden sind. Letztendlich ist es die Aufgabe der Linken, dafür einzutreten, dass die Arbeiter:innen die verknöcherten Gewerkschaften umbauen zu ihren demokratisch kontrollierten Kampforganen gegen die Bourgeoisie. Und im Zuge davon den politischen Streik, im Betrieb sowie in Schule und Universität, als Kampfmittel Nummer 1 auf die Tagesordnung zu setzen!

    Umverteilung reicht nicht – Das System ist das Problem!

    Große Teile der Partei „die Linke“ haben erkannt, dass der Rechtsruck nur dann gestoppt werden kann, wenn es stattdessen eine linke Antwort auf die Krise gibt. Da stimmen wir zu und halten die Haltung der Linkspartei für richtig, dass die Wohnungsfrage zur Zeit eines der größten materiellen Probleme unserer Klasse darstellt. Allerdings reicht ein bundesweiter Mietendeckel genauso wenig, wie es der Berliner Mietendeckel getan hat! Stattdessen müssen Vonovia und Co. enteignet werden, und zwar im ganzen Land! Die Wohnungen müssen unter Kontrolle der Mieter:innen und Arbeiter:innen verstaatlicht werden! Das ist eine Forderung, wie sie eine starke proletarische Antwort bräuchte. Die Linkspartei schafft es aber nicht, eine kämpfende Bewegung von Arbeiter:innen und Unterdrückten aufzubauen, um schlagkräftig gegen Kürzungen und den immer stärker werdenden Rassismus anzukämpfen, somit fehlt eine linke kämpfende Massenbewegung und eine Führung innerhalb der Arbeiter:innenklasse.

    Letztendlich setzt sie auf eine einfache Lösung: sozialstaatliche Umverteilung – und verkennt damit den eigentlichen Charakter der Krise. Diese liegt tief im kapitalistischen System selber, und fußt auf einer Überakkumulationskrise und dadurch verursachter sinkender Profitrate für die Kapitalist:innen. Einfach gesagt: das Kapital, das die Kapitalist:innen investieren, rentiert sich immer weniger. Entsprechend greift die Bourgeoisie nicht aufgrund einer besonders gierigen, einer besonders falschen, neoliberalen Doktrin die Arbeiter:innen an, sondern weil sie das tatsächlich aus ihrem Standpunkt heraus muss, um weiter profitabel zu sein. Gleichzeitig hat die Kapitalist:innen-Klasse de facto wenig Möglichkeiten für Zugeständnisse, weshalb auch eine linkskeynesianische (Kapitalismus mit großer staatlicher Intervention in den Markt) Politik massiver Sozialreformen, wie sie „die Linke“ fordert, zum Scheitern verurteilt ist. Denn wir haben immer wieder in der Geschichte gesehen, dass in Krisen und Kriegen, diese als erstes wieder zurückgenommen werden. So ist es auch heute nicht verwunderlich, aber bestürzend, dass die kommende Koalition den 8-Stunden-Tag aushöhlen will.

    Auch wenn die Reformforderungen der Linken grundsätzlich einen guten Charakter haben und Folge richtiger Erkenntnisse sind, bekämpfen sie nur die Symptome des Problems, nicht aber seine Wurzel und sind somit zum Scheitern verurteilt. Die einzige Möglichkeit, wie man gravierende Verbesserungen für das Proletariat, für die Jugend, für alle Ausgebeuteten und Unterdrückten erkämpfen kann, ist, indem man das System selber in Frage stellt! Indem man dafür kämpft, dass die Produktion nicht mehr bestimmt wird durch die Interessen von Kapitalist:innen, sondern durch die Arbeiter:innen selber! Nur wenn wir eine solche Perspektive aufzeigen, die die Massen dazu bewegt, das Problem an der Wurzel zu packen und auszureißen, können wir eine linke Gegenoffensive starten, die den Rechtsruck zu einem hässlichen blau-brauen Vogelschiss der Geschichte macht!

    Auf diesen Staat ist kein Verlass!

    Doch während wir den Rechtsruck politisch bekämpfen müssen, in dem wir seine Ursachen bekämpfen, stellt sich auch die Frage, wie wir uns gegen rechte Gewalt schützen können. So wurde unser Genosse Leon von Faschisten angegriffen, als Reaktion darauf, dass er linke Organisation in seiner Schule aufbaut. Und auch Mitglieder der Partei „die Linke“ wurden immer wieder Opfer rechter Gewalt. Doch während Linke, wie Lina E. oder die Beschuldigten im Budapest Verfahren, mit hohen Haftstrafen rechnen müssen, kommen Faschist:innen meist im schlimmsten Fall mit einer Bewährungsstrafe davon. Das hat Gründe, die deutlich tiefer gehen als bloß, dass viele Polizist:innen selber ein extrem reaktionäres Weltbild teilen. Die Aufgabe des bürgerlichen Staates ist nämlich nicht der Schutz der „Demokratie“ oder gar der Bevölkerung, sondern der kapitalistischen Ordnung. Und für diese stellen Rechte keine Bedrohung dar. Im Gegenteil! Wenn die herrschende Ordnung in ernsthafter Gefahr ist, können sie als bewaffnete Terrorbande sehr nützlich sein. So die Freikorps, die mit aktiver Unterstützung des deutschen Staates Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten, und in den folgenden Jahren tausende Arbeiter:innen und Linke massakrierten. Oder auch die SA-Schlägerbanden, gegen die der Weimarer Staat nichts ernsthaft unternahm und die nach Hitlers Machtergreifung teils in den Staatsapparat integriert wurden. Die aktuelle Welle rechter Gewalt mag noch weit von Freikorps oder SA entfernt sein, allerdings zeigt sie uns bereits jetzt eines: Auf den Staat ist überhaupt kein Verlass.

    Doch wenn der Staat uns nicht schützt, müssen wir uns selber schützen! Wir müssen selber Strukturen schaffen, um uns, unsere Genoss:innen sowie andere Opfer rechter Gewalt wie Migrant:innen, Queers oder Juden:Jüdinnen und Muslim:innen, vor dem Terror zu schützen. Es ist nötig, dass wir in unseren Kiezen, Städten und Dörfern sowie in den Betrieben, Schulen und Universitäten Strukturen schaffen, die in der Lage sind, sich den faschistischen Banden entgegenzustellen! Dafür muss die Partei „die Linke“, die selber mit am meisten von rechter Gewalt betroffen ist, aktiv ihre Mitgliederbasis mobilisieren und sich dafür in Gewerkschaften, Mieter:innenorganisationen etc. einsetzen! Auch muss das verbunden werden mit der Schaffung sozialer Angebote vor allem für Jugendliche, um zu verhindern, dass sich Nazibanden wie 3.Weg oder „Deutsche Jugend Voran“ Elend und Perspektivlosigkeit zu Nutze machen können! Die Aufgabe der Linkspartei sollte es jetzt sein, ihre zahlreichen (neuen) Mitglieder auf einer Aktionskonferenz gegen den Rechtsruck mit den oben beschriebenen Strukturen in Unis, Schulen und Betrieben und anderen Aktivist:innen zusammenzubringen, um gemeinsam über Forderungen und ein Aktionsprogramm gegen Rechtsruck & Krise zu diskutieren!




    Kein Vergeben Kein Vergessen! Gerechtigkeit für Lorenz!

    Von Yorick F., April 2025

    Lorenz A. wurde nur 21 Jahre alt. Am Wochenende wurde er von Bullen durch 4 Schüsse, einen davon in seinen Kopf, ermordet. Unsere Trauer und unser Mitgefühl gilt seinen Angehörigen und Freund:Innen. Nicht einmal ein halbes Jahr nach dem Freispruch der Mörder Mouhamed Dramés hat die Polizei schon wieder einen schwarzen Jugendlichen ermordet.

    Was ist passiert?

    Der Mord ereignete sich in der Nacht auf Ostersonntag gegen 02:40 Uhr. Lorenz soll in einen Streit vor einem Club verwickelt gewesen sein. Die Hetzer der Springerpresse machen daraus einen „Reizgasangriff“, da er ein Tierabwehrspray bei sich getragen haben soll, und diffamieren ihn als „Disco-Angreifer“. Dazu greifen sie die Behauptungen der Polizei auf, dass er ein Messer bei sich hatte, was jedoch durch diverse Zeugenaussagen stark zu bezweifeln ist. Nachdem er von der Disco flüchtete traf er laut Polizeiaussage auf eine Streife vor der er ebenfalls davon rannte, bevor er auf eine zweite Streife traf. Diese soll er mit Reizgas angegriffen haben woraufhin die Polizei in erschossen habe. Der Obduktionsbericht beweist etwas anderes: Lorenz wurde von hinten durch 4 Schüsse ermordet, zwei davon trafen seinen Körper, einer seinen Kopf. Zeug:Innen berichten, dass dem keine Warnung vorausgegangen sei. All das steht im Widerspruch zur Aussage der Bullen, welche mit ihren Lügen wahrscheinlich versuchen wollten, ihre Tat zu vertuschen.

    Die Polizei schützt uns nicht!

    Gegen den 27-Jährigen Bullen der auf Lorenz geschossen hat, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet. Das ist das übliche Vorgehen bei Polizeieinsätzen mit „tödlichem Ausgang“ und wird daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu nichts führen. Das haben zahllose Verfahren derselben Art gegen die Mörder:Innen von Oury Jalloh bis Mouhamed Dramé, gezeigt. Das Verfahren wird aus „Neutralitätsgründen“ nicht von der Polizei Oldenburg, sondern von der Polizei Delmenhorst geführt. Nicht nur, dass die Polizei als bewaffneter Trupp zum Schutz des bürgerlichen Staates niemals „neutral“ sein kann, wenn es um rassistische Polizeigewalt geht, so ist die Übernahme durch die Polizei Delmenhorst eine zusätzliche Schweinerei!

    Am 06.03.2021 ermordete eben diese Polizei Delmenhorst nämlich Qosay Sadam Khalaf, einen 19-Jährigen yezidischen Jugendlichen. Nachdem sie ihn beim kiffen erwischt hatten, wurde er über längere Zeit unter Einsatz von Pfefferspray und Knien auf seinem Rücken fixiert, in Folge dessen starb er in einem Krankenhaus in Oldenburg. Dort wurde u.a. ein chemischer Superabsorber in seinem Magen gefunden, ein Stoff, welcher Wasser absorbiert. Qosay fragte laut Zeugenaussagen mehrfach nach Wasser, was ihm die Bullen jedoch verwehrt haben. Ein Verfahren gegen die eingesetzten Bullen gab es erst nach Klage der Familie und auch dieses ist mittlerweile, nach ebenso „unabhängigen“ Ermittlungen der Polizei Oldenburg, von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

    Unter diesen Umständen von „Neutralität“ zu sprechen, ist mehr als widerlich!

    Alles keine Einzelfälle!

    Der Mord an Lorenz reiht sich neben dem an Qosay in eine Reihe aus rassistischen Morden in Niedersachsen ein. Vor fast genau einem Jahr wurde Lamin Touray im etwa anderthalb Stunden Autofahrt entfernten Nienburg mit 8 Schüssen ermordet. Seine Freundin hatte aus Sorge um Lamin die Polizei gerufen, da sich dieser aufgrund einer drohenden Abschiebung in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Diese brach daraufhin die Tür auf, hetzte einen Polizeihund auf Lamin und erschoss ihn schließlich mit 8 Schüssen. Kurz darauf war zu lesen, dass ein Polizist bei dem Einsatz verletzt worden sei. Jedoch wird nicht erwähnt, dass dies nicht durch Lamin sondern durch einen der 8 abgegebenen Schüssen passierte! Zeug:Innen des Einsatzes bezeichnen den Mord an Lamin als Hinrichtung.

    Die Morde an unseren Geschwistern häufen sich. Das ist Ausdruck einer BRD, welche als Resultat von Rechtsruck und Krise immer autoritärer wird. Das reiht sich ein in Abschiebungsoffensiven, Abschottungspläne und innere Aufrüstung sowie die tagtägliche Unterdrückung und verstärkte Ausbeutung, welche rassistisch unterdrückte Menschen erleben müssen. Lorenz, Lamin und Quray zu gedenken, muss heißen, gegen genau diese Zustände zu kämpfen!

    Besonders deutlich machen das auch nochmal die Aussagen von Patrick Seegers, dem Vorsitzenden der Deutschen Polizei“gewerkschaft“ Niedersachsens. Dieser forderte als Reaktion auf den Mord an einem 21-Jährigen durch seine Kolleg:Innen, die niedersächsische Polizei mit Tasern aufzurüsten, da diese angeblich tödlichen Schusswaffengebrauch verhindern würden. Wie widerlich das ist, zeigt nicht zuletzt, dass auch beim rassistischen Mord an Mouhamed Dramé Taser zum Einsatz kamen, kurz bevor er mit 6 Schüssen aus einer Maschinenpistole ermordet wurde!

    Im Kampf gegen ihre Gewalt müssen wir aufzeigen, dass diese Morde und rassistische Polizeigewalt im Allgemeinen keine „Ausrutscher“ einzelner, sondern das Ergebnis dieser rassistischen staatlichen Ordnung sind. Die Aufgabe der Polizei kann es gar nicht sein, irgendwen vor rassistischer Gewalt zu schützen, da dieser Staat und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse, auf die er sich stützt, von Rassismus direkt profitieren, durch Überausbeutung und Spaltung von uns Arbeiter:innen und Jugendlichen. Rassistische Gewalt zählt zu ihren zentralen Aufgabenbereichen: ob als Schlägertrupp gegen Palästina-Demos, rassistisch motivierte Kontrollen oder die Durchführung meist brutaler und immer gewaltvoller Abschiebungen.

    Wie müssen wir kämpfen?

    Als Revolutionär:innen treten wir dafür ein, dass wir eigenen militanten Selbstschutz organisieren. Wir müssen uns selbst gegen Rassist:innen, Sexist:innen und auch Polizist:innen verteidigen können. Letztlich fordern wir, den autoritären Polizeiapparat zu zerschlagen und durch Arbeiter:innenmilizen zu ersetzen, die aufgrund ihrer lokalen Verankerung in Räten demokratisch legitimiert und rechenschaftspflichtig sind.

    Aber diese Perspektive bleibt radikale Träumerei, wenn wir nicht im Hier und Jetzt anfangen uns an den Orten zu organisieren, wo uns Rassismus, Sexismus und Polizeiwillkür tagtäglich betrifft. Es braucht Verankerungen an Schulen, Unis, Betrieben, Geflüchtetenunterkünften und lokale Strukturen, die diese miteinander in den Vierteln verbinden.

    Lasst uns diesen Kampf gemeinsam angehen. Von Trauer zu Wut zu Widerstand!

    Wir fordern:

    • Polizei aus dem DGB schmeißen! Bullen gehören nicht zur Arbeiter:innenklasse, sondern sind die Schlägertruppe des Kapitals!

    • Kein Massenüberwachung z.B. durch, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung usw.!

    • Kein Racial Profiling und ein hartes Aburteilen von Bullen, die Racial Profiling anwenden!

    • Polizist:innen, die gewalttätig werden, sollen vor Volksgerichte gestellt und diese bei Bedarf abgeurteilt werden! Dafür müssen sie durch ein individuelles Erkennungszeichen identifizierbar sein!

    • Keine Militarisierung der Polizei. Sofortige Entwaffnung der Polizei, vor allem was Taser, Maschinenpistolen, Knarren und Handgranaten angeht!

    • Für demokratisch legitimierte und kontrollierte Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter:innen, Jugendlichen und allen Unterdrückten des Kapitalismus!




    Proteste in der Türkei – Auf zum Sturz Erdogans!

    Bildcredits: Byu/Responsible-Cover207-https://www.reddit.com/r/Turkey/comments/1jhjan9/sara%C3%A7haneden_%C3%A7ekti%C4%9Fim_baz%C4%B1_kareler/,CCBY-SA4.0,https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16

    Von Jona Everdeen, April 2025

    Die Proteste in der Türkei halten trotz Repressionen an! Sie laufen, seitdem der Istanbuler Bürgermeister und aussichtsreichster Widersacher Erdogans, Ekrem Imamoglu von der CHP am 19.März wegen fingierten Vorwürfen inhaftiert wurde, um zu verhindern, dass er in einer eventuell vorgezogenen Wahl gegen Erdogan antreten kann. Die Massenproteste zeigten sich von Anfang an sehr kämpferisch und ignorierten Erdogans viertägiges Versammlungsverbot für Istanbul. Dabei spielten auch viele Kräfte eine Rolle, die über die fadenscheinige Opposition der CHP hinausgehen. Während die CHP zuvor viele von Erdogans diktatorischen Schweinereien, wie die Angriffe gegen die pro-kurdische HDP, mitgetragen hatte, fordern diese Kräfte Erdogans Sturz als Beginn eines grundlegenden Wandelns. Insbesondere Studierende stellen sich, wie in so vielen Bewegungen, an die Spitze der Proteste, und Erdogans Kompromisslosigkeit und der Druck der Massen zwingt auch die CHP zu immer radikaleren Tönen. So verkündete Parteivorsitzender Özgür Özel kürzlich, man werde „bis zum Ende gegen die Regierung kämpfen“. Doch was für ein Ende? Und was braucht es wirklich, um Erdogan zu stürzen?

    Erdogans langsamer Griff zu Diktatur

    Die „Demokratie“ in der Türkei war schon lange eher eine Farce als irgendetwas anderes. Allerdings offenbarte die Festnahme Imamoglus endgültig den wahren Charakter des bonapartistischen Regimes, in dem Wahlen nur den Zweck verfolgen, Erdogans Macht zu legitimieren. So wurden Repressionen wie die gegen Imamoglu und mehrere Bezirksbürgermeister in Istanbul bereits in der Vergangenheit exzessiv gegen linke und kurdische Kräfte, vor allem der DEM-Partei (Nachfolgerin der HDP) eingesetzt. Die willkürliche Absetzung gewählter Bürgermeister:innen und Inhaftierung führender Politiker:innen auf Basis fingierter Vorwürfe kennt man hier bereits zur Genüge. Dass diese Taktiken, bisher reserviert für die linken und kurdischen „Terrorunterstützer“, nun gegen die Parteispitze der Hauptpartei der bürgerlichen Opposition, nicht gegen den Bürgermeister einer kurdischen Stadt wie Van oder Urfa sondern der 15 Millionen Metropole Istanbul, angewendet wird, zeigt dennoch eine neue Qualität. Es zeigt, dass Erdogan inzwischen, angesichts der Beliebtheit Imamoglus und der Tatsache, dass er gemäß der gültigen Verfassung ab 2028 nicht mehr als Präsident antreten darf, bereit, ist zur Zementierung seiner Macht jegliche demokratischen Reste achtlos über Bord zu werfen und aus einer autoritären Scheindemokratie eine offene Diktatur zu machen. Ein so offener Angriff auf die „Demokratie“ könnte ihm jedoch zum Verhängnis werden, da sie der bisher sehr zahmen bürgerliche Opposition nun vor Augen führen könnte, dass diese, um ihre eigene Existenz zu sichern, zwingend einen energischen Kampf gegen Erdogans Regime führen muss.

    Ebenfalls eine Rolle spielt, sowohl bei Erdogans autokratischer Politik als auch der Stärke der Proteste, die seit Jahren schwelende Krise des türkischen Kapitalismus. Dieser sieht sich trotz regelmäßig offen artikulierten Großmachtsambitionen nicht im Stande, seine Wirtschaft unter Kontrolle zu bringen. Die Inflation bleibt hoch und Arbeiter:innen und Jugendliche sind die Leidtragenden, die immer weniger eine Perspektive sehen, wie es besser werden könnte.

    Repression und Widerstand

    Noch stärker als die CHP selber, die auch nach Ekrem Imamoglus Verhaftung relativ zögerlich begann, offen zu Protesten aufzurufen, mobilisierte an den direkt folgenden Tagen die oppositionelle Basis Massenproteste. Besonders in den ersten Tagen kam es dabei zu massiver Konfrontation mit der Polizei, die in Istanbul, Ankara und Izmir, den drei größten Städten des Landes, zwischenzeitlich ein Demonstrationsverbot durchzusetzen versuchte. Ohne Erfolg, da die Wut der Massen enorm war, und es schnell gängige Praxis wurde, sich durch Polizeiketten durchzukämpfen und auf Wasserwerfer mit Steinen zu antworten. An der Spitze dieser Bewegung stellten sich Studierende der großen Universitäten, die den Kampf auch an ihre Unis trugen, dort selbstorganisierte Veranstaltungen durchführten und über Perspektiven diskutierten, wie es nun weiter gehen muss. Dort war von Anfang klar, dass eine demokratische Zukunft nur ohne Erdogan möglich ist.

    Doch die Repression dessen Regimes war enorm, nicht nur durch massive physische Gewalt, in Form von Tränengas und Gummigeschossen, sondern auch von tausenden vorübergehenden Festnahmen und vielen Hundert Anklagen inklusive Haftbefehl gegen Teilnehmer:innen der Proteste. Mehrere Dutzend Menschen wurden festgenommen aufgrund von Social Media Posts. Massenverhaftungen sind schon lange ein Mittel Erdogans, seine Gegner:innen einzuschüchtern und wegzuschaffen. So sind die Knäste der Türkei voll mit politischen Gefangenen, in erster Linie Linke und Kurd:innen.

    Allerdings konnte diese Repression die Bewegung nicht brechen, noch immer fluten regelmäßig Tausende die Straßen, vor allem in den Großstädten aber auch an vielen anderen Orten. Auch musste das Repressionsregime kürzlich mehr als 100 gefangene Studierende gegen Kaution und teilweise Auflagen wieder freilassen, da ein Gericht anordnete, dass eine Inhaftierung nicht verhältnismäßig sei.

    Wir haben es mit einer Bewegung zu tun, die viel Mut zeigt gegen ein unterdrückerisches System, doch wie kann sie gegen den Tyrannen Erdogan siegen?

    Was braucht es für den Sieg? Und wie kann eine befreite Türkei aussehen?

    Wieder einmal sind es die Studierenden, die bereits das aufzeigen, was es braucht, um die Regierung Erdogan in die Schranken weisen zu können, den Bonaparten zum Rücktritt zu zwingen: Einen Generalstreik. Diese Perspektive ist durchaus realistisch, so sind neben den Studierenden die allermeisten Teilnehmer:innen der Proteste Arbeiter:innen und auch die Gewerkschaften, die traditionell stark von der CHP beeinflusst werden, spielen eine wichtige Rolle. Allerdings ist der Organisationsgrad in der Türkei sehr schwach, weshalb es nötig ist, durch an der Basis, in den Betrieben, den Universitäten und den Schulen gebildete Komitees diesen Generalstreik zu tragen. Eine Perspektive, die wir ganz generell aufwerfen müssen! Denn auch wenn es momentan richtig ist, Druck auf die CHP auszuüben, sich dem Kampf entschlossen anzuschließen, muss uns doch klar sein, dass diese Partei keine Lösung anzubieten hat. Auch wenn die CHP immer wieder mit sozialdemokratischer Politik kokettiert, ist sie politisch eine bürgerliche Partei, die die Interessen des liberalen Flügels der türkischen Bourgeoisie vertritt. Und auch die DEM-Partei bietet trotz wesentlich linkerem Programm und widerständigerer Politik keine Lösung. Sie ist eine kleinbürgerlich, vor allem vom kurdischen Kleinbürger:innentum dominierte Partei, die zwar als einzige Partei die kurdische Selbstbestimmung fordert und in diesem Sinne eine progressive Rolle spielt, aber dabei keine sinnvolle Strategie besitzt, wie dieser Kampf gewonnen werden kann.

    Also braucht es einen unbefristeten und landesweiten Generalstreik, wozu CHP und DEM aufgefordert werden sollten, diesen mit aller Kraft zu unterstützen. Gleichzeitig sollte aber klar gemacht werden, dass keine der Parteien eine Lösung anzubieten hat und ihre Herrschaft lediglich eine demokratischere und humanere Herrschaft der Bourgeoisie wäre. Doch was schlagen wir den Massen der türkischen Arbeiter:innen und Jugendlichen stattdessen vor, was es braucht um Erdogan endlich loszuwerden und gleichzeitig die Wirtschaftskrise zu überwinden, die bereits seit Jahren dazu führt, dass in der Türkei die Massenverarmung immer größere Teile der Gesellschaft erfasst? Was sind Forderungen, die ein Generalstreik in ähnlicher Form stellen muss?

    -Für einen sofortigen Rücktritt und dauerhaften Amtsverzicht Erdogans und Neuwahlen, überwacht von Arbeiter:innen und Studierenden, um Wahlfälschung zu verhindern!

    -Für die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen, sowohl der jüngsten Proteste als auch generell!

    -Für eine verfassungsgebende Versammlung, in der Erdogans Autokratisierung rückgängig gemacht wird, und eine neue demokratische Verfassung beschlossen wird, die die Interessen der Massen abbildet. Geschehen muss dies unter Kontrolle der Arbeiter:innenbewegung!

    -Für das Selbstbestimmungsrecht der Kurd:innen! Für volle gleichberechtigte Beteiligung an der Bewegung, auch gegen türkisch-chauvinistische Ressentiments innerhalb dieser, und im Prozess der Neugestaltung des Landes! Dabei haben Kurd:innen auch das Recht auf eine Loslösung ihres Heimatlandes von der Türkei!

    -Für die Verstaatlichung aller Schlüsselindustrien unter Kontrolle der Arbeiter:innen, um die Krise des türkischen Kapitalismus zu lösen und die Wirtschaft einem demokratischen Plan zu unterwerfen, der die Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt!