Gegen Pistorius’ „freiwillige“ Wehrpflicht: Die Herrschenden wollen Krieg, wir wollen eine Zukunft!

von Pippine Garterbelt, Juni 2024

Boris Pistorius (Bundesminister der Verteidigung, SPD) warnt vor einem nahenden russischen Angriff auf die NATO und stellte daher am Mittwoch, dem 12.06.2024, seine Pläne für ein neues Wehrdienstmodell vor. Diese Pläne sehen vor, dass in Zukunft alle Jugendlichen nach ihrem 18. Geburtstag einen Online-Musterungsbogen von der Bundeswehr zugesendet bekommen. Männer zwischen 18 und 25 Jahren sind dann nach diesem Gesetz verpflichtet, diesen Bogen auszufüllen und zurückzusenden. Wenn man dann im Zuge dessen genügend Motivation und Kriegstauglichkeit zeigt, wird man verpflichtend zur Musterung eingeladen, also einer Untersuchung zur Eignung zum Wehrdienst. Dass man dann schlussendlich zum Dienst an der Waffe verpflichtet wird, lehnt Pistorius noch ab. Frauen wird dieser Bogen auch zugesendet. Sie sollen jedoch nicht verpflichtet sein, diesen Musterungsbogen auszufüllen und wieder zurückzusenden. Das alles entspricht einer ersten Stufe wieder zurück zur Wehrpflicht, das heißt: der massenhaften Mobilmachung von Arbeiter:innen und Jugendlichen, um als Soldat:innen für die Interessen der Herrschenden zu morden – und zu sterben.

Also jetzt doch?

Denn am Ende des Tages sind es wir, die Jugend, die ihr Leben gefährden und für die Herrschenden in den Krieg ziehen und mörderische Konflikte in ihren Namen bestreiten müssen. Mit dem neuen Wehrdienstmodell möchte die SPD jährlich 40.000 bis 50.000 neue Soldaten rekrutieren. Dies sei notwendig, um einen Krieg gegen Russland zu bestehen, sagt Pistorius. Er vermutet einen Angriff Russlands bereits im Jahr 2029. Bis dahin möchte er die Zahl der Reservist:innen auf 460.000 erhöhen – also mehr als verdoppeln. Betont wird, dass das Modell keine neue Wehrpflicht sein soll, sondern auf Freiwilligkeit basieren soll. Netterweise wirst du in dem Musterungsbogen, zu dessen Ausfüllen du gezwungen wirst, nämlich auch gefragt, ob du überhaupt Interesse an der Bundeswehr hast. Bekommst du eine Einladung zur Musterung, ist die zwar deine Pflicht, aber hey, wenigstens wirst du mit einem Kreuzchen mal nach deiner Meinung gefragt. Parteien wie die CDU/CSU, SPD und AfD positionieren sich klar für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. So schreibt die CDU/CSU in ihrem neuesten Grundsatzprogramm: „Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen […] Das Bekenntnis zur Wehrpflicht ist ein wichtiges Bekenntnis zur Stärkung der Bundeswehr.“ Die Pläne der SPD sind als vorbereitende Maßnahmen für eine langsame Wiedereinführung der Wehrpflicht einzuordnen. SPD, FDP und Grüne betonen die Wichtigkeit der Freiwilligkeit beim Wehrdienst und schaffen Anreize, sich noch länger als die vorgesehenen 6 Monate zu verpflichten. Um sich die Bereitwilligkeit der Jugend zu erkaufen, packt die SPD die Kostenübernahme für einen (mittlerweile extrem teuren) Führerschein oder eine berufliche Ausbildung obendrauf. Besonders gefährdet sind Schulabgänger:innen und Jugendliche aus sozialschwachen Hintergründen, aus ihrer finanziellen Not heraus in den Wehrdienst gelockt zu werden. Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages (SPD) Eva Högl begrüßt die Pläne ihres Parteikollegen und setzt, ebenso wie CDU-Politiker Johann Wadephul, noch einen obendrauf: Unter dem Deckmantel der Gendergerechtigkeit fordern sie die Pflicht für Männer und Frauen. So sagt die SPD-Politikerin dazu: „Es ist nicht mehr zeitgemäß, nur junge Männer anzusprechen. In die Bundeswehr gehören alle Geschlechter, auch Frauen wollen ihren Beitrag leisten.“ – Um auch Frauen verpflichten zu können, müsste eine Änderung im Grundgesetz vorgenommen werden, die dies legitimiert. Währenddessen hetzt die BILD-Zeitung munter gegen die Jugend: „Pistorius plant neuen Wehrdienst: Ist unsere Jugend zu weich für die Bundeswehr?“ und schreibt weiter: Die heutigen Jugendlichen „können doch nur Hafermilch trinken, TikTok-Videos glotzen und gendern.“ Pseudowissenschaftlich versucht der Artikel, die Verweichlichung der Jugend zu beweisen. Im Interview mit der BILD soll die Zuständige für die Werbung der Bundeswehr Sabine Castenow dazu gesagt haben: „Klar ist, dass die Generation Z völlig anders tickt als ihre Vorgängergenerationen. Sie ist einerseits sehr behütet aufgewachsen und die Eltern sind enge und wichtige Berater ihrer Kinder.“ Das klingt rhetorisch sehr nach der autoritären und völkischen Erziehungspädagogik, in der Kinder von Anfang an gefühlskalt und streng für Gefolgsamkeit in Krieg und harter Arbeit erzogen werden sollen. Während die jahrelange Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht aus dem Bundestag nun bittere Realität zu werden scheint, trifft dies in der Jugend auf wenig Zustimmung. Laut Umfragen sind nur 16% der Jugendlichen für die Wehrpflicht. Das ist kaum verwunderlich. Denn es sind am Ende nicht die Politiker:innen im Bundestag, die an der Front für die Verteidigung des Kapitals sterben sollen, obwohl sie behaupten, wir alle müssten uns für unsere Demokratie in den Schützengraben werfen. Stattdessen sind es wir Arbeiter:innen und Jugendlichen, die morden sollen, während die Reichen durch die Kriege noch reicher werden und der bürgerliche Staat seine geostrategischen Interessen verfolgen kann.

Denn tatsächlich: Mit der dringenden Stärkung des deutschen Militärs streben die Regierungsparteien an, sich auf verstärkte weltweite Konfrontationen unter den imperialistischen Blöcken vorzubereiten, was gemeinhin als „Zeitenwende“ bezeichnet wird. Die Abschaffung des Wehrdienstes 2011 wurde zwar durch gesellschaftlichen Protest begleitet, aber in erster Linie war sie eine Sparmaßnahme während der Wirtschaftskrise und eine politische Entscheidung zur Neuausrichtung der Bundeswehr, indem ein Fokus auf eine deutlich kleinere, aber gut ausgebildete Berufsarmee gesetzt wurde. Das war damals auch gut für die Weltlage zugeschnitten, denn die Kriegseinsätze der Bundeswehr in Halbkolonien wie Afghanistan, Kosovo oder im Libanon waren keineswegs Materialschlachten ebenbürtiger Kriegsparteien wie in den Weltkriegen, sondern glichen einem unterdrückerischen Polizeieinsatz im Ausland. Daher brauchte man eher wenige Soldat:innen, die dafür in der Lage waren, die hochtechnologischen Kriegsgeräte zu bedienen oder einzelne Ziele anzugreifen. Auf der anderen Seite ist der russische Angriff auf die durch die NATO aufgerüstete Ukraine seit vielen Jahrzehnten der erste Krieg, der ganz anders abläuft: Hunderte Kilometer lange Feindeslinien mit schweren Verteidigungsanlagen, ständigem Artilleriebeschuss und zehntausenden Toten auf beiden Seiten. Hier wird der Krieg dadurch entschieden, wer sowohl die größere (Kriegs-)Industrie als auch wehrfähige Bevölkerung hat, um länger eine Massenarmee mit Hunderttausenden Soldat:innen zu unterhalten. Und da sich im Zuge von politischen und wirtschaftlichen Krisen der Konflikt zwischen den imperialistischen Blöcken eher noch verschärfen dürfte, will die Bundesregierung für genau so einen Krieg die Bundeswehr zu einer Massenarmee umstellen, um so die Arbeiter:innen und Jugendlichen für ihre Interessen in Stellung zu bringen. Aber nicht, wenn wir das verhindern können!

Für eine internationale Jugendbewegung gegen Krieg und Krise!

Die Reaktion des westlichen Imperialismus, auf immer stärkere Aufrüstung und Wehrdienst-Rekrutierung zu pochen, ist also nur logisch. Logisch für uns muss daher sein, dass die Interessen der Herrschenden nicht unsere sind! Wir können uns nicht auf den Staat verlassen, wenn es um die Sicherung unserer Zukunft geht. Wir müssen also eine unabhängige, internationale Bewegung der Jugend und Arbeiter:innen gegen Krieg und Aufrüstung aufbauen. Gewerkschaften und traditionelle Arbeiter:innenorganisationen sollten dabei unsere Bündnispartner sein. Nur durch Aktionen des Klassenkampfes in internationaler Absprache können wir die Spirale der Aufrüstung und der aggressiven „Verteidigung“ durchbrechen und das kapitalistische System angreifen, das Kriege und Krisen verursacht. Jugendliche müssen sich gegen Aufrüstung und für soziale Verbesserungen organisieren, sowohl lokal als auch international.

Dabei setzen wir uns für folgende Forderungen ein:

  • Nein zur Wehrpflicht und dem neuen Wehrdienstmodell der SPD unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit! Wir wollen kein Kanonenfutter sein!
  • 100 Milliarden für Soziales, Bildung und die Jugend und nicht für die Bundeswehr! Gegen jede Aufrüstung aller imperialistischen Nationen, ob Russland oder Deutschland!
  • Bundeswehr raus aus den Schulen! Kein Werben für’s Sterben!
  • Für den Aufbau einer Schüler:innengewerkschaft, die unsere Interessen gemeinsam mit der Arbeiter:innenklasse vertritt und durchsetzt!
  • Für eine Antikriegsbewegung international! Nur die Arbeiter:innen können den Konflikt lösen.
  • Für eine revolutionäre Jugendinternationale! Die Jugend braucht eine unabhängige und internationale Vertretung.



UEFA-EM 2024: Fußtritte gegen demokratische Rechte

von Bruno Tesch, ursprünglich erschienen in der Neuen Internationale 283 der Gruppe Arbeiter:innenmacht, Juni 2024

Am 14. Juni beginnt die Fußballeuropameisterschaft (EM 2024) der Männermannschaften und endet einen Monat später. Sie wird dieses Mal In Deutschland an 10 Spielstätten ausgetragen. Das rein sportliche Spektakel wird jedoch von innen- und weltpolitischer Krisenhaftigkeit und Unsicherheit in Beschlag genommen. Regierungen nutzen solche Großveranstaltungen, die massenhafte Aufmerksamkeit auf sich ziehen, gerne, um sich gleichzeitig im Licht erfolgreicher Nationalteams zu sonnen und währenddessen bspw. unpopuläre Gesetze zu installieren. Diesmal wird die Öffentlichkeit jedoch bereits im Vorwege hellhörig durch Pläne der deutschen Bundesregierung, die EM als Vorwand für verschärfte politische Repression zu projektieren.

Ausbau des EU-Sicherheitsapparats

Die Vorbereitungen zur Großveranstaltung laufen auf Hochtouren und auch die Bundespolizei bereitet sich sehr gründlich darauf vor. „Die Sicherheit der Fußball-EM bei uns im Land hat höchste Priorität. Alle Sicherheitsbehörden bereiten sich hochprofessionell vor. An allen Spielorten und überall, wo sich viele Menschen bewegen, gilt: Die Polizei wird hohe Präsenz zeigen. Dafür bin ich den Landespolizeien und unserer Bundespolizei sehr dankbar“, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

„Dabei intensivieren wir die Maßnahmen auf allen Verkehrswegen für die Sicherheit der Fußballfans und Reisenden. In Zügen und Bahnhöfen wird die Bundespolizei die Präsenz erhöhen“. Alle Maßnahmen wären eng mit den Polizeien der Länder, Grenzpolizeien der deutschen Anrainerstaaten, Eisenbahnverkehrsunternehmen, Flughafenbetreiber:innen und relevanten Sicherheits- und Ordnungspartner:innen abgestimmt.

Die Bundespolizeidirektion Koblenz wird hier an insgesamt neun Grenzübertrittsorten zu Frankreich, Luxemburg und Belgien die Reisebewegungen überwachen. Von dort aus erfolgen gemeinsame Streifen mit der Bundespolizeiinspektion Saarbrücken und den Kolleginnen und Kollegen der französischen Police aux Frontières (Grenzpolizei) sowie des Service National de la Police Ferroviaire (französische Bahnpolizei). Außerdem gibt es für Schwerpunkteinsätze ein gemeinsames Kommissariat.

Mit Frankreich sind etwa gemeinsame Polizeieinheiten und Streifen im grenzüberschreitenden Bahnverkehr geplant. Die Ministerin hob hervor, dass auch bei der Abwehr hybrider Bedrohungen und beim Schutz vor Terrorismus eng mit Frankreich zusammengearbeitet wird.

Regierungsoffziell heißt es: Im Fokus stehen der Schutz vor Islamist:innen und anderen Extremist:innen, vor Hooligans und weiteren Gewalttäter:innen sowie die Sicherheit der Netze.

Diese Konzeption wird ergänzt durch eine stärkere Kooperation des Staatsapparats auch auf Länderebene. So hat etwa der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul für die Fußball-Europameisterschaft erhöhte Sicherheitsmaßnahmen angekündigt. Teil des Konzepts: Urlaubssperre für Polizist:innen und ein internationales Polizeizentrum in Neuss. Teil dieser Aufrüstungspläne ist auch ein besserer Datenaustausch zwischen Behörden. Die derzeitige Kommunikation sei unter anderem aus Datenschutzgründen eingeschränkt und wichtige Informationen dürften nicht weitergegeben werden. Um dem entgegenzuwirken, seien Reuls Ansicht nach verbesserte Instrumente wie die umstrittene Vorratsdatenspeicherung erforderlich. So wird die Fußball-EM zum „zivilen“ Test für weitere staatliche Überwachung.

Staatsräson im DGB: die Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Als spezielle Scharfmacher:innen für Hass und Hetze erweisen sich wieder einmal die Spitzen der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der Bezirksvorsitzende für Bundespolizei und Zoll, Andreas Roßkopf, meinte: Im Visier der Kontrollen stünden vor allem „die Fangruppierungen, gewaltbereite Hooligans, aber natürlich auch – islamistische Vereinigungen“.

„Und da brauchen wir – und haben auch – die Hinweise aus nationaler und internationaler Zusammenarbeit.“ Mit dieser besonderen Belastung zur EM habe man aber bereits gerechnet und sei vorbereitet.

Da muss dann sogar der Anschlag in einem „befreundeten“ Land auf eine Moskauer Konzerthalle Ende März 2024 herhalten, der mutmaßlich von ukrainischen Nationalist:innen verübt worden ist, ebenso wie ein Posting einer islamistischen Gruppierung in den sozialen Medien, das plakativ drei EM-Spielorte als Anschlagsziele nennt, um den aufgefahrenen Sicherheitsapparat zu verteidigen.

Ein Hintergedanke der sicherheitspolitischen Kooperation ist nicht zuletzt das imperialistische Interesse der Bundesrepublik, ihre Führungsposition in der Europäischen Union zu stärken und auch die noch nicht kriegstüchtige eigene Bevölkerung an die angebliche Notwendigkeit von polizeilicher Präsenz und finanziellen Opfern für Aufrüstung zu gewöhnen. Sie kann sich der stetigen Unterstützung durch staatslammfromme DGB-Gewerkschaften dabei sicher sein.

Die Positionierung der GdP verdeutlicht außerdem einmal mehr, dass die Polizeigewerkschaft im DGB nichts verloren hat. Gewerkschafter:innen, die gegen Spaltung und Repression am Arbeitsplatz, gegen Rassismus, Überwachungsstaat und Militarisierung kämpfen, brauchen keine Interessensvertretung des Staatsapparates in den eigenen Reihen, sondern müssen für den Ausschluss der GdP aus dem DGB eintreten.

Repression und Rassismus

Selbstverständlich ist diese Sicherheitslawine nicht erst in Erwartung einer solchen Veranstaltung überstürzt losgetreten worden. Dieses Paket reiht sich vielmehr als strategisches Kalkül der herrschenden Klasse ein, das eine rassistische Politik mit repressiven Maßnahmen gegen linkere Opposition verbindet. Die Asylgesetzgebung der bürgerlichen „Mitte“ passt nahtlos mit der Erstickung von Solidaritätsbekundungen für die palästinensische Bevölkerung zusammen, die in die Ecke „terroristischer Bedrohung“ gestellt werden. Die Verschärfung des Strafrechts beinhaltet auch eine Neudefinition von Gewalt, die Vollzugsmaßnahmen wie Abschiebung und Zwangsexmatrikulation unmittelbarer und auf höherer Eskalationsstufe spüren lässt.

Die EM nahm Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dankbar als Steilvorlage auf und forderte rasche Konsequenzen für Gewalttäter:innen. Er teilte der Zeitung „Bild am Sonntag“ mit, auch Hooligans und Krawalltourist:innen würden sich auf den Weg nach Deutschland machen. Wenn Straftaten begangen würden, sollte dort, wo es möglich sei, die Strafe auf dem Fuße folgen.

Kritik

Es erhebt sich aber auch Kritik im bürgerlich-liberalen Lager gegen den Sicherheitshype. So moniert bspw. der Deutsche Anwaltsverein drei problematische Überwachungstechnologien, die nun auf keinen Fall etabliert oder weiter ausgeweitet werden dürften. Dazu gehören Staatstrojaner, die Zugriffe auf PCs legitimieren, durchgängiger Einsatz biometrischer Gesichtserkennungsprozeduren sowie anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Zu den Eckpunkten des Sicherheitskatalogs zählt neben den genannten Pfeilern auch Präventionsarbeit durch die Unterstützung von Fanprojekten, z. B. durch das Fanbetreuungsprogramm „Fans welcome“.

Für die Polizei und den Staat stehen die Fangruppen selbst im Visier der verschärften Überwachung. Gegen diese, gegen die Kommerzialisierung des Sports, die bei den Großveranstaltungen besonders krass und überteuert hervortritt, gegen die verordnete Fankultur sollten sie sich organisiert zur Wehr zu setzen. Viele Fangruppen aus den Vereinen haben durch ihre bundesweit organisierten Proteste gegen die Machenschaften des DFL Deutsche Fußball Liga e. V. und Mauscheleien hinter ihrem Rücken mit zweifelhaften sportfremden Investor:innen nicht nur Erfolg gehabt, sondern auch bewiesen, dass sie als organisierte Kraft Kapitalkraken widerstehen können.

Diese Gruppen sind auch an den jeweiligen Spielorten stark vertreten. Sie könnten dabei die Kritik an der Kommerzialisierung der Veranstaltungen bis zum Public Viewing mit der am Überwachungswahn verbinden. Sie müssten sich dazu aber sowohl mit gewerkschaftlichen Organisationen abseits von GdP und Deutscher Polizeigewerkschaft (DPolG) wie auch mit internationalen Fanverbänden verbinden, Kontrollen und Einreisebeschränkungen entgegentreten. Statt der Polizei könnten die Fanclubs eigenständige Ordner:innendienste organisieren und so für einen geregelten Ablauf der Veranstaltungen sorgen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund überlässt es leider „seiner Fachvertretung“, der GdP, sich mit dem Thema Staatsaufrüstung im Namen der Sicherheit aller zu beschäftigen und klassenfeindlich hervorzutun.

  • Keine Grenzkontrollen!
  • Keine migrant:innenfeindliche Repression!
  • Keine Legitimierung von Überwachungseinrichtungen!
  • Nein zu allen Strafgesetz- und Sicherheitsverschärfungen!
  • Keine Mittel und Personal für polizeiliche Aufrüstung!
  • GdP raus aus dem DGB!
  • Organisierung von Sicherheitsvorkehrungen und Gegenwehr gegen staatliche Kontroll- und  Einreisewillkür durch internationale Fangruppierungen und Gewerkschaften!



3 Gründe, warum “Willkommens”klassen nichts mit Inklusion zu tun haben

April 2024

Es klingt erst mal nett: eine Klasse, in der geflüchtete Kinder und Jugendliche willkommen geheißen werden, gemeinsam Deutsch und Lesen und Schreiben lernen, um dann einen einfachen Einstieg in den Regelunterricht zu haben. Da hat man gar nicht mehr diesen spaltenden flavour wie damals, als dasselbe Konzept noch „Ausländerklassen“ genannt wurde. Zu Recht? Nein, die Regierung will uns pranken und die Leidtragenden des Pranks sind unsere geflüchteten Mitschüler:innen (sowie in geringerem Maße die Lehrkräfte und alle anderen im Schulbetrieb). Wir sind „Jugend gegen Abschiebung“ und wir wollen nicht nur Abschiebungen verhindern und den Rechtsruck stoppen, sondern in eine antirassistische Gegenoffensive übergehen, deswegen bieten wir euch hier ein paar Fakten sowie 3 Argumente gegen „Willkommens“klassen und einige Stichpunkte, was wir stattdessen bräuchten für einen inklusiven Schulalltag für alle.

Die Schulpflicht in Deutschland ist in der Regel nicht abhängig vom Aufenthaltsstatus, d.h. geflüchtete Kinder sind genauso schulpflichtig wie hier aufgewachsene. Wie genau Geflüchteten der Schulbesuch ermöglicht werden soll, ist aber Ländersache und es funktioniert überall ein kleines bisschen anders. In elf Bundesländern ist dies in sogenannten Willkommensklassen (WK) organisiert, wir beziehen uns hier der Einfachheit halber vor allem auf eines dieser elf: Berlin. Es gibt hierzu nicht extrem viele kritische Untersuchungen, wir empfehlen aber ‚Die Kontinuität der Separation‘ (Karakayalı et al.), auf die wir uns auch hier beziehen. Während der Senat einige Grundlinien und Ziele formuliert hat (neben dem deutschen Spracherwerb z.B. die „Vermittlung kultureller Werte, Normen und Verhaltensweisen des Aufnahmelandes Deutschland“), bleibt die genaue Ausgestaltung weitgehend den einzelnen Schulen überlassen, sodass auch die Probleme je nach Schule in unterschiedlichem Maße zu Tage treten.

1. Direkte Ausgrenzung im Schulalltag

Dass WK nicht besonders inklusiv sind, wird schon auf räumlicher Ebene bemerkbar, etwa wenn der Unterricht in entlegenen Teilen der Schulgebäude, im Hort oder wie in einigen Fällen, sogar in einem gänzlich verschiedenen Gebäudekomplex oder in der Unterkunft stattfindet, sodass überhaupt keine gemeinsam genutzten Räume von nicht und neu zugewanderten Schüler:innen bestehen. Dieses Prinzip setzt sich fort, wenn WK nicht an Schulfesten, Tagen der offenen Türen beteiligt sind, wenn WK nicht auf Klassenfahrten fahren oder wenn den geflüchteten Schüler:innen keinen Mitwirkung in der Schüler:innenvertretung ermöglicht wird. Nachmittagsangebote werden zwar formal angeboten, können aber oft insbesondere in Grundschulen allein schon deshalb nicht genutzt werden, weil die Eltern nicht über die Möglichkeiten informiert werden.

2. Schlechte Behandlung und strukturelle Benachteiligung

Auf dem Schulhof verprügelt, Sand in den Mund gesteckt, von Lehrer:innen angeschrien oder gewaltsam durch den Klassenraum gezerrt. Die zahlreichen Beispiele von Diskriminierung gegenüber geflüchteten Schüler:innen sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck einer systematischen Unterdrückung. Die Schüler:innen in den WK sind, dadurch dass sie unter sich bleiben, abgeschnitten von Mitteln, um sich gegen ihre Diskriminierung zu wehren, die Zeug:innenschaft der anderen Schüler:innen bleibt aus und deren Solidarisierung wird erschwert. Im Übrigen sind auch die zusätzlichen Lehrkräfte in den WK zum Teil Mobbing durch die anderen Lehrer:innen ausgesetzt.

3. Mangelnde Ressourcen und nobody cares

Wir haben bereits an anderer Stelle die These aufgestellt, dass sich das deutsche Bildungssystem in einer tiefen, sich stetig weiter zuspitzenden Krise befindet. Vor dem Hintergrund von maroden Schulgebäuden, dringendem Lehrkräftemangel und unzeitgemäßen Unterrichtsformen erhärtet sich der Eindruck, dass Willkommensklassen in erster Linie dazu dienen sollen, den Schulbetrieb in den Regelklassen möglichst „ungestört“ weiterlaufen zu lassen, bzw. dessen endgültigen Kollaps zu verhindern. Um die Bedürfnisse der geflüchteten Schüler:innen geht es eigentlich nicht. Dafür existieren auch gar nicht die Mittel. Ein Drittel der Berliner Schulen mit WK hat nicht einmal ein schriftliches Konzept für diese. Durch den Raummangel werden WK teilweise in Unterkünfte verdrängt oder müssen in Horträumen unterrichten, inmitten zwischen den Bastelsachen für die Regelschüler:innen, die die Geflüchteten nicht anfassen dürfen. Weniger als 5% der Lehrkräfte sind ausgebildet für das Lehramt von Deutsch als Fremdsprache und an mehr als einem Viertel der Schulen unterrichten überhaupt keine ausgebildeten Lehrer:innen in den WK. Die meisten Lehrkräfte sind zudem nicht darauf vorbereitet, mit den traumatisierenden Erfahrungen, die die Schüler:innen auf der Flucht gemacht haben, angemessen umzugehen.  Digitale Lehrmaterialien werden fast überhaupt nicht in WK genutzt, teilweise sind die Lehrer:innen sogar dafür verantwortlich, sich privat um ihre Lehrmittel zu kümmern. Dies alles führt dazu, dass selbst wenn die Geflüchteten nach einer gewissen Zeit in den Regelunterricht überwechseln, sie den Inhalten meistens nicht folgen können. Schließlich gibt es auch einfach nicht genügend Plätze in den WK, sodass allein in Berlin tausende Jugendliche monatelang auf einen Schulplatz warten müssen.

Was bräuchte es stattdessen?

Wir wollen in der Zukunft ein detaillierteren Forderungskatalog für eine antirassistische Wende an den Schulen erarbeiten und wir laden dich als interessierte:n Schüler:in herzlich dazu ein, dabei mitzudiskutieren. Als ersten Schritt schlagen wir aber die folgenden Eckpunkte vor:

  • Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in die regulären Klassen ab dem ersten Tag
  • Wahlmöglichkeit zwischen Unterricht in der Muttersprache oder Unterstützung durch DaF-Lehrer:innen und Übersetzer:innen
  • umfassende psychologische Betreuung zur Traumaverarbeitung
  • Kennenlern- und Vermittlungsangebote zwischen nicht und neu zugewanderten Schüler:innen (gemeinsam Fußballspielen, Musizieren, Spiele spielen…)
  • Vollen Zugang zu politischer Mitbestimmung an der Schule für WK-Schüler:innen
  • eine selbstverwaltete Antidiskriminierungsstelle (siehe unseren Artikel zu dieser Forderung)

Wir sollten jetzt in allen Schulen die Frage der Willkommensklassen diskutieren, die bestehende Ungerechtigkeiten aufzeigen und gemeinsam nach Alternativen suchen. Vielleicht fragst du einmal die Schüler:innen in der WK, wie es ihnen im Schulalltag geht und für welche Verbesserungen sie sich mit einsetzen würden.

Bei alldem müssen wir aber dennoch klar benennen, dass der Schulbesuch nicht von den Angriffen auf das Asylrecht gesondert betrachtet werden kann. Niemand kann sich in der Schule wohlfühlen, wenn man von Abschiebung bedroht ist, wenn man nachts nicht schlafen kann, weil es in der überfüllten Unterkunft zu laut ist oder wenn das wenige Geld auf der Bezahlkarte nicht reicht, um die Grundbedürfnisse zu bedienen. Wir betrachten daher den Kampf für Inklusion an der Schule als Teil des Kampfes gegen den staatlichen Rassismus, für Bleiberecht und volle Staatsbürgerrechte für alle!

Quellen:

https://www.dipf.de/de/forschung/pdf-forschung/steubis/wiko-studie-zusammenfassung-zentraler-befunde
https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&id_artikel=ART102186&uid=frei
https://taz.de/Willkommensklassen-in-Berlin/!5933590
https://www.dw.com/de/ukrainische-sch%C3%BCler-kritik-an-willkommensklassen/a-64077205
https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Expertise_Willkommensklassen.pdf
https://www.berliner-zeitung.de/open-source/integration-an-berliner-schulen-fragwuerdiger-umgang-mit-willkommensklassen-li.2148195



EU-Wahl 2024: Krise, Krieg und Rechtsruck lassen sich nicht abwählen!

Von Leonie Schmidt, Juni 2024

Wir haben eine Welt zu gewinnen, organisiert euch JETZT!

Die EU-Wahl-Ergebnisse liegen vor und während sich viele sehr darüber ärgern, dass die AfD und die CDU so viele Stimmen eingeheimst haben, bestätigen die Ergebnisse nur, was seit Monaten in Prognosen erfasst wurde. Es ist verständlich, wütend darüber zu sein, dass die rechtskonservativen und rechtspopulistischen Parteien so gut abgeschnitten haben. Aber, anstatt jetzt pessimistisch zu werden, sollten wir uns lieber anschauen, was die Gründe dafür sind und auf dieser Basis eine Strategie finden, wie wir den Rechtspopulist:innen einen Strich durch die Rechung machen können!

Wir müssen der Realität ins Auge blicken, das Wahlergebnis kommt nicht davon, dass die Leute zu viel auf TikTok abhängen. Stattdessen basieren ihre Wahlentscheidungen auf realen Problemen im Zusammenhang mit Wirtschaftskrise und Krieg, die ausschließlich von Rechts aufgegriffen werden. Natürlich sind weder CDU/CSU noch AfD wirklich in der Lage, diese Probleme zu beheben. Aber sie verstehen es zumindest, diese zu thematisieren.

Der Ampel und der Linkspartei fällt hingegen nichts besseres ein, als Appelle für den Schutz der Demokratie mantraartig zu wiederholen. Das mag zwar ein paar Tausend Leute auf die Straße bringen, aber Jugendliche und Arbeiter:innen, die sich in diesen krisengeschüttelten Zeiten Sorgen um ihre Zukunft machen, überzeugt das nicht. Die Wahlentscheidung basiert nicht auf abstrakter Moralvorstellung von Demokratie, sondern auf sehr reellen Abstiegsängsten. Anstatt also mit konkreten Inhalten gegen die Krise und Sorge der Arbeiter:innenklasse ein Zeichen zu setzen, stellen sich SPD und Linke oberlehrerhaft hin, und behaupten, die Leute würden schon noch wachgerüttelt werden. Lars Klingbeil von der SPD am Sonntagabend bei NTV: „Ich glaube auch, dass das Ergebnis dieser Wahl viele noch wachrüttelt, dass die Nazis stärker geworden sind. (…) da wachen viele auf und kämpfen auch für die Demokratie.” Mit anderen Worten: die SPD macht wie bisher weiter. Naja, fast.

Hinzu kommt selbstverständlich die Unterstützung für Abschiebungen. Wie auch schon Scholz verkündete, sprach nun auch Klingbeil davon, zu 100 % hinter Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan zu stehen. Die Ampel macht also einfach schon heute die Politik, gegen die sie eigentlich die Demokratie schützen will. Wir sehen also: die bürgerlichen Parteien und ihr Fetisch für den Schutz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung in der wir leben, wird uns nicht befreien. Sie stehen nur blöd daneben, während die Krise auf unser Kosten ausgetragen wird und verteidigen die Interessen des Kapitals. Denn der Kapitalismus ist die Grundlage von Krisen, Kriegen, Ausbeutung und Un-terdrükung und lässt sich auch nicht wegreformieren.

Selbst aktiv werden!

Was es stattdessen braucht, ist eine massenhafte Jugendbewegung gegen Rassismus, gegen Armut und Krise, gegen Krieg und Umweltzerstörung. Vernetzen wir uns dafür mit anderen Jugendlichen! Wir müssen die Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung auch als einen Nährboden für sozialistische Ideen wahrnehmen, auch wenn das erstmal absurd scheint. Es ist unsere Aufgabe, der Krise etwas entgegenzusetzen und aufzuzeigen, warum nur eine Überwindung des Gesellschaftssystems zu einem guten und gerechten Leben für Alle führt. Daher müssen wir auch als Jugend eng mit der organisierten Arbeiter:innenklasse, also u.a. den Gewerkschaften zusammenarbeiten. Deshalb müssen wir uns auch organisieren, wo wir uns tagtäglich aufhalten: in den Schulen, Unis und in den Betrieben. Hier gilt es Komitees aufzubauen und Gleichgesinnte zu finden, in Aktion zu treten und Streiks zu organisieren.

Für die folgenden Forderungen lohnt es sich, zu kämpfen, auch wenn wir nie verschweigen werden, dass unser Ziel der Kommunismus ist!

  • Massive Lohnerhöhungen mit gleitender Skala! Mindestlohn auf 15 Euro!
  • Mindesteinkommen für Jugendliche, Schüler:innen und Studierende! Erhöhung von Sozialleistungen!
  • Enteignung und Kollektivierung von Wohnraum!
  • Selbstverwaltete Antidiskriminierungsstellen an Schulen, Unis & in Betrieben!
  • Demokratische Selbstverteidigungskomitees von gesellschaftlich Unterdrückten, Jugendlichen & Arbeiter:innen!



EU-Wahl 2024: Wählt links, aber organisiert den Kampf für ein sozialistisches Europa!

Gemeinsame internationale Resolution von REVOLUTION, Juni 2024

Auch wenn es für die meisten von uns kaum im Alltag präsent ist: Die vielen Wahlplakate erinnern uns daran, dass alle fünf Jahre mal wieder ein neues EU-Parlament gewählt werden muss. Dieses Jahr dürfen auch wir Jugendliche über 16 ran, aber die Zeichen stehen auf Rechtsruck. Laut den aktuellen Prognosen werden die größten Stimmengewinne in fast allen Ländern an rechtspopulistische Parteien gehen. Gleichzeitig hat die EU auch ohne rechtspopulistische Mehrheit erst kürzlich durch die sogenannte GEAS-Reform das Asylrecht für Einzelpersonen faktisch abgeschafft, Abschiebungen erleichtert und wochenlange Inhaftierungen von Geflüchteten legalisiert. Während jede:r vierte Jugendliche in der EU in Armut lebt, nutzt sie den Krieg in der Ukraine, um allen Schein vom angeblichen „Friedensprojekt Europa“ endlich in die Tonne zu treten und fleißig aufzurüsten. Es geht schnell in so einer Situation die Hoffnung zu verlieren. Warum sollten wir als Kommunist:innen also überhaupt wählen gehen? Und wo sollten wir unser Kreuzchen machen?

Wahlboykott ist Unsinn!

Zuallererst müssen wir uns klar machen, dass Wahlen nur selten wirklich Veränderung bringen und ganz sicher nicht den Kapitalismus stürzen können. Die Hoffnung, dass wir den Kommunismus herbeiwählen können, wird immer enttäuscht werden. Da der bürgerliche Nationalstaat als Organisationsstruktur entstanden ist, um die Herrschaft des Bürgertums abzusichern, wird sich die herrschende Klasse auch nicht mit ihren eigenen Mitteln entwaffnen lassen. Wenn politische Mehrheiten entstehen, die es dem Kapital zu brenzlich werden lassen, kann es immer noch auf Militärputsche, faschistische Mobs oder Spardiktate zurückgreifen, um parlamentarisch gewählte unliebsame Akteure oder Reformen in die Knie zu zwingen. Unser Verhältnis zu bürgerlichen Wahlen ist deshalb ein taktisches.

Im Falle des EU-Parlamentes ist die Situation noch absurder, da dieses im politischen System der EU nur eine sehr begrenzte Macht hat. So ist es nicht mit einem normalen gesetzgebenden Parlament wie dem Bundestag oder dem Nationalrat zu verwechseln, da es weder eigene Gesetze initiieren kann noch die EU-Kommission direkt wählt. Doch auch wenn das EU Parlament keine wirkliche Macht hat, können Linke es als Bühne nutzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen oder um Korruption und Lobbyarbeit zu bekämpfen. Ebenso gilt es, den Massen, die Illusionen in dieses Parlament haben, aufzuzeigen, dass sie eine wirkliche Verbesserung ihrer Lebenssituation schon selbst erkämpfen müssen. Wir nutzen das Parlament als eine historische Errungenschaft für uns und zeigen gleichzeitig durch den praktischen Kampf auf, dass die Möglichkeiten zu parlamentarischen Reformen, die die herrschende Klasse einschränken, sehr gering sind. Es bleibt unsere Aufgabe praktisch zu zeigen, wo die Grenzen der bürgerlichen Demokratie liegen und dass nur eine sozialistische Revolution der Arbeiter:innen in der Lage ist, den Kapitalismus zu stürzen und seinen Krisen ein Ende zu setzen. Deshalb nutzt die politisierte Stimmung rund um die EU-Wahl in euren Schulen, die Podiumsdiskussionen, Jugendwahlen, Politikstunden etc. aber auch eure Wahlstimme, um die Illusionen einer „Friedens-EU“ zu zerstören und den Kampf gegen Asylrechtsverschärfungen, Rechtspopulismus, Umweltverschmutzung, Massenarmut und Militarisierung zu organisieren.

Die EU wird von der eigenständigen imperialistischen Macht zur Juniorpartnerin der USA!

Die EU ist mit dem Versprechen angetreten, das vom Weltkrieg zerrüttete Europa friedlich und sozial zu vereinigen und genoss deshalb lange eine große Popularität in weiten Teilen Europas. Doch davon ist angesichts von Krieg, Spardiktaten, Brexit, Rassismus, Umweltzerstörung und Inflation kaum noch was übriggeblieben. Uns überrascht dies nicht, denn eine Einigung Europas ist auf kapitalistischer Grundlage unmöglich. Als Marxist:innen ist uns klar, dass eine politische Einigung Europas nicht ohne ökonomische Grundlage erfolgen kann. Doch eine gemeinsame ökonomische Grundlage konnte sich aufgrund der verschärften Konkurrenz zwischen den einzelnen Nationalstaaten angesichts ihrer widersprüchlichen Interessen nicht herausbilden. Lange hat die Idee eines immer enger zusammenwachsenden Europas, das sich als eigene imperialistische Macht neben den USA, Russland, China etabliert, die verschiedenen Staaten der EU zusammengeschweißt und bei der Stange gehalten. Es fehlt der EU an einem integrierenden strategischen Projekt, das die auseinanderdriftenden Fliehkräfte der Einzelstaaten zusammenhalten kann. Dafür hat die EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen bei der letzten EU-Wahl einen Green New Deal versprochen, der mithilfe massiver Subventionen die Kapitale der führenden EU-Staaten auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger machen sollte (mit „green“ hatte das leider nicht so viel zu tun). Doch der Krieg in der Ukraine und die Wirtschaftskrise haben diesem Projekt einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Widersprüche zwischen den einzelnen EU-Staaten verstärkt.

So sind die exportorientierten Kernstaaten der EU – Deutschland und Frankreich – durch den Zusammenbruch der weltweiten Lieferketten im Zuge der Corona-Pandemie aber auch durch die Sanktionspolitik im Zuge des Ukraine-Krieges stark angeschlagen. Die relative Unabhängigkeit der EU gegenüber den USA hat nur so lange funktioniert, wie ihre Produktionsketten nach China ausgedehnt werden konnten und billige Rohstoffe aus Russland flossen. Durch die verschärfte Blockbildung und die Sanktionen musste die EU ihre relative Unabhängigkeit aufgeben und sich den USA als „Juniorpartner“ unterordnen. Das von deutschem und französischem Kapital vorangetriebene Projekt einer eigenständigen imperialistischen EU-Macht wurde damit weitestgehend beerdigt. Ähnliche Interessen in geringerem Maße verfolgt der erweiterte Kern der EU aus Italien, Spanien, den BeNeLux-Staaten und Österreich. Südeuropa (Griechenland, Malta, Zypern, Portugal) hat dagegen auf der EU-Bühne kaum was zu sagen. Allen voran das deutsche Kapital hat seinen Arsch aus der Wirtschaftskrise 2007/2008 gerettet, indem es die Kosten der Krise Südeuropa durch brutale Sparprogramme und die Entmachtung ihrer gewählten Regierungen aufgedrückt hat. Südeuropa wurde damit vollständig und gewaltvoll untergeordnet und gefügig gemacht. Bekannt für ihre EU-kritische Haltung sind vor allem die Staaten Osteuropas wie zB. Polen oder Ungarn. Osteuropa aber insbesondere das Baltikum versucht seine Stellung in der EU dadurch auszubauen, dass sie als Partner der USA und enger NATO-Verbündeter ihre Interessen durchsetzen.

Wenn wir uns die aktuellen Wahlplakate anschauen, wird ganz deutlich: Der EU, und allen voran den Staaten, die die EU dominieren, fehlt es an einem integrativen Projekt, dass diese auseinanderdriftenden Tendenzen zusammenhalten kann. Die Folge dessen ist eine Zersplitterung im bürgerlichen Parteienlage, da die verschiedenen nationalen Kapitalfraktionen nach strategischer Orientierung suchen. Außerdem bedeutet dies, dass die Mitgliedsstaaten nun verstärkt auf ihre eigene Aufrüstung setzen, um eine eigenständigere Rolle zu spielen. Für uns in Deutschland und Österreich bedeutet das Kürzungswellen in unseren Schulen und Unis, um die massiven Aufrüstungsprogramme zu finanzieren und Debatten um die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Der Rechtsruck in der EU ist nicht die Ursache der Krise, sondern ist ein Ausdruck dessen!

In den Sonntagsreden vieler EU-Abgeordnete hören wir, dass sich Europa gegen die wachsende Macht der Rechtspopulist:innen verteidigen müsse. So weit so richtig. Allerdings tun diese Reden häufig so, als ob in der EU eigentlich alles tutti wäre, nur die Rechtspopulist:innen versuchen in die paradiesische EU einzudringen und wollen alles kaputt machen. Für uns Jugendliche ist die EU jedoch kein Dreamland, sondern bedeutet Militarisierung, Rassismus und Neoliberalismus. Außerdem sind die Rechtspopulist:innen nicht vom Himmel gefallen, sondern sie sind ein Produkt ebendieser Krise der EU und der zunehmenden Unzufriedenheit mit ihr in Teilen des Kapitals und des Kleinbürger:innentums. Wie wir eben aufgezeigt haben, hat die Krise der EU ihre Ursache in der kapitalistischen Krise selbst und nicht im wachsenden Rechtspopulismus. Dieser macht sich die Krise jedoch zunutze, um die Unzufriedenen und Abgehängten angesichts eines Mangels an einer linken Alternative hinter sich zu versammeln.

In Österreich haben wir die Situation, dass die rechtsextreme FPÖ in allen Umfragen auf Platz 1 liegt. Zwar kommen die Stimmen zu großen Teilen von der ÖVP, trotzdem bedeutet das weiterhin eine rechte parlamentarische Mehrheit und eine Stärkung der organisierten Rechten. Die AfD erreicht selbst in der U-16-Wahl in Brandenburg Spitzenwerte von 38 Prozent! Laut aktuellen Prognosen wird vermutlich jede vierte Stimme in Europa an rechtspopulistische Parteien gehen. Diese massiven Stimmenzuwächse verteilen sich jedoch auf die „Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer“ (zu deren stärkster Kraft die Partei von Italiens Ministerpräsidentin Meloni gehört) und „Identität und Demokratie“ (zu der auch AfD und FPÖ gehören). Wo sich beide Fraktionen in ihrem Rassismus einig sind, so uneinig sind sie sich in der Positionierung gegenüber dem Krieg in der Ukraine. Die „Konservativen und Reformer“ scheinen dabei die meisten Stimmenzuwächse zu erwarten und unterscheiden sich außenpolitisch nicht wesentlich von der herrschenden EU-Linie.

Doch auch die anderen europäischen Fraktionen sind von einem Rechtsruck geprägt. So versuchen die Europäische Volkspartei (CDU/CSU, ÖVP) und die Liberalen ihre Stimmenverluste an die Rechtspopulist:innen dadurch auszugleichen, in dem sie sich als stärkere Verfechter:innen der Festung Europa zu präsentieren versuchen. Doch auch die Grünen und Sozialdemokraten (SPD, SPÖ) stimmen in den Chor aus Abschottung, Krieg, Militarisierung und Aufrüstung ein. Einig sind sie sich ohnehin alle darin, dass man im Falle des genozidalen Kriegs in Gaza an der Seite Israels stehen müsse. Dabei hat die österreichische SPÖ doch dieses Jahr das erste mal seit langem wieder einen Parteiobmann, der sich positiv auf den Marxismus und die Arbeiter:innenbewegung bezieht? Der Linksruck, den manche damit herbeigesehnt haben, blieb leider aus. Vielmehr gehen die abgehobenen Streitigkeiten weiter. Die um einiges rechteren Landeshauptläute schießen regelmäßig gegen Babler, damit er ja nicht vergisst, dass die Sozialdemokratie schon lange nicht mehr auf die kleinen Leute schaut. In Deutschland hat sich der Rechtsruck auch in der Linkspartei ausgedrückt. So hat sich das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ von der Partei abgespalten und hofft mit rechteren Positionen zur Migration und gegen den angeblichen „Genderwahn“ Wähler:innen von der AfD zurückzuholen. Ihr wirtschaftspolitisches Programm wird in den Medien häufig als links bezeichnet, steht jedoch in erster Linie nur für eine ein wenig sozialere Marktwirtschaft, welche angesichts der aktuellen Krise ein utopisches Modell zu sein scheint.

Wählt die Europäische Linke, aber organisiert den Widerstand!

Wir rufen euch zur Wahl der Europäischen Linken (Linkspartei, KPÖ) auf. So finden wir mit ihren Forderungen nach einem Stopp der Privatisierungen und Kürzungswellen an unseren Schulen und Unis, einem EU-weiten Mindetslohn, einem Stopp der Aufrüstungsspirale und legalen und sicheren Fluchtwege in die EU noch die größte Übereinstimmung. Während die Linkspartei in Deutschland überhaupt darum kämpfen muss, ins Parlament einzuziehen zu dürfen, hat die KPÖ in Österreich dieses Jahr mehrere Erfolge einfahren können. Allen voran die Wahl in Salzburg, wo sie über 20% geschafft haben, aber auch für die EU-Wahlen stehen ihre Chancen gut. Die Parteien der Europäischen Linken eint die Idee von einem sozialeren Europa. Doch wie diese Forderungen genau umgesetzt werden sollen, insbesondere wenn sie auf den erbitterten Widerstand der herrschende Klasse stoßen werden – darüber schweigt die Fraktion. Doch dennoch vereint sie die Illusionen und Hoffnungen der fortschrittlichsten Teile der europäischen Arbeiter:innenklasse, der Gewerkschaften, der Klimabewegung auf sich. Mit diesen müssen wir brechen und den Massen aufzeigen, dass – wie oben schon näher erläutert – nur auf revolutionärem antikapitalistischen Wege eine soziale, friedliche, antirassistische und ökologische Vereinigung Europas unter kooperativer sozialistischer Planung der Produktion möglich ist.

Doch dafür dürfen wir nicht die kommunistischen Besserwisser:innen am Gartenzaun sein. Unsere Aufgabe ist es die richtigen Forderungen der Europäischen Linken zu unterstützen und im gemeinsamen Kampf aufzuzeigen, dass diese nicht auf parlamentarischem Wege und nur eingebettet in ein revolutionäres Programm durchgesetzt und verteidigt werden können. Die Basis und Wähler:innen dieser reformistischen Parteien müssen wir dazu auffordern, ihre Führung auf die Probe zu stellen und von ihnen einen tatsächlichen Kampf für ihre Forderungen einzufordern. Unsere Aufgabe ist es, Teil dieses Kampfes zu sein, das reformistische Bewusstsein in der Klasse zu brechen und ihn anhand unseres Programms auch zum Erfolg zu führen.

Die Wahl von irgendwelchen „linken Kleinstparteien“ wie DKP, MLPD, MERA25, SGP oder auch der Letzten Generation lehnen wir ab. Während DKP und MLPD versuchen aus dem Friedhof der Untoten des Steinzeitstalinismus auszubrechen, versucht sich die vom ehemaligen griechischen Finanzminister Varoufakis gegründete MERA25 als einzige palästinasolidarische Partei zu präsentieren. Sie alle eint jedoch, dass sie keinerlei Rückhalt in irgendwelchen Teilen der Arbeiter:innenklasse besitzen. Ihre Wahl hat keinerlei Einfluss auf das Bewusstsein der Klasse, sodass wir die Klasse auch nicht erreichen, wenn wir unser Kreuz für ihre zusammengekleisterten, reformistischen und sektiererischen Wahlprogramme machen.

In einer Zeit in der Wirtschaftskrisen und Genozide zu unserem Alltag gehören, braucht es massenhaften und organisierten Widerstand in unseren Schulen und Unis. Einen Zettel in eine Box werfen kann dabei maximal eine Nebenbeschäftigung sein.




EU-Wahlen: AfD raus aus unseren Schulen!

Von Sani Meier, April 2024

Alle Jahre wieder der gleiche Zirkus: Bald stehen Bundestags-, Landtags- oder wie jetzt die EU-Wahl an und schon fühlen sich Schulen dazu verpflichtet, ihren Schüler:innen alle zur Wahl stehenden Parteien persönlich vorzustellen. In den meisten Fällen werden Podiumsdiskussionen mit deren Vertreter:innen organisiert. Dabei ist es ganz egal, wie transphob oder rassistisch deren Inhalte sind, denn „es ist ja alles von der Demokratie gedeckt“.

Aber bei der AfD sind sich große Teile der Gesellschaft momentan nicht mehr so sicher: Nachdem Geheimtreffen mit Kapitalist:innen und Rechtsextremen aufgedeckt wurden, die eine „Remigration“ von nicht-deutschen Menschen geplant hatten, sind Hunderttausende gegen sie auf die Straße gegangen. Bestimmt waren auch viele von euch dabei. Wozu sollten wir der AfD also in unseren Schulen eine Bühne geben?

Unsere Schulen sind die Orte, an denen wir uns jahrelang fünf Tage pro Woche aufhalten müssen. Hier entstehen Freund:innenschaften, Fähigkeiten und Entscheidungen, die sich auf den Rest unseres Lebens auswirken. Deshalb ist es so wichtig, dass sich alle Schüler:innen wohl fühlen und in einem sicheren Rahmen lernen können. Dass das nicht der Realität entspricht, ist klar. Umso wichtiger ist es, dass wir denen, die mit ihrer Politik unsere Mitschüler:innen angreifen, keinen Raum geben.

Was will die AfD eigentlich?

Lasst uns gemeinsam einen Blick in das Wahlprogramm der AfD für die Europawahlen 2024 werfen:

  • Der Islam als „Gefahr für Europa“ sei „mit den europäischen Grundprinzipien von Recht, Freiheit und Demokratie nicht in Einklang zu bringen“. Deshalb müsse die Zuwanderung „massiv beschränkt“ werden – auch mithilfe der „Errichtung physischer Barrieren“ an den EU-Außengrenzen.
  • Die gleichgeschlechtliche Ehe wird abgelehnt: „Wir unterstützen es, wenn Menschen traditionelle Geschlechterrollen leben.“
  • Das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche soll weitestgehend eingeschränkt werden bis auf „absolute Ausnahmen“ – etwa aus medizinischen Gründen oder bei Vergewaltigungen.
  • „Wir teilen die irrationale CO2-Hysterie nicht, die unsere Gesellschaft, Kultur und Lebensweise strukturell zerstört.“ Das Klima habe sich „seit dem Bestehen der Erde“ stets gewandelt. „Die jetzigen klimatischen Veränderungen ordnen sich vollkommen normal in diese Wechsel ein.“

Alleine von diesen Auszügen wird einem schon schlecht. Muslimische Menschen seien undemokratisch und würden angeblich nicht zu Europa passen. Deshalb wolle man die EU-Außengrenzen, an denen schon jetzt Tausende ertrinken und in Lagern inhaftiert sind, noch stärker abriegeln.

Wie sicher fühlen sich wohl muslimische und/oder geflüchtete Mitschüler:innen, wenn das öffentlich an unserer Schule propagiert wird? Noch dazu sollen alle „traditionelle Geschlechterrollen leben“, also entweder als Mann oder als Frau, aber bitte nicht in gleichgeschlechtlichen Ehen. Alle queeren Schüler:innen haben hier keinen Platz.

Zu guter Letzt leugnen sie auch noch den menschengemachten Klimawandel und stellen sich gegen politische Maßnahmen, um diesen aufzuhalten. Alle Bemühungen der FFF-Bewegung werden mit Füßen getreten und unsere Zukunft auf einem lebenswerten Planeten wird weggeworfen.

Den Rassismus und Sexismus der AfD können wir selbst erkennen und brauchen dafür keine öffentliche Podiumsdiskussion, bei der sich ihre Vertreter:innen inszenieren können.

Gerade wir jungen Menschen und Erstwähler:innen sind die Zielgruppe der AfD und die ersten Erfolge sehen wir bereits. Die Partei produziert gezielt Content auf den Social Media Plattformen, die wir nutzen. Ihre Videos werden von allen Parteien auf TikTok am häufigsten aufgerufen.

Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt, dass die Altersgruppe 16-22 die AfD für „am ehesten geeignet“ hält, „um die anstehenden Probleme in Europa zu lösen“. Dieser Plan darf nicht aufgehen und es ist unsere Aufgabe, uns gemeinsam der AfD in den Weg zu stellen!

Was können wir gegen die AfD an unserer Schule tun?

Vernetzen!

Zuerst ist es wichtig, dass wir mit unseren Mitschüler:innen über die Einladung der Schule an die AfD sprechen und erklären, warum das ein Problem ist. Gerne könnt ihr dafür diesen Artikel und die oben genannten Auszüge aus dem Wahlprogramm nutzen. Vielen ist noch nicht bewusst, wie konkret Menschen, mit denen wir täglich zusammen lernen, dadurch diskriminiert werden.

Die Angriffe der AfD treffen nicht nur unsere Mitschüler:innen, sondern auch unsere Lehrkräfte, die nicht in deren Bild passen. Auch sie können potentielle Verbündete sein. Wenn es noch keine Struktur an der Schule gibt, um sich gemeinsam politisch zu organisieren, ist es höchste Zeit dafür, eine zu gründen, z.B. in Form eines Schulkomitees.

Forderungen aufstellen!

Wenn wir es geschafft haben, einen Teil unserer Mitschüler:innen davon zu überzeugen, dass die AfD unbedingt wieder ausgeladen werden muss, ist es Zeit, diese Forderung festzuhalten. Leider werden Schulen selbst dann keine diskriminierungsfreien Räume, wenn diese Forderung erreicht ist.

Es ist ein guter Zeitpunkt, um gemeinsam zu überlegen, was sich noch an der Schule ändern muss: Geschlechtsneutrale Toiletten? Geschichtsbücher, in denen der Kolonialismus weder beschönigt noch geleugnet wird? Fortschrittlicher Sexualkundeunterricht? Antidiskriminierungsstellen? Sprecht gemeinsam über eure Erfahrungen, tauscht euch aus und entscheidet gemeinsam, was ihr von der Schulleitung fordern wollt – Hauptsache, es läuft demokratisch.

Spread the News!

Sobald ihr eure Liste mit Forderungen abgestimmt habt, ist es Zeit, sie öffentlich zu machen. Macht daraus einen kleinen Flyer, druckt ihn im Copyshop aus und verteilt ihn morgens vor der ersten Stunde oder in der Pause vor der Schule. Auch wenn es vielleicht Überwindung kostet, sind Flyer eine super Möglichkeit, um mit Schüler:innen ins Gespräch zu kommen.

Habt ihr eine Schulzeitung? Dann ab zur Redaktion und darum bitten, eure Forderungen abzudrucken. Auch ein Instagram-Account eures Komitees kann helfen, euch an der Schule bekannt zu machen. Wichtig ist, die Schüler:innenvertretung mit ins Boot zu holen. Stellt sicher, dass sie von eurer Aktion mitbekommt und sie unterstützt.

Druck aufbauen!

Wenn eure Mitschüler:innen euch und eure Forderungen auf dem Schirm haben, ist es Zeit, ihnen Nachdruck zu verleihen. Einen Flyer kann die Schulleitung vielleicht ignorieren, eine Kundgebung direkt vor dem Schultor nicht.

Dazu muss lediglich eine Person die Kundgebung anmelden. Lasst euch dabei nicht von Lehrkräften oder anderen Leuten einschüchtern – Versammlungsfreiheit ist euer gutes Recht. So lange die Kundgebung angemeldet und behördlich genehmigt ist, kann sie euch niemand verbieten.

Ladet alle eure Freund:innen (auch von anderen Schulen), Mitschüler:innen, Lehrkräfte und sonstige interessierte Menschen ein, daran teilzunehmen und eure Forderungen zu unterschreiben. Auf der Kundgebung könnt ihr in einer Rede erklären, wie es zu der Aktion gekommen ist, warum ihr der AfD keinen Raum an der Schule geben wollt und welche Forderungen ihr gemeinsam an die Schulleitung stellt.

Besonders gut ist es, wenn ihr vorher der Lokalpresse Bescheid gegeben habt und vor Ort über euch berichtet wird. In Berlin haben wir es auf diesem Weg bereits geschafft, dass die AfD an einer Schule wieder ausgeladen wurde.

Egal wie eure Aktion ausgeht – wichtig ist, dass wir einfordern, über unsere Schule und deren Alltag selbst zu bestimmen. Bleibt auf jeden Fall vernetzt und schließt euch mit Schüler:innen anderer Schulen zusammen. Je mehr wir sind, desto mehr Druck können wir aufbauen. Falls ihr bei der Organisation Hilfe braucht oder Fragen habt, schreibt uns jederzeit an und wir unterstützen euch.

Für sichere Schulen unter demokratischer Kontrolle der Schüler:innen und Lehrer:innen! Kein Raum für Sexismus, Rassismus  und Antisemitismus – kein Raum der AfD!




Die Brandmauer bröckelt im Osten. Aber stand sie je wirklich?

von Gale Annum, Juni 2024

Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!“ – Marcel Grauf, rechtsextremer Aktivist und ehemaliger AfD-Mitarbeiter.

Von moderateren Aufrufen zur Diskriminierung, über euphemistisch formulierte Vernichtungsfantasien bis hin zu offener Volksverhetzung und rassistischen Gewaltaufrufen macht die AfD allen klar, was sie wirklich will.

Selbst den bürgerlichen Parteien Deutschlands ist aufgefallen, dass wir ein Problem haben. CDU/CSU, FDP und Grüne haben erkannt, dass die AfD keine Kleinpartei aus eurokritischen Rechtspopulist:innen und verschrobenen Schwurbler:innen mehr ist.

Sie ist zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft geworden, in der selbst die etablierten Parteien eine Gefahr für „unsere“ liberale Demokratie sehen – Rechtsextreme, mit denen keine Zusammenarbeit vertretbar sei.

Die CDU: Aufrechte Antifaschist:innen?

So errichteten sie eine „Brandmauer“ gegen die aufzüngelnden Flammen des Faschismus. Ein politisches Bollwerk gegen den Rassismus und das antidemokratische Gedankengut, das sich von außen in die hohen Hallen der Entscheidungsträger:innen eingeschlichen hatte.

Schon 2018 beschloss die CDU auf ihrem Parteitag, dass „jegliche Formen der Zusammenarbeit“ mit extremen Parteien wie der AfD (und selbstverständlich auch der Linken) abzulehnen sei. Die Parteispitze macht das auch in ihrer Rhetorik immer wieder klar. So sagte CDU-Generalsekretär Lindemann: „In dieser Partei gibt es nachweislich Nazis, da möchte ich gar nichts mit zu tun haben!“

Alles gut! Demokratie gerettet! Rassismus besiegt! Jetzt darf die AfD nur keine absoluten Mehrheiten gewinnen. Dann werden sie nie in der Lage sein reaktionäre Forderungen gegen das Asylrecht in die Tat umzusetzen. Die Freiheitsliebe und Prinzipientreue der Christdemokrat:innen und Liberalen hat uns allen den Arsch gerettet. Könnte man meinen.

Wo CDU und AfD gemeinsame Sache machen

Die Realität sieht anders aus: Besonders im Osten hebt die CDU immer wieder gerne im Einklang mit der AfD die Hand. So stimmte die Bautzener CDU für einen Antrag der „gesichert rechtsextremen“ sächsischen AfD zur Asyl- und Migrationspolitik des Landkreises.

In Stralsund gibt es bei den Christdemokrat:innen noch weniger Berührungsängste: Hier wurden sowohl die AfD-Anträge in der Asylpolitik als auch zum Gender-Verbot wohlwollend durchgenickt. Wenn es um so etwas „Unkontroverses“ geht wie Steuersenkungen für Besserverdiener:innen, ist auch für die CDU Thüringen klar, dass die AfD nur das Beste für alle will. Diese Politik der stillen und möglichst heimlichen Kooperation auf lokaler Ebene hat auch CDU-Vorsitzender Friedrich Merz, der noch großspurig tönte, jeder der die Hand hebe mit der AfD, sähe sich daraufhin mit einem Parteiausschlussverfahren konfrontiert, inzwischen abgenickt. Auch wenn er später den offensichtlichen Inhalt seiner Aussage zur Kommunalpolitik unbeholfen versuchte zu relativieren bleibt deren Inhalt dennoch faktisch bestehen und sagt kommunalen CDU-Politiker:innen: Im Stadtrat dürft ihr auch mit der AfD stimmen und faktisch kooperieren. 

Ganz vorn im Rassismus-Wettbewerb: Die Bezahlkarte für Geflüchtete

Wie jede:r Rassist:in weiß, geben Geflüchtete angeblich alles was sie besitzen, nur für Drogen und Verbrechen aus und schicken den Rest nach Hause – deshalb kann man ihnen auch kein richtiges Geld anvertrauen.

Solche an Rassismus kaum zu überbietenden Vorurteile bereiteten im November 2023 der bundesweiten Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber:innen den Weg. Olaf Scholz und die Ministerpräsident:innen der Länder beschlossen, statt Sozialleistungen solle es ab jetzt nur noch Essensmarken geben, mit denen nur bestimmte Produkte in ausgewählten Läden gekauft werden können.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Brandmauer nie wirklich stand, finden wir hier in Dresden. Weil ihnen die Beschneidung der Rechte von Geflüchteten nicht schnell genug ging, entschlossen sich in Dresden sowohl die CDU als auch die AfD dazu, ihre eigenen Anträge für ein Bezahlkartensystem einzubringen.

Nachdem der Antrag der CDU scheiterte, wurde der Antrag der AfD mit den Stimmen der CDU und FDP angenommen. Dass das Abstimmen für den AfD-Antrag mit der Unvereinbarkeitserklärung ihrer Partei kollidiert, sehen die sächsichen CDU-Politiker:innen nicht so. Der eigene Antrag sei halt nicht durchgekommen und der der AfD nahe genug dran.

Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU/CSU, kommentierte das Abstimmungsverhalten der Dresdner CDU mit den Worten: „Die Entscheidung ist in der Sache richtig, im Verfahren inakzeptabel.“

Die bürgerliche Mitte: keine Brandmauer, sondern der Brandbeschleuniger

Die Ablehnung der bürgerlichen Parteien gegenüber der AfD begründet sich nicht in deren Rechtspopulismus und Rassismus. Höchstens deren unverblümte Worte sind es, die stören.

Vielmehr ist es die Strategie der Parteien, sich auf öffentlicher Ebene von der AfD zu distanzieren, gleichzeitig aber ihre eigene Politik an deren Wähler:innen auszurichten. Denn weniger Stimmen für die AfD bedeuten mehr Stimmen für die eigene Partei und damit auch mehr Einfluss in den Parlamenten.

Doch weder das Weltbild noch die Forderungen der AfD sind dadurch gebannt – sie leben in der Politik der anderen Parteien weiter. Wenn man ähnliche Politik anbietet, dann kommt es auf lokaler Ebene halt auch mal vor, dass man „aus Versehen“ zusammenarbeitet. Und wenn von den Grünen bis zur CDU alle darum wetteifern, wer die rassistischste Politik und den härtesten Sozialabbau liefert, dann braucht es keine „Alternative“ mehr.

In der derzeitigen Krise geht es Arbeiter:innen immer schlechter. Miese Arbeitsverhältnisse, eine strauchelnde Wirtschaft und steigende Preise in den Geschäften setzen uns allen zu. In Zeiten des Rechtsrucks versuchen die Ampel, CDU/CSU und AfD uns die gleichen Lösungen zu verkaufen: Sozialabbau und Rassismus statt sozialer Absicherung auf Kosten der Reichen.

Denn die Ursache der Probleme liegt in unserem aktuellen Wirtschaftssystem. Krisen und Unterdrückung sind im Kapitalismus so inhärent, wie es auch reaktionäre Ideologien bis hin zum Faschismus sind. Nur, wer für eine Alternative zum Kapitalismus kämpft, hat eine Perspektive, sowohl die zyklischen Wirtschaftskrisen als auch rechte Kräfte und ihre Ideologien endgültig zu besiegen.

Nur der gemeinsame, internationale Kampf der Arbeiter:innen kann uns vor den Auswirkungen des Kapitalismus befreien. Nur, wenn wir zusammen gegen Ausbeutung und Unterdrückung stehen, können wir gewinnen. Nicht aber, wenn wir diese Aufgabe denjenigen überlassen, die an der aktuellen Situation schuld sind!

Der angeblichen Brandmauer müssen wir eine Analyse des Rechtsrucks und der AfD entegenstellen, die deren Charakter aufzeigt, um ihn effektiv bekämpfen zu können: Auch wenn viele Aussagen der Partei kaum zu ertragen sind, ist sie keine faschistische Partei. Aktuell sammeln sich in ihr verschiedene Flügel, vom wirtschaftsliberalen bis hin zum völkischen Flügel um Björn Höcke, der durchaus bereit ist, mit rechtsextremen und faschistischen Kräften zusammenzuarbeiten. Im Gesamten versucht die Partei aber, ihre Politik durch Macht in den Parlamenten durchzusetzen und nicht durch militante Bewegungen auf der Straße, wie es in faschistischen Bewegungen der Fall wäre.

Was wir brauchen ist eine Einheitsfront der Organisationen der Arbeiter:innenklasse mit linken Bewegungen gegen Rassismus, Ausbeutung, Sexismus und alle weiteren Formen kapitalistischer Unterdrückung. Wir müssen uns also in Komitees und Arbeitsgruppen in unseren Schulen, Unis und Betrieben organisieren, um unseren Kampf gemeinsam auf die Straße zu tragen und den Rechtsruck aufzuhalten!




Weltmenstruationstag: Bluten for free? Hygieneartikel auf allen Toiletten!

Von Alys, Mai 2024

Stell dir vor, du bist in der Schule. In 15 Minuten beginnt deine mündliche Prüfung. Du bist nervös und gehst vorher noch einmal auf die Toilette. Dort wartet eine böse Überraschung auf dich: Du hast deine Tage bekommen und keinen Tampon dabei!

So eine Situation haben viele Schüler:innen schon einmal erlebt. Bei 67 % der Menstruierenden muss erstmal Klopapier als Notlösung herhalten. Doch wie geht es dann weiter? Vielleicht hast du Glück und eine:r deiner Mitschüler:innen hat einen Tampon für dich dabei. Wenn nicht, müsstest du dir in der Pause eine Packung kaufen gehen, doch dein Taschengeld reicht nicht für die 5 €.

Was kostet deine Periode?

Periodenarmut ist ein Problem, dem oft wenig Beachtung geschenkt wird. In einer Studie von PLAN Deutschland und WASH United gaben 23 % der Mädchen und Frauen ab 16 Jahren an, dass die monatlichen Ausgaben für die Periode für sie eine finanzielle Belastung seien.

Das britische Rabattportal Money Saving Heroes fand heraus, dass Menstruierende circa 46 € im Monat für Periodenprodukte, Schmerzmittel, Wärmepflaster, neue Unterwäsche und Ähnliches ausgeben. Im ALG II Satz sind zum Beispiel monatlich nur 17.02 € für Hygieneausgaben vorgesehen. Die meisten Schüler:innen sind finanziell noch abhängig von ihren Eltern. Sind diese Arbeiter:innen des Niedriglohnsektors oder auf Sozialhilfe angewiesen, wird das Geld für Periodenprodukte knapp. Besonders betroffen von Periodenarmut sind jedoch obdachlose Menschen. Bei ihnen kommt erschwerend dazu, dass es sehr wenige saubere und kostenlose öffentliche Toiletten gibt und dass sie weniger Zugang zu sauberer Kleidung haben.

Fehlender Zugang zu Hygieneartikeln und öffentlichen Toiletten führt dazu, dass vor allem junge Menstruierende sich unwohl fühlen und lieber zuhause bleiben. Damit werden Menstruierende aus dem öffentlichen Raum wie zum Beispiel der Schule ausgeschlossen. Wer sich außerdem sorgen muss, ob der letzte Tampon noch für den Schultag reicht, kann sich schlechter aufs Lernen konzentrieren.

Eine Sparstrategie ist zum Beispiel, Menstruationsprodukte länger nicht zu wechseln. Das kann gesundheitlich gefährlich werden. Beim Tragen eines Tampons über 8 Stunden erhöht sich das Risiko für das toxische Schocksyndrom. Feuchte Binden bilden einen Nährboden für Bakterien und Infektionen. Das könnte wiederum höhere medizinische Kosten nach sich ziehen. Oder andersrum: Arm sein ist sehr teuer.

Hygieneartikel als Grundversorgung

Deshalb die Frage: Warum gehören Tampons und Binden nicht einfach zur Standardausstattung von öffentlichen Toiletten wie Klopapier und Handseife? Von der Politik und von der Öffentlichkeit wird die Periode weitestgehend ignoriert und gewissermaßen als ein Privatproblem mancher Menschen behandelt. Das hat zum einen damit zu tun, dass das Thema immer noch tabuisiert wird. Es ranken sich sehr viele hartnäckige Mythen um die Periode, zum Beispiel dass das Periodenblut irgendwie schmutzig oder gar giftig sei oder dass man während der Blutung keinen Sex haben sollte. So wirkt, als sei die Periode etwas, für das man sich gar schämen sollte, und erst recht nicht öffentlich darüber laut sprechen oder gar politisieren. Diese Tabuisierung und Mystifizierung sind letztendlich die Folge der jahrtausendalten Frauenunterdrückung und im Besonderen des Heraushaltens von Frauen bzw. Menstruierenden aus dem öffentlichen Raum und damit auch des wissenschaftlichen wie medizinischen Diskurses. Etwas, was bei den allermeisten Frauen und Menstruierenden über eine lange Phase ihres Lebens zum Alltag gehört, schlichtweg als unaussprechlich und ekelerregend zu definieren, ist eine Form der Gewalt und Unterdrückung. Zumal Beschwerden, die damit einhergehen, auch totgeschwiegen werden und bis vor kurzem nicht einmal wirklich untersucht wurden. Stattdessen wird uns seit unserer Jugend vermittelt, dass es ganz normal ist, wenn wir Krämpfe haben, die uns bewegungsunfähig machen, wir aber einfach eine Wärmeflasche drauflegen sollen, weil wir uns ja nicht einfach jeden Monat 1–5 Tage deswegen krankschreiben lassen können. Und das, obwohl das in diesem Ausmaß überhaupt nicht normal ist, wie die heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich Endometriose zeigen. Doch auch Endometriose wird noch viel zu wenig in der Medizin ernstgenommen, obwohl es eine weit verbreitete Erkrankung ist (laut Zeitbild medical sind 10 % der Menstruierenden in Deutschland betroffen). Das merken wir dran, wie schwierig es ist, eine Diagnose zu bekommen. Dies dauert im Schnitt 10 Jahre. Auch PMDS, also PMS mit Fokus auf psychische Symptome, wird wenig öffentlich diskutiert. Dabei sind auch diese Symptome weit verbreitet, führen aber bei 5–7 % sogar dazu, dass sie aufgrund von depressiven Symptomen den Alltag nicht richtig bewältigen können. Erschwerend kommt hinzu, dass PMDS bis zu 16 Tage im Monat anhält.

Zum anderen ist es für die Kapitalist:innen, die Hygieneartikel herstellen lassen, ein riesiges Geschäft, weil ein bedeutender Anteil der Bevölkerung dazu gezwungen ist, beständig auf die eigenen Produkte zurückzugreifen. Der Profit steht hier mal wieder über allem und ganz besonders über der Gesundheit von Menstruierenden, weswegen auch schädliche chemische Komponenten für die Produktion verwendet werden. Wir sprechen hier von einem jährlichen Umsatz von 800 Millionen Euro in Deutschland. Es zum Privatproblem zu machen, ermöglicht es gerade, absurd hohe Preise für diese Artikel zu verlangen, ohne dass das zum Politikum wird. Gerade in einer Gesellschaft mit patriarchalen Strukturen, in der cis Männer deutlich mehr Macht und Einfluss besitzen, können sie etwas, wofür sie selbst nicht aufkommen müssen, als eine Art „Luxusartikel“ deklarieren. Das führt auch dazu, dass Menschen, die nicht betroffen sind, also insbesondere cis Männer, Vorstellungen von der Periode, basierend auf schlechter Aufklärung, entwickeln, die dann beinhalten, dass Menstruierende eigentlich gar keine Hygieneartikel bräuchten und das eben einfach nur Luxus sei und sie einfach das Blut „anhalten“ könnten und dann das Klo benutzen könnten.

Hinzu kommen dabei auch noch die Steuern durch den bürgerlichen Staat: Bis vor Kurzem waren noch 19 % Mehrwertsteuer veranschlagt, mittlerweile sind es zumindest nur noch 7 %. Doch das geht nicht weit genug!

Kämpfen wir dafür!

Klar ist: Damit alle uneingeschränkt am Schulalltag teilnehmen können, sollten Menstruationsprodukte nicht einfach nur etwas billiger sein. Es braucht kostenlose Menstruationsartikel in jeder Schule und auf jeder öffentlichen Toilette! Alle Schüler:innen sollen die gleichen Möglichkeiten haben, am Unterricht teilzunehmen, und insgesamt sollte hier keine finanzielle Ungerechtigkeit bestehen! Durch kostenlose Hygieneartikel wird nicht nur das Wohlbefinden und Selbstbewusstsein von jungen Menstruierenden gestärkt, sondern auch das Thema Periode an sich ein Stück weit enttabuisiert, zumal wir uns im Sinne von trans Inklusion dafür einsetzen, auf allen Toiletten diese Produkte auszulegen. Hinzukommen sollte natürlich auch ein demokratisch organisierter Aufklärungsunterricht an der Schule, um über Perioden Mythen und Vorfälle diskutieren zu können.

Wir sollten das zum einen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene erkämpfen, indem wir für einen selbstverständlichen Umgang mit Perioden und eine Anerkennung von Hygieneartikeln als Grundversorgung kämpfen. Dies unterstützen wir als Teil der Frauenbefreiungsbewegung. Dazu gehört nach unserem Verständnis auch die Enteignung der Konzerne Johnson & Johnson, die marktführend im Bereich Hygieneartikel sind. Die Arbeiter:innen des Betriebs könnten dann die Produktion kontrollieren und so auch dafür sorgen, dass bspw. schädliche Stoffe wie Pesitzide, Weichmacher und Bleichmittel nicht ihren Weg in Binden, Tampons & Co. finden! Durch eine Planwirtschaft ist es möglich, eine kostenfreie Grundversorgung für alle zu errichten. Auch die Forschung im Bereich Endometriose und PMDS muss vorangetrieben werden, so dass wir Unterstützung für alle Betroffenen erkämpfen können. Die Devise heißt hier Enteignung unter Arbeiter:innenkontrolle und die Aufhebung des Patentrechts, um zu gewährleisten, dass die Produktion von medizinischen Präparaten nicht unter Profitinteresse steht und sie auch in einer Langzeitanwendung so sicher wie möglich sind! Des Weiteren setzen wir uns für unkomplizierte Krankmeldung im Fall von Perioden, PMS und PMDS ein. In Spanien bspw. wurden dafür monatliche extra Urlaubstage eingerichtet, die in einem solchen Fall jederzeit genommen werden können. Etwas Ähnliches ohne ärztliches Attest halten wir sowohl für Schule als auch für Uni und Betrieb für sinnvoll, denn mal ehrlich: Wer will sich mit Horrorkrämpfen noch zum Arzt schleppen und dort mehrere Stunden auf einen gelben Schein warten?! Und das jeden Monat auf Neue?!

Aber konkret an der eigenen Schule kann man es auch politisieren, indem man die Schulleitung unter Druck setzt. Sowohl öffentliche Aktionen und Kundgebungen können dazu gehören, aber auch es einfach erst mal selbst zu machen, indem man Hygieneartikel auf den Schulklos auslegt und dazu ein Plakat hängt, was skandalisiert, dass die Schulleitung das nicht selbst macht! Das kann sich lohnen, denn diese Gedanken machen sich viele Menschen, die Perioden haben, und dadurch kann man einen Raum schaffen, indem man darüber spricht und sich organisieren kann und vielleicht sogar erkennt, welche Ungerechtigkeit darüber hinaus noch in der Schule besteht! Wenn ihr dabei Unterstützung braucht, meldet euch doch gerne bei uns!

Daher fordern wir:

  • Kostenlose Menstruationsartikel in allen Schulen, Unis, Betrieben und öffentlichen Toiletten
  • Schluss mit Transfeindlichkeit: Menstruationsprodukte auf allen Klos
  • Unkomplizierte Krankmeldung bei Periodenbeschwerden
  • Kostenlose, öffentliche und saubere Toiletten – überall und 24/7
  • Lehrpläne unter demokratischer Kontrolle der Schüler:innen, Arbeiter:innen und aller Mitarbeitenden der Schule: Wir entscheiden über unsere Aufklärung!
  • Massive Inventionen in die Forschung hinsichtlich Menstruationsbeschwerden, bezahlt von den Profiten der Reichen, die Forschung unter Kontrolle von Arbeiter:innengremien
  • Enteignung der Betriebe, Minimierung der Schadstoffe für Mensch und Natur in Hygieneartikeln und Errichtung einer Planwirtschaft unter Arbeiter:innenkontrolle zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung.

Quellen:

https://www.plan.de/fileadmin/website/04._Aktuelles/Kampagnen_und_Aktionen/Menstruation sumfrage/Plan-3_Pager_Menstruation-A4-2022.pdf

https://www.informationsportal-kinderwunsch.de/resource/blob/201942/a69a4011a67d9fe83c8902d85796a981/zeitbild-medical-endometriose-und-kinderwunsch-a-rztemappe-data.pdf




How To: Einen Schulstreik gegen Rechts organisieren

von Brokkoli Bittner, Mai 2024

Millionen Menschen waren in den letzten Wochen & Monaten gegen Rechts auf der Straße und in den Schulen diskutieren Schüler:innen, wie man die AfD bekämpfen kann. Während immer noch viele davon überzeugt sind, dass man gemeinsam mit den bürgerlichen Parteien den Rechtsruck aufhalten kann, sehen wir darin keine Perspektive. Die AfD hetzt, aber die Ampel macht die passenden Gesetze dazu. Mit ihrer Zustimmung zur GEAS-Reform der Festung Europa haben die Grünen, die SPD und die FDP dafür gesorgt, dass das Asylrecht in der EU faktisch abgeschafft wird. Eine Forderung, wie sie die AfD schon lange aufgeworfen hat. Wir schlagen für uns Jugendliche & Schüler:innen eine andere Taktik vor: Gemeinsam mit euch wollen wir einen bundesweiten Schulstreik gegen Abschiebungen und AfD organisieren. Warum wir dieses Mittel zur Durchsetzung von Forderungen einsetzen und wie man einen Streik organisiert, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Warum überhaupt ein Streik?

Die Schule bestreiken bedeutet, den Unterricht zu boykottieren und stattdessen gemeinsam für ein politisches Ziel auf die Straße zu gehen. Ein Schulstreik legt zwar nicht wie andere Streiks die Produktion oder das öffentliche Leben lahm, aber er ist ein Akt des politischen Massenprotests und stört den „normalen“ Schulbetrieb. Und das ist auch wichtig und richtig, denn dieser Alltag aus Diskriminierung, kaputtgespartem Schulsystem und Abschiebungen ist nicht normal! Ein Schulstreik gibt uns eine Stimme, indem wir uns klar und deutlich gegen Abschiebungen und AfD positionieren, ohne viel Angst haben zu müssen, von der Schule zu fliegen. Es gibt zwar kein Recht auf Schulstreik, aber er ist auch nicht konkret verboten. Und so haben schon viele große Schulstreiks in der Vergangenheit, ob 2008 gegen die Bildungskürzungen, ob 2016 gegen Rassismus, oder ab 2019 in Fridays for Future gezeigt, dass wir durch unsere Streiks etwas erreichen können.

Voraussetzung: Das Thema muss relevant für Schüler:innen sein

Bevor wir die Menschen in unserem Umfeld zu gemeinsamen Aktionen & Protesten aufrufen können, müssen sie die Problematik auf dem Schirm haben. Für alle, die rassistisch oder sexistisch diskriminiert werden, stellt sich diese Frage meistens nicht, da ihr Alltag vom Rechtsruck durchzogen ist: Schlechtere Noten als „deutsche“ Mitschüler:innen, Ansprachen mit den falschen Pronomen & Namen, Beleidigungen und die ständige Angst vor Abschiebungen. Zehntausende Jugendliche in Deutschland haben keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, sondern sind lediglich „geduldet“. Duldung heißt „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“. Und wer soll sich eigentlich auf Mathe konzentrieren, wenn total unklar ist, ob die Duldung nächste Woche noch verlängert wird? Aber spätestens seit der Correctiv-Recherche über Geheimtreffen der AfD mit Rechtsextremen der Identitären Bewegung, gehen Viele auf die Straße, um den Rechtsruck aufzuhalten, die das Problem vorher nicht so deutlich gesehen haben oder geglaubt haben, sie könnten nichts dagegen tun. Man kann also mit Recht sagen, dass Jetzt der optimale Zeitpunkt ist, um gemeinsam Widerstand zu organisieren.

Schritt 1: Mobilisierungen und Druck auf [‘solid], JuSos und die Gewerkschaften/jugenden

Während wir von Schule zu Schule gehen, plakatieren, flyern und unzählige Diskussion führen, die Missstände immer wieder aufs Neue erklären, sollten wir aber eins nicht vergessen: Es gibt bereits eine große Anzahl an Jugendlichen, die erkannt haben, dass sich etwas ändern muss und sich daher einer Jugendorganisation angeschlossen haben, welche sich diese Veränderung auf die Fahnen schreibt. Allein [‘solid] und die JuSos haben zusammen knapp 100.000 Mitglieder. Und beide Gruppen haben den Anspruch formuliert, sich gegen den Rechtsruck zu stellen. Das Problem ist nur, die Führungen dieser reformistischen Organisationen haben kein Interesse daran ihre Mitgliedschaft wirklich zu mobilisieren. Für sie geht es an erster Stelle nicht selten darum, die eigene Karriere in der Partei voranzutreiben, um es sich selbst später einmal nett einzurichten, während man hauptberuflich faule Kompromisse mit den Herrschenden aushandelt. Ihr Problem ist, dass sie letztlich immer die Interessen ihrer Mitglieder verraten müssen, wenn sie nicht bereit sind, den Boden der herrschenden Ordnung zu verlassen. Ähnlich ist es bei den Jugendgewerkschaften, deren Jugendsekretäre häufig vom Apparat selbst eingesetzt und nur noch formal per Wahl bestätigt werden. All das ändert aber nichts daran, dass ihre Basis unter den gleichen Missständen leidet wie wir und diese auch sehen kann. Wenn wir es also schaffen, durch unsere Mobilisierung, und z.B. durch öffentliche Aufrufe, diese Basis in Bewegung zu bringen, so ist auch die Führung zur Handlung gezwungen, will sie nicht ihr noch verbliebenes bisschen Legitimität verspielen wollen. Dasselbe gilt bei der Ausweitung an die Unis bzw. Berufsschulen ebenso für den SDS und in geringerem Maße auch für die SDAJ (Jugendorganisation der DKP (Deutsche kommunistische Partei, entgegen des Namen eher programmatisch reformistisch), die auch mal ihre paar hundert Mitglieder auf die Straße bringen könnte. Genauso wichtig ist Fridays For Future, da sie bereits an den Schulen verankert sind und ihre Mitglieder diese als Räume für politische Kämpfe anerkennen. Auch die Basis von FFF wird regelmäßig von Führungsfiguren wie Luisa Neubauer verraten, die die Ziele und Forderungen der Klimabewegung radikal ausverkauft. Dennoch müssen wir sie zur gemeinsamen Aktion auffordern, denn nur so muss sich Neubauer vor den Augen ihrer Basis rechtfertigen, warum sie letztlich nicht an einem antirassistischen Schulstreik teilnehmen will. Es gilt also, offen auf diese Organisationen zuzugehen und sie von der Notwendigkeit eines antirassistischen Schulstreiks zu überzeugen. Dabei ist die Tatsache, dass die Aktion gemeinsam stattfindet jedoch wichtiger als dass der Schulstreik genau die Form hat, wie wir sie uns vorstellen. Das muss dann in Schritt 2 offen ausdiskutiert und demokratisch beschlossen werden.

Schritt 2: Eine Aktionskonferenz einberufen

Dieser Schritt dient dann dem Zweck offen auszudiskutieren und demokratisch zu beschließen, wie der Schulstreik konkret aussehen kann, was seine genauen Forderungen sein sollen und wie man noch mehr Schüler:innen mobilisieren kann. Um diese Diskussion zu führen, muss also eine Aktionskonferenz einberufen werden, auf der über den Aufruf und den konkreten Streikplan sowie über verschiedene Aktionsformen an den Schulen selbst diskutiert wird. Zu dieser Aktionskonferenz müssen auch die noch skeptischen Teile der Jugend eingeladen werden. Ziel muss es sein, auch mit diesen Teilen zu diskutieren.

Revolutionär:innen haben dabei auch die Aufgabe, die Grenzen von allein auf Schulen und Schülis beschränkten Aktionen aufzuzeigen und auf die Notwendigkeit eines strategischen Bündnisses mit der Arbeiter:innenklasse hinzuweisen. Beim Thema Rassismus muss klar gemacht werden, dass kein:e Arbeiter:in ein Interesse an der ungleichen Bezahlung von Migrant:innen hat. Es muss daher eine Debatte mit den Gewerkschaften über eine Streikbeteiligung geben. Dabei darf die Jugend ihre Kritik an der Gewerkschaft nicht verschweigen und muss klar für die Aufnahme von Flüchtlingen in die Gewerkschaft und für lokale Streikkomitees – nicht nur in den Schulen, sondern auch – in den Betrieben eintreten. Außerdem muss klar sein: Ein Kampf gegen Rassismus muss ein Kampf gegen die Herrschenden sein, denn diese sind dafür verantwortlich, dass Mitschüler:innen abgeschoben werden, migrantische Arbeiter:innen schlechter bezahlt werden und SchülerInnen ihre rassistischen Lehrer:innen nicht abwählen können. Der Kampf gegen Rassismus kann nur erfolgreich sein, wenn er seine materiellen Wurzeln in der kapitalistischen Produktionsweise bekämpft. Doch so wichtig und richtig diese Punkte für Revolutionär:innen sind, machen wir sie nicht zur ultimativen Bedingung für eine gemeinsame Aktion. Das wäre letztlich sektiererisch, schließlich können wir nicht erwarten, dass Jugendliche, die etwas gegen Rassismus machen wollen, automatisch mit einem antikapitalistischen Klassenbewusstsein auf die Aktionskonferenz kommen. Vielmehr müssen wir sie durch die gemeinsame Praxis davon überzeugen–

Schritt 3: Ab auf die Straße!

Wenn wir es geschafft haben, uns auf der Aktionskonferenz über die Erfahrungen an unseren Schulen auszutauschen und gemeinsam demokratisch über die Forderungen des Streiks abgestimmt haben, ist es Zeit, diesen zu organisieren. Wir müssen also all unsere Freund:innen, Mitschüler:innen & Lehrer:innen dazu einladen, an diesem Tag nicht zur Schule, sondern zur Demo oder Kundgebung zu gehen. Vor der Schule Flyer verteilen, ist die optimale Gelegenheit, mit Leute ins Gespräch zu kommen, die man sonst nicht erreichen würde. Zusätzlich hilft es, in der Schule Plakate für den Streik aufzuhängen und den Aufruf über alle möglichen Social Media-Kanäle und Whatsapp-Gruppen zu verbreiten. Gemeinsame Vorbereitungstreffen, z.B. zum Schilder malen sind auch immer motivierend und eine gute Chance zum Vernetzen. Durch das Einberufen einer schulrechtlich verankerten Vollversammlung sorgt man dafür, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommt, man mit allen Schülis gemeinsam diskutieren kann und auch alle wirklich erreicht.

Dann bleibt nur noch das Wichtigste zu tun: Zusammen, zahlreich & laut auf die Straße gehen! In Redebeiträgen müssen wir die aktuelle Situationen in unseren Schulen ganz klar kritisieren, aber auch Geflüchteteninitiativen und die beteilligten Organisationen ans Mikro holen. Auf Schildern & in Parolen ist unser Protest so laut, dass selbst die letzte Schulleitung sie nicht länger überhören kann. Und natürlich beschränkt sich unser Kampf nicht nur auf diesen Tag: So lange, wie unsere Forderungen nicht erfüllt sind, gehen wir auf die Straße und legen den Schulalltag lahm- in unserer Stadt und deutschlandweit. Für eine Zukunft, in der alle Schüler:innen ohne Angst vor Abschiebung & Gewalt lernen können. Für eine sichere & gerechte Bildung, gegen den Rechtsruck!

Link zur JgA-Telegram-Gruppe als QR-Code einfügen: https://t.me/jugendgegenabschiebung




Solidarität mit der queeren Hausbesetzung in Hannover! Für die Enteignung von Wohnraum!

von Revolution Hannover (geschrieben von Leni Kronstadt, Jail, Peter & Charlie), Mai 2024

In Hannover wurde in der Nacht vom 17.5. zum 18.5. am Klagesmarkt ein Haus besetzt. Zeitgleich zum CSD wurde die Besetzung bekannt gemacht. Aktivist:innen hingen Transparente aus den Fenstern, es wurde Pyrotechnik in den Farben der Trans* Fahne gezündet. Von Seiten der CSD-Besucher:innen gab es großen Jubel, Applaus und zustimmende Rufe. Eine Menschenmenge bildete sich vor dem Haus. Es gab antisexistische und antiqueerfeindliche Parolen. Das besetzte Haus steht seit zehn Jahren leer und dient den Besitzer:innen als Spekulationsobjekt. Bereits vor fünf Jahren wurde es schon einmal besetzt, kurz nach der Besetzung allerdings geräumt. Die Besetzer:innen zeigten sich kooperationsbreit, was die Besitzer:innen des Hauses nicht davon abhielt, Anzeige zu erstatten und eine Räumung zu fordern. Nur wenige Stunden nach dem Bekanntwerden der Besetzung griffen Bullen die Kundgebung vor dem Haus mit Pfefferspray und Schlägen an, nahmen Menschen fest und riegelten das Haus ab. Viele Menschen, Besetzer:innen sowie CSD-Teilnehmer:innen wurden verletzt. Die Polizei gab später auf X (ehemals Twitter) an, sie seien vor dem Haus angegriffen worden. Diese Behauptung konnte nicht durch Videos oder Fotos bestätigt werden. Gegen Abend wurde das Haus dann mit Hilfe der Feuerwehr geräumt, da sich Aktivist:innen auf dem Dach des Gebäudes positioniert hatten. Die Besetzer:innen erhielten einen Platzverweis.

Und das alles, obwohl auf jeden obdachlosen Menschen in Hannover gleich mehrere leerstehende Wohnungen kommen und die Stadt Hannover sechs Millionen Euro an Geldern für Jugend und Sozialarbeit streichen will. Die Besetzung hätte eine Türöffnung für einen queeren Safer-Space darstellen können, denn queere Menschen sind immer noch überdurchschnittlich oft von Obdachlosigkeit und Gewalt betroffen. Zudem mangelt es an allen Ecken und Enden an Angeboten und Unterstützung für queere Jugendliche. Statt Wohnraum zu schaffen und ernsthaft das Problem von Wohnungslosigkeit im Kapitalismus anzugehen, werden Wohnungen als Spekulationsobjekt genutzt und Mietpreise in die Höhe getrieben. Sobald dann das Elend, das durch dieses inhumane Wirtschaften mit Grundbedürfnissen von Menschen sichtbar wird, wird eine Verdrängungspolitik mit Bullenwachen und wie in Hannover am Raschplatz mit Freizeitangeboten, die von Security rund um die Uhr bewacht werden, durchgesetzt. Dass diese Verdrängungspolitik allerdings nicht zur Lösung des Problems führt, ist offensichtlich.

Wohnraum muss enteignet werden!

Wir sind solidarisch mit den Hausbesetzer:innen, da besetzte Häuser sicherere und selbstverwaltete Räume ermöglichen können, auch wenn es keine komplett sicheren Räume im kapitalistischen System geben kann. Besonders für diejenigen, die unter den katastrophalen Bedingungen des aktuellen Wohnungsmarktes kein bezahlbares Zuhause mehr finden, stellen sie aber oft eine letzte Rettung dar. Gleichzeitig ist es jedoch wichtig aufzuzeigen, dass Besetzungen allein das Problem der Wohnungslosigkeit nicht lösen können. Es ist ein fester Teil des kapitalistischen Systems und dient dazu, dieses zu stützen: Wer sich nicht genug ausbeuten lassen kann oder will, landet auf der Straße. Um dieses grundlegende Ausbeutungsverhältnis aufzuheben, müssen wir den Kapitalismus überwinden. Da dieser auf Eigentumsverhältnissen beruht, können Besetzungen durchaus ein Werkzeug sein, da sie die Differenzen zwischen den Interessen des Kapitals, das durch den Staat verteidigt wird mit Hilfe der Polizei, und den Interessen der Arbeiter:innenklasse aufzeigen können. Eine wirkliche Problemlösung für die Wohnungsnot stellen sie allein deswegen schon nicht dar, da es meistens für Menschen, die nicht in der linken Szene vernetzt sind, quasi unmöglich ist, die besetzten Räume zu nutzen. Eine reine Besetzung sollte also nicht das einzige Ziel sein, sondern mit dem Fokus auf der Enteignung durchgeführt werden. Es braucht die Kontrolle von Mieter:innen über die Wohnungen, die Enteignung von Vermieter:innen und Immobilienkonzernen und Wohnungsbau unter Arbeiter:innenkontrolle, um das Problem ernsthaft zu lösen.

Queer-Unterdrückung & Kapitalismus

Gerade in Zeiten des Rechtsruckes ist es wichtig aufzuzeigen, dass das Ideal der bürgerlichen Familie im Kapitalismus der Profitmaximierung der Kapitalist:innen dient. Es dient zur Unterdrückung der Frau, ermöglicht eine für den Staat möglichst kostengünstige Reproduktionsarbeit und ist somit behilflich dabei, Gewinn zu maximieren: Care-Arbeit ist Privatangelegenheit und Frauen leisten diese unentlohnt und oftmals allein, während Männer durch ihre Lohnarbeit die Familie finanziell versorgen sollen. Da von diesem Gehalt allein kaum eine Familie überleben kann, leisten Frauen neben ihrer Care-Arbeit meist noch zusätzliche Lohnarbeit. Queere Menschen passen nicht in dieses Weltbild, da sie sich eben nicht so leicht in die vorgeschriebenen Rollen quetschen lassen, was dazu führt, dass queere Menschen angefeindet und als „anders“ angesehen werden. Im Kapitalismus werden also einerseits queere Menschen unterdrückt und ihnen wird zum Beispiel durch unnötige Verbote oder unzureichende Gesetze das Leben schwer gemacht. Zum anderen werden Pride-Fahnen und die CSDs auch immer wieder für Marketing von Konzernen und auch Polizei und Armee genutzt. So auch in Hannover.

Keine Pride mit der Polizei!

Gerade im Pridemonth gibt es unzählige Produkte mit Pridefahnen zu kaufen, und die Polizei hat Infostände und eigene Wagen auf den CSD-Demonstrationen. Obwohl sie es waren, die vor nicht einmal fünfzig Jahren noch prügelnd durch queere Bars randaliert sind und queerfeindliche Gesetze durchgesetzt haben, was überhaupt erst zur Tradition des Christopher Street Days führte. Wie wir wissen: The first pride was a riot! Auch heute prügeln die Cops immer noch auf Queers ein, wie es bei der Kundgebung vor dem besetzten Haus auf unzähligen Videos festgehalten wurde. Die Bullen scheuen immer noch nicht davor zurück, queere Menschen zusammenzuschlagen, die an friedlichen Veranstaltungen teilnehmen. Solche Szenen sind keine „Einzelfälle“, sondern zeigen, welche Rolle die Polizei im Kapitalismus spielt: Sie ist die institutionalisierte und monopolisierte Gewalt des Staates. Das bedeutet, dass sie die Politik des Staates mit Gewalt durchsetzt. Im Kapitalismus steht dieser im Dienste der herrschenden Klasse und verteidigt deren Eigentum, da sie durch diesen Profit erzeugt. Hausbesetzungen stellen diese Eigentumsverhältnisse des Wohnraums eindeutig in Frage und werden damit automatisch von der Polizei zerschlagen. Auch Queers stellen die Herrschaftsordnung des Kapitalismus in Frage, wie weiter oben bereits erläutert. Die Polizei hat also auf dem CSD nichts zu suchen. Sie führt die Interessen des bürgerlichen Staates aus und ist kein Teil der Arbeiter:innenklasse.

Was können wir also aus diesen Erkenntnissen schließen?

Unsere Befreiung wird uns nicht geschenkt werden, wir müssen sie selbst erkämpfen. Vollständige queere Befreiung ist erst nach der Überwindung des Kapitalismus möglich, da dieser Queerfeindlichkeit braucht, um seine Unterdrückungsmechanismen durchsetzen zu können. Trotzdem werfen wir im Hier und Jetzt Forderungen auf, die unsere Situation verbessern können:

  • Polizei und Bundeswehr raus aus dem CSD und unseren Schulen!
  • Enteignung aller Immobilienkonzerne und Kontrolle der Arbeiter:innen über Wohnraum!
  • Für unabhängige Aufarbeitungsstellen zur Untersuchung von Polizeigewalt unter Kontrolle der Arbeiter:innenbewegung!
  • Für demokratisch legitimierte und kontrollierte Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter:innen, Jugendlichen, Queers & Frauen, sowie allen Unterdrückten und Ausgebeuteten des Kapitalismus!

Um erfolgreich gegen unsere Unterdrückung kämpfen zu können, ist es wichtig, dass wir uns organisieren. Wenn du Interesse hast, schreib uns eine DM auf Instagram und komm zu unseren Ortsgruppentreffen!