Migrantische Arbeitskräfte in Deutschland: Ausbeutung mit Tradition

von Sani Meier

Wir alle erinnern uns sicherlich noch an den Corona-Ausbruch im Werk des Fleischproduzenten Tönnies im Juni 2020. Nachdem sich dort innerhalb kürzester Zeit fast 1400 Angestellte infiziert hatten, rückten die Arbeitsbedingungen des
Konzerns zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit: Die meist aus Osteuropa (Rumänien, Bulgarien, Polen) stammenden Arbeitskräfte wurden durch Subunternehmen beschäftigt, wodurch es möglich wurde, deutsche Standards wie den Mindestlohn zu umgehen und den internationalen Markt mit Billigfleisch „Made in Germany“ zu überschwemmen. Diese Subunternehmen locken Menschen mit überzogenen Versprechungen von hohen Löhnen, günstigen Unterkünften und geregelten Arbeitszeiten nach Deutschland, nur um sie dann für überteuerte Transporte und heruntergekommene Sammelunterkünfte zahlen zu lassen. Als Reaktion auf diesen Skandal sind Werk- und Leiharbeitsverträge in der Fleischbranche seit dem 1. Januar 2021 verboten, doch verbessert hat sich dadurch für die Arbeiter_Innen nicht viel: Die Konzerne beschäftigen sie nun zwar direkt, reduzierten aber dafür die Anzahl der Angestellten drastisch beim gleichen Arbeitsaufwand, was die Belastung und den Druck nur weiter steigen ließ. Die Fleischindustrie steht hierbei exemplarisch für ein rassistisches System der Ausbeutung migrantischer Arbeiter_Innen in Deutschland mit jahrzehntelanger Tradition.

“Gastarbeiter_Innen”: Ausbeutung auf Zeit

Diese Tradition nimmt ihren Anfang durch den Mangel an Arbeitskräften in der expandierenden Nachkriegswirtschaft der BRD in den 1960er Jahren. Damals schloss die Bundesregierung Anwerbeabkommen mit Italien, Spanien, Griechenland, Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien ab. Da diese Anwerbung aber keinen dauerhaften Aufenthalt der Arbeiter_Innen in Deutschland vorsah, bezeichnete man diese als „Gastarbeiter_Innen“. Diesen teilte man dann vor allem niedrig qualifizierte Tätigkeiten zu und ließ sie im Akkord am Fließband, Baugewerbe oder Bergbau arbeiten und zahlte ihnen meist niedrigere Löhne als den deutschen Kolleg_Innen. Da die sogenannten „Gastarbeiter_Innen“ sich nicht durch die deutschen Gewerkschaften repräsentiert und inkludiert fühlten und die meisten deutschen Gewerkschaften sie auch nicht unterstützten, organisierten sie sich schließlich unabhängig von diesen gegen die rassistische Benachteiligung in „wilden Streiks“. Im Jahr 1973 streikten mindestens 275.000 Arbeiter_Innen in rund 335 Betrieben. Auch heute, fast 50 Jahre später, ist die Einbindung migrantischer (Leih-) Arbeiter_Innen immer noch eine große Baustelle für die Verbindung von Arbeitskämpfen, und prekäre Beschäftigungsverhältnisse gehören zur grausamen Realität auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

Zeitarbeitsjob vs. Abschiebung

Heute werden migrantische Arbeiter_Innen gezielt durch Zeitarbeitsfirmen angeworben, um in Bereichen wie der Landwirtschaft, dem Bauwesen oder den Lieferdiensten möglichst kostengünstig zu arbeiten. Besonders Frauen trifft es hier hart, da diese meist als Pflegekräfte und Haushaltshilfen eingesetzt werden, also in einem Sektor, der ohnehin schon kaputt gespart wurde, und dann noch zusätzlich durch Geschlecht und Herkunft diskriminiert werden. Konzerne wie Amazon werben gezielt mit Stellen „ohne erforderliche Deutschkenntnisse“: Sie nennen es Vielfalt, wir rassistische Ausbeutung. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung steigt der Anteil an Migrant_Innen unter den Menschen, die trotz Vollbeschäftigung Geringverdiener_Innen sind, stetig an: Zwischen 2013 und 2020 hat er sich sogar verdoppelt. Die Beschäftigung im Zeitarbeitsverhältnis bedeutet auch eine hohe finanzielle Unsicherheit für die Arbeiter_Innen: Die Beschäftigungen sind immer befristet und man kann nie sicher sein, im Anschluss eine neue Stelle zu erhalten oder muss dafür ständig den Standort wechseln. Dass dieses Arbeitsverhältnis auch heute noch meist die Realität für migrantische Arbeiter_Innen ist, zeigt auch, dass der deutsche Staat kein Interesse daran hat, diesen Menschen einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Ähnlich wie in den 1960ern soll man solange bleiben, wie man wirtschaftlich verwertbar ist und danach wieder gehen. Diese Logik zeigt sich besonders deutlich daran, dass man die wirtschaftlich schwache Lage bestimmter Länder ausnutzt, um deren Arbeiter_Innen mit minimal besseren Bedingungen nach Deutschland zu holen, diesen Menschen aber in Asylverfahren das Bleiberecht verwehrt. Mit der Bezeichnung der „Wirtschaftsflüchtlinge“ macht man seit 2016 klar, dass Menschen, die aus wirtschaftlicher Not aus ihrer Heimat fliehen, keinen Anspruch aus Sozialleistungen haben sollen und wieder in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Dieselbe wirtschaftliche Not nutzt man dann aber gerne wieder aus, um die Menschen unter untragbaren Bedingungen auf deutschen Erdbeerfeldern arbeiten zu lassen. Menschen aus Rumänien, Polen und Italien bilden momentan den größten Anteil an migrantischen Arbeitskräften in Deutschland, während diese Länder gleichzeitig in den Top 10 der Zielstaaten deutscher Abschiebungen sind. Im Kampf gegen diese Verhältnisse haben es migrantische Arbeiter_Innen auch immer noch schwer. Viele sozialchauvinistische Gewerkschaften sind in Leiharbeitsbranchen nicht vertreten, weil sie der Meinung sind nur für deutsche Arbeiter_Innen zuständig zu sein. Gleichzeitig kümmern sich auch die Gewerkschaften der Herkunftsländer nicht um die Leiharbeiter_Innen in Deutschland, immerhin haben sie auch gar keine Verhandlungsmacht gegenüber dem deutschen Staat.
Auch nicht Deutsche mit Migrationshintergrund werden immer noch in Gewerkschaften diskriminiert, und arbeiten oft in schlecht bezahlten Branchen mit sehr wenig gewerkschaftlicher Organisierung. Auch heute noch ist der Kampf gegen solche Arbeitsverhältnisse nur im „wilden Streik“ möglich. Am Ende des Tages entscheidet also das Interesse der Kapitalist_Innen darüber, wer auf dem deutschen Arbeitsmarkt besonders hart ausgebeutet wird, denn nur sie profitieren davon, indem sie ihre Gewinne durch die Einsparung von Lohnkosten und Arbeitssicherheitsmaßnahmen maximieren. Zudem wird immer wieder durch rassistische Vorurteile versucht, die Arbeiter_Innen gegeneinander auszuspielen. Wir aber lassen uns als internationale Arbeiter_Innenklasse nicht spalten und stehen solidarisch mit den Ausgebeuteten und Unterdrückten aller Länder, um unseren gemeinsamen Feind, den Kapitalismus zu überwinden…

..und fordern deshalb schon jetzt:

  • Tarifverträge in allen Branchen! Gegen ungleiche Bezahlung und rassistische und sexistische Diskriminierung im Betrieb – Gleiches Geld für gleiche Arbeit!
  • Für ordentlichen Arbeitsschutz und das Einhalten von Verträgen, in bisherigen Leiharbeitsbranchen, stärkere Kontrolle dessen!
  • Gewerkschaften müssen die Organisierung migrantischer Arbeiter_Innen (vor allem Leiharbeiter_Innen) gezielt angehen
    und deren Interessen vertreten! Für einen internationalen Kampf der Arbeiter_Innenklasse!
  • Schluss mit Zeitarbeitsverhältnissen, befristeten Verträgen & Co!
  • Keine weiteren Abschiebungen – Staatsbürger_Innenrechte für Alle



Mit dem Streik zum politischen Streikrecht!

von Flo Schwerdtfeger

Auch wenn der 1. Mai heute nicht mehr der große Streiktag ist, der er mal war, hat das Recht, politisch zu streiken nicht an Relevanz verloren. Was das bedeutet und wie wir es zurück erkämpfen, erfahrt ihr in diesem Artikel: Wir haben uns schon in der letzten Ausgabe der Zeitung mit dem Thema des politischen Streiks beschäftigt. Damals noch in der Verbindung der Streiks des Krankenhauspersonals, der Gorillas-Lieferfahrer_Innen und des Bahnpersonals,
welche alle, relativ zeitgleich Ende letzten Jahres stattfanden.
Diese Streiks zielten in erster Linie auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ab, wie z.B. bessere Bezahlung, unter
anderem um sich an die Inlation anzupassen. Darüber hinaus ging es aber auch um Forderungen, die nicht nur von den
Arbeitgeber_Innen umgesetzt werden können. Im Falle des Krankenhauspersonals ging es auch um die Schaffung neuer Arbeitsplätze, um langfristig Entlastung in der angespannten Lage im Plegesektor zu schaffen. Die Gorillas-Fahrer_Innen sprachen sich ihrerseits für mehr Arbeitsschutz aus, um nicht mit schlechter Technik bei schlechtem Wetter ihr Leben riskieren zu müssen. Diese Forderungen können zwar von den Arbeitgeber_Innen erfüllt werden jedoch nur wenn diese das auch wollen, und niemand kann sie so einfach dazu zwingen, deswegen wäre es besser eine politische Verankerung, die Arbeitsschutz oder ausreichendes Personal zur Plicht macht, zu erkämpfen.
Wenn wir nun den Blick in die Gegenwart richten, wird der politische Streik immer wichtiger. Er könnte der einzige wirkungsvolle Weg sein, den Krieg Russlands gegen die Ukraine zu beenden. Er kann aber auch die Lösung sein, wie wir es schaffen, die Klimabewegung zum Sieg zu führen.

Was ist ein politischer Streik?

Wenn von einem Streik geredet wird, wird damit meist der Arbeitskampf der Arbeiter_Innen eines einzelnen Unternehmens gemeint. Bei dieser Aktionsform ist das Ziel, durch das Niederlegen der Arbeit bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen, beispielsweise bessere Gehälter, Arbeitsschutzmaßnahmen und weitere Dinge, die zwischen Arbeiter_Innen und Bourgeoisie direkt ausgehandelt werden können. Dabei ist das Druckmittel die ausbleibenden Gewinne des Unternehmens, da nichts produziert wird, und somit auch kein Mehrwert generiert werden kann. Es gibt aber auch, wie bereits erwähnt, den politischen Streik. Dieser zielt darauf ab, auch durch das Anhalten der
Arbeit, Forderungen gegenüber der Regierung umzusetzen bzw. diese in ihrem Handeln zu blockieren. In Deutschland
liegt das größte Beispiel dafür in dem Generalstreik, der als Folge auf den Kapp-Putsch geführt wurde. 1920 kam
es zu einem Putsch-Versuch gegen die Weimarer Republik durch reaktionäre Militärs. Dieser wurde mitunter durch die
streikende Bevölkerung beendet und abgewehrt, indem sich Arbeiter_Innen bewaffneten und zwischenzeitlich 300.000 von ihnen im Ruhrgebiet in den Streik traten. Ziel eines solchen Streiks kann es also sein, die Politik in Handlungszwang zu versetzen. Um bei den oben genannten Beispielen zu bleiben, kann so z.B. die Arbeiter_Innenklasse gemeinsam mit den Soldat_Innen einen Krieg beenden. Während die Soldat_Innen den Kampf an der Front nicht weiterführen, werden in der Heimat auch keine Güter und Waffen mehr für den Krieg produziert. Gemeinsam wird so auch enormer Druck auf die Regierung aufgebaut, die ohne die Unterstützung der Bevölkerung den Krieg so gut wie gar nicht weiterführen könnte.

Warum tun wir das dann nicht einfach?

In Deutschland ist der politische Streik jedoch problematisch, da er als illegal gilt. Grund dafür ist, dass dadurch ein Erzwingungsstreik verhindert werden soll. Wie der Name schon sagt, ist das Ziel der Aktionsform, durch den Streik eine
politische Forderung der Streikenden zu erzwingen. Daneben gibt es aber auch den Demonstrationsstreik. Bei diesem wird die Arbeit niedergelegt, um an Demonstrationen teilzunehmen, sie durchzuführen und so auf politische Forderungen aufmerksam zu machen. Dabei bleibt es aber bei dem Demonstrationsstreik – es wird nicht versucht, die Forderungen durch die Aktionsform umzusetzen.
Grundlage für das Verbot des Erzwingungsstreiks ist die Auslegung der parlamentarischen Demokratie. In dieser kann
der demokratische Wille nur in den verschiedenen Wahlen, von Bundestags- bis Kommunalwahlen und den wenigen anderen Möglichkeiten wie Petitionen oder Bürgerbeteiligungen kundgetan werden. Daraus folgt auch, dass das Verbot des Streiks die „Erpressbarkeit“ des Staates vermeiden soll. Ein Streik würde dieses Selbstverständnis brechen und es ermöglichen, thematisch und zeitlich direkter auf den Staat einzuwirken. Dies ist ein absurdes Argument, wenn man sich die massive Korruption/Lobbyismus und damit die direkte Einlussnahme der Kapitalist_Innenklasse auf den Staat ansieht.
Schaut man auf einige Branchen zeigt sich auch sehr schnell, wie schwer ein Streik der Arbeiter_Innen in dieser Branchen das gesellschaftliche Leben zum Stehen bringen könnte: Die Streiks des Bahnpersonals beweisen das immer
wieder, aber auch ein Streik der Lehrer_Innen hätte drastische Folgen, man denke nur an die Aufgeschmissenheit
während der Phasen des Homeschoolings. Und dabei wurden die Kinder noch teilweise betreut, das wäre bei einem Streik vielleicht nur noch sporadisch möglich. Und das sind nur einzelne Gruppen, die streiken. Bei einem
politischen Streik vernetzen sich die Arbeiter_Innen verschiedener Bereiche ja meist für übergeordnete Ziele. So
können sie im Idealfall auch nicht gegeneinander ausgespielt werden, wie es bei jedem Bahnstreik der Fall ist.
Ein anderes Problem welches in dem Zusammenhang mit dem politischen und gewerkschaftlichen Streik zusammenhängt, ist die Untrennbarkeit beider Formen. Politische Streiks wirken sich auch immer auf die Unternehmer aus, es gehört schließlich auch zu dieser Aktionsform. Der gewerkschaftliche Streik wirkt sich ebenfalls bei langer Laufzeit auf die Politik aus, da sie in gewisser Weise immer als Vermittler zwischen Proletariat und Bourgeoisie wirken soll (natürlich nur soweit die Grundsätze der Herrschaft des Kapitals (ihre Besitzverhältnisse) nicht angegriffen werden, und mit dem Ziel den Klassenkampf zu mildern), aus den vorig erklärten Auswirkungen auf die restliche Gesellschaft.

Politische Selbstbestimmung der Arbeiter_Innen statt Illegalisierung!

Es ist ein weiterer Ausdruck der Arbeiter_Innenfeindlichkeit, wie mit dem Streikrecht umgegangen wird: So wenig wie möglich werden Rechte für Arbeiter_Innen eingeräumt. Der politische Streik ist verboten und mit der deutschen Demokratie nicht vereinbar. Sollte er doch durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein, kann es immer noch zu Problemen
mit dem Arbeitgeber_Innen kommen. Gewerkschaftliche bzw. tariliche Streiks sind nur nach Ablauf der Tarifrunden
möglich und können so auch von Arbeitgeber_Innen stark eingeschränkt werden.
Wir sehen an diesem Beispiel aber auch, wie wenig Einluss von uns auf die parlamentarische Demokratie genommen
werden kann und wie starr sie ist. Wir müssen also weiterhin für ein politisches Streikrecht eintreten, als erste Form uns Gehör in dem derzeitigen System zu verschaffen. Wir müssen langfristig aber auch für die Ersetzung der parlamentarischen Demokratie durch die Rätedemokratie eintreten, in der jede Person, dort wo sie lebt,
arbeitet und lernt organisiert ist und sich politisch einbringt. Und damit kommen wir auch wieder zu der Überschrift
zurück: Diese Ziele wird uns die Bourgeoisie nicht schenken, wir müssen sie uns selber erkämpfen, eben mit dem politischen Streik!

  • Gegen die Illegalisierung politischer Streiks!
  • Für eine proletarische Antikriegsbewegung, in der
    Arbeiter_Innen, Soldat_Innen & Jugendliche gemeinsam
    gegen die Kriege der Bourgeoisie streiken &
    kämpfen!
  • Für Streiks am 1. Mai gegen die aktuellen politischen
    Fehler, wie Aufrüstung und schlechte
    Klimapolitik, statt Bier-Trinken und sich selbst
    feiern (von Gewerkschaften, und Linker, sowie
    SPD)



Grundlagen des Marxismus: Warum gibt es immer noch Krieg?

von Felix Ruga

Mit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine hat wirklich kaum jemand gerechnet. Alle dachten, dass Putin niemals so „verrückt“ sein könnte, wirklich eine offene Aggression zu starten. Und trotzdem kam sie dann und seitdem sind sich alle einig – von der Bildzeitung bis zur Bundesregierung -, dass das die Einzeltat eines Verrückten sei, der zu Fall gebracht gehört, dann wird es wieder Frieden in Europa geben. Es ist klar, dass Marxist_Innen widersprechen müssen, wenn große historische Zusammenhänge mit dem Charakter großer Männer erklärt werden, denn wir in den die Ursachen im System. Das wurde in dem Fall genauer in unseren anderen Artikeln zum Thema erklärt, aber der jahrelange Konflikt in der Ukraine geht zweifelsohne um die Frage, welcher Machtblock den größten Einfluss in der Ukraine haben soll: Russland oder die NATO? Und da stellt sich nun die Frage:

Warum gibt es überhaupt Einflusssphären?

Dass die Welt in Einflusssphären eingeteilt wird, ist nichts, was erst mit dem Kapitalismus entstanden ist. Mit Einflusssphären meint man Länder, die wirtschaftlich oder politisch von anderen, stärkeren Ländern abhängig oder sogar gelenkt sind. Das gab es auch schon in vorkapitalistischen Gesellschaften. Im Kapitalismus hat dies die Form der Kolonialisierung angenommen, bei der die Länder Lateinamerikas, Afrikas und Teilen Asiens den Kolonialreichen angeschlossen und dann ausgebeutet wurden. Nach dem 2. Weltkrieg ist die Form der Vollkolonien verloren gegangen und stattdessen überwiegt jetzt die Halbkolonie.

„Halbkolonie“, weil sie formal-politisch unabhängig ist, aber dennoch durch die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem oder mehreren Ländern eine Kolonie ist, also auch politisch hörig.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts veränderte sich etwas Fundamentales im Kolonialsystem und die Arbeiter_Innenbewegung entwarf die Imperialismustheorien, um dies zu beschreiben. Diese besagt, dass der Kapitalismus seinen eigentlichen Zweck erfüllt hat, die Welt in ein globales System zu integrieren, denn dieses System ist nun hergestellt. Die gesamte Welt ist mittlerweile in Großmächte und abhängige Länder aufgeteilt und diese Abhängigkeit ist immer wichtiger geworden, weil das Kapital in den imperialistischen Nationen nicht mehr genug Absatz findet und nun auch in die schwächeren Länder anlegt.

Da die imperialistischen Nationalstaaten vor Allem die Interessen ihrer nationalen kapitalistischen Klasse vertreten, müssen sie stets bestrebt sein, ein möglichst effizientes imperialistisches System aus Halbkolonien aufzubauen, denn je effizienter dieses ist, desto größere wirtschaftliche Potentiale hat man. Das bedeutet nicht unbedingt, dass es dabei immer ausschließlich darum geht, wirtschaftlich relevante Einflusssphären zu behaupten. Bei manchen Ländern geht es mehr um „geostrategische“ Gründe, also dass sie militärisch gut liegen, eine konkurrierende Macht in der Ausbreitung blockieren oder andernfalls eine Gefahr für das eigene imperialistische System darstellen würden.

Und warum kommt es zu Eskalationen?

Oft bedeutet „gute“ imperialistische Politik die Ausweitung der eigenen Einflusssphäre. Dies entspricht im imperialistischen Zeitalter, andere Mächte zu verdrängen. Bei Halbkolonien nimmt das meist zunächst die Form erhöhter wirtschaftlicher Aktivitäten ein. Mit guten Preisen oder günstigen Investitionen möchte man Teile des Marktes in der Halbkolonie an sich reißen. Ab einem gewissen Punkt kann man die wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit dazu ausnutzen, an die Halbkolonie auch politische Forderungen zu stellen. Wenn sich die Halbkolonie nun dagegen wehrt können auch ganz schnell Sanktionen oder Wirtschaftsblockaden erhoben werden, oder reaktionäre Putschbewegungen unterstützt. Oder eine Großmacht geht mit dem Brecheisen vor und marschiert direkt ein.

Dieses Verdrängen der alten Macht ist selbstverständlich eine heftige Provokation. Wenn diese unbeantwortet bleibt und damit die Eskalation einseitig nicht mitgetragen wird, dann bedeutet das auf kurz oder lang, dass die alte Macht ihre Position verliert. Dadurch gibt es einen Zwang, in der imperialistischen Weltpolitik Eskalationen mitzugehen, denn jede Großmacht, die das nicht tut, ist bald keine Großmacht mehr. Diese Konlikte werden nur im Extremfall mit unmittelbarer militärischer Gewalt ausgetragen. Politische Isolation,

wirtschaftliche Sanktionen oder militärische Drohkulissen gehen dem meist voraus und gehören zum gleichen imperialistischen Werkzeugkasten wie der Krieg. Daher auch der bekannte Ausspruch „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Und solange es die imperialistische Konkurrenz gibt, solange wird es auch immer die Gefahr von Krieg geben.

Was machen wir dagegen?

Ein wirkungsvoller Widerstand gegen den Krieg darf nicht beim bloßen Pazifismus stehenbleiben. Einfach nur gegen Krieg zu sein, reicht leider nicht. Wir müssen das System, das den Krieg hervorbringt, überwinden. Deswegen benötigt eine Friedensbewegung eine klare antiimperialistische Haltung, die sich in innerimperialistischen Konflikten auf keine der beiden Seiten stellt, auch wenn die eine Seite aggressiver oder böser wirkt. Wir müssen uns gegen das gesamte imperialistische System aufstellen! Und dafür nehmen wir eine internationalistische Perspektive ein und wollen uns mit den Arbeiter_Innen- und Friedensbewegungen anderer Länder verbünden, wobei jede zunächst den eigenen imperialistischen Nationalstaat zum Hauptfeind nimmt, um nicht gegeneinander ausgespielt zu werden.

Allerdings verteidigen wir immer das Selbstbestimmungsrecht unterdrückter Völker und von Halbkolonien. Wenn wir gemeinsam ein neues, sozialistisches Weltsystem erkämpfen, dann können wir den Krieg auch endgültig beenden!

Daher fordern wir:

  • Für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung gegen den Kapitalismus als Kriegsursache aus Arbeiter_Innen und Unterdrückten
  • Gegen imperialistische Aufrüstung und Militärbündnisse wie NATO oder OVKS
  • Für das Selbstbestimmungsrecht aller Völker und unterdrückten Halbkolonien



SDAJ-Konferenz: Kein Schritt zur Antikriegsbewegung

Jonathan Frühling

Am Samstag, den 23. April 2022, lud ein von der SDAJ geführtes Bündnis, bestehend aus u. a. DIDF, [‚solid], ver.di Jugend, GEW Jugend und Naturfreundejugend zu einer Antikriegskonferenz von Jugendlichen ein. Revolution beteiligte sich mit Genoss_Innen aus verschiedenen Städte daran, auch wenn wir – wie eine Reihe anderer linker Gruppen – nicht in die Vorbereitung involviert worden waren.

Da die SDAJ ihre gesamte Mitgliedschaft mobilisierte, waren ca. 250 Leute anwesend, was sehr beachtlich war. Insgesamt begrüßen wir diesen Vorstoß und haben uns deshalb gerne daran beteiligt. Allerdings hat die Konferenz am Ende mehr den desaströsen Opportunismus der SDAJ zur Schau gestellt, als dass sie die Antikriegsbewegung praktisch oder theoretisch vorangebracht hätte.

Expert:innenvorträge und Workshops

Zu Beginn gab es sogenannte „Expert:innenvorträge“ z. B. von der LINKEN und einem ehemaligen IG Metall-Vorstandsmitglied. Das war zwar zum Teil interessant, allerdings konnten uns diese Leute mit ihrem lauwarmen Reformismus keine Antworten auf Krieg, Aufrüstung und imperialistische Unterdrückung liefern. Es schloss sich eine Workshopphase an, in der relativ frei diskutiert werden konnte. Allerdings war auch hier der Fokus vor allem auf Deutschland gerichtet. Dort brachten unsere Genoss_Innen ein, dass wir uns unbedingt zur NATO und zum Krieg in der Ukraine positionieren müssen, was von der SDAJ kategorisch zurückgewiesen wurde. Am Ende kam eine Frau aus dem Vorstand der SDAJ sogar auf uns zu und hat gesagt, es wäre unsolidarisch, wenn wir das vor dem großen Podium ansprechen würden, weil sich ja die Organisator_Innen im Vorfeld schon geeinigt hatten, dazu zu schweigen!

Die Resolution

Zum Schluss wurde eine Resolution verabschiedet. Sie war allerdings politisch extrem schwach. Es gab KEINE (!) Einschätzung der aktuellen (Welt-)Lage, sondern nur ein paar antimilitaristische Forderungen. Diese sind zwar unterstützenswert, aber fokussieren sich nur auf Deutschland. Zudem reichen sie nicht dazu aus, einer Antikriegsbewegung der Jugend Handlungsorientierung zu geben, zumal sie sich um alle internationalen Fragen drücken. Folgende Worte fanden überhaupt keine Erwähnung: Arbeiter_Innenklasse, Gewerkschaft, Streik, NATO, Russland, (Anti-)Kapitalismus, Imperialismus. Das alleine sollte Beweis genug dafür sein, wie unzureichend die Resolution ist.

Aufgrund unserer Intervention in der Workshopphase fühlte sich der Vorstand der SDAJ dazu genötigt, vor der Diskussion zur Resolution anzukündigen, dass man bitte nichts zu dem Ukrainekrieg sagen soll! Es gebe dazu keine Einigung unter den Gruppen und deshalb hätten die Organisator:innen im Vorfeld beschlossen, die Frage auszuklammern! Als von uns und der MLPD-Jugendorganisation Rebell Anträge zu den Themen imperialistische Aggression, NATO und einem Bezug zur Arbeiter:innenklasse eingebracht wurden, wurde einem unserer Genoss:innen sogar kurzzeitig das Mikrophon aus der Hand gerissen! Die Anträge wurden dann von der Protokollantin zum Teil gar nicht notiert oder mit der Begründung „Es hat ja jemand dagegen gesprochen“ einfach nicht in die Resolution aufgenommen. Eine demokratische Abstimmung zu den gestellten Anträgen fand einfach nicht statt! Diese bürokratische Vorgehensweise war wirklich eine Schande. Da das beschämende Verhalten der SDAJ-Führung offen vor dem gesamten Plenum passiert ist, bleibt zu hoffen, dass das nicht nur uns übel aufgestoßen ist.

Auch praktisch sah es nicht rosiger aus. Die beachtliche Größe dieser Konferenz wurde nicht dazu genutzt, Aktionen wie z. B. dezentrale Aktionen an dem Tag, an dem im Bundestag über den 100-Mrd.-Sonderetat der Bundeswehr abgestimmt wird, zu planen. Stattdessen blieb es bei einem folgenlosen „Beteiligt euch an Aktionen zum 8. Mai (Tag der Befreiung) und zum 1. September (Antikriegstag)!“

Die Tatsache, dass für dieses zentrale Papier nur 20 Minuten für Diskussion, Anträge und Abstimmung geplant waren, zeigt, dass ein demokratischer Prozess zur Erstellung einer Resolution von Anfang an nicht gewünscht war.

Fazit

Die Konferenz hätte dazu genutzt werden können, um die drängenden Fragen zum Thema Krieg und Frieden unserer Zeit zu diskutieren. Es ist so wichtig, dass wir unsere Analysen und Forderungen austauschen und diskutieren. Nur wenn wir verstehen, was gerade passiert und wieso, können wir programmatische Antworten finden und um dieses Programm eine schlagkräftige Bewegung formieren.

Das Argument, dass man alle strittigen Punkte ausklammert und z. B. nicht die NATO kritisiert, damit ver.di die Resolution unterstützt, ist feiger Opportunismus und blockiert den Aufbau einer kämpferischen Antikriegsbewegung. Wie sollen wir die Millionen Gewerkschaftsmitglieder und Jugendlichen von unseren Positionen überzeugen, wenn wir sie ihnen nicht mitteilen und einladen, darüber zu diskutieren?

Leider bleibt zu sagen, dass die Konferenz keinen Schritt in Richtung einer Jugendbewegung gegen Krieg setzte. Am Ende sind wir alle nach Hause gefahren und konnten uns nicht einmal denken: „Schön, dass wir mal drüber geredet haben.“ Denn selbst das war von den Organisator_Innen nicht gewünscht.




Solidaritätserklärung mit Solid Berlin: Sozialistische Positionen gegen bürokratische Angriffe verteidigen!

Der Berliner LINKE-Vorstand plant, die Finanzierung der Jugendorganisation Solid Berlin zu streichen. Solidaritätserklärung linker, sozialistischer und gewerkschaftlicher Gruppen und Einzelpersonen mit Solid Berlin.

Seit Längerem schon kritisiert die Linksjugend Solid Berlin, der Jugendverband der Berliner Linkspartei, den Regierungskurs der Mutterpartei. Am Sonntag, den 10. April, bekräftigte die Landesvollversammlung von Solid Berlin die Gegnerschaft zur Regierungsbeteiligung und forderte den Austritt der LINKEn aus dem Berliner Senat. Ebenso positionierte sich der Verband gegen Krieg und Aufrüstung ohne Unterordnung unter Russland oder unter die NATO, sowie für die entschädigungslose Enteignung von Deutsche Wohnen und Co. Mit diesen Positionen wirbt die Linksjugend Solid Berlin für eine sozialistische Oppositionspolitik im Gegensatz zum Regierungskurs der Parteispitze in Berlin und bundesweit.

Kritik an der Parteispitze zu üben, ist gerade das grundsätzliche Recht des Jugendverbandes und seine Existenzberechtigung. Laut Zeitungsberichten unter anderem des Tagesspiegel vom 14. April sowie des neuen deutschland vom 19. April plant die Berliner LINKE-Landesvorsitzende Katina Schubert jedoch, die Finanzierung des Jugendverbandes zu streichen, weil sie mit den inhaltlichen Beschlüssen der Landesvollversammlung von Solid Berlin nicht einverstanden ist. Mit dieser bürokratischen Methode will die Spitze der Landespartei die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Beschlüssen der Landesvollversammlung von Solid Berlin vom 10. April verhindern, die die Positionen der Linkspartei in Berlin und bundesweit kritisieren.

Insbesondere kritisiert Schubert die beschlossene Positionierung “zur Situation in Israel und Palästina”, die unter anderem ein bedingungsloses Rückkehrrecht für alle Palästinenser:innen, die Benennung Israels als Apartheidsstaat sowie die Unterstützung einer binationalen sozialistischen Ein-Staaten-Lösung auf dem Gebiet des historischen Palästinas beinhaltet. Wie der Neuköllner LINKE-Bezirksverband schreibt, bewegen sich diese Positionen “im Rahmen des Parteiprogramms der LINKEN”.

Unter dem Vorwand des Antisemitismus, befeuert von einer Hetzkampagne des Springer-Blattes DIE WELT, sollen jedoch nicht nur diese Positionen unsagbar gemacht, sondern die gesamte kritische Haltung von Solid Berlin zum Regierungskurs der Mutterpartei mundtot gemacht werden. Dabei schreckten sie auch nicht davor zurück, einen Genossen als jüdische Stimme mundtot zu machen und ihn in der Springerpresse als antisemitisch zu diffamieren . Zum Jahresanfang fielen Teile des Bundessprecher:innenrats durch Hasstiraden gegen Palästinenser:innen auf. Unter anderem bezeichnete ein Mitglied des höchsten Solidgremiums Palästina als ein “Phantasialand”. Der Vorfall bleibt bis dato von der Partei unkommentiert und offensichtlich „im Rahmen des linken Parteiprogramms“.

Wir Unterzeichner:innen erklären uns solidarisch mit Solid Berlin, auch wenn wir hinsichtlich der Positionen des Verbands unterschiedlicher Meinung sein können. Wir lehnen entschieden die bürokratische Methode der Meinungsunterdrückung gegenüber dem Jugendverband ab, die eine antidemokratische Zwangsdisziplinierung darstellen und die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Positionen der Linksjugend Solid Berlin verhindern sollen. In diesem Sinne schließen wir uns den Äußerungen von Ulas Tekin sowie von Ferat Koçak im nd an, die sich klar gegen diese Methode ausgesprochen haben. Wir machen uns auch den Beschluss der LINKE-Basisorganisation Wedding vom 14. April zu eigen: Solid Berlin hat als “eigenständiger Verband, der auch das Recht über einen eigenständigen Willensbildungsprozess hat”, das Recht, die Positionen der LINKEn in Berlin und bundesweit zu kritisieren und eigene Positionen zu vertreten. “Wenn Katina Schubert und andere andere im geschäftsführenden Landesvorstand andere Meinungen vertreten, dann sollte dieser Dissens über Argumente und nicht über Repressionen geklärt werden. Wir fordern daher, dass die Autonomie der Linksjugend [’solid] Berlin vollständig erhalten bleibt und die Parteispitze Ihre Pläne zur Einschränkung der Verfügungsgewalt über die eigenen Mittel beendet.“

Erstunterzeichner:innen

Gruppen:
Migrantifa Berlin
Jewish Bund
Palästina Spricht Bewegung (Koalition für palästinensische Rechte und gegen Rassismus)
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
Jüdisch-israelischer Dissens
„Bundestag 3 für Palästina“ BT3P
RIO / Klasse gegen Klasse
Gruppe ArtbeiterInnenmacht
Revolution
Ko-Kreis LINKE BO Wedding
LINKE Kreisverband Siegen-Wittgenstein
AKL Bünde
linksjugend [`solid] ROSA
linksjugend [`solid] Neuglienicke
linksjugend [`solid] Moabit / Tiergarten
linksjugend [`solid] Stuttgart
linksjugend [`solid] Heidelberg
linksjugend [`solid] Rems-Murr
linksjugend [`solid] Ortenau
linksjugend [`solid] Pforzheim
LAK Klassenkampf Niedersachsen/Bremen
linksjugend [`solid] Links der Weser
linksjugend [`solid] Salzgitter
linksjugend [`solid] Wolfenbüttel
linksjugend [`solid] Braunschweig
Jugendkommune Sara Dorşîn
Berlin for India
Wedding United
Berlin Migrant Strikers
India Justice project

Einzelpersonen:
Ferat Ali Kocak, Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin
Bettina Gutperl, Ko-Kreis BO Wedding und Bundesvorstand DIE LINKE
Ulas Tekin, Mitglied im Landesvorstand von die LINKE Berlin
Leonard Diederich, Mitglied im Bezirksvorstand die LINKE Mitte und Sprecher BO Moabit
Franziska Lindner, Mitglied im Bezirksvorstand die LINKE Mitte
Marius Weichler, Vorsitzender des LinksTreff Wedding e.V.
Thierry Kruber Ko-Kreis BO Wedding
Niklas Schrader, Ko-Kreis BO Wedding
Fabian Nehring, Ko-Kreis BO Wedding
Ava Matheis, Delegierte für den Bezirk Mitte des 8. Landesparteitags die LINKE Berlin
Sungsoo Park, Mitglied in der BO Rixdorf
Robin Bitter, Kreisvorstand LINKE Düsseldorf
Michael Sappir, Mitglied bei SDS Leipzig
Yuval Gal cohen, Aktivstin bei Jüdisch-israelischer Dissens
Shira Bitan, Aktivistin bei Jüdisch-israelischer Dissens
Yossi Bartal, Die LINKE Neukölln
Judith Bernstein, BT3P
Amir Ali, BT3P
Christoph Glanz, BT3P
Yasemin Cetinkaya, Schauspielerin
Soulmade Dam, Produzent

Unterschreibt den Brief sehr gerne mit eurer Gruppe, Linksjugend- oder DIE LINKE Gliederung oder einfach als Einzelperson. Schreibt dafür eine kurze Mail an nord-berlin@solid-berlin.org




SDAJ-Konferenz: Kein Schritt zur Antikriegsbewegung

Jonathan Frühling, REVOLUTION, 25. April 2022

Am Samstag, den 23. April 2022, lud ein von der SDAJ geführtes Bündnis, bestehend aus u. a. DIDF, [‚solid], ver.di Jugend, GEW Jugend und Naturfreundejugend zu einer Antikriegskonferenz von Jugendlichen ein. Revolution beteiligte sich mit Genoss_Innen aus verschiedenen Städte daran, auch wenn wir – wie eine Reihe anderer linker Gruppen – nicht in die Vorbereitung involviert worden waren.

Da die SDAJ ihre gesamte Mitgliedschaft mobilisierte, waren ca. 250 Leute anwesend, was sehr beachtlich war. Insgesamt begrüßen wir diesen Vorstoß und haben uns deshalb gerne daran beteiligt. Allerdings hat die Konferenz am Ende mehr den desaströsen Opportunismus der SDAJ zur Schau gestellt, als dass sie die Antikriegsbewegung praktisch oder theoretisch vorangebracht hätte.

Expert:innenvorträge und Workshops

Zu Beginn gab es sogenannte „Expert:innenvorträge“ z. B. von der LINKEN und einem ehemaligen IG Metall-Vorstandsmitglied. Das war zwar zum Teil interessant, allerdings konnten uns diese Leute mit ihrem lauwarmen Reformismus keine Antworten auf Krieg, Aufrüstung und imperialistische Unterdrückung liefern. Es schloss sich eine Workshopphase an, in der relativ frei diskutiert werden konnte. Allerdings war auch hier der Fokus vor allem auf Deutschland gerichtet. Dort brachten unsere Genoss_Innen ein, dass wir uns unbedingt zur NATO und zum Krieg in der Ukraine positionieren müssen, was von der SDAJ kategorisch zurückgewiesen wurde. Am Ende kam eine Frau aus dem Vorstand der SDAJ sogar auf uns zu und hat gesagt, es wäre unsolidarisch, wenn wir das vor dem großen Podium ansprechen würden, weil sich ja die Organisator_Innen im Vorfeld schon geeinigt hatten, dazu zu schweigen!

Die Resolution

Zum Schluss wurde eine Resolution verabschiedet. Sie war allerdings politisch extrem schwach. Es gab KEINE (!) Einschätzung der aktuellen (Welt-)Lage, sondern nur ein paar antimilitaristische Forderungen. Diese sind zwar unterstützenswert, aber fokussieren sich nur auf Deutschland. Zudem reichen sie nicht dazu aus, einer Antikriegsbewegung der Jugend Handlungsorientierung zu geben, zumal sie sich um alle internationalen Fragen drücken. Folgende Worte fanden überhaupt keine Erwähnung: Arbeiter_Innenklasse, Gewerkschaft, Streik, NATO, Russland, (Anti-)Kapitalismus, Imperialismus. Das alleine sollte Beweis genug dafür sein, wie unzureichend die Resolution ist.

Aufgrund unserer Intervention in der Workshopphase fühlte sich der Vorstand der SDAJ dazu genötigt, vor der Diskussion zur Resolution anzukündigen, dass man bitte nichts zu dem Ukrainekrieg sagen soll! Es gebe dazu keine Einigung unter den Gruppen und deshalb hätten die Organisator:innen im Vorfeld beschlossen, die Frage auszuklammern! Als von uns und der MLPD-Jugendorganisation Rebell Anträge zu den Themen imperialistische Aggression, NATO und einem Bezug zur Arbeiter:innenklasse eingebracht wurden, wurde einem unserer Genoss:innen sogar kurzzeitig das Mikrophon aus der Hand gerissen! Die Anträge wurden dann von der Protokollantin zum Teil gar nicht notiert oder mit der Begründung „Es hat ja jemand dagegen gesprochen“ einfach nicht in die Resolution aufgenommen. Eine demokratische Abstimmung zu den gestellten Anträgen fand einfach nicht statt! Diese bürokratische Vorgehensweise war wirklich eine Schande. Da das beschämende Verhalten der SDAJ-Führung offen vor dem gesamten Plenum passiert ist, bleibt zu hoffen, dass das nicht nur uns übel aufgestoßen ist.

Auch praktisch sah es nicht rosiger aus. Die beachtliche Größe dieser Konferenz wurde nicht dazu genutzt, Aktionen wie z. B. dezentrale Aktionen an dem Tag, an dem im Bundestag über den 100-Mrd.-Sonderetat der Bundeswehr abgestimmt wird, zu planen. Stattdessen blieb es bei einem folgenlosen „Beteiligt euch an Aktionen zum 8. Mai (Tag der Befreiung) und zum 1. September (Antikriegstag)!“

Die Tatsache, dass für dieses zentrale Papier nur 20 Minuten für Diskussion, Anträge und Abstimmung geplant waren, zeigt, dass ein demokratischer Prozess zur Erstellung einer Resolution von Anfang an nicht gewünscht war.

Fazit

Die Konferenz hätte dazu genutzt werden können, um die drängenden Fragen zum Thema Krieg und Frieden unserer Zeit zu diskutieren. Es ist so wichtig, dass wir unsere Analysen und Forderungen austauschen und diskutieren. Nur wenn wir verstehen, was gerade passiert und wieso, können wir programmatische Antworten finden und um dieses Programm eine schlagkräftige Bewegung formieren.

Das Argument, dass man alle strittigen Punkte ausklammert und z. B. nicht die NATO kritisiert, damit ver.di die Resolution unterstützt, ist feiger Opportunismus und blockiert den Aufbau einer kämpferischen Antikriegsbewegung. Wie sollen wir die Millionen Gewerkschaftsmitglieder und Jugendlichen von unseren Positionen überzeugen, wenn wir sie ihnen nicht mitteilen und einladen, darüber zu diskutieren?

Leider bleibt zu sagen, dass die Konferenz keinen Schritt in Richtung einer Jugendbewegung gegen Krieg setzte. Am Ende sind wir alle nach Hause gefahren und konnten uns nicht einmal denken: „Schön, dass wir mal drüber geredet haben.“ Denn selbst das war von den Organisator_Innen nicht gewünscht.




Der Krieg verschärft die Klimakrise

von Dilara Lorin

Aktuell häufen sich die Ereignisse um den Krieg sowie dessen direkten und indirekten Folgen auf unser Leben. So
werden in einigen Städten Deutschlands die Erdgasreserven aufgebraucht, in den Supermärkten indet man kaum planzliches Öl und von den Aufrüstungs- und Kriegsfantasien der imperialistischen Staaten braucht man gar nicht erst anfangen. Und auch wenn der letzte globale Klimastreik am 25.03. stattfand, ist die Frage der Umweltzerstörung eine immer weiter in die Ferne rückende. Wir können schnell erkennen, welche Interessen wichtiger sind im Kampf gegen die Umweltzerstörung und wie viel wichtiger Kriegsprofite zählen. Selbst die Ampelkoalition, die sich als umweltfreundliche Regierung tarnt, schmeißt den Ausstieg der Kohleverstromung bis 2030 nun ofiziell vom Tisch zugunsten der Aufrüstung. Der Krieg wird zum Anlass genommen, die Militärausgaben um weitere 100 Milliarden Euro zu erhöhen. Dabei übersteigen jetzt schon die globalen Militärausgaben die Ausgaben für den Klima- und Umweltschutz erheblich.

Ist Russlands Erdgas plötzlich nicht mehr demokratisch genug?

Es ist anzumerken, dass in der Geschichte erneuerbare Energien erst dann einen Aufschwung erfahren, wenn die imperialistischen Staaten des Westens merken, dass sie abhängig sind vom Erdöl und Erdgas und nicht wenn es eigentlich wichtig wäre, um gegen die Umweltzerstörung anzukämpfen. So verhält es sich aktuell mit dem Erdgas aus Russland, welches in Deutschland einen erheblichen Anteil am Energie- und Wärmeverbrauch besitzt.
Mehr als 50% des Gases in den Gaskraftwerken stammt aus Russland. Die bislang unaufgelösten Versprechungen einer
grünen Transformation erhalten nun einen neuen Zweck, indem gesagt wird, die Abkehr von russischen Energieträgern
diene nicht nur der „nationalen Sicherheit“, sondern auch dem Klimaschutz.
Dabei ist dagegen plötzlich Öl und Gas aus Nicht-Russland gefragter denn je. Und mit dem möglichen Beschluss der EU-Kommission, Erdgas und Atomkraft als „grüne“ Technologie einzustufen, ist die Debatte um Erdgas noch lange
nicht vom Tisch. Begründet wird dies auch in Deutschland mit dem Argument, 100% erneuerbare Energien
gehen nicht von heute auf morgen. Der Regierung geht es jedoch überhaupt nicht darum, wie man auf Öl und Gas verzichten kann. Es ist nur Fassade, dass dreckiges, blutiges und klimaschädliches Diktatorengas aus Russland durch grünes Demokratiegas mit Menschenrechtssiegeln ersetzt wird. Denn die neuen Lieferanten heißen unter anderem Katar, Saudi-Arabien oder Vereinigte Arabische Emirate. Darauf hat der OPEC schon reagiert und die Förderquoten erhöht, also anstatt weniger Kohle, Öl und Gas abzubauen, führt es zu mehr Abbau dieser fossilen Energieträger.
Und das russische Gas bzw. Öl bleibt nicht im Boden, es indet zu erheblichen Preisnachlässen neue Abnehmer_Innen
u.a. in Indien und China. In Deutschland wurde die (obwohl schon fertige) Nord Stream 2 Pipeline nicht in Betrieb genommen, stattdessen soll aufwendig verschifftes Frackinggas aus den USA in unsere Heizungssysteme gepumpt werden. Bei dessen Gewinnung wird Methan freigesetzt, welches für das Klima 87 Mal schädlicher als Kohlendioxid ist. Mit all diesen Entwicklungen ist jedes Gerede über das Einhalten des 1,5-Grad Klimaschutzziel zynisch. Vielmehr geht es um die Energieabhängigkeit Deutschlands und in keinster Weise um das Verhindern der Klimakatastrophe. Man will eigentlich eine neue Handelsrealität schaffen, in welcher Russland eine feindliche Militärmacht ist.
Gas ist eine Ware, die Profit verspricht, und als Brückentechnologie darum vor allem erneuerbare Energien vom Tisch
schmeißt. Es werden im kapitalistischen System, in welchem es nur um die Proitmaximierung geht, keine Investitionen in Windparks, Solarkraftwerke oder andere erneuerbare Energien gesteckt, wenn Gas mehr Proit erzielt. Zurzeit wird es
auch zum Instrument der Machtausübung, also zur Waffe im Kampf um die Neuaufteilung der Welt – der Rest ist moralische Reinwaschung imperialistischer Machtpolitik. Wir erkennen deutlich, von einer tatsächlichen Wende in der
Energieversorgung ist nichts zu erkenne. Der Krieg dient also als Vorwand dafür, konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz zu blockieren, und wird gleichzeitig als Gelegenheit dargestellt, endlich mit dem Klimaschutz anzufangen. Was aber Krieg in Wahrheit mit den menschlichen Lebensgrundlagen in Verbindung bringt, ist nicht deren Rettung, sondern Vernichtung. Und das Klima ist nur eine der Bedrohungen der Lebensgrundlage.

Wie verstärken Kriege selbst die Klimakrise?

Kriege dienen im Kapitalismus dazu, dass imperialistische Staaten ihre Macht weiter ausbauen können, Interessen der Kapitalist_Innen zu verteidigen, Ressourcen sowie Land aufzuteilen und der Vernichtung der Überproduktion durch Zerstörung der feindlichen Wirtschaft. Die Kriege sowie die drohende Klimakatastrophe sind dabei nur einige Facetten eines kaputten und krisenhaften Systems; nur eine, der von Menschen entfesselten Gewalten gegen Menschen. Auch haben Kriege, Aufrüstung und Militarismus einen der größten Anteile an der Umweltzerstörung. Einerseits entstehen bei der Produktion von Waffen, Fahrzeugen, Jets, Schiffen und Raketen enorme Treibhausgase. Militärvehikel und Flugzeuge schlucken riesige Mengen an Treibstoff in Übung und Einsatz. Alleine das US-Militär emittierte mehr als Länder, wie Schweiz und Dänemark und die Ausgaben der US-Regierung im Irakkrieg hätten ausgereicht, um ein Viertel der Energieproduktion der USA durch Windkraft zu ersetzen. Der Krieg in Afghanistan hätte das dann auf drei Viertel erhöhen können! Andererseits werden durch militärische Aktivitäten die Lebensgrundlagen der Menschen zerstört (Boden, Luft, Grundwasser, Natur,…), auf dessen Rücken diese Kriege ausgetragen werden. Dabei wird oft die Natur mit Absicht zerstört so wie die USA in Vietnam, welches durch die bewusste Nutzung vom Entlaubungsgift „Agent Orange“ nach Schätzungen 14 bis 44 Prozents seiner Wälder verlor. An den Spätfolgen des Giftes leiden heute noch etwa eine Millionen Menschen. Auch werden regelmäßig bei militärischen Auseinandersetzungen Wälder verbrannt oder abgerodet, um ein besseres Sichtfeld zu erhalten, so wie im Konlikt zwischen Armenien und
Aserbeijan oder dem türkischen Regime gegen die kurdische Guerilla. Die aktuellen Auswirkungen des Ukraine Krieges auf das globale Nahrungsmittelsystem werden rund um den Globus zu spüren sein und treffen dann vor allem die Ärmsten und Arbeiter_Innen weltweit.

Was können wir tun?

Waffenlieferung, mehr Aufrüstung oder Sanktionen, wie es die Ampelregierung und auch große Teile der Umweltbewegung fordern, sind nicht die Lösung und nicht der Weg, um gegen die Auswüchse des kapitalistischen
Systems zu kämpfen. Umweltzerstörung, Krieg, Ausbeutung, Vertreibung sind nicht unterschiedliche und ohne Verbindung zufällig auftretende Erscheinungen, sondern sind Teil dieses Systems, tief miteinander verlochten und gegenseitig bedingt. Im Krieg müssen Revolutionär:innen in imperialistischen Ländern gegen die eigenen Regierungen kämpfen und sich nicht nur solidarisch mit den Antikriegsbewegungen der anderen Ländern zeigen, sondern gemeinsam international organisieren. Klima-Aktivismus muss auch eine antikapitalistische und damit auch letztlich eine Antikriegsbewegung darstellen. Aktionen des zivilen Ungehorsams dürfen nicht nur gegen Kohlegruben und Abholzung stattinden, sondern müssen auch Rüstungsirmen und Militärtransporte betreffen, so wie es die Arbeiter:innen in Griechenland, Italien und Belarus uns vormachen, in dem sie Waffenlieferungen boykottieren. Ende Gelände hat dabei Ende März schon einen Anfang gemacht. Wir müssen Perspektiven aufwerfen für die Arbeiter:innen in diesen Betreiben, denn letztendlich sind sie es, die mit Streiks das Rad zum Stehen bringen können. Schlussendlich müssen wir uns organisieren und eine Antikriegsbewegung aufbauen, die all diese Kämpfe verbindet.




Antikriegsbewegung aufbauen – aber wie?

Jaqueline Katherina Singh

Seit der Invasion des russischen Imperialismus in die Ukraine hört man öfter das Wort „Zeitenwende“, denn der Krieg hat eine neue eine neue Phase der Weltpolitik eingeläutet. Millionen Menschen sind bisher zur Flucht gezwungen worden, Tausende sind der Kriegsführung zum Opfer gefallen und Unzählige werden noch folgen. Das wirft Fragen auf, die sich viele deswegen stellen: Wie kann das Morden gestoppt werden? Wie kann Frieden hergestellt werden? Diese Fragen haben sich auch die Millionen Menschen gestellt, die ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine Woche für Woche auf die Straße tragen. In unserem Artikel wollen wir beleuchten, auf welcher Grundlage eine Antikriegsbewegung erfolgreich sein kann und wie wir sie aufbauen können.

Was ist Krieg?

Bevor wir uns jedoch konkreten Forderungen widmen, brauchen wir jedoch das Verständnis, dass Kriege ein Ergebnis von Klassengegensätzen im Kapitalismus sind und nicht nur durch machtpolitische Kalküle entstehen oder von „verrückten Diktatoren“ gemacht werden. Auf den ersten Blick wirkt Krieg wie etwas Vermeidbares. Da im Kapitalismus jedoch alle Kapitalfraktionen weltweit in Konkurrenz zueinander stehen und immer mehr Profite akkumulieren müssen, während die Ressourcen der Welt aber endlich sind, kommt es immer wieder zu der Situation, dass sich die Nationalstaaten, die hinter den jeweiligen Kapitalfraktionen stehen, darum bekriegen, wer das größere Stück vom Kuchen abbekommt.

Was bedeutet das konkret?

Anders ist es auch nicht im Falle der Ukraine wie wir an anderer Stelle in dieser Zeitung ausführlich beschrieben haben. Sagt man in diesem Krieg zwischen verschiedenen imperialistischen Blöcken jetzt nur „Hände weg von der Ukraine“ – wie bei dem großen Protesten Ende Februar – und sonst nichts, blendet man die strukturellen Gründe aus, die zu diesem Krieg geführt haben. Aber auch reiner Pazifismus á la „Legt doch einfach alle die Waffen nieder!“ kann nicht die Grundlage einer internationalistischen Antikriegsbewegung sein, weil auch dieser nicht die Wurzel des Problems
angreift und deswegen praktisch recht wenig bringt. Historisch ist leider auch oft geschehen, dass sich die überzeugtesten Pazifist_innen in der Konfrontation der eigenen herrschenden Klasse anbiedern und im schlimmsten Fall zu Kriegsbefürworter_innen werden. Das kann man nicht nur bei ehemaligen Pazifist:innen aus der SPD und den Grünen sehen, die jetzt 100 Milliarden für die Bundeswehr durchgewunken haben, sondern auch bei den NGOs, den Gewerkschaftsführungen und den Spitzen der Linkspartei, die allesamt die Wirtschaftssanktionen akzeptieren. Das lässt uns mit der Frage zurück: Was müssen stattdessen die Grundlagen einer Antikriegsbewegung sein?
Kernforderungen sind:

1. Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Klassenkampf statt nationaler Einheit!

Deutschland und der Westen verteidigen nicht das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine, sondern verfolgen vielmehr das Ziel, Russland als imperialistischen Konkurrenten auszuschalten und die Ukraine dauerhaft zu ihrer Halbkolonie zu machen. Die Behauptung, dass es den herrschenden Klassen Deutschlands oder seiner NATO-Verbündeten um einen Kampf zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Willkür und Menschenrechten ginge, ist eine Lüge. Sie soll nur die Bevölkerung auf Aufrüstung, NATO-Expansion nach Osten, Unterstützung der Sanktionen und ggf. ein direktes militärisches Eingreifen ideologisch vorbereiten und einstimmen. Deswegen ist es wichtig, dass wir hierzulande nicht zu den deutschen Interessen schweigen, sondern klar sagen:

•Nein zu jeder NATO-Intervention! Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen und Waffenlieferungen! Gegen NATO-Ausweitung, sofortiger Austritt aus der NATO!

2. Keinen Cent für den deutschen Imperialismus! Wir zahlen nicht für den Krieg!

Dem neuen militärischen Kurs und der „Zeitenwende“ eines Olaf Scholz sollen wir nicht nur zustimmen, sondern auch noch dafür zahlen. Die 100 000 000 000 Euro für die Bundeswehr sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Es kommen steigende Preise infolge der Sanktionen, die schon jetzt beim Einkaufen deutlich zu spüren sind. Folgen können Sozialabbau, Kürzungen und Steuererhöhungen sein, um die Aufrüstung der Bundeswehr zu finanzieren.

•Keinen Cent für die imperialistische Politik, für die Bundeswehr! Nein zum 100-Milliarden-Programm der Ampel-Koalition!
•Die Kosten der Preissteigerung müssen die Herrschenden zahlen! Wir wollen weder hungern, noch frieren für ihren Krieg!
•Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber_innen unter Arbeiter_innenkontrolle! Übernahme gestiegener Lebenshaltungskosten der
Arbeiter_innenklasse, der Rentner_innen, von Erwerbslosen durch Besteuerung des Kapitals!
•Keine Profite mit dem Morden: Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Umwandlung in z.B. die Produktion von Beatmungsgeräten unter Arbeiter_innenkontrolle!

3. Nein zu Putins Angriffskrieg! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und Antikriegsbewegung in Russland!

Eine Antikriegsbewegung, die diesen Namen verdient, muss die Invasion in der Ukraine verurteilen, den sofortigen Abzug der Truppen und die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Ukraine fordern (genauso wie von der Ukraine jenes der Krim und des Donbass zu verlangen ist). Eine Bewegung, die glaubwürdig gegen die Politik der NATO-Mächte kämpfen will, darf zum russischen Imperialismus nicht schweigen. Gleichzeitig dürfen wir die Kräfte in Russland, die gegen den Krieg kämpfen, nicht isolieren, sondern sollten sie unterstützen.

•Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!
•Solidarität mit der Antikriegsbewegung und der Arbeiter:innenklasse in Russland; Verbreitung der Aktionen gegen den Krieg; Freilassung aller Festgenommen!
•Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger_innenrechte für alle – finanziert durch den Staat; Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!

4. Politischer Massenstreik und Massendemonstrationen gegen jede direkte NATO-Intervention!

Sollten die NATO-Länder zu einer direkten militärischen Intervention z. B. durch die Errichtung von Flugverbotszonen schreiten, muss die Arbeiter_innenklasse unmittelbar gegen diese Eskalation mobilisiert werden, um mit einem politischen Streik bis hin zum Generalstreik die gefährliche Katastrophe zu verhindern und die Kriegstreiberei zu stoppen! Wie sinnvoll solche Aktionen sind, zeigen schon jetzt Arbeiter_innen in Belarus, Italien oder Griechenland, die die Lieferung von Waffen verhindert haben, indem sie sich weigerten, diese zu liefern. Die Ablehnung jeder Klassenzusammenarbeit, jeder Unterstützung der Regierung und ihrer militärischen und wirtschaftlichen Interessen ist nicht nur unerlässlich im Kampf gegen den „eigenen“ Imperialismus, den Hauptfeind im eigenen Land. Sie schafft zugleich auch die besten Voraussetzungen für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung – insbesondere auch in Russland und in der Ukraine. Wenn sich die Lohnabhängige und wir Jugendlichen in Deutschland und anderen
westlichen Ländern gegen die eigenen Regierung stellen, untergraben wir auch den reaktionären völkisch-nationalistischen großrussischen Nationalismus.




#LinkeMeToo: Aus den Fehlern lernen!

Jaqueline Katherina Singh, Infomail 1185, 18. April 2022

Zuerst veröffentlich unter: https://arbeiterinnenmacht.de/2022/04/18/linkemetoo-aus-den-fehlern-lernen/

Der SPIEGEL-Artikel „Entweder wir brechen das jetzt, oder die Partei bricht“ und unzählige Tweets unter dem Hashtag #LinkeMeToo sorgen für Aufregung. Es wird von Missbrauchsvorfällen berichtet innerhalb des hessischen Landesverbandes der Linkspartei sowie der Linksjugend. Unter den zehn Betroffenen, mit denen der SPIEGEL gesprochen hat, ist auch eine Person, die zum Zeitpunkt der Vorfälle 2017/18 minderjährig war. Besonders sticht dies heraus, da mehrere Betroffene sagen, dass führende Mitglieder von den Vorfällen gewusst, aber nichts getan hätten – darunter auch Janine Wissler, aktuelle Bundesvorsitzende der Linkspartei. Ein paar Worte zur beginnenden Debatte.

Sexualisierte Gewalt in linken Strukturen

Zuerst muss klar gesagt werden: Lasst uns bitte nicht schockiert tun! Sexismus und sexualisierte Gewalt sind niemals „das Problem der anderen“. Sie sind Alltag in der gesamten Gesellschaft. Politik und linke Strukturen bilden keine Ausnahme. Sie sind keine Inseln der Freiheit, wo alle unbefangen miteinander leben können.
Das ist auch logisch. Wir alle sind von der bürgerlichen Gesellschaft geprägt, verinnerlichen dementsprechend Rollenbilder sowie Stereotype, die nicht einfach so verschwinden. Gerade in großen Organisationen sind unterschiedliche Wissens- und Bewusstseinsstände normal, auch, weil neue und neu politisierte Menschen hinzukommen. Entsetzt zu sein, dass „so etwas überhaupt jemals passieren konnte“, ist Teil des Problems. Es geht davon aus, dass es sichere Räume geben könne, aus denen ein für alle Mal rückständige Ideen und Verhalten verbannt sein könnten. Das gibt es leider nicht. Gleichzeitig sorgt diese Annahme auch dafür, dass gewaltausübende Personen (Täter:innen) es leichter haben, sich aus der Anklage zu ziehen. Denn wenn es so unglaublich, so unfassbar ist, dass Gewalt stattgefunden hat, ist es auch leichter, Betroffenen nicht zu glauben, zu zweifeln und keine Schritte zur Klärung einzuleiten.

Lasst uns deswegen sagen: Sexismus und sexualisierte Gewalt sind Probleme der Gesellschaft und deswegen ist die Linke nicht frei davon. Das senkt die Hemmschwelle für Betroffene, sich zu erkennen zu geben, und bricht mit der Schweigekultur. Die Frage ist nicht, ob es die Übergriffe überhaupt gibt, sondern welche Strukturen aufgebaut werden, um dagegen anzugehen.

Stellungnahmen und Konsequenzen

Der hessische Landesvorstand hat am 15. April eine kurze Stellungnahme herausgegeben. In dieser wird davon gesprochen, dass dieser Ende November 2021 Kenntnis erlangte und begonnen hat, auf allen Ebenen das Geschehene aufzuarbeiten. Perspektivisch sollen Vertrauenspersonen eingesetzt sowie ein Workshop zur Sexismussensibilisierung organisiert werden. Im Statement der Bundespartei, ebenso vom 15. April, wird klar gemacht: „Patriarchale Machtstrukturen finden sich überall in der Gesellschaft. DIE LINKE ist davon nicht ausgenommen.“ Ebenso wird festgehalten, dass der Parteivorstand im Oktober 2021 die Vertrauensgruppe innerhalb des Parteivorstandes gegründet hat, um Menschen, die innerhalb der LINKEN Erfahrungen mit Sexismus, Übergriffen oder Diskriminierung machen, beratend zur Seite zu stehen. Im SPIEGEL wird dies zwar erwähnt, näher beleuchtet wird die Arbeitsweise und Zusammensetzung dieses Gremiums aber nicht. In den Fokus gestellt wird dafür ein Handout zu den „Vorwürfen sexualisierter Gewalt“ – geschrieben von einem mutmaßlichen Täter.

Es ist gut, dass es die Schritte gegeben hat. Der Kritikpunkt, der intern aufgearbeitet werden muss, lautet: Warum braucht es für die Einrichtung solcher Dinge erst den öffentlichen Druck von Betroffenen? Welche Annahmen hat es gegeben, dass diese nicht schon früher eingeleitet wurden?

Als Antwort auf die Artikel hat auch der Jugendverband einen offenen Brief verfasst, den bisher 500 Mitglieder unterschrieben haben. In diesem werden u. a. gefordert:

  • Transparente und lückenlose Aufklärung aller Vorfälle.
  • Verpflichtende Awarenessstrukturen, deren Mitglieder nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Partei stehen oder Abgeordnete sind.
  • Verpflichtende Seminare zum Thema Awareness und Feminismus für Funktionär:innen und Angestellte.
  • Finanzielle Unterstützung durch DIE LINKE für alle Betroffenen, wenn sie juristische oder auch psychologische Beratung und Hilfe in Anspruch nehmen.
  • Eine Vertrauensperson für Mitarbeitende von Partei, Mandatsträger:innen und Fraktionen, die von Sexismus, verbalen Übergriffen und sexualisierter Gewalt betroffen sind.

Dies sind unterstützenswerte Forderungen. Die Aufarbeitung scheint begonnen zu haben und die Forderung nach Strukturen, die nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Funktionen stehen, ist enorm wichtig. Auf weitere Punkte, die sinnvoll sein könnten, gehen wir im späteren Teil des Artikels ein. Zuerst wollen wir uns jedoch mit einer anderen Frage beschäftigen:

Rücktritt als Lösung?

Ebenso wird in dem offenen Brief auch der Rücktritt aller beteiligten Personen gefordert – ob sie nun selber Täter:in sind oder die Taten anderer gedeckt haben. Dazu soll an der Stelle gesagt werden: Ein Wechsel von Personen bedeutet nicht immer, dass der Umgang sich verbessert und nachhaltige Strukturen geschaffen werden. Vielmehr kommt es auf Einsicht an. Damit ist nicht gemeint, dass alle, die jetzt aufschreien, aus dem Schneider sind. Das heißt: Jene, die beiseite treten, die offen Fehler eingestehen, jene, die den Raum für Aufklärung freimachen, sollten bedacht werden – denn es ist ein Zeichen, mit den Strukturen brechen zu wollen. So hat Janine Wissler selbst eine Stellungnahme verfasst, in der sie zu den aufgeworfenen Fragen des SPIEGEL Stellung bezieht und klarmacht, dass sie nicht wusste, dass es sich für die Betroffene um eine Grenzüberschreitung gehandelt hat. Ob diese ausreichend ist oder nicht, sollte eine Kommission entscheiden – nicht nur bei ihr, sondern allen, die involviert waren. Besagte Kommission sollte aus FLINTA-Mitgliedern bestehen, die unabhängig vom Parteiapparat sind und die verschiedenen politischen Strömungen der Partei repräsentieren. Auch kann so verhindert werden, dass solche Fälle für politische Machtkämpfe um Posten benutzt werden können.
Aber Achtung: Das Problem bei Awarenessstrukturen und Meldestellen liegt immer darin, dass diese nur so effektiv sind wie das Bewusstsein der Leute dort selber. Denn ein Problem, warum Diskriminierungen totgeschwiegen werden und man auf soviel Widerstand bei der Aufklärung stößt, sind die unklaren Konsequenzen. Wer Angst hat, für jeden Fehler abgestraft zu werden, wird das Beste versuchen, diese Fehler unter den Teppich zu kehren, insbesondere wenn Einkommen und Karriere davon abhängig sind. Das ist an der Stelle kein Appell für einen Freifahrtschein für Täter:innen und jene, die sie schützen. Es ist ein Appell dafür, künftig mit den Konzepten von Transformative Justice zu arbeiten, wo es Sinn macht.

Der Kampf für Verbesserung ist ein gesamtgesellschaftlicher

Viele Dinge müssen geschehen. Die Diskussion in DIE LINKE und [‚solid| könnte so einen Beitrag leisten im Kampf gegen Sexismus und Gewalt in der Linken und in der Arbeiter:innenbewegung. Aber wie? Gesamtgesellschaftlich brauchen wir einen anderen Umgang mit sexualisierter Gewalt. Zuerst braucht es eine politische Kampagne, die konkrete Verbesserungen erkämpft. Forderungen, die dringend notwendig sind:

1. Flächendeckende Meldestellen für sexuelle Gewalt!

Für flächendeckende Anlaufstellen zur Meldung von sexueller Gewalt, die ebenso, wenn gewünscht, kostenlose psychologische Beratung anbieten. Dies muss damit verbunden werden, dass es breite Aufklärungskampagnen bezüglich Gewalt an Frauen an Schulen, Universitäten und in Betrieben gibt.

2. Finanzielle Unterstützung für Betroffene!

Im Falle eines konkreten gerichtlichen Prozesses braucht es besondere Unterstützung für die Betroffenen. Dabei reden wir nicht nur von psychologischer, sondern kostenloser Rechtsberatung und Übernahme der Prozesskosten, unabhängig von dessen Ausgang. Darüber hinaus bedarf es längerfristige Hilfeangebote für Betroffene von sexueller Gewalt, finanziert durch den Staat. Solche Verfahren sind keine Kleinigkeit. Deswegen bedarf es des Rechts auf mehr bezahlte Freistellung, zusätzliche Urlaubstage sowie eine Mindestsicherung, angepasst an die Inflation! Dies ist notwendig, um die ökonomische Grundsicherung für Betroffene zu gewährleisten, ihnen überhaupt die Möglichkeit zu geben, sich so einem aufreibenden Prozess zu stellen.

3. Öffentliche Untersuchungen und Verfahren unter Kontrolle der Betroffenen und der Arbeiter:innenbewegung!

Die ersten beiden Forderungen wären im Hier und Jetzt einfach umzusetzen. Die dritte ist nicht so einfach, aber die substantiellste. Solange der bürgerliche Polizei- und Justizapparat die Untersuchungen und Rechtsprechung beherrscht, werden Verbesserungen immer wieder an diesen Strukturen scheitern oder bestenfalls auf halbem Wege steckenbleiben. Es braucht daher vom Staatsapparat unabhängige Untersuchungskommissionen sowie von den Betroffenen gewählte Richter:innen. Diese sollten mehrheitlich aus Frauen und geschlechtlich Unterdrückten zusammengesetzt sein.

Ebenso sollten sie für den Umgang mit Betroffenen von Gewalt sensibilisiert und geschult worden sein. So kann man gewährleisten, dass Entscheidungen hinterfragt werden und nicht abhängig von der männlichen Sozialisierung der Richtenden und Untersuchenden sind. Im Zuge dessen könnte auch das Sexualstrafrecht überarbeitet werden und festhalten, dass das Konsensprinzip „Nur Ja heißt Ja“ eine sinnvolle Grundlage wäre. Warum? Dies liegt dem Ansatz zu Grunde, dass Polizei und Staat zum einen kein materielles Interesse an der Verfolgung solcher Vorwürfe hegen. Zum anderen sind diese Formen wesentlich fortschrittlicher, als wenn jede/r für sich alleine bestimmt, was richtig ist und nicht. Ausführlicher leiten wir das in diesem Artikel her: https://arbeiterinnenmacht.de/2022/03/17/kampf-gegen-sexuelle-gewalt-abseits-des-staates-gegen-oder-mit-ihm/

Und in linken Strukturen?

Der Kampf für so eine Kampagne ist essentiell. Denn linke Strukturen sind aus sich heraus nicht nur meist zu schwach, dauerhafte und professionelle Hilfe für Betroffene zu gewährleisten – was es diesen wiederum erschwert, wieder in politischen Zusammenhängen aktiv zu werden. Sie können und sollen auch keinen Ersatz die Herstellung allgemeiner gesellschaftlicher Rechte im Kampf gegen Unterdrückung bilden. Doch das heißt nicht, dass man bis dahin nichts tun kann. Präventionsarbeit durch beispielsweise regelmäßige Debatten über sexuellen Konsens sind ein Beispiel – unabhängig davon, ob es Übergriffe gegeben hat oder nicht. Dabei braucht es das Verständnis, insbesondere für männlich Sozialisierte, dass ein Ausbleiben eines Ja keine Zustimmung ist. Nur Ja heißt Ja und aktives Nachfragen ist nicht nur nett, sondern notwendig. Zudem braucht es eine Sensibilisierung für den Umgang mit Machtverhältnissen wie Alter, Herkunft oder auch Stellung in der eigenen Gruppe. Für weiblich sozialisierte Menschen macht es Sinn, sich dessen bewusst(er) zu werden und zu lernen, wie die eigenen Bedürfnisse artikuliert werden können. Darüber hinaus braucht es eigene Treffen – Caucusse – für gesellschaftlich diskriminierte Gruppen, die sich über Missstände innerhalb von linken Strukturen austauschen und Veränderungen einfordern.

DIE LINKE hat sicher Mist gebaut. Aber sie hat die Chance, ja die Pflicht, ihre Politik zu ändern. Sie verfügt über die Ressourcen, eine Kampagne zu starten, wie sie hier umrissen ist. Das würde nicht nur den Betroffenen am ehesten gerecht werden. Es kann auch dafür sorgen, dass DIE LINKE mal wieder irgendeinen ernstzunehmenden Kampf führt, was zur Zeit sicher keine/r behaupten kann.




Liebknecht oder Lederer? – Bericht von der 31. LVV von Solid Berlin

Wir spiegeln an dieser Stelle solidarisch einen Bericht von Dan Kedem und Tim Jonat von Solid Nord über die 31. Landesmitgliederversammlung von Solid Berlin. Zuerst erschienen auf Klassegegenklasse.org (https://www.klassegegenklasse.org/liebknecht-oder-lederer/).

Am Sonntag tagte die 31. Landesvollversammlung der linksjugend [‘solid] Berlin. Eine rechte Wende im Verband wurde zwar abgewandt, aber jetzt gilt es den Linkskurs jenseits von Beschlüssen umzusetzen.

Nach einem letzten Mobilisierungsversuch der Parteibürokratie vor Tagungsbeginn startete die 31. Landesvollversammlung der linksjugend [‘solid] Berlin mit unklaren Mehrheitsverhältnissen. Unter anderem wurden Nachwuchskarrierist:innen aus den sogenannten Jugend-Basisorganisationen (Einheiten der Parteibürokratie) mit dem Ziel mobilisiert, rechte Mehrheiten zu sichern und einen reformistischen, an die Parteibürokratie angepassten Kurs innerhalb des Jugendverbandes wiederherzustellen. Die Parteibürokratie hat sich mehrmals über den Kurs des Jugendverbands unzufrieden gezeigt und hat den Wunsch auch öffentlich geäußert (neben zahlreichen Distanzierungen), den Jugendverband wieder auf Kurs bringen zu wollen. Paul Schlüter zum Beispiel, seinerseits Mitglied des Parteivorstands der LINKE Berlin, war als „aktives“ Mitglied bei der Mitgliederversammlung dabei. Formell ist seine Mitgliedschaft durch Zahlung des Mitgliedsbeitrags zwar aktiv, gesehen hat man ihn auf solid Veranstaltungen aber noch nie. Spekulieren kann man nur, ob er von Klaus Lederer persönlich mobilisiert wurde.

Zur Einleitung der Tagung startete diese mit Grußworten der Abgeordneten Katalin Gennburg und Ferat Ali Kocak, welche beide für eine starke Linke und eine „widerständige“ Jugendorganisation appellierten. Gennburg forderte allerdings auch, dass Deutsche Wohnen und Co. enteignen (DWE) unbedingt in die Expert:innenkommission des Senats gehen sollten, nachdem dieser die Forderungen der Initiative von ⅔ der Sitze in der Kommission ignorierte und alles dafür tat, den Volksentscheid zu zermürben. Sie hat den Eindruck gemacht, der Parteijugend einreden zu wollen, dass wirklich an eine Umsetzung mit SPD und Grünen gearbeitet wird, und biederte sich insoweit an die Parteiführung an, dass sie das Gesagte von Katina Schubert am vergangenen Wochenende zu einem möglichen Austritt aus der Koalition, falls DWE nicht umgesetzt wird, wiederholte. Zum Krieg in der Ukraine hatte sie im Gegensatz zu den anderen Grußworten gar nichts zu sagen, obwohl sie alleine fast so lang gesprochen hat wie die anderen beiden zusammen.

Schlussendlich folgte ein Grußwort der Jugendorganisation REVOLUTION, die die starke Zusammenarbeit mit der Solid gegen Rassismus, die Immobilienwirtschaft und für einen starken Antimilitarismus begrüßten. Es folgten starke Appelle an den Jugendverband, welcher sich von seinem reformistischen Kurs abwenden und endlich revolutionäre Positionen vertreten müsse. Dafür sei es auch notwendig, sich der Mutterpartei zu stellen, denn DIE LINKE steht dem revolutionären Anspruch des linken Solid-Flügels diametral entgegen und praktiziert eine bürgerliche Politik, die der Sozialdemokratie identisch ist. Die Solid müsse einen Trennstrich zwischen der eigenen und der bürgerlichen Politik machen und einsehen, dass selbst Reformen immer von Arbeiter:innenkämpfen und eben nicht von Parlamenten ausgingen. Wir hoffen, dass REVOLUTION bereit ist, den Kampf gegen die verräterische Politik der LINKEn mit der Solid aufzunehmen und sie dabei zu unterstützen.

Nach diesem starken Schlusswort ging es in die allgemeine Tagesordnung über.

Wie üblich wurde mit einer rechten Mehrheit im Landesverband das Stimmrecht und dieses Mal auch das Wahlrecht für Sympathisant:innen (passive Mitglieder sowie nicht-Mitglieder des Verbandes) beschlossen, nachdem durch administrative Vorgänge einige Anmeldungen schief gingen und nicht genau klar war, wer aktives Mitglied und wer Sympathisant:in ist. Aufgrund dessen war es noch undurchsichtiger, wie die einzelnen politischen Lager verteilt waren.

Nach einer beschlossenen Generalüberholung der Satzung wurde von Seiten des rechten Flügels des Landessprecher:innenrats versucht, ein weiteres bürokratisches Mittel innerhalb des Landesverbandes durchzusetzen: ein sogenannter Basisgruppenrat, der einzelnen Delegierten weitreichende Befugnisse geben und die rechte Mehrheit unter den Basisgruppen gegen die nach links orientierte Mehrheit im Landesvorstand ausspielen sollte. Dieser Antrag wurde abgelehnt – ein weiterer guter Schritt für das linke Lager im Landesverband, denn so kann bisher zumindest garantiert werden, dass die rechte Mehrheit im Landesverband keine Beschlüsse eines linken Landesvorstands aufheben kann.

Die eigentlich wichtigen Punkte dieser Landesvollversammlung waren allerdings die Nachwahl der freigewordenen Stellen im Landesvorstand der Solid sowie die inhaltliche Antragsphase.

Linke Anträge für Enteignung, gegen Krieg und Aufrüstung

Begonnen wurde mit einem Antrag, der einen Kernteil einer jeden revolutionären Übergangsprogrammatik ausmacht: nämlich die Ablehnung von Entschädigungszahlungen und die Expropriation (Enteignung) der Expropriateur:innen. Im Antrag wird folgendes festgehalten:

  • Ablehnung der Entschädigung
  • Stellung des nationalisierten Eigentums unter Arbeiter:innenkontrolle
  • Verbindung der Frage der Enteignung mit der Frage nach der politischen Macht
  • Ablehnung des bürgerlichen Formalismus, das heißt: der Kampf um die Vergesellschaftung kann sich nicht auf Instrumente einer bürgerlichen Verfassung berufen und deren Umsetzung durch eine bürgerliche Regierung

Zur Überraschung des linken Lagers wurde dieser Antrag, nach starkem Einwand von Rechten, welche sich auf das Grundgesetz beriefen und für eine Entschädigung plädierten, mit einer ⅔-Mehrheit angenommen.

Der nächste Antrag aus dem linken Flügel, welcher den Rausschmiss von Agent:innen des Kapitals aus der Partei DIE LINKE forderte, wurde mit 45 Prozent Ja- zu 45 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Dieser forderte auch den Aufbau einer Partei nach den folgenden Organisationsprinzipien:

  • Funktionär:innen und Mandatsträger:innen für die Partei DIE LINKE verdienen nur einen Arbeiter:innenlohn und sind verpflichtet, den Rest ihres Gehalts an Streikkassen und andere vom Staat unabhängigen Organisationen der Klasse weiterzugeben
  • Die jederzeitige Abwählbarkeit aller Funktionsträger:innen und Mandatsträger:innen
  • Rechenschaftspflichtigkeit gegenüber den unteren Ebenen der Partei
  • Maximale Amtszeitbegrenzung auf zwei Legislaturen

An dieser Abstimmung wurde ersichtlich, dass die Lager auf der Versammlung ungefähr gleichmäßig verteilt waren. Wären allerdings ein Paul Schlüter aus dem Landesvorstand oder Nachwuchskarrierist:innen aus den Jugend-BOs nicht geschickt worden, hätte der eigentliche Jugendverband – zumindest auf Landesebene – sehr wohl ein Interesse an einer antibürokratischen Arbeiter:innenpartei. Die Mutterpartei ist sich jedoch für nichts zu schade und versucht zu sabotieren, wo es nur geht.

Wofür die Stimmen des rechten Lagers nicht genügten, war der nächste Antrag, welcher den sofortigen Austritt der LINKEn Berlin aus der Regierung fordert. Die Bedingungen, welche an eine Fortsetzung der Regierungsbeteiligung geknüpft waren, sind nicht umsetzbar und werden tagtäglich von der Linksfraktion verraten. Deshalb war für die Mehrheit des Jugendverbandes klar, dass die Partei aus der Regierung heraus muss. Ein weiterer Erfolg für das revolutionäre Lager.

Die Forderungen waren:

  • Sofortige Umsetzung von Deutsche Wohnen und co. enteignen
  • Sofortiger Abschiebestopp in der rassistischen Migrationspolitik
  • Sofortiger Abbruch des Autobahnausbaus der A100
  • Sofortiger Stopp der Ausschreibungen für die S-Bahn-Privatisierung
  • Einführung des kostenlosen ÖPNVs in Berlin

Zum Anfang der Versammlung wurde klar, dass im Landessprecher:innenrat die Priorisierung der Anträge kontrovers diskutiert wurde. Dies wurde spätestens deutlich, als mehrere mehr oder weniger unkontroverse Anträge zu Verbandsinterna wie dem öffentlichen Auftreten, eine Logoänderung und die Streichung des Sonderzeichen im Namen aneinandergereiht wurden. Nach einer erfolgreichen Änderung der Geschäftsordnung wurde der Antrag zur Neupositionierung des Berliner Landesverbandes zur Situation in Israel und Palästina vorgezogen. Die Debatte schien zunächst sehr heikel zu werden, schließlich umfasste dieser Antrag mehrere Forderungen, die vom Bundesverband und Partei als inakzeptabel angesehen werden und Positionen, die in der Vergangenheit zu Ausschlussforderungen führten. Folgende Forderungen waren im Antrag enthalten:

  • Unterstützung einer sozialistischen Ein-Staaten-Lösung auf dem Gebiet des historischen Palästinas
  • Anerkennung Israels als Apartheidstaat
  • Rückkehrrecht für alle Palästinenser:innen
  • Benennung des Zionismus als reaktionäre und nationalistische Ideologie
  • Teilnahme des Berliner Landesverbandes an Nakba-Woche

Widerstand kam wieder von der Linken Aktion Lichtenberg, welche den Antragstellenden „Inkompetenz“ unterstellte, da der Zionismus als nationalistische Ideologie gewertet wurde. Das israelische Apartheidregime wurde ebenfalls in der Debatte verneint. Ebenso kam Gegenwind von einer Bundessprecherin, welche darauf hinwies, dass dieser Antrag laut Bundesverbandsbeschluss als antisemitisch einzustufen sei. Die Spaltungslinie zum Bundesverband wurde an diesem Antrag besonders deutlich. Die traditionellen Argumentationsmuster der proimperialistischen Bundesführung, welche sich zur Rechtfertigung ihrer Positionen auf die sogenannte Kollektivschuldthese beruft, zogen bei der Berliner Basis jedoch am Ende gar nicht. Mit großer Überraschung wurde der Antrag nämlich mit absoluter Mehrheit angenommen. Ein großer Erfolg für den revolutionären Flügel von Solid Berlin, da sie nach heftigstem Widerstand innerhalb eines Solid-Verbands eine Mehrheit hinter ihrer Position zur Situation in Israel und Palästina versammeln konnten. Diese Position wird in Deutschland nur von einer handvoll Organisationen vertreten, entspricht jedoch der anerkannten Mehrheitspositionierung von sozialistischen Gruppen weltweit.

Der letzte zu behandelnde Antrag des Tages sollte ebenfalls einer aus dem linken Lager, gegen Krieg und Aufrüstung, sein. Nach einer relativ unkontroversen Debatte – nur die kernrechte Fraktion hatte wieder einmal etwas dagegen – wurde auch dieser Antrag mit absoluter Mehrheit angenommen. Somit positioniert sich die Solid Berlin klar gegen Putins Angriffskrieg, stellt sich aber auch klar gegen Sanktionen und Waffenlieferungen. Ebenso wird die Zerschlagung der NATO und die Umstellung der Rüstungs- auf zivile Produktion gefordert. Der Antrag richtete sich vor allem an die Linkspartei, die sich immer mehr dem deutschen Kriegstaumel anschließt. Am Wochenende waren vor allem Genoss:innen aus Nord-Berlin sowie der Basisgruppe „ROSA“ aus Steglitz-Zehlendorf bei der Antikriegsdemo in Berlin zahlenmäßig gut vertreten, was auf ein breites Mobilisierungspotential für diesen Beschluss schließen lässt. Vor allem hier wird es darauf ankommen, den Druck auf den Landesvorstand aufrechtzuerhalten, beziehungsweise notfalls auch durch öffentliche Kritik größere Mobilisierung durch den gesamten Landesverband zu erwirken.

Weitere Anträge, welche vom linken Flügel kamen – wie zum Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie, zur Nichtanerkennung des Bundessprecher:innenrats, zur Abschaffung der Polizei oder zum Rauswurf der Gewerkschaft der Polizei aus dem deutschen Gewerkschaftsbund -, wurden gar nicht erst behandelt, da diese durch reformistische Kräfte im Landessprecher:innenrat nach ganz hinten geschoben wurden. Dies stellt ein weiteres beliebtes Mittel von rechten Strömungen dar, um unbeliebte Themen gar nicht erst behandeln zu müssen.

Nachwahlen zum Landessprecher:innenrat

Bei den Wahlen wurde es nicht minder spannend, doch mit relativ deutlichen Mehrheiten wurden drei neue Genoss:innen in den Landessprecher:innenrat gewählt. Die Bilanz: Eine rechte Wende wurde zwar abgewendet, jedoch behält der Landesvorstand insgesamt einen linksreformistischen Charakter, obwohl zwei dem revolutionären Flügel nahestehende Genoss:innen gewählt wurden. Ein relativer Erfolg war es, dass Nachwuchsbürokrat:innen der Basisgruppe „Linke Aktion Lichtenberg“ (LiA) verhindert wurden, die unter anderem Sanktionen gegen Russland befürworten und die Position vertreten, es sei egal, wenn an diesen die Zivilbevölkerung leidet. Diese Basisgruppe, die im Übrigen eine der größten Fraktionen zur Landesvollversammlung stellte, vertritt ebenfalls die Positionen, dass es in der Ukraine und vor allem in der ukrainischen Armee keine Faschist:innen gäbe und dass die Linksjugend Berlin sich zum Grundgesetz bekennen solle.

Die Wahlergebnisse lassen vorerst darauf schließen, dass in der restlichen Legislaturperiode des Landessprecher:innenrats kein großer Rechtsdrift ansteht, sodass getroffene Beschlüsse, wie das Kooperationsverbot mit bürgerlichen Parteijugenden oder eine Kampagne gegen das Tesla-Werk, mit der Forderung, das dieses entschädigungslos enteignet und unter Arbeiter:innenkontrolle gestellt gehört, in Teilen des Gremiums Gehör finden. An dieser Stelle soll der Appell an alle linken Mitglieder des Rats gehen, dass wir darauf zählen, die Beschlüsse ernst zu nehmen und den Kampf um diese in die Partei, den Bundesverband und den Landessprecher:innenrat selber hineinzutragen und diese Übergangsforderungen auch öffentlich zu vertreten. Die revolutionären Genoss:innen sollten sich im Klaren darüber sein, dass der LSp:R als bürokratisches Gremium ein Bremsklotz ist, sodass ein gewisser Anpassungsdruck besteht, sich in die bürokratischen Strukturen des Verbandes sowie der Partei hinein zu integrieren. Der Anspruch revolutionärer Genoss:innen innerhalb der linksjugend [‘solid] Berlin ist es, dafür zu kämpfen, in der Perspektive eine leninistische Organisation aufzubauen. Dies schaffen wir nur mit Klarheit des Programms, welches zusammen in Opposition mit revolutionär-sozialistischen Verbündeten umgesetzt werden soll. Die Bildung einer solchen Fraktion innerhalb des Verbandes sowie der Partei sollte oberste Priorität haben und die linken Mitglieder des LSp:Rs dürfen sich dabei nicht vom reformistischen Alltag der Partei zermürben lassen. Im Zweifelsfall kann dies auch nur mit dem Bruch der reformistischen Parteiführung geschehen.

Wie weiter?

Doch was genau bedeutet das alles für die Solid Berlin und für die Linksjugend im Allgemeinen?

Zunächst wurde neben den Genoss:innen aus Nord-Berlin eine Basis für Grundzüge eines revolutionären Programms gefunden. Diese Basis stützt sich eben nicht nur auf eine Basisgruppe, sondern auf die Unterstützung durch andere Genoss:innen des Landesverbandes, die den zum rechten Bundesverband entgegengesetzten Kurs befürworten und sich vom offenen Kampf nicht abschrecken lassen. Das ist erstmal begrüßenswert, doch jetzt kommt es darauf an, als revolutionäre Minderheit diese programmatische Grundlage in eine Oppositionsplattform umzuwandeln, damit der neugewählte, mehrheitlich linksreformistische Landessprecher:innen bei der Umsetzung eben dieser Beschlüsse zu Genüge unter Druck gesetzt wird.

Revolutionär:innen bei der Linksjugend müssen alles dafür tun, dass diese Übergangsforderungen, welche von der Basis beschlossen und legitimiert worden sind, nach außen in der Öffentlichkeit vertreten werden. Der revolutionäre Flügel mag zahlenmäßig eine Minderheit darstellen, jedoch wurde sein Programm mehrheitlich von anderen Genoss:innen befürwortet. Es gilt jetzt, diese Basis für ein anderes Organisationsprinzip zu gewinnen und einen unversöhnlichen Kampf gegen Bundesverband und Partei aufzunehmen, welcher nicht davor zurückschreckt, sich auf die eigene Legitimation zu berufen. Ebenso darf sich dieser Kampf nicht hinter bürokratisch-administrativen Formalien verstecken, Konflikte in der Öffentlichkeit nicht austragen zu wollen. Die Partei ist nach wie vor auf den Jugendverband als Karriereschmiede angewiesen und hat ohne diesen zwar noch die Jugend-BOs, allerdings sind diese für linke Kräfte noch unattraktiver als die Solid an sich. Zu einem gewissen Grad toleriert sogar eine rechte Führung, wie die der Berliner Linkspartei, linke Beschlüsse des eigenen Jugendverbandes, da diese radikale Kräfte in gewohnte und eng gesetzte Bahnen lenkt und mit dem Verweis auf die formelle Unabhängigkeit zur Partei als linke „Spinnereien“ einer Handvoll Jugendlichen abgetan werden können. Die Partei behält sich auch immer vor, dem Jugendverband den Geldhahn zuzudrehen, falls durch bürgerliche Medien ein unerträgliches Ausmaß an Druck erwirkt wird.

Die revolutionäre Minderheit darf sich nicht mit einer formell linken Beschlusslage zufrieden geben. Es muss jeden Tag in der Partei, im Verband und in der Öffentlichkeit um dieses Programm gekämpft und dieses schonungslos nach Außen vertreten werden. Zentristischen Kräften in anderen Verbänden muss gezeigt werden, dass es weder um Posten oder Mehrheiten im Bundesverband geht, sondern um eine alternative Plattform bzw. Opposition, die die bürokratischen Strukturen der Linksjugend und rechte Hegemonie tagein tagaus demaskiert.

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Nachträgliche Anmerkung von uns:
Wie schon in unserem Grußwort am Sonntag gesagt, freuen wir uns sehr über die Wende in Solid Berlin hin zu revolutionärer Politik. Was man zum Text noch ergänzend sagen sollte: Die fortschrittlichen Forderungen, die auf der LVV durchgesetzt wurden, können bloß ein Anfang sein. Diese müssen nun mit Kampagnen verbunden werden, an denen sich möglichst viele Basisgruppen beteiligen sollten. Nur durch gemeinsame und koordinierte Arbeit innerhalb einer revolutionären Organisation, kann diese auch wirklich gesellschaftliche Wirkkraft entfalten. Aber dafür ist nun der Grundstein gelegt!