Wie die EU die Evakuierung afghanischer Geflüchteter sabotiert

von Florian Hiller

Was ist in Afghanistan passiert?

Nach 20 Jahren Besatzung durch die USA und ihre Verbündeten zogen am 29. Juni die letzten Kommandos der Bundeswehr aus Afghanistan ab. Nur einige Wochen später, am 16.08.21, verkündete die afghanische Regierung die endgültige Kapitulation und die „friedliche Machtübergabe“ an die islamistischen Taliban. Die erneute Machtübernahme durch die Taliban, die bereits von 1996 bis 2001 Afghanistan kontrollierten, bedeutet für viele Menschen grausame Zustände. Auch wenn die Taliban-Regierung sich zunächst friedlich gibt, ist zu befürchten, dass Zustände aus den 90er Jahren zurückkehren. Damals wurden Menschen gefoltert, Frauen grundsätzlich unter Hausarrest gestellt und Schulen für Mädchen geschlossen. Deshalb haben vor allem Frauen ein großes Interesse daran, das Land zu verlassen. Besonders gefährdet sind aber auch die Menschen, die während der Besatzung durch die USA und ihren Verbündeten für diese gearbeitet haben, wie zum Beispiel die Ortskräfte, die für die Bundeswehr arbeiteten.
Außerdem sind Menschenrechtsaktivist_Innen, Journalist_Innen, Frauenrechtler_Innen und viele weitere in Gefahr, die den Taliban gegenüber stehen.

Was hat die Bundesregierung für diese Menschen getan?

Am 26.8. endete der deutsche Evakuierungseinsatz am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul. Laut Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer seien 5400 Menschen ausgeflogen worden. Darunter waren 231 Ortskräfte, was ziemlich wenig ist, wenn man bedenkt, dass laut Bundesregierung etwa 2500 Afghan_Innen für Deutschland gearbeitet haben. Natürlich gibt es auch Menschen, die trotz der Gefahr ihre Heimat nicht verlassen wollen. Aber trotzdem lässt sich sagen, dass diese „Evakuierung“ doch eher den eigenen Kräften diente und nicht wirklich der afghanischen Bevölkerung half. Eine weitere Maßnahme, die Außenminister Heiko Maas als super Aktion verkaufte, ist die Unterstützung der Nachbarländer durch Hilfszahlungen. Problematisch ist dabei vor allem die Rolle Pakistans. Die islamische Republik steht unter dem Verdacht, selbst die Taliban zu unterstützen. Die Nationale Widerstandsfront (NRF), bestehend aus afghanischen Pandschir-Kämpfer_Innen, wirft dem pakistanischen Militärgeheimdienst ISI vor, die Taliban dabei unterstützt zu haben, den letzten Bereich der noch Widerstand leistete, das Pandschir-Tal, zu erobern. Auch in der afghanischen Bevölkerung gibt es immer wieder Proteste gegen die Einmischung Pakistans, so auch nach der Eroberung des Pandschir-Tals, als Hunderte in Kabul auf die Straße gingen.
Würdelos, aber nicht überraschend, war die Reaktion von Armin Laschet. Während Menschen bei dem Versuch auf Flugzeuge zu springen, sterben, um irgendwie Afghanistan zu verlassen, fällt ihm nichts Besseres ein, als Deutschland zu versichern, „2015 darf sich nicht wiederholen“.

Und wie sieht es in der restlichen EU aus?

Auf jeden Fall nicht besser. Wieder einmal geht das Geschacher um die Geflüchteten los. Anstatt gemeinsam Menschen in Not zu helfen, wird sich abgeschottet oder die Situation nur für eigene politische Zwecke genutzt.
Nachdem eine größere Anzahl von Geflüchteten aus dem Irak und Afghanistan die polnische Grenze erreichte, rief Polens Präsident Andrzej Duda den Notstand an der Grenze aus. Daraufhin wurde Stacheldraht aufgebaut, Soldat_Innen positioniert und Hilfsorganisationen der Zutritt verweigert. Das führte unter anderem dazu, dass 32 afghanische Geflüchtete wochenlang in einem Wald im Grenzgebiet festsaßen. Vor sich polnische, hinter sich belarussische Soldat_Innen. In Österreich hat sich Kanzler Kurz sofort mit den Worten: „Das wird es unter meiner Kanzlerschaft nicht geben“ gegen jegliche Aufnahme von Geflüchteten ausgesprochen.
Hoffnung macht da nur die Reaktion breiter Teile der Gesellschaft. Umfragen belegen die große Bereitschaft der Bevölkerung in Deutschland, Geflüchtete aus Afghanistan aufzunehmen. Nach dem Meinungsforschungsinstitut „YouGov“ spricht sich eine Mehrheit von 63 Prozent dafür aus.
Außerdem kam es in den Wochen nach der Machtübernahme der Taliban weltweit zu Solidaritätskundgebungen, die die Aufnahme von Afghan_Innen forderten. In Berlin kamen am 28. August ca. 2500 Menschen zusammen.
Auch wir von REVOLUTION beteiligten uns bundesweit an den Aktionen und werfen dabei folgende Forderungen auf:

  • Sofortige und unbürokratische Evakuierung und Aufnahme all jener Menschen, die das Land verlassen wollen/müssen!
  • Offene Grenzen und volle Staatsbürger_Innenrechte für alle!
  • Nein zu Krieg und Besatzung, Stopp aller Waffenexporte!
  • Hoch die internationale Solidarität – Für den Aufbau einer internationalistischen Bewegung gegen Krieg, Besatzung und Fundamentalismus – für ein sozialistisches Afghanistan als Teil einer sozialistischen Räteföderation Nahost!



Black Friday, Cyber Monday: Rabattschlachten in Pandemiezeiten

Leonie Schmidt spricht über Weihnachtsshopping, die Grenzen der Konsumkritik und darüber, warum Enteigung und Arbeiter_innenkontrolle der nachhaltigere Weg sind.

Auch in diesem Jahr fand trotz Corona-Rekordinzidenzen traditionell wieder der Black Friday statt. Das aus den USA importierte Äquivalent zum Sommer- und Winterschlussverkauf stellt einen Tag (oft sogar eine ganze Woche) dar, an dem/in der es teilweise irrsinnige Schnäppchen gibt. Zusätzlich gibt es noch den Cyber Monday, wo besonders das Online-Shopping im Vordergrund steht. Der Black Friday markiert in den USA dabei den Beginn der Weihnachtseinkäufe und wurde erstmals 1966 so genannt. Er ist nicht zu verwechseln mit dem Börsencrash im Oktober 1929, welcher im Deutschen auch als schwarzer Freitag bezeichnet wird.

Seit 2013 ist der Black Friday auch unter diesem Namen in Deutschland bekannt. 2006 warb Apple als erstes in Deutschland mit Schnäppchen am Black Friday – allerdings ohne diesen Namen zu erwähnen. Insbesondere in den USA gibt es auch immer wieder Szenen von Menschenmassen, welche sich um die günstigsten Produkte streiten und bereits in der Nacht in Schlangen vor den Geschäften zelten. In der BRD geht es zwar etwas gesitteter zu – die lockenden Sonderangebote bleiben aber bestehen. Viele nutzen die Angebote auch, um günstige Weihnachtsgeschenke einkaufen zu können. Im Jahr 2020 belief sich der Umsatz des Black Fridays und Cyber Mondays in Deutschland auf 3,8 Milliarden Euro (22 % des Novemberumsatzes). Für 2021 wird ein starker Anstieg um 27 % Prozent auf 4,9 Milliarden Euro prognostiziert (Quelle: Handelsverband Deutschland).

Die Schnäppchen lohnen sich also für den Einzelhandel. Das ist auch insbesondere in und nach Zeiten von Lockdowns und Ausgehbeschränkungen dringend für die KapitalistInnen notwendig, denn die Läden hatten viele Einbrüche in den Jahren 2020 – 2021 zu beklagen. Zwar stieg der Umsatz insgesamt, jedoch verursachten die Covid-Maßnahmen natürlich auch Kosten im klassischen stationären Einzelhandel und viele kauften lieber online ein. Des Weiteren stiegen Rohstoff- sowie Transportpreise (auch wegen coronabedingter Grenzschließungen und der daraus resultierenden Problemen mit der Just-in-time-Produktion).

Alles nur mehr Konsum?

ExpertInnen mutmaßen allerdings, dass der diesjährige Black Friday sich auf das vermeintlich neue Konsumverhalten der Kundschaft einstellen müsse. So seien viele KundInnen mittlerweile bedachtsamer und würden keine Spontankäufe tätigen, sagte die Wirtschaftspsychologin Petra Jagow in einem Radiointerview des rbb. Am Mythos der Spontankäufe bzgl. des Black Fridays wird allerdings weiterhin festgehalten. Insbesondere für die ArbeiterInnenklasse war jegliche Art von Sales und Rabattaktionen weniger ein Anlass, noch mehr zu konsumieren, wie von vielen KonsumkritikerInnen behauptet, sondern eher die Möglichkeit, sich etwas zu kaufen, was sie sich anderweitig gar nicht leisten könnten.

Das trifft insbesondere in Pandemiezeiten zu, denn nicht nur der stationäre Einzelhandel hatte Einstürze zu beklagen, auch die ArbeiterInnen und die lohnabhängige Mittelschicht haben Einkommensengpässe auszuhalten – ob Kurzarbeit oder Jobverlust und dementsprechende Arbeitslosigkeit: Die Pandemie hat ihre Auswirkungen hinterlassen. So befanden sich im April 2020 ca. 6 Millionen Angestellte in Kurzarbeit. Ein Jahr später im April 2021 waren es immerhin noch 2,5 Millionen. Zwar nahmen die Zahlen im Laufe des Jahres 2021 immer mehr ab, jedoch werden sie mit den erneuten Einschränkungen wohl auch wieder steigen; die Arbeitslosenzahl liegt aktuell bei 2,38 Millionen Menschen. Auf der anderen Seite konnten Menschen, die normal weiter verdienten, ihr Geld weniger in bspw. Urlaube oder Unterhaltung und Restaurantbesuche stecken, haben also mehr Kapazitäten für den diesjährigen Black Friday.

Aber – lohnen sich die Rabatte und Sonderaktionen wirklich für VerbraucherInnen? Meist wird mit großen Zahlen gelockt, zwischen 50 – 90 %, heißt es. Aber Untersuchungen zeigen, dass sich die wirklichen Einsparungen im Jahre 2019 eher auf ca. 8 % beliefen. Denn im Vormonat wurden die Preise nochmal ordentlich angezogen und die Prozente beziehen sich oftmals auf die unverbindliche Preisempfehlung und nicht auf den tatsächlichen Verkaufspreis, welcher viel niedriger ist. Vermutlich wird die Einsparung 2021 aufgrund der Pandemie für die KonsumentInnen aber noch geringer ausfallen, nicht zuletzt aufgrund der Inflation, die der ArbeiterInnenklasse das mühsam Ersparte langsam wegfrisst.

Monopol und Fetisch

Für sich genommen sind die Waren, die im Einzelhandel verkauft (verramscht) werden, nicht die großen Gewinnbringerinnen – die Masse macht‘s für den Konsumgütersektor. Wie überall im Kapitalismus hat sich hier eine brutale Konkurrenz zwischen einigen Riesenkonzernen entwickelt, wobei der Onlinehandel als eine zusätzliche Verschärfung dessen gesehen werden muss. Immerhin ist durch ihn der Preisvergleich für KonsumentInnen nie leichter gewesen. Black Friday und Cyber Monday setzen da einfach noch einen drauf, verschärfen den Preiskampf nach unten, dem sich – der Logik der Konkurrenz folgend – keiner widersetzen kann. In dem haben kleine bis mittelgroße HändlerInnen kaum eine Überlebenschance und selbst den großen Fischen (siehe Karstadt) kann das Wasser ausgehen.

Und noch etwas dem Kapitalismus in die DNA Geschriebenes zeigen der Black Friday und Cyber Monday in offensichtlicherer Weise als sonst üblich. Waren treten nicht einfach als das auf, was sie eigentlich sind: einfache Gegenstände und Ergebnisse menschlicher Arbeit, sondern sie werden zum Fetisch. Das ist nicht sexuell zu verstehen, sondern meint, dass die Waren gesellschaftlich überhöht werden und sich als Herrscherinnen über ErzeugerInnen und KonsumentInnen erheben. Etwas Ähnliches passiert, wenn sich bei einer Religion der Gott als Gebieter über den Menschen stellt, obwohl der Mensch die Götter in seinem eigenen Hirn entstehen lässt.

Übrigens wird der Warenfetisch im modernen Kapitalismus noch um einen weiteren erweitert – den Markenfetisch, wobei das Produkt nicht mehr nur ein T-Shirt ist, sondern ein Gucci-Shirt. Das bloße Logo schafft es, das einfache Ding T-Shirt noch begehrter zu machen, weil sich das Label mit dem darin versteckten Vorurteil „edel“ auf die BesitzerInnen überträgt. Auch das findet sich im Preis wieder.

Schließlich: Es wäre falsch, irgendwen für die Schnäppchenjagd zu verurteilen, gerade wenn man sich den lang benötigten neuen Kühlschrank ansonsten kaum kaufen kann oder durch seine Kleidung einfach mal irgendwo dazugehören will. Besser, wir verurteilen das System, dass gerade am Black Friday und Cyber Monday seinen ganzen Irrationalismus zeigt. Waren, die oft am anderen Ende der Welt mit Überausbeutung von verdammt Armen hergestellt werden, landen in Regalen und Onlineportalen. Dort werden sie, mitunter sehnsüchtig erwartet. Einmal im Jahr sind sie doch leistbar für die, die hier zu den Ärmsten zählen. Dagegen auch keine Konsumkritik – wohl aber die Enteignung von Amazon und Co!




Omikron – zurück auf Los?

Jaqueline Katherina Singh spricht darüber, was es mit der neuen Variante des Corona-Virus auf sich hat, welche Gefahren damit einhergehen und was wir dagegen tun können!

B.1.1.529 oder Omikron steht für eine Variante des Corona-Virus, die derzeit die gesamte Welt den Atem anhalten lässt. Der Ursprung scheint im südlichen Afrika zu liegen und wurde zuerst in Südafrika entdeckt. Dort sei laut FAZ die Mutante aufgefallen, als Corona-Infizierte nicht über Geschmacksverlust, sondern unfassbare Müdigkeit klagten. Untersuchungen folgten und führten zur Feststellung: Die Delta-Variante scheint von einer ansteckenderen abgelöst zu werden. Omikron enthält mehr als dreißig Mutationen allein an den Virus-„Stacheln“, also den Spike-Proteinen an der Oberfläche, mit denen sich der Erreger Zugang zum menschlichen Körper verschafft und auf das die meisten derzeit verwendeten Impfstoffe ausgerichtet sind. In der südafrikanischen Provinz Gauteng mit den Städten Pretoria und Johannesburg ist die Zahl der neu registrierten Infektionen exponentiell gestiegen und macht schon neunzig Prozent der zuletzt entdeckten Viren aus. Dazu muss allerdings auch angemerkt werden, dass die vorherige Zahl der Infektionen recht gering gewesen ist. Es könnte sich demnach also auch um einen „Gründereffekt“ handeln – also, dass sich die Viren bislang vor allem in Gegenden mit wenig geimpften Menschen ausbreiten.

Doch die Probleme, welche die neue Mutante mit sich bringen könnte, liegen auf der Hand: Das Virus könnte infektiöser sein und sich dadurch schneller und leichter verbreiten. Es könnte sich aggressiver im Körper ausbreiten und beispielsweise Organe stärker befallen oder – das größte Schreckgespenst von allen – es könnte die derzeit verbreiteten Impfstoffwirkungen umgehen und die erste wirkliche „Escape-Mutante“ darstellen, gegen die die Impfstoffe nicht mehr oder in einer stark geschwächten Form wirken.

Isolation statt Lösung

Angesichts dieser Aussichten ist es nicht verwunderlich, dass von der Leyen am Freitag bekannt gab, dass durch Fluggesellschaften „nur noch deutsche Staatsbürger nach Deutschland befördert“ werden dürfen. Außerdem müssten alle Eingereisten – auch vollständig Geimpfte – für 14 Tage in Quarantäne. Die EU hat darüber hinaus auch Flugreisen von anderen Ländern im südlichen Afrika unterbunden. Die erste Reaktion gleicht jener beim Auftreten der ersten Virusvariante 2019. Es wird versucht sich zu isolieren, um sich zu schützen. Was als hartes Durchgreifen und starke Schutzmaßnahme wirken soll, ist allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Zwar wurde der Flugverkehr eingestellt, aber die ersten Fälle sind schon angekommen unter anderem in Großbritannien, Dänemark, Tschechien, Deutschland. In den Niederlanden strandeten am Amsterdamer Flughafen Passagiere aus Südafrika. Laut der niederländischen Gesundheitsbehörde GGD gab es 61 positive PCR-Tests, 13 dieser positiv getesteten Personen wurden anschließend positiv auf Omikron getestet. Darüber hinaus wurden nun auch in Schottland  die ersten Fälle von potentiellen Omikron-Infektionen bekannt, die nicht mit einer Reise in das südliche Afrika in Verbindung gebracht werden können. Eine schon stärkere Verbreitung des Virus in der schottischen Gesellschaft wird dadurch nahegelegt.

Die Ausweitung in Europa wird als „hoch bis sehr hoch“ eingeschätzt. Wundert das? Eigentlich nicht. Schließlich können die aktuellen Regelungen nicht mal der Delta-Variante Einhalt gebieten. Vielmehr platzen aktuell in Deutschland die Intensivstationen aus allen Nähten, sodass an manchen Orten die Triage beginnt. Gründe dafür sind unter anderem: eine ungenügende Impfkampagne, die es nicht geschafft hat, die Zahl der Impfungen rechtzeitig zu erhöhen.

Notwendig wäre ein solidarischer Lockdown, der nicht nur den Freizeitbereich, sondern auch alle gesellschaftlich nicht notwendige Arbeit betreffen müsste, verbunden mit einer internationalen Zero-Covid- Strategie sowie einem massiven sozialen Schutzschirm, finanziert durch eine Besteuerung der großen Kapitale und Vermögen. Das heißt unter anderem auch 100 % Lohnfortzahlung für alle, die nicht arbeiten gehen können, das Verbot von Mietpreissteigerungen, Zwangsräumungen und Wohnungskündigungen. Ebenso eine massiven Ausbau und Investitionen in das Gesundheitssystem, eine  Einkommenserhöhung von mindestens 500 Euro/Monat für alle in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Beschäftigten. Stattdessen gibt es mal wieder halbgare Lösungen: unterschiedliche 3G-, 2G-, 2G+-Regelungen, um die Wirtschaft nicht zu stark zu belasten.

Gebt die verdammten Patente frei!

Noch ist unklar, welche praktischen Folgen die Mutationen von Omikron genau haben werden und wie wirksam die Impfstoffe sind. Die bisher gemeldeten Fälle scheinen zumindest keinen schwereren Krankheitsverlauf mit sich zu bringen. Insgesamt ist es auch wenig vermeidbar, dass Mutationen an sich entstehen. Allerdings hätte man die Wahrscheinlichkeit absenken können.

In Südafrika sind bisher 26 % der Bevölkerung geimpft. Mit dieser Quote steht es im afrikanischen Vergleich noch gut da. Länder mit höheren Quoten auf dem Kontinent sind nur Botswana (36 %, Marokko 65,6 % und Tunesien 50,7 %). Es folgen Länder wie Algerien, Angola, Lesotho, deren Impfquoten zwischen 10 % und 25 % liegen. Alle anderen liegen darunter. Ende November 2021 sind laut Al Jazeera erst 6,6 % der Bevölkerung des Kontinents geimpft, obwohl die afrikanische Gesamtbevölkerung rund 16 % der Weltbevölkerung ausmacht. Eine Folge der Impfunwilligkeit? Wohl kaum.

Bei der Sicherung der Impfstoffe hieß es von Anfang an: Wer zahlt, kann seine Bevölkerung schützen. Die imperialistischen Länder werden davon also begünstigt. Jene wie Deutschland, die Biontech beherbergen, profitieren von dieser Regelung auch noch.

Der Kontinent leidet also unter einem Mangel an Impfstoffen, der durch die fehlenden Lieferungen von Covax, der globalen Initiative zur gemeinsamen Nutzung von Impfstoffen, noch verschlimmert wird. Das Problem wurde dadurch zusätzlich verschärft, dass imperialistische Länder, die sich zur Unterstützung der Initiative verpflichtet haben, nur einen Bruchteil der versprochenen Dosen lieferten oder aber Länder wie Deutschland Impfstoffdosen nicht an andere Länder verschicken können, da in den Kaufverträgen mit den HerstellerInnen (z. B. Moderna) ein Weitergabeverbot verankert wurde. Anstatt überschüssige Dosen spenden zu dürfen, möchten die Impfstoffhersteller lieber ein weiteres Geschäft in den afrikanischen Ländern machen. Einen großen Rückschlag erlebte Covax, als Indien in Folge seiner katastrophalen Pandemie-Lage am 22. April 2021 alle Impfstoff-Exporte einstellte. Um diesen Ausfall auszugleichen, sagte die EU bis Jahresende Spenden von mindestens 100 Millionen Impfdosen zu, Deutschland soll davon 30 Millionen Dosen stellen. Doch die für Dezember geplante Abgabe von 5,8 Millionen Dosen Biontech-Impfstoff wurde auf Grund der gestiegenen Nachfrage aber verschoben. Die Booster-Impfungen in den kommenden Monaten werden jedoch auch nicht dafür sorgen, dass sich diese Lage rasch verändert.

Zwar haben die Impfstofflieferungen in den letzten drei Monaten zugenommen. Seit Februar 2021 hat Afrika 330 Millionen Dosen aus der Covax-Fazilität, dem African Vaccine Acquisition Task Team und bilateralen Abkommen erhalten. Allerdings wurde der Großteil davon, rund 83 %, erst seit August geliefert.

Insgesamt zeigt das auf: Auch hier sind die Profite wichtiger als Menschenleben. Das hat nicht nur fatale Folgen in halbkolonialen Ländern, sondern für die gesamte Welt, wie uns das Auftreten der neuen Omikron-Variante deutlich vor Augen führt. Daher sollten wir alle für eine Aufhebung der Patente und eine globale Ausweitung der Produktionskapazitäten der Vakzine eintreten. Genauso wichtig ist aus bereits genannten Gründen die Forderung nach einem umfassenden Technologie- und Wissenstransfer sowie Bereitstellung von personellen Ressourcen, um die weltweiten Produktionskapazitäten für diese Art von Impfstoff stark auszubauen. Um global einen gerechten Zugang zu Impfstoffen durchzusetzen, muss zusätzlich auch die weitreichendere Forderung nach vollständiger Enteignung der Pharmakonzerne sowie des gesamten Gesundheitssektors unter Kontrolle der Lohnabhängigen auf die Tagesordnung gesetzt werden. Denn es herrscht nicht nur eine ungleiche Verteilung von Impfstoffen, sondern auch von Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung insgesamt.

Was braucht es, damit das Realität wird?

Bloßes Bitten wird nicht reichen, diese Forderungen umzusetzen. Auch einzelne Proteste oder Schreiben von ÄrztInnen reichen nicht aus, die bürgerlichen Regierungen dazu zu bringen, die Profite der Pharmaindustrie zu schröpfen. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, braucht es einen solidarischen Kampf der gesamten ArbeiterInnenklasse und ihrer Organisationen, allen voran den Gewerkschaften, der nicht nur auf Demonstrationen setzt, sondern auch auf Streiks und betriebliche Aktionen. In der aktuellen Lage, in der es Kampagnen wie #ZeroCovid nicht geschafft haben, eine breite Masse für sich zu gewinnen, und sich die radikale Linke zum Großteil in Passivität wiegt, scheint auch das fast unmöglich. Darüber hinaus haben die widersprüchliche und konzeptlose Politik der bürgerlichen Regierung und die faktisch Aufgabe einer eigenen Politik durch Gewerkschaften, Sozialdemokratie, linke Parteien und eines Großteils der radikalen Linken auch das Wachstum der reaktionären QuerdenkerInnen und der Rechten, die sich als „FreiheitskämpferInnen“ gerieren, gestärkt.

Deshalb bedarf es eines Kurswechsels, mag er auch schwer zu bewerkstelligen sein. Es ist die Aufgabe von RevolutionärInnen, ja allen klassenkämpferischen Kräften, Forderungen in aktuelle Auseinandersetzungen wie Streiks reinzutragen. Der Gesundheitssektor steht in vielen Regionen faktisch vor dem Zusammenbruch, die Lage an den Schulen ist aberwitzig. Allein das wären unmittelbare Anknüpfungspunkte. Ein solidarischer, rascher Lockdown ist notwendig, um die Zahl der Neuinfektionen zu senken. Um das durchzusetzen, reichen Sharepics nicht, sondern es müssen Betriebsversammlungen organisiert werden, bei denen auch die Frage eines solidarischen Lockdowns, die Forcierung einer Impfkampagne sowie die Freigabe der Patente diskutiert und gefordert werden. Um die Beschäftigten für betriebliche Aktionen bis hin zu Streiks zu gewinnen und eine breite gesellschaftliche Bewegung aufzubauen, müssen wir jedoch auch organisiert und gemeinsam gegen die zu erwartende Hinhaltetaktik der Gewerkschaftsapparate vorgehen. Das politische Versteckspiel während der Pandemie, das illusorische Hoffen auf die „SozialpartnerInnenschaft“ mit Kapital und Kabinett hat mit dazu beigetragen, dass die Lohnabhängigen, die ArbeiterInnenklasse im Kampf gegen das Virus nicht als politische und soziale Kraft in Erscheinung tritt. Es ist die Aufgabe oppositioneller GewerkschafterInnen, diese Auseinandersetzung zu forcieren – im Interesse der gesamten Klasse.




deutschrapmetoo – Wird Hip Hop jetzt feministisch?

von Sani Meier

Nachdem Nika Irani dieses Jahr auf Instagram ihr Vergewaltigungsouting gegen den Rapper Samra öffentlich gemacht hat, ist in der deutschen Hip-Hop-Szene eine längst überfällige Debatte über sexualisierte Gewalt ausgebrochen, die so viel Aufmerksamkeit und Kontroversen erregt, wie nie zuvor. Mittlerweile äußern sich immer mehr Frauen mit ähnlichen Erfahrungen, sodass sich bereits nach kurzer Zeit die Initiative „deutschrapmetoo“ gründete, welche die Berichte Betroffener veröffentlicht und sie bei der Aufarbeitung unterstützt. Es zeichnet sich mittlerweile ab, wie tief verankert sexualisierte Gewalt gegen Fans und Kolleginnen ist, aber auch, wie effektiv Täter durch Managements und Labels geschützt werden. Während viele Künstler vor allem damit beschäftigt sind, Samras Unschuld zu verteidigen, wird innerhalb der Szene darüber diskutiert, wie es überhaupt so weit kommen konnte: Sind sexistische und gewaltverherrlichende Texte das Problem, Plattenlabels und Managements, die diese tolerieren oder ist Gewalt am Ende einfach Teil der Hip-Hop-Kultur?

Nikas Entscheidung, sich offen zu diesem bisher tabuisierten Thema zu positionieren, ist extrem mutig und hat weitreichende Folgen mit sich gebracht. Während sie nun von Samras Anwält_Innen verklagt und von seinen Fans auf der Straße beleidigt und geschlagen wird, muss sie sich fast täglich Diffamierungsversuchen entgegenstellen, die ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen sollen. Sei dies aufgrund der Tatsache, dass sie als Erotikmodel tätig ist und damit für viele Menschen gar nicht erst in der Lage sei, sexuelle Gewalt zu erfahren, oder aber, weil sie aus Misstrauen gegenüber der Polizei und Justiz zu Beginn auf einen Strafprozess verzichten wollte. Dass in Deutschland von 100 Vergewaltigungen im Schnitt nur 1 zu einer Verurteilung führt und dieser Prozess für Betroffene extrem retraumatisierend sein kann, wird dabei gerne ignoriert. Diese Reaktionen sind leider nicht überraschend und spiegeln wider welchen Widerständen Betroffene von sexuellen Übergriffen häufig ausgesetzt sind – vor allem wenn sie gegen weitaus mächtigere Täter aussagen.

Gleichzeitig hat sie damit aber auch den Startschuss für eine Debatte gegeben, die den Diskurs über Sexismus innerhalb der Szene neu bestimmen könnte. Übergriffe öffentlich zu machen, ist ein sinnvoller und oft notwendiger erster Schritt. Auch muss sich an den Machtstrukturen innerhalb der Musikindustrie einiges ändern, sodass sexistische und übergriffige Künstler in der Zukunft keine Bühne mehr bekommen und ihre Managements sie nicht weiter schützen können. Gleichzeitig ist es aber unbedingt notwendig, zu erkennen, dass Sexismus und sexualisierte Gewalt keine Probleme der Hip-Hop-Szene an sich sind, sondern strukturelle Unterdrückungsmechanismen, die wir ebenso in jedem anderen Bereich unserer Gesellschaft wiederfinden und bekämpfen müssen.

Die Unterdrückung von Frauen entspringt der geschlechtlichen Arbeitsteilung im Kapitalismus, nach der Frauen sich vor allem der unbezahlten Reproduktionsarbeit im Rahmen der Familie widmen sollen (Kindererziehung, Kochen, Putzen, emotionale Fürsorge etc.), damit den Kapitalist_Innen immer genug Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und die Lohnkosten möglichst gering gehalten werden können, da diese Arbeit im Privaten nicht entlohnt wird. Der daraus resultierende Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe und die finanzielle Abhängigkeit von Männern haben ein Unterdrückungsverhältnis etabliert, das sich bis heute aufrechterhält und auch im Deutschrap gewaltvoll reproduziert. Dementsprechend wird sich dieses auch nicht auflösen, wenn allein mehr Frauen im Vorstand von Labels wie Universal sitzen oder Lyrics weniger sexistisch sind. Narrative, die dieses Problem allein auf die Hip-Hop-Szene begrenzen, reproduzieren letztendlich rassistische und klassistische Klischees, da sie meist migrantische und nicht-akademische Künstler zum Hauptakteur der Gewalt erklären, ohne die gesellschaftlichen Verhältnisse zu kritisieren, durch welche sie sozialisiert wurden und welche Frauenhass kommerziell rentabel machen. Victim Blaming oder fehlendes Einfordern von aktivem Konsens (Ja heißt Ja) sind Probleme, die sich durch alle Schichten unserer Gesellschaft ziehen und z.B. durch Medien wie kommerzielle Pornographie oder reaktionäre Sexualerziehung tief in ihr verankert sind. Auch ist es eben kein Zufall, dass sexistische Texte von den Fans gefeiert werden, wenn sie im Endeffekt (häufig überspitzt) die gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegeln, die im Kapitalismus unsere Vorstellung von Geschlecht und Sex prägen. Um die eben erklärte Hierarchie zu festigen, hilft es natürlich, wenn Männer sich mit dominanten und mächtigen Stereotypen identifizieren. Dieses Phänomen hat aber nicht Hip Hop oder die Kultur an sich erfunden, sondern die kapitalistische Klassengesellschaft und die sogenannte „rape culture“ existierte auch schon vor frauenverachtender Musik – auch wenn wir es unter keinen Umständen abstreiten, dass diese die Entwicklung von v.a. Jugendlichen negativ beeinflussen und sexistische Vorurteile manifestieren kann. Um ein Gegengewicht dazu zu etablieren, könnte ein erster Schritt in die richtige Richtung hier bereits in den Schulen gemacht werden, z.B. durch umfassende Aufklärung über Strukturen und Ursachen sexueller Gewalt und die Integration von Konsens-Workshops in den Sexualkundeunterricht.

Dass Hip Hop wieder zu seinen Ursprüngen als Sprachrohr gesellschaftlich unterdrückter Gruppen zurückkehrt, ist eine Forderung, die nicht isoliert vom Rest der Gesellschaft und vom kapitalistischen System realisiert werden kann. Solange der Markt vom Profit kontrolliert wird und Kapitalist_Innen auf diesen angewiesen sind, wird Gewalt gegen Frauen und andere Unterdrückte weiter rentabel bleiben und deshalb auch nicht aufhören. Da dieses System nicht nur Frauen unterdrückt, sondern auch alle Menschen jenseits der heteronormativen und binären Geschlechterordnung, xMigrant_Innen, Arbeiter_Innen, Jugendliche u.v.m., ist es notwendig, unsere Kämpfe zu verbinden und dieses System an seiner Wurzel zu bekämpfen. Nur eine Bewegung, die den Kapitalismus selbst angreift, kann diese Unterdrückung wirklich überwinden.

Lasst uns also gemeinsam kämpfen für eine Welt, die an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist und in der wir Kunst, wie die Musik, selbst aktiv mitgestalten und organisieren, anstatt sie dem Einfluss einiger weniger Konzerne zu überlassen! Für eine Sexualerziehung, die alle mit einschließt, safe spaces ermöglicht und nach den Bedürfnissen der Jugendlichen gestaltet wird! Für eine Gesellschaft, in der Gewalt gegen Frauen & andere Unterdrückte bekämpft und nicht vermarktet wird!




Schulbildung als Massenprodukt: Für kleinere Schulklassen!

von Felix Ruga

„Am Anfang von jedem Schuljahr lerne ich bestimmt 100 neue Namen. Ihr müsst nur meinen lernen. Das kann man ja mal erwarten!“ Das sagte mal meine Mathelehrerin in der achten Klasse im humorvollen Ton zu mir, als ich nach 2 Wochen Unterricht stocken musste, weil mir nicht sofort ihr Name einfiel. Sie hat damit aber auch direkt die Antwort geliefert, warum sie selbst nicht sofort alle Namen kennt. Und welche wusste sie zuerst? „Vor allem die, die einem einfach in Erinnerung bleiben: aktive Schüler_Innen und Quatschköpfe.“

Ganz unbewusst hat sie damit ausgesprochen, was schief läuft in unserem Schulsystem: Beachtung von Lehrer_Innen ist ein rares Gut und darum muss konkurriert werden. Denn für Klassen, in denen um die 30 Schüler_Innen und nur eine Lehrkraft sitzen, ist sowohl Zeit als auch pädagogische Energie knapp. Und das ist gerade die normale Situation: Je nach Bundesland und Schulform werden in den Kultusministerkonferenzen Obergrenzen zwischen 25 und 33 Schüler_Innen pro Klasse festgesetzt. Bei allgemeinbildenden Schulen werden diese Obergrenzen auch in aller Regel ausgereizt.

Stimmung wie in der Fabrik

Die überfüllten Klassen haben wirklich weitreichende Folgen für den Schulalltag: Es ist viel zu laut, zu eng, zu stickig. Das Gefühl entsteht, dass man einfach nur zum möglichst effizienten Büffeln zusammengepfercht wurde, ohne dass darauf Rücksicht genommen wird, dass man auch viel motivierter in die Schule gehen würde, wenn es dort etwas angenehmer wäre. Da spielen natürlich noch andere Aspekte wie die Zustände der Schulgebäude, das Notensystem oder die hierarchischen Strukturen eine Rolle, aber die Klassengröße ganz besonders.
Und das ist nicht nur für Schüler_Innen mies, sondern im besonderen Maße für Lehrer_Innen: Mit jeder Schüler_In mehr in der Klassen, steigt die Belastung für die Lehrer_Innen, trotzdem noch eine Atmosphäre zu schaffen, in der es sich gut lernen lässt. Und da muss man bei größeren Klassen auch mit ganz anderen Dynamiken umgehen, insofern man dann viel wahrscheinlicher mehr „Unruheherde“ hat, die man jeweils kontrollieren muss. Ansonsten schaukeln sie sich hoch. Das bedeutet deutlich mehr Stress und erfordert einen autoritären Unterrichtsstil mit Lautwerden und Bestrafen, auch wenn man sich in dieser Rolle gar nicht so wohl fühlt.
Aber da hört es noch nicht auf: Mehr Schüler_Innen bedeutet für Lehrer_Innen nicht nur mehr Stress beim Unterrichten, sondern eigentlich wird dadurch jede Aufgabe, die man erledigen muss, aufwendiger. Es heißt nämlich auch, dass man bei Klausuren viel mehr zu korrigieren hat, mehr Gespräche mit Eltern zu führen hat, mehr Zeugnisse zu schreiben, mehr Berichte zu verfassen und mehr zwischenmenschliche Probleme zu lösen hat. Entweder man gibt sich komplett in diesem Beruf auf und kriegt Burnout (Lehrer_Innen haben mit die höchste Burn-Out-Rate aller Berufe) oder man lässt die Aufgaben schleifen und macht nur das Nötigste. Das kann bedeuten, den Unterricht nicht mehr ausreichend vorzubereiten, Klausuren und Arbeitsblätter nur noch zu recyclen oder sich aus den individuellen Problemen in der Klasse einfach rauszuhalten und abzustumpfen.

Und das führt zum eigentlich größten Problem, welches dadurch entsteht: Individuelle Betreuung von Schüler_Innen wird verunmöglicht. Was ist, wenn man sich in manchen Fächern nicht an den allgemeinen Rhythmus anpassen kann oder will? Man ist darauf zurückgeworfen, dies durch eigene Ressourcen zu kompensieren wie zum Beispiel durch bezahlte Nachhilfe oder von den Eltern. Und das verstärkt massiv die Bildungsungerechtigkeit aufgrund des eigenen Elternhauses, denn sowohl die Anpassungsfähigkeit an den Rhythmus, als auch die Möglichkeit von Nachhilfe ist davon abhängig, wie gut die Verhältnisse zu Hause sind, ob die Eltern beide arbeiten gehen müssen oder ob genug Geld da ist. Normalerweise könnte das am effektivsten in der Schule aufgefangen werden. Aber bei so großen Klassen fallen einfach jene hinten runter, die sich selbst nicht helfen können.
Vor allem in der Corona-Zeit hat sich dieser Missstand besonders deutlich gezeigt. Große Klassen haben es viel schwerer gemacht, flexibel auf Ausfälle zu reagieren und alle Schüler_Innen ausreichend im Home-Schooling zu betreuen. Wäre es möglich gewesen, mit ausreichend Lehrkräften kleinere Lerngruppen zu organisieren, hätte dies das Infektionsrisiko massiv senken können. Da das aber für unser momentanes Bildungssystem nicht stemmbar war, blieb der komplette Verzicht auf Präsenzunterricht die einzige Alternative und viele Schüler_Innen waren komplett auf ihre individuellen Ressourcen Zuhause angewiesen: Wer sich ein Zimmer mit seinen Geschwistern teilen musste oder keinen eigenen Laptop besaß, bekam Bildungsungerechtigkeit besonders hart zu spüren.

Wie kann das eigentlich sein?

Bildung ist für den Staat sehr teuer und da die Regierung momentan auf einen heftigen Sparkurs setzt, schaut sie, wie weit noch am Schulsystem gespart werden kann, bevor es endgültig zusammenbricht. Die Klassen werden immer größer und der Gehalt der Lehrer_Innen im Vergleich immer kleiner. Und diese zwei Sachen hängen eng miteinander zusammen: Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung von Lehrer_Innen sind wirklich mies, deswegen fühlen sich viele vom Beruf abgeschreckt, obwohl sie es sich aufgrund ihrer Interessen schon vorstellen könnten den Beruf zu ergreifen. Dadurch gibt es Lehrkräftemangel, was aber wiederum dazu führt, dass Schulen nicht genug Lehrer_Innen finden, um weitere Klassen zu eröffnen. Dadurch werden die Klassen noch größer, die Arbeitsbedingungen noch schlechter und der Mangel verschärft sich. Ein Teufelskreis.
Schulen erfüllen außerdem in unserem System eine wichtige Aufgabe: Kinder und Jugendliche sollen daran gewöhnt und dazu ausgebildet werden, später mal für andere Leute zu arbeiten. Dementsprechend sind die Anforderungen in der Schule auch ähnlich gestrickt wie im Betrieb: Du hast Befehle auszuführen, du hast pünktlich zu sein, du bist nur ein kleines Rädchen! Diese Kompetenzen werden umso mehr vermittelt, indem man nur eine_r unter 30 ist und sich dem allgemeinen Rhythmus unter straffer Hierarchie anzupassen hat. Das ist zwar furchtbar für Schüler_Innen wie Lehrer_Innen, aber für die Funktion im Kapitalismus ist das Totsparen des Schulsystems gar kein Problem. Im Gegenteil!

Die Lösung ist einfach

Es braucht schlichtweg kleinere Klassen! Sowie auch mehr als nur eine Lehrkraft pro Klasse und zum Beispiel noch zusätzlich Sozialpädagog_Innen, die auch während des Unterrichts supporten können. So einfach diese Lösung auszusprechen ist, so schwer ist sie umzusetzen, denn es hängt sehr viel damit zusammen: Bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne für Lehrer_Innen, größere Schulgebäude und eine generelle Umstrukturierung des Schulalltags.
Und das wird mit Sicherheit nicht einfach so vom Himmel fallen, weil der Staat weiter sparen will. Dementsprechend braucht es Widerstand! Die GEW (Die Gewerkschaft für Lehrer_Innen) macht es schon vor, indem sie diese Forderungen in Tarifverhandlungen aufstellt und im Oktober zu einem Warnstreik aufgerufen hat, an dem sich circa 500 Lehrkräfte aus 30 Schulen beteiligten. Daran müssen Schüler_Innen anknüpfen, selbst Widerstand organisieren und ihn mit eigenen Forderungen ergänzen. Denn wir wollen generell mehr Mitspracherecht in der Schule! Sowohl was die Strukturen als auch was die Inhalte angeht! Organisieren wir uns also in Schulkomitees, verbinden uns mit den Streiks der Lehrer_Innen und bauen so eine Bewegung für gerechte Bildung auf!




Klimawahl – Welche Erwartungen und Chancen bringt der neue Bundestag für den Klimaschutz?

von Leila Cheng

Ende September war Bundestagswahl und vor lauter Laschet-gegen-Scholz mit Scholz als Sieger ist eine Sache sehr aus dem Blick geraten: Dies war eine besonders wichtige Wahl für den menschengemachten Klimawandel und unsere Zukunft in einer Welt, in der dieser eine immer größere Rolle spielen wird. Das tut er auch heute schon. In den letzten Monaten kam es weltweit an vielen Orten zu riesigen Wald- und Flächenbränden (z.B. Türkei, Russland, Griechenland, Kalifornien, 2019/20 in Australien) und großen Überschwemmungen (z.B. China, Türkei, Indien, Nordkorea, Bangladesch), und in afrikanischen Ländern gibt es seit Jahren große Dürren und Wasserknappheit. Aber auch wenn die Länder in tropischen und subtropischen Klimazonen stärker davon betroffen sind (Spiegel: „Mehr als 70 Prozent der klimabedingten Ereignisse suchten den globalen Süden heim, knapp ein Drittel traf demnach die ärmeren Länder in Asien, 15 Prozent entfielen auf Afrika.“), heißt das nicht, dass uns der Klimawandel hier in Deutschland verschont. Auch in Westdeutschland und Frankreich gab es in den letzten Monaten furchtbare Flutwasserkatastrophen und das ist erst der Anfang. Die meisten globalen Folgen der Klimakrise kriegen wir jetzt noch gar nicht zu spüren, gleichzeitig sind wir seit 2020 in dem letzten Jahrzehnt angekommen, in dem wir irreversible Folgen der Klimakrise und die ungebremste Klimaerwärmung noch stoppen können, bevor weitere Kipppunkte erreicht werden und diese eine klimatische Kettenreaktion auslösen. Daher müssen wir jetzt etwas tun und das muss nun auch die Aufgabe der neuen Regierung sein. Darauf haben zurecht in den letzten Jahren Millionen Jugendliche bei FFF aufmerksam gemacht. Doch was muss passieren, damit wir die Klimakrise noch aufhalten können? Und welche Strategie brauchen wir, um das Notwendige umzusetzen?

Die Bundestagswahl war eine Klimawahl

Nach 16 Jahren Große Koalition und einer Politik, die stets die Interessen ihrer Geldgeber_Innen, also der Kohle- und Autolobby umsetzt, die Stellen in erneuerbaren Energiesystemen abbaut, Windenergie ausbremst und Wälder abholzt für neue Autobahnen und Kohlegruben, gibt es jetzt erstmals wieder Hoffnung auf eine neue Regierung, die Klimaschutz ernst nimmt. Dabei setzen gerade viele junge Menschen Hoffnungen in

die Grünen, die auch höchstwahrscheinlich in eine Koalition kommen. Dabei gibt es jedoch 2 Probleme: Zum einen wird
eine mögliche Koalition immer neoliberale Parteien miteinschließen, die für kein bisschen Klimaschutz zu haben sind.
Zum anderen bieten die Grünen als eine durch und durch bürgerliche Partei keine konsequente Lösung. Zum Beispiel
machen sie immer noch Politik im Interesse der Autolobby: So fördern sie an erste Stelle statt „Weg von Individualverkehr mehr öffentlichen Nahverkehr“ einfach ihr hoch gepriesenes E-Auto. Ein Auto, was sich bislang nur reichere Menschen leisten können, während eh schon relativ arme Menschen dann auch noch eine CO2 Steuer abdrücken sollen.

Weiterhin ein Auto, dessen Batterie aus Lithium und Kobalt bestehen. Beides endliche Ressourcen, die deutsche
imperialistische Konzerne in Südamerika und Afrika unter schrecklichen Arbeitsbedingungen abbauen lassen, die
Länder unfruchtbar machen und die Einheimischen dort vergiften. Gleichzeitig entsteht während der Produktion
von Batterien einen enormen CO2 Ausstoß, den man durch Verlagerung der Produktion auf andere Länder schieben
kann. Und das ist nur ein Beispiel unter vielen. Sie wollen keine soziale Verträglichkeit beim Klimaschutz, sie denken
ihn national (obwohl er international sein muss) und wollen „Klimaschutz und eine starke Wirtschaft vereinigen“, was
sich jedoch widerspricht. Sie setzen beim Klimaschutz auf einen staatlichen regulierten Markt, was das Problem nicht
an der Wurzel angreift.

Wir haben die Linkspartei kritisch unterstützt, die gerade bei der Verkehrswende die gute Forderung nach kostenlosen
ÖPNV aufstellt und auch bei sozialen Fragen etwas fortschrittlichere Forderungen hat. Weiterhin hat die Linke
eine Verbindung zu sozialen und linken Bewegungen sowie Gewerkschaften. Aber selbst die Konzepte der Linkspartei
würden immer noch nicht den Treibhausgasausstoß genügend reduzieren. Und generell setzen wir keine Illusionen
in bürgerliche Wahlen. Uns ist nämlich klar, dass diese nur bedingt etwas an der kapitalistischen Produktion ändern
können. Aber gerade diese ist verantwortlich für die extreme Ausbeutung der Natur durch die Menschen.

Deswegen müssen wir den Kapitalismus abschaffen, um das Klima zu retten

Im Kapitalismus sind die Produktionsmittel in den Händen einiger weniger, den Kapitalist_Innen, die die
Lohnarbeiter_Innen und ihre Arbeit ausbeuten. Das tun sie um ihr Kapital/ihren Privatbesitz an den Produktionsmitteln
immer weiter zu vermehren, denn sie stehen in Konkurrenz um den größten Profit und wer nicht mithält, geht früher
oder später pleite. Dabei wird aber nicht nur die Arbeit der Menschen, sondern auch die Natur und ihre Ressourcen
schonungslos geplündert. In dieser Art der Produktion ist die Befriedung menschlicher Bedürfnisse nur Nebenprodukt.
Ziel und Zweck ist der Profit. Deswegen wird nur das hergestellt, was viel Cash bringt und davon oftmals viel zu
viel. So kommt es zu Überproduktionskrisen und zur massiven Produktion von Müll. Die Umwelt ist oft der Ort, wo
dieser Müll dann landet. Ein krasses Beispiel dafür sind die großen Plastikstrudel im Pazifik. Gleichzeitig wird dadurch
der CO2- und Stickstoffausstoß der Fabriken immer weiter erhöht.

Außerdem werden, sollte es doch mal Klimaschutzauflagen geben, oft Fabriken einfach in andere Länder ohne diese
Auflagen ausgelagert. Das passiert vor allem durch große imperialistische Länder und ihre Konzerne, die ehemalige
Kolonien, die immer noch wirtschaftlich abhängig von ihnen sind, sowohl ressourcentechnisch ausbeuten und als auch
für umweltschädliche Produktion und als Müllhalde benutzen. Gleichzeitig werden viele Forschungsfortschritte, z.B.
bei erneuerbaren Energien, gar nicht international geteilt, weil das Patentrecht (zum „Schutz“ kapitalistischen Eigentums an Erfindungen) diese Ergebnisse für einen Konzern schützt. Auch in der Landwirtschaft ist mit der Großproduktion an Fleisch oder dem Einsatz von Pestiziden zur Ermöglichung dieser enormen Produktion nicht mit wirklichem Klimaschutz zu rechnen.

Eine wichtige Rolle bei der Rettung des Klimas spielt also nicht nur die Technik, die bei der Produktion verwendet
wird, sondern auch die Art, wie produziert wird. Deswegen stehen wir für eine Wiederherstellung des Klimas durch
eine demokratische Planwirtschaft. Ein System, in dem international gemeinsam von allem Menschen geplante Produktion zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung stattfindet. Ein System, in dem sich die Menschen in Arbeiter_Innenräten zu dessen Organisierung vereinigen. Ein System, in dem Klimaschutz erst möglich wird.
Wir stellen dabei folgende Forderungen auf:

  • Ende dieser umweltschädlichen Produktionsweise, die sich nach Profit und nicht nach Bedürfnissen von Mensch und Natur richtet!
  • Neue Produktion und dessen Planung unter Arbeiter_Innenkontrolle durch Räte, um die Profitlogik und den Konkurrenzdruck abzulösen, sodass Produktion am
  • Maßstab der Umwelt und des Menschen orientiert wird! Ende der Ausbeutung von Halbkolonien und global faire Ressourcenverteilung, damit die Auswirkungen des Klimawandels gerecht verteilt sind!
  • Internationale, patent- und konkurrenzfrei koordinierte Forschung nach umweltfreundlichen Technologien und international feste Grenzwerte für Schadstoffe!
  • Überall Staatsbürger_Innenrechte für alle und somit auch für jene, die vor Klimaveränderungen fliehen müssen!
  • Eine echte Verkehrswende: weg vom Individualverkehr, hin zum kostenlosen ÖPNV!

Aber um zu diesem System hinzukommen, können wir nicht auf die kommende Regierung hoffen. Ohnehin tut das
Kapital auch langfristig alles, um die eigene Macht zu erhalten. Deswegen brauchen wir einen revolutionären Sturz der
Regierung und die direkte Ersetzung durch Arbeiter_Innenräte. Wir müssen uns revolutionär organisieren und Politik
für Klimaschutz und gegen den Kapitalismus machen!

Für linke Forderungen und Umweltschutz müssen wir auf der Straße kämpfen

Das hat uns FFF mit den Schulstreiks vorgemacht, die 2019 Woche für Woche tausende Jugendliche auf die Straße gebracht haben. Es gab zwar kurz vor der Bundestagswahl beeindruckende Großdemos, jedoch ist über Corona die Bewegung abgeflaut und muss erst wieder zu alter Stärke finden. Wahrscheinlich folgen über die Koalitionsverhandlungen noch weitere Streiks.

Um aber nicht den gleichen Fehler wie 2019 zu begehen und einfach nur moralische Appelle zu erheben, muss es FFF
schaffen, die Verbindung zur Arbeiter_Innenklasse zu schaffen, deren Streiks erst wirklich ökonomische Macht ausüben
würden. Somit könnte sie eine starke Umweltbewegung gegen den Kapitalismus sein, die den Herrschenden gefährlich
werden kann. So eine Bewegung auf der Straße, in den Schulen, Unis und Betrieben gilt es aufzubauen und den politischen Streik zu stärken. Nur so können wir zu wirklichem Klimaschutz und einer Gesellschaft frei von der Ausbeutung von Natur und Mensch kommen.




Kleine Geschichtsstunde: Die sozialistische Vergangenheit Afghanistans

von Romina Summ

Um die momentane Situation in Afghanistan einzuordnen, ist es wichtig, die Geschichte zu kennen. Nach der Koloni­alzeit unter britischer Vorherrschaft erlangte Afghanistan 1919 seine Unabhängigkeit. In den 1930er Jahren wurden nach und nach demokratische Rechte im damaligen kons­titutionellen Königreich eingeführt, wie Wahlrecht, Frau­enwahlrecht und Pressefreiheit. Dennoch war das Land von einer starken Bürokratie und Korruption geprägt und industriell völlig unterentwickelt. So gab es zum Beispiel eine Analphabetenrate von 90 Prozent. Erst 1973 wurde durch einen Putsch unter Daoud Khan die Republik Afgha­nistan ausgerufen, die bis 1978 bestand. Seine Ziele waren die Modernisierung und Alphabetisierung des Landes. Unter ihm gab es ein Einparteiensystem unter der Nationa­len Revolutionären Partei, der Einfluss der Sowjetunion auf das Land wurde ausgeweitet und die Monarchie wurde voll­ständig zurückgedrängt. Trotzdem blieb das System sehr bürokratisch und vollkommen kapitalistisch. Vieles, was Daoud sich vorgenommen hatte, wurde nicht erreicht und die Sicherung seines Regimes musste mit Gewalt durchge­setzt werden. Das Regime hat jeden Widerstand brutal nie­dergeschlagen. Getragen wurde Daouds Regime vor allem von den Offizieren im Militär, die von nationalistischen Ideen inspiriert waren. Die Kommunist_Innen waren damit höchst unzufrieden und organisierten den Widerstand. Am 1. Januar 1965 wurde die Demokratische Volkspartei Afghanistans gegründet, die erste kommunistische Partei Afghanistans. Die Partei wurde 1966 verboten und spaltete sich 1967 in zwei, sich oft feindlich gegenüberstehende Flü­gel. Diese hießen Khalq- und Parcham-Fraktion und hat­ten jeweils eigene Generalsekretäre und Politbüros. Diese waren sich uneinig, wie man die Macht erringen und den Staat aufbauen sollte: Khalq war für eine klassisch stalinis­tische Revolution von oben durch eine Kaderpartei und Par­cham für eine Revolution durch Volksfront aus patriotischen und antiimperialistischen Kräften. Schließlich wandten sie sich jedoch zusammen gegen das Regime. Am 28. April 1978 gelangte die DVPA durch die Saurrevolution an die Macht und rief die Demokratische Volksrepublik Afghanistan aus.

Daraufhin wurde die Demokratische Republik Afghanis­tan ausgerufen. Die stalinistische Bürokratie der Sowjet­union war über den Machtwechsel geteilter Meinung, da sie auch zum vorherigen Regime eine gute Beziehung pflegte. So unterstütze die Sowjetunion das neue Regime zunächst kritisch, was sich aber schnell normalisierte. Auch nach der Revolution hatte die Sowjetunion die wirtschaftliche und militärische Kontrolle, während die politische Kontrolle in Händen der DVPA lag. Aufgrund ihrer guten Beziehungen zur Sowjetunion und in die Armee hatten die Khalq, mit deren führenden Kopf Taraki an der Spitze, die absolute Vor­herrschaft in Partei und Staat.

Während dieser Zeit gab es zahlreiche soziale Refor­men: Agrarreform, Verbot von Zwangsehen, Religions­freiheit, Bekämpfung Analphabetismus, Recht auf Bildung für Frauen, Schulpflicht, Überwachung und Kontrolle der Moscheen, Industrialisierung, Ausbau des öffentlichen Gesundheitswesens. Ihr beabsichtigtes Ziel war es, das Land in kürzester Zeit zum Sozialismus zu bringen, zu mindestens sagten sie das. Dennoch fanden keine Enteignungen und keine Bildung von Arbeiter_Innen und Bäuer_Innenräten statt. Es waren im Grunde nur sehr linke bürgerliche Sozi­alreformen. Trotz fortschrittlichen Charakters fanden viele Reformen gerade bei der ländlichen Bevölkerung wenig Akzeptanz, was auf die fehlende Verankerung des Regimes im ländlichen Raum zurückzuführen ist. Dort wuchs der Widerstand unter den islamistischen Widerstandskämp­fern, den Mudschaheddin. Die Sowjetunion bot der Regie­rung dagegen bereits militärische Hilfe an, doch dazu kam es nicht, weil Tarakis Stellvertreter Amin an die Macht kam, und Taraki selbst ermorden ließ. Amin stellte sich gegen die gesamte Partei und nachdem sich Amin nun auch der USA zuwandt, ließ die Sowjetunion ihn ermorden und ersetzte ihn durch einen Anführer der Parcham. Die Khalq-domi­nierte Armee erkannte die neue Regierung nicht an und es kam zu Desertionen und Zusammenarbeiten zwischen Khal­qisten und den Mudschaheddin.

Welche Rolle spielte der Westen?

Aufgrund des Einflusses der Sow­jetunion auf Afghanistan hat der US-Auslandsgeheimdienst CIA mit dem pakistanischen Geheimdienst die Mud­schaheddin finanziell massiv unterstützt in der Hoffnung, dass diese das Land destabilisieren. Tatsächlich erhoben sie bald den Machtanspruch und 1979, nur ein Jahr nach der Ausrufung der Republik, marschierte die Sowjetunion ein. Die USA wollte die Hilfe für die Mudschaheddin mit allen ver­fügbaren Mitteln erweitern, zunächst unter dem demokra­tischen Präsidenten Carter und ab 1981 noch stärker unter dem Republikaner Reagan. Dazu gehörten die Finanzierung, Bewaffnung und die Ausbildung der Widerstandskämpfer.

Auch andere westliche Länder wie Großbritannien unter Thatcher fuhren Kurs gegen die Sowjetunion und beteilig­ten sich an verschiedenen Programmen. Viele westliche Staaten beteiligten sich in Form von medizinischer Hilfe an US-Programmen. Der blutige Krieg hielt bis 1989 an, kostete eine Millionen Afghan_Innen das Leben, trieb unzählige in die Flucht und mündete mit dem Rückzug der sowjetischen Armee in einem Bürger_Innenkrieg, in dem die islamisti­schen Kräfte die Oberhand gewinnen und die neue Regie­rung bilden. Vor der Unterstützung durch den Westen hat der Islamismus kaum eine Rolle in Afghanistan gespielt, 2001 kam der Einmarsch durch die NATO-Staaten wegen der islamistischen Regierung der Taliban. Also unterstützten sie die, die sie heute bekämpfen und die Afghan_Innen kennen seit über 40 Jahren nichts als Krieg.

Was können wir aus der Vergangenheit Afghanistanslernen?

Die afghanische Vergangen­heit zeigt uns, dass Interventio­nen und Unterstützung anderer Gruppen durch imperialistische Mächte nicht im Interesse der dortigen Bevölkerung und gar der „Demokratie“ geschehen. Sie verteidigen immer bloß ihr eigenes Interesse und das mit allen Mitteln, selbst wenn es bedeutet, dass man sich mit reaktionären Kräften gegen den gemeinsamen Feind verbündet. Das hat sich nicht nur in Afghanistan bei der Unterstützung der Mudschaheddin gezeigt, sondern auch zum Bespiel beim Abschlachten von Vietnames_Innen im Vietnamkrieg.

Wir dürfen daher als Kommunist_Innen den imperialistischen Staaten nicht vertrauen und dürfen nicht darauf hoffen, dass sie Verantwor­tung für ihr Handeln tragen werden. Nur eine proletarische, trotzkistische Arbeiter_innenbe­wegung ist in der Lage die unterdrückten Massen in den Halbkolonien aus den Fesseln der Imperia­list_Innen zu befreien.




Solidarität mit den Geflüchteten an der belarussisch-polnischen Grenze!

Schon am 2. September diesen Jahres rief der polnische Präsident Andrzej Duda den Notstand an der Grenze zu Belarus aus. Zu diesem Zeitpunkt waren es vor allem Menschen aus Afghanistan, die

vor der Machtübernahme der Taliban flüchteten. Auch die Grenzen zu den weiteren EU-Nachbarstaaten zu Belarus, Litauen und Lettland wurden vermehrt abgesichert. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Ganze noch keine große Aufmerksamkeit.

Jetzt eskalierte die Situation. Etwa 4000 Menschen harren aktuell bei Temperaturen um den Nullpunkt im polnisch-belarussischen Grenzgebiet aus. Auf polnischer Seite steht ihnen ein extra aufgebauter Grenzzaun und etwa 16000 Soldat_innen gegenüber. Und hinter ihnen belarussische Soldat_innen, die die Menschen dazu drängen, die Grenze irgendwie zu überwinden.

Aufgrund des verhängten Notstands durften zunächst auch keine Hilfsorganisationen das Gebiet betreten, um die Menschen zu versorgen. Erst nach mehreren Tagen durften erstmals Helfer_innen zu ihnen. Inzwischen sind deshalb mindestens 10 Personen an der Grenze gestorben. Viele Menschen wurden auch beim Versuch die Grenze zu überqueren von Grenzsoldat_innen verletzt. Ein Vertreter von Ärzte ohne Grenzen berichtet: „Ich habe Menschen mit Verletzungen gesehen, verursacht durch Schläge mit Gewehrkolben, Tritten in die Rippen, Spuren von Elektroschockern im Nacken.“

Wie konnte es so weit kommen?

Blickt man auf die geographische Lage stellt sich zunächst einmal die Frage, wie die Menschen aus dem Nahen Osten (aktuell kommen die meisten Geflüchteten an der polnischen Grenze aus Syrien und Irak) nach Belarus kommen. Bisher waren eher die Fluchtrouten über die Türkei oder das Mittelmeer bekannt.

Dazu müssen wir noch weiter zurück ins Jahr 2020 blicken, als in Belarus gewählt wurde. Am 9. August reklamierte Alexander Lukaschenko bei einer dreist manipulierten Wahl einen Erdrutschsieg für sich. Die Menschen in Belarus reagierten mit Protesten. Die EU verhängte Sanktionen. Der Vorwurf lautet nun: Lukaschenko schleust bewusst Geflüchtete an die EU-Außengrenze, um damit die EU unter Druck zu setzen. Und tatsächlich klangen seine Worte am 26. Mai sehr stark nach einer Drohung: „Bis jetzt haben wir Migranten und Drogen gestoppt. Jetzt werdet ihr selbst die Drogen fressen und die Migranten einfangen.“ Als Vorbild galt ihm dabei wahrscheinlich der türkische Präsident Erdogan, der im März 2020 ebenfalls ankündigte, dass er „die Toren öffnen werde“. Anschließend gab es an der griechischen Grenze ähnliche Bilder wie jetzt an der polnischen, was letztendlich dazu führte, dass das Abkommen mit der Türkei zur Abwehr von Geflüchteten zu Gunsten der Türkei erneuert wurde. Und auch aktuell hat die Türkei wohl wieder ihre Finger mit im Spiel, denn eine der Flugrouten, über die die Menschen nach Belarus gebracht werden, geht über Istanbul.

Also sind Lukaschenko und Erdogan schuld, dass Menschen an der Grenze zu Polen sterben?

Die meisten deutschen bürgerlichen Medien sind sich in der Frage einig. Zeitonline, die sich in der

Medienlandschaft neben BILD und Welt doch eher links befinden, schreibt: „Polen wird angegriffen. Daran besteht kein Zweifel. Es ist auch klar, wer der Angreifer ist: Alexander Lukaschenko“ und sie fordern volle Solidarität für Polen bei der „Verteidigung der EU“. Diesen Forderungen, die auch auf jedem AfD-Plakat stehen könnten, müssen wir auf jeden Fall entschieden entgegentreten.

Die Rolle Lukaschenkos

Um ein besseres Bild von der Situation zu bekommen, müssen wir uns zunächst mit der Lage in Belarus auseinandersetzen. Wir hatten bereits davon gesprochen, dass der Präsident Lukaschenko im letzten Jahr massiv in die Wahlen eingegriffen hat. Westliche Medien betiteln ihn, unter anderem deshalb, als den „letzten Diktator der EU“. Sehen wir das auch so?

Auf jeden Fall ist das Regime in Belarus ein sehr autoritäres. Trotzdem würden wir nicht von einer

„Diktatur“ sprechen. Leo Trotzki prägte für solche Regime den Begriff des „Bonapartismus“. Der Begriff beschreibt, dass wenn sich Arbeiter_Innenklasse und Kapitalist_Innen in Klassenkämpfen so sehr aufgerieben haben, dass weder die eine noch die andere die Macht übernehmen kann, ein_e Herrscher_in an die Macht kommen kann, der_die diesen Klassenkampf befriedet, eine gewisse Beliebtheit in allen Schichten hat und verbindend über ihnen steht – ein Bonaparte.

In Belarus ist der Ursprung dieses Regimes im Zerfall der UdSSR und die Unabhängigkeit 1991 zu finden. Als einziger Staat unter denen der ehemaligen UdSSR und des Ostblocks hat sich Belarus bisher der neo-liberalen Schocktherapie entzogen, die die bürokratischen Planwirtschaften zerstörte und zig Millionen Menschen in bittere Armut stürzte.

Stattdessen hat sich die Kaste der ehemaligen sowjetischen Bürokrat_innen – Lukaschenko selbst ist ehemaliger Leiter einer Kolchose – in nationale Verwalter_innen staatlicher kapitalistischer Unternehmen verwandelt und erfolgreich die Macht an der Spitze einer immer zu einem großen

Teil staatseigenen Wirtschaft konsolidiert.

Wir unterstützen dabei Bewegungen, die sich gegen das autoritäre Regime richten und für demokratische Forderungen einstehen. Gleichzeitig müssen wir aber auch verhindern, dass sich das Land imperialistischen Interessen durch die EU, USA oder auch Russland unterordnet.

Auch in der aktuellen Situation muss klar gesagt werden, dass das Vorgehen Lukaschenkos, Menschen bewusst in diese Situation zu bringen, klar zu kritisieren ist. Denn klar ist, dass er das nicht macht, um Menschen zu helfen, sondern um seine eigenen Machtinteressen durchzusetzen. Er nutzt also wirklich die Geflüchteten als „hybride Waffe“, wie es die westlichen Medien ihm vorwerfen.

Bleiben allerdings die Fragen:
Warum stellen 4000 Hilfe suchende Menschen für die EU eine „Waffe“ da? Und wie können wir dagegen kämpfen?

Die Lage der Flüchtenden

Die Menschen, die da an der Grenze zu Polen sind, sind nicht „die Armee von Belarus“, wie es in den bürgerlichen Medien suggeriert wird. Nur weil sie Unterstützung bei ihrer Flucht bekommen haben, heißt das nicht, dass sie keinen wirklichen Grund haben, ihre Heimat zu verlassen. Unter den

Geflüchteten befinden sich besonders viele Kurd_innen und Jesid_innen. In den kurdischen

Gebieten kommt es immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen. In Nordsyrien gab es seit 2016 drei militärische Interventionen gegen die YPG durch die Türkei und aktuell droht Erdogan mit der Nächsten. Im Nordirak greift die Türkei aktuell Stellungen der PKK an, wobei sie wahrscheinlich auch Giftgas eingesetzt hat. Dazu kommt eine Wirtschaftskrise, verstärkt durch die Corona-Pandemie.

Ein anderer großer Teil der Flüchtenden kommt aus Afghanistan. Zur Situation in Afghanistan, auch speziell zur Flucht, haben wir bereits eigene Artikel geschrieben.

Die Rolle der EU

Es ist also kein Wunder, dass Menschen sich Hoffnung machen in einem imperialistischen Staat wie Deutschland ein neues Leben anfangen zu können, weil hier oftmals die Lebensbedingungen in jeglicher Hinsicht besser erscheinen.

Doch wie die Situation in Polen und die Reaktionen aus Brüssel und Deutschland zeigen, hat niemand der Entscheidungsträger_innen in der EU ein Interesse daran, den Menschen auf der Flucht zu helfen. Ihr Interesse besteht darin, sich auf der imperialistischen Weltbühne durchzusetzen. Das heißt jetzt die Festung Europa aufrechtzuhalten und sich nicht von Lukaschenko „einschüchtern zu lassen“. Dabei scheut sie auch nicht zurück internationales Menschenrecht zu brechen, denn danach hat jeder Mensch das Recht Asyl zu beantragen. Um das zu umgehen und die Pushbacks an den Grenzen zu legalisieren, hatte Polen extra ihre Gesetze geändert. Trotzdem bleibt es internationales Recht was hier gebrochen wird. Auch die EU nutzt also die Menschen in Not um ihr politisches Interesse, Druck auf Lukaschenko auszuüben, durchzusetzen.

Wie können wir dagegen Kämpfen?

Die Situation der Menschen an und in den Grenzen Europas ist verheerend und es ist richtig und wichtig, dass es Demonstrationen dagegen und für die Aufnahme aller flüchtender Menschen gibt. Dabei ist die Forderung der Staatsbürger_innenrechte für alle wichtig, denn der Kapitalismus hat ein Interesse daran, dass dieses willkürlich gewählte System zur Unterscheidung zwischen Staatsbürger_innen und Nicht-Staatsbürger_innen aufrechtzuerhalten, um damit den nationalen Binnenmarkt und damit den Nationalstaat zu schützen. Jeder Mensch sollte das Recht haben, aus welchen Gründen auch immer dieser fliehen sollte, sei es vor Krieg, Verelendung, Armut, Hunger, Klimakatastrophen oder politischer Verfolgung, dort zu leben und zu wohnen, wo er möchte und gleichzeitig die gleichen Rechte zu besitzen! Wir dürfen uns im Kampf gegen dieses Schachspiel der imperialistischen Staaten, deren Interesse eher darin liegt, Lukaschenko und seine russischen Partner mattzusetzen, nicht darauf einlassen und Hoffnungen in die EU oder in die Nationalstaaten setzen. Wir müssen als Arbeiter_innenklasse, egal ob in Polen, Lettland oder Deutschland auf die Seite der Menschen stellen, die sich im Niemandsland befinden.

  • Öffnung der Grenzen, Nieder mit Frontex und Co.
  • Nicht nur Bleiberecht für alle, sondern Staatsbürger_Innenrechte für alle dort, wo sie leben wollen!
  • Für eine Arbeiter_innen und Jugendbewegung die diese Forderungen erkämpft!

Die Rolle des Imperialismus

Letztlich müssen wir uns aber, um die oben aufgestellten Fragen beantworten zu können, unser gesamtes Gesellschaftssystem anschauen. Das kann an dieser Stelle nur angerissen werden mit dem Verweis auf andere Artikel oder unser Programm, wo wir uns mit einem ganzen Kapitel dem Imperialismus gewidmet haben.

Nahezu jeder Fleck Erde ist inzwischen der kapitalistischen Verwertungslogik unterworfen. Es wird über die ganze Welt Handel betrieben, es existiert also ein Weltmarkt. Trotzdem brauchen die internationalen Unternehmen einen nationalen Binnenmarkt und damit einen Nationalstaat. Der Kapitalismus hat also ein Interesse, dieses willkürlich gewählte System zur Unterscheidung zwischen Staatsbürger_innen und Nicht-Staatsbürger_innen aufrecht zu halten.

Die Regierungen der Nationen können es also nicht einfach so zulassen, dass Menschen den Ort, an dem sie leben wollen, selbst aussuchen. Dazu kommt, dass die einzelnen Nationen nicht gleichgestellt auf dem Weltmarkt agieren. In der Entwicklung des Kapitalismus haben sich „imperialistische Staaten“, wie die USA oder auch Deutschland herausgebildet, die eine viel größere Wirtschaftsmacht haben, als es zum Beispiel Länder auf dem afrikanischen Kontinent haben. Die anderen Staaten stehen dabei in einer enormen Abhängigkeit zu den imperialistischen Staaten. Früher zeigte sich dies sehr direkt im Kolonialismus, heute wird die Macht eher indirekt durch wirtschaftliche Zwänge ausgeübt, weshalb wir auch von „Halb-Kolonien“ sprechen. Dies führte zu einer weltweiten Arbeitsteilung, in der Halb-Kolonien grob gesagt die „Drecksarbeit“ für geringen Lohn machen, während die Unternehmen in den imperialistischen Zentren durch diese Überausbeutung in der Lage sind, kleiner Zugeständnisse an die heimische Arbeiter_innenklasse zu machen.

Dies ist auch der Keim des modernen Rassismus, da sich die Menschen in den imperialistischen Zentren, durch den ständigen Konkurrenzkampf aber auch durch Krisen im Kapitalismus, in ihrem „stabilen Leben“ bedroht fühlen. Die Schuld dafür wird nicht im Wesen des Kapitalismus, sondern in der Bedrohung durch Einwanderung gefunden. Genau das wirkt aktuell auch bei der Frage, warum sich die Menschen in Deutschland nicht massenhaft für die Aufnahme der Geflüchteten einsetzen.

Dazu kommt, dass die „imperialistischen Länder“ kein gemeinsames Interesse haben, sondern ständig in Konkurrenz stehen ihre wirtschaftliche Macht gegen andere auszuweiten oder zu verteidigen. Oder neue, wirtschaftlich aufstrebende, Nationen probieren sich gegen die

„etablierten“ Imperialist_innen zu behaupten.

Das führt immer wieder zu Kriegen, was zur Flucht von Menschen aus diesen Regionen führt. Auch andere Fluchtursachen, wie Hunger und der Klimawandel hängen eng damit zusammen. Dementsprechend muss es unser Ziel, das imperialistische Weltsystem und die Ungerechtigkeit als Ganzes zu überwinden, um all diese Probleme zu lösen!




Podiumsdiskussionen mit der AfD: Diskutieren oder Boykottieren?

von Sani Meier

In Vorbereitung auf die Bundestagswahlen im September diesen Jahres wurden an vielen Schulen Podiumsdiskussionen mit Vertreter_Innen verschiedener Parteien organisiert. Neben SPD, CDU, Linke und Grünen hatten manche Schulen auch Politiker_Innen der rechtsradikalen AfD eingeladen. Viele Schüler_Innen fanden das zu Recht scheiße und organisierten Widerstand an ihren Schulen, was eine generelle Debatte zu der Frage, wie man denn mit der AfD umgehen solle, auslöste. Sollte man mit rechten Politiker_Innen diskutieren oder sie ausladen, um ihnen keine Bühne zu geben? Und vor allem: Wer entscheidet eigentlich darüber?

Von vielen Schulleiter_Innen wurde die Einladung damit begründet, dass die AfD dieses Jahr zur Wahl antrete und damit als demokratisch legitimierte Partei Teil des politischen Wettbewerbs sei. Somit hätte Sie wie jede andere Partei das Recht, ihre Positionen zur Diskussion zu stellen. Man wolle damit keine Werbung für sie machen, sondern allen Schüler_Innen die Möglichkeit geben, sich mit deren Inhalten auseinanderzusetzen. Wir lehnen diese Position ganz klar ab.

Nachdem die AfD seit diesem Jahr vom Verfassungsschutz beobachtet wird, versucht sie gezielt, ihr bürgerliches Image zu stärken, um ihre rechtsradikale Gesinnung und Verbindungen in die dazugehörige Szene zu verdecken. Genau mit dieser Strategie verschafft sie sich nun auch Zugang zu Schulen und versucht, Jugendliche für ihre menschenverachtenden Positionen zu gewinnen. Doch wir lassen uns von diesem Schein nicht täuschen!

Die AfD ist das Ergebnis des internationalen Rechtsrucks seit der letzten Finanzkrise 2007/2008 und vertritt eine Politik, die klar rassistisch, sexistisch und in Teilen sogar antisemitisch ist. Mit ihrem neoliberalen Wahlprogramm wird sie auch in Anbetracht der momentanen Krise versuchen, die Interessen der Kapitalist_Innen bestmöglich zu schützen, indem sie die Ausbeutung von Arbeiter_Innen und Jugendlichen weiter verschärft. Dies schafft sie am besten, wenn sie deren Solidarität zueinander durch Rassismus und Sexismus zerstört, da dies ihren gemeinsamen Kampf verhindert. Wirft man einen Blick in ihr diesjähriges Wahlprogramm, so findet sich z.B. die Forderung, dass Schüler_Innen in Zukunft getrennt nach ihrer Leistungsstärke unterrichtet werden sollen – Spaltung und Konkurrenzdruck at it’s best. Darüber hinaus wollen sie eine „Abschiebeoffensive“, stärkere Grenzkontrollen und die Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete. Um diesen rassistischen Bullshit zu erkennen, brauchen wir keine Podiumsdiskussionen und je weniger Leute ihn hören, desto besser.

Unsere Schulen gehören uns!

Wir lassen uns nicht spalten! Für Vertreter_Innen dieser Politik ist an unseren Schulen kein Platz! Unsere Schulen sind der Ort, an dem wir uns täglich aufhalten und deshalb müssen sie ein möglichst safer space für alle sein, egal ob für Frauen, migrantische, queere oder muslimische Schüler_Innen. In Anbetracht der rassistischen, sexistischen und islamophoben Hetze der AfD ist es deshalb untragbar, dieser Zugang zu unseren Schulen zu geben. Wenn wir es zulassen, dass solche Parteien einfach ungestört eine Bühne bekommen, sind unsere Schulen keine Orte mehr, an denen wir sicher lernen können. Wir Schüler_Innen müssen selbst über unsere Bildung und deren Bedingungen entscheiden können und protestieren deshalb zurecht gegen die Podiumsdiskussionen mit der AfD. Gemeinsam haben wir in Berlin Kundgebungen und Störaktionen organisiert, sowie Forderungen an die Schulleitungen gestellt, wodurch wir es geschafft haben, dass die AfD an einer der Schulen wieder ausgeladen wurde (siehe dazu auch den Artikel „Revo vor Ort“, in dem wir einen detaillierten Bericht zu den Aktionen geben). Dieser Erfolg ist der Beweis, dass wir gemeinsam genug Druck aufbauen können, um solche Entscheidungen mitzubestimmen. Lasst uns also unsere Schulen aktiv mitgestalten, indem wir uns vernetzen, linke Schüler_Innenkomitees bilden und Protest organisieren mit dem Ziel, unsere Schule zu demokratisieren!

Für ein selbstbestimmtes Lernen in Schulen, die nach unseren Bedürfnissen organisiert sind! Kein Raum für Sexismus, Rassismus, Antisemitismus oder Islamophobie – kein Raum der AfD!




Streiks soweit das Auge reicht.

Warum sind sie gerade so wichtig und welche Ziele verfolgen sie?

von Flo Schwerdtfeger

In letzter Zeit häufen sich die Streiks der verschiedenen Branchen und Gewerkschaften: Die Gewerkschaft deutscher Lokführer (GdL), das Pflegepersonal der Charité und Vivantes oder die Fahrer_Innen des Lieferdienstes Gorillas. Alle streikten für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne, aber auch für bessere gesundheitliche Sorge und Vorsorge für das Personal. Bei Gorillas wird beklagt, dass man bei Wind und Wetter mit teilweise reparaturbedürftigen Elektrorädern trotzdem Bestzeiten hinlegen soll, ständig durch Ortung überwacht wird und das alles unter dem Druck von beschissenen Arbeitsbedingungen. Das Krankenhauspersonal wurde in den letzten anderthalb Jahren stärker verschleißt, als ohnehin schon und als Dank haben wir alle mal ein paar Tage geklatscht. Doch was sind die konkreten Forderungen der einzelnen Streiks?

Die Beschäftigten bei Vivantes fordern das sie mit an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) angeschlossen werden, da Teile des Pflegepersonals diesem nicht unterliegen und so bis zu 900€ Gehaltsunterschied entstehen können. Eine weitere Forderung ist der sogenannte Entlastungstarifvertrag. Dieser soll bewirken, dass mehr Personal angestellt wird, um so die generell angespannte Lage in den Krankenhäusern entlasten zu können. Immerhin gibt es bereits seit Jahren Personalmangel in der Pflege, der sich über Corona nochmal verstärkt sichtbar machte. Dafür begann am 7. September ein unbefristeter Streik. Während der Streik in der Charité mittlerweile beigelegt ist, wird in den Vivantes Krankenhäusern fortgeführt, um eine Angleichung des Lohns zu erkämpfen.
Die GdL stand nun mehrmals im befristeten Streik für einen Zeitraum von mehreren Tagen. Dabei forderten sie eine einmalige Corona-Prämie von 600€, eine Lohnerhöhung von 3,2% über 28 Monate, sowie die Umsetzung ihrer betrieblichen Rente, die ihnen zugunsten von Bahn-Aktionär_Innen gestrichen wurde.

Der Auslöser für die Streiks der Lieferfahrer bei Gorillas war die fristlose und spontane Kündigung eines Kollegen. Gegen diese unsicheren und prekären Arbeitsbedingungen und den fehlenden Kündigungsschutz, richtete sich nun ihr Streik. Diese Streiks fanden aber mittlerweile auch ihr frühes Ende, da die coolen hippen Start-Up Kapitalist-Innen den Streikenden einfach kündigten.

Streik auf der Straße, Uni-Klinik und Betrieb

Aber warum schreiben wir einen Artikel über alle Streiks, die gerade stattfinden?
Nicht weil wir fix mal alle Themengebiete abdecken wollen, sondern weil wir die Gemeinsamkeiten herausarbeiten wollen, die diese Streiks verbinden und um damit zu zeigen, warum sie so wichtig sind. Diese liegen zum einen in der aktuellen gesellschaftlichen Krise- hiermit ist einerseits die Coronakrise gemeint, und andererseits auch die Wirtschaftskrise und die Krise im Gesundheitssektor. Denn in deren Folge finden die Angriffe des Kapitals auf Arbeiter_Innenrechte verstärkt statt, und die Arbeiter_Innen wehren sich natürlich dagegen, dass man die Krisenlasten auf ihren Schultern abladen will. Außerdem finden sich diese auch in den Forderungen. Denn neben den wirtschaftlichen Forderungen nach besserer Bezahlung gibt es auch immer wieder die Forderung danach, die Arbeiter_Innen nicht gesundheitlich zu gefährden, denn die Pandemie ließ den Druck nochmal steigen. Neben den Gefahren die quasi schon mit kalkuliert sind von ganz „normalen“ Arbeitsunfällen, kam nun noch das Corona-Virus hinzu, sowohl in seiner Reinform als Ansteckungsgefahr für Bahnpersonal oder Krankenpfleger_Innen, als auch in seinen gesellschaftlichen Auswüchsen, wie z.B. in aggressiver Form von Corona-Leugner_Innen. Bei den Gorillas ist andererseits das Problem, dass ihr Firmenversprechen darin liegt, innerhalb von 10 Minuten zu liefern. Das baut natürlich einen enormen Leistungsdruck auf die Fahrer_Innen auf, da sie bei schlechter Performance auch ganz einfach gekündigt werden können, aufgrund der schlechten Anstellungsverhältnisse.

Während bei den Gorillas „wild“ gestreikt wird, sind die anderen Streiks in ihre Tarifvereinbarungen eingebunden. Der wilde Streik bedeutet, dass die Arbeiter_Innen dort keine eigene Gewerkschaft haben, bzw. der Passenden nicht angehören. Das war letztendlich auch das Fallstrick für die Arbeiter_Innen: ein wilder Streik ist nicht zulässig, da nur Gewerkschaften streiken dürfen und ein wilder Streik somit ein Kündigungsgrund ist.
Das Krankenhauspersonal unter Ver.Di und die Lokführer_Innen in der GdL sind hingegen in die Tarifrunden eingebunden (obwohl die GdL aufgrund ihrer Konkurrenzgewerkschaft der EVG immer etwas mehr kämpfen muss, um verhandeln zu dürfen). Damit dürfen sie zwar streiken, aber nur wenn die Tarifrunde ausgelaufen ist. Daher ist es verständlich das die Gewerkschaften, wie im Falle der GdL, die Zeitabstände so gering wie möglich halten wollen.

Ein anderes Problem, welches alle Streiks gemein haben, ist, dass so gut wie alle Personalchefs und Führungsetagen die Streikenden gegen die Kunden ausspielen. Die Menschen können nicht mit der Bahn verreisen oder die Krankenhäuser können ihre Patient_Innen nicht vernünftig versorgen. Die Front soll somit nicht zwischen den Arbeiter_Innen und den sie ausbeutenden Kapitalist_Innen verlaufen, sondern zwischen den verschiedenen Lohnabhängigen selber. Nicht nur sabotiert man so die Solidarität der Bevölkerung zu den Streikenden, sondern setzt letztere auch massiv unter sozialen Druck, der über den Streik selber hinaus währt.

Es gibt neben dem wirtschaftlichen Streik, der meist auf die direkten Arbeitsbedingungen abzielt, auch den politischen Streik, der sich in erster Linie an die Politik im Ganzen richtet und nicht direkt die eigene berufliche Problemlage fokussiert. Zum Beispiel ist Fridays For Future, sofern denn wirklich gestreikt wird, ein politischer Streik. Bekannter ist vielleicht noch der Kapp-Putsch im Jahr 1920, der durch einen (politischen) Generalstreik beendet wurde. Heute gilt der politische Streik in Deutschland als verboten, obwohl er es nicht wirklich ist. Allerdings findet er auch nicht mehr statt.

Unsere Antwort auf eure Politik?

Dass dieser politische Streik nicht mehr stattfindet, ist ein großes Problem, denn er wäre bitter nötig: Egal ob Klimawandel, Flucht oder eben die Corona-Pandemie. Alle Themen haben mehr oder wenige direkte Auswirkungen auf die Arbeit der Einzelnen, aber auch auf die Situation der gesamten Arbeiter_Innenklasse. Wenn der Klimawandel die Ärmsten zuerst trifft, wird ihnen nicht geholfen werden vom Kapitalismus. Wenn diese Menschen dann auch noch versuchen, davor zu fliehen, werden ihnen so viele Hürden wie möglich errichtet. Und wie nun schon öfter erwähnt, bedroht die Pandemie ebenso vorrangig die Arbeiter_Innenklasse, sowohl wirtschaftlich, als auch gesundheitlich. Wenn diese Probleme bewältigt werden sollen, müssen die Kämpfe zusammengeführt werden. Besonders wenn es im Kern auch um politische Themen geht, denn nur so kann der Druck auf die Politik erhöht werden.

Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass die Solidarität den Streikenden gilt und nicht den ach so armen Kapitalist_Innen, wenn diese mal einige Tage etwas weniger Profit einfahren. Es darf nicht sein, dass wir gegenseitig weiter unsere Ausbeutung hinnehmen und in Konkurrenz weiter zersplittern.

Wir stehen dabei in Solidarität mit den Streikenden und unterstützen sie bei der Erfüllung ihrer Forderungen. Trotzdem müssen wir die Kämpfe letztendlich auch gegen ihre Ursache verbinden den Kapitalismus, der Flucht, Klimawandel und Ausbeutung erzeugt und immer wieder reproduziert. Lasst uns also solidarisch gemeinsam kämpfen, egal ob in der Schule, Uni oder im Betrieb!