Fulda: REVO vor Ort!

Fulda: Schulleitung macht
Druck auf linke Schüler_Innen

Im
Zuge der Bewerbung einer Veranstaltung zu den Strategien der
Umweltbewegung, waren Mitglieder unserer Fuldaer Ortsgruppe an ihren
Schulen aktiv, um mit einem Flyer Mitschüler_Innen für die
Umweltproblematik zu sensibilisieren.

In
diesem Flyer argumentieren wir, dass es kein Zufall ist, dass die
Regierungen trotz alarmierender wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht
fähig und nicht willens sind ihre Politik zu ändern. Sie stehen
stellvertretend für eine kapitalistische Gesellschaftsordnung, in
welcher letztlich alles den Profitinteressen der Wirtschaft
untergeordnet wird – auch der Umweltschutz, denn dieser kostet
Geld. Nachhaltigkeit und Kapitalismus sind zwei unvereinbare
Widersprüche. Deshalb treten wir für eine sozialistische
Gesellschaft ein, in der sich die Wirtschaft an den Bedürfnissen
aller Menschen orientiert und
auch von diesen demokratisch und nachhaltig geplant wird.

Diese
Forderung reichte an einer Schule aus, um für Wirbel zu sorgen. Ein
Vater bekam den Flyer von seinem Sohn gezeigt und alarmierte umgehend
die Schulleitung. Von dieser forderte er Maßnahmen und sogar ein
Eingreifen der Sicherheitsbehörden, da die Überwindung des
Kapitalismus gegen die „freiheitlich-demokratische“ Grundordnung
verstößt. Die Schulleitung reagierte mit einer Mail an den
Elternbeirat, das staatliche Schulamt und den Beauftragten für
Extremismusprävention. Nun soll der Verfassungsschutz an die Schule
kommen und über „Linksextremismus“ aufklären.

Dabei
muss man sich vor Augen führen: In Hessen sind in letzter Zeit
mehrere Nazi-Netzwerke bei der Polizei aufgeflogen. Weiter gab es
zwei faschistische Terroranschläge. Mit dem NSU gab es 2006 noch
einen dritten. Durch Hessen zieht sich eine Blutspur des rechten
Terrors. Kam da mal jemand auf die Idee an Schulen darüber
aufzuklären? Fehlanzeige. Und jetzt setzen sich Schüler_Innen für
eine demokratische und nachhaltige Wirtschaft jenseits des
Kapitalismus ein und der Verfassungsschutz soll kommen!? Geht’s
noch!?

Wir
lassen uns von Schulleitungen und Eltern, die im Kampf für eine
gerechte und nachhaltige Welt ein Problem sehen, sicher nicht
einschüchtern und werden auch weiterhin an unseren Schulen aktiv
sein für die Überwindung des Kapitalismus!




Berlin: REVO vor Ort!

Theaterstück & Workshop zu alternativem Sexualkundeunterricht

Nachdem
wir uns auch in Berlin an der Demonstration zum Internationalen
Frauenkampftag am 8. März beteiligt hatten, führten wir am
Alexanderplatz, dem Endpunkt der Demo, ein Theaterstück zum Thema
„Alternativer Sexualkundeunterricht“ auf. Dazu spielten einige
Mitglieder eine Schulklasse, in der gerade zum ersten Mal das Thema
„Sexualität“ behandelt wird. Der von uns dargestellte Lehrer
konfrontierte sie also mit den typischen Mythen und Stereotypen des
Sexualkundeunterrichts wie zum Beispiel „Sex dient nur der
Fortpflanzung“, „Frauen müssen sich um die Verhütung kümmern“
oder der problematischen Einteilung von Sex in Kategorien wie
„normal“ und „unnormal“. Die Schüler_Innen der Klasse
stellten nun
kritische Fragen an ihren Lehrer wie „Spielt Spaß beim Sex keine
Rolle?“ oder „Sind diese Standards nicht super homophob?“, auf
die dieser nicht antworten wollte oder konnte. Daraufhin übernahmen
die Schüler_Innen selbst die Kontrolle über den Unterricht und
forderten ein alternatives und fortschrittlicheres Konzept zum bisher
bestehenden Sexualkundeunterricht. Ziel dieser Aufführung war es,
aufzuzeigen wie sexistisch, heteronormativ und veraltet die Standards
dessen sind und Schüler_Innen dazu zu ermutigen, dies auch offen in
der Schule zu kritisieren und eine Bildung einzufordern, die sich an
der tatsächlichen Realität von Sexualität orientiert und nicht an
sexistischen und homophoben Stereotypen. Abschließend zu unserer
Aufführung öffneten wir die Diskussion für alle Zuschauer_Innen zu
einem Workshop mit Themen wie Konsens und wie sich problematische
Sexualpädagogik auch später noch auf unser Sexualleben auswirkt.




Dresden: REVO vor Ort!

Dresden: Schulgruppen in Aktion

von Alys

Das erste Treffen eurer eigenen
Schulgruppe wurde erfolgreich durchgeführt und jetzt muss eine erste
Aktion her? So ging es auch uns im Gymnasium Dresden Klotzsche. Die
ersten Treffen hatten wir bereits durchgeführt und uns einen
Überblick über Probleme und Themen an der Schule gemacht.
Klimaschutz stand zu der Zeit im Mittelpunkt der Diskussionen vieler
Schüler_Innen. Damit ist es also eine prima Möglichkeit möglichst
viele Menschen anzusprechen und für eine Diskussion zu begeistern.
Doch was kann man an einer Schule dahingehend verändern? Am besten
etwas, womit alle Schüler_Innen täglich konfrontiert sind?

Schnell fiel unser Augenmerk auf das
Mittagessen. Wenn man mittags etwas Warmes
essen möchte, kommt man nicht drumherum sich ein Menü vom
Essensanbieter zu bestellen. Natürlich gibt es da jeden Tag auch
Fleisch zu essen. – aus Sicht des Klimaschutzes ist das
problematisch, da 18 Prozent der Treibhausgase von der
Fleischindustrie verursacht werden. Dazu kommt, dass das von
Rindern erzeugte Methan die Erdatmosphäre 20 Mal schneller als
Kohlendioxid erwärmt. Außerdem erhöht übermäßiger Fleischkonsum
die Cholesterinwerte, was wiederum das Risiko für Schlaganfälle,
Diabetes Typ 2 und verschiedene Krebsarten steigert. Wir lehnen den
Fleischkonsum natürlich nicht prinzipiell ab. Dennoch ist es mit der
momentanen Lage des Klimas, als auch der gesundheitsschädlichen und
grausamen Massentierhaltung, wahrscheinlich mehr als nötig diesen
einzuschränken. Fleisch aus z.B. biologischer Landhaltung ist für
die meisten viel zu teuer und wird sowieso nicht an Schulen
angeboten. Es ist zwar kein revolutionärer Ansatz auf privaten
Konsumverzicht zu setzen, aber solange die Produktion noch nicht
demokratisch in Arbeiter_Innenhand liegt, ist die Schule ein
Ansatzpunkt für Schüler_Innen sich für ihre Interessen
einzusetzen. Täglicher Fleischkonsum schadet Mensch, Tier und
Umwelt. Es gibt an Schulen noch keine ausreichende Aufklärung über
diese Themen, deshalb sollte es wenigstens die gleiche Auswahl an
Fleischgerichten und vegetarischem Essen geben.

Eigentlich sieht es an unserer
Schule dahingehend schon ganz gut aus. Es gibt immer ein Gericht mit
Fleisch, ein Vegetarisches und einmal Nudeln. Doch da liegt auch das
Problem: Die Soße zu den Nudeln enthält meistens Fleisch. Zum
Beispiel in Form von Jagdwurst oder Bolognese. Zudem ist das
vegetarische Gericht meistens süß, dann gibt es zum Beispiel in
einer Woche Hefeklöße, Kaiserschmarrn und Puddingsuppe. Das mag
nicht jede_R und an solchen Tagen gibt es keine Ausweichmöglichkeit
für Vegetarier_Innen oder Schüler_Innen, die keine Lust auf Fleisch
haben.

Sehr gut lässt sich das Interesse
der Schüler_Innen an mehr vegetarischem Essen in einer
Unterschriftenliste darstellen. Die Hemmschwelle zu unterschreiben
ist relativ niedrig und sollte unsere Forderung abgelehnt werden,
wird klar wie viel Mitspracherecht Schüler_Innen wirklich haben und
andere lassen sich schneller zu radikalen
Kampfformen überzeugen. So haben wir es dann auch gemacht: Einen
Petitionstext verfasst und Listen ausgedruckt. Zusätzlich mit
kleinen Flyern über unsere Gruppe bewaffnet, haben wir zuerst
Schüler_Innen in ihren Klassen und später während der Pause in der
Mensa angesprochen. Einige haben ohne zu fragen unterschrieben, aber
es sind auch viele Diskussionen entstanden. Generell wurde das Thema
gut angenommen und wir
kamen prima in
Kontakt mit interessierten Schüler_Innen. Sogar einige Lehrer_Innen
haben unterschrieben.

Bis jetzt konnten wir schon 214
Unterschriften sammeln, aber das ist wahrscheinlich noch nicht das
Maximum. Deshalb werden wir nach der Coronapause weitermachen und die
Listen zum Schluss den Schulleiter_Innen vorlegen. Was am Ende dabei
herauskommt wissen wir noch nicht. Petitionen führen an Schulen (und
auch generell) zwar selten zu ihrem Ziel, aber das ist erstens kein
Argument es nicht trotzdem zu versuchen und zweitens konnten wir so
erst einmal ausmachen,
wer interessiert ist und auch durch die Diskussionen zum Nachdenken
anregen. Zum Beispiel haben die Schüler_Innen dann beim Essen weiter
mit ihren Freund_Innen darüber geredet etc., und das ist für den
Anfang auch schon mal was.

Jetzt in der Coronazeit können wir
vorerst keine weiteren Unterschriften sammeln. Allerdings liefert sie
uns auch ein neues aktuelles Argument, denn Massentierhaltungen und
Fleischindustrie erhöhen sehr wahrscheinlich die Gefahr von
Pandemien wie das Coronavirus, die Schweinegrippe, die Vogelgrippe,
SARS, AIDS oder Ebola. In der Zukunft wollen wir auf jeden Fall mehr
Teilnehmer_Innen für unsere Treffen gewinnen und natürlich noch
mehr Aktionen planen.

Also bleibt dran und organisiert euch an euren Schulen! Und keine Angst, wir haben es auch zu zweit schon bis hierhin geschafft.




Prüfungsstopp sonst Schulboykott!

Wenn wir uns mit
unseren Freund_Innen an der frischen Luft im Park treffen, um mal aus
der engen Wohnung rauszukommen und zu quatschen, haben wir in 10
Minuten die Bullen an der Backe, weil das aus
„infektionsschutzrechtlichen Gründen“ verboten ist. Ab nächster
Woche sollen aber nun die Schulen wieder aufgemacht werden? Ohne uns!

Es gibt kaum einen
Ort in der Gesellschaft, an dem Viren in so krassem Ausmaß
verbreitet werden wie die Schule. Und ganz ehrlich: wer schon einmal
in seinem Leben auf einem Schulklo war weiß, dass die nötigen
Hygienebedingungen in Schulen nicht umsetzbar sind, von 1,5 m
Mindestabstand ganz zu schweigen. Viele Virolog_Innen haben sich
deshalb gegen die Schulöffnungen ausgesprochen. Außerdem gibt es
kein einheitliches Konzept für den Wiedereinstieg in den
Schulbetrieb und jedes Bundesland kocht seine eigene Suppe. Dass
jedoch Wirtschaftsverbände, neoliberale Forschungsinstitute und
Politiker_Innen so auf eine Wiedereröffnung der Schulen drängen,
zeigt nur wieder einmal, dass es in diesem System um Profite und
nicht um unsere Gesundheit geht. Die Bosse wollen, dass unsere Eltern
wieder zur Arbeit gehen und wir noch schnell Schulabschlüsse
reingedrückt bekommen, damit wir auch schnell in den
kapitalistischen Verwertungsprozess eingegliedert werden können.
Dabei ist es ihnen egal, dass diese Maßnahmen höchstwahrscheinlich
eine erneute Welle der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus auslösen
werden. Wir fordern die Schließung der Schulen mindestens bis zum
Sommer und höchstens so lange, wie es zur Bekämpfung der
Corona-Pandemie nötig ist!

Das Schuljahr geht
eh nur noch wenige Monate, welche Lerninhalte sollen wir da
eigentlich noch sinnvoll bearbeiten? Ums Lernen geht es hier also
nicht, sondern darum, uns noch schnell unter massivem Stress viele
Prüfungen reinzuwürgen damit wir Abschlussnoten bekommen. Da
Bildung im Kapitalismus vor allem die Funktion hat, uns durch
Autorität, Konkurrenz und verwertbares Wissen in einen Arbeitsmarkt
reinzupressen und dementsprechend vorzuselektieren, sind die
Abschlussnoten in diesem System unerlässlich. Wir fordern die
Aussetzung aller Prüfungen und Klassenarbeiten in diesem Schuljahr
und Versetzungen für alle! Keine_r bleibt wegen Corona sitzen! Alle
Abgangsklassen, ob Hauptschule, Realschule, Berufsschule oder
Gymnasium sollen einen Schulabschluss bekommen. An den Unis müssen
die NCs ausgesetzt werden.

Dabei geht es uns
nicht darum, dass wir zu faul zum Lernen sind sondern, dass wir
gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Das E-Learning muss zu
Hause weitergehen, allerdings nicht so wie bisher: Wie
selbstverständlich wurde vorausgesetzt, dass wir die nötige
Hardware, also einen eigenen Computer und Drucker samt Zubehör zu
Hause haben. Auch nicht jede_r von uns hat ein eigenes Zimmer und zu
Hause die nötige Ruhe zum Lernen. Während einige von uns Eltern
haben, die selber studiert haben, fließend Deutsch sprechen und ihre
Kinder während des Homeoffice gut bei den Aufgaben unterstützen
können, haben andere von uns Eltern, die vielleicht eine andere
Muttersprache oder eine andere Schulbildung erfahren haben und
alleinerziehend sind oder täglich für wenig Geld im Supermarkt oder
Krankenhaus arbeiten müssen. Wer keinen eigenen Computer hat,
muss einen von der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen!

Wir labern nicht nur sondern meinen es ernst! Nachdem Unterschriftenlisten nichts gebracht haben, müssen wir nun selber tätig werden. Jetzt heißt es: Schulboykott! Wir werden nicht in die Schule gehen und zu Hause bleiben, bis unsere Forderungen erfüllt wurden. Einfach nur zu Hause Bleiben reicht natürlich nicht aus. Um unsere Forderungen durchzusetzen, wird es letzten Endes notwendig sein, auch auf die Gewerkschaften zuzugehen und den Boykott in einen richtigen Streik umzuwandeln. Damit wir also nicht alleine blöd dastehen, müssen wir uns vernetzen und organisieren, denn zusammen sind wir stark! Zusammen mit unseren Lehrer_Innen und der GEW fordern wir: Lasst die Schulen zu!

Bild: https://www.flickr.com/photos/30845644@N04/13924686926/in/photostream/




Wie international Rechte die Pandemie ausnutzen

Flo Schwerdtfeger

Die
ganze Welt ist gezwungen gegenüber dem Corona-Virus zu handeln. Und
während das schon mit Einschränkungen in allen Lebensbereichen und
der Grundrechte geschieht, schaffen es trotzdem noch konservative und
rechte Parteien, einen drauf zu setzen. Dabei entsteht oft eine Suppe
aus Kleinreden mit der starken Forderung nach schneller Öffnung im
Interesse der Wirtschaft auf der einen Seite und dem autoritären
Umbau des Staates auf der anderen Seite, alles garniert mit
ordentlich Rassismus. In diesem Artikel wollen wir uns mit einigen
Beispielen und den Hintergründen auseinandersetzen.

Wer
zuletzt kommt, den bestraft der Weltmarkt

Die meisten Länder, deren Politiker_Innen das Virus zuerst verleugneten und immer noch klein reden, haben konservative bis offen rechte Regierungen. Prominent sind hierbei Brasilien, USA und GB.
Entweder man erkannte die reelle Gefahr nicht an oder setzte, entgegen den Ratschlägen der Wissenschaft und dem Widerstand der Bevölkerung, auf das System der schnellen Herdenimmunität. Dabei will man das Virus dadurch überwinden, indem man im Grunde gar nichts macht und möglichst schnell ein Großteil der Menschen durch eine vorige Ansteckung und anschließender Genesung immun werden. Ungeachtet der Tödlichkeit des Virus‘ wird eine Überlastung des Gesundheitssystem in Kauf genommen, was man durch das Versprechen legitimiert, dass es so schlimm schon nicht werden wird. So reagierten England und die USA erst lange, nachdem die meisten europäischen Staaten die Ausgangsbeschränkungen einführten. Auch durch dieses Zögern sind die USA zum neuen Zentrum der Pandemie geworden, während man sich nach wie vor mit Schuldzuweisungen gegen China behängt und den Handelskrieg weiter führt.

In anderen Ländern, in denen man davon ausgeht, dass bereits das Maximum der Ansteckungen erreicht wurde und sich die Kurve wieder abflacht (wie z.B. in Deutschland), fordern Rechte sowohl aus AfD als auch CDU/CSU eine schnelle Lockerung der Maßnahmen. Dies tun sie aber nicht aus ihrer Liebe zu den Grundrechten oder zu den Menschen. Der Grund dafür ist vielmehr in ihrer sozialen Basis zu suchen. Flach gesagt, vertreten die AfD und rechtere Teile der Union die Interessen einer Fraktion des deutschen Kapitals aus kleineren binnenmarktorientierten Kapitalist_Innen. Diese (z.B. kleinere Gastronomie oder Tourismusunternehmen) sind aber noch oft noch unmittelbarer von der Krise betroffen als das Großkapital und werden die Maßnahmen nicht so lange durchhalten können. Deswegen muss alles getan werden, dass sie dabei nicht hinten herunterfallen und wenn man dem durch Lügen, Kleinrederei und Lobbypolitik die Gesundheit und Leben unzähliger Menschen opfert.

Autoritärer Rückschlag im weltweiten Ausmaß

In
Deutschland sind die Grundrechtseinschränkungen massiv und es ist
nicht unwahrscheinlich, dass einige nicht zurückgenommen werden.
Doch auch die Liste der Maßnahmen und Methoden, die andere Länder
ergreifen, liest sich wie How-To’s für Autokratien und
Demokratieverächter. Werfen wir also den Blick in Länder, in denen
die Angriffe besonders heftig sind.

Das beste Beispiel dafür sind die Notstandsgesetze, welche in Ungarn durch die regierende Partei Fidesz eingeführt wurden. Diese ermöglichen dem Premierminister Viktor Orban per Dekret zu regieren und somit alle Entscheidungen alleine treffen zu können. Die Regierung versucht zwar immer wieder, zu beschwichtigen und beruft sich darauf, dass dieser Umstand endet, sobald auch die Notsituation endet, Kritiker_Innen sehen darin aber den Höhepunkt einer Entwicklung in dem schon seit Jahren autoritärer werdenden Staat, der nun de Facto zur Autokratie geworden ist. Dazu ist es ein heftiger Angriff auf die Arbeiter_Innenklasse, dass die Regierung 140 der größten und wichtigsten ungarischen Unternehmen unter Militärkontrolle gestellt hat und das Militär auch im öffentlichen Raum eingesetzt wird, um für Ruhe zu sorgen. Die Militärkontrolle soll so offiziell darauf achten, dass eine „reibungslose“ Produktion sichergestellt werden kann.

Auch die Philippinen setzen auf das Militär und die Polizei im Umgang mit Coronavirus, nur noch härter. Menschen, die dort gegen die Ausgangssperre verstoßen, riskieren, noch auf der Straße erschossen zu werden. Der Präsident Duterte gab öffentlich diese Anweisung. Die sich damit ergebende Situation ist besonders gefährlich für Menschen, die schon vor der Krise unter prekären Verhältnissen lebten oder z.B. im informellen Sektor arbeiten. Für sie gab es nie die Option des Homeoffice‘ oder von Ersparnissen zu erleben. Durch die Ausgangssperre werden sie auch endgültig ihrer Einkommensgrundlage beraubt und müssen täglich ihr Leben riskieren, entweder zu verhungern oder auf der Straße erschossen werden.

Wie bereits erwähnt, hat der brasilianische Präsident Bolsonaro das Corona-Virus lange kleingeredet („es ist nur eine kleine Grippe“), sodass die bewaffnete Autorität nun von anderen ausgeübt wird. Was wie ein schlechter Witz klingt, ist die bittere Realität: Da die Regierung nicht frühzeitig Maßnahmen ergriff, handelten die Gangs und Drogenkartelle zuerst und verhängten unter Androhung drakonischer Strafen eigenmächtig Ausgangssperren in den Favelas. Diese sind durch die fehlende Versorgungsinfrastruktur, die beengte Bebauung und hohe Einwohner_Innendichte besonders gefährdet. Bereits jetzt sind die Krankenhäusern in den Ballungsräumen an ihren Grenzen und es werden Stadien zu Notlazaretten umgebaut.

Eine andere Gefahr in den meisten Ländern wie auch Deutschland ist Terrorismus von Rechtsradikalen. Diese sehen in der derzeitigen Notstandssituation die Chance, die angespannte Situation durch gezielte Anschläge auf wichtige Infrastrukturen weiter zuzuspitzen. Ziel ist es, den Staat soweit in Unruhe zu versetzen und zu schwächen, bis man endgültig einen Bürgerkrieg anzetteln kann. Vor der Gefahr des rechten Terrorismus wird schon seit Jahren gewarnt, besonders im Zusammenhang mit Netzwerken, auch ins Militär, Polizei und Parteien. Zwar erkennt der Verfassungsschutz diese nun als größte Gefahr an, doch die Verstrickungen der vergangenen Vorfälle lassen nur zu sehr vermuten, dass der Staat weiter auf dem rechten Auge blind bleibt.

Leider nichts neues

Alle
diese Beispiele sind nicht bloß den gegenwärtigen Umständen
geschuldet, sondern sind schon jahrelang die Auswüchse des
Rechtsrucks, der auf der ganzen Welt stattfindet. Ungarn und Polen
verfolgen schon seit Jahren einen immer autoritärer werdenden Kurs
und diskriminieren systematisch LGBT*-Menschen. Brasilien und die
Philippinen gehen mit aller Härte gegen linke Aktivist_Innen,
Minderheiten und ärmere Bevölkerungsschichten vor, z.B. im Falle
des „Drogenkrieges“. Die EU denkt nicht mal dran, die
schreckliche Lage in den Flüchtlingslagern in Griechenland und der
Türkei zu beheben und überlasst den Menschen dort lieber ihrem
Schicksal, als sie aufzunehmen und zu versorgen. Eine Regierung nach
der anderen fällt an nationalkonservative und offen rechte Parteien.

Diese
Entwicklung wird bedingt durch die weltwirtschaftliche Zuspitzung
seit der Wirtschaftskrise 2008 und die daraus folgende Forderung der
nationalen Kapitalist_Innenklassen nach aggressiverer Politik, um die
eigene Stellung abzusichern. Die darauffolgenden Sparmaßnahmen
wurden oft von liberalen oder gar sozialdemokratischen Parteien
durchgesetzt und sorgen dafür, dass sich die Lebenslage der
Bevölkerung deutlich verschlechtert. Das ist der Nährboden des
Rechtsrucks,
der sich seit Jahren durch jedes Land zieht. Gerade jetzt zeigt sich
die verhängnisvolle Auswirkung der Sparpolitik. Spanien und Italien,
die am schwersten getroffenen Länder in Europa, mussten auch im
Gesundheitssystem Kürzungen durchführen, wodurch jetzt Betten und
Personal fehlen, um angemessen auf die Pandemie zu reagieren. In
Deutschland äußerte sich das z.B. auch in den Kürzungen und
Privatisierungen des Bildungssystems.

Wenn
du dich für eine genauere Analyse des Rechtsrucks interessierst,
schau dir
den Artikel „Internationaler
Rechtsruck – seine Grundlagen verstehen, um ihn zu bekämpfen!“
an:
http://onesolutionrevolution.de/internationaler-rechtsruck-seine-grundlagen-verstehen-um-ihn-zu-bekaempfen-2/

Wie müssen wir reagieren?

Es könnte gut sein, dass die Rechten mit der kommenden Wirtschaftskrise noch mehr Futter bekommen, doch es ist noch nicht festgelegt, dass sich der Rechtsruck auch verschärft, denn wir haben da noch ein Wörtchen mitzureden! Wir brauchen eine linke Bewegung, die sowohl gegen die Rechten als auch gegen die Sparmaßnahmen und Grundrechtseinschränkungen Widerstand leistet. Damit der Kampf effektiv ist, müsste diese das kapitalistische System an sich bekämpfen und international sein, denn sowohl Rechtsruck als auch der Kapitalismus sind ebenso international. Der Burgfrieden mit dem Kapital (ob nun in Form von Konzernen, Regierungsparteien oder Rechten), an dem Gewerkschaften und Linke festhalten, muss gebrochen werden und folgende Forderungen laut gemacht werden:

Nazis stoppen!


Faschoaufmärsche verhindern – massenhaft und militant!


Nazis morden, der Staat schaut zu: Antirassistischen Selbstschutz
organisieren statt auf die Bullen verlassen!

Gesundheit vor Profite!


Kostenlose Gesundheitsversorgung für alle – von Tests bis zur
Unterbringung in Krankenhäusern und Intensivmedizin. 500 Euro/Monat
mehr für alle Beschäftigten in den Pflegeberufen!

#stayathome


Keine Wiederöffnung der Unternehmen ohne Schutz- und Hygieneplan
unter Kontrolle der Beschäftigten!


Wir zahlen nicht für die Krise!


Gegen alle Entlassungen! 100 % Lohnfortzahlung für alle, die in
Kurzarbeit sind! Keine Aushebelung von Arbeitszeitbeschränkungen und
Arbeitsrecht!


Keine Milliarden-Geschenke für die Konzerne – massive Besteuerung
von Vermögen und Gewinnen! Entschädigungslose Enteignung der Banken
und des Großkapitals unter Kontrolle der Beschäftigten!

Keine Rendite mit der Miete!


Für das Aussetzen aller Miet- und Kreditzahlungen für die
arbeitende Bevölkerung! Enteignung der großen Immobilienkonzerne
wie Deutsche Wohnen, Vonovia und Co. Nutzung von Leerstand, um die
Räume Bedürftigen wie Geflüchteten und Obdachlosen zur Verfügung
zu stellen!

#leavenonebehind


Abschaffung von Lagersystemen und rassistischen Asylgesetzen: Offene
Grenzen und StaatsbürgerInnenrechte für alle!




Nein zu überhasteten Schulöffnungen!

Christian Gebhardt, Gruppe ArbeiterInnenmacht

Lange hat es gedauert. Zuerst galten Kinder und Jugendliche angeblich
überhaupt nicht als gefährdet. Es hieß, sie würden von dem Corona-Virus
zwar infiziert werden können, aber gesundheitlich sei nichts zu
befürchten. Es wäre viel unverantwortlicher, die Schule zu schließen, da
ansonsten ihre Eltern nicht zur Arbeit gehen könnten.

Dieses „Argument“ galt bis Mitte März, also bis kurz vor dem Beschluss der Schulschließungen. Die Ausbreitung der Pandemie zwang zu einem Kurswechsel. Die sozialen Auswirkungen der Schulschließungen – Vereinsamung, Verstärkung der sozialen Ungleichheiten beim home-schooling, Fehlen fest jeder Vorbereitung der SchülerInnen, Lehrer_Innen und Eltern – spielten damals noch keine Rolle. Das Schuljahr sollte auf Teufel komm raus durchgezogen werden.

E-Learning – ein Erfolgskonzept?

Dann kam die „Online-Wende“. Innerhalb weniger Tage, ja Stunden wurden die Schulen geschlossen. Kein/e Schüler_In werde dadurch einen Nachteil erhalten. Schließlich würden ausreichend Online-Angebote geschaffen und alles ohne weiteres daheim weitergehen können. Dieses „ohne weiteres“ war schnell abzusehen: Schüler_Innen aus ärmeren Haushalten waren durch die jetzige Situation stärker daran gehindert, ordentlich digital zu lernen (Leben unter Corona – aus der Sicht eines Lehrers).

Die derzeitige Situation – unter anderem geschaffen durch das jahrelange Verschlafen notwendiger digitaler Versorgung aller Schulen, Lehrer_Innen und Schüler_Innen unabhängig von ihrer Herkunft – verstärkte die Ungleichheit der Bildung weiterhin. Ein effektives Lernen unabhängig von der sozialen Herkunft des jeweiligen Kindes ist in der derzeitigen Situation nicht realistisch.

Stattdessen sollte daran gearbeitet werden, die Kerngruppen zu verkleinern, jede_N Schüler_In mit einer digitalen Ausstattung zu versorgen sowie Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen (z. B. Stadtbibliotheken, Eingliederung in die Notfallbetreuung in den Schulen), in denen Schüler_Innen, die zuhause über keine räumlichen Voraussetzungen verfügen, ohne Stress lernen können. Nur so könnte es den Lehrkräften sowie den Schüler_Innen ermöglicht werden, ein effektiv Lernen zu gestalten und daran teilzunehmen.

Zurück zur Normalität – aber wie?

Nachdem nun die Schulschließungen über vier Wochen andauern, war die
Diskussion der letzten Tage rund um die allgemeinen Lockerungsbemühungen
auch immer stark von der Frage geprägt: „Wann können wir die Schulen
wieder öffnen?“

Anders als noch vor den Schließungen waren die Argumente nun nicht ausschließlich die, dass es den Eltern so schnell wie möglich wieder ermöglicht werden sollte, die Arbeit wieder aufnehmen zu können. Neben diesem Argument wurde plötzlich auch auf die soziale Ungleichheit der derzeitigen Situation hingewiesen und ,wie schwer es vielen Familien fällt, mit dieser Situation umzugehen. Ganz nach dem Motto „spalte und herrsche“ werden hier die Interessen der Eltern gegen die der Schüler_Innen und der Gesellschaft insgesamt ausgespielt.

Bemerkenswert auch, dass der selektive Charakter des E-Learnings
plötzlich jenen auffällt, die ansonsten den Klassencharakter des
Schulsystems verteidigen und für Privatisierung und verstärkte Auslese
eintreten.

Aber gut, dass wir sogenannte „Expert_Innen“ haben, denen uneingeschränkt und ohne Probleme geglaubt werden kann. Dumm nur, wenn sich diese in den wesentlichen Dingen widersprechen. Forderte die Nationale Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, die Schulförderung direkt nach den Osterferien mit den jüngsten Klassen zu beginnen, kam von den Expert_Innen des Robert-Koch-Institutes (RKI) die Empfehlung, mit den älteren Jahrgängen zu beginnen, da sich diese eher an die Hygienevorschriften halten könnten. Von Seiten der Regierungen des Bundes und der Länder wurde sich nun am 15. April darauf verständigt, dem Rat des RKI zu folgen. Die Schulen sollen nun noch bis zum 4. Mai geschlossen bleiben und danach soll mit dem Unterricht der Abschlussklassen erneut begonnen werden. Wie dieser Unterricht sowie die notwendigen Infrastrukturen (Schulweg, Pausenregelungen etc.) gestaltet werden sollen, soll nun durch die Kultusminister_Innenkonferenz (KMK) bis zum 29. April erarbeitet werden.

Doch manche Länder preschen vor – ohne dass irgendwelche hygienischen oder sonstigen Voraussetzungen, z. B. Grundreinigungen der Schulen, schon flächendeckend gewährleistet sind. Diese Sonderregelungen sehen Bund und Länder ausdrücklich vor. Bundesländer, die schon zeitnah das Abhalten ihrer Abschlussprüfungen (z. B. das Abitur) angekündigt haben, sollen auch schon vor dem Stichtag ihre Schulen wieder öffnen dürfen. Der Berliner Senat hat angekündigt, in der kommenden Woche, vom 20.–24. April, mit dem Lateinabitur anfangen zu wollen. Ab 27.4. sollen weitere Schulen geöffnet werden. In Rheinland-Pfalz sollen die Schüler_Innen der Abschlussklassen ebenfalls schon Anfang nächster Woche wieder den Unterricht besuchen. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen will ab 23. April die Schulen wieder teilweise öffnen.

Prüfungen auf Teufel komm raus?

Die Frage der Abschlüsse wird ebenfalls von allen Politiker_Innen hochgehalten, spielen sie doch in einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft eine wichtige ideologische Rolle. JedeR soll unter Stress und Druck beweisen, dass die Bereitschaft und Fähigkeit zur Leistungserbringung im System vorhanden ist. Unabhängig ob nun die Schulen wieder voll starten können oder nicht, sollen die Prüfungen für die Schüler_Innen früher oder später durchgezogen werden.

Auch wenn argumentiert werden kann, dass der Großteil des Lernstoffes schon vor der Schulschließung im Unterricht behandelt wurde, fehlen wichtige Bestandteile einer gut organisierten Prüfungsvorbereitung: die Übung, Wiederholung und Vernetzung von Lernstoff der letzten Jahre. Klar kann sich theoretisch im Selbststudium daheim der Inhalt beigebracht und für die Prüfungen gelernt werden. Aber das wichtige, begleitete Üben mit einer Lehrkraft sowie das gemeinsame Abfragen und Lernen mit Mitschüler_Innen fällt in der jetzigen Situation wieder denen zu, die durch ihre familiäre Situation eine ruhige und feste Lernatmosphäre vorfinden.

Zu Recht protestieren Elternvertretungen, Gewerkschaften und Schüler_Innen gegen Prüfungen unter diesen Bedingungen. Eine erste Wirkung hat das erzielt. Das Land Hessen will allen Schüler_Innen eine Versetzung in die höheren Klassen erlauben.

Was kümmert mich die Virusgefahr von gestern?

Die überhastete Wiedereröffnung der Schulen darf jedoch nicht nur im Zusammenhang mit schulischen Fragen betrachtet werden. Die Bundesregierung und die Länder setzen unter dem Druck der Unternehmer_Innenverbände auf ein möglichst rasches Hochfahren der Wirtschaft, also darauf, möglichst viele wieder zur Arbeit zu schicken, Geschäfte und Restaurants zu öffnen.

Während die Eltern wieder in den Betrieb müssen, sollen die Schüler_Innen an den Schulen betreut werden. Es greift somit zu kurz, nur die Schulpolitik an den Pranger zu stellen. Schließlich müssen die Unternehmen wieder Gewinn machen – und das ist im Kapitalismus eben systemrelevant und allemal wichtiger als Demokratie und Gesundheit. Damit die Eltern wieder ungestört zur Arbeit können, sollen die Kinder und Jugendlichen in die Schule. Mit deren Öffnung wird bewusst das Risiko einer erneuten stärkeren Ausbreitung der Pandemie, einer zweiten Welle in Kauf genommen. Die Verantwortung für eine mögliche Steigerung der Infektionszahlen versuchen Bund und Länder dabei, vorsorglich auf Lehrer_Innen und Schüler_Innen abzuwälzen, die sich unter unverantwortlichen Bedingungen eben „verantwortlich“ zu verhalten hätten.

Nein zur Schulöffnung! Nein zum Prüfungsabenteuer!

Zu Recht sprechen sich mehr und mehr Gewerkschafter_Innen sowie die GEW, Lehrer_Innenvereinigungen, Eltern- und Schüler_Innenvertretungen gegen die überhastete Öffnung der Schulen aus.

Der DGB spricht sich u. a. auch aus obigen Gründen zusammen mit der
GEW dafür aus, in diesem Schuljahr keine Abschlussprüfungen mehr
durchzuführen. Die Gleichbehandlung der Prüflinge sei nicht gegeben. Wir
unterstützen diese Forderung, die Prüfungen für alle Schultypen
abzusagen. Aber damit ist es alleine nicht getan, lassen sich doch nur
durch die Forderung nach Absage einer Abschlussprüfung schnell Ängste
und Unsicherheiten gegeneinander ausspielen: „Werde ich dann von meinem
Betrieb übernommen?“, „Werde ich eine Anstellung mit einem
Corona-Abschluss finden?“, „Wie kann ich meinen Abischnitt dann noch
verbessern, um mich für meinen Wunschstudiengang bewerben zu können?“

Diese Fragen schwirren vielen derzeit bei der Diskussion um die Abschlussprüfungen im Kopf umher. Anders ist es nicht zu erklären, warum Landesschüler_Innenvertretungen wie die aus Baden-Württemberg sich dafür stark machen, zwar die Prüfungen abzusagen, es aber freigestellt sein soll, sich einer freiwilligen Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt zur Notenverbesserung unterziehen zu dürfen.

Die richtige Forderung der GEW und des DGB nach Aussetzung der Prüfungen in diesem Jahr sollte daher noch durch weitere Forderungen ergänzt werden. Nur mit einem solchen Forderungskatalog kann der Druck von den Schüler_Innen, den Eltern und Erziehungsberechtigten genommen werden, um auch das häusliche Miteinander in Zeiten von Ausgangssperren zu vereinfachen. Rührt viel Druck und Stress doch auch daher, dass ein Schuljahr unter schwierigen Bedingungen „normal“ zu Ende geführt werden soll.

Wir fordern deshalb:

  • Nein zur überhasteten Schulwiedereröffnung. Die Gewerkschaft GEW, VertreterInnen der Lehrer_Innen, Schüler_Innen und Eltern – nicht Schulbehörden, Staat oder sog. „Expert_Innen“ müssen darüber entscheiden, wann die Schule eröffnet wird oder nicht.
  • Dies bedeutet auch die Erarbeitung eines Umbauplans der Schulen, um sie für eine „andere Schule“ in Zeiten von Corona fit zu machen: Ausbau von Klassenzimmern um kleiner Klassengruppe zu ermöglichen, Einrichtung von Teststationen um die Schüler_Innen und Lehrer_Innen und Verwaltungsangestellte in den Schulen regelmäßig testen zu können. Ein solcher Umbauplan und Umbaumaßnahmen macht es notwendig über eine längere Schulschließung nachzudenken.
  • Für die Ausstattung aller Schüler_Innen mit kostenlosen digitalen Endgeräten um die individuelle Teilnahme an den E-learningangeboten zu gewährleisten.
  • Die Versetzung aller Schüler_Innen in die nächsthöhere Klassenstufe.
  • Absage aller Abschlussprüfungen an allen Schultypen und Anerkennung des Abschusses für alle SchulabgängerInnen (Abitur, andere Abschlussprüfungen). Abschaffung des Numerus Clausus (NC) an den Universitäten und freier Zugang zur Uni für alle AbgängerInnen.
  • Sicherung der Ausbildung für alle Schulabgänger_Innen. Sollten die Unternehmen Azubis nicht einstellen, müssen sie für deren Ausbildung zahlen (Umlage) und soll die Ausbildung durch den Staat bei voller Vergütung gesichert werden.
  • Übernahme aller Azubis in ihren Lehrbetrieb. Sollte die Übernahme aufgrund von Schließungen nicht möglich sein, sollen diese Betriebe entschädigungslos enteignet,  die Azubis bei vollen Tariflöhnen übernommen werden. Sie sollen für gesellschaftlich nützliche Arbeit (z. B. im Gesundheitswesen, für die Wiedereröffnung der Schulen im Herbst, für ökologische Erneuerung) etc. beschäftigt werden.
  • Für die Neueinstellung zusätzlicher Lehrkräfte, die Verringerung der Klassenteiler und der Deputatsstunden. Die Schulen werden sich im kommenden Schuljahr mit einer inhomogeneren Schüler_Innenschaft auseinandersetzen müssen. Hierfür müssen Bedingungen geschaffen werden, um es den Schulen zu ermöglichen, mit dieser umzugehen.
  • Für eine massive Ausweitung der Bildungsbudgets, Ausbau von Schulen und Kitas. Schluss mit der Privatisierung der Schulen, Privatschulen in öffentliche Hand. Für eine gemeinsame Schule aller unter Kontrolle von Lehrer_Innen, Schüler_Innen und Vertreter_Innen der Lohnabhängigen.

Wir werden diese Forderungen aber nicht geschenkt bekommen. Die
DGB-Gewerkschaften müssen mit ihrer Burgfriedenspolitik brechen. Die GEW
muss nicht nur kritisieren, sondern vor allem mobilisieren. Anstatt
Politik zusammen mit den Unternehmen zu gestalten, sollte sie eher eine
Bewegung für die Durchsetzung ihrer Forderungen aufbauen.

Es sollte zusammen mit den Schüler_Innenvertretungen sowie den Elternbeiräten an einem Boykott der Abschlussprüfungen gearbeitet werden. Auch wenn die derzeitige Situation die offensive Mobilisierung auf den Straßen erschwert, sollten Mittel der Verweigerung und des Streiks benutzt werden, um die diesjährigen Prüfungen zu stoppen.

Schüler_Innen, Bewegungen wie FridaysforFuture, die Gewerkschaften und die gesamte Arbeiter_Innenbewegung sollten gegen die Schulpolitik von Bund und Ländern aktiv werden und sie bestreiken! Gewerkschaften und Schüler_Innenvertretungen sollten nicht nur online protestieren, sondern auch an den Schulen den Kampf aufnehmen.




Erster Mai 2020 – Wir zahlen nicht für Virus und Krise!

Diskussionsbeitrag von ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION

Während im Mai Produktion und Schulen wieder anlaufen sollen, sollen am Ersten Mai alle Kundgebungen und Demonstrationen untersagt bleiben. Ein generelles Demo-Verbot lässt sich zwar bundesweit nicht mehr durchsetzen, aber die Einschränkungen laufen faktisch auf das Verbot von Massendemonstrationen hinaus, auch wenn die Menschen noch so sehr auf Ansteckungsgefahr achten würden. In vielen Städten und Bundesländern wie z. B. in Berlin droht selbst kleinen Aktionen massive Repression. Für uns – und wohl auch für einen großen Teil der radikalen Linken oder klassenkämpferischer Arbeiter_Innen und Gewerkschafter_Innen – stellt die entscheidende Frage eigentlich weniger dar, ob, sondern wie und mit welcher politischen Stoßrichtung wir am Ersten Mai aktiv werden. Die bundesweite Diskussion zur Frage ist daher begrüßenswert – und auch, dass eine Reihe von Gruppierungen und Bündnissen zur Aktion aufruft.

Besondere
Bedeutung kommt unserer Meinung nach dabei dem Aufruf der „Vernetzung
für kämpferische Gewerkschaften“ (VKG) zu. Nicht, weil dieser so
viel besser als andere wäre, sondern weil es von
politisch-strategischer Bedeutung für unsere zukünftigen Kämpfe
ist, dass wir die Auseinandersetzung in die Betriebe und
Gewerkschaften tragen.

Drohende Katastrophe

Über vier Millionen Kurzarbeiter_Innen, eine tiefe Rezession, drohende Massenentlassungen bei gleichzeitiger Überarbeitung im Gesundheitswesen oder im Einzelhandel verdeutlichen, dass die aktuelle Krise des Kapitalismus‘ eine des Gesamtsystems, eine der gesamten Produktion und Reproduktion darstellt. Natürlich sind schon heute die Schwächsten und Unterdrücktesten (Geflüchtete, Alte, Kranke, Frauen aus der Arbeiter_Innenklasse, …) am härtesten betroffen. Die Ausgangssperren bewirken z. B. gleichzeitig auch einen massiven Anstieg häuslicher Gewalt, die insbesondere Frauen und Kinder trifft.

Es ist absehbar, dass diese Krise die gesamte Klasse der Lohnabhängigen mit extremer Härte treffen wird – ob nun Facharbeiter_Innen in der Großindustrie, prekär Beschäftigte oder die noch einigermaßen „gesicherten“ Teile im öffentlichen Dienst. Die Kosten dieser Krise – und damit die, die das Kapital und sein Staat uns aufhalsen wollen – werden viel größer sein als 2008/2009 oder bei den Einschnitten durch die Agenda 2010. Dies wird die aktuellen Probleme noch verstärken: ob Rechtsruck, Umweltzerstörung, Kriegsgefahr oder Angriffe auf Arbeitsrechte.

All jene, die dagegen Widerstand leisten wollen, befinden sich aktuell in einer widersprüchlichen Lage. Wir alle stehen nicht nur vor dem Problem der Einschränkung unserer Bewegungsfreiheit und der Aushebelung demokratischer Rechte. Wir stehen auch vor dem Problem, dass zur Zeit die Regierung die öffentliche Meinung bestimmt. Merkel ist es – nicht zuletzt mithilfe von SPD und DGB-Gewerkschaften – gelungen, eine Art nationalen Schulterschluss zu inszenieren. Praktisch alle Medien, alle Landesregierungen sowie die Führungen von Unternehmer_Innenverbänden und Gewerkschaften unterstützen ihn. Im Grunde macht auch die parlamentarische Opposition mit – einschließlich großer Teile der Linkspartei.

Das wird sicher nicht immer so bleiben. Schon heute stellen Teile der AfD und der extremen Rechten das auf reaktionäre Weise in Frage. Auch Unternehmer_Innenverbände fordern nicht nur Milliarden für das Kapital, sondern auch die Abschaffung von Rechten der Arbeiter_Innenklasse, „Streichung“ des Urlaubs usw.

Gleichzeitig herrschen in der Arbeiter_Innenklasse und selbst in größeren Teilen der Linken das Hoffen auf Staat und Sozialpartner_Innenschaft oder Lähmung und Schweigen vor. Und das, obwohl die drohende soziale, gesellschaftliche Katastrophe durchaus klar sichtbar wird.

Wie Widerstand entfalten?

Angesichts
dieser Situation müssen wir am Ersten Mai die Frage ins Zentrum
rücken, wie wir den notwendigen Klassenwiderstand entfalten. Denn
wenn wir jetzt nicht anfangen, Widerstand aufzubauen, dann werden
seitens des Kapitals Fakten geschaffen. Dabei ist es jetzt unsere
Aufgabe, Antworten auf die aktuellsten Fragen zu geben: Wer
verhindert die Zwangsräumung, wenn man aufgrund von Kurzarbeit die
Miete nach August nicht zahlen kann? Wie retten wir die 40.000
Geflüchteten, die aktuell an der EU-Außengrenze auf den
griechischen Inseln zum Tode verurteilt werden? Wie wehren wir uns
gegen drohende Entlassungen und kommende Sparmaßnahmen?

Wir müssen jetzt anfangen, Antworten auf diese Fragen zu geben – auch als kämpferische Minderheit, um für größere Teile der Lohnabhängigen und Aktive sozialer Bewegungen sichtbar zu werden. Wir werden kämpferische Arbeiter_Innen, Schüler_Innen, Migrant_Innen nur schwer für zukünftige gemeinsame Aktionen und Bündnisse gewinnen können, wenn ihnen das Abhalten einer Aktion oder Demonstration als Selbstzweck erscheint.

Die Form kann vielmehr flexibel gehandhabt werden. Zum Schutz der Teilnehmer_Innen sollten wir bei Straßenaktionen (z. B. einer Demo) auf Gesichtsmasken und Abstand Halten achten. Das folgt aus unserer Verantwortung für die Teilnehmer_Innen. Aber ein Auftreten ist auch notwendig, um den Herrschenden die Scheindebatte möglichst zu erschweren, dass Demos ein besonderes Gesundheitsrisiko darstellen würden (während es Öffnungen von Betrieben und Schulen anscheinend nicht sind).

Entscheidend
ist jedenfalls der Inhalt, um den wir für den Ersten Mai
mobilisieren. Die drängendsten Fragen für Millionen Lohnabhängige
müssen dabei im Zentrum stehen. Wir schlagen folgende zentralen
Punkte/Forderungen für den Ersten Mai und für die Neuformierung
einer Anti-Krisenbewegung vor:

Gesundheit vor Profite!


Kostenlose Gesundheitsversorgung für alle – von Tests bis zur
Unterbringung in Krankenhäusern und Intensivmedizin. 500 Euro/Monat
mehr für alle Beschäftigten in den Pflegeberufen!

#stayathome


Keine Wiederöffnung der Unternehmen ohne Schutz- und Hygieneplan
unter Kontrolle der Beschäftigten!


Wir zahlen nicht für die Krise!


Gegen alle Entlassungen! 100 % Lohnfortzahlung für alle, die in
Kurzarbeit sind! Keine Aushebelung von Arbeitszeitbeschränkungen und
Arbeitsrecht!


Keine Milliarden-Geschenke für die Konzerne – massive Besteuerung
von Vermögen und Gewinnen! Entschädigungslose Enteignung der Banken
und des Großkapitals unter Kontrolle der Beschäftigten!

Keine Rendite mit der Miete!


Für das Aussetzen aller Miet- und Kreditzahlungen für die
arbeitende Bevölkerung! Enteignung der großen Immobilienkonzerne
wie Deutsche Wohnen, Vonovia und Co. Nutzung von Leerstand, um die
Räume Bedürftigen wie Geflüchteten und Obdachlosen zur Verfügung
zu stellen!

#leavenonebehind


Abschaffung von Lagersystemen und rassistischen Asylgesetzen: Offene
Grenzen und StaatsbürgerInnenrechte für alle!

Dafür
sollten wir am Ersten Mai aktiv werden. Wir sollten dabei
Demonstrationen und Kundgebungen möglichst dort organisieren, wo die
Menschen leben und arbeiten, die wir erreichen wollen. Das kann im
Kiez (wie in Berlin-Friedrichshain) sein, wir sollten aber unsere
Solidarität und Perspektive auch vor Unterkünften von Geflüchteten,
vor Kliniken und Krankenhäusern (natürlich nur in Absprache mit den
dort Untergebrachten oder Beschäftigten) zum Ausdruck bringen.

So
können wir den Ersten Mai zu einem Kampftag für unsere Forderungen
und zur Verteidigung demokratischer Rechte – einschließlich des
Streikrechts machen. Ein solches politisches Signal zielt darauf ab,
unmittelbar all jene zu vereinen, die beim nationalen Schulterschluss
von Kapital und Kabinett nicht weiter mitmachen wollen und die im
Betrieb, an der Schule, Uni und im Stadtteil eine neue
Anti-Krisenbewegung aufbauen wollen.




Von Polizei erschossener Afghane: Kritiker_Innen werden eingeschüchtert

Zwei
Jahre ist es nun her, dass in Fulda der afghanische Geflüchtete Matiullah J. von
einem Polizisten erschossen wurde, nachdem er an einer Bäckerei randaliert und
Passanten mit Steinen attackiert hatte. Das Ergebnis der Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft ging von Notwehr aus, der Polizist wurde freigesprochen – basierend
vor allem auf seiner eigenen Aussage. Er war der einzige Zeuge, weitere Polizist_Innen
allerdings in unmittelbarer Nähe. Was genau am Tag der Tat geschehen ist, wird
sich wahrscheinlich nie weiter klären lassen.

Interessant
ist aktuell vor allem, wie massiv Staatsanwälte und Polizei gegen all jene
vorgehen, die eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse fordern, obwohl dies
durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Zum Beispiel wurde von
Teilnehmer_Innen der Solidaritätsdemos für Matiullah J. die Frage gestellt, wieso
mehrere Polizist_Innen es nicht geschafft haben einen 19-jährigen zu stoppen,
ohne ihn zu töten. Sie stellten sich auch die Frage, wie von einem Menschen
eine tödliche Gefahr ausgehen kann, wenn er so weit weg ist, dass ein
geschulter Polizeischütze von zwölf Schüssen scheinbar achtmal danebentrifft. Auch
vor dem Hintergrund aufgedeckter rechter Netzwerke innerhalb der hessischen
Polizei wurde argumentiert, dass eine rassistisch bedingte Überreaktion nicht
ausgeschlossen werden kann. Deshalb stellte die Demonstration die Forderung
nach einer unabhängigen Untersuchung auf.

Heute
sehen sich einzelne Teilnehmer_Innen der erwähnten Demonstrationen einer Welle
an Repressalien ausgesetzt. Phillip W. wird vorgeworfen den Vorfall als Mord
bezeichnet zu haben, weshalb eine Strafanzeige gegen ihn gestellt wurde. Er
selbst bestreitet diese Aussage. Ihm sei es lediglich darum gegangen die Forderung
nach einer unabhängigen Untersuchung zu unterstützen. Doch diese Strafanzeige
ist nur eine von sechs, die im Zusammenhang mit der Demonstration gestellt
wurde. Die Tatverwürfe reichen von übler Nachrede und Verleumdung über
Beleidigung bis hin zu einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Auch die
Anmelderin ist betroffen, weil sie den Sprechchor
„Bullen morden und der Staat schiebt ab, alles ein Rassistenpack.“ nicht unterbunden
haben soll.

Der
Autor Darius R. verfasste einen Artikel über die Tat, in dem er davon schreibt,
dass Matiullah mit zwölf Schüssen getötet wurde. Matiullah trafen vier Schüsse,
zwei waren tödlich. Abgegeben wurden allerdings insgesamt zwölf Schüsse. Die
Frage von rassistischer Polizeigewalt wird in dem Artikel aufgeworfen. Die
Staatsanwaltschaft stellte hier einen Strafbefehl von 2250€ aus. Der Vorwurf:
Darius R. wollte mit dem Artikel gezielt den Eindruck einer Hinrichtung vermitteln.
Mit welchem Eifer die Fuldaer Polizei und Justiz ihre Kritiker_Innen verfolgt
wird auch dadurch deutlich, dass die Anzeige gegen Darius R. von dem Fuldaer
Polizeipräsidenten persönlich gestellt wurde.

Timo
S., der Administrator einer Fuldarer Seite gegen Rassismus ist, musste sogar
eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen, nur weil über seine Seite der
Artikel geteilt wurde. Die Polizei war angerückt mit dem Ziel, sämtliche
technischen Geräte zu konfiszieren. Besonders brisant ist dabei, dass seine
Privatwohnung auch Sitz seines Lokalmagazins „Printzip“ ist. Der Anspruch der
Verhältnismäßigkeit ist deshalb in dem konkreten Fall höher als bei einer
Hausdurchsuchung in einer normalen Privatwohnung. Der Strafrechtsexperte
Andreas Hüttl behauptet unter anderem deshalb, dass es mehrere rechtliche
Unzulänglichkeiten bei dem Durchsuchungsbefehl gebe.

Diese
Welle an staatlicher Repression zeigt abermals im Fall Matiullah J.,
dass Polizei und Justiz eben nicht unabhängig und neutral sind. Sie verfolgen
eine eigene Agenda, welche unter anderem daraus besteht, Kritiker_Innen
einzuschüchtern und mundtot zu machen. Wir sind solidarisch mit allen
Betroffenen und fordern die sofortige Einstellung aller laufenden Verfahren.
Auch die Forderung nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den
Todesschützen ist legitim und wird von uns unterstützt.  

Wenn
ihr euch auch solidarisch zeigen wollt, dann könnt ihr für ein unabhängiges
Gutachten in dem Fall spenden. Außerdem könnt ihr Phillipp W., Darius R. und
seiner Co-Autorin bei ihren Gerichtsterminen Beistand leisten. Die Termine
waren für Anfang April angesetzt, sind jedoch aufgrund der Corona-Krise auf
unbestimmte Zeit verschoben. Wir werden darüber informieren, sobald es einen
neuen Termin gibt.

Spendenwebseite
für ein unabhängige Gutachten: https://www.betterplace.org/de/projects/78990-spende-fur-finanzierung-von-unabhangigen-gutachten-wasgeschahmitmatiullah

#WasGeschahMitMatiullah




Unvergessen: Hanau verpflichtet uns zum Widerstand

von Leonie Schmidt und Tina Doller

Warum der Naziterror nur die Spitze des Eisberges ist und wie wir ihn bekämpfen können.

Am
Mittwochabend, den 19. Februar 2020, tötete der rechtsextreme Tobias
Rathjen neun Menschen in zwei Shishabars und einem Kiosk im
hessischen Hanau. Die Opfer dieses Terroranschlags waren alles
Menschen mit Migrationshintergrund, sodass die rassistischen Motive
des Täters offensichtlich sind.

Der
Täter hinterließ ein mehrseitiges Bekennerschreiben und zwei
Videobotschaften, in denen er seine Ideologien offenlegte und sich zu
den Anschlägen bekannte. Unter anderem sprach er davon, dass „Völker
komplett vernichtet werden müssen“. Auch auf Youtube
veröffentlichte er schon vor seiner Tat rechtsextreme Videos, die
Verschwöhrungstheorien enthalten und klar rassistisch und
frauenfeindlich sind. Trotz dieser öffentlich sichtbaren
rechtsextremen Ideologie, konnte er auf legale Weise Waffen erwerben
und war Mitglied in einem Schützenverein.

Nachdem
der Terroranschlag bekannt und in den bürgerlichen Medien die ersten
Tage diskutiert wurde, bezogen auch mehrere Politker_Innen Stellung.
Doch anstatt die Zusammenhänge rechtsextremen Terrors zu sehen und
bekämpfen zu wollen, wurde von einem verwirrten, psychisch kranken
Einzeltäter gesprochen. Im Abschlussbericht des BKA wurde das nun
auch noch einmal explizit unterstrichen: R. könne ja gar nicht
rassistisch motiviert gehandelt haben, da er lange Jahre mit PoCs
(People of Color) gemeinsam Fußball spielte, er habe den Rassismus
nur genutzt, um mehr Anhänger für seine Verschwörungstheorien zu
bekommen.

Doch
das ist natürlich völlig lächerlich, denn Tobias R. handelte nicht
allein! Er wurde unterstützt von seiner faschistischen Community im
Internet, Kollegen aus dem Schützenverein und auch dem deutschen
Staat, der den Rechtsruck in großen Teilen der Bevölkerung weiter
begünstigt. Während Naziterroristen immer als „verwirrte
Einzeltäter“ dargestellt werden, „entdecken“ die bürgerlichen
Medien hinter Straftaten, die von Migrant_innen begangen werden,
stets die Machenschaften „krimineller Familienclans“. Shishabars,
die vielen Leuten als Orte des Austauschs, der Begegnung und der
Entspannung dienen, wurden medial zu den Zentren von Kriminalität,
Gewalt und Drogenhandel erklärt. Razzien finden deshalb auch
hauptsächlich in Shishabars in migrantisch geprägten Stadtteilen
statt und nicht in Naziwohnungen oder Schützenvereinen. Der
SPD-Politiker Siegmar Gabriel und Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg
Maaßen haben unmittelbar nach der grausamen Tat versucht, die
Aufmerksamkeit auf die Gefahren eines angeblichen Linksterrorismus zu
lenken. Statt über strukturellen Rassismus und die Verwicklungen des
deutschen Staates darin zu sprechen, sollen lieber linksradikale
Organisationen, die antifaschistische Arbeit leisten, diffamiert
werden, um vom faschistischen Terror abzulenken und ihn zu
relativieren. Für einen SPD-Politiker scheint kein Unterschied
zwischen der grausamen Ermordung von Migrant_innen und zerschlagenen
Scheiben eines AfD-Parteibüros zu bestehen. Nebenbei liefert man
gleich neuen ideologischen Nachschub, für den nächsten Akt des
Naziterrors.

Dieser
ließ nicht lange auf sich warten: Knapp zwei Monate später, am 7
April 2020 wird ein 15 jähriger Jugendlicher mit jesidischem
Familienhintergrund auf offener Straße, scheinbar grundlos erstochen
und erliegt seinen Verletzungen. Für bürgerliche Medien ist mal
wieder schnell klar: der Täter sei psychisch krank, von einem
rassistischen Motiv könne nicht ausgegangen werden. Staatsanwalt
Lars Janßen bestätigt das nachträglich. Der Täter hatte
verschiedene Social Media Accounts, auf denen er rechte Hetze
verbreitete und sich offen auf die Morde von Hanau bezog.

Seit
Jahren lesen wir von Skandalen, in denen der deutsche Staat in
rechtsextreme Anschläge verwickelt ist. Besonders der
Verfassungsschutz scheint ohne jegliche Rechenschaft gegenüber der
Öffentlichkeit und auch den anderen Staatsinstanzen handeln zu
können. Die NSU-Morde sind nach fast 15 Jahren immer noch nicht
flächendeckend aufgedeckt, Morddrohungen gegen eine Anwältin, die
Angehörige der Opfer des NSU vertritt, gingen vom sogenannten „NSU
2.0“ aus den Reihen der Frankfurter Polizei aus. Der Kasseler
Regierungspräsident Walter Lübcke wurde durch einen Neonazi
ermordet. Gruppen wie das „Uniter-Netzwerk“ für die
„Kontaktpflege der Sicherheitskräfte“, die Teil des
rechtsextremen Hannibal-Netzwerks sind, zeigen, dass staatliche
Kräfte wie Polizei und Bundeswehr noch nicht einmal versuchen, nach
außen das Bild einer neutralen Instanz zu wahren. Statt ihrer
vielbeschworenen Funktion „alle Staatsbürger zu schützen“
werden aus ihren Reihen Todeslisten mit linken und migrantischen
Menschen erstellt. Der Staat weigert sich konsequent, eine
Kontinuität zwischen den NSU-Morden, dem Mord an Walter Lübcke und
anderen faschistischen Taten zu sehen, obwohl die Personen im
Hintergrund bekannt und es gewisse Überschneidungen unter ihnen
gibt.

Dies
ist kein Zufall sondern scheint System zu haben: In der Geschichte
kam es immer wieder zur Zusammenarbeit zwischen dem bürgerlichen
Staat und faschistischen Strukturen. Ein Beispiel sind die Freikorps,
die nach dem 1. Weltkrieg, gemeinsam mit den Sozialdemokrat_Innen,
gegen revolutionäre Kommunist_Innen vorgingen und dabei auch Rosa
Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten. Es waren dieselben
Rechtsextremist_innen, die daraufhin in der Weimarer Republik
Spitzenpositionen in Militär, Polizei und Justiz bekleideten und die
später in den Reihen der NSDAP Hitler zur Macht verholfen. Nach dem
2. Weltkrieg mussten die ehemaligen KZ-Wärter, Nazi-Richter,
Wehrmachtssoldaten und Schreibtischtäter dann zwar die Rhetorik ein
wenig verändern, durften aber weitestgehend ungestraft ihre Posten
in der neugegründeten Bundesrepublik Deutschland behalten. Der
Wehrmachtsoffizier und Kriegsverbrecher Reinhard Gehlen wurde zum
Beispiel mit dem Aufbau des neuen Auslandsgeheimdienstes (BND)
beauftragt. Nachdem die 68er-Bewebung ordentlich Stimmung gegen die
Alt-Nazis gemacht hat, wurden einige bekannte Gesichter ausgetauscht
jedoch keine grundlegenden Veränderungen eingeleitet. Die oben
genannten Beispiele zeugen davon. Faschistischer Terror war schon
immer – mal mehr, mal weniger offen – eine Waffe des bürgerlichen
Staates, um die kapitalistische Ordnung gegen emanzipatorische
Bewegungen zu verteidigen.

Dass
der Terror der Faschist_Innen aktuell zunimmt ist kein Zufall,
sondern geschieht im Fahrwasser eines internationalen Rechtsrucks.
Dieser zeichnete sich ca. 2014-15 ab und verstärkte sich in den
letzten Jahren immer mehr, sodass nicht nur rechte und rechtsradikale
Parteien rassistische Vorurteile streuten, sondern auch bürgerliche
Parteien, ja sogar die Linkspartei, auf den Zug aufsprangen.

Aber
woher kommt der Rechtsruck? Rechte Ideologien und Faschismus sind
Produkte der kapitalistischen Produktionsweise und gewinnen häufig
nach und während Krisen kräftig an Zulauf. Der Rechtsruck entstand
im Zuge der Nachwehen der Weltwirtschaftskrise von 2007/08 und wurde
ursprünglich vom Mittelstand, also dem Kleinbürgertum, getragen,
welche sich davor fürchten, in die Arbeiter_Innenklasse abzusteigen,
da sie in der Krise nicht mehr mit den Großkonzernen mithalten
können. Aber auch die desillusionierte und ebenfalls von der Krise
geschüttelte Arbeiter_Innenklasse war empfänglich für rechte
Propaganda. So war es den rechten Akteuren möglich, ein Feindbild zu
schaffen, welches zu begründen versuchte, warum es der
Arbeiter_Innenklasse so schlecht geht, obwohl der reale Grund in der
Krise selbst und dem Umgang damit lag: Beispielsweise Kürzungen im
Sozialbereich, Entlassungen, de Agenda 2010 inkl. Leih- und
Zeitarbeit, Privatisierungen, die Schuldenbremse usw.

Aber
auch die bürgerliche und radikale Linke hat versagt, denn es wurde
versäumt, eigene soziale Antworten auf die Krise zu formulieren und
diese mit Antirassismus zu verbinden. Stattdessen sprach bspw. Sahra
Wagenknecht von der Linkspartei davon, eine Obergrenze für die
Aufnahme von Geflüchteten einzuführen. Eine angebrachtere Forderung
wäre hier die nach offenen Grenzen gewesen. Der Rechtsruck in diesem
Ausmaß war also nur möglich, weil es keine Massenbewegung aus
Teilen der Arbeiter_Innenklasse, der Jugend und den Geflüchteten
gab. Die Masse blieb passiv und außer symbolischer Solidarität und
Spenden wurde nichts erreicht. Aufgrund dieses Machtverhältnisses
konnten sich die Grenzen stark verschieben und Rassismus, Sexismus,
Antisemitismus und Homophobie wurden immer salonfähiger.

Der
Rechtsterrorismus ist hier also nur die Spitze des Eisbergs. Dieses
Verhältnis kann jedoch verändert werden: Was wir jetzt brauchen,
ist der Aufbau einer Einheitsfront! Das bedeutet, dass sich im Rahmen
eines bestimmten Kampfes die bürgerlichen Arbeiter_Innenparteien,
die Gewerkschaften, radikale Linke und Kommunist_Innen (wenn es gut
läuft quasi alle Organisationen der Arbeiter_Innenklasse)
zusammenschließen und gemeinsam kämpfen. Es geht nicht darum
Kompromisse auszuhandeln sondern während einer zeitlichen Begrenzung
gemeinsam Aktionen durchzuführen, zum Beispiel Demostationen oder
Streiks. Hier kann sich auch auf gemeinsame Forderungen berufen
werden. Kern dieser Politik ist, dass die revolutionären Kräfte
weiterhin die bürgerlichen Teile dieser Einheitsfront scharf
kritisieren und für ihre eigene Position, die Überwindung des
Kapitalismus, eintreten. Der gemeinsame Kampf sollte ebenfalls
möglichst die in Sozialdemokratie und Gewerkschaften organisierten
Teile der Einheitsfront von der kommunistischen Taktik und Theorie
überzeugen. So kann neben dem aktiven Kampf gegen Rechtsextremismus
auch der Kampf gegen den Kapitalismus vorangetrieben werden. Um den
Faschismus und den Rechtsruck zu zerschlagen, reicht es also nicht
aus, mit dem Profilbild auf Facebook zu kämpfen. Wir müssen
gemeinsam auf die Straße gehen, es muss Massenmobilisierungen geben!




Moria Interviews – TEIL 1 / 2: „Moria ist auch ohne Pandemie eine Hölle“

Ein Interview mit Ahmad über Corona, Faschist_Innen und das Leben am Rande der Festung Europa

Während zehntausende ausländische Erntehelfer_Innen eingeflogen werden, um den deutschen Spargel zu retten, forderte das Bundesinnenministerium nun die Einstellung der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer, um nicht noch mehr vermeintliche „Corona-Infizierte“ nach Europa zu lassen. Die vielbeschworene Solidarität der Bundesregierung scheint vor allem der deutschen Industrie- und Agrarwirtschaft zu gelten. Verschwindend klein wirkt vor diesem Hintergrund auch das Symbol, dass lediglich 50 geflüchtete Kinder aus den Lagern in der Ägäis von Deutschland aufgenommen werden sollen, während über 10 000 Minderjährige dort weiter unter unmenschlichen Bedingungen ausharren müssen. Ahmad (Name von der Redaktion geändert) ist selbst aus dem Irak geflüchtet und lebt bereits seit über 2 Jahren auf der Insel Lesbos. Wir sprachen mit ihm, um mehr über die dortigen Lebensbedingungen und den Umgang mit dem Coronavirus zu erfahren.

REVO: Hallo Ahmad, wie sind die
Camps auf eine Ausbreitung des Coronavirus vorbereitet?

Ahmad: Sehr schlecht, eigentlich gar nicht. Das Leben im größten Camp „Moria“ ist auch ohne Pandemie eine Hölle. Immer wieder begehen Menschen Selbstmord, da die Lebensbedingungen dort einfach unerträglich sind. Für einige tausend Menschen gibt es einen einzigen Wasserhahn, von Seife ganz zu schweigen. Teilweise fällt die Wasserversorgung sogar komplett aus. Es können also nicht einmal einfache hygienische Schutzmaßnahmen beachtet werden. Das größte Ansteckungsrisiko existiert wahrscheinlich in der Essensschlage, wo tausende Menschen jeden Tag dichtgedrängt stehen und stundenlang gezwungen sind zu warten, wenn sie etwas zu essen bekommen wollen. Mittlerweile gibt es auch kaum noch Ärzt_Innen im Camp, da viele NGOs ihre Mitarbeiter_innen von der Insel abgezogen haben, nachdem diese immer wieder von Faschist_innen bedroht und angegriffen wurden. Aus der Not heraus haben Geflüchtete selber die Situation in die Hand genommen und selbstorganisierte Corona-Awareness-Strukturen gebildet. Sie versuchen Informationen über das Virus weiterzugeben und klären andere Bewohner_innen auf, dass sich zum Beispiel nicht mehr die Hand geben oder sich nach Möglichkeit nicht ins Gesicht fassen sollten.

REVO: In fast allen Ländern
Europas wurden mittlerweile Maßnahmen verhangen, um eine Ausbreitung
der Pandemie einzudämmern bzw. zu verlangsamen. Wie sieht das auf
Lesbos aus?

Ahmad: Für uns ist die Situation eigentlich nur noch schlimmer geworden. „Moria“ wurde komplett von der Polizei abgeriegelt. Kaum jemand darf nun noch das Camp verlassen. Nur für dringende Arzttermine oder in Notfällen dürfen Leute raus. Das heißt auch, dass keine_R der Bewohner_innen mehr Zugang zu Geld hat, da sich die einzigen Bankautomaten in der ca. 8 km entfernten Stadt Mytilini befinden. Die Bearbeitung der Asylanträge wurde nun vollständig eingestellt. Auch außerhalb des Camps gilt eine Ausgangssperre. Wer das Haus verlassen will, muss eine SMS an die Polizei schicken und den Grund angeben. Gerät man ohne Bestätigungs-SMS der Polizei in eine Straßenkontrolle, muss man hohe Strafen zahlen.

REVO: Gibt es denn schon
Corona-Infektionen auf der Insel?

Ahmad: Ja ich habe von 3 bestätigten Fällen gehört. Einer davon hat es bereits überstanden. Es handelt sich jedoch bei allen 3 Fällen, um Griech_Innen und niemand von ihnen arbeitete in irgendeinem Camp. Im Gegensatz dazu verbreiten die Faschist_Innen Geschichten und Lügen, dass wir Geflüchteten und freiwillige Helfer_Innen das Virus verbreiten würden.

REVO: In den letzten Wochen und Monaten haben sich immer stärkere faschistische Strukturen auf der Insel aufgebaut. Es kam zu Angriffen auf Geflüchtete und NGO-Mitarbeiter_Innen und auch aus der Türkei ankommende Schlauchboote wurden beim Anlegen behindert. Hat sich das seit Corona verändert?

Ahmad: Sie greifen immer noch
vereinzelt an, patrouillieren im Hafen oder sind vor einer Woche auch
ins Camp eingedrungen und haben Menschen attackiert.

REVO: Was denkst du über die
kommenden Wochen und Monate? Siehst du irgendwelche Potentiale, dass
sich etwas zum Besseren wenden könnte?

Ich bin sehr pessimistisch. Klar,
ich hoffe, dass sich etwas ändert aber ich glaube es eigentlich
nicht. Unsere ohnehin unklare Zukunft wird mit jedem Tag noch
unklarer. Bereits am Morgen wache ich mit einem Angstgefühl auf, das
sich im Verlauf des Tages dann in Stress, Wut und Verzweiflung
verwandelt. Vor ein paar Tagen sind einige Leute aus Moria in den
Hungerstreik getreten. Als Gefangene in dem extra auf dem Campgelände
erbauten Gefängnis war der Hungerstreik ihre letzte Möglichkeit
gegen diese Lebensbedingungen zu protestieren. Nach drei Tagen wurden
sie jedoch durch den Einsatz massiver Polizeigewalt zum Essen
gezwungen. Die Situation ist schrecklich und was wir jetzt brauchen,
ist die sofortige Evakuierung aller Camps auf den griechischen Inseln
und die Erlaubnis für eine Weiterreise auf das europäische
Festland!

Dieses Interview wurde durch einen Genossen von uns geführt, jedoch zuvor in gekürzter Form in der Tageszeitung „Junge Welt“ vom 16.04.2020 veröffentlicht. Siehe: https://www.jungewelt.de/artikel/376511.sorge-vor-coronavirus-schon-vor-der-pandemie-eine-h%C3%B6lle.html?sstr=Moria%7Cpandemie%7Ch%C3%B6lle