#Berlinblockieren (XR) – ein Bericht von den Blockaden

#Berlinblockieren, unter diesem Slogan besetzen Aktivist_Innen der
Kampagne Extinction Rebellion (XR) in den letzten Tagen
Verkehrsknotenpunkte des Landes Berlin. Im Rahmen dessen fand gestern
eine Blockade des Kurfürstendamms Ecke Joachimsthaler Straße statt.
Unter dem Slogan „Shut Down KuDamm“ blockierten etwa 1.000 Menschen
gestern die Kreuzung. Auch wir von REVOLUTION beteiligten uns an dieser
Aktion, die von der XR Youth Berlin organisiert wurde.

Zu Beginn zogen sich die Aktionen etwas hin. Das lag daran, dass es im
Vorfeld bei den Anmeldegespräche scheinbar ein ungenauer Ort der
Kundgebung verhandelt wurde. Dies ermöglichte es der Polizei uns auf dem
Bürgersteig abzustellen, mit Hamburger Gittern zu ummauern und die
Blockadeaktionen hinauszuzögern. Erst deutlich später gelangten
Aktivist_Innen auf die Kreuzung und die Besetzung konnte stattfinden.
Scheinbar befreit die integrative Politik von XR gegenüber der Polizei,
diese nicht vor ihren Manövern. Leider konnten wir aufgrund dessen
unsere mit der XR Youth abgesprochene Rede nicht halten, da die Bühne
außerhalb der Blockade stand und wir es für falsch hielten, die
Aktivist_Innen von der Straße weg zu holen, um sich mit unseren Inhalten
auseinanderzusetzen.

Trotz der solidarischen Aufforderung in den Packlisten von XR, was auf
eine solche Blockade mitzubringen sei, forderten die Ordner_Innen vor XR
linke Kräfte auf, ihre Banner einzurollen. So geschehen gegenüber der
Revolutionären Kommunistischen Manifest-Gruppe (Europa), mit der wir uns
solidarisierten und mit den Ordner_Innen darüber stritten, warum wir
diese politische Zensur ablehnen, uns ihr widersetzen. Sie verhindert
nämlich eine offene Diskussion über die Perspektive der Klimabewegung.
Sollte das politische Programm der Führung hierbei falsch sein und nicht
zum Erfolg führen, dann verbrennen wir nicht nur eine ganze Generation
neuer politischer Aktivist_Innen, sondern auch unsere natürliche
Lebensgrundlage. Sollte ihre Position richtig sein, dann sollte sie doch
auch die offene Auseinandersetzung nicht scheuen. Selber eine Gruppe von
PoC’s (People of Color), die ein Transparent hatte, dass auf die
ermordeten Klimaaktivist_Innen aus dem Globalen Süden hinwies, sollte
versteckt werden. Hier bekommt der Slogan „Sagt die Wahrheit“ eine ganz
andere Bedeutung.

Insgesamt häuft sich aktuell die Kritik in der Linken an der Bewegung.
Auch wir haben vor Ort unter dem Slogan „Massenstreik oder ziviler
Ungehorsam“ die Frage des Programms der Klimabewegung und der Taktik im
Kampf aufgeworfen und haben eine Kritik an der Bewegung in unserer
aktuellen Zeitung
(http://onesolutionrevolution.de/extinction-rebellion-ziviler-ungehorsam-als-antwort-auf-die-klimakrise/).
Die Kritik an der Bewegung ist auch in weiten Teilen berechtigt, jedoch
dürfen wir als Revolutionär_Innen nicht nur kritisierend daneben stehen,
während die Bewegung Kreuzungen blockiert. Wir müssen den Protest
solidarisch unterstützen und gleichzeitig offen unsere Kritik
einbringen, notfalls auch gegen die Linie der Ordner_Innen. Dafür werden
wir uns weiterhin einsetzen!




Rojava: Kampf dem türkischen Überfall!

Lorin Dilara

Aktuell marschiert die Türkei unter dem Vorwand für „Sicherheit und Schutz“ zu kämpfen in Nordsyrien ein, aber es geht vielmehr darum jegliche Formen von kurdischer Selbstestimmung zu zerstören und die eigene Vormachtstellung im Nahen Osten zu stärken. Die Kurd_Innnen kämpfen schon seit mehreren Jahrzehnten für Selbstbestimmung, demokratische Rechte und autonome Gebiete in der Türkei, sowie Syrien, Iran und Irak und werden aufgrund dessen in allen vier Staaten unterdrückt und bekämpft. Dass die Kurd_Innen in Nordsyrien das Gebiet Rojava unter eine Selbstverwaltung kurdischer Streitkräfte brachten ist dem türkischen Regime schon lange ein Dorn im Auge, denn Rojava bestärkt auch die Kurd_Innen in der Türkei.

Das ist nicht das erste Mal, dass die Türkei mit einem Krieg in Nordsysrien droht. Bereits im August 2016 und im Januar 2018 marschierte die Türkei mit verbündeten islamischen Milizen in Afrin (eine Stadt in Nordsyrien/Rojava) ein und löste damit eine humanitäre Katastrophe aus. Weit über hunderttausend Menschen mussten fliehen.

Machtinteressen

Durch den Einmarsch in Nordsyrien führt die Türkei einen offenen Krieg gegen die Kurd_Innen. Erdogan versucht mit Kriegsgeheul von den inneren Problemen des Landes abzulenken. So wird zum Beispiel die Wirtschaftskrise in der Türkei auf Arbeiter_Innen und Jugendliche abgewälzt und ärmeren Teile der Arbeiter_Innen fragen sich täglich, was sie sich für den Hungerslohn leisten kann. Es gibt den nationalistischen und patriotischen Kräften einen starken Nachschub.

Natürlich stehen auch wirtschaftliche Interessen dahinter. Die Türkei ist dafür bekannt mit den „Toki“ Häusern, die von staatlichen Bauunternehmen gebaut werden, den Bausektor wieder zum boomen zu bringen und damit die staatlichen Kassen wieder zu füllen – wo zerstört wird, wird auch aufgebaut.

Außerdem gibt es seit dem Einmarsch der türkischen Armee in Afrin Pläne Fakultäten der Gaziantep Universität in den von Kurd_Innen besiedelten Gebiet in Rojava zu errichten. Die Sprache der Kurd_Innen sowie ihre Identität soll weiter vernichtet werden.

Außerdem will Erdogan in diesem Gebiet bis zu 2 Millionen Geflüchtete zwangsansiedeln und das passt wiederum super in den Kram der EU. Erst letzte Woche trafen sich Seehofer, der Außenminister der Türkei und Griechenland um den „Flüchtlingsdeal“ auszubauen und weiter Gelder in die Türkei zu stecken, damit ja keine Geflüchteten nach Europa gelangen. Mehrere Milliarden Euro sollen weiterhin in die Türkei fließen auch die Waffenexporte von Deutschland in Türkei haben sich massiv erhöht.

Erdogan verfolgt bereits seit einigen Jahren mit dem Krieg gegen die Kurd_Innen innen- wie außenpolitisches Kalkül. Die Unterdrückung der HDP-Partei und der innere „Krieg gegen den Terror“ wurden vorangetrieben, damit sich Erdogan in der Türkei als „Stabilisator des Chaos“ präsentieren kann. Im Zuge des Gegenputsches 2016 mündete das alles in der Errichtung einer Präsidialherrschaft mit weitreichenden Befugnissen. Außenpolitisch unterstreicht die Türkei ihre Regionalmachtsambitionen sich als stabiler Pol im Nahen Osten für die Imperialist_Innen unverzichtbar zu machen. Trump hat das mit Abzug der US Truppen aus Nordsyrien vor einigen Tagen faktisch anerkannt. Die EU hält sich Erdogan ohnedies als Bastion gegen Geflüchtete und lässt ihn gewähren.

Falsche FreundInnen der KurdInnen

Dass die USA die Kurd_Innen nun fallen lassen zeigt: Kein Vertrauen auf imperialistische Länder! Jahrelang wurden die Kurd_Innen gegen den IS unterstützt, doch war der IS erst mal niedergeworfen, wurden die Kurd_Innen fallen gelassen, dem türkischen Staat ausgeliefert und eine Massenvertreibung und Säuberung der Kurd_Innen, und anderen Bevölkerungen steht bevor. Es ist niemals im ernsthaften Interesse Amerikas, der Europäischen Union oder Russlands gewesen, dauerhaft eine fortschrittliche, kurdische Autonomie in der Region zuzulassen. Zu groß ist die davon ausgehende Gefahr für die (Un-)Ordung der Imperialist_Innen in der Region. Eine Revolution oder ein anderes Gesellschaftssystem wie in Rojava kann niemals auf dem Schutz von imperialistischen Staaten basieren!

Verlierer_Innen des Krieges sind die Arbeiter_Innen, auf deren Schultern die Kosten des Einmarsches abgewälzt werden, es sind die Jugendlichen, die zur Armee einberufen werden, es sind die Geflüchteten, die wie ein Ball zwischen den Mächten hin und her geschubst werden.

Für ein einen Erfolg dürfen die Kurd_Innen keine Hoffnungen in imperialistische Länder setzen – die Verbündeten sind die Lohnabhängigen und Jugendlichen der Region und in den imperialistischen Ländern!

Vor allem in der Türkei ist es gerade wichtig eine Antikriegsbewegung und Solidarität mit den Kurd_Innen und dem selbstverwalteten Rojava zu stärken! Solange die Türkei die Kurd_Innen unterdrückt werden auch die türkischen Arbeiter_Innen nicht frei sein vom Erdogan-Regime. Es braucht Massenstreiks der Gewerkschaften und eine Blockade der Kriegsinfrastruktur. Die Arbeiter_Innenbewegung in Europa, den USA und Russland müssen die Verladung von Kriegsgut in die Türkei verweigern und sich an den jetzt einsetzenden Protesten der kurdischen Bewegung beteiligen! Der Gegner ist hierzu Lande die deutsche Regierung, die Erdogan jetzt gewähren lässt, ihn mit Waffen versorgt und ihn sich Wächter der EU-Außengrenzen hält!

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

Hoch die Internationale Solidarität!

Für ein Abzug aller Armeen!

Gegen die Hoffnung auf imperialistische Armeen!

Für eine breite massenhafte Arbeiter_Innen- und Jugendbewegung, die gegen den Krieg und in Solidarität mit den Kurd_Innen steht!




Hände weg von Rojava!

Lukas Müller

Seit Montag hat der türkische Staat unter Führung des Diktators Recep Tayyip Erdogan von Trump grünes Licht: Die USA werden sich aus dem Nordosten Syriens vollständig zurückziehen und der Türkei freie Hand für einen Krieg gegen die Kurd_Innen in Rojava lassen.

Nachdem die USA die Kurd_Innen für den Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ einige Zeit unterstützt haben, wurden diese nun fallen gelassen. In den Augen von Trump haben die Kurd_Innen ihre Rolle gespielt: Der IS ist für Amerika keine direkte Gefahr mehr und der Stellvertreterkrieg gegen Assad und Russland ohnehin verloren. Interesse an einer Unterstützung des basisdemokratischen, feministischen und internationalistischen Projekts Rojava hatten die USA sowieso nie. Warum also einen Konflikt mit dem NATO-Partner Türkei riskieren, der schon seit Monaten klar macht, dass er sich von einem weiteren Krieg nicht abhalten lassen wird?

Aus der Administration von Erdogan wurde diese Woche verkündet, der Krieg werde in Kürze beginnen. Die Türkei kann dabei auf die Unterstützung allermöglichen islamistischen Milizen zählen, welche bereits im letzten Jahr Seite an Seite mit türkischen Truppen den Krieg gegen die kurdische Bevölkerung des Kanton Afrin führten. Nichts ist Erdogan mehr ein Dorn im Auge, als das in den Wirren des syrischen Bürgerkriegs entstandene kurdische Autonomieprojekt. Zu groß ist für ihn die Gefahr, die Unabhängigkeit der syrischen Kurd_Innen werde die kurdische Minderheit im eigenen Land stärken und den gemeinsamen Kampf gegen Unterdrückung und für einen eigenen Staat, ein freies Kurdistan, neu entfachen.

Das Projekt Rojava ist in dieser Form auf der Welt etwas Einmaliges, gerade für den Nahen Osten. Auch wenn es kein wirklich sozialistisches Projekt ist, das heißt ein Projekt unter dem der Privatbesitz an Land, Rohstoffen und Maschinen vergesellschaftet ist, so ist es doch der Versuch die Gesellschaft basisdemokratisch und im Interesse aller zu organisieren. Rojava verfügt auf verschiedenen Ebenen über eigene Frauenstrukturen und hat den Anspruch diese in der Gesellschaft gleichberechtigt zu stellen. Außerdem versuchen die Kurd_Innen explizit alle anderen ethnischen und religiösen Gruppen der Region in das Projekt und die Strukturen miteinzubeziehen – eine Grundbedingung, um Frieden im Nahen Osten zu schaffen. Die Niederlage des Projekts wäre deshalb nicht nur ein schmerzhafter Rückschlag für die Kurd_Innen und ihren Befreiungskampf, es wäre eine Niederlage für den gesamten Nahen Osten und alle fortschrittlichen Kräfte auf der Welt.

Das Gebot der Stunde ist nun weltweit und massenhaft Solidarität zu organisieren und praktisch werden zu lassen. Nur mit vereinten Kräften haben die Genoss_Innen vor Ort eine Chance zu bestehen. Lasst uns Öffentlichkeit schaffen und Druck auf die Regierungen ausüben.

Hände weg von Rojava! Kein türkischer Einmarsch in Nordost-Syrien!

Solidarität mit den Menschen und Kämpfer_Innen vor Ort!

Für den Abzug aller Truppen aus Syrien! Kein Vertrauen in die USA oder andere Mächte!

Für weltweiten und massenhaften Widerstand zur Verteidigung des Projekts!




Fridays For Future: Stell dir vor, es ist Klimastreik und alle gehen hin

Wilhelm Schulz, Artikel zuerst erschienen auf arbeiterinnenmacht.de

Millionen

Der Auftakt der #WeekForFuture am 20. September war ein voller Erfolg. Schätzungsweise 4 Millionen Menschen aus 161 Staaten beteiligten sich an 5.800 Aktionen. Allein in Deutschland sind den VeranstalterInnen zufolge rund 1,4 Millionen Menschen auf den Beinen gewesen. In Australien waren es mindestens 300.000. In Kapstadt sollen es rund 2.000 AktivistInnen gewesen sein, in New York 250.000. In London sammelten sich etwa 100.000.

Auch am 27. September zum Abschluss der Aktionswoche konnten wir beeindruckende Menschenmassen sehen. Hier kam es laut VeranstalterInnen zu rund 6.000 Aktionen in 170 Staaten. Allein in Italien demonstrierten schätzungsweise eine Million Menschen, in Österreich rund 150.000, in Neuseeland 170.000, in Chile mehrere Zehntausend. Im kanadischen Montreal versammelten sich eine halbe Million Menschen.

Bereits im Vorfeld kam es zu einer erneuten Zunahme von Mobilisierungen der Klimabewegung. So fanden vom 13.-15. September in Frankfurt am Main Proteste gegen die Internationale Automobilausstellung (IAA) statt. Unter dem Titel „Sand im Getriebe“ mobilisierten hierzu unterschiedliche NGOs, die Grünen und die Linkspartei sowie Teile der radikalen Linken. Laut VeranstalterInnen nahmen rund 25.000 Menschen teil. Ebenso wie das restliche politische Programm der Bewegung schreckte auch der Protest hier vor der Eigentumsfrage und der Notwendigkeit der gesellschaftlichen Veränderung der Produktion, weg von der individuellen hin zur kollektiven Mobilität, zurück.

International handelt es sich bei der #WeekForFuture um die größte koordinierte Mobilisierung seit dem Irakkrieg. Hier gingen im Februar 2003 weltweit etwa 20 bis 30 Millionen Menschen auf die Straße. An dieser Stelle möchten wir betonen, dass sich an den Generalstreiks in Indien in den letzten Jahren mehrfach 150 bis 200 Millionen beteiligten, ein Aufgebot an Widerstand, zu dem die Bewegung den Schulterschluss suchen muss.

Momentan verfügt sie jedoch vor allem in den imperialistischen Nationen über Schlagkraft. So gingen beispielsweise am 20.9. in Thailand etwa 250 Menschen und in Afghanistan rund 100 auf die Straße. Hier bildet Brasilien eine gewisse Vorbildfunktion. Dort besteht nicht nur mit den Bränden im Amazonas eine Dringlichkeit, sondern schon seit Monaten existiert eine Massenbewegung gegen das Regime Bolsonaros, der nicht nur auf der Ebene des Umweltschutzes einen Generalangriff fährt. Hier sehen wir eine Verbindung mit den Kämpfen der Landlosen, der indigenen Bevölkerung und den kämpfenden Beschäftigten.

Dabei sind es momentan vor allem die halbkolonialen Länder, die mit den Folgen der systematischen Umweltzerstörung leben müssen. So erleben wir gerade massive Proteste in Indonesien, u. a. gegen die massiven Brandrodungen der Regenwälder, die Verschärfungen des Strafrechts und die Zunahme giftigen Smogs. Hier produziert beispielsweise der deutsche Konzern HeidelbergCement. Nach der Zerschlagung der Proteste und dem Klimapaket der Bundesregierung, welches den CO2-Ausstoß bei der Zementproduktion mit keinem Cent besteuert, steigt die Aktie des Konzerns wieder kräftig. Hier müssen InternationalistInnen im Kampf ansetzen.

Wer kämpft?

In erster Linie haben wir es hier mit einer Massenbewegung von SchülerInnen zu tun. Jedoch handelt es sich dabei nicht um eine sozial einheitliche Gruppe, sondern eine gemäß der Klassenherkunft ihrer Familie differenzierte. Die Gruppen, die das Außenbild der Bewegung prägen, sind vor allem sozial besser gestellte Jugendliche, die aus der lohnabhängigen Mittelschicht, dem BildungsbürgerInnentum, dem KleinbürgerInnentum oder der ArbeiterInnenaristokratie stammen. Aus diesen beiden Faktoren entsteht ein Spannungsverhältnis. Die soziale Vorherrschaft von Mittelschichten und KleinbürgerInnentum drückt sich ideologisch auch im Programm, in den Zielsetzungen und im Bewusstsein der Bewegung aus.

Hieraus folgt für RevolutionärInnen, dass wir nicht einfach nur die Bewegung aufbauen, sondern auch für einen proletarischen Klassenstandpunkt kämpfen müssen.

Welche Hürden überwinden?

Auf der einen Seite kämpft die gesamte Bewegung dafür, die Regierung zum Einlenken in der Klimafrage zu bewegen. Sie will von der herrschende Klasse und dem Kapital Maßnahmen erzwingen und die bürgerliche Politik selbst entlarven. Sie hegt reale Illusionen darin, dass die Bundesregierung bzw. die auf dem UN-Gipfel versammelten Staats- und RegierungschefInnen von einer „vernünftigen“, im Interesse alle Klassen liegenden Klimapolitik überzeugt werden könnten.

So ist der wohl kämpferischste Auszug aus der Rede von Greta Thunberg vor dem UN-Klimagipfel folgender: „Ihr sagt, dass Ihr uns ‚hört‘ und dass Ihr die Dringlichkeit versteht. Aber egal wie traurig und wütend ich bin, will ich das nicht glauben. Wenn Ihr die Situation wirklich verstehen würdet und uns immer noch im Stich lassen würdet, dann wärt Ihr grausam und das weigere ich mich zu glauben.“ (The Guardian, 23. September 2019)

Er verdeutlicht sinnbildlich die Widersprüche der Bewegung. Zum einen klagt Thunberg die Herrschenden offen für ihre Weigerung zu handeln, für ihre hohle „Klimapolitik“ an. Zum anderen weigert sie sich verbittert, aber auch umso sturer zu akzeptieren, dass diese tatsächlich auf der anderen Seite stehen.

Hartnäckig stellt sie das Problem so dar, als ginge es darum, dass „die Politik“ dessen Dringlichkeit endlich richtig verstehen müsse. Ansonsten wäre sie nämlich „grausam“. Letztlich präsentiert sie also die Frage rein moralisch. Die Regierenden müssten nur richtig zuhören, die Lage akzeptieren, wie sie ist – und alsdann handeln.

Der systemische Charakter des Kapitalismus fällt vollkommen aus dem Blickfeld. Die objektiven Klasseninteressen, die den FunktionsträgerInnen des Kapitals in den Konzernen wie in den bürgerlichen staatlichen Institutionen vermittelt über die Konkurrenz bestimmtes Handeln ganz unabhängig vom Bewusstsein oder der Vernunft des Einzelnen aufzwingen, werden erst gar nicht zur Kenntnis genommen.

Daher auch der beeindruckende moralische Impetus der Rede von Thunberg einerseits, der andererseits eine hoffungslose und ohnmächtige Perspektive entspricht – der ständig wiederholte Appell an die Mächtigen der Welt, doch endlich ihr Herz und Hirn zu gebrauchen und die Menschen nicht weiter im Stich zu lassen.

In Wirklichkeit zwingt die kapitalistische Produktionsform samt ihrer freien Konkurrenz die einzelnen ProduzentInnen, ohne Rücksicht auf ihren Ressourcenverbrauch oder ihre Abfallerzeugung zu wirtschaften, da sie sonst verdrängt werden könnten. Nachhaltigkeit ist für sie in erster Linie ein Kostenfaktor, der ihre Profite nicht weiter schmälern soll. Wir müssen die Unvereinbarkeit von Nachhaltigkeit und kapitalistischer Produktion verdeutlichen.

Generalstreik und Klassenfrage

Mit dem Aufruf zum 20. und 27. September hatte die Bewegung einen Schritt vorwärts gemacht, insofern sie zu einem globalen Generalstreik aufrief. Allerdings wurde und wird darunter nicht eine kollektive, organisierte Arbeitsniederlegung der Lohnabhängigen und ihrer Gewerkschaften verstanden, sondern eher eine individuelle Entscheidung einer/s Einzelnen. Wer – ob nun während der Arbeitszeit oder am arbeitsfreien Tag – zur Demonstration kommt, „streikt“. Es streiken Beschäftigte ebenso wie Unternehmen, die, ob aus Solidarität oder Werbezwecken, ihr Geschäft für einen Tag oder einige Stunden schließen.

Auch das entspricht der vorherrschenden kleinbürgerlichen Ideologie der Bewegung. Diese kommt umgekehrt auch den Gewerkschaftsführungen gelegen, die einen politischen Streik, also eine echte Konfrontation mit Kapital und Kabinett fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Die Führung der Bewegung wiederum will – insbesondere hier in Deutschland – den Gewerkschaftsapparat nicht verschrecken und lehnte daher mehrheitlich ab, die Generalstreiksforderung an die Organisationen zu richten, die ihn durchführen hätten können. Diese riefen nicht zum Streik, sondern höchstens zum Ausstempeln auf.

Dies erleichterte es zugleich einer Reihe von Parteien und Unternehmen, Greenwashing zu betreiben, während der Kampf beim reinen Protest stehenbleiben muss. Allein in Deutschland erklärten sich 2.800 Unternehmen solidarisch.

Hieraus folgt, dass die ArbeiterInnen zumeist aus „Nettigkeit“ ihrer Unternehmen an diesem Tag demonstrieren konnten. In Berlin und New York wurde weiten Teilen der öffentlichen Beschäftigten an diesem Tag frei gegeben, was die Größe der Demonstrationen erklärt.

Heute erscheint vielen in der Bewegung dieser klassenübergreifende Charakter der Proteste, der Aktionen und ihrer Ziele als Stärke. In Wirklichkeit besteht darin ihre größte Schwäche.

Antikapitalismus

Deshalb müssen wir uns als  AntikapitalistInnen in den Protesten für eine offene Debatte um die Perspektive des Kampfes gegen den Klimawandel einsetzen. Er kann nur erfolgreich sein, wenn er die Eigentumsfrage ins Zentrum rückt. Ohne entschädigungslose Enteignung der großen Konzerne, ohne Kontrolle über Forschung und Wissenschaft durch die ArbeiterInnenklasse und die Masse der Unterdrückten sind effektive Klimaschutzmaßnahmen unmöglich, da diese vor allem eine Veränderung der Produktion, die ökologische Nachhaltigkeit mit der Befriedung der Bedürfnisse der großen Masse der Menschheit verbindet, erfordern.

Die notwendigen Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen und zur Umstellung der Ökonomie sind undenkbar ohne einen international koordinierten Plan, sozialistischen Umbau der Wirtschaft. Bauen wir daher gemeinsam einen revolutionären, klassenkämpferischen Pol in der Bewegung auf!




Die Grünen – Links blinken, rechts abbiegen…

…und dabei noch Erfolg haben – Wie geht sowas?

Christian Mayer

Eigentlich ist es ja so: Wenn man im Straßenverkehr nach links abbiegen will, dann gibt man ein entsprechendes Zeichen. Beim Fahrradfahren durch einen ausgestreckten Arm, beim Autofahren mit dem linken Blinker. Wer dagegen das Gegenteil macht, muss mindestens mit einer Ermahnung rechnen. Da wir uns aber mit der politischen Landschaft in Deutschland beschäftigen, ist es ein klein wenig anders. Hier scheinen irgendwie andere Regeln zu gelten. So kann man problemlos links blinken und rechts abbiegen, ohne einen Unfall zu bauen.

Ok, und was hat das jetzt mit den Grünen zu tun? Gute Frage, die Antwort kommt im weiteren Text.

Das Parlament – ein Ort, wo andere Regeln gelten

Scheinbar kann man im Parlament, anders als im Straßenverkehr, so fahren, wie man will, ohne ernste Nachteile befürchten zu müssen. Anders kann man so manche politische Irrfahrt nicht erklären. Oder doch? Im Parlament vertreten die Parteien scheinbar die Interessen derjenigen, die sie dort erst hingebracht haben und nicht ihre eigenen. Wenn wir uns nun aber den ganzen Politbetrieb im Parlament etwas genauer anschauen, können wir feststellen, dass das nicht so ist. Das fängt bereits damit an, dass alle Parteien, mit Ausnahme der Linkspartei, von großen Firmen beträchtliche Spenden erhalten und dafür werden aber auch entsprechende Gegenleistungen erwarten, z.B. in Form von Gesetzen, von denen sie profitieren, auch genannt „Lobbyismus“. Auch die Grünen haben ein paar Firmen, von denen sie Geld erhalten, um die Interessen dieser Firmen durchzusetzen. Dazu gehören „Gesamtmetall“, „Wirtschaftsvereinigung Stahl“ und der „Sparkassen- und Giroverband“.

Links blinken…

Die Grünen gehen in ihren Ursprüngen aus der Anti-Atomkraft-Bewegung und aus verschiedenen linken Gruppen hervor. Recht schnell hat sich dabei ein Kampf zwischen rechteren „Realos“ (Realpolitik mit Regierungswunsch) und linkeren „Fundis“ (Fundamentalopposition, lieber klare Kritik als Regierung) entwickelt, was heute noch in der Doppelspitze wiederzufinden. Obwohl die beiden Lager heute noch existieren, haben die Realos immer weiter an Boden gewonnen und spätestens durch die Fusion mit dem deutlich rechteren „Bündnis90“ haben sie den Sieg errungen. Sie konnten in ihrer Geschichte immer wieder von Bewegungen auf der Straße profitieren und so tun sie es heute auch mit der Umweltbewegung und allen voran Fridays for Future. Sie stellen auch progressive Forderungen auf: Auf die Klimakrise antworten sie mit weniger Fleisch und Müll, mehr Ökostrom und Nahverkehr. Außerdem wollen die Grünen die Mieten wieder auf bezahlbares Niveau zurücksetzen, sich für Vielfalt allgemein und die Rechte von Geflüchteten im Besonderen stark machen und für Frieden ist man natürlich auch. Alles natürlich richtige Ideen! Aber sobald sich die Grünen an einer Regierung beteiligen, werfen sie ihre Ideale wieder über den Haufen.

und rechts abbiegen

Dass Wahlprogramm und Regierungspraxis nicht unbedingt zusammen passen, zeigen ja auch die anderen Parteien immer wieder. Bei den Grünen ist dieser Widerspruch nun besonders krass: Ob es in früheren Jahren darum ging, Kriegseinsätzen zuzustimmen (was ihrem eigenen Grundsatzprogramm widersprach) oder vor drei Jahren der restlichen Abholzung des Hambi grünes Licht in der Landesregierung in NRW erteilt wurde – den Grünen war sowas letztlich egal. So wurde auch ein zentrales Versprechen nach dem anderen in den Jamaika-Koalitionsverhandlungen fallen gelassen.

Genauso egal ist es einem Winfried Kretschmann, immerhin erster und bis heute einziger grüner Ministerpräsident, was die eigene Parteimehrheit beschließt. „Wir sind gegen den Mega-Bahnhof Stuttgart21? – Das interessiert mich nicht, ich unterstütze das trotzdem. Der Käs‘ isch gessa! (schwäbisch für: Das hat sich erledigt.)“, scheint sich Kretschmann gedacht zu haben. Auch ist es ihm egal, dass sich die eigene Parteimehrheit sowohl gegen die Verschärfung des Abschieberechts oder die Betrügerei der Autoindustrie bei den Abgasmessungen bei Dieselmotoren stellt – Kretschmann ist das Paradebeispiel dafür, dass die Grünen in der Regierung den gleichen Käse machen wie alle anderen auch. Oder: Sie biegen rechts ab, obwohl sie ja eigentlich nach links fahren wollten.

Erfolgswelle

Im Europawahlkampf haben die Grünen auch massiv davon profitiert, dass linke Parteien die drängenden Themen Ökologie und Migration geschickt im Wahlkampf ausgeklammert haben. Die Unfähigkeit der Linken verhalf den Grünen dazu, sich als glaubwürdigste Alternative gegenüber der AfD darstellen zu können. Das geht sogar soweit, dass sie inzwischen mit der CDU/CSU im manchen Umfragen gleichauf liegen (beide bei 26%, je nach Datum und Umfrageinstitut). Dass ihre Erfolgswelle soweit gehen würde, dass sogar schon manche Medienhäuser die Grünen ins Kanzler_Innenamt schreiben, hätten die Grünen selbst letztes Jahr wohl selber nicht für möglich gehalten.

Und wie wird’s dann mit Kanzler Habeck?

Seit dem Verrat der Rot-Grünen-Regierung auf Bundesebene (inklusive Krieg und Sozialabbau) haben sich die Struktur und die Machtverteilung innerhalb der Grünen nicht gewandelt und ihre Grundlage ist weiterhin rein pro-kapitalistische Politik, jedoch mit Linksblinker. Einige Teile des Kapitals haben erkannt, dass auch ihre Profite davon bedroht sind, wenn die Lebensgrundlage des Menschen kontinuierlich weiter zerstört wird. In den Grünen sehen sie eine Hoffnung, die Umwelt ein Stück zu schonen und trotzdem weiter wachsen zu können. Mit ihrem Eintreten für E-Autos (die nebenbei gesagt überhaupt nicht das Klima schonen!) öffnen die Grünen ferner interessante neue Absatzmärkte und geben den Monopolkonzernen keinen Grund zu Sorge, dass sie die deutsche Exportwirtschaft schwächen könnten. Letztens hat sogar der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie, also der Oberkapitalist_Innenverein) ihre Unterstützung für die Grünen in einer neuen Bundesregierung ausgesprochen. Also können wir auch von den Grünen nichts erwarten, was den Wirtschaftsstandort Deutschland also insbesondere die Auto- oder die Rüstungsindustrie schwächt! So werden die Grünen ihren hehren Ziele sicher nicht gerecht, denn Klima geht nur gegen die Autoindustrie und Frieden nur gegen die Rüstungsindustrie!




Der Kampf fürs Klima muss antikapitalistisch sein!

Dass unser aktuelles kapitalistisches Wirtschaftssystem und die Rettung des Klimas nicht miteinander funktionieren können, lässt sich in vielen Bereichen erkennen. Die Wichtigsten werden im Folgenden dargestellt:

Was ist die Aufgabe der Produktion und welche Rolle spiele ich selbst dabei?

Natürlich ist es die Aufgabe einer jeden einzelnen Person, ihren Beitrag zu Rettung des Klimas zu leisten. Die entscheidende Frage dabei lautet allerdings: Wie viel kann man alleine ausrichten? Heutzutage werden uns allerlei „Möglichkeiten“ geboten, unseren ökologischen Fußabdruck zu verbessern. Meist handelt es hierbei jedoch um „Möglichkeiten“, die für die meisten – gerade Arbeiter_Innen – keine finanzierbaren Alternativen darstellen. Zwar gibt es mittlerweile Bio-Supermärkte an jeder Ecke und vermehrt sogenannte „Unverpackt“-Läden, allerdings auch nur mittelgroßen bis großen Städten. Diese liegen jedoch nur im Budget der oberen Schichten. Zusätzlich erfordert das regelmäßige bzw. ausschließliche Konsumieren solcher nachhaltigen Waren einen enormen Zeitaufwand. Als vollzeitarbeitende, alleinerziehende Person ist es somit mehr als verständlich, erforderliche Lebensmittel etc. im Discounter um die Ecke zu erwerben. Ferner stellt unser individueller Konsum sowieso auch nur einen ziemlich unbedeutenden Teil der globalen Treibhausgasemissionen dar, verglichen mit dem, was die großen Konzerne ausstoßen.

Auch das Leben in sogenannten „Öko-Kommunen“ stellt keine für die Allgemeinheit umsetzbare Alternative dar. Das grundlegende Problem liegt darin, dass es sich hierbei um ein individuelles Prinzip handelt, dessen globale Umsetzung utopisch ist, besonders weil dies nur für Menschen aus privilegierten Gesellschaften möglich ist und diese auf eine umliegende kapitalistische Produktion angewiesen sind.

Liegt also das Hauptproblem in der Produktion? Der Kapitalismus „funktioniert“ nur durch stetiges Wachstum. In der Konkurrenz müssen sich die Kontrahent_Innen permanent ausstechen, wer durch die stärkere Produktion mehr Marktanteile hat und dadurch mehr Profite einfährt. Die daraus resultierende Überproduktion hat natürlich auch fatale Auswirkungen auf die Umwelt. Es wird heute schon genug produziert, doch die Wirtschaft wächst immer weiter, während die Ungerechtigkeit der Verteilung die Befriedigung der Bedürfnisse aller verhindert, indem wir hier mit Angeboten überflutet werden und dort nicht alle Menschen satt werden. Natürlich könnte man dem durch sinnvollere, demokratische Ressourcenverteilung entgegenwirken, das bringt dann aber keine Profite mehr. Zudem sind diejenigen, die unsere Ressourcen am meisten verschwenden diejenigen, die zumeist selbst noch am wenigsten vom Klimawandel betroffen sind – die Bourgeoisie! Während vor allem die Bäuer_Innen in manchen Halbkolonien durch die enormen Klimaschäden kaum bis gar keine Ernte mehr erhalten, können die Reichen wegziehen oder sich durch z.B. stabile und klimatisierte Häuser das Leben angenehm machen. Somit liegt das eigentliche Problem darin, dass die Produktion im Kapitalismus nicht demokratisch organisiert und an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist. Stattdessen zeigt im Kapitalismus erst im Nachhinein die Nachfrage auf dem Markt, ob es überhaupt sinnvoll war, diese und jene Ware herzustellen.

Die Verkehrsfrage

Eine der größten Umweltbelastungen neben der Industrie stellt das Verkehrswesen dar. Durch die Privatisierung der Bahn und die generellen Kosten für die Infrastruktur des Schienenverkehrs ist diese – gerade für etwas längere Strecken – kaum mehr bezahlbar. Dadurch profitieren natürlich die sogenannten „Billigflieger“, die durch geringe Steuern und dem kostenlosen Himmel deutlich günstiger kommen. Wenn ein Bahnticket das achtfache wie ein Flug kostet, ist es heutzutage eben üblich, dass man mal schnell von Berlin nach Köln fliegt. So entstehen weitere durchaus vermeidbare Belastungen für die Umwelt.

Abgesehen davon kommt es durch immer weiter ansteigende Preise für öffentliche Nahverkehrsmittel und teilweise sehr schlecht ausgebauten Verkehrsnetzen – gerade in ländlichen Regionen – zu immer mehr Individualverkehr, der wiederum die Feinstaubbelastung erhöht. Durch sinnvolle Investitionen und vor allem durch kostenlosen Nahverkehr ließe sich dieses Problem ebenfalls stark verringern. Das müsste durch starke Besteuerung der Reichen geschehen und das würde der mächtigen Autoindustrie den heimischen Markt abgraben. Diese Schwächung des Wirtschaftsstandorts Deutschland wird die Politik wohl kaum riskieren – auch wenn es sich hierbei um ein wesentliches Problem in der Klimafrage handelt.

Internationales Klima

Der Klimawandel ist kein nationales Problem einzelner Länder. Selbstverständlich gibt es Angelegenheiten – beispielsweise der Nahverkehr – , welche sich nur auf lokaler bzw. regionaler Ebene regeln lassen. Dennoch sollte gerade Deutschland als eine der größten Exportnationen mehr Verantwortung übernehmen. Statt selbst vor der eigenen Haustür zu kehren, schieben Deutschland, aber auch andere große Exportnationen und Industrieländer den ärmeren Ländern die Schuld zu. Das Gemeine daran ist, dass ein großer Teil der umweltschädlichen Produktion in diesen Halbkolonien (wie bspw. Stahl, Textil- oder Sojaproduktion) selbst aus den imperialistischen Ländern dahin ausgelagert wurde und die größten Profite aus dieser Industrie auch nach wie vor in die Taschen der großen Monopolkonzerne fließen. Was fehlt, ist die Einsicht, dass die Rettung des Klimas nur auf internationaler Ebene stattfinden kann. Einem koordinierten internationalen Vorgehen steht dabei das globalisierte, auf Konkurrenz ausgerichtete Wirtschaftssystem entgegen, das einen Kampf gegeneinander erzeugt, wo eigentlich Zusammenarbeit nötig wäre.

Welche Alternativen gibt es?

Statt einzusehen, dass die kapitalistische Produktionsweise den Planeten zerstört, wird von der Bourgeoisie händeringend nach Alternativen innerhalb des Systems gesucht. Eines der neusten Projekte stellt dabei der sogenannte ,,Green New Deal“ dar. Das Grundkonzept existiert bereits seit 10 Jahren und zielt darauf ab, durch Reformen, Umverteilung und Investitionen eine gerechtere und grünere Gesellschaft zu erreichen, ohne jedoch das Privateigentum an Produktionsmitteln anzurühren. Seit diesem Jahre wird die Idee vom ,,grünen Kapitalismus“ immer populärer. Zur Europawahl startete z. B. DiEM25 (Democracy in Europe Movement 2025) eine reformistische Bewegung zur Verwirklichung dieses Konzepts. Mit der Unterstützung einiger Europaabgeordneter, vor allem der Grünen, wurden bereits eine Erklärung und 10 Säulen als programmatische Basis formuliert. Diese 10 Säulen beinhalten beispielsweise den Umbau von Kohlekraftwerken aber auch den Ausbau von Eisenbahnstrecken. Auch wenn der ,,Green New Deal“ Nachhaltigkeit und die Rettung des Klimas propagiert, werden Kompromisse mit Kapital und Profiten gemacht, die für unsere Misere verantwortlich sind. Konzepte wie der „Bio-Diesel“ zeigen zum Beispiel, wie „grüne“ kapitalistische Maßnahmen dazu führen, dass man in Deutschland zwar ökologisch tanken kann aber in Brasilien der Regenwald für diese Plantagen abgeholzt wird. Der Green New Deal stellt also keine Alternative dar und geht auf Kosten der Armen!

Was wir brauchen, ist keine weitere Kontroverse in diesem System, das bereits so viel Schaden angerichtet hat. Was wir wirklich brauchen, ist eine grundlegende Veränderung, eine neue Wirtschaftsordnung – die demokratische Planwirtschaft. Im Gegensatz zu einem kapitalistischen System werden in der demokratischen Planwirtschaft die Ressourcen nach Bedürfnissen verteilt – nicht nach Kapital. Dadurch und durch die planvolle Einteilung unserer Umweltbelastung werden die Ressourcen nachhaltig genutzt. Demokratische Planwirtschaft heißt in diesem Falle nicht eine scheindemokratische Wirtschaft, in der eigentlich ein bürokratisches Oberkommando a là UdSSR die Entscheidungen „im Namen der Arbeiterklasse“ trifft. Demokratische Planwirtschaft bedeutet, dass die Arbeiter_Innen selbst Ausschüsse wählen, die die Entscheidungen in der Produktion treffen.

Somit ist es unsere Aufgabe, für ein nachhaltiges und gerechtes System zu kämpfen, indem wir uns der aktuellen Ordnung widersetzen. Erst auf diese Art und Weise ist es möglich, den Planeten zu retten!




Offene Grenzen statt Hölle von Moria!

Am Sonntag brach im Geflüchtetencamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos ein gewaltiges Feuer aus. 2 Wohncontainer standen in Flammen und rissen mindestens 2 Menschen – eine Mutter mit ihrem Kind – in den Tod. Die Bewohner_innen des für 3000 Menschen ausgelegten und aktuell von ca. 13 000 Menschen bewohnten Camps reagierten mit Protest und Ausschreitungen. Die Repression ließ nicht auf sich warten: Während also das Feuer wütete, griff die griechische Polizei die Menschen zusätzlich mit Tränengas an. Auf weiterhin täglich stattfindende Proteste reagierte Griechenlands neue konservative Regierung mit einer massiven Verstärkung der auf der Insel stationierten Polizeieinheiten.

Das Camp Moria wurde aufgrund der unmittelbaren Nähe der Insel Lesbos zur Türkei seit 2015 schnell zum „Hotspot“. Seinen berüchtigten Ruf erhielt die „Hölle von Moria“ aufgrund der haltlosen Überbelegung und der unmenschlichen Zustände im Inneren. Bewohner_innen berichteten mehrfach von stundenlangen Warteschlangen für Mahlzeiten, miserablen hygienischen Zuständen und brutaler Gewalt. Frauen, Kinder und Angehörige unterdrückter Minderheiten wie zum Beispiel Kurd_innen leiden besonders unter den katastrophalen Zuständen.

Die seit der Etablierung des sogenannten EU-Türkei-Deals zurückgegangene Anzahl von Neuankünften schoss in den letzten Monaten erneut in die Höhe und erreichte Ausmaße, wie sie zuletzt 2015 verzeichnet wurden. Allein im September schafften es ca. 4800 Menschen von der Türkei auf die Insel Lesbos. Daneben existieren jedoch auch viele weitere griechische Inseln in der Umgebung, an deren Küsten täglich Boote ankommen. Wir vermuten, dass die vielen Neuankünfte ihren Ursprung in den angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und der EU haben. So könnte Erdogan mit einer Lockerung des EU-Türkei-Deals drohen, also bewusst mehr Menschen aus der Türkei nach Griechenland durchlassen, um die EU unter Druck zu setzen, ihm bei seinen Invasionsplänen in Syrien nicht in die Suppe zu spucken.

Weiterhin werden täglich Menschen in das ohnehin überfüllte Moria-Camp deportiert. Die Lage vor Ort spitzt sich deshalb weiter zu und die Protestierenden fordern eine Überführung auf das Festland. Griechenlands Regierungspartei „Nea Dimokratia“ reagiert mit Repression und Asylrechtsverschärfungen, so wie sie es auch in ihrem rassistischen Wahlkampf angekündigt hatte. Eine Krisensitzung des Ministerkabinetts beschloss 10 000 Menschen wieder in die Türkei abzuschieben und geschlossene Gefängnisse für abgelehnte Asylsuchende zu errichten. Anstatt sich den unmenschlichen Zuständen in Moria anzunehmen und den Leuten Schutz vor Verfolgung, Krieg und Armut zu gewähren, setzt Ministerpräsident Mitsotakis auf den Ausbau der Festung Europa und schnelle Abschiebungen. Rückendeckung erhält er dabei von Politiker_innen der EU, wie zB. auch vom deutschen „Heimatminister“ Horst Seehofer.

Linke, Antifas, soziale Bewegungen und vor allem die Gewerkschaften müssen den Protesten in Moria nun zur Seite stehen und gemeinsam Widerstand gegen die „Nea Diktatura“ aufbauen. Gründe dafür gibt es viele: So ließ Mitsotakis in seiner kurzen Amtszeit bereits mehrere besetzte Häuser in Athen räumen und schaffte das nach der Militärdiktatur 1982 etablierte „Universitäts-Asyl“ ab. Seine Politik ist es, die bereits von der Syriza-Vorgängerregierung eingeführten Repressionsmaßnahmen zu verschärfen. Auf gemeinsame Großdemos müssen deshalb Streiks in Betrieben, Unis und Schulen folgen, um die von Mitsotakis und EU-Minister_innen geplanten Abschottungs-, Abschiebe und Sparmaßnahmen zu stoppen. Wir fordern:

  • Schluss mit der „Hölle von Moria“! Wohnungen statt überfüllter Container! Für sofortige dezentrale Unterbringungsmaßnahmen!

  • Volle Staatsbürger_innenrechte für alle! Für die Aufnahme aller Geflüchteten in die Organisationen unserer Klasse, statt nationalistische Spaltung!

  • Für die Rücknahme aller rassistischen und repressiven Maßnahmen der Nea-Dimokratia-Regierung und den sofortigen Stopp des EU-Türkei-Deals!

  • Fähren statt Frontex und offene Grenzen statt Festung Europa!




Heraus zum Generalstreik fürs Klima am 20. September!

Kurz vorab: Seit einigen Monaten arbeiten wir bereits in der Antikapitalistischen Plattform „ChangeforFuture“ und hatten eigentlich geplant, einen Aufruf zum 20.9. mit der Plattform zu veröffentlichen. Wir konnten uns in CFF noch nicht gemeinsam für eine Version desselben entscheiden. Da es nicht mehr lange ist bis zum Streik veröffentlichen wir dennoch schonmal das Folgende.

Wir, die antikapitalistische Plattform Change for Future, rufen zum
Generalstreik am 20.09 und zu der bundesweisten Protestwoche, voller
Streiks, Besetzungen und direkten Aktionen zwischen dem 21.und dem 27.
September auf.
Gemeinsam mit allen Arbeiter_Innen, Schüler_Innen. Student_Innen und
Arbeitslosen wollen wir in den Generalstreik treten, um unseren
Forderungen Gehör zu verschaffen.

Als Kampfmittel verbindet der Generalstreik den politischen Protest mit
der Aktionsform des Streiks, einer Aktionsform der Arbeiter_Innenklasse.
Hierbei sollen wirtschaftlicher und politischer Druck die herrschende
Klasse zur Umsetzung unserer Forderungen zwingen. Lasst uns deutlich
machen, dass unsere Bewegung sich auf die Seite der Ausgebeuteten und
nicht der Ausbeuter_Innen stellt. Wir müssen jede Möglichkeit nutzen,
uns mit den sozialen Bewegungen der Klasse, mit den
Mieter_Innenprotesten und mit der Antirassistischen Bewegung gemeinsam
auf eine Seite zu stellen.
Wir nehmen uns das Streikrecht!
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es in Deutschland kein politisches
Streikrecht. Der Streik sei ein Mittel für bessere Arbeitsbedingungen zu
kämpfen. Dieser Konsens entpolitisiert die Arbeiter_Innenklasse und
nimmt ihr eines ihrer wirksamsten Kampfmittel.
Damals wie heute -Hartz, Leih und Zeitarbeit wurden ebenfalls unter
Rot-Grün durchgeboxt- beteiligt sich die SPD an Regelungen, die
offensichtlich nicht im Interesse der sozial Benachteiligten stehen.
Daneben fliegen neoliberale und rechtspopulistische Parteien gerade im
Aufwind. Gerade jetzt werden soziale Bewegungen geschwächt und
demokratische Rechte eingeschränkt. Internetzensur, Überwachung, neue
Polizeigesetze und Eingriffe ins Streikrecht ebnen dabei den Weg,
zukünftige Bewegungen im Keim zu ersticken und die Macht der
Kapitalist_Innen zu festigen.
Unser Umweltschutz kennt keinen Markt!
In einem System, dass auf Ausbeutung und Mehrwert, so wie dem Zwang
ständig zu wachsen beruht, sehen wir keine Möglichkeit die Umweltkrise
zu lösen. Ansätze, die den bestehenden Konzernen und Banken nutzen, z.B.
Verkauf vermeintlich grüner Technik(Stichwort Elektroautos) werden
verfolgt, wobei längst klar ist, dass der individuelle Personenverkehr
nicht grün sein kann!
Mit diesem Streik wollen wir deutlich machen, dass wir nicht glauben,
dass die Klimakrise durch Verzicht im Konsum, auf dem Rücken der
privaten Haushalte gelöst werden kann.
Vielmehr muss zur Lösung der Umweltkrise die Systemfrage gestellt
werden.

Internationalismus statt Rechtsruck, Nieder mit der Festung Europa!
Gerade in halbkolonialen Ländern müssen Menschen schon jetzt unter den
Folgen des Klimawandels leiden. Tödliche Hitzewellen, Überschwemmungen,
jahrelange Dürren oder das massive Artensterben, das vielen Menschen die
Nahrungsgrundlage entzieht: alles Auswirkungen des menschengemachten
Klimawandels. Gleichzeitig beuten westlliche Konzerne Arbeiter_innen auf
der ganzen Welt aus, vereinnahmen Böden mit Monokulturen und zerstören
so nachhaltig ganze Ökosysteme. Stellvertreter_Innenkriege, die
Finanzierung antidemokratischer Kräfte und die Flut an Waffenexporten
tun Ihr Übriges zur Zerstörung der Lebensgrundlage von Millionen von
Menschen bei. Menschen, die so zur Flucht genötigt werden, können in den
seltensten Fällen auf Asyl in reichen imperialistischen Staaten hoffen,
da diese sich mehr und mehr mit Hilfe von Zäunen, von Grenzen,
Kontrollen und letztlich Waffengewalt gegen Einwanderung abschotten.
Wir haben begriffen, dass der Klimawandel globale Auswirkungen hat, dass
Lösungen nur global gefunden werden können. Dabei hilft es sich nicht in
nationalistischer Manier nur auf die Politik im eigenen Land zu
fokussieren und so das Große ganze aus dem Blick zu verlieren. Die
Arbeiter_Innen kennen kein Vaterland, nieder mit jedem Nationalismus.
Klimagerechtigkeit jetzt! System Change not Climate Change!




Gi-Ga-Generalstreik am 20.9.! Warum die Gewerkschaften bisher nicht mitmachen wollen und wir sie aber dringend brauchen.

Stellt euch mal vor, die Fridays-for-Future Großaktionen am 20.9. werden noch ein bisschen anders als wir es sonst von unseren Schulstreiks am Freitag kennen. Neben den Tausenden von Schüler_innen mit bunten Schildern in den Händen könnten an diesem Tag noch einmal mindestens doppelt so viele Arbeiter_innen in grellen Warnwesten und mit den Fahnen ihrer Gewerkschaften stehen. Ein lautstarker Demonstrationszug mit hunderttausenden von Menschen könnte sich in vielen Städten gleichzeitig in Bewegung setzen. Im Unterschied zu sonst wären wir nicht nur wesentlich mehr Menschen sondern es würde auch niemand um uns herum arbeiten. Keine Straßenbahn würde an uns vorbeifahren und keine Bauarbeiter_innen würden von Gerüsten auf uns mit fragenden Blicken herabschauen. Es wäre nämlich ein Generalstreik. Mit Fridyas for Future konnten wir bereits viel Aufmerksamkeit generieren und das Klimaproblem stärker in den Fokus der öffentlichen Debatte rücken. Doch noch immer haben wir es nicht geschafft, die Politik wirklich zum Handeln zu bewegen. Das könnte sich durch einen Generalstreik am 20.9. ändern, denn wenn alles stillsteht, bleiben auch den Konzernen ihre Profite aus und die Politiker_innen sind gezwungen zu handeln. Der Generalstreik ist die stärkste Waffe, die wir als Menschen haben, die selber kein Vermögen auf dem Konto, eigene Fabriken oder große Ländereien besitzen, um für unsere politischen Ziele zu kämpfen.

„Ausstempeln“ bis zum Generalstreik?

Ist es also das, was uns am 20.9. erwartet? Mehrere Prominente wie zum Beispiel der Fernsehmoderator Joko Winterscheidt haben schließlich bereits öffentlich ihre Solidarität mit unserem Klimageneralstreik ausgedrückt und dazu aufgerufen, an den Aktionen teilzunehmen. Dazu gehört auch Frank Bsirske, der Chef der Gewerkschaft verdi, der zweitgrößten Gewerkschaft in Deutschland. Klingt also so, als ob unsere schöne Idee vom Klimageneralstreik tatsächlich Realität werden könnte. Leider gibt es da nur einen Haken: Kurz nachdem der Gewerkschaftschef seine Solidarität mit uns ausdrückte, sagte er: „Wir rufen natürlich nicht zu einem ordentlichen Streik auf, das geht nicht. […] Aber wer kann, sollte ausstempeln und mitmachen“.

Aber wer kann einfach so mal nicht zur Arbeit kommen, um an einer Demo teilzunehmen? Wer hat am Ende des Sommers noch Urlaubstage übrig, um mal eben „auszustempeln“? Damit Arbeiter_innen streiken können, ohne Angst um ihren Job oder andere Repressionen fürchten zu müssen, ist es essenziell, dass die Gewerkschaften zum Streik aufrufen. Tun sie dies nicht, bleibt nur einigen wenigen privilegierten Arbeiter_innen die Möglichkeit an den Aktionen teilzunehmen. Der Streik sollte jedoch eine kollektive und keine individualistische Aktionsform sein, denn so verliert er seine Wirkung.

Legal? Illegal? Scheißegal!

Zum anderen bleibt uns Bsirske auch eine Antwort auf die Frage schuldig, warum man denn nicht zu einem ordentlichen Streik aufrufen könne. Vermutlich würde er ähnlich wie auch Anfang des Jahres bezüglich des internationalen Frauenstreiks antworten, dass in Deutschland sogenannte „politische Streiks“ verboten seien. Gewerkschaften dürften Streiks lediglich als letztes Mittel nutzen, um Druck in Tarifverhandlungen auszuüben. Sorry Frank, aber du erzählst hier mal wieder Mist. Schließlich gibt es genug Beispiele für politische Streiks in Deutschland. Prinzipiell sind diese auch nicht von der Verfassung verboten. Es gibt lediglich eine Tradition in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, die Streiks ohne Bezug zu laufenden Tarifverhandlungen häufig mit Einschränkungen und Repression belegt. Langjähriger Präsent des Gerichtes und Architekt der arbeiter_innenfeindlichen Urteile war übrigens der NS-Jurist Hans-Carl Nipperdey, der schon unter Hitler begeistert die nationalsozialistische Einheit zwischen Angestellten und Unternehmern beschwor1. Außerdem könnte sich unser verängstigter Frank dann auch mal mit den anderen DGB-Gewerkschaften an einen Tisch setzen und zusammen überlegen, ob sie nicht weitere Streikaktionen durchführen wollen, um mögliche Finanzstrafen des Bundesarbeitsgerichtes abzuwenden.

Zum anderen ist es eigentlich auch gar nicht wichtig, ob ein Generalstreik im Einklang mit dem geltenden Recht in Deutschland steht. Die großen Generalstreiks in der Geschichte der Arbeiter_innenbewegung in Deutschland waren es zumindest auch nicht: Ob die Massenstreiks zur Beendigung des Ersten Weltkrieges, der Generalstreik der die Weimarer Republik vor einem faschistischen Putsch 1920 gerettet hat oder der Generalstreik, der uns 1948 vor dem krassesten Marktradikalismus bewahrt hat. Und trotzdem konnten sie ihre politischen Ziele einfach so entgegen dem geltenden bürgerlichen Recht durchsetzen. Was soll auch so ein Stück Papier gegen die geballte Kraft der Arbeiter_innenklasse ausrichten? Schließlich hat ein Generalstreik mit Millionen Unterstützer_innen auch eine viel höhere demokratische Legitimität als irgendein von Fascho-Juristen konstruiertes Urteil. Die Herrschenden sind dadurch gezwungen auf die Interessen der streikenden Massen einzugehen und können, sollten sie dies nicht tun, durch weitere Aktionen sogar entmachtet werden.

Die soziale Frage aufwerfen

Allen falschen Ausreden und Opportunismus von unserem verdi-Frank zum Trotz ist es dennoch schon einmal ein gutes Zeichen, wenn sich die zweitgrößte Gewerkschaft in Deutschland mit den Protesten solidarisch zeigt. Viele andere Gewerkschaften haben dies bisher nicht getan. Dabei wäre das eigentlich bitter nötig, denn die Klimakrise betrifft uns alle. Besonders uns Jugendliche und Lohnabhängige, denn die Reichen können sich viel besser vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen, während wir speziell in ärmeren Ländern seinen Folgen vorwiegend ausgesetzt sind. Die Klimakrise hat also eine soziale Dimension, eine Klassendimension, weshalb wir den Kampf dagegen auch mit der sozialen Frage, der Klassenfrage, verknüpfen müssen. So müssen wir dafür eintreten, dass die Kosten der Klimakrise nicht auf dem Rücken der Arbeiter_innen und der Jugend ausgetragen wird (z. B. durch Ökosteuern oder Massenentlassungen in umweltschädlichen Industrien). Wir müssen dafür sorgen, dass die Klimafrage und die soziale Frage nicht gegeneinander ausgespielt sondern miteinander verbunden werden. Das heißt also nicht Jobs in der Braunkohle zu retten damit weitergebaggert und verpestet wird. Vielmehr heißt das neue Jobs in der Gewinnung regenerativer Energien zu schaffen und durch Umschulungen, höhere Löhne und Arbeitszeitverkürzungen gleichzeitig für bessere Arbeit und ein besseres Klima zu kämpfen. Dafür brauchen wir jedoch auch in Fridyas for Future ein Verständnis und Sensibilität für die existenziellen Sorgen und Nöte der Beschäftigten und keine abgehobene Ignoranz, wie sie in der Debatte manchmal vorkommt. Sprüche wie „Sucht euch doch einfach nen Job in nem Öko-Startup!“ oder „Wir alle sollten einfach nur noch Bio-Produkte kaufen!“ helfen da wenig weiter und spiegeln vielmehr die privilegierte Position einiger Aktivist_innen wider.

Good old Klassenkampf is needed!

Dass jedoch heute nicht alle Arbeiter_innen und Gewerkschaftsmitglieder so Feuer und Flamme für den Aufbau einer kämpferischen Umweltbewegung eintreten und wir Schüler_innen und Studierenden es in Fridays for Future dagegen schon tun, hat viel mit den desillusionierenden Erfahrungen der Gewerkschaftsbewegung in den letzten Jahrzehnten zu tun (die wir zum Glück nicht machen mussten). So hat die Gewerkschaftsführung mit ihrer Politik der Sozialpartnerschaft (was so viel wie Kooperation zwischen Kapital und Arbeit anstelle von Klassenkampf heißt) für Vertrauensverlust, Trägheit und Passivität unter den Gewerkschaftsmitgliedern gesorgt. Und das, obwohl Umweltschutz seit dem Entstehen der Arbeiter_innenbewegung eigentlich immer ein zentrales Thema der Gewerkschaften war. Damals ging es vor allem noch um den Kampf gegen den Einsatz lebensgefährlicher Chemikalien in der Produktion, die die Gesundheit von Mensch und Natur massiv bedrohten. Im Zuge der Sozialpartnerschaft haben die Gewerkschaften dann das Umweltthema und viele andere politische Fragen nach und nach im Aktenschrank der Geschichte verstaut und sich von den Unternehmen aus der Sphäre der Politik drängen lassen, sodass sie sich heute nur noch für Tarifverhandlungen zuständig fühlen.

In diesem Aktenschrank müsste sich auch ein Schredder befinden, dem die internationale Solidarität zum Opfer gefallen ist. Mit der Sozialpartnerschaft ging nämlich auch die Entfaltung der nationalistischen Orientierung der Gewerkschaften einher, die den Ausbau Deutschlands zur Exportmacht der Solidarität mit Arbeiter_innen weltweit vorzieht. Doch da der Kampf gegen die Klimakrise global stattfinden muss, brauchen wir internationale Solidarität statt nationalistischer Spaltung. Dies wird umso deutlicher, wenn wir uns vor Augen führen, dass sich der Klimawandel auch zu einem der wichtigsten Fluchtgründe entwickeln wird. Wenn wir also die Arbeiter_innenklasse ernsthaft für Fridyas for Future gewinnen wollen, müssen wir sie davon überzeugen, die Politik der Sozialpartnerschaft zu beenden indem wir zwei Sachen von den Gewerkschaften einfordern:

  1. Hört auf euch von den Unternehmen bevormunden und mundtod machen zu lassen und fangt endlich wieder an, euch als politische Kampforgane der Klasse zu begreifen, indem ihr euch zum Beispiel entschieden gegen die Klimakrise positioniert.

  2. Brecht mit eurer nationalistischen Standortideologie, denn dem Klima sind nationalstaatliche Grenzen ziemlich egal. Zum anderen kann die Aufgabe einer ökologisch-nachhaltigen Umgestaltung der Produktion insbesondere für die deutsche Wirtschaft, die auf die Verwertung von Rohstoffressourcen und billiger Arbeitskraft im Ausland angewiesen ist, nur international gedacht werden kann. Holt euch von uns ein wenig Nachhilfeunterricht zum Thema „Klimagerechtigkeit“ ab.

Die Gewerkschaftsführungen werden sich vermutlich leider nicht so leicht von unseren Argumenten überzeugen lassen – auch wenn sie gut sind. Das liegt daran, dass sie selber viel zu tief in der Scheiße mit drinstecken und ihre eigenen Privilegien verlieren könnten. Es braucht also aktiv Druck aus der Gewerkschaftsbasis gegen die Führung, sonst machen die gar nichts. Der 20.9. kann dabei ein Startschuss sein, um die Diskussion neu zu entfachen, wie Gewerkschafts- und Umweltbewegung vereint werden können. Doch lasst uns nicht nur quatschen sondern auch machen und jede_r Arbeiter_in auf unseren Demos willkommen heißen. Ziel muss es sein, eine internationale Bewegung der Jugend und der Arbeiter_innen aufzubauen, die durch Massenstreiks und Besetzungen unser Interesse an der Rettung dieses Planeten durchsetzt.

1 Vgl. ak Nr. 651, S.23




Brasilien: Tage des Feuers

übernommen von der Gruppe ArbeiterInnenmacht, ein Artikel von: Markus Lehner, Neue Internationale 240, September 2019

Seit Beginn der Trockenzeit in der Amazonasregion ist dieses Jahr dort ein wahres Inferno an Waldbränden ausgebrochen. Allein im August handelt es sich jede Woche um Tausende. Diese sind zwar sehr unterschiedlich in der Größe, summieren sich aber zu einem Katastrophenzustand, von dem inzwischen die vier brasilianischen Bundesstaaten Rondônia, Pará, Mato Grosso und Amazonas betroffen sind. Aufnahmen von Satelliten zeigen, dass pro Minute Regenwald in der Größe von etwa 1,5 Fußballfeldern abbrennt.

Verbrecherische Politik

Die Mitschuld der verbrecherischen Bolsonaro-Regierung an diesem ökologischen Desaster mit globalen Auswirkungen ist unbestreitbar. Agro-Business und extraktive Industrien (wie der Bergbaukonzern Vale) haben für ihre globalen Geschäfte ein starkes Interesse an der rücksichtslosen Ausbeutung der Amazonasregion. Durch die Vorgängerregierungen und internationalen Druck war das enorme Entwaldungstempo seit 2004 von jährlich über 20.000 Quadratkilometer auf unter 10.000 zurückgegangen. Offensichtlich ist es die „Entwicklungsstrategie“ der Bolsonaro-Regierung, im Interesse ihrer wesentlichsten GeldgeberInnen diese „Zurückhaltung“ wieder vollständig aufzugeben. Die „Umweltbedenken“ wurden als Behinderung der wirtschaftlichen Interessen Brasiliens verunglimpft, internationale Kritik als „Neokolonialismus“ abgetan und jede nur erdenkliche Hetze gegen UmweltaktivistInnen, Landlosenbewegung und indigene AmazonasbewohnerInnen vom Zaun gebrochen.

Gleich zu Beginn der Präsidentschaft von Bolsonaro wurden IBAMA (Brasilianisches Institut für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen; Umweltbundesamt Brasiliens) „gesäubert“, 21 der 27 Regionaldirektoren abgesetzt und ihre Mittel drastisch gekürzt. Mit Tereza Cristina, der Landwirtschaftsministerin, bekam eine direkte Lobbyistin des Agrobusiness die Verantwortung für die Amazonasregion übertragen. Der „Umweltminister“ Ricardo Salles erklärte, dass es die oberste Pflicht seines Ministeriums ist, die „Rechte der LandbesitzerInnen zu schützen“. Daher werden nicht nur die Aktionen gegen illegale Landbesetzungen jetzt rechtzeitig angekündigt, es gibt auch die niedrigsten Strafen für illegale Brandrodungen seit Jahrzehnten. Die 980 Millionen Dollar, die die EU für die Wiederaufforstung im Amazonas zur Verfügung gestellt hat, werden von Salles zur „Entschädigung“ von Agrounternehmen verwendet (die die jetzt freigegebenen Gebiete sich zumeist illegal angeeignet hatten). Schließlich brachte Flávio Bolsonaro, der Sohn des Präsidenten, der selbst Senator ist, ein Gesetz ein, das die Verpflichtung zum Schutz bestimmter Pflanzenarten, die LandbesitzerInnen bisher einhalten mussten, lockert.

Was auch immer die Regierung bisher an Maßnahmen gesetzt hat: klar ist, dass sich LandbesitzerInnen, Konzerne und ihr gesellschaftliches Umfeld in der Amazonasregion durch Bolsonaro ermutigt fühlten, alle Schranken fallen zu lassen. Seit dem Amtsantritt von Bolsonaro im Januar wurden bis Juni 79.000 neue Brände gezählt, ein Anstieg um 82 % gegenüber dem Vorjahr. Die kriminelle Energie der LandeigentümerInnen wird am Beispiel des Überfalls auf das indigene Volk der Wajapi im Bundesstaat Amapá deutlich: Am 24. Juni drangen Bewaffnete eines Bergbaukonzerns für Rodungsarbeiten in das als „geschützt“ ausgezeichnete Gebiet ein, vertrieben die EinwohnerInnen und töteten dabei mehrere Menschen, darunter deren Sprecher Emyra: ein Mord, der unter den Indigenen-AktivistInnen großes Entsetzen verbreitete. Dies ist Ausdruck des Charakters der Bolsonaro-Bewegung: von GroßgrundbesitzerInnen unterstützt, gibt es in den ländlichen Regionen Mittelschichten und HandlangerInnen, die sich rassistisch aufgeladen mit mörderischer Energie auf die Hindernisse für das „echte Brasilianertum“ stürzen: Indigene, landlose LandarbeiterInnen und KleinbäuerInnen (meist durch die MST vertreten), UmweltaktivistInnen und Linke: eine mit Bolsonaro verbundene Bewegung, die durchaus Ähnlichkeiten mit den italienischen FaschistInnen der 1920er Jahre im Klassenkampf um die Latifundien der Po-Ebene hat. Daher sind die Waldbrände nicht nur ein ökologisches Desaster, sie sind auch Teil einer gewalttätigen Bewegung gegen alle, die Interesse an einem nachhaltigen Umgang mit dem Regenwald haben. So stellt es auch die Erklärung der MST (die von Bolsonaro als „Terrororganisation“ bezeichnet wird) zu den jüngsten Bränden fest: Die Abschaffung der bisherigen (schwachen) Schutzbestimmungen im Amazonasgebiet ist das eine, aber „zur selben Zeit wächst die Verfolgung und Kriminalisierung der Teile der Bevölkerung, die traditionellerweise die Biome Brasiliens erhalten: die einfache Landbevölkerung und die Indigenen“ (Queimar a Amazonia e crime contra humanidade, MST, 23.8.). [Biom: Großlebensraum der Erde; Makro-Ökosystem]

So ist es auch kein Wunder, dass kürzlich bekannt wurde, dass über einen Whatsapp-Verteiler der bolsonaristischen LandeigentümerInnen für den 10. August zu einem „Tag des Feuers“ aufgerufen wurde entlang der Bundesstraße 163, die die jetzt besonders betroffenen Regionen Mato Grosso und Pará (beim Rio Tapajós) verbindet. Nachdem diese Whatsappgruppe von 70 LandeignerInnen durch die Zeitschrift Globorural geleakt worden war, konnte das lächerliche Ablenkungsmanöver von Bolsonaro, dem zufolge die Umweltorganisationen die Brände selber legen würden, um ihm zu schaden, nicht mehr aufrechterhalten werden. Inzwischen muss selbst der Bolsonaro zutiefst ergebene Justizminister Moro gegen die tatsächlichen BrandstifterInnen ermitteln lassen (Globorural, Grupo usou whatsapp para convocar „dia do fogo“ no Para; 25.8.).

Entwicklung der letzten Jahre

Natürlich sind Waldbrände am Rand des Amazonasgebiets und in der angrenzenden Savannenlandschaft (Cerrado) speziell in der Trockenzeit nichts Ungewöhnliches, haben sich jedoch durch bestimmte Umstände in den letzten Jahren periodisch verstärkt. Zu beachten ist, dass normalerweise selbst in der „Trockenzeit“ im Amazonasgebiet durchschnittlich mehr Regen fällt als in unseren Breiten in den regenreichsten Monaten. Das Gebiet lebt einerseits vom Abregnen der feuchten Luftmassen der äquatorialen Nord-/Südostpassatwinde, die sich in der zweiten Jahreshälfte entsprechend abschwächen. Andererseits erzeugt der Regenwald selbst ein Mikroklima, das auch in der Trockenzeit noch für ausreichend Regen sorgt. In den Millionen-Jahren, in denen sich der Regenwald gebildet hat, haben speziell die Regenwaldbäume aufgrund der nährstoffarmen Böden die Fähigkeit zu enormem Wasserumsatz entwickelt. Zur Aufnahme von Kohlendioxid und Abgabe von Wärme über Wasserdampf haben sie ein Kreislauf-, Wurzel- und Porensystem entwickelt, das sie pro Tag 1000 Liter aus Bodenwasser umsetzen und in die Atmosphäre abgeben lässt (die Bäume unserer Breitengrade schaffen durchschnittlich um die 400 Liter). Dies senkt die Temperatur im Waldgebiet (durch die über das Wasser dem Boden entnommene Wärmeenergie), bewässert große Gebiete und sorgt durch die Sonnenabstrahlung der großen Wolkenbänke (Albedo-Effekt) für einen zusätzlichen Klimaschutz.

Die schon bisher betriebene Abholzung hat messbare langfristige Auswirkungen auf das regionale und globale Klima. Seit 1970 wurden 800.000 Quadratkilometer (von ursprünglich 4 Millionen) abgeholzt, mit einem gemessenen Effekt von 0,6 Grad Erwärmung im Amazonasbecken. Die abgeholzten Gebiete sind noch mal im Durchschnitt um 4,3 Grad wärmer, was bei landwirtschaftlicher Nutzung wiederum gesteigert wird (ohne die Wirkungsweise der Waldflora kann nur ein Bruchteil des Regenwassers im Boden gehalten werden, der Großteil fließt ab). Die nährstoffarmen so gewonnenen Böden sind nach 4–5 Jahren zumeist unbrauchbar. Viele werden aufgegeben und versteppen (was den Hunger nach immer neuen Abholzungen erklärt). Diese immer größeren Schneisen des Cerrado in den Regenwald untergraben das Mikroklima in immer mehr Bereichen des Waldes – und ab einer bestimmten Gesamttemperatur (beim heutigen Tempo wird die Erwärmung bis 2050 seit 1970 um 1,5 Grad gestiegen sein) funktioniert die „Wasserpumpe“ Baum in diesen Bereichen nicht mehr. Dann werden selbst Regenwaldbäume zu leichter Beute von Funkenflügen und Wind. Nach unterschiedlichen Modellen wird daher inzwischen von bestimmten „Kipppunkten“ des Waldsterbens im Amazonasbecken gesprochen. Seit langem wird davon gesprochen, dass mit 40 % Verlust (relativ zur Größe 1970) ein Punkt erreicht wäre, wo die Selbstregeneration und der Mikroklimaschutz zusammenbrechen und der Wald als Ganzes bedroht ist (also der Region die Versteppung drohen könnte). Inzwischen werden Modelle mit 20–25 % diskutiert, die schon nahe an den heute erreichten 17 % Waldvernichtung sind (https://advances.sciencemag.org/content/4/2/eaat2340).

Die Auswirkungen der Erreichung dieses Kipppunktes wären nicht nur für das regionale Klima, und damit für die natürlichen Grundlagen der Landwirtschaft in Südamerika, verheerend. Das Amazonasbecken enthält 40 % des Weltbestandes an Regenwäldern und 10–15 % der globalen Biodiversität. Vor allem aber ist der Regenwald auch eine riesige Kohlenstoffsenke: In der Biomasse der Regenwälder steckt so viel Kohlenstoff, wie die Menschheit derzeit in 10 Jahren verbrennt. In „normalen“ Jahren (ohne extreme Dürreereignisse) nimmt der Amazonasregenwald etwa 1,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und wirkt damit der Erderwärmung durch Treibhausgase entgegen. In den letzten Dürrejahren mit großen Brandereignissen, die seit den 2000er-Jahren im 5-Jahresrhythmus stattfanden (das letzte war 2015), kehrte sich dies um. Dann bewirkt die Verbrennung der Kohlenstoffreservoirs des Waldes, dass in so einem Jahr mehr Treibhausgase entstehen, als zur selben Zeit von China und den USA zusammen hervorgebracht werden. Dabei sind diese Dürreereignisse selbst ein Produkt des Klimawandels. Es lässt sich ein Zusammenhang mit den El-Ninjo-Phänomenen nachweisen (die Erwärmung im Ostpazifik führt zu einer Umkehr der Konvektionsströme über Südamerika, was zu einer Abschwächung der für den Regenwald lebenswichtigen Passatwinde führt). Entscheidend ist derzeit aber, dass in diesem Jahr dieses Wetterphänomen noch nicht sein Maximum erreicht hat – dieses ist erst im nächsten Jahr wahrscheinlich (die Auswirkungen können wir uns heute noch gar nicht vorstellen!). Gerade dies zeigt deutlich, wie sehr menschengemacht das derzeitige Ausmaß der Brandkatastrophe ist. Sollten die Vorhersagen für die nächsten beiden Jahre stimmen und die brasilianische Politik sich nicht grundlegend ändern, so wären die Auswirkungen auf den Regenwald und das Weltklima beängstigend!

Reaktionen

Sehr zum Unmut von Bolsonaro ließ sich die Katastrophe in Amazonien vor der Weltpresse und globalen Umweltverbänden nicht verbergen – auch die Entlassung des Direktors der Satellitenüberwachung half nichts mehr, nachdem die NASA diesem „Nestbeschmutzer“ auch noch in allen Punkten recht gegeben hatte. Bolsonaros Politik steht jetzt weltweit am Pranger – und dies ist angesichts der großen Exportpläne speziell des Agrobusiness keine gute Publicity. Hatte man sich doch gerade durch das Mercosur/EU-Abkommen riesige Geschäfte mit Fleisch und Tierfutter nach den zu erwartenden Zollsenkungen versprochen. Sicherlich hat besonders der französische Präsident sein Herz für den Amazonas speziell auch aufgrund der Bedenken seiner heimischen Agrarlobby entdeckt. Klar ist jedoch, dass jetzt auch die brasilianische Agroindustrie „Maßnahmen“ fordert und erkennt, dass Bolsonaro ihrem Geschäft gerade schadet. In vielen Punkten muss jetzt zurückgerudert werden. Der Einsatz der brasilianischen Armee zur Brandbekämpfung muss jedoch auch als Element des inneren Klassenkampfes verstanden werden.

Die Armee wirkt dort nicht nur als erweiterte Feuerwehr, sondern als Unterstützung im Kampf gegen die dortigen „TerroristInnen“ (UmweltschützerInnen, Indigene, Landlose,…). Ebenso werden die „Hilfsaktionen“ aus Europa und den USA, besonders die zur „Wiederaufforstung“, sicher wieder als „Entschädigung“ zum Verzicht auf weitere Brandrodungen eingesetzt werden. Aus Deutschland und Co. sind diese PR-Aktionen vor allem als Instrumente zu verstehen, das Mercosur-Abkommen in jedem Fall zu retten.

Trotz der großen Bekenntnisse zum Klimaschutz und der Ermahnungen an den „bösen“ Bolsonaro wollen deutsche Industrie und Politik ihr großes Brasiliengeschäft („ein unheimlich interessanter Zukunftsmarkt“ nach einem Anlagefondsmanager, der der deutschen Bank nahesteht) nicht durch „so etwas Nebensächliches“ in Frage stellen lassen. Hatten doch wichtige VertreterInnen der deutschen Konzerne (von Daimler, VW, Bayer bis zur Deutschen Bank) ihre unverhohlene Unterstützung für Bolsonaro schon vor dessen Wahl zum Ausdruck gebracht. Auch gegenseitige Besuche von WirtschaftsvertreterInnen nach der Wahl zeigen deutlich, dass man gegenseitig große Geschäfte und Investitionen erwartet. Dazu passt dann auch, dass der SPD-Außenminister bei seinem Besuch in Brasilien vor allem von Bolsonaros Bereitschaft zur Zusammenarbeit gegenüber Venezuela sprach – aber kaum die semi-faschistische Politik dieses Gangsters noch die sich abzeichnende Amazonas-Katastrophe erwähnte. Da wurde selbst der CSU-Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Müller deutlicher, als er den ökologisch bedenklichen Anstieg von billigem Soja-Futtermehl aus den Amazonas-Brandregionen anprangerte.

Ablenkungsmanöver

Natürlich werden jetzt wieder vor allem „die VerbraucherInnen“ in die Verantwortung genommen, die durch ihren Fleischkonsum und Kauf billiger Agrarimporte die VerursacherInnen des Ganzen seien. Abgesehen wird davon, dass die Preise auf den internationalen Agrarmärkten nur zum Teil von den ErzeugerInnen bestimmt werden, sondern durch eine Kette von MitprofiteurInnen von Lebensmittelkonzernen, Handelsketten bis zu Warenterminbörsen. Verkannt wird auch die globale Dimension der beteiligten Märkte: der Handelskrieg zwischen den USA und China führt gerade jetzt zu einem enormen Anstieg der Nachfrage nach Soja und Fleisch aus Brasilien für China. „Verhaltensänderungen“ einiger tausend MarktteilnehmerInnen aus europäischen Mittelklassefamilien werden angesichts dieser Struktur der globalen Agrar- und Rohstoffmärkte nichts bewirken – schon gar nicht angesichts der Schnelligkeit, mit der auf die dramatische Situation des Regenwaldes reagiert werden muss. Es ist eine billige Masche der eigentlichen VerursacherInnen, die Verantwortung auf „die VerbraucherInnen“ abzuschieben, die dann auch noch durch das Green-Washing von Produkten mittels fragwürdiger Ökolabels zur Kasse gebeten werden.

Tatsächlich ist die Klimakatastrophe wie auch die Gefährdung grundlegender Biotope ein klarer Fall von Marktversagen, von der Unmöglichkeit in diesem System, solche Probleme über „den Markt“ (etwa durch Zertifikatehandel, indirekte Steuern oder Produktbewertungen) zu lösen. Denn der Markt ist nur die Vermittlung der eigentlich problematischen Kapitalverwertungsinteressen, die – wie auch das brasilianische Beispiel zeigt – die drohende ökologische Katastrophe wesentlich mit hervorbringen. Daher kann dieser Katastrophe nur entgegengewirkt werden, wenn man radikal die Eigentumsfrage stellt. Die genannten Probleme erfordern einen globalen Plan von Wiederaufforstung bis zur systematischen Umstellung auf klimaneutrale Produktion auch im Agrarsektor.

Perspektive

Natürlich ist auch die Durchsetzung eines solchen globalen Planes angesichts des Zeithorizonts der Probleme und der erwiesenen Langsamkeit globaler Klimapolitik keine Soforthilfe. Daher müssen heute die weltweiten Umweltbewegungen im Zusammenkämpfen mit den sozialen Bewegungen vor Ort die jeweiligen Staaten zu radikalen Maßnahmen zwingen. Im Fall von Brasilien heißt dies: Enteignung der Agro- und Bergbaukonzerne, Agrarreform zur Umverteilung des Großgrundbesitzes an die Bevölkerung auf dem Land und Entwicklung eines Planes zur Wiederaufforstung des Regenwaldes sowie zu seiner ökologischen Bewirtschaftung – alles unter Kontrolle der sozialen und ökologischen Bewegungen, vor allem der LandarbeiterInnen und KleinbäuerInnen. Nein zu den aus Massensteuern finanzierten „Geldfonds“ von G7, EU & Co., die nur wieder in die Kassen der GroßgrundbesitzerInnen fließen werden. Stattdessen sollen die imperialistischen Konzerne Steuern aus ihren Gewinnen für die Regenwaldprojekte unter Kontrolle der armen Landbevölkerung zahlen! Nein zu jeder Unterstützung von Bundesregierung und deutschen Konzernen für das Bolsonaro-Regime – es wird keine Rettung des Regenwaldes ohne den Sturz dieses rechts und marktliberalen Regimes geben! Daher: vor allem Unterstützung für die Bewegung zum Sturz von Bolsonaro, die im Kampf gegen dessen sozialen und gesellschaftlichen Amoklauf schon mehrere Generalstreiks durchgeführt hat! Sofortiger Abbruch der Ratifizierung des Mercosur/EU-Abkommens, das den Interessen der deutschen Konzerne in Brasilien wie auch dem der brasilianischen Agrarkonzerne in die Hände spielt – und nie ein Mittel zur Bewahrung des Amazonasgebietes sein kann (wie uns das die Bundesregierung verkaufen will)!

Alle diese Forderungen müssen von einer ernsthaften Bewegung gegen den Klimawandel, wie es FFF beansprucht zu sein, aufgegriffen werden und anstelle der verfehlten Strategie von Verbraucher-Kritik gestellt werden! Machen wir Amazonastag am 5. September und Klimastreik am 20. September zum Beginn einer globalen Bewegung zur Enteignung des Kapitals, das als Ganzes diesen Planeten zerstört!