Grundlagen des Marxismus: Was ist Bonapartismus?

VON JONATHAN FRÜHLING


Der Marxismus geht davon aus, dass die jeweilige herrschende Klasse Gesellschaft nach ihren Bedürfnissen formt um ihre Herrschaft zu festigen und zu erhalten. So ist die Gesellschaft der heute herrschenden Klasse der Kapitalisten (Bourgeoisie) mit Marktwirtschaft, Konkurrenz sowie einem Staatsapparat verbunden. Die parlamentarische Demokratie ist in stabilen Zeiten der bequemste Weg für die Bourgeoisie ihre Herrschaft auszuüben, da diese die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse verschleiert. In einer Phase, die von schweren Krisen und heftigen Klassenkämpfen geprägt ist, kann sich die Bourgeoisie auch anderer Herrschaftsformen bedienen, wie z.B. des Faschismus oder des Bonapartismus. Letzterer soll hier näher betrachtet werden.


Was ist Bonapartismus?


Der Bonapartismus ist eine Form der Diktatur der Bourgeoisie, bei der sie in einer sehr instabilen Situation ihre politische Macht an einen autoritären Alleinherrscher abtritt. Eine solche Situation kann zum Beispiel entstehen, wenn sich keine Fraktion der herrschenden Klassen entscheidend durchsetzen kann oder kein Kompromiss innerhalb der parlamentarischen Demokratie zwischen den Klassen und Fraktionen möglich ist. Dabei stützt sich das bonapartistische Regime auf Teile aller Klassen und Schichten – meist jene, die sich ihrer Klassenzugehörigkeit am wenigsten bewusst sind. Auf Seiten der Arbeiter_Innen drückt sich in der Unterstützung des Bonaparte eine gewisse Verzweiflung aus. Daher werden auch teilweise soziale Forderungen der Arbeiter_Innen erfüllt.


Wie lange sich ein Bonaparte hält, hängt davon ab, wie gut er auf dem Seil zwischen den Klassen und Klassenfraktionen balancieren kann. In der Geschichte war der Bonapartismus als Übergangsregime hin zum Faschismus (z.B. Brüning in Deutschland vor Hitler) zu finden. Auf der anderen Seite gingen aus dem Bonapartismus auch stabilere gesellschaftliche Verhältnisse hervor (z.B. Russland unter Putin).


Die Programme der Bonaparten können sehr beliebig sein – von linkspopulistisch (Chavez – siehe unten) bis zu stocknationalistisch (Erdogan – siehe dazu in dieser Zeitung) variiert die Rhetorik sehr stark.


Erste Darstellung des Bonapartismus durch Marx


Das erste bonapartistische Regime kam in Frankreich zwischen 1851 und 1870 unter Louis Bonaparte (Napoleon III.) auf – daher auch der Begriff Bonapartismus. Seine Regentschaft ging eine über 60 Jahre lange Phase von Revolutionen und Konterrevolutionen voraus, in denen es keine Klasse schaffte eine stabile Gesellschaft nach ihren Vorstellungen zu errichten. So konnte die Alleinherrschaft Louis Bonapartes entstehen, die mit Repression und Kompromissen die Klassenkämpfe vorerst befriedete – freilich innerhalb des Kapitalismus. Für eine detailliertere Beschreibung von bonapartistischen Regierungen sollen jedoch aktuellere Beispiele dienen.


Bonapartismus für Imperialismus: Putins Russland


Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahre 1991 war die russische Gesellschaft von wilden Privatisierungen, ökonomischen Verfall und Armut geprägt. Alte Bürokraten sowie Vertreter der bereits neu entstehenden bürgerlichen Klasse, teilten die Besitzungen unter sich auf. Das Land drohte daran vollständig zu zerbrechen und in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. Dadurch wäre Russland unter Umständen zur Halbkolonie abgestiegen. Das imperialistische Russland von heute, das auf weiten Teilen der Welt Einfluss ausübt, wäre so wahrscheinlich nicht entstanden.


Da trat 1999 Wladimir Putin auf den Plan, der wieder stabile kapitalistische Verhältnisse schaffen sollte. Er bediente sich dafür eines bonapartistischen Programms: Durch eine massive Erhöhung von Renten und Lohnen wurde das Leiden der arbeitenden Bevölkerung gemildert. Demgegenüber wurden kämpferische Arbeiter_Innen massiv unterdrückt.
So hat Putin für die Bourgeoisie um die 2000 Jahre Russland wieder geeint, wobei er sich eines ausgeprägten Nationalismus bedient. Dafür wurde die Staatskontrolle über Teile der Wirtschaft wieder ausgeweitet und die repressiven Funktionen des Staates in Gang gesetzt. Dies entsprach dem Gesamtinteresse der herrschenden Klasse, musste jedoch auch gegen einzelne Kapitalisten durchgesetzt werden, z.B. Michail Chodorkowski. Auch heute noch ist die Bourgeoisie relativ schwach und der Staat spielt eine dominantere Rolle als in westlichen Staaten.


Die linke Spielart des Bonapartismus: Venezuela unter Hugo Chavés


Venezuela war nach Jahrzehnten neoliberaler Politik, Fehlwirtschaft und Korruption Anfang der 90er Jahre bankrott und völlig abgewirtschaftet, große Teile der Bevölkerung lebten in bitterster Armut.
Die Lösung wurde gefunden in der Wahl Hugo Chavés 1998. Er trat mit einem linksreformistischen (ähnlich dem der Linkspartei) Programm an, welches demokratische Teilhabe, Kampf gegen Korruption, Verstaatlichung und soziale Sicherungen beinhalteten. Finanziert wurden dies Errungenschaften mit Einnahmen aus Rohstoffexporten (vor allem Öl und Gas).


Unterstützt wurde Chavés von den Bäuerinnen und Bauern, der Arbeiter_innenklasse und Teilen der Bourgeoisie. Die Wirtschaft wurde so beispielsweise durch Investitionssicherheit stabilisiert. Streiks, mit weitergehenden Forderungen, wurden dagegen mittels der Polizei brutal niedergeschlagen. So war klar, dass Chavés Bonapartismus im Rahmen des Kapitalismus bleiben wurde, trotz sozialistischer Phrasen. Seit der Weltwirtschaftskrise 2007/08 und dem Verfall des Ölpreise gerät der sogenannte Chavismus an seine Grenzen: Die Bourgeoisie setzt wieder vermehrt auf rechte Regierungen, weshalb die Menschen in Südamerika sich mit einem massiven reaktionäres (rückschrittliches) Rollback konfrontiert sehen. Hier offenbart sich die zentrale Schwäche des Bonapartismus: Er gerät in Krisenzeit sehr schnell ins Wanken.


Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Bonapartismus und Faschismus


Zunächst die Gemeinsamkeiten: Bonapartismus und Faschismus sind beides Spielarten der Herrschaft der Kapitalistenklasse. Die herrschende Klasse greift nur in sehr schwierigen Zeiten zu einem der beiden Mittel und in der Regel geht ein deutlicher Zuwachs an Repression damit einher. Außerdem tritt in beiden Fällen die Kapitalist_Innenklasse ihre politische Macht an den Staatsapparat ab.


Es gibt jedoch überwiegende, deutliche Unterschiede: Während der Bonapartismus eine Art Befriedung des Klassenkampfes und der Fraktionskämpfe innerhalb der Klassen sucht, so richtet sich der Faschismus mit aller Macht gegen die Arbeiter_Innenklasse mit dem Ziel diese zu zerschlagen. Dabei stützt sich die faschistische Partei vor allem auf eine unabhängige, militante Bewegung des ruinierten Kleinbürgertums. Der Bonapartismus stützt sich von Anfang an auf Teile des Staatsapparates und Teile aller Klassen.


Es muss hier eines klar herausgestellt werden: Ob ein Staat faschistisch oder bonapartistisch oder parlamentarisch-demokratisch oder sonst was ist, lässt sich NICHT daraus erklären, wie repressiv der Staat ist und wie groß sein Gewaltapparat ist! Dafür müssen die Verhältnisse im Klassenkampf betrachtet werden und nicht gegen wen und wie oft der Staat auf wenn schießen lässt.


Unsere Antwort auf den Bonapartismus


Klar ist, dass unsere Politik darauf abzielt die Interessen der Arbeiter_Innenklasse zu verwirklichen und sie nicht in einem faulen Kompromiss mit einem Bonaparte aufzugeben. Das beinhaltet tagespolitische Forderungen, wie soziale Reformen und Übergangsforderungen, wie Selbstorganisation. Letztlich können wir unsere Ziele aber nur durch die Abschaffung des Privateigentums und die planmäßige und demokratische Errichtung einer neuen Gesellschaft und Wirtschaft erreichen. Unsere Aufgabe ist deshalb die Arbeiterklasse zu organisieren und alle Zwischenklassen in eine Bewegung in Betrieben, Schulen, Unis und der Straße hineinzuziehen. Dafür müssen wir vom Kapital unabhängige Organisationen aufbauen und instabile Zeiten dafür nutzen, um eine sozialistische Alternative zu formulieren. Nur so können wir der vermeintlichen Lösung von Krisen innerhalb des Kapitalismus z.B. durch einen Bonapartismus entschlossen entgegentreten!





Türkei – Der Kettenhund an der kurzen Leine?

Von Dilara Lorin – REVOLUTION Dresden


2016 sitzen weltweit die meisten inhaftierten Journalisten in der Türkei. Alle oppositionellen Medien, seien es Fernsehsender, Radiokanäle oder Internetseiten wurden (oftmals gewaltsam) geschlossen oder verstaatlicht. Die oppositionellen linken Parteien wurden auf brutalster Weise verfolgt und ihre teilweise Strukturen zerschlagen. Hunderttausende Menschen haben nach dem Putschversuch am 15. Juli ihre Arbeit verloren, wurden als „Terroristen“ abgestempelt, teilweise verfolgt. Der Krieg gegen die Kurd_Innen hat seit den 90er Jahren ein neues, härteres, grauenhafteres Niveau erreicht und kostet jede Woche mehreren hundert Menschen das Leben. Es werden keine Minderheiten, linke, demokratische oder revolutionäre Bewegungen mehr akzeptiert und die AKP-Regierung tut alles, um diese zu beseitigen.


In der Türkei formiert sich eine immer bonapartistisch werdende Regierung, welche mit allen Mitteln versucht die Minderheiten zu unterdrücken und sie Mundtot zu machen, sodass Erdogan, sein Traum eines Präsidialsystem immer näher kommt. Dies versucht sie durch die gewaltsame, chauvinistische Verwischung der Klassenwidersprüche. Im letzten Monat arbeiteten Abgeordnete der konservativen-islamischen Partei AKP und die rechtsnationalistische Partei MHP an einem Vorschlag für eine Verfassungsänderung, die als Folge die zentralisierte Macht in Erdogans Händen gibt, und somit das Präsidialsystem vervollständigt. Im Frühling 2017 soll eine Volksabstimmung über das Präsidialsystem stattfinden.


Seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 konnten mit Hilfe der Notstandsgesetze tausende Verhaftungen, Einschränkungen und Entlassungen durchgesetzt werden. Mehr als 160 Medien- und Presseorgane wurden verboten, mehr als 100.000 Menschen des öffentlichen Dienstes entlassen. An Stelle von gewählten prokurdischen oder linken Bürgermeistern wurden AKP-treue Mitarbeiter eingesetzt. Die 2. größte oppositionelle Partei in der Türkei, die demokratische Partei der Völker HDP, ist stark von den Repressionen des Staates betroffen. Rund 12 Abgeordnete und Bürgermeister_Innen sitzen in Haft und gegen viele weitere liegen Strafverfolgungen vor, wegen angeblicher zusammenarbeit mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Es werden Parteigebäude in vielen Städten angezündet und aufs massivste demoliert. Die Arbeit der HDP ist aufs massivste eingeschränkt worden, somit existiert medial aber auch politisch keine Kraft, die die Stimme der Unterdrückten und vom Staat massakrierten Minderheit, der Kurd_Innen, repräsentiert.


Im Osten der Türkei, sieht die Lage der Menschen noch schlimmer aus. Städte wie Cizre, Nusaybin und Diyarbakir, in welchen größtenteils Kurd_Innen lebten wurden vom türkischen Militärstaat in Trümmern gelegt. Es finden regelrechte Hetzkampangen gegen all jene statt, welche nicht dem AKP-Bild eines türkischen Sunniten entspricht. Kurdische Jugendliche verschwinden spurlos, Kulturzentren werden angegriffen und mehr als 450 Vereine wurden verboten. Damit existieren bald keine zivilgesellschaftlichen Strukturen mehr. Frauenrechtler_Innen und Aktivisten der LGBTIA ergeht es nicht anders. Eine Frau hat zu Hause zu sitzen, und sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern, so dass Denken der AKP. LGBTIAs sind vollkommen entrechtet und werden vom Großteil der Bevölkerung als Schande der Menschheit angesehen, stehen sie doch im starken Gegensatz zum stark patriarchalen Familienbild. Die Rechte von ihnen und von den Frauen, wurden erstmals mit dem Auftreten der HDP angesprochen.


Und wie ergeht es der breiten Masse, welche brav den Willen der Bosse durchsetzt und tagtäglich ihrer Arbeitskraft beraubt wird? Sie sind die ersten die es am eigenen Leibe spüren, ob treuer AKP-Wähler oder nicht, dass es mit der blühenden türkischen Wirtschaft vorbei ist. Vor allem seit dem Putschversuch, haben immer mehr ausländische Investoren ihr Vertrauen in die Türkei verloren und ziehen ihr Kapital zurück. Die Zahl der Arbeitslosen ist auf 6,5 Millionen gestiegen und den größten Anstieg erleiden die Frauen. Bei 15% mehr Arbeitslosigkeit und bei jungen Frauen sogar bei 25,1%.


Der Wert des Liras sinkt, es gehen hunderte Firmen pleite, weil die Banken ihre Kredite frühzeitig zurück verlangen. Die Warenexporte gingen im letzten Quartal 2016 um 7% zurück. Die Preise steigen und die Inflationsrate noch schneller. Einer der größten Wirtschaftszweige der Türkei, die Tourismus-Branche ist eingebrochen, und auch die Baubranche stürzt ebenfalls, da die Regierung keine Gelder mehr hat um neue oder noch laufende Projekte zu finanzieren. Der Staat taumelt auf den nächsten Kriseneinbruch zu.


Der Druck an den Arbeiterplätzen steigt, die Arbeit wird verdichtet und die Arbeitszeit erhöht. Die Arbeiterklasse wird immer weniger die Gewerkschaften als jenen Ort akzeptieren, der für ihre Rechte kämpft, da viele diesen Anspruch nicht verfolgen. Dies liegt vor allem an der starken Zerfaserung der Gewerkschaften und der großen Anzahl staatstreuer und politischer Gewerkschaften. Arbeitsrechte werden genauso wie Menschenrechte mit den Füßen getreten. Der zweitgrößte Gewerkschaftsverband in der Türkei DISK (Revolutionäre Gewerkschaften Konföderationen) wird systematisch zerstört. Arbeiter, welche im Gewerkschaftsverband Mitglieder sind, wurden schon vereinzelt aus Fabriken und Firmen entlassen und teilweise in Untersuchungshaft gestellt. Somit verschlechtert sich beispielsweise die Lage dieser Gewerkschaft, die noch Anfang 2015 mehrere tausend Arbeiter_Innen in rund 40 Fabriken in den Streik rief. Streiks oder der Gleichen, sind mittlerweile noch schwerer durchzuführen, da nach dem Erlass der Notstandsgesetze die Polizei neues Selbstvertrauen gewonnen hat und jeglichen auch so kleinen Protest auf gewaltsame Weise unterbindet oder diese als terroristische Akte behandelt werden können.


Trotz der inneren Spannungen versucht die AKP-Regierung ihre Wähler_Innenschaft von all dem nicht zu informieren, stattdessen wirbt man für Nullprozent-Finanzierungen und ruft die Menschen auf ihr ausländische Kapital sofort in Lira umzutauschen. Aber auch mit nationalistischer und patriotischer Stimmung gegen die Kurden im eigenen Land und gegen die Kräfte im Syrien-Krieg, schafft man Feindbilder über die man viel lieber berichtet. Auch die Türkei möchte ein Akteur im imperialistischen Kampf um die Neuaufteilung der Welt im Nahen Osten sein.


Die Türkei marschierte in Syrien ein, um dort gegen den IS zu kämpfen, doch die Realität sieht anders aus. Denn oftmals galten nicht die Milizen des IS als Terroristen, sondern die kurdischen Selbstverteidigungseinheiten im Norden Syriens (Rojava). Mehr als 6 Millionen Türk_Innen haben ebenfalls kein Problem mit der Ideologie des IS. Da stellt sich die Frage, was macht dann das türkische Regime in Syrien, wenn sie bis vor kurzen noch Sympathien für den Terror empfunden hatten? Die Türkei will mit zu den Hauptakteuren im Syrien-Krieg zählen. Erdogan spricht seit Wochen über das alte Osmanische Reich, welches seine Grenzen bis hinter die heutigen Grenzen der Türkei ausbreitet. Doch wird die Türkei nie einer der zentralen Akteure sein, darum spielt es den Junior-Partner der Verhandlungen. Ein elementares Ziel ist es die kurdische Autonomie zu verhindern, aus Angst das dadurch die kurdischen Bewegungen in der Türkei erstarkt. Ob Niederlage oder Sieg, die vom Staat kontrollierten Medien, nutzen den Einmarsch für ihre eigenen Propaganda, um die Bevölkerung mit nationalistischen, militanten Gedankengut zu füttern. Das der Einfluss der Türkei hier massiv abgenommen hat, zeigt sich auch an den Konsequenzen der „Befreiung Aleppos“, dies offenbart die Fähigkeit des russischen Imperialismus ihre Einflussgebiete, samt des Schlächters Assad, zu halten. Als der russische Botschafter in der Türkei darauf hin erschossen wurde, trat dies in Windeseile in den Hintergrund.


Die Säuberung, so wie es die AKP nennt, ist keine Säuberung, sondern die Terrorisierung der Menschen, die Unterdrückung aller und die Außerkraftsetzung der Menschenrechte. Die Repressionen und der Krieg innerhalb des Landes wird immer stärker werden, alleine im Jahr 2017 sollen mehr als 170 neue Gefängnisse gebaut werden. Der Krieg gegen die größte Minderheit, den Kurden wird weiter andauern und noch stärker von statten gehen, es wir nicht mehr erlaubt sein sich als Kurd_In zu identifizieren, die kurdische Sprache zu sprechen. Banale demokratische Rechte sind außer Kraft gesetzt und es werden keine linken Strukturen oder Oppositionellen mehr dulden. Der Widerstand der HDP und der Kurd_Innen in der Türkei ist eine der wenigen fortschrittlichen Bewegungen, die es gilt gegen den Bonaparten Erdogan zu unterstützen.


Was wir dagegen brauchen ist eine breite Einheitsfront, die die rassistischen Spaltungsgrenzen zwischen Kurd_Innen und Türk_Innen bewusst überschreitet. Im Zentrum dieser sollten die Zurückdrängung der Notstandsgesetze und aller damit einhergehenden Repressionen, als auch die Aufhebung des Verbotes der PKK stehen. Dieser Kampf kann jedoch nicht isoliert in der Türkei stattfinden, denn seine Auswirkungen sind international. Es sind Maßnahmen wie der EU-Türkei-Deal, aber auch „Kleinigkeiten“ wie die zunehmenden Sperrungen von solidarischen Aktivist_Innen in sozialen Netzwerken, wie von Michael Prütz der wegen eines Facebook-Posts zur Unterstützung der „Waffen für Rojava“-Kampagne, die diese Verschärfung auch hier aufzeigen. Hierzulande stellt beispielsweise der G20-Gipfel eine Möglichkeit da, dem Kampf gegen das Erdoganregime eine internationale Perspektive zu geben!





Wer sind die G20?

VON SASKIA WOLF

In diesem Jahr findet in Hamburg der G20-Gipfel statt. Am 7. und 8. Juli treffen sich Staatsführer_Innen mit ihrem Anhang aus 3000 Bürokraten_Innen, über 10.000 Polizisten_Innen und „Sicherheitskräften“. Aber nicht nur Sie werden vor Ort sein! Auch die verschiedenen Organisationen und Strukturen der Linken- und Arbeiter_Innenbewegungen und Autonome werden da sein.

Die G20 sind die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie-und Schwellenländer und die jährlichen Gipfel sind die zentrale Foren für international wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Staaten sind: USA, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Argentinien, Australien, Brasilien, Japan, Kanada, Idonesien, Indien, Italien, Mexiko, Russland, Südkorea, Saudi-Arabien, Südafrika, Türkei und die EU-Staaten. Zudem nehmen internationale Organisationen, wie der Internationaler Währungsfonds (IWF), Weltbank (WB), sowie der Finanzstabilitätsrat (FSB) und einige Weitere, an dem Treffen teil.
Die Treffen an sich stellen keine Organisation mit eigenem Verwaltungsapperat und einer permanenten Vertretung ihrer Mitglieder dar. Ihre Organisierung, Agenda und Gästeliste fallen in die Macht der jeweiligen G20-Präsidentschaft, die dieses Jahr von Deutschland gestellt wird. Somit sind diese Treffen informelle Abspracheorte der Staatschefs. Denn obwohl die G20-Staaten 80% des Bruttoinlandprodukts(BIP)weltweit haben, drei Viertel des Welthandels, sowie zwei Drittel der Weltbevölkerung „repräsentieren“, so ist es für diese zwei Drittel der Weltbevölkerung ihre Absprachen zu erfahren, geschweige denn sie zu kontrollieren.

Der Gipfel wurde erstmals 1999 zum Austausch während der sogenannten Asienkrise einberufen. Ursprünglich trafen sich nämlich die Finanzminister_Innen der G7, aber da die Asienkrise den Weltmarkt beeinflusste, mussten sie ihr Absprachetreffen vergrößern. Letztendlich verhandeln Sie jedoch über die möglichen Wege, die offensichtlich Schwäche des Weltfinanzsystems zu beseitigen. Dabei erstellen Sie Leitlinien für die wirtschaftlich schwächeren Länder auf, um so die Weltwirtschaft aufrecht zu erhalten. Generell liegt das Ziel der Treffen in der Förderung des Wirtschaftswachstums. Auch herrschen zwischen den Staaten innerhalb der G20-Reige unterschiedliche Machtverhältnisse. Die Härte gegenüber Griechenland bewies, wie mit wirtschaftlich absteigenden Staaten umgegangen wird.

Die Leitlinien und Reformen, die bei diesem Treffen aufgestellt werden, schaden der Arbeiter_Innenklasse auf der ganzen Welt, da gerade auf uns die Finanzierung des Wirtschaftswachstums zurückfällt und wir die Kosten von Krisen tragen müssen. Denn obwohl man sich auf der offiziellen Homepage Mühe gibt, so zu wirken als ob die Klimafrage oder Flucht ernsthaft diskutiert werden und man auch immer verspricht, Sachen zu verbessern, bleiben die Versprechungen oft folgenlos. Bis auf die, die den Reichen helfen noch reicher zu werden. Das Alles wollen wir nicht! Wir wollen nicht noch mehr arbeiten, für weniger Lohn. Das Problem kann nicht über Unterdrückung, Ausbeutung und Reformen hinter verschlossener Tür gelöst werden! Für die Regierungsvertreter_Innen steht die Wirtschaft steht über der Frage, wie wir unsere Umwelt erhalten und nicht zuletzt auch über der sozialen Frage. Sowas wollen wir nicht länger hinnehmen!

Aus diesem Grund schließen wir uns der Mobilisierung und Organisierung der Linken- und Arbeiter_Innenbewegung an. Sowohl eine Großdemo, als auch ein Camp und weitere Aktionen sind in Planung nach der ersten No-G20 Konferenz mit 600 Teilnehmern. Für uns heißt das Problem Kapitalismus und ohne ihn zu überwinden, werden wir auch nicht mehr erleben, wie die Krise gelöst wird. Auch wenn Viele in Deutschland gerade nicht das Gefühl haben, so müssen wir uns nur in der Welt umschauen um zu wissen, dass das unsere Zukunft sein könnte.
Denn trotz der Vereinbarung, die auf dem G20-Gipfel getroffen werden auf lange Sicht wieder eine Verschlechterung der Krise absehbar, bleibt wie bisher.

Unser Programm lautet deshalb:

  • Zahlt eure Krise selbst – keine Bankenrettungen, Subventionen für Unternehmen etc. auf Kosten der Jugend, der Arbeiterklasse und der einfachen Bevölkerung!
  • Gegen Lohnkürzungen, Entlassungen und Werksschließungen – Für die Verstaatlichung von Betrieben, die solche Maßnahmen durchsetzen wollen – unter Arbeiter_Innenkontrolle!
  • Stoppt Sparpakete, Schluss mit Sozialkahlschlag und Bildungsabbau! Stattdessen: Für ein Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten, wie dem Ausbau des öffentlichen Nah -und Fernverkehrs, regenerativer Energien, sowie dem Bau neuer Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Freizeit- und Kultureinrichtungen! Bezahlt werden soll das aus dem Reichtum und den Profiten der Kapitalist_Innen!
  • Schluss mit der ansteigenden Militarisierung und Nein zu den imperialistischen Kriegseinsätze wie in Syrien!

Lasst uns für diese Forderungen und gegen die Angriffe des Kapitals und der G20 kämpfen – für Massenmobilisierungen von Gewerkschaften, Arbeiter_Innenparteien und Linken gegen die Krise, international! Für die internationale Koordination von Besetzungen und Generalstreiks!




Trump als US-Präsident: Wohin steuern die USA?

VON TRUDE SOMMER UND CHRISTIAN MEYER


Seit dem 9. November 2016 steht die Polit-Welt Kopf. Das, was hierzu Lande nur wenige erwartet hatten, ist eingetreten: Donald Trump wurde zum 45. US-Präsidenten gewählt. Der allgemeine Rechtsruck spiegelt sich nun auch in den US-Wahlergebnissen nieder. Man hat einen sexistischen, rassistischen alten Knacker zum mächtigsten Mann der Welt erwählt. Zwischen Ende-der-Welt-Szenarien und Wird-schon-nicht-so-schlimm-Befriedungs-Rhetorik hangelt sich die bürgerliche Berichterstattung von einem Erklärungsversuch zum nächsten. Wir wollen die Lage in den USA aus marxistischer Perspektive betrachten und daraus unsere politischen Schlüsse ziehen.


Wie konnte es soweit überhaupt kommen?


Stellen wir uns einmal diese Frage, kommen wir schnell zu mehreren wichtigen Faktoren, die letztlich wohl ausschlaggebend waren für Trumps Sieg. Zum einen wäre da das US-Wahlsystem, welches an sich schon nicht gerade besonders einfach zu verstehen ist. Demnach wird nämlich nicht Präsident_In, wer die meisten Stimmen bei der Wahl auf sich vereinen kann, sondern wer die meisten Vertreter_Innen im „Electoral College“, der Versammlung der Wahlfrauen und -männer auf ihre bzw. seine Seite bringen kann. Dabei haben sich traditionell alle Wahlfrauen und Wahlmänner an das Wahlergebnis in den jeweiligen Bundesstaaten zu halten. Das heißt, dass automatisch alle Wahlstimmen der jeweiligen Bundesstaaten an den_die Kandidat_In gehen, deren Partei das bessere Wahlergebnis erzielt. Da in den meisten US-Bundesstaaten das „The Winner takes it all“-Prinzip (dt. „der Sieger bekommt alles“) herrscht, konnte Trump am Ende also genügend Wahlleute auf sich vereinen, um so zum nächsten Präsidenten gewählt zu werden, obwohl er nach der reinen Anzahl von Wähler_Innenstimmen Clinton hätte unterlegen müssen. Auf dieselbe Weise konnte im Jahr 2000 auch George W. Bush die Wahl gegen den Demokraten Al Gore gewinnen, obwohl diesem in einer proportionalen Stimmenverteilung die meisten Stimmen zugestanden hätten.


Zum anderen wären da dann noch die Wahlkampagnen von Clinton und Trump. Während Clinton einen rhetorisch gemäßigteren Wahlkampf führte, kam Trump mit der Brechstangenrhetorik um die Ecke und wetterte gegen alle vermeintlichen Ungerechtigkeiten in den USA, egal ob es die verhassten Parteibonzen des „Establishments“ oder Minderheiten waren, die an allem Schuld seien. Zusätzlich bediente er sich auch einer frauenfeindlichen und rassistischen Rhetorik, die an Ekelhaftigkeit nicht mehr zu überbieten ist. Auch durch seine radikale Ablehnung von Freihandelsabkommen wie etwa TTIP oder TPP (transpazifisches Freihandelsabkommen) sowie dem Versprechen, ausgelagerte Jobs wieder in die USA zurückzuholen, konnte er viele Wähler_Innen überzeugen, für ihn zu stimmen.
Gerade das Versprechen um die Rückholung der Jobs fand bei den abgehängten Teilen des Kleinbürgertums, aber auch der Arbeiter_Innen und Jugendlichen Zustimmung, welche in den Regionen leben, die von der Krise und den daraus folgenden Entwicklungen am stärksten betroffen waren. Dies trifft beispielsweise auf die Gegend um die einstige Hochburg des US-Automobilbaus Detroit zu. Seitdem dort Chrysler und General Motors große Teile der Produktion ins kostengünstigere Ausland verlagerten, sind viele Menschen arbeits- und auch perspektivlos geworden. Nicht nur ehemalige Arbeiter_Innen sind davon betroffen, sondern auch viele Jugendliche und junge Erwachsene, welche sich in der Automobilbranche eine berufliche Zukunft erhofft hatten.


Aber auch die aggressiven Elemente der US-Bourgeoisie versammeln sich hinter Trump. So hat er sich mit der Forderung nach dem uneingeschränkten Recht auf Waffenbesitz die Unterstützung der mächtigen US-Waffenlobby-Organisation NRA (National Rifle Assiciation) gesichert. Und auch der deutsche Imperialismus leckt sich bereits die Finger. Der Chef des deutschen Dax-Konzerns HeidelbergCement, Bernd Scheifele, zeigt sich „positiv gestimmt“ und freut sich schon darauf, am Bau der von Trump geplanten Grenzmauer zu Mexiko mitzuverdienen.


Doch bei allen „hau-drauf“-Wahlkampfversprechen bleibt am Ende die Frage, wie viel Trump tatsächlich von seinen Ankündigungen umsetzen kann und wie viel ihn die herrschende Klasse des US-Imperialismus tatsächlich durchgehen lässt.


Trumps Ziele


Neben der vermeintlichen Rückführung von ausgelagerten Arbeitsplätzen und dem Boykott von Freihandelsabkommen war eines der Hauptthemen von Trumps Wahlkampf das Thema Steuersenkungen. Wer allerdings dachte, diese würden vor allem Arbeiter_Innen und prekär Beschäftigen zu gute kommen, der muss sich enttäuscht sehen. Trump ging es nie darum, für diese Bevölkerungsschichten die Steuern zu senken, sondern die Steuern für Unternehmen, Reiche und auch den Finanzsektor zu senken, also denjenigen Steuererleichterungen zu ermöglichen, welche die Krise verursacht und zusätzlich noch mit den Krisenfolgen teilweise Riesengewinne eingefahren haben. Auch der Mythos, Trump würde wieder ausgelagerte Arbeitsplätze zurückholen, lässt sich sehr einfach widerlegen, schließlich will kein_e Kapitalist_In auf Extraprofite, welche durch vereinfachte Ausbeutungsbedingungen in vielen Ländern der Welt (vornehmlich Länder des globalen Südens bzw. Halbkolonien), freiwillig verzichten. Ebenso unwahrscheinlich ist es, dass Trump auf einen offenen Konflikt mit Russland verzichtet, da sich die Interessen des russischen wie auch des US-Imperialismus zu sehr im Wege stehen und zu gegensätzlich sind. Dies zeigt sich nicht nur in der Ukraine, sondern beispielsweise auch an den Andeutungen Trumps, das Atomabkommen mit dem Iran zurücknehmen zu wollen. Russland hingegen feiert seine exzellenten Handelsbeziehungen mit dem Iran, deren Handelsumsatz im Jahr 2016 über 1,2 Milliarden Dollar lag. Dies lässt vermuten, dass Russland der Aufkündigung des Abkommens eher weniger begeistert gegenüber steht. Zwar behauptet Trump immer wieder, er würde sich Putin nicht auf die Weise entgegenstellen wie es Obama tut, doch was er davon am Ende umsetzen wird bleibt abzuwarten. Was sich aber jetzt schon beobachten lässt, ist der Spiegel, den die Wahl Trumps vor die wahlberechtigte Bevölkerung der USA hält. Offensichtlich ist die Gesellschaft an einem Punkt, an dem es akzeptabel ist, einen sexistischen, rassistischen, alten Halsabschneider an die Macht zu wählen, der sich damit brüstet, Frauen entgegen ihres Willens in den Schritt zu greifen, politische Dissident_Innen ohne Prozess in Guantanamo einzukerkern und Muslimen die Einreise in die USA zu verbieten.


Auch die Auswahl seines bisherigen Personals für die wichtigsten Posten wie etwa Berater_Innenstab, Außen-, Wirtschafts-, Finanz- oder auch Verteidigungsministerium unterstützt unsere Einschätzung zu Trumps Zielen. Hier werden rechte Verschwörungstheoretiker, ehemalige CIA-Cheffolterknechte oder auch Banker an die Spitze des jeweiligen Ministeriums gesetzt, welche am besten dazu geeignet sind, die politischen wie auch wirtschaftlichen Interessen des US-Imperialismus notfalls mit Armeeeinsätzen durchzusetzen.


Alternativen?


Nachdem wir also nun eingehend die derzeitige politische Situation betrachtet haben, stellt sich die Frage, ob es tatsächlich eine Alternative zu Trump geben könnte.
Für alle, die bedauern, dass Clinton nicht gewählt wurde, obwohl sie das vermeintlich kleinere von zwei Übeln sei: Hillary Clinton ist eine der größten Kriegstreiberinnen im Nahen Osten. Sie ist Angehörige der gewaltigen Herrschenden-Dynastie in den USA und hält hoch dotierte Reden an der Wall Street. Ihre Verbindungen zum Finanzkapital und der herrschenden Polit-Clique sind unverfehlbare Zeichen dafür, dass sie keinen positiven Wandel herbeiführen würde. Ihre Rhetorik darüber, dass „America“ bereits großartig sei und nicht, wie von Trump postuliert, „wieder“ groß gemacht werden müsse, verschleiert die Realität von prekären Schichten. Clinton steht für eine Politik der Hintertür. Während sie weniger großmäulig daher kommt als Trump, versteht sie es einfach nur, ihre aggressiven Bestrebungen in der Außenpolitik zu kaschieren und sich somit als die Besonnene darzustellen.


Eine Alternative hätte der demokratische Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders bieten können. Allerdings beschränkten sich seine reformistischen Vorhaben nicht nur auf den Aufbau des Sozialstaats, sondern auch darauf, mit seinen Forderungen immer innerhalb des bestehenden bürgerlichen Rahmens zu bleiben. Doch auch den Traum ließ er platzen, spätestens mit seinem Verrat an den Arbeiter_Innen, indem er verkündete, Clinton vorbehaltlos zu unterstützen und es auf keine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihr ankommen zu lassen. Sanders bekam bei den Vorwahlen rund 13 Millionen Stimmen, mobilisierte zu dem Nominierungsparteitag der Kandidat_Innen ebenfalls mehr als 10 000 Menschen und vereinte auch wichtige Bewegungen in den USA wie „Black lives matter“. Auch die Unterstützung der Gewerkschaften, hatte Sanders gewiss. Dadurch bewies sich, dass es das Bedürfnis nach einer alternativen Kraft zum Zwei-Parteiensystem in den USA gibt. Sanders hätte die Partei der Demokrat_Innen verlassen und für eine Arbeiter_Innenpartei eintreten müssen. Doch durch den Verrat an ihnen verschenkte er das Potenzial und entpuppte sich somit als der opportunistische Reformist, der als US-Präsident auch keine ernstzunehmende Alternative zu Trump oder Clinton gewesen wäre.


Was wir daraus lernen können, ist, dass Arbeiter_Innen, Jugendliche, prekarisierte Frauen und Migrant_Innen ihre eigene Partei brauchen, die die einzelnen Teilkämpfe miteinander vereint und diese gemeinsam anführt und organisiert. Die Leute aus der Sanders-Bewegung,
Gewerkschafter_Innen, Black-Lifes-Matter u.a. und müssen sich neu organisieren und für die Gründung einer Arbeiter_Innenpartei eintreten, in der revolutionäre Kräfte für ein revolutionäres Programm kämpfen müssen. Eine solche Organisation wäre nicht nur in der Lage, mehrere hunderttausend Menschen für Aktionen wie etwa Kundgebungen und Demonstrationen zu mobilisieren, sie könnte sich auch an wichtigen Stellen wie Schulen, Unis, in verschiedenen Betrieben oder auch Stadtteilen verankern, um dort nicht nur für ihre Ideen zu kämpfen, sondern auch um das Zusammenleben zu organisieren und damit genau das tun, was die staatlichen Institutionen seit Jahren nicht hinbekommen. Letztendlich ist es entscheidend, nicht nur für Verbesserungen im bestehenden System kämpft, sondern das System an sich, den Kapitalismus, überwinden zu wollen. Genau dafür kämpfen wir und unsere Genoss_Innen von Workers Power (US).





Auch wir wollen für freie Bildung und für bezahlbaren Wohnraum kämpfen !

Andrej Holm wurde als Staatssekretär aus politischen Gründen gefeuert.
Seine Stasi-Vergangenheit war nur der Vorwand dafür, den bekannten
linken Aktivisten abzuschießen, der die Berliner Mieter_Innenkämpfe der
letzten Jahre unterstützt hat. Da die rot-rot-grüne Koalition sich nicht
mit der Bauwirtschaft und dem Anlagekapital anlegen wollte, opferte sie
Holm mehr oder minder bereitwillig. Nachdem Holm auf Druck des Senats
auch noch seine Stelle an der Humboldt-Universität verlor, wurde das
„Institut für Sozialwisenschaften“ an der Humboldt-Uni besetzt. Wir
rufen Euch auf am Samstag den 28.01.17 um 13:00 Uhr am
Rosa-Luxemburg-Platz
gemeinsam mit den Besetzer_Innen des „Instituts für
Sozialwissenschaften“ und Mieterinitiativen gegen die Wohnungspolitik
des Senats auf die Straße zu gehen.




FU Berlin: Bildung krepiert, weil das Kapital regiert! Solidarität mit Eleonora!

Die marxistische Wissenschaftlerin und Aktivistin Eleonora Roldán Mendívíl wird von einer rechten Hetzkampagne getroffen. Ihr Seminar „Rassismus im Kapitalismus“, welches noch im Wintersemester 16/17 am politikwissenschaftlichen Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität Berlin angeboten wurde, sprach durch seine kritische und marxistische Ausgestaltung viele Studierende an und wurde zu einer der bestbesuchten Veranstaltungen am Institut. Doch wir würden nicht in Deutschland leben, wenn ein solches Event nicht zur Zielscheibe rechter Angriffe werden würde.


So verfasste der Trump-, Wilders-, Deutschland- und Polizeifreund Andreas B. auf seinem Blog boasinfo einen reißerischen Hetzartikel, der Eleonoras antiimperialistische Haltung und Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf als Antisemitismus diffamierte. Auch die rechtspopulistische Minizeitung „Jüdische Rundschau“, deren Herausgeber Rafael Korenzecher sich ebenfalls als Trump-Freund und Geflüchteten- und Islamgegner präsentiert, sprang auf diesen Zug auf und verfasste einen weiteren Hetzartikel. Auch der (anti)deutschen Unigruppe „Gegen jeden Antisemitismus an der FU Berlin“ war Eleonoras antikapitalistische und internationalistische Haltung ein Dorn im Auge, sodass sie mit mehreren Briefen an die Institutsleitung ihren Rausschmiss bewirken wollte.


Da sich in Eleonoras Seminar „Rassismus im Kapitalismus“ kein wirklicher Bezug zum Nahost-Konflikt herstellen ließ, mussten sich die Autor_Innen in ihren Hetzartikeln auf private Internetbeiträge und ihren außeruniversitären politischen Aktivismus beziehen. Ihre kritische Haltung zum israelischen Staat wurde dabei als Antisemitismus gebrandmarkt und als Grund für ihren Rausschmiss aus dem Institut angeführt. So wie es rechte Kräfte häufig tun, wurden in den Vorwürfen gegen Eleonora die israelische Bevölkerung mit der Politik des Staates gleichgesetzt und die Begriffe „Zionismus“ und „Judentum“ verwischt. Wer sich also einer unkritischen Israelsolidarität dieser Kräfte nicht anschließen will, wird als „Antisemit_in“ diffamiert und soll auch materiell geschädigt werden, denn Eleonoras Zukunft am Institut ist nun in Gefahr.
Die Institutsleitung ging den rechten Hetzartikeln auf den Leim und verfasste eine Stellungnahme aus der hervorgeht, dass Eleonora bis auf weiteres keinen neuen Lehrauftrag erhalten solle. Ohne auch nur ein vertrauliches Gespräch mit ihr zu suchen, fällte die OSI-Leitung ihre Entscheidung auf Basis der rechten Hetzartikel. Doch es gibt auch Widerstand gegen den rassistischen Konsens am Institut:


Eine Onlinepetition, die sich gegen die Vorverurteilung von Eleonora richtet, hat bereits über 1500 Unterzeichner_Innen gefunden. Darunter ist auch ein Zusammenschluss von über 250 kritischen israelischen Wissenschaftler_Innen, die sich gegen die Diffamierungskampagne stellen. Ebenso hat sich eine neue studentische Initiative namens „Gegen jeden Rassismus an der FU“ gegründet, die den Kampf gegen Rassismus und für kritische Lehre an der Uni auch über die Petition hinaus führen will.
REVOLUTION erklärt sich ebenfalls solidarisch mit Eleonora! Wir lassen uns nicht mundtot machen, wir erklären uns weiterhin solidarisch mit Palästina! Wir fordern deshalb Jede_n auf, die Petition zu unterzeichnen, und sich gegen die Verdrängung marxistischer Lehre stark zu machen:


change.org


Auch an der Berliner Humblodt-Universität wird gerade von Seiten des akademischen Bürokratieapparates versucht, die gentrifizierungkritische Forschung von Andrej Holm zu unterbinden. Aus Protest gegen seine Kündigung haben Studierende letzte Woche das Institut für Sozialwissenschaften besetzt und die Lehre selber in die Hand genommen. Wir erklären uns auch solidarisch mit der Institutsbesetzung und dem Kampf gegen die Kündigung von Holm!


Da an beiden Berliner Unis versucht wird kritische Lehre mit fadenscheinigen Vorwürfen zu verdrängen, braucht es jedoch einen Widerstand, der sich raus aus den Universitätsgebäuden auf die Straße traut. Die Kampagnen gegen Mendívíl und Holm zeigen, wie sich die Universität als zentraler Reproduktionsort bürgerlicher Ideologie einer gesellschaftskritischen Lehre entledigen will. Der Widerstand dagegen braucht eine Koordination beider Initiativen und eine entschlossene Haltung, die unsere Wut auf die Straßen trägt!





Nach dem Rücktritt Andrej Holms: Kampf dem Ausverkauf Berlins!

Von Wilhelm Schulz, REVOLUTION Berlin


Am Montag, dem 16. Januar 2017, ist Andrej Holm vom Posten des Berliner Staatssekretärs für Stadtentwicklung (also Bauen und Wohnen) zurückgetreten. Wenn wir es beim Namen nennen wollen, dann wurde er zurückgetreten. Seit mehreren Wochen gab es in Berlin und im Bundesgebiet eine mediale Schmutzkampagne gegen den Berliner Stadtsoziologen und Mieterbewegungsaktivisten.


Aufgeheizt hatte sich das Ganze aufgrund falscher Angaben die Holm 2005 in einem Personalfragebogen bei der Humboldt Universität zu Berlin bezüglich seiner Stasi-Mitgliedschaft in der Vergangenheit gemacht hat. Dieser soll als Jugendlicher nicht nur eine Ausbildung für die Staatssicherheit der DDR begonnen, sondern auch darüber hinaus dort gearbeitet haben. Diese bewusste Falschaussage wurde dabei medial in der Luft zerrissen. Hiergegen wurde eine Online-Petition aufgesetzt, die mittlerweile über 16.000 Unterstützer_Innen hat. Die Petition #holmbleibt schält hierbei das Problem raus in dem sie schreibt „Dr. Andrej Holm als neuer Staatssekretär steht nicht einer Auseinandersetzung über DDR-Repression im Weg, sondern dem Ausverkauf der Stadt.“(1) Vor wenigen Tagen forderte dann der regierende SPD-Bürger_Innenmeister Michael Müller öffentlich den Rücktritt Holms, gestützt dabei durch die Grünen und die Opposition von CDU, FDP und AfD (also alle bürgerlich-parlamentarischen Parteien im Schulterschluss mit der SPD). Lenin meinte dazu in einem vorhergehenden Interview: „Sage mir, wer Dich lobt, und ich sage Dir, worin Dein Fehler besteht.“ Mit diesem Schritt stellt sich die SPD eindeutig auf die Seite der Investor_Innen und die Privatisierung Berlins. Zwar haben die Koalitionspartner_Innen keinen direkten Einfluss auf die Mitarbeiter_Innen der jeweiligen Sekretärsämter, in der Drohung handelte es sich vielmehr um einen möglichen Bruch mit der Rot-Rot-Grünen-Koalition.


Ein im FAZ-Blog veröffentlichter Beitrag vom 8. Dezember bringt das Problem aus einem bürgerlichen Klassenstandpunk heraus auf den Punkt. Der Autor schreibt hierbei: „In meinen Augen ist dieser Kampf gegen die Gentrifizierung ein verkleideter Sozialismus, mit einem klaren Feindbild, dem Vermieter und Spekulanten, dem der Staat das Handwerk legen sollte.“ (FAZ-Blog, 8.12.16 (2)) Auch wenn es sich hierbei nicht um unseren Klassenstandpunkt handelt und wir den Einzug des Sozialismus nicht in der R2G-Koalition oder über einen parlamentarischen Weg sehen, trifft es den Punkt: Holm stand für eine Politik die die Interessen der Mieter_Innen vor die der Investor_Innen stellte. Er stand für eine Politik des sozialen Wohnungsbaus und gegen Mietsteigerungen. Eine Politik, die Berlin bitter nötig hat. So sind die Mieten in Berlin pro Quadratmeter im Durchschnitt um über 30% zwischen 2008 und 2013 angestiegen. Jährlich verlieren 8.000 Wohnungen den Status einer Sozialwohnung, während die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften laut ausgehandelten Koalitionsvertrag nur 3.000 neue Sozialwohnungen errichten sollen.


Das Problem dieser Knappheit ist in weiten Teilen auf den Ausverkauf der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften unter der rot-roten Regierung zwischen 2002 und 2011 zurückzuführen– so sind die Zahlen städtischer Wohnungen zwischen 2000 und 2007 von 397.000 auf 259.400 eingebrochen (3). Dies geschah auf Initiative des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin – heute nicht mehr so bekannt durch neoliberalen Ausverkauf, viel eher durch offenen Rassismus. Mit ihrer Krisenpolitik haben sie dabei deutlich gezeigt auf wessen Seite sie stehen, wenn es hart auf hart kommt, auf der des sozialen Kahlschlags, der die Immobilienspekulation, die Gentrifizierung, die Wohnungsarmut in Berlin erst geschaffen hat. Diese Frage steht nun nochmals deutlich im Raum.


Für uns geht es hierbei weniger um Holm. Er ist Sinnbild der kommenden Politik der R2G-Koalition. Der Berliner Linkspartei ist hierbei die Koalition an sich wichtiger als dessen Inhalt. Es ist die Linke, die einen relativ stillschweigenden Rücktritt Holms erzwungen hat. Mit Holm schneidet sich die Linkspartei ihr letztes linkes Feigenblatt vom Baum. Und entfernt sich um einen weiteren Schritt von sozialen Bewegungen wie der der Mieter_Innen. Es ist schade, dass auch Holm den Weg der Kapitulation gewählt hat. Unserer Meinung nach hätte der Kampf eine andere Richtung einschlagen sollen, nein!, er muss es immer noch. Die tausenden in Turnhallen lebenden Geflüchteten, die an den Stadtrand gedrängten immer ärmer werdenden Arbeiter_Innen und die steigenden Zahlen von Wohnungslosen zeigen auf, wohin der stillschweigende Abzug geht. Wir solidarisieren uns mit Holm! Er ist ein Sinnbild des Widerstandes des Ausverkaufs der Stadt. Doch dieses Bild muss praktisch werden. Was wir brauchen ist eine Mobilisierung der 16.000 Unterstützer_Innen (und darüber hinaus) getragen von Mieter_Inneninitiativen, Gewerkschaften und Organisationen der Linken, aber auch der Linkspartei zumindest jener Teile die sich dem entgegenstellen, ähnliches gilt auch der SPD. Im Mittelpunkt dessen muss die Forderung nach einem bedarfsdeckenden Neubau von kommunalen Sozialwohnungen unter der Kontrolle der Mieter_Innen und ihrer Organisationen stehen. Aber auch unmittelbare Wohnungsprobleme, in einem besonders krassen Maß im Winter(!), müssen durch die Enteignung von ungebrauchtem und leerstehendem Wohnraum, sowie Büroraum, beantwortet werden. In der Linkspartei unterstützen wir Forderungen, wie die der SAV, nach einem Sonderparteitag zur Frage des Verbleibs in der R2G-Koalition, zur Frage Holm und vor allem zur Wohnungsfrage in Berlin. Auch Tendenzen wie die Ausweitung der Überwachung aufgrund des tragischen Vorfalls am Breitscheidplatz vom 19. Dezember gilt es mit aller Härte abzuwehren. Auf der anderen Seite verdeutlicht dies nochmals, dass die Linkspartei, die eine gesellschaftliche Veränderung durch das Parlament und nicht durch eine Massenbewegungen gestützt auf die Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Gesellschaft anstrebt, kein Organ des Kampfes, sondern eines der Klassenversöhnung darstellt. Dessen Bürokratie beim ersten Gegenwind ihre Prinzipien über Bord wirft.


Hier Holms Rücktrittsschreiben: http://www.andrejholm.de/2017/01/16/erklaerung/


Quellen:
(1) – https://www.change.org/p/holmbleibt-f%C3%BCr-eine-andere-wohnungspolitik
(2) – http://blogs.faz.net/stuetzen/2016/12/08/linksruck-der-staatssekretaer-und-die-stasi-vergangenheit-7214/

(3) – http://www.bmgev.de/politik/wohnungspolitik/berliner-wohnungspolitik-die-rot-rote-koalition.html





Linke schlagen und ihr schweigt?

In der Silvesternacht kam es in Neukölln zu einem Angriff auf Mitglieder und Umfeld der Gruppe RIO (Revolutionäre Internationalistische Organisation) durch Personen aus dem Umfeld der maoistischen Gruppe Jugendwiderstand. Dabei wurden Mitglieder von Rio mit Schlägen attackiert und einer erlitt eine Verletzung, außerdem sollen sexistische Sprüche gefallen sein.


Eine Auseinandersetzung zwischen Gruppen in der radikalen Linken sollte in einer Zeit der absoluten Schwäche, in der wir in die Defensive gedrängt werden, nicht vernachlässigt werden, aber ist auf einer politischen Ebene zu führen. Wir lehnen solche Übergriffe gegen Linke Strukturen ab, vor allem wenn sie sich gegen die Kritikfreiheit an linken Gruppen richtet und erklären uns solidarisch mit den Angegriffenen von RIO. Obwohl wir es wichtig finden, einen solchen Vorfall öffentlich zu machen, sind Mutmaßungen in den “sozialen Netzwerken” sowie namentliche Anschuldigungen nicht nur überflüssig, sondern auch gefährdend.


Aber warum schreiben wir nun nochmal was dazu? Ist nicht bereits Alles gesagt worden?


Nein, ganz und gar nicht. In vielen, unfassbar bereichernden Kommentaren im Internet wurde geschrieben, dass man keine Stellung zu dem Vorfall beziehen kann. Das sehen wir nicht so. Logischerweise widersprechen sich die Darstellungen beider Organisationen.
Aber in der Gegendarstellung des Jugendwiderstandes wird nicht geleugnet, dass „Sympathisant_Innen“ von ihnen vor Ort waren und sie eine Ansage an Wladek Flakin machen wollten. Darüber hinaus distanzieren sie sich auch nicht von den Vorwürfen, die erhoben worden sind. Anstatt zu verneinen, das eine Genossin sexistisch beleidigt worden ist, schreiben sie, dass auch Frauen an der Pöbelei beteiligt waren. Anstatt deutlich zu verneinen, dass sie handgreiflich geworden sind, wird nur gesagt, dass man aktuell noch nicht gewalttätig gegenüber Trotzkist_Innen werden sollte.


Wird die ganze Sache aufgebauscht? Einige Stimmen behaupten, dass man versucht eine unpolitische Aktion politisch aufzubauschen. Dies ist recht leicht zu wiederlegen. In der Stellungnahme des JWs heißt es …. Kurz gesagt: Kritisiere uns nicht online, sonst bekommst du eins auf die Fresse. Für uns ist so ein Verhalten ein Angriff auf die Kritik- und Propagandafreiheit, die essentiell für eine Zusammenarbeit unter Linken. Ohne sie könnten wir nicht offen diskutieren und uns weiterentwickeln. Sinnvoller wäre es gewesen, das Fehlverständnis oder die Kritik an ihrer Praxis, dass der Jugendwiderstand RIO unterstellt politisch zu begründen und öffentlich in einer politischen Stellungnahme anzugreifen. Auch ist es falsch zu glauben, dass man die Aktion nicht als ernst wahrnehmen könnte, weil es keine Aktion im offiziellen Rahmen der Organisation war. Ob man nun eine Genossin sexistisch auf einem Bündnistreffen oder auf einer Straße beleidige –der Unterschied ist marginal.


Als Linke muss uns bewusst sein, dass der Hauptfeind nicht in den eigenen Reihen, sondern formiert sich seit 2014 in ganz Europa und darüber hinaus zu einer rechten Bewegung! Während die Regierungsparteien immer reaktionärere Politik der Aufrüstung, Abschiebung, Grenzabschottung und Verstärkung der Repressionsapparate vorantreiben, sollten wir uns auf einem gemeinsamen Minimalkonsens für einen gemeinsamen Kampf organisieren. Dabei sollten wir Kritik- und Propagandafreiheit. dass heißt das Recht jeder Gruppe und Strömung ihre Meinung zu vertreten und zu verteidigen, sowie andere auf politischer Ebene zu kritisieren gewährleisten. Es muss möglich sein, programmatische Differenzen offen diskutieren zu können, ebenso wie Fehlverhalten von Genoss_Innen und Organisationen. Nur somit können wir gemeinsame Aktionen durchführen, statt uns gegenseitig zu gefährden und den notwendigen, revolutionären Widerstand gegen das bestehende System schwächen.





2017: Jahr der Abschiebungen?

VON JAQUELINE KATHERINA SINGH


Die Unternehmensberatung McKinsey hat dem Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge 14 Vorschläge vorgelegt, die für eine „konsequentere Rückführung ausreisepflichtiger AusländerInnen“ eintreten. Innenminister de Maizière schien die Vorschläge, die 1,8 Millionen Euro gekostet haben, blendend zu finden. Kaum nachdem die Welt am Sonntag über das Papier berichtete, gab er Interviews mit den Vorschlägen, die auf dem CDU-Parteitag in Essen angenommen worden sind. McKinsey empfahl, sich dem Problem zeitnah zu widmen. De Maizière gab an, 2017 mehr als 100.000 Geflüchtete abschieben zu wollen. Das McKinsey-Papier möchte bis Ende 2017 mehr als 40000 Menschen ausreisepflichtig machen. Kurzfristig würden die Ausgaben aufgrund der Rückführungen steigen. Längerfristig betrachtet, erscheint es ihnen als sinnvolle Ausgabe, da man nicht auf den Geflüchteten sitzen bleiben möchte.


Abkommen


Die meisten der betroffenen Geflüchteten kommen aus Afghanistan. Dass das Land ein Trümmerfeld ist und Steinmeier noch vor einem Monat eingestehen musste, dass Afghanistan eventuell, vielleicht doch gar nicht sicher sei, da das deutsche Konsulat von den Taliban angegriffen worden war, ist egal. Im ersten Quartal 2016 gab es 600 Tote und über 1000 verletzte Zivilist_Innen. Zusammen mit der Aussage der Taliban, dass diese keine Zivilist_Innen verletzten, reicht das der Bundesregierung aus, um Afghanistan zu einem sicheren Herkunftsland zu erklären. Sicher genug  soll das für Menschen sein, die der deutschen Wirtschaft nicht genug einbringen. Eben diese schickt die deutsche Regierung nun zurück in den Tod.


Somit steht fest: 2017 wird das Jahr der Abschiebungen. Deals mit den jeweiligen Herkunftsländern sind schon im Vorfeld abgeschlossen worden: der Khartum-Prozess, der EU-Türkei-Deal, das Afghanistan-Abkommen, der Rabat-Prozess, die Migrationspartnerschaften mit Libyen, Libanon und sieben weiteren Ländern,  das Valletta-Abkommen – ihre Namen sind alle unterschiedlich, ihr Zweck ist jedoch der gleiche. Sie alle versuchen, Menschen überhaupt die Chance zu nehmen, zu flüchten oder wollen bereits Geflüchtete zurückführen.  Zusätzlich sind die Asylgesetze weiter verschärft worden. Der Parteitag der CDU in Essen zeigt uns, dass man nur darauf wartet,  den Aufenthalt in Abschiebeknästen zu verlängern und die Ausreise krimineller Ausländer_Innen konsequenter durchzusetzen, also diese schneller abzuschieben.


Kurz gesagt:  Die, die es mühsam hierher geschafft haben, dann in Unterkünfte verfrachtet und deren Rechte beschnitten worden sind, werden nun wieder zurückgeschickt. Zwischenzeitlich durften sie noch Angst haben, von Rechten gejagt zu werden, nun werden sie unter dem Deckmantel der  „freiwilligen  Rückkehrer“ und „Ausreisepflichtigen“  zurück in Krieg und Armut geschickt.


Für jene der Geflüchteten, die aktuell politisch aktiv sind und sich selber organisieren, sowie für die zahlreichen Unterstützer_Innen muss klar sein: Gerade geht es nicht darum, eine „Willkommenskultur“ zu verbessern, gerade geht es darum, überhaupt in Deutschland zu bleiben. Wer Abschiebungen stoppen will, sollte nicht bei exemplarischen Einzelfällen stehenbleiben. Abschiebungen haben System und wer den Geflüchteten in seiner Nachbarschaft wirklich helfen will, muss bereit sein, sich für alle einzusetzen. Wir schlagen daher eine bundesweite Kampagne vor, die diese Abschiebe-, Abschottungs- und Abschreckungspolitik klar aufzeigt. Denn nur wenn wir bundesweit agieren, unsere Kraft bündeln, kann der Kampf gegen die systematischen Abschiebungen, die es geben wird, erfolgreich sein.


  • Sofortiger Abschiebestopp! Schluss mit allen rassistischen Asylgesetzen und deren Verschärfungen! Für Staatsbürger_Innenrechte für alle!
  • Schluss mit den unmenschlichen Abkommen, egal ob mit der Türkei, dem Sudan oder Afghanistan!
  • Offene Grenzen und sichere Fluchtwege, anstatt Menschen dazu zu zwingen, über das Mittelmeer oder durch Kriegsgebiete fliehen zu müssen!

Wir brauchen gemeinsame Aktionen der Geflüchteten, Migrant_Innen und der Arbeiter_Innenbewegung. Von Gewerkschaften und SPD fordern wir ein Ende der offenen oder stillschweigenden Unterstützung der rassistischen Regierungspolitik. Nur mit großen Mobilisierungen und Initiativen können wir Abschiebungen nicht nur im Einzelnen, sondern massenhaft bekämpfen.





Sicher ist sicher!? – Was bringen uns die neuen Gesetzesverschärfungen wirklich?

VON JONATHAN FRÜHLING


Die jahrelange Besatzungs- und Kriegspolitik der Imperialisten im Nahen Osten hat Millionen ins Verderben gestürzt und viele Leute in die Arme islamistischer Terrorgruppen getrieben. Deshalb steigt auch die Terrorgefahr in Europa. Trotz alldem ist die Gefahr in Europa Opfer von Terrorismus zu werden natürlich verschwindend gering. In Deutschland starben im Jahr 2015 3475 Menschen an Verkehrsunfällen und laut dem Spiegel 300 an verschluckten Kugelschreiberteilen.
Allgegenwärtig ist dagegen rechte Gewalt: 2015 wurden fast 1000 rechte Gewalttaten registriert, was fast eine Verdoppelung zum Vorjahr ist. Wie krass diese Zahlen vom Staat geschönt sind wissen wir alle.


Die Stimmung in der Bevölkerung wird von Medien und Politik gezielt angeheizt, um Kriege wie in Syrien, Irak oder Afghanistan zu rechtfertigen und Geflüchtete zum Sündenbock zu machen. Das wirkt: Über 50% der Deutschen sieht in dem Zustrom von Flüchtlingen auch ein Problem von innerer Sicherheit. Über 70% sind sogar bereit für mehr Sicherheitsmaßnahmen hohe Kosten, mehr Überwachung und andere Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Sie tun das aber auch, um die Menschen akzeptanzbereit gegenüber der Ausweitung der Befugnisse der Repressionsorgane zu machen.


Im Zuge des Kampfes gegen den Terrorismus sind in den letzten Jahren viele Ausweitungen der Rechte des BKA, BND, der Polizei und sogar der Bundeswehr beschlossen worden. Dieser Prozess hält auch immer noch an. Es lohnt sich deshalb zuschauen, was sich in den letzten Jahren beim Thema „Innere Sicherheit“ getan hat.


Bundeswehr im Inneren


Rechtliche Grundlage


Die Bundeswehr darf für den Katastrophenschutz, zur Verteidigung oder im Spannungsfalle zum Schutz ziviler Objekte eingesetzt werden. Würden also z.B. Ministerien von einer sozialen Bewegung besetzt werden könnte das Militär zu deren Schutz eingesetzt werden. Wenn die „freiheitlich demokratische Grundordnung der BRD in Gefahr ist“, kann die Bundeswehr auch zur Bekämpfung paramilitärischer Aufständischer eingesetzt werden.


Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) der Bundeswehr


Das Zentrum, welches 2013 in den Dienst gestellt wurde, stellt Ausbildung, Übung und Einsatz für Auslands- und Inlandseinsätze zur Verfügung. Es war schon in Kriegen auf der ganzen Welt beteiligt, wie z.B. in Afghanistan, Somalia, Uganda, dem Balkan und vielen weiteren Ländern.


Manöver


Außerdem organisiert das ZMZ das Manöver „Joint Cooperation“. Dabei wird die Einbindung ziviler Kräfte zum Schutz der Bevölkerung durch Hochwasser etc. während einer Aufstandsbekämpfung durch militärische Truppen geübt.
Im Februar 2017 wird die Bundeswehr zusammen mit der Polizei wieder ein großes Manöver durchführen, um die Terrorabwehr zu trainieren. Manöver mit anderen Schwerpunkten haben bereits seit 2004 ca. alle zwei Jahre unter dem Namen Lükex stattgefunden. 2004 waren bei dem Großmanöver sogar das BKA, der Inlandsgeheimdienst (Verfassungsschutz) und der Auslandsgeheimdienst (BND) beteiligt. Dabei soll die Handlungsfähigkeit von zivilen und militärischen Kräften verbessert werden.


Netzwerke


Die Bundeswehr ist schon bundesweit aufgestellt um im Inland Einsätze zu starten. Das „Kommando Territoriale Aufgaben“ verfügt über 457 Stützpunkte, denen jeweils 10 – 12 Reservisten angehören. Darüber hinaus gibt es sogenannte ZMZ Stützpunkte, die mit Räumungspanzern oder medizinischer Versorgung ausgestattet sind. Außerdem gibt es 30 aus Reservisten bestehende „Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanien“ (RUS), die bei Bedarf eingesetzt werden können. Die RUS trainieren Krisen – und Katastrophen Szenarien mit Bekämpfung widerständiger Bevölkerungsteile.


Das BKA


Das BKA-Gesetz


Beim BKA haben wir in den letzten Jahren eine massive Ausweitung der Kompetenzen gesehen. 2008 wurde das BKA-Gesetz verabschiedet, dass ermöglichte, Wohnungen zu verwanzen oder mit Minikameras auszustatten; auf einen richterlichen Beschluss hin dürfen sogar Telefonate abgehört und Computer durchsucht werden. Außerdem sind Standortermittlung und das Abhören von Telefonaten über das Internet erlaubt. Dies alles wird nicht nur in einem aktiven Bedrohungsfall, sondern auch im Vorfeld, zu „Gefahrenabwehr“, eingesetzt. Der BKA-Chef fordert sogar eine weitere Ausweitung der Überwachung: Er will das der sogenannten Staatstrojaner auch auf Handys und Tablets installiert werden darf, um Dienste, wie WhatsApp usw. auszuhorchen.
Im April 2016 hat das Verfassungsgericht sogar Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt, da es zu stark in die Privatsphäre eingreife. Nun sollen bis 2018 Kleinigkeiten nachgebessert werden. Alle grundsätzlichen Praxen bleiben aber erlaubt!


Erweiterung der IT-Abteilung


Des Weiteren wird die IT-Abteilung des BKA grundlegend umgebaut, wie auf der BKA-Herbsttagung im November 2016 angekündigt wurde. Dafür sollen ganze 1300 neue Stellen geschaffen und der Etat von 430 auf 574 Millionen erhöht werden.


Neues Sicherheitspaket


Ebenfalls im November hat sich die Regierung auf eine neues Sicherheitspaket geeinigt: Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird zurzeit ausgearbeitet. Er soll sogar Fußfessel für „Extremisten“ (also theoretisch alle politische Gegner) beinhalten. Außerdem sollen Einbrüche und Angriffe gegen Polizisten in Zukunft härter bestraft werden. Auch die Ausweitung der Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen wird fokussiert.


Bundesnachrichtendienst


Auch die Befugnisse des BND werden durch ein 2017 in Kraft tretendes Gesetz erweitert. Es erlaubt das vollständige Abzapfen von Internetleitungen und damit eine pauschale Massenüberwachung. Außerdem sollen Daten des BND an die Polizei und an andere Geheimdienste weitergegeben werden. Das Gesetz lässt mit schwammigen Formulierungen viel Raum für Überwachung. So ist das Ausspähen von Personen und Institutionen möglich, „um die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu wahren“ oder um „sonstige Erkenntnisse von außen- oder sicherheitspolitischer Bedeutung zu gewinnen“. Im Endeffekt werden also vor allem die bisherigen Praxen, die im Zuge des NSA-Skandals kritisiert wurden, legalisiert.
Außerdem soll der BND laut der Regierung 400 (!) neue Mitarbeiter_Innen bekommen und sogar einen eigenen Spionage Satelliten schicken. Für den Satelliten sind 400 Millionen Euro eingeplant.


Vorratsdatenspeicherung


2015 wurde das umstrittene Gesetz zur sogenannten Vorastdatenspeicherung beschlossen, welches Telekommunikationsunternehmen zwingt Nummern, Zeitpunkt, Dauern, Standorte und IP Adresse ihrer Kunden 10 Wochen zu speichern (Standorte nur 4 Wochen), damit Ermittler darauf zurückgreifen können.


Was bedeutet das Alles?


Wir lehnen entschieden alle Überwachung und Ausweitung der Rechte der Repressionsorgane ab! Warum? Weil solche Dienste das Gewaltmonopol des Staates ausbauen und stärken. Alle diese Maßnahmen können in Zukunft genauso gegen soziale Bewegungen eingesetzt und werden es heute schon.


Zusätzlich müssen wir uns gegen die Panikmache der Medien wenden. Opfer von Terrorismus in Deutschland zu werden ist immer noch viel unwahrscheinlicher, als in einem Auto zu sterben. Trotzdem wird antimuslimischer Rassismus geschürt und bekommt niemand kostenlose Bahntickets.
Wie viel schlimmer die Repression werden kann als heute in Deutschland, kann man sehr eindrücklich in Frankreich beobachten. Dort werden im Rahmen des Ausnahmezustandes tausende Personen und Wohnungen durchsucht, Leute wahllos schikaniert und sogar Residenzpflichten ausgesprochen. Diese Maßnahmen treffen vor allem nicht-weiße Menschen, aber auch politische Aktivist_Innen. Demonstrationen können einfach verboten werden, die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt, wann es der Regierung gerade passt. Genau deshalb sollten wir gegen jede Verschärfung der Gesetze auf die Straße gehen!
Ein Ausgangspunkt für Protest gegen die Ausweitung der Repressionsgesetze wird auch der G20 Gipfel am 7. Und 8. Juni sein, auf dem die 20 mächtigen Staats und Regierungschefs 2017 hinter verschlossenen Türen nicht nur über Ausbeutung von anderen Ländern sprechen, sondern auch diskutieren, wie sie ihre Macht am besten halten können. Überwachung, sowie die Aufrüstung von Polizei und Militär sind ihre Mittel. Dagegen werden wir protestieren!


Nein zu allen Gesetzesverschärfungen zur Überwachung und Bespitzelung der Bevölkerung! Für den sofortigen Stopp mit der Vorratsdatensammlung und die Vernichtung der gesammelten Daten! Offenlegung aller geheimen Datensammlung!


Nein zu allen Einsätzen der Bundeswehr, ob nun im Innern oder im Ausland!


Nein zu den sogenannten „Antiterrorgesetzen“ auf EU-Ebene und in Deutschland! Für die Zerschlagung aller staatlichen Geheimdienste!
Schluss mit der Ausweitung der Rechten von Polizei & Bundeswehr! Raus mit ihnen aus Schulen, Universitäten und Jobcentern: Schluss mit der öffentlichen Werbung für’s Sterben!


Für eine Massenbewegung von Jugendlichen und Arbeiter_Innen, die gegen staatliche Repression und Überwachung kämpft!