Neue Rassistische Bewegung

VON REVOLUTION BERLIN


Die ‚GIDA-Demonstrationen laufen Wöchentlich, AFD und CDU/CSU bringen mit rückschrittlichen und rassistischen Positionen ebenfalls Tausende auf die Straße und faschistische Gruppen attackieren ungehindert Menschen die nicht in ihr Weltbild passen. Greifen ihre Unterkünfte, Wohnungen und Lokale an. (Selbst Personen die nicht in das Feindbild der Rassist_Innen fallen spüren, dass die Gefahr von rechts real ist und schon lang nicht mehr nur Geflüchtete, Migrant_Innen und Linke betrifft. )
Im Jahr 2015 hat sich eine neue rassistische Bewegung etabliert, die immer mehr an Zulauf und Ansehen gewinnt. Die Rechte von Geflüchteten werden Stück für Stück abgebaut. Doch die Asylgesetzverschärfungen sind für die Rassist_Innen bei weitem nicht genug. Sie nutzen alles um Stimmung gegen Menschen, die vor Krieg, Hunger und Armut fliehen zu machen. Brennende Unterkünfte, Hetz-Jagten und rassistische Parolen, über 20 mal mehr Angriffe auf Geflüchtete und Unterkünfte als im Jahr 2012.


In der Silvesternacht kam es unter Anderem in Köln und Hamburg zu einer Vielzahl von sexueller Belästigung in verbaler und physischer Form, die laut der Presse hauptsächlich von „migrantischen Kriminellen“ ausging. Anwohner_Innen veranstalteten zusammen mit Geflüchteten Kundgebungen gegen die sexistischen Pöbeleien, Übergriffe und verurteilten die Vorfälle. Doch diesen Aktionen schenkten die Meisten wenig Aufmerksamkeit. Einige Tage nach Neujahr veranstalten Rechte, Demonstrationen und verurteilten alle, die nicht in ihr rückschrittliches Weltbild passen. Migranten und Geflüchtete werden als Sexisten dargestellt, die Taten einiger Personen auf alle pauschalisiert. Slogans wie „kriminelle Ausländer abschieben“, die wir früher nur bei der NPD gesehen haben, haben ihren Weg in die bürgerliche Mitte gefunden. Leider bieten hier Parteien wie SPD und Linke, keine Opposition, sondern passen sich den rassistischen Positionen der andern Parteien an. Dass Sexismus ein Problem ist, das wir in der ganzen Gesellschaft finden können, lassen die Rassist_Innen dabei außen vor. Den regelmäßigen Vorfällen auf der Reeperbahn, dem Oktoberfest oder auf dem Karneval wird keine Aufmerksamkeit geschenkt. Dass seit Neujahr bereits über 300 Vergewaltigungen zur Anzeige gegeben wurden, scheint auch niemanden wirklich zu interessieren. Fakt ist, dass 93% der Täter bei sexuellen Übergriffen im engeren sozialen Umfeld, das heißt am Arbeitsplatz, im Freundeskreis oder in der Familie zu finden sind.


Dass es Ihnen nicht um einen Kampf gegen Sexismus, sondern um die Verbreitung einer extrem konservativen und rassistischen Ideologie geht, sehen wir bei genauerer Betrachtung der Positionen der Alternative für Deutschland, NPD, CDU/CSU und den ‚GIDA-Bewegungen. Sie stellen sich strikt gegen eine gleichwertige Behandlung von Heterosexuellen und LGBTQIA-Menschen. Es wird ein Stopp des „Genderwahnsinns“, gefordert und es herrscht eine strikte Ablehnung gegen Abtreibungen. Statt für die Rechte aller Frauen zu kämpfen wird die Situation von Menschen auf der Flucht mit keinem Wort erwähnt, im Gegenteil, es soll härter gegen sie vorgegangen werden. In keinem Punkt wird sich in Ihren Programmen mit der Ökonomischen Unterdrückung von Frauen beschäftigt, also mit der Tatsache, dass Frauen für gleiche Arbeit, in gleicher Zeit rund 8% weniger Lohn bekommen oder neben ihrer Arbeit noch für unbezahlte Reproduktionsarbeit, das heißt Erziehung & Ernährung der Kinder, sowie Hausarbeit eingebunden werden. in keinem Punkt finden wir Ansätze damit alle Menschen als gleichwertige Teile in der Gesellschaft aufgenommen werden.


Um etwas zu verändern brauchen wir eine Klare Stellung gegen die rassistische und konservative Politik der herrschenden Klasse. Wir müssen ein klares Zeichen gegen den „Anti-Sexismus von rechts“ setzen, der genutzt wird um rassistische Hetze und die Etablierung von „Bürgerwehren“ zu rechtfertigen und eine fortschrittliche Antwort darauf geben.



  • Für einen gemeinsamen Kampf gegen Sexismus und sexuelle Unterdrückung! Lasst und gemeinsam mit andern Jugendlichen, Arbeiter_Innen und Geflüchteten für eine Gesellschaft kämpfen, in der wir die Möglichkeit haben als gleichberechtigte Menschen zu leben!
  • Für demokratische Anti-Rassistische Verteidigungsstrukturen, bestehend aus Geflüchteten, Arbeiter_Innen und der fortschrittlichen Teilen aus Gewerkschaften, SPD und Linkspartei!
  • Für gleichen Lohn für gleiche Arbeit! Für Selbstbestimmung über den eigenen Körper!
  • Gegen die menschenverachtende Geflüchtetenpolitik! Volle Staatsbürger_Innenrechte für alle!
  • Für Wohnungen statt Lagern! Dafür fordern wir Enteigung von Leerstand und Spekulationsimmobilien – An Orten, an denen es keinen Leerstand gibt fordern wir massiven Sozialwohnungsbau!



Unaufhaltsam nach rechts?

VON LARS KELLER


Seit in Polen am 25. Oktober des vergangenen Jahres die rechtskonservative Prawo i Sprawiedliwosc (dt.: „Recht und Gerechtigkeit“, PiS) bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments (Senat und Unterhaus) erhalten hat, hat sie ihre Kontrolle über das Verfassungsgericht verstärkt und ergebene Richter_Innen installiert. Höhere Staatsangestellte sollen künftig von der Regierung eingesetzt werden. Zudem versucht die PiS, die Medien unter Kontrolle zu bringen. So sollen innerhalb von drei Monaten alle Mitarbeiter_Innen bei öffentlich-rechtlichen Medienanstalten überprüft und von unliebsamen Stimmen gesäubert werden. Bereits im Dezember entschied die Regierung, dass der Minister für Staatsvermögen künftig entscheidet, wer im Aufsichtsrat der staatlichen Medien sitzt. Kritische Medien unterliegen verschärfter Kontrolle.


Für Aufsehen sorgte auch die verordnete Stürmung eines NATO-Spionageabwehrzentrums in Warschau. Die Zahl der Flüchtlinge, die Polen aufnimmt, wurde auf 400 in diesem Jahr beschränkt. Seit der Wahl und dem Erlass des Verfassungs- und Mediengesetzes gibt es immer wieder landesweite Proteste gegen die Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo.


Die PiS hatte bei den Wahlen zwar lediglich 37,6% der Stimmen erhalten, ermöglicht wurde die absolute Mehrheit von 235 bei 460 zu vergebenden Mandaten im Sejm (Unterhaus) aber u.a. durch das Scheitern des linken Wahlbündnisses Zjednoczona Lewica (ZL) an der für vereinte Wahllisten gesetzten 8%-Hürde. In der ZL war auch die polnische Sozialdemokratie SLD enthalten. Die vormalige, liberal-konservative Regierungspartei PO (dt.: Bürgerplattform) hat mit 24% rund 15% der Stimmen verloren. Ihr Koalitionspartner PSL (Bauernpartei) schaffte mit 5,1% gerade noch so den Einzug ins Parlament. Daneben zogen die nationalistische Partei Ruch Kukiza (kurz: Kukiz’15) mit 8,8% und die wirtschaftsliberale Nowoczesna des Topmanagers Ryszard Petru mit 7,6 % in das Parlament ein.


Hintergrund


Die Wahl der PiS reiht sich ein in eine Reihe europäischer Rechtsrucks infolge der Krise und der deutschen Vorherrschaft in der EU. Das Aufkommen der ungarischen, faschistischen Jobbik oder der Erfolg der FN in Frankreich und der UKIP in Britannien sind Beispiele dafür. In ihrem Aufstieg drückt sich der Unmut der vom sozialen Niedergang bedrohten Schichten, vor allem des Kleinbürger_Innentums und des unteren Proletariats, aus, aber auch der Mangel an einer klassenkämpferischen Perspektive gegen die Krise.


Polen hat seit dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten mit ihren bürokratischen Planwirtschaften und seit Ausbruch der Krise eine massive Deindustrialisierung, Privatisierungen und Streichungen von Sozialleistungen erfahren. Viele, vor allem junge Menschen, wandern nach West- und Mitteleuropa aus, um Armut, einer Jugendarbeitslosigkeit von 22% oder niedrigen Löhnen zu entgehen. Nicht umsonst bestand an Polen bei dem EU-Beitritt 2004 ein besonderes Interesse auch seitens deutscher Unternehmen, das „Billiglohnland“ auszunutzen, die folglich Produktionslinien dorthin verlagerten.


Die PO war in den letzten Jahren vor allem dafür verantwortlich, die Kosten der Krise auf die Bevölkerung abzuwälzen und als Vertreter_In der Bourgeoisie die Politik der EU mitzutragen. Bei der Wahl im vergangenen Jahr brachte die ZL nur ein oberflächliches Wahlprogramm zustande, dass sich kaum von üblichen Versprechen abhob.


Die polnische Sozialdemokratie SLD war maßgeblich mit von der Partie, als es darum ging, Polen in die EU zu holen und damit dem imperialistischen Kapital, vor allem Deutschlands, besser zugänglich zu machen. Dieser Verrat brachte die SLD dauerhaft in Verruf, auch unter großen Teilen der ArbeiterInnen.


Schon damals nach dem EU-Beitritt hatte der Angriff eine PiS-Regierung zur Folge. Heute zeichnet sie sich vor allem durch eine gegen die deutsche Dominanz in der EU gerichtete Politik aus und gegenüber Russland wird ein hohes Maß an Abschottung betrieben. Die Rüstungsausgaben wurden im Inneren wie bei der Armee erhöht. Gleichzeitig fordert die PiS eine höhere Präsenz der NATO an ihrer Ostgrenze und richtet die Außenpolitik mehr auf die USA aus.


Proteste


Bald nach Beschluss des Medien- und Verfassungsgesetzes durch die PiS-Regierung regte sich Protest gegen diese. So kamen etwa in Warschau und Krakau am 19. Dezember 2015 jeweils über 10.000 Menschen zusammen, um zu demonstrieren.


Organisiert wurden die Aktionen von der nach der Wahl gegründeten Bürgerbewegung „Komitee zur Verteidigung der Demokratie“ (KOD). Die Prägung ist eine klar bürgerliche: Auf den Demonstrationen dominieren polnische Nationalfahnen und auch EU-Symbole das Bild. Zu den prominenten Vertreter_Innen gehören etwa der bereits erwähnte neoliberale Ryszard Petru, Grzegorz Schetyna, der seit Januar Parteivorsitzender der vorigen Regierungspartei PO ist, oder auch Vertreter_Innen der Grünen, der Linken sowie populäre ehemalige Mitglieder der Gewerkschaft Solidarnosc. Der Initiator und Kopf der KOD, Mateusz Kijowski, appelliert an die EU und will alle politischen Parteien an einen Tisch bringen.


In der Bewegung drückt sich hauptsächlich die Angst des pro-europäischen Bürger_Innentums und akademischer Schichten aus. Bei der letzten PiS-Regierung erfuhr Polen eine Isolation seitens der EU – ein Rückschritt für die polnische Bourgeoisie. Auch wenn sie unter den Fittichen v.a. des deutschen Kapitals steht, hat sie noch größere Angst, dessen Gunst zu verlieren.


Arbeiter_Inneneinheitsfront


Revolutionär_Innen dürfen in keinster Weise solch einer Bewegung hinterherlaufen. Vielmehr sollten sie für eine klare Klassenlinie eintreten und die Gewerkschaften und Parteien der Arbeiter_Innenklasse auffordern, einen Klassenstandpunkt zu beziehen. Ansonsten wird der Widerstand spätestens da stehenbleiben, wo dieser an die Grenzen der bürgerlichen Ordnung stößt.


Die Verteidigung demokratischer Rechte setzt auch hier den Kampf für eine Arbeiter_Inneneinheitsfront auf die Tagesordnung. Nur so kann der Stopp oder gar ein Sturz der Regierung sich zugunsten der Arbeiter_Innen und Jugendlichen in Polen auswirken und nicht zugunsten des pro-europäischen Kapitals.


Revolutionär_Innen verteidigen hier nicht die bürgerliche Demokratie als verschleierte Klassenherrschaft, noch weniger hegen wir Illusionen in Staatsmedien oder in eine unabhängige bürgerliche Justiz. Vielmehr kämpfen wir für größtmögliche demokratische Rechte, weil diese der Arbeiter_Innenbewegung größere Freiheiten gewähren.


Die polnischen Arbeiter_Innen haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sie keineswegs unbewaffnet sind. In den 80er Jahren streikten sie gegen die stalinistische Bürokratie, in den 90ern gegen die marktwirtschaftliche Schocktherapie.


Es muss klar gemacht werden, dass der heutige Rechtsruck Resultat der sozialen und ökonomischen Verwerfungen in den letzten Jahren ist.


Deswegen ist es für eine Einheitsfront nötig, weitergehende Forderungen zu formulieren, die nicht nur demokratische, sondern auch soziale Fragen thematisieren:


  • Sofortige Rücknahme aller repressiven Gesetze!
  • Keine weitere Aufrüstung der Polizei und der Armee!
  • Weg mit der 8%-Hürde für Wahlbündnisse!
  • Keine weitere Deindustrialisierung! Verteilung der Arbeit auf alle bei vollem Lohn! Enteignung der Unternehmen, die geschlossen wurden, und Wiederaufnahme der Produktion unter Arbeiter_Innenkontrolle!
  • Für den Aufbau von lokalen Aktionskomitees, die Demonstrationen und Streikaktionen bis hin zu einem unbefristeten Generalstreik organisieren!


Die Alternativlosigkeit und bürgerliche Dominanz in den Protesten sowie die Bindung der Arbeiter_Innenparteien an den Reformismus weisen letztlich auch auf das Fehlen einer revolutionären Arbeiter_Innenpartei mit einem Übergangsprogramm hin. Der Kommunismus ist aufgrund der stalinistischen Verbrechen in Polen mit schlechtem Ruf behaftet. Aufklärung darüber zu leisten, was wahrhaftige Arbeiter_Innendemokratie bedeutet, ist unbedingte Aufgabe von Revolutionär_Innen. Das kann auch genutzt werden, um Kritik an den verkrusteten, bürokratisierten Strukturen in den Gewerkschaften zu üben und sie auf einer klassenkämpferischen Grundlage zu vereinen mit jederzeit wähl- und abwählbaren sowie rechenschaftspflichtigen Delegiertenstrukturen.


Eine Kampagne zur Frage von Demokratie kann in Verbindung mit den oben genannten Forderungen um eine Einheitsfront eine tatsächliche Alternative für die Arbeiter_Innen Polens darstellen und den Gang nach rechts aufhalten. Für Revolutionär_Innen gäbe es hier die Chance, mit den stalinistischen Lasten der Vergangenheit aufzuräumen und die Frage von Arbeiter_Innenmacht in die Klasse zu tragen.





Syrische Frauen in der Türkei – immer und immer auf der Flucht

VON SVENJA SPUNCK


Der syrische Bürgerkrieg ist mittlerweile der tödlichste Konflikt des 21. Jahrhunderts. Nicht nur die Getöteten sind dessen Opfer, sondern auch all jene, die ihre Heimat notgedrungen verlassen mussten, um am Leben zu bleiben. Die offizielle Zahl der syrischen Flüchtlinge im Nachbarland Türkei liegt bei 2 Millionen, die Dunkelziffer ist weitaus höher. Viele von ihnen sind minderjährig. Während sich der Staat notgedrungen um die vielen arbeits- und obdachlosen Syrer zu sorgen beginnt, wird eine Gruppe völlig ausgeblendet: geflüchtete syrische Frauen.


Die Journalistin Mine Bekiroglu berichtet über deren Situation in Hatay, einer hauptsächlich arabisch-alevitischen Stadt im Süden der Türkei. Ein Geheimnis, das jeder kennt, ist der rasante Anstieg der sogenannten Imam-Ehen. Das bedeutet, dass syrische Frauen an türkische Männer verheiratet werden, nicht offiziell vom Staat, sondern „nur“ vor einem Imam. Diese Ehe, genau so wie die Verheiratung von Minderjährigen, ist illegal. Die Frauen sind oft nicht die erste, sondern die zweite oder dritte Ehefrau eines türkischen Mannes. Der Grund, warum Syrerinnen oft Türkinnen vorgezogen werden, ist ein finanzieller. Während man vor 2 Jahren noch gut 10.000 Lira für eine Ehe bezahlte, sind jetzt schon 2.000 TL genug. Der Preis variiert je nach Aussehen und Alter der Mädchen.


Ganz offensichtlich wird hier die soziale Lage der geflüchteten syrischen Familien ausgenutzt. Wer weder Arbeit, noch eine Unterkunft hat, erhofft sich durch das Verkaufen der Tochter finanzielle Verbesserung. Dieser Frauenhandel geschieht nicht heimlich. In Städten wie Sanliurfa ist er auf der Straße zu beobachten und der türkische Staat unternimmt nichts dagegen.


Die wenigsten Flüchtlinge sind in den offiziellen Flüchtlingslagern untergebracht. Diese sind zwar angeblich überdurchschnittlich gut ausgestattet, jedoch gibt es auch hier immer wieder Berichte über Vergewaltigungen, Prostitution und Frauenhandel.


Eine Umfrage der türkischen Regierung ergibt, dass 70% der Frauen ihre berufliche Qualifikation lediglich als „Hausfrau“ beschreiben, also keinen Ausbildungsberuf erlernt oder gar ein Studium absolviert haben. Ebenfalls sind rund 25% Analphabetinnen. Ohne oder mit nur geringer Schulbildung und ohne Aussicht auf eine solche in der Türkei ist für sie eine selbstständige Zukunft undenkbar. Doch wie auch die Broschüre, in der diese Umfrage veröffentlicht wurde, werden Flüchtlinge in der Türkei als „Gäste“ bezeichnet. Dies ist keine freundliche Bezeichnung, die auf Gastfreundschaft hindeutet. Sie bezeichnet das traurige Schicksal, dass es für Syrer_Innen keinen Geflüchtetenstatus gibt, sondern lediglich einen temporären Gaststatus. Das schließt sie vor allem auch von legaler Lohnarbeit aus, weshalb viele Frauen und Kinder Müllsammlerinnen auf Istanbuls Straßen werden. Soziale Absicherung und Zugang zu Bildung werden ihnen verweigert, da der Staat von ihrer baldigen Heimreise ausgeht.


Die Realität ist jedoch, dass viele der Syrer_Innen in der Türkei bleiben werden, denn ein Ende des syrischen Bürgerkrieges und ein schneller Wiederaufbau des Landes sind nicht einmal in allerweitester Ferne zu erblicken. Den Menschen muss also in dem Land, in dem sie sich jetzt befinden, eine Zukunft ermöglicht werden. Dazu gehört an erster Stelle der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu den gleichen Bedingungen wie für türkische Staatsbürger_Innen. Da diese ebenfalls unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden, ist es die Aufgabe der Gewerkschaften, diese Frauen zu organisieren und für ihre Rechte zu kämpfen. Wie es nun einmal in der kapitalistischen Welt so ist, wird natürlich auch in der Türkei die Kinderversorgung als kostenlose Arbeit der Frauen betrachtet. Deshalb müssen die syrischen Kinder versorgt und vor allem auch gebildet werden. Die patriarchalen Verhältnisse, unter denen die Frauen leiden, gehören bekämpft und abgeschafft! An erster Stelle steht im Moment die Gewährleistung von Sicherheit für diese Frauen. Die bedeutet Schutz vor Verheiratung, Vergewaltigung und Zwangsprostitution. Die Frauen müssen sich in den Lagern organisieren. Im besten Fall schließen sich auch Männer an, die Frauen als gleichwertige Menschen betrachten und für deren Unabhängigkeit eintreten. Der türkische Staat ignoriert die sozialen Probleme der Syrer_Innen im Land, doch er wird es sich nicht mehr lange leisten können, die Augen davor zu verschließen. Es ist die Aufgabe von Sozialist_Innen, für die Integration und volle Bürger_Innenrechte für Flüchtlinge einzutreten und vor allem auch Frauen zu verteidigen und in den Kampf gegen das Patriarchat einzubinden.





Aufruf zum bundesweiten Schul- und Unistreik am 27. April 2016

VON JUGEND GEGEN RASSISMUS


Seit über einem Jahr bringen PEGIDA und seine Ableger jede Woche zehntausende Rassist_Innen auf die Straße. Tagtäglich gibt es Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte. Rassistische Mobs wie in Heidenau, Freital oder Clausnitz können ungehindert ihr Unwesen treiben, während sich seit Neujahr überall rassistische Bürgerwehren gegründet haben.


Die Grundlage für diesen Rechtsruck legten der deutsche Staat und seine bürgerlichen Parteien. Im Halbjahrestakt werden neue Asylrechtsverschärfungen im Bundestag beschlossen und die große Koalition erfüllt nach und nach die Forderungen der AfD. Als Reaktion darauf passen sich die Oppositionsparteien des Bundestags nach rechts an. Lohnabhängige und Geflüchtete werden gegeneinander ausgespielt. Konkurrenz zwischen Arbeiter_Innen, Schüler_Innen sowie Studierenden und Geflüchteten wird über Einsparung bei sozialen Ausgaben, die es schon seit Jahren gibt, aktiv konstruiert und geschürt!


Währenddessen wird die Festung Europa weiter hochgerüstet. Es werden Mauern an den Außengrenzen errichtet, Grenzkontrollen durchgeführt und Pakte mit Diktatoren und korrupten Politiker_Innen gemacht, damit auch gar niemand in die EU kommt. Die wahre Ursache von Flucht, mag allerdings niemand so wirklich nennen. Mit Waffenexporten in andere Ländern und Kriegseinsätzen wie im Kosovo, Syrien oder Irak, die jetzt wieder vermehrt zunehmen, spielt die deutsche Regierung eine wesentliche Rolle für die Entstehung von Fluchtursachen. Bestes Beispiel ist ihr Deal mit dem türkischen Regierungschef Erdogan. Während dieser die Außengrenzen dicht macht, liefert Deutschland Waffen an die Türkei, die diese dann gegen die Kurd_Innen richtet.


Wir sprechen uns klar und deutlich gegen die Massaker in den nordkurdischen Gebieten aus und solidarisieren uns mit dem unterdrückten kurdischen Volk! Denn das ist nur ein Beispiel wie die Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen der Industrieländer konkret verantwortlich sind für Armut, Krieg und Krise, die viele Leute zum Flüchten bringt.


Jene Menschen, denen es gelingt, vor Krieg und Krisen zu fliehen, erwartet in Europa lange nicht der erhoffte Frieden, sondern Polizeigewalt und rassistische Unterdrückung, massenweise diskriminierende, hochgradig ineffiziente Bürokratie, sowie menschenverachtende Lagerunterbringung, Arbeitsverbote und der Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben. Deswegen kämpfen wir für offene Grenzen, Staatsbürger_Innenrechte für Alle und fordern dezentrale Unterbringung statt die Errichtung von unmenschlichen Lagern!


Gegen die rechte Offensive wollen und dürfen wir nicht länger tatenlos zusehen! Wir, das bundesweite Bündnis „Jugend gegen Rassismus“ wollen die regionale Isolation durchbrechen und eine antirassistische Bewegung aus Jugendlichen, Schüler_Innen, Studierenden, Geflüchteten, Arbeiter_Innen, Arbeitslosen und Gewerkschaften sowie Initiativen, linken Gliederungen der SPD und Linkspartei in Deutschland aufzubauen. Denn nur wenn wir bundesweit agieren, können wir der aktuellen Situation etwas Schlagkräftiges entgegensetzen.


Als Auftakt für eine bundesweite antirassistische Jugendbewegung rufen wir deswegen am 27. April zu einem bundesweiten Schul- & Unistreik gegen Rassismus auf der Straße und im Parlament auf!


Wir unterstützen euch dabei, den Kampf in die Bildungseinrichtungen zu tragen – in Schulen, Unis und Berufsschulen. Denn als Jugendliche sind wir von diesen Geschehnissen unmittelbar betroffen. Rassismus und Militarismus betreffen uns alle – Mitschüler_Innen, die Angst haben müssen abgeschoben zu werden, Diskriminierung an Schule, Uni und Betrieb oder die AfD und die Bundeswehr, die problemlos in Schulen reindürfen und ihre Propaganda verbreiten!


Bildet Basisgruppen, organisiert Vollversammlungen und Veranstaltungen und mobilisiert für den Schul- und Unistreik und darüber hinaus, klärt über die rassistische Politik der deutschen Regierung und von AfD & Co. auf. Denn wenn wir, Jugendliche, Arbeiter_Innen und Migrant_Innen nicht wollen, dass unsere Rechte beschnitten werden, wir in ständiger Angst leben müssen, dass wir oder unsere Angehörigen bei Anschlägen oder im Krieg sterben, müssen wir uns gegen die Pläne der Imperialist_Innen organisieren!


Schulstreik 27.April




Wie kann man nur hassen, dass Menschen sich lieben?

VON REVOLUTION BERLIN, ROTES SCHÜLER_INNENKOMMITEE


„Frühsexualisierung“, „Genderismus“, „Umerziehung“ – ob „besorgte Eltern“, die mit solchen Begriffen versuchen, ihre LGBTIA-Feindlichkeit zu verschleiern, oder die AfD, die dem „Genderwahn“ ganz offen den Kampf ansagt; sie alle sind Auswüchse dieser diskriminierenden Gesellschaft. Und wir erleben es Tag für Tag: blöde Sprüche in der Schule und an vielen anderen Orten, auch zuhause. Transsexualität oder Bisexualität wird meist als „unnormal“ betrachtet oder es wird sich darüber lustig gemacht.


Nach einem häufig propagierten Bild besteht eine Familie aus Frau, Mann und Kind(ern). Alles, was nicht in das Weltbild passt, wird von vielen Leuten abgelehnt, auch wenn viele Familien heute aus Alleinerziehenden, Patchworkfamilien, Lebenspartner_Innenschaften und so weiter bestehen.


Doch woher kommt diese Abwertung gegenüber „anderen“ Lebensformen?


Für viele Konservative stellen nicht-heterosexuelle Beziehungen sowie Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann definieren, nicht nur ein Angriff auf ihr Weltbild sondern auch auf „ihre“ Art der bürgerlichen Familie dar. Diese ist ein wichtiger Stützpfeiler des Systems, in dem wir leben: des Kapitalismus‘. Der ist auf die unbezahlte Hausarbeit und die Fortführung der Rollenverteilungen innerhalb der Familie angewiesen. Lebensformen außerhalb des „typischen“ Mutter-Vater-Kind-Schemas können also dem Kapitalismus eine wichtige Grundlage entziehen und werden so zu einer Bedrohung für alle, die die Zerstörung des kapitalistischen Systems nicht für eine gute Idee halten.





„You can’t have capitalism without racism“ … and sexism*

*Frei nach Malcom X


VON REVOLUTION BERLIN


Wer mit Linken abhängt, wird die Behauptung, dass Kapitalismus, Rassismus und Sexismus untrennbar miteinander verbunden sind, vielleicht schonmal gehört haben. Aber warum vertreten viele diese These?
Ein Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass es im Kapitalismus grundlegend um Eins geht: sich selbst (auf Kosten anderer) zu bereichern, seinen eigenen Profit zu maximieren. Ein einfaches Mittel dafür ist, die Lohnkosten der Arbeiter_Innen gering zu halten, zu senken oder unbezahlt arbeiten zu lassen. Aber: wo es einen Haufen Scheiße gibt, der stinkt, gibt es immer Menschen, die das riechen. Also baute man, um die ungleiche Behandlung von Menschen zu rechtfertigen, schon oft Klischees über Gruppen von Menschen auf. Dadurch konnte man deren Ausbeutung, Unterdrückung oder schlechtere Behandlung rechtfertigen. Also Ideologien, die das als Normalzustand abtun.
Soweit so theoretisch, aber wie sieht in der Praxis aus?


Ein Teil sexistischer Ideologie ist das klassische Rollenbild. Frauen sind angeblich verständnisvoll, behütend, ausgleichend und kümmern sich gerne um Familie und Kinder. Genau dieses weitbreitete Klischee dient als Rechtfertigung dafür, dass Hausarbeit und Kindererziehung unbezahlt abläuft. Dies ist ein riesiger Teil der Arbeit, die gesellschaftlich verrichtet werden muss! Die Doppelbelastung, die aus diesem Berg von Arbeit, neben dem bezahlten Job, entsteht, wird fast nie thematisiert. Auch, weil es riesige Zusatzprofite sichert, wenn sie weiterhin unbezahlt abläuft. Das stinkt! Und dabei haben wir uns noch nicht einmal darüber aufgeregt, dass Frauen teilweise über 23% weniger Lohn bekommen, als ihre männlichen Kollegen. Ganz zu schweigen von der allgemein schlechteren Bezahlung sogenannter „Frauenberufe“ (die auf den oben genannten Klischees aufbauen) und anderen Auswüchsen des Sexismus!


Und ähnlich läuft’s beim Rassismus ab. Scheinbar völkische oder religiöse Eigenschaften oder angeblich selbstverschuldete historische Fehler sollen als Rechtfertigung dienen, warum ein Großteil der Welt in menschenunwürdigen Bedingungen leben muss. Zum Beispiel, dass Näher_Innen in Kambodscha unter 1€ am Tag, statt wie bei uns 68€ zu verdienen oder Gastarbeiter_Innen weniger Rechte und Lohn für dieselbe Arbeit bekommen.


Die ekelhafteste Form dessen fand man bei den Nazis, die nicht nur Millionen ermordeten, sondern in den KZs und Arbeitslagern auch unbezahlte Arbeitskräfte für deutsche Konzerne zu Verfügung stellten, die sich an denen bereicherten.


Verkürzt gesagt: der Kapitalismus braucht Sexismus und Rassismus als Legitimation für Ausbeutung. In einer Gesellschaft, in der es nur darum geht, sich selbst zu bereichern, werden die Besitzenden nicht darauf verzichten, sondern diese Unterdrückungen eher fördern.





Syrien zwischen Waffenstillstand und Eskalation

Reaktionärer Vormarsch oder permanente Revolution


VON MARVIN SCHUTT


Waffenstillstand hier, Waffenstillstand dort: was aktuell in Syrien passiert, ist entgegen den allgegenwärtigen Bekundungen der beteiligten Kriegsparteien alles andere als eine „Friedenslösung“. Stattdessen scheinen sich neue Frontverläufe abzuzeichnen. Entweder droht eine reaktionäre Befriedung von oben durch die Großmächte oder eine Fortsetzung, ja Eskalation, durch die Einflussnahme von Regionalmächten wie Saudi-Arabien oder der Türkei. Die verbliebenen Kräfte der syrischen Revolution, jene, die für ein demokratisches, säkulares Syrien, frei von Ausbeutung und imperialistischer Einmischung, kämpfen, stehen mit dem Rücken zu Wand.


Aleppo


Erst vor kurzem hat das Bündnis aus den Assad-treuen syrischen Regierungstruppen, der libanesischen Hisbollah und schiitischen Milizen aus dem Irak einen militärischen Vorstoß auf die von Anti-Assad-Kräften kontrollierte Stadt Aleppo gewagt. Ziel dieses Angriffes war es wohl, die Stadt von außen nach und nach einzukreisen, die Opposition strategisch zu schwächen – unter Inkaufnahme des Aushungerns der Bevölkerung.
Nachdem das syrische Regime durch den Kriegseintritt Russlands im September 2015 wieder neuen Rückenwind bekommen hat, scheint es nun die Strategie zu verfolgen, sein kontrolliertes Gebiet durch neue militärische Vorstöße im Schatten russischer Luftangriffe auszuweiten und sich vor allem die größte syrische Stadt Aleppo als wichtiges soziales und wirtschaftliches Zentrum unter den Nagel zu reißen.
Für die syrische Regierung und ihre Verbündeten dienen „Waffenstillstand“ und „Friedensverhandlungen“ daher dazu, die erzielten Geländegewinne zu festigen und so – ob nun unter Einbeziehung pro-imperialistischer oder kapitulierender Oppositionführungen oder nicht – den Fortbestand des aktuellen Regimes und v.a. des Staats- und Herrschaftsapparates zu sichern.


Rojava


Im Norden Syriens gelang es den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG/YPJ), zwei der kurdischen Autonomieregionen durch einen militärischen Vorstoß miteinander zu verbinden. Die neuen Gebietsgewinne und die, wenn auch begrenzten, demokratischen und antisexistischen Fortschritte, die in diesen Gebieten (auf Kurdisch: Rojava) unter Führung der kurdischen Partei PYD (dem syrischen Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK) erreicht wurden, sind jedoch ein dicker Dorn im Auge des türkischen Staates.
Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den IS führte die Türkei zahlreiche Bombardements auf kurdische Städte in Rojava durch, welche hunderte von zivilen Todesopfern forderten. Noch zorniger wurde der türkische Präsident Erdogan, als die USA offen ihre Unterstützung für die kurdischen Kampfeinheiten YPG/YPJ aussprachen. Auf den empörten Protest Erdogans antwortete das US-Außenministerium jedoch beschwichtigend, dass die USA das Vorgehen der türkischen Truppen gegen die Kurd_Innen im eigenen Land unterstützen, sie die PKK in Syrien jedoch als „effektive Streitkräfte im Kampf gegen den Daesch (IS) und bei der Eroberung und Rückeroberung von Territorien“ betrachten würden. Die USA scheinen sich also einen Scheiß um die kurdische Bewegung zu scheren, die sich gerade in der Türkei gegen die massive Repression des Staates und in Syrien gegen den IS als auch gegen die türkischen Luftangriffe verteidigen muss. Stattdessen scheinen sie die PYD als temporären militärischen Bündnispartner zu betrachten.
Zu Gute kommt ihnen dabei wahrscheinlich der Nationalismus der PYD, der nur auf die Errichtung kurdischer Autonomiegebiete abzielt und sich ansonsten auf keine Seite im syrischen Bürger_Innenkrieg schlägt. Klar ist jedoch, dass Rojava mit all seinen Fortschritten nur durch die syrische Revolution aufgebaut werden konnte und auch seine Zukunft vom Verlauf des Krieges und dem Sieg der Revolution abhängt.


Zwischen Befriedung und Eskalation


Die militärischen Erfolge der Pro-Assad-Koalition aus Russland, Iran und Hisbollah ließen die Regionalmächte Saudi-Arabien und Türkei, die seit Jahren mit hohem Kostenaufwand die erz-islamistischen und reaktionärsten Kräfte in der Bewegung gegen Assad unterstützen, nun offen darüber nachdenken, direkt in den Krieg zu intervenieren. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar gaben sie zu verstehen, dass sie den Einsatz eigener Bodentruppen in Erwägung ziehen würden.
Ein solches Szenario würde eine unausweichliche militärische Konfrontation mit Assads Truppen, dem Iran und Russland bedeuten. Obwohl die USA das Ziel der Absetzung von Assad längst abgeschrieben haben und aktuell nur noch auf einen Übergang mit Assad hinarbeiten, könnte ein direkter Kriegseintritt Saudi-Arabiens und der Türkei auch den Einsatz von US-amerikanischen Bodentruppen provozieren. In diesem Falle käme es zur direkten militärischen Konfrontation zwischen den USA und Russland, den beiden größten Atommächten der Welt.


Long live the Syrian Revolution!


Die neuesten Ereignisse im syrischen Bürger_Innenkrieg sollten uns die große Gefahr der weiteren Eskalation des Krieges, die Dringlichkeit der Lage und die Notwendigkeit einer internationalen Anti-Kriegsbewegung aufzeigen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass Syrien nicht nur eine riesige humanitäre Katastrophe mit über 250.000 Toten und 7,6 Millionen Vertriebenen darstellt, sondern als eine Revolution im Zuge des Arabischen Frühlings begonnen hat.
Die Massenbewegung, die 2011 gegen den Diktator Assad und seine neoliberalen Wirtschaftsreformen auf der Straße war, wurde vom syrischen Regime und seinen Verbündeten brutal zurückgeschlagen und in die Defensive gedrängt. Ihre Rufe nach Demokratie und Menschenrechten sind dennoch nicht erloschen!
Joseph Daher, ein Aktivist der Gruppe Syrian Revolutionary Left Current (Syrische Revolutionäre Linke Strömung), erklärte auf den Internationalismustagen der Neuen Antikapitalistischen Organisation (NAO), dass sich die syrische Revolution aktuell zwei Konterrevolutionen gegenübergestellt sähe: dem Assad-Regime und dem Islamismus. Beide Konterrevolutionen haben starke Verbündete und wurden vor allem durch die Interventionen der beteiligten Regional- und Imperialmächte angeheizt. Doch wie können wir, Lohnabhängige und Jugendliche in Deutschland, angesichts des eskalierenden Krieges und der Massen von unschuldigen Toten die syrische Revolution anheizen? Unsere Waffe muss vor allem die internationale Solidarität sein! Dabei gilt die Devise: Nicht nur quatschen, sondern handeln!
Hier in Deutschland müssen wir vor allem gegen die Beteiligung des deutschen Imperialismus am syrischen Bürgerkrieg auf die Straße gehen und den Abzug aller ausländischen Truppen fordern. Ebenso müssen wir uns dafür einsetzen, dass keine syrischen Geflüchteten mehr in türkischen Internierungslagern festsitzen oder durch Frontex und Co. an der Flucht gehindert werden. Wir müssen deshalb ebenso für die Öffnung der EU-Grenzen und die freie Versorgung der Geflüchteten mit Bildung, Arbeit, Wohnraum, Gesundheits- und Wohlfahrtsleistungen eintreten.


Verwirrte Linke?!


Dass die syrische Revolution noch nicht gescheitert ist, scheinen viele Linke vergessen zu haben. Während sich die stalinistische Linke teilweise bedingungslos mit Assad solidarisiert und für die Niederschlagung der Revolution eintritt, konzentrieren sich andere Linke allein auf Solidaritätsbekundungen zu Rojava und halten zu allen anderen Fragen die Klappe.
Auch eine Verhandlungslösung, wie sie zum Beispiel die Linkspartei vorschlägt, bedeutet letztendlich die Niederlage der syrischen Revolution. Denn, wenn sich alle beteiligten Mächte an einen Tisch setzen und sich den Kuchen aufteilen, geschieht das vor allem auf dem Rücken der syrischen Bevölkerung und rückt die Ziele der Revolution in weite Ferne. Auch die ökonomistische Konzentration auf reine „Arbeiter_Innenforderungen“ – in Wirklichkeit auf reine gewerkschaftliche und soziale Verbesserungen, bietet keine revolutionäre Perspektive. Angesichts des permanenten Kriegszustandes kann sich die Arbeiter_Innenklasse nicht auf Kämpfe in (kaum) vorhandenen Betrieben konzentrieren, sondern muss vielmehr ein Programm für den Sieg der fortschrittlichen Kräfte im Bürgerkrieg vertreten, um die Führung den reaktionären, bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräften zu entreißen. Dazu braucht es eine revolutionäre Arbeiter_Innenpartei.
Unsere ungeteilte Solidarität gilt daher allen fortschrittlichen, säkularen und demokratischen Kräften der syrischen Revolution! Ihre Ziele sind klar die Absetzung des Diktators, der Abzug ausländischer Truppen, die Vertreibung der Islamist_Innen und die Schaffung eines neuen Syriens. Das bedeutet auch die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes des kurdischen Volkes (einschließlich des Rechts auf Unabhängigkeit, sofern es das wünscht). Dabei dürfen keine Kompromisse gemacht werden!
Zugleich müssen wir stets die Klassenfrage stellen und uns bewusst machen, dass nur eine Massenbewegung der Arbeiter_Innen zusammen mit der Jugend und den Bäuer_Innen die nötige Kraft hat, um diese Forderungen umzusetzen und ein System zu erkämpfen, in dem sie dauerhaft verwirklicht werden. Die fortschrittlichen Kräfte in Syrien müssen sich dabei mit allen progressiven Kräften, Revolutionen und Widerstandsbewegungen in der Region vereinigen, denn nur über die Staatsgrenzen hinweg, und indem die demokratische Revolution zu einer sozialistischen wird, kann eine starke Bewegung der Unterdrückten geschaffen und der Kampf für eine Föderation Sozialistischer Staaten im Nahen und Mittleren Osten begonnen werden.





Syrien zwischen Waffenstillstand und Eskalation

Reaktionärer Vormarsch oder permanente Revolution


VON MARVIN SCHUTT


Waffenstillstand hier, Waffenstillstand dort: was aktuell in Syrien passiert, ist entgegen den allgegenwärtigen Bekundungen der beteiligten Kriegsparteien alles andere als eine „Friedenslösung“. Stattdessen scheinen sich neue Frontverläufe abzuzeichnen. Entweder droht eine reaktionäre Befriedung von oben durch die Großmächte oder eine Fortsetzung, ja Eskalation, durch die Einflussnahme von Regionalmächten wie Saudi-Arabien oder der Türkei. Die verbliebenen Kräfte der syrischen Revolution, jene, die für ein demokratisches, säkulares Syrien, frei von Ausbeutung und imperialistischer Einmischung, kämpfen, stehen mit dem Rücken zu Wand.


Aleppo


Erst vor kurzem hat das Bündnis aus den Assad-treuen syrischen Regierungstruppen, der libanesischen Hisbollah und schiitischen Milizen aus dem Irak einen militärischen Vorstoß auf die von Anti-Assad-Kräften kontrollierte Stadt Aleppo gewagt. Ziel dieses Angriffes war es wohl, die Stadt von außen nach und nach einzukreisen, die Opposition strategisch zu schwächen – unter Inkaufnahme des Aushungerns der Bevölkerung.
Nachdem das syrische Regime durch den Kriegseintritt Russlands im September 2015 wieder neuen Rückenwind bekommen hat, scheint es nun die Strategie zu verfolgen, sein kontrolliertes Gebiet durch neue militärische Vorstöße im Schatten russischer Luftangriffe auszuweiten und sich vor allem die größte syrische Stadt Aleppo als wichtiges soziales und wirtschaftliches Zentrum unter den Nagel zu reißen.
Für die syrische Regierung und ihre Verbündeten dienen „Waffenstillstand“ und „Friedensverhandlungen“ daher dazu, die erzielten Geländegewinne zu festigen und so – ob nun unter Einbeziehung pro-imperialistischer oder kapitulierender Oppositionführungen oder nicht – den Fortbestand des aktuellen Regimes und v.a. des Staats- und Herrschaftsapparates zu sichern.


Rojava


Im Norden Syriens gelang es den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG/YPJ), zwei der kurdischen Autonomieregionen durch einen militärischen Vorstoß miteinander zu verbinden. Die neuen Gebietsgewinne und die, wenn auch begrenzten, demokratischen und antisexistischen Fortschritte, die in diesen Gebieten (auf Kurdisch: Rojava) unter Führung der kurdischen Partei PYD (dem syrischen Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK) erreicht wurden, sind jedoch ein dicker Dorn im Auge des türkischen Staates.
Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den IS führte die Türkei zahlreiche Bombardements auf kurdische Städte in Rojava durch, welche hunderte von zivilen Todesopfern forderten. Noch zorniger wurde der türkische Präsident Erdogan, als die USA offen ihre Unterstützung für die kurdischen Kampfeinheiten YPG/YPJ aussprachen. Auf den empörten Protest Erdogans antwortete das US-Außenministerium jedoch beschwichtigend, dass die USA das Vorgehen der türkischen Truppen gegen die Kurd_Innen im eigenen Land unterstützen, sie die PKK in Syrien jedoch als „effektive Streitkräfte im Kampf gegen den Daesch (IS) und bei der Eroberung und Rückeroberung von Territorien“ betrachten würden. Die USA scheinen sich also einen Scheiß um die kurdische Bewegung zu scheren, die sich gerade in der Türkei gegen die massive Repression des Staates und in Syrien gegen den IS als auch gegen die türkischen Luftangriffe verteidigen muss. Stattdessen scheinen sie die PYD als temporären militärischen Bündnispartner zu betrachten.
Zu Gute kommt ihnen dabei wahrscheinlich der Nationalismus der PYD, der nur auf die Errichtung kurdischer Autonomiegebiete abzielt und sich ansonsten auf keine Seite im syrischen Bürger_Innenkrieg schlägt. Klar ist jedoch, dass Rojava mit all seinen Fortschritten nur durch die syrische Revolution aufgebaut werden konnte und auch seine Zukunft vom Verlauf des Krieges und dem Sieg der Revolution abhängt.


Zwischen Befriedung und Eskalation


Die militärischen Erfolge der Pro-Assad-Koalition aus Russland, Iran und Hisbollah ließen die Regionalmächte Saudi-Arabien und Türkei, die seit Jahren mit hohem Kostenaufwand die erz-islamistischen und reaktionärsten Kräfte in der Bewegung gegen Assad unterstützen, nun offen darüber nachdenken, direkt in den Krieg zu intervenieren. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar gaben sie zu verstehen, dass sie den Einsatz eigener Bodentruppen in Erwägung ziehen würden.
Ein solches Szenario würde eine unausweichliche militärische Konfrontation mit Assads Truppen, dem Iran und Russland bedeuten. Obwohl die USA das Ziel der Absetzung von Assad längst abgeschrieben haben und aktuell nur noch auf einen Übergang mit Assad hinarbeiten, könnte ein direkter Kriegseintritt Saudi-Arabiens und der Türkei auch den Einsatz von US-amerikanischen Bodentruppen provozieren. In diesem Falle käme es zur direkten militärischen Konfrontation zwischen den USA und Russland, den beiden größten Atommächten der Welt.


Long live the Syrian Revolution!


Die neuesten Ereignisse im syrischen Bürger_Innenkrieg sollten uns die große Gefahr der weiteren Eskalation des Krieges, die Dringlichkeit der Lage und die Notwendigkeit einer internationalen Anti-Kriegsbewegung aufzeigen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass Syrien nicht nur eine riesige humanitäre Katastrophe mit über 250.000 Toten und 7,6 Millionen Vertriebenen darstellt, sondern als eine Revolution im Zuge des Arabischen Frühlings begonnen hat.
Die Massenbewegung, die 2011 gegen den Diktator Assad und seine neoliberalen Wirtschaftsreformen auf der Straße war, wurde vom syrischen Regime und seinen Verbündeten brutal zurückgeschlagen und in die Defensive gedrängt. Ihre Rufe nach Demokratie und Menschenrechten sind dennoch nicht erloschen!
Joseph Daher, ein Aktivist der Gruppe Syrian Revolutionary Left Current (Syrische Revolutionäre Linke Strömung), erklärte auf den Internationalismustagen der Neuen Antikapitalistischen Organisation (NAO), dass sich die syrische Revolution aktuell zwei Konterrevolutionen gegenübergestellt sähe: dem Assad-Regime und dem Islamismus. Beide Konterrevolutionen haben starke Verbündete und wurden vor allem durch die Interventionen der beteiligten Regional- und Imperialmächte angeheizt. Doch wie können wir, Lohnabhängige und Jugendliche in Deutschland, angesichts des eskalierenden Krieges und der Massen von unschuldigen Toten die syrische Revolution anheizen? Unsere Waffe muss vor allem die internationale Solidarität sein! Dabei gilt die Devise: Nicht nur quatschen, sondern handeln!
Hier in Deutschland müssen wir vor allem gegen die Beteiligung des deutschen Imperialismus am syrischen Bürgerkrieg auf die Straße gehen und den Abzug aller ausländischen Truppen fordern. Ebenso müssen wir uns dafür einsetzen, dass keine syrischen Geflüchteten mehr in türkischen Internierungslagern festsitzen oder durch Frontex und Co. an der Flucht gehindert werden. Wir müssen deshalb ebenso für die Öffnung der EU-Grenzen und die freie Versorgung der Geflüchteten mit Bildung, Arbeit, Wohnraum, Gesundheits- und Wohlfahrtsleistungen eintreten.


Verwirrte Linke?!


Dass die syrische Revolution noch nicht gescheitert ist, scheinen viele Linke vergessen zu haben. Während sich die stalinistische Linke teilweise bedingungslos mit Assad solidarisiert und für die Niederschlagung der Revolution eintritt, konzentrieren sich andere Linke allein auf Solidaritätsbekundungen zu Rojava und halten zu allen anderen Fragen die Klappe.
Auch eine Verhandlungslösung, wie sie zum Beispiel die Linkspartei vorschlägt, bedeutet letztendlich die Niederlage der syrischen Revolution. Denn, wenn sich alle beteiligten Mächte an einen Tisch setzen und sich den Kuchen aufteilen, geschieht das vor allem auf dem Rücken der syrischen Bevölkerung und rückt die Ziele der Revolution in weite Ferne. Auch die ökonomistische Konzentration auf reine „Arbeiter_Innenforderungen“ – in Wirklichkeit auf reine gewerkschaftliche und soziale Verbesserungen, bietet keine revolutionäre Perspektive. Angesichts des permanenten Kriegszustandes kann sich die Arbeiter_Innenklasse nicht auf Kämpfe in (kaum) vorhandenen Betrieben konzentrieren, sondern muss vielmehr ein Programm für den Sieg der fortschrittlichen Kräfte im Bürgerkrieg vertreten, um die Führung den reaktionären, bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräften zu entreißen. Dazu braucht es eine revolutionäre Arbeiter_Innenpartei.
Unsere ungeteilte Solidarität gilt daher allen fortschrittlichen, säkularen und demokratischen Kräften der syrischen Revolution! Ihre Ziele sind klar die Absetzung des Diktators, der Abzug ausländischer Truppen, die Vertreibung der Islamist_Innen und die Schaffung eines neuen Syriens. Das bedeutet auch die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes des kurdischen Volkes (einschließlich des Rechts auf Unabhängigkeit, sofern es das wünscht). Dabei dürfen keine Kompromisse gemacht werden!
Zugleich müssen wir stets die Klassenfrage stellen und uns bewusst machen, dass nur eine Massenbewegung der Arbeiter_Innen zusammen mit der Jugend und den Bäuer_Innen die nötige Kraft hat, um diese Forderungen umzusetzen und ein System zu erkämpfen, in dem sie dauerhaft verwirklicht werden. Die fortschrittlichen Kräfte in Syrien müssen sich dabei mit allen progressiven Kräften, Revolutionen und Widerstandsbewegungen in der Region vereinigen, denn nur über die Staatsgrenzen hinweg, und indem die demokratische Revolution zu einer sozialistischen wird, kann eine starke Bewegung der Unterdrückten geschaffen und der Kampf für eine Föderation Sozialistischer Staaten im Nahen und Mittleren Osten begonnen werden.





Und wieder die Gewaltfrage – ein Kommentar anlässlich der Ausschreitungen in Arnheim (USA)

VON GEORG ISMAEL


Am Samstag, den 27. März, fand in Arnheim, einer traditionellen Hochburg des Ku Klux Klans in den USA, eine Demonstration des KKK statt. Oder besser gesagt: sie war geplant, denn bereits nach kurzer Zeit trafen Gegendemonstranten und Faschist_Innen aufeinander. Die Medien berichten über 3 Menschen, die mit Messer angegriffen wurden und wohl 13 Verhaftungen.


Auch gibt es bereits etliche Stimmen, die fragen, warum die Polizei nicht stärker vertreten war, um die KKK Mitglieder und die Gegenproteste voneinander abzuhalten. Doch das ist die falsche Frage für Antirassist_Innen und Revolutionär_Innen – nicht nur in den USA, auch brandaktuell in Deutschland.


Insbesondere in den USA, wo die Polizei nicht nur täglich Schwarze erschießt und berüchtigt für ihren institutionellen Rassismus ist, wo paramilitärischen SWAT Einheiten mit Panzern durch die Ghettos der schwarzen Armut und Arbeiter_Innen patrouillieren, mit der Arroganz einer Besatzungsmacht, ist es besonders klar: Rassismus ist und bleibt eine Klassenfrage.


Jene, die mit rassistischer Propaganda, nicht nur des Wortes, sondern auch der Tat, beflügelt durch den rechtspopulistischen Wahlkampf von Donald Trump, auf die Straßen strömen fordern in Wirklichkeit nicht ein grundlegend anderes gesellschaftliches Gefüge; sie fordern von eben diesem Staat, mit noch härteren Maßnahmen vorzugehen. Der Staat ist eben keine neutrale Institution; die Polizei ohnedies nicht. Im Zweifelsfall wird er sich auf die Seite jener schlagen, die für die Reaktion stehen, anstatt auf die jener, die auf der Seite der multiethnischen Arbeiter_Innenklasse, geschweige denn auf der Seite der Revolution, stehen.


Doch selbst wenn man nicht glaubt, dass der Staat nicht neutral ist. Die Faschist_Innen sind es sicher nicht. Solange die Rassist_Innen und ihr bewaffneter Kern um die Faschist_Innen nicht stark genug sind, um aus eigener Kraft die Straßen zu erobern, werden sie die Intervention des Staates nutzen, um mit sicherem Geleit Angst und Schrecken zu verbreiten und ihre wöchentlichen „Machtdemonstrationen“, wie hierzulande u.a. in Dresden oder Leipzig, durchzuführen.


Sobald sie stark genug sind, werden sie die Polizei oder Armee nicht nur ignorieren, wenn sie gegen die Linke, die multiethnische Arbeiter_Innenbewegung und Andersdenkende schlagen, sondern werden auch die Waffen, die sie indirekt oder direkt vom Staat und den Kapitalist_Innen erhalten, nutzen. Sie werden ihre Verbindungen zu Offizieren und Polizeihauptmeistern nutzen, die der Arbeiter_Innenbewegung aus Prinzip und innerer Logik des Systems versperrt sind. Der NSU und tagtäglich brennende Flüchtlingsheime sind dafür der beste Beweis.


Wir sollten uns also nicht die Frage stellen, warum es so wenig „Polizeischutz“ bei den Vorfällen in Clausnitz vom 20.01.2016 gab, sondern was wir aus diesen Ereignissen lernen können.


Wessen Gewalt?


Mit Sicherheit sind derartige Auseinandersetzungen ein Schock, auch für viele sich militant gebende Linke in der westlichen Hemisphäre. In einem Großteil der Welt sind solche Auseinandersetzungen jedoch täglich Realität und diese Realität rückt näher an unser Leben mit jedem Tag. Die Ukraine und die Klassenkämpfe im Süden Europas, der Türkei oder Syrien zeigen das eindeutig.


Aber nicht nur manch Linker mag geschockt sein; auch die Mitglieder des Ku Klux Klans sind es mit Sicherheit. Viele werden sich bei kommenden Protesten zweimal überlegen, ob sie in schwacher Zahlenstärke überhaupt erscheinen sollten. Die Gewalt ist hier also ein vollkommen legitimes Mittel der Einschüchterung der Faschist_Innen.


Wir sollten klar und entschlossen jene zurückweisen, die sich gegen Gewalt aussprechen, nur um im selben Atemzug die Gewalt der Polizei und des Staates einzufordern, um in Zukunft „für Ordnung“ zu sorgen. Wir kennen diese „Ordnung“ nur zu gut. Sei es die Ordnung in den USA, gegen die die Black Lives Matter Bewegung auf die Straßen ging, oder sei es die Ordnung in Deutschland. Ein Donald Trump tut sein Übriges um diese Ordnung zu veranschaulichen, wenn er ankündigt eine „big fat wall“ zur Grenze Mexikos errichten zu lassen und fordert „to let the mexicans pay for it“.


Auf diese Gewalt können wir getrost verzichten. Wenn wir uns nun aber der Gewalt der Faschist_Innen entgegenstellen wollen, sind dies die entscheidenden Fragen:


Wie können die Gegenproteste größer werden, die Gewerkschaften für sie gewonnen werden und eigene Schutzeinheiten der antirassistischen Bewegung und der Arbeiter_Innenorganisationen aufgestellt werden, um sicherzustellen, dass falls Blut fließen sollte, weil die Faschist_Innen eine Auseinandersetzung provozieren, es nicht das Blut unserer Bewegung ist?


Um mit einem weiteren Mythos aufzuräumen: Gewalt erzeugt nicht immer Gegengewalt. Nur dann, wenn man sich nicht unterdrücken lassen will, wird sich zur Wehr gesetzt. Das Problem ist also nicht, ob es Gewalt braucht oder nicht. Es fragt sich, welche Gewalt ist die der Unterdrücker_Innen zur Aufrechterhaltung ihrer Macht und welche Gewalt die der Unterdrückten zu ihrer Befreiung ist. Die Frage in diesem Zusammenhang zu stellen, heißt bereits sie zu beantworten.


Auch ohne die politischen Programme von rechtspopulistischen Parteien wie der AfD, oder milliardenschweren Präsidentschaftskandidaten wie Donald Trump zu kennen, wissen viele klassenbewusste Arbeiter_Innen und Jugendliche, dass diese Kräfte nicht nur rassistisch spalten. Sobald sie an die Macht kommen, werden sie sich auch gegen die sozialen Interessen „des kleinen Mannes“ (und insbesondere auch der Frauen) einsetzen, für die sie angeblich stehen. Eine genauere Betrachtung der unterschiedlichen Parteien und ihrer Programme ist an dieser Stelle nicht möglich. Aber allein die Tatsache, dass die AfD den ohnedies geringen Mindestlohn ablehnt, als auch für weitere Steuersenkungen der Reichen eintritt, zeigt deutlich im Namen welcher Klasse Parteien wie diese sprechen.


Zu der Erkenntnis, dass Gegenwehr nötig ist, kommt also die Wichtigkeit diese Gegenwehr auch auf soziale Interessen der Arbeiter_Innen, der städtischen Armut und Jugendlichen zu stützen, die nicht nur ein politisches, sondern auch soziales Interesse am Kampf gegen Rassismus und Faschist_Innen haben.


Faschismus = Dummheit?


Reaktionäre Ideen als Massenphänomen und durch Bewegungen ausgedrückt kommen eben nicht durch einen Mangel an Bildung auf. Auch wenn dieser sicherlich immer ein Problem in kapitalistischen Gesellschaften ist – insbesondere für jene Klassen, die sich keinen Bildungszugang leisten können. Wäre dies der Fall, könnte man die bürgerliche Demokratie als ein geschichtliches Unding aus Theorie und Praxis der heutigen Gesellschaft entsorgen. Die Menschen im dritten Reich unter Mussolini oder Franco waren auch nicht weniger klug oder dumm, als die Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ebenso wenig sind die Menschen heute grundlegend „dümmer“ als zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Man sollte im übrigen den Rassist_Innen und Faschist_Innen auch nicht den Gefallen tun, ihrer Bewegungen zu unterstellen, sie hätte keine Strategen und schlaue Hintermänner und Frauen und somit einen ernstzunehmenden Gegner unterschätzen.


Derartige Bewegungen entstehen, weil das soziale Gefüge in Erschütterung gerät. Insbesondere jene Schichten, die zwischen Kapital und Arbeit (Kleinbürgertum) stehen, oder sich nicht bewusst der Arbeiter_Innenklasse zugehörig fühlen, neigen besonders dazu ihren Neid auf „die da Oben“ in einen praktischen Hass „auf die da Unten“ zu verwandeln. Es handelt sich also nicht um ein Problem der Bildung, sondern um eine Frage von politischem Klassenbewusstsein.


Wenn dieser Hass auf „die da Unten“ mit Messern und bewaffnet geschieht helfen natürlich die besten politischen Argumente alleine nicht, sondern nur entschlossene Gegenwehr. Diese Gegenwehr sollte aber von einer Bewegung ausgehen, die ihre eigenen Kräfte aus der Mobilisierung im Sinne der sozialen Interessen der Arbeiter_Innen und ihrer Verbündeten zieht. Eine inhaltsentleerte Verteidigung „der Demokratie“ (der Kapitalisten), die von der herrschenden Klasse eben in Zeiten der Krise zunehmend ausgehöhlt wird und in die tatsächlich so demokratisch ist, dass ein kleiner Bruchteil der Gesellschaft den Großteil des gesellschaftlichen Reichtums besitzt, ist dabei wenig hilfreich.


Auch Fragen, wie die nach Wohnraum, Arbeit, Lohn und sozialer Ungerechtigkeit sind berechtigte Fragen. Im Gegensatz zu den Rassist_Innen geht es uns aber nicht darum, diese realen Probleme auf die Geflüchteten, Migrant_Innen, Schwarze oder Sündenböcke jedweder Art abzuwälzen. Wir wollen die Demagogie der Rassist_Innen und Faschist_Innen aufzuzeigen. Wir wollen nicht nur gegen sie, sondern auch gegen die Verursacher_Innen dieser kapitalistischen Probleme vorgehen.


Das heißt nicht nur abstrakt den Kommunismus zu fordern – natürlich eine grundlegend richtige Sache – , sondern auch im hier und jetzt für die Umsetzung konkreter und unmittelbarer Forderungen einzutreten. Kommunist_Innen sollten dies entschlossen tun und hier kein Blatt vor den Mund nehmen. Sie sollten es aber in einer Einheitsfront, der breitest möglichen Aktionseinheit mit den Gewerkschaften, Parteien wie der LINKEN und jenen Kräften der SPD, die dazu bereit sind, als auch der „radikalen Linken“ und der Geflüchtetenbewegung im Kampf gegen die faschistische und rassistische
Bewegung tun. Denn sollten diese erst einmal die Straße oder gar den Staatsapparat kontrollieren, wären nicht nur Fragen von unmittelbaren sozialen Reformen, sondern auch die vom Kommunismus in umso weitere Ferne gerückt.


Verteidigung und Offensive


Zusammenfassend kann Folgendes gesagt werden: die Verteidigung mit allen erforderlichen Mitteln gegen Faschist_Innen und Rassis_tInnen ist nicht nur legitim, sie ist auch nötig. Der Aufbau von Selbstverteidigungsstrukturen und vom Saalschutz bei Veranstaltungen stellen sich unmittelbar. In Städten wie Leipzig zeigt sich das besonders deutlich. Demonstrationen müssen ihre Blöcke schützen und auch auf bewaffnete Angriffe vorbereitet sein; vor allem müssen sie aber breit mobilisiert sein. Die größte Militanz schafft keinen Schutz vor einem zahlenmässig überlegenen Gegner. Auch gehört Selbstverteidigung und ein organisiertes Vorgehen geübt. Daher sollten Linke in den Gewerkschaften, in Schulen und Universitäten die Forderung aufstellen an Arbeits- und Bildungsplatz, in der Unterrichts- bzw. Arbeitszeit, unter Anleitung der Organisationen der Arbeiter_Innnenbewegung Selbstverteidigungstrainings durchführen zu können. Im Zweifelsfall kann dies auch außerhalb dieser Zeiten, aber in der Umgebung dieser Institutionen durchgeführt werden. Unsere Schulen, Betriebe und Universitäten sollten wortwörtlich Bastionen im Kampf gegen die Faschist_Innen sein.


Dies ist umso dringender, da gerade die Faschist_Innen es schon immer besser verstanden haben, als manch Zentrist_In oder Reformist_In, die Schärfe des Klassenkampfes nicht nur mit deutlichen, aber natürlich mit resktionären Parolen, anzusprechen, sondern auch praktisch entschlossen durchzuführen. Man schaue nur auf die Aktivitäten rechter Milizen in den USA, oder den Versuch reaktionäre Bürgerwehren in Deutschland zu gründen.


Wenn wir dem etwas entgegenhalten wollen müssen wir nicht nur Gegenwehr aufbauen. Diese Gegenwehr muss auch mit einer möglichst großen Breite einhergehen. Diese Breite, wie auch der Kampf gegen Rassismus und Faschismus, ergeben sich aber eben aus dem Kapitalismus und insbesondere seinen Krisen. Unser Kampf kann also nicht auf „bürgerlich demokratische“ Art und Weise, und auch nicht mit dem Bürgertum gewonnen werden (eine zahlenmäßig ohnedies schwache Kraft). Wir brauchen die Einheit der Arbeiter_Innenorganisationen. Dass diese zum Teil über bürgerliche Führungen verfügen, macht ihre aber im übrigen noch nicht zu „Bürgerlichen“, wie manchmal schnippisch selbst von Linksparteimitgliedern beispielsweise auf Gewerkschaftsaktionen gegen Faschist_Innen bezogen.


Nun gut, wenn aber die Führungen dieser Arbeiter_Innenorganisationen nicht nur wichtige soziale und politische Forderungen, sondern auch die dafür nötigen Kampfmittel nicht benennen, sollten Kommunist_Innen diese in der gemeinsamen Aktion umso entschlossener aufwerfen. Unmittelbar dringende Reformfragen, wie die Verteidigung des Mindestlohns, seiner Ausweitung und Erhöhung oder der massive Bau von neuen Wohnungen, finanziert durch die Besteuerung von Reichtum und Kapital, sollten hier aber klar mit der Frage der Kontrolle über diese Maßnahmen durch die Arbeiter_Innenbewegung verbunden werden. Letztlich gekrönt durch ein System von Übergangsforderungen, heißt ein Programm nicht nur zur Bekämpfung der rassistischen und faschistischen Bewegungen, sondern auch des bürgerlichen Staates unter Kapitalist_Innen, der gesellschaftlichen Grundlage für diese Misere.


Denn in einem haben manche Kritiker der Gewaltfrage recht. Die Auseinandersetzung wird nicht ohne Argumente und gute Forderungen gewonnen. Wer aber diese Argumente nicht durch die eigene Bewegung verteidigen will, sondern die Hoffnungen in Polizei und bürgerlichen Staat legt, der bewaffnet im wahrsten Sinne des Wortes die Gegner unserer Bewegung in entscheidenden historischen Situationen wie diesen.


Die Gegendemonstrant_Innen in Arnheim haben diese simple Tatsache scheinbar verstanden. Denn eine wichtige Tatsache, die in den bürgerlichen Medien keine Rolle spielt, sollte uns dringend interessieren: Der Aufmarsch des Ku Klux Klans fand nicht statt.





Solidarität mit den Studierendenprotesten

Solidaritätserklärung von REVOLUTION


Wir von REVOLUTION, einer international-kommunistischen Jugendorganisation, sprechen unsere volle Solidarität mit den Studierende der Jawaharlal Nehru Universität (JNU) gegen die Verhaftung des Präsidenten der JNU Studierendengewerkschaft Kanhaiya Kumar am 12. Februar sowie das – auf Anordnung der BJP-Regierung von Narendra Modi – Eindringen der Polizei in die JNU-Universität aus. Wir verurteilen die Polizeigewalt gegen die Studierenden und fordern die sofortige Rücknahme aller Anklagen gegen Kanhaiya Kumar.


Die Schläger der RSS (einer rechtsextremistischen, hindu-chauvinistischen Organisation) haben Studierenden körperlich angegriffen sowie eingeschüchtert. JournalistInnen erging es ähnlich bei dem Versuch, von den Ereignissen zu berichten. Die Studierenden der JNU, vorwiegend links bzw. linksliberal, stellten zum wiederholten Male das Ziel von Attacken seitens der Medien dar. Diese verbreiten Lügen und falsche Propaganda gegen die Studierenden und stellen sie als „anti-indisch“ dar. Allgemein gesehen, stellt dies eine Reaktion auf die starke Studierendenbewegung dar, welche sich in Indien derzeit entwickelt. Eine Bewegung, welche den Willen und den Mut der Studierenden demonstriert, für ihre Rechte zu kämpfen, welche von der Modi-Regierung angegriffen werden.


Die Proteste waren gegen die gerichtlich verfügte Hinrichtung von Afzal Guru gerichtet, welcher wegen eines Angriffs auf das indische Parlament verurteilt wurde. Dies wirft ebenso die Frage der unterdrückten Nation Kaschmir auf, welche für ihre Unabhängigkeit kämpft. Es war ein friedlicher Protest, jedoch fürchtet sich die neoliberale Modi-Regierung vor allen oppositionellen Bewegungen, greift sie doch immer stärker die Rechte der Arbeiter_Innenklasse, der Armen und Unterdrückten an. Letztes Jahr sahen wir schon den größten Arbeiter_Innenstreik in der Geschichte Indiens.


Andere Institutionen, wie das Indische Film- und Fernsehinstitut (FTII) und die Hyderabad Universität, sahen sich ähnlichen Einschüchterungen und Gewalt ausgesetzt. Das Gleiche trifft auf die Belästigungen von Dalit-Studierenden zu, welche zum tragischen Selbstmord des Aktivisten der Ambedkar-Studierendenvereinigung, Rohith Vemula, führte.


Wir lehnen die Reaktion der indischen Regierung auf die Studierendenproteste ausdrücklich ab und rufen die Gewerkschaften, Arbeiter_Innenparteien und Bauern_Bäuerinnenorganisationen dazu auf, ihre demokratischen Rechte zu verteidigen und die Studierendenbewegung zu unterstützen.


Die bösartigen Attacken des Staates und der RSS-Schlägertruppen demonstrieren die Realität, welche hinter den Institutionen der bürgerlichen Demokratie liegt, wenn Studierende, demokratische Kräfte sowie Kräfte der Arbeiter_Innenklasse versuchen, für ihre eigenen Forderungen zu kämpfen. Sie müssen selbst für die Rechte kämpfen, welche ihnen formell garantiert werden. Sie erleiden Repression und Verleumdung von Seiten der Unternehmermedien. Dies nicht nur wegen der demokratischen Themen, welche von ihnen aufgegriffen werden, sondern auch, weil die indische herrschende Klasse, sowie die hindu-chauvinistische Regierung Angst davor hat, die Studierenden könnten sich mit den Millionen und Abermillionen von Arbeiter_Innen und Bauern_Bäuerinnen sowie den unterdrückten Sektoren wie den Dalits, den unterdrückten Nationen sowie den Kämpfen der Frauen um ihre Rechte zusammenschließen.


Was sie fürchten, zeigt uns den Weg vorwärts – den vereinten Kampf aller Unterdrückten, in welchem sich die Arbeiter_Innenklasse an die Spitze einer Bewegung stellt, die für eine andere Gesellschaft – eine sozialistische – kämpft.


  • Sofortige Freilassung von Kanhaiya Kumar und allen anderen verhafteten Studierenden!
  • Polizei und Sicherheitskräfte raus aus den Universitäten!
  • Verteidigt demokratische Rechte! Für freies Versammlungs-, Protest-, Streik- und Besetzungsrecht
  • Organisierte Selbstverteidigung der Massen gegen Repressionen von Seiten der Polizei, RSS-Schlägertruppen und anderen rechten und chauvinistischen Kräften!
  • Verbindet den Kampf der Studierenden mit denen der Arbeiter_Innenklasse, Bauern_Bäuerinnen, den Dalits und national Unterdrückten!


In ihren mutigen Auseinandersetzungen verdienen und benötigen die indischen Studierenden, Arbeiter_Innen und Armen die Solidarität der Arbeiter_Innenbewegung weltweit. Wir rufen alle Gewerkschaften, Arbeiter_Innenparteien und -organisationen, Studierendengewerkschaften sowie -vereine und die gesamte Linke dazu auf, zu ihrer Unterstützung zu mobilisieren. Übermittelt Solidaritätserklärungen an die indische Studierendenbewegung, sendet Protestbriefe an die indischen Behörden und organisiert weltweite Kundgebungen vor den Botschaften! Der Kampf der indischen Studierenden sollte Inspiration für uns alle sein, ein lebendes Beispiel für den Widerstand gegen „unsere“ Regierungen, gegen Imperialismus, Ausbeutung und Unterdrückung.



Hoch die internationale Solidarität