Haushaltssperre für Berlin – Wer fällt ins Milliardenloch?

von Ben J., Oktober 2024

Drei Milliarden Euro fehlen Berlin für 2025. 2026 kommen nochmal 1,8 Milliarden Euro dazu. Als Antwort darauf beschlossen CDU und SPD vor knapp einem Monat eine Haushaltssperre, um dieses Milliardenloch zu stopfen. Betroffen sind in erster Linie Schulen, die zum Beispiel für das nächste Jahr keine Klassenfahrten buchen dürfen, Kitas, der ÖPNV und in naher Zukunft wohl auch den Klimaschutz. Bezahlen für die Krise sollen mal wieder nicht die Verursacher:innen, sondern wir als Arbeiter:innen und Jugendlichen.

Politische Ursachen

Die Grundlage für den knappen Haushalt liegt in der Schuldenbremse, durch die es weniger Geld für Kommunen und Länder gibt. Diese Schuldenbremse dient dabei dazu, das neoliberale Ideal des „Schlanken Starts“ zu verwirklichen, um so wenig wie möglich der Kapitalgewinne (in Form von Steuern) in öffentliche Dienste zu stecken. Stattdessen soll versucht aus diesen in Form von Privatisierungen Gewinn zu schlagen. Wozu das führen kann zeigt die katastrophale Lage des zu guten Teilen privatisierten Gesundheitssystems sehr eindrucksvoll.

Diese bundesweit aufgezwungene Sparpolitik hält die Berliner Regierung jedoch nicht davon ab Geld unnötig aus dem Fenster zu werfen. Für verschiedene Prestigeprojekte wie “Berlin Olympia 2036”, dass mal lockere vier Milliarden Euro allein für die Organisation kosten würde, oder die Kotti-Wache, welche anstatt geplante 250.000 Euro ganze 4,2 Millionen gekostet hat. Oder der hoch umstrittene Zaun um den Görlitzer Park, welcher voraussichtlich 800.000 Euro kosten soll, oder aber, wenn wir uns das übliche Verhältnis von Kostenvoranschlag und realen Kosten in Deutschland und besonders Berlin anschauen, auch gerne mal das fünffache. Beides, Kotti-Wache wie Görli Zaun, sind Mittel der staatlichen Repression, die wir auch im Zuge des Olympia Projekts um das wirklich niemand gebeten hat weiter steigen sehen dürften. Vielleicht erinnern sich manche noch, wie die Hauptstadt einer anderen europäischen Großmacht, Paris, erst dieses Jahr in Vorbereitung auf die Sport-Prestige-Party mit Wohnungslosen umgegangen ist. Sowas ähnlich dürfte uns wohl auch Olympia 2036 bringen.

Ganz generell merkt man: der rechte Bürgermeister Kai Wegner geizt bei allem, außer bei der Polizei, die fette Budgetsteigerungen erhält. Schließlich muss er seinen kleinbürgerlich-konservativen Stadtrand-Wähler:innen zeigen, dass er sein Wahlversprechen einhält: In den Bezirken wo er mehrheitlich nicht gewählt wurde für „Recht und Ordnung“ sorgen. Berlin reiht sich dabei nahtlos ein, in die bundesweite Haushaltspolitik, wo immer mehr für die Aufrüstung der Bundeswehr ausgegeben wird. 72 Milliarden Euro hat Deutschland alleine dieses Jahr ins Militär gesteckt. Gleichzeitig wird auch bundesweit an allen anderen Ecken gespart. Butter und Kanonen, so hieß es einst, kann man sich eben nicht beides leisten. In Berlin gilt das selbe für Polizeiknüppel und Kitaplätze.

Ausdruck von Krise, Rechtsruck und wie wir dagegen kämpfen können

Sparmaßnahmen wie diese sind Ausdruck der strukturellen Krise des Kapitalismus. Diese soll wie immer von Armen, Arbeiter:innen und Jugendlichen ausgebadet werden, obwohl bei den Reichen mehr als genug Geld Staub ansammelt. Aber warum gibt es keine Massenbewegung dagegen, von denen die mit Polizeiknüppeln und Panzern wenig anfangen können und stattdessen genug zu essen, zu heizen und vernünftige Bildung wollen? Von uns Arbeiter:innen und Jugendlichen?

Grund dafür ist die Führungskrise der Arbeiter:innenklasse, welche für wenig Widerstand gegen den Rechtsruck sorgt. Die reformistische Arbeiter:innen-Partei „Die Linke“ in Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür, denn statt dass sie sich klar gegen den Kapitalismus stellt und gegen diesen ankämpft, meint ihre Führung mit ihren reformistischen Minimalforderungen genug zu tun um die Interessen der proletarischen Wähler:innen zu erfüllen. Kommen sie dann einmal an die Regierung, verraten sie jedoch in der Regel auch diese. Ein gutes Beispiel dafür in Berlin ist die Hinhaltepolitik gegenüber dem erfolgreichen „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“-Volksentscheid, die Klaus Lederers Linkspartei aktiv mitgetragen hat, nachdem sie sich zuvor im Wahlkampf als schärfste Verfechterin des Volksentscheids dargestellt hatte. Dieser Verrat der reformistischen Parteien, sowie auch der Gewerkschaftsführungen, und die darauf folgende Enttäuschung ihrer traditionellen Basis, gibt Rechtspopulist:innen wie der AfD die Grundlage dafür, die zwar berechtigte aber planlose Wut unter den Arbeiter:innen und Armen aufzugreifen und von der herrschenden Klasse weg gegen besondern marginalisierte Gruppen, wie Arbeitslose und Migrant:innen, zu lenken. Das wiederum schwächt die Arbeiter:innen weiter, weil sie so auf Basis von rassistischen oder chauvinistischen Kriterien gespalten werden und noch weniger gemeinsame Kampfkraft entfalten können.

Das kann nur gebrochen werden, wenn wir als Kommunist:innen es schaffen, die Arbeiter:innenbewegung zu mobilisieren, in Form einer Einheitsfront zusammen mit reformistischen Parteien und Gewerkschaften, die wir dazu zwingen müssen ihren leeren Worten Taten folgen zu lassen! Die Zusammenarbeit mit bürgerlichen Kräften jedoch, die “Einheit der Demokrat:innen”, mit den Schuldigen der Krise, gilt es von uns entschieden abzulehnen! Sie gießt nur Wasser auf die Mühlen der Rechten und sorgt gleichzeitig effektiv dafür, dass wir die Scheißpolitik der Regierung mittragen. Was es stattdessen braucht, ist die Vernetzungen in Schulen, Unis und Betrieben und gemeinsamen Kampf auf Demos wie bei der Unterstützung von Streiks, wie zum Beispiel bei dem aktuellen Kita Streik in Berlin der kontinuierliche Unterdrückung erfährt.

Wir fordern:

  • Keinen Cent für Polizei und Bundeswehr – 100 Milliarden für Bildung und soziale Projekte!
  • Gegen die deutsche Sparpolitik und die Schuldenbremse – Für ein Programm zur Erfüllung sämtlicher gesellschaftlich nötiger Aufgaben, finanziert durch massive Besteuerung der Reichen und Unternehmen!
  • Wegner muss weg – Für einen Bruch der SPD mit der CDU und den gemeinsamen Kampf mit Linkspartei, Gewerkschaften und revolutionären Kräften gegen die Krise und den Rechtsruck!



Rechtsruck aber niemand auf der Straße?

Von Stephie Murcatto, Oktober 2024

Die AFD befindet sich auf einem historischen Höhenflug. Mit ihrer rechten Rhetorik dominiert sie die deutsche Politik, alle anderen Parteien passen sich an, die CDU rückt mit Friedrich Merz als Kanzlerkandidat und dem neuen Grundsatzprogramm weiter nach rechts und SPD und Co. lassen sich auf eine Diskussion über massive Abschiebewellen ein und fördern diese auch als Teil der Bundesregierung. Bei den letzten Landtagswahlen hat die AFD historische Erfolge erzielt und die Niederlage der Regierungsparteien hat sich verfestigt. Während sich die SPD noch einigermaßen behaupten konnte, sind Grüne und FDP in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, eine rechte Abspaltung der Linkspartei, lässt sich ähnlich wie Bundeskanzler Olaf Scholz auf eine rechte Abschiebedebatte ein und fördert diese aktiv.

Während vor einem halben Jahr noch Hunderttausende gegen die AFD auf die Straße gingen, sind die Straßen heute leer und still. Das meiste, was man sieht, sind die paar hundert üblichen Linken, die sich zu Antifa-Protesten auf der Straße versammeln. Größere Proteste und antirassistische Mobilisierungen gegen die rassistische Abschiebewelle der Bundesregierung hat es bisher nicht gegeben, ebenso wenig wie größere Mobilisierungen gegen die rassistische Rhetorik der AFD, die gerade mit Slogans wie „millionenfach abschieben“ ihren Wahlsieg in Brandenburg feiert. Die einzige größere Mobilisierung in den letzten Monaten, schaffte die #Widersetzen-Struktur, die vor allem durch die Mobilisierung innerhalb der Gewerkschaften einen großen Protest gegen den AfD-Parteitag in Essen organisierte. Die Jugend, die lange als linke Kraft in Erscheinung trat, orientiert sich zunehmend nach rechts und zur AFD. Rassistische Übergriffe auf migrantische Menschen häufen sich und werden in nächster Zeit wohl nicht weniger sondern eher mehr. Man fragt sich, wann wohl das nächste Hanau sein wird.

Aber warum ist niemand auf der Straße? Und warum gewinnt die AfD?

In Deutschland herrscht Krise. Die Reallöhne sinken immer weiter, große Unternehmen wie VW oder die Deutsche Bahn müssen massiv Arbeitsplätze abbauen. Die Inflation lässt die Preise steigen, und Sozialleistungen werden zunehmend gestrichen. Es wird massiv abgeschoben, demokratische Rechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit werden eingeschränkt. All dies geschieht im Kontext mit einer schwachen Linken, die nicht in der Lage ist, gesamtgesellschaftliche Alternativen zum derzeitigen Regierungskurs aufzuzeigen und für soziale Verbesserung und gegen Abschiebungen auf die Straße zu gehen. Dabei fällt immer wieder auf, dass auf aktuelle Probleme und Krisen die Linke keine konkreten Antworten und Lösungsansätze parat hat. Das spielt der AfD in die Hände. Die AfD schafft es, sich als oppositionelle Anti-Regierungspartei darzustellen, während sie in Wirklichkeit nur eine massive Verschärfung der aktuellen Politik der Regierung vertritt.

Die Kräfte, die noch Vertrauen innerhalb der Massen der Arbeiter:innenklasse genießen und eine Alternative zur AfD aufzeigen könnten, verraten ihre Basis. Reformistische Kräfte wie die SPD oder linksliberale Parteien wie die Grünen verfolgen eine Strategie des sogenannten „strategischen Wählens“. Ihr politischer Kampf beschränkt sich darauf, Menschen für Wahlen zu mobilisieren – oft nicht einmal mit ihrem eigenen Programm. So wird beispielsweise in bestimmten Bundesländern oder Regionen dazu aufgerufen, SPD oder gar CDU zu wählen, auch wenn man diese programmatisch gar nicht unterstützt, um der AfD „strategisch“ Wahlerfolge zu verwehren.

Das grundlegende Problem dieser Strategie liegt darin, dass sie auf der Logik des „kleineren Übels“ basiert: Die AfD ist schlimm, und die Ampel oder eine CDU-Regierung ist weniger schlimm – deshalb müsse man für diese stimmen, da es keine echte Alternative gebe. Doch diese Logik verkennt das eigentliche Problem: Es geht nicht darum, wie sich alles etwas langsamer verschlechtert, sondern wie es für die arbeitenden und unterdrückten Menschen tatsächlich besser werden kann. Auch die Beschränkung auf Wahlen als Strategie übersieht, dass Wahlen allein die AfD nicht aufhalten können und dass Wahlen an sich keine Verbesserungen bringen.

Wenn es dann größere Mobilisierungen von SPD, Grünen und Co. gibt, die richtig und wichtig sind, werden diese nach der gleichen Logik des kleineren Übels zur Unterstützung der aktuellen Regierungspolitik genutzt. Dazu wird eine „Brandmauer“ gegen die AfD zur Verteidigung „unserer“ Demokratie aufgebaut, unter der sich alle Demokrat:innen gegen die undemokratische AfD versammeln und gemeinsam mit einem klassenübergreifenden Programm protestieren sollen. Unter den Teppich gekehrt wird natürlich, dass SPD, Grüne und Co. selbst demokratische Rechte abbauen, Sozialleistungen kürzen und rassistische Abschiebepolitik ganz ohne die AFD durchsetzen. So wichtig es ist, dass SPD, Gewerkschaften und andere Organisationen der Arbeiter:innen, der Klasse und der Unterdrückten zu Protesten gegen die AfD aufrufen, so wichtig ist es auch, dass dies mit einem klassenunabhängigen Programm im Interesse der Arbeiter:innen und der Unterdrückten passiert.

Häufig wird im Zusammenhang mit dieser sogenannten Brandmauer ein Verbot der AfD gefordert. Dabei wird darauf vertraut, dass der bürgerliche Staat die Probleme für einen löst, anstatt die AfD gesellschaftlich zu bekämpfen, indem der Nährboden für rechte Ideologien ausgetrocknet wird. Aber bekanntlich trifft eine Ausweitung der repressiven Mittel letztlich immer die gesellschaftliche Linke, also würde ein AfD-Verbot am Ende auf uns zurückfallen. Dazu wird ein Verbot der AfD den gesellschaftlichen Rechtsruck nicht aufhalten und 30% der Wähler:innen werden nicht aufhören, rechts zu sein, wenn man ihre Partei verbietet. Die Politiker:innen und Unterstützer:innen der AfD werden sich einfach ein neues Zuhause in einer anderen Partei suchen oder so eine Partei gründen, dass diese nicht unmittelbar wieder verboten wird, und so sind wir wieder beim selben Problem, dass 30% der Wähler:innen sie unterstützen. Genau deshalb brauchen wir eine gesellschaftliche Bewegung gegen rechte Ideologie und für soziale Verbesserungen statt der Scheinlösung eines AfD-Verbots.

Aber was können wir tatsächlich tun?

Um wirklich gegen die AfD kämpfen zu können, müssen wir uns gemeinsam mit anderen Kräften unter klaren, gemeinsamen Forderungen zusammenschließen. Als kleine linke Gruppe können wir eigenhändig keine grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen herbeiführen. Wir müssen dazu aufrufen, gemeinsam mit den großen Kräften der Arbeiter:innenklasse – wie zum Beispiel der SPD, Linkspartei aber auch den Gewerkschaften und vor allem deren Jugendorganisationen – eine gemeinsame Einheitsfront zu bilden, um die AfD zu zerschlagen und gesellschaftliche Verbesserungen zu erreichen, damit wir der AfD ihre soziale Basis entziehen. Das bedeutet aber auch, dass wir deren Führungen unter Druck setzen müssen, gemeinsam mit uns und allen anderen fortschrittlichen Kräften der Arbeiter:innen und Unterdrückten unter klaren Forderungen gegen die AfD zu kämpfen – vorausgesetzt, sie sind wirklich die Antirassist:innen, als die sie sich darstellen, und wollen tatsächlich im Interesse der Arbeiter:innen und Unterdrückten handeln.

Dieser Kampf kann nicht nur über Wahlen geführt werden; er muss auf der Straße, durch Massenmobilisierungen und durch Streiks stattfinden – zum Beispiel, um die AfD dort aufzuhalten, wo sie an der Regierung ist, oder ihre Parteitage zu blockieren. Doch das Ziel darf nicht allein in diesen Kämpfen bestehen. Es geht darum, die Lage der Arbeiter:innen und der Jugend zu verbessern und gegen die Krise anzukämpfen. Dabei dürfen wir nicht davor zurückschrecken, die aktuelle Regierung klar zu kritisieren.

Wir müssen klare Forderungen aufstellen, unter denen wir gemeinsam im Interesse der Arbeiter:innen und Unterdrückten kämpfen können. Antirassistische Forderungen und Forderungen nach sozialen Verbesserungen sollten dabei im Vordergrund stehen. Besonders die Frage der Abschiebungen ist derzeit relevanter denn je. Unser praktischer Vorschlag für Forderungen ist dabei:

100 Milliarden für soziales und Bildung, besteuert durch die Reichen, sowie Stopp aller Entlassungen.

Keine Abschiebungen, weg mit den Asylgesetzverschärfungen. Für offene Grenzen und Staatbürger:innenrechte für alle.

Rechtsruck da bekämpfen, wo er auf kommt: Für Antirassistische Basisstrukturen in Schule, Uni und Betrieb sowie Selbstverteidigungsstrukturen

Vor Ort müssen wir Kämpfe führen und Komitees aufbauen, um gemeinsam für dieselben Forderungen zu kämpfen. Gerade diese Komitees können zur Basis für größere Streiks und eine breitere Bewegung gegen den Rechtsruck und den Rassismus werden. Wir müssen Antidiskriminierungsstellen vor Ort einrichten, denn wie wir täglich sehen, breitet sich der Rassismus in der Gesellschaft immer weiter aus.

Zudem müssen wir weiterhin für unsere demokratischen Rechte kämpfen, die zunehmend eingeschränkt werden – sei es das Recht auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf den Genozid in Gaza oder das Versammlungs- und Streikrecht, das immer stärker beschnitten wird.

Genau solche Kämpfe müssen jedoch zusammengeführt werden. Deshalb schlagen wir vor, dass alle Menschen, die etwas gegen die AfD unternehmen wollen, zur Widersetzen-Strategiekonferenz vom 1. bis 3. November in Leipzig zu kommen, um sich dort praktisch zu vernetzen und erste Schritte zum Aufbau einer großen antirassistischen Bewegung zu setzen.




In der SPD brodelt es! Wie muss es nach den offenen Briefen weitergehen?

Von Brokkoli Bittner, Oktober 2024

Von Teilen der SPD sind gleich zwei offene Briefe veröffentlicht worden, die beide starken Zuspruch bekommen haben. In den Briefen wird der Bundestagsfraktion vorgeworfen, ihre sozialdemokratischen Werte verraten zu haben. Vor allem die kürzlich umgesetzte Überwachung aller deutschen Grenzen hat wohl zur Entstehung der Briefe beigetragen. Umgesetzt wurde das von der Sozialdemokratin Nancy Faeser umgesetzt, um so vielen Geflüchteten wie möglich die Einreise zu verweigern. Durch eine rassistische Vereinnahmung des Messerangriffs in Solingen wird versucht, diesen Beschluss zu rechtfertigen.

Es ist gut, dass diese Briefe geschrieben wurden. Die Politik der SPD richtet sich schon lange gegen die arbeitende Bevölkerung, vor allem gegen Migrant*innen. Das darf man nicht einfach hinnehmen. Aber an Scholz zu appellieren reicht nicht, um den Rassismus in der eigenen Partei zu beenden. Was muss also in der SPD und den Jusos passieren?

1. Für eine unabhängige Jugendorganisation!

Auffällig ist, dass der eine Brief von 120 Regionalverbänden der Jusos getragen wird, während der andere auch von Teilen des Bundesvorstands der Jusos unterstützt wird. In der Vergangenheit ist immer wieder aufgefallen, dass Jugendorganisationen ihre Mutterparteien unter Druck setzen und für eine progressivere Politik einstehen.

Durch ihre Rolle im Produktionsprozess bekommen Jugendliche die Auswirkungen der Krise als erstes zu spüren. In der anhaltenden Wirtschaftskrise seit 2008 ist für uns immer weniger Geld da. In der Schule und Uni, wo nichts produziert wird und kein Profit erwirtschaftet werden kann, setzt der Staat Sozialkürzungen meist zuerst um. Die Schule soll auch den Zweck der Erziehung erfüllen und uns Leistung und Konkurrenz als Naturzustand vermitteln. Diese kapitalistische Ideologie ist in den Köpfen der Jugend weniger fest verankert und die Widersprüche fallen uns schneller auf.

Wenn Jugendliche sich für Politik einsetzen, erfahren sie immer wieder Unterdrückung. Ihre Positionen werden nicht ernstgenommen, weder im Politikunterricht noch in den Parteien. Deshalb ist es wichtig, dass die Jugend ihre eigene Organisation hat, in der ihre progressiven Positionen nicht unterdrückt werden. Ein Kampf gegen die rechten Positionen der Mutterpartei muss mit dem Kampf für eine unabhängige Jugendorganisation verbunden werden.

2. Konsequente Kritik der sozialdemokratischen Strategie!

Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass eine sozialdemokratische Partei an vorderster Front den Rassismus aufleben lässt? Um das zu beantworten, müssen wir uns die Frage stellen, was ihre Strategie ist. Sozialdemokrat:innen wollen durch Kompromisse mit den Herrschenden kleine Verbesserungen erreichen. Reformen sollen dazu beitragen, dass wir uns Stück für Stück einer lebenswerten Welt annähern.

Diese Verhandlungen sind am besten bei sozialdemokratischen Gewerkschaften zu beobachten: Statt systematisch für die Kontrolle der Arbeiter:innen über ihren Lohn zu streiken, wird mit Konzernchefs über wenige Prozente debattiert. Wir stellen auch fest, dass die Kompromisse immer kläglicher werden. Statt einen Inflationsausgleich gibt es nur 5% mehr Lohn, was einen Reallohnverlust bedeutet.

Die Krise, in der wir uns befinden, bedeutet jedoch nicht, dass wir alle den Gürtel enger schnallen müssen. Krise im Kapitalismus heißt, dass bei Arbeiter:innen und Jugendlichen gespart wird, während Konzernbosse Milliardengewinne machen. Krise heißt auch, dass der Rassismus weiter angekurbelt wird, denn er soll die Begründung liefern, warum migrantischen Kolleg:innen noch weniger verdienen als weiße. Rassismus soll uns spalten, damit wir uns als Klasse nicht gegen die Herrschenden wenden. Er dient dazu, die wahren Krisenursachen zu verschleiern und die Schuld auf Geflüchtete zu schieben.

Dass die SPD rechte Forderungen wie Grenzkontrollen und Abschiebungen in die Tat umsetzt, ist ein Ausdruck der aktuellen Krise; sie verwaltet mit ihrer Politik dieses Elend mit. Es reicht jedoch nicht, die SPD als rassistisch zu bezeichnen. Wir müssen den Ursprung dieser rassistischen Politik angehen, die reformistische Strategie der Partei offen kritisieren und eine revolutionäre Perspektive zur Überwindung des Kapitalismus aufwerfen.

3. Für eine Kampagne gegen Rechtsruck und Sparpolitik!

Als Revolutionär:innen müssen wir mit den linken Teilen der Jusos über eine solche Perspektive diskutieren. Sie sind ein Teil der Jugend, der schon festgestellt hat, dass wir uns links organisieren müssen. Deshalb können sie auch für ein revolutionäres Programm zu gewinnen sein. Wer nach der Veröffentlichung des Briefs nur „Wer hat uns verraten?“ schreit, verschließt sich einem revolutionären Kampf mit Genoss:innen in der SPD.

Abseits der offenen Briefe muss Druck auf die SPD aufgebaut werden. Mit den linken Teilen der Partei muss eine Kampagne gegen den Rechtsruck durchgeführt werden, die auch die Politik der Ampel angreift. Das Ende der Sparpolitik und die Enteignung derjenigen, die an Rassismus verdienen, muss eine der Forderungen sein. Auch die Gewerkschaften und die Schulen müssen an dieser Kampagne beteiligt werden. Auf Parteitagen müssen eigene Kandidat:innen aufgestellt werden, die für klaren Antirassismus und einen entschiedenen Kampf für den Sozialismus stehen.

Wenn trotzdem keine Veränderung in der Partei entsteht, muss die Entscheidung für den geschlossenen Austritt fallen und es muss mit einer eigenen Organisation für eine solche Politik gekämpft werden. Häufig wird an dieser Stelle das Argument hervorgebracht: „Aber wenn alle Linken die Partei verlassen, dann überlassen wir die Partei doch den Rassist:innen!“ Doch wenn die Führung der SPD in der Lage ist, menschenfeindliche Politik zu machen, ohne, dass die Basis sie daran hindern kann – dann ist das auch keine linke oder sozialdemokratische Partei mehr, um die es sich zu kämpfen lohnt.

Quellen:

  1. https://eintreten-fuer-wuerde.de
  2. https://asylwende.wtf



Zeit für was Neues? Zeit für eine kämpfende Jugend!

Offener Brief an „Zeit für was neues“/Ex-Grüne Jugend

Liebe Aktivist:innen von “Zeit für was Neues”,

als wir vor einigen Tagen von eurer Entscheidung nicht nur euer Amt als Vorstand der Grünen Jugend niederzulegen, sondern gleich die Grüne Partei zu verlassen hörten, war das sicher eine Überraschung. Doch definitiv ist es eine begrüßenswerte, welche wie wir denken einen richtigen Impuls setzt. Der Bruch mit dem Militarismus, der Abschiebepraxis, Sparpolitik und der Politik gegen den Klimaschutz der Grünen Partei, war ein längst notwendiger Schritt nach links!

Wir als kommunistische Jugendorganisation REVOLUTION, wollen deshalb mit diesem Schreiben euren wichtigen und richtigen Schritt diskutieren und für die Bündelung der Kampfkraft der Jugend appellieren!

Krise und Rechtsruck

Wie auch ihr in eurer Erklärung (1) darlegt, sehen wir ebenso, dass wir uns in einer Zeit der Krise befinden. Das sieht man z.B. an dem Aufstieg der AfD, welche wie ihr zutreffend darlegt von der Krise der Linken profitiert, da sie sich dadurch als radikale Opposition und Partei „des kleinen Mannes“ inszenieren kann. Aber auch dadurch, dass in der völligen Abwesenheit einer Taktik dagegen vorzugehen, alle anderen Akteure des Parteienspektrums sich von dieser hertreiben lassen und in den Chor von rassistischer Hetze und rechter Politik mit einstimmen. Wir können das aber auch an den Kriegen und Konflikten überall auf der Welt, sowie an der Aufrüstung auch hier in der BRD sehen. Genauso, wie bei den brutalen Angriffen auf die Jobs der Arbeiter:innen bei VW. Wir beobachten das an der weiteren Einschränkung demokratischer Rechte, ob beim Versammlungsrecht, Organisationsverboten, willkürlicher Polizeigewalt und vielem mehr. Unsere maroden Schulen, schließenden Jugendclubs und Spielplätze sprechen eine deutliche Sprache für die massiven sozialen Kürzungen, die die Ampel durchführt, um die Profite der Unternehmer:innen zu retten und die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen. Diese ganzen Probleme können aber nicht getrennt betrachtet werden. Denn sie sind Auswirkungen der tiefen Krise eines Systems, welches nie für uns gemacht war, weswegen diese auch gemeinsam bekämpft gehören. Die Notwendigkeit, Widerstand gegen die Politik der deutschen Regierung und ihren potentiellen Nachfolgern zu organisieren, ist dringlicher denn je!

Als Jugendlichen kommt uns dabei als eine der kämpferischsten Kräfte der Gesellschaft eine besondere Rolle zu, dadurch dass wir nicht so eingebunden in die lähmenden Prozesse dieser Gesellschaft und weniger gebrochen durch ausbleibende Erfolge der Bewegungen dagegen sind. Die Jugend birgt ein Potenzial in sich, eine Bewegung gegen Krise, Rechtsruck und Krieg mitanzuführen! Während uns die Zahlen der jugendlichen Wähler:innen der AfD bei den vergangenen Landtagswahlen schockiert haben, zeigt sich gleichzeitig, dass sich linke Jugendliche immer mehr nach Antworten im Kampf gegen den Rechtsruck und nach einer konkreten praktischen Perspektive sehnen. Dies wird auch daran deutlich, dass kommunistische Jugendorganisationen wie wir aktuell anwachsen, aber auch daran, dass sich Teile der Grünen Jugend oder auch der Jusos nach links bewegen und auch in Solid eine Polarisierung zwischen revolutionären und opportunistischen Flügeln abzeichnet. Unsere Aufgabe ist es nun gemeinsam Antworten auf diese Fragen zu formulieren. Lasst uns die progressiven Teile der Jugend zusammenzuführen und ihrem Rassismus und ihrer Krise unseren geeinten Widerstand entgegenstellen!

Doch wie geht’s weiter?

Angesichts des rasanten Aufstieges der Rechtspopulist:innen in Europa, angesichts der dramatischeren Folgen von Klimawandel und Umweltzerstörung, angesichts des fortschreitenden Sozialabbaus und der Aufrüstung nach Innen und nach Außen können wir uns als linke Jugendliche keine Lagerkämpfe und kein Sektierertum mehr leisten. Wir verstehen euren beachtlichen Schritt mit der Partei zu brechen, als eine Chance Bewegung in verhärtete Fronten zu bringen und die Kraft von uns Schüler:innen, Studies und Azubis gegen AfD, Abschiebungen, Umweltzerstörung, Sozialabbau, Krieg und Krise zu bündeln. Dabei müssen wir ein neues Verhältnis von Partei und Bewebung diskutieren und dürfen nicht die Fehler wiederholen, wie sie aktuell in der Linkspartei vorherrschen. Als linke Kraft reicht es nicht aus, sich an aktuelle Bewegungen hintenranzuhängen, sich solidarisch zu zeigen und Infrastruktur zu organisieren. Wenn es wie aktuell keine Massenbewegung gegen den Rechtsruck gibt, müssen wir uns auch selber trauen, diese zu initiieren und ihr mit eigenen konkreten Forderungen den Weg zu weisen.

Deswegen rufen wir euch dazu auf, eure Neuorientierung nicht hinter verschlossenen Türen zu führen. Wir denken, um aus eurer Abspaltung, einen Moment zu schaffen, das orientierungslosen Jugendlichen die Hand reicht und bei dem sich die linke Jugend umgruppiert und eine stärkere vereinte Kraft geschaffen wird, braucht es eine gemeinsame Debatte, wie wir dabei vorgehen wollen!

Ein Kongress, der alle linken Jugendliche dazu aufruft, zusammenzukommen um gemeinsam darüber zu diskutieren, wie wir uns gegen die Krise und die Angriffe der Herrschenden verteidgen und unsere Interessen als Jugend erkämpfen können, wäre ein erster wichtiger Schritt dahin. Dabei sollten wir über gemeinsame Forderungen abstimmmen und konkrete Schritte im Kampf dafür vereinbaren. Ziel könnte also ein Aktionsprogramm der vereinten Jugend sein, das Antworten auf die drängensten Fragen der Zeit sowie eine konkrete Kampfperspektive, bei der jede:r sich anschließen kann, formuliert.

Dadurch können wir eine Basis schaffen, mit der wir große Teile der Jugend für einen gemeinsamen Kampf gegen Rechtsruck, Krieg, Umweltzerstörung und Krise organisieren. Auf Grundlage dessen wäre es für uns möglich in den Schulen, Unis und Betrieben die Jugend zu mobilisieren! So können wir es schaffen, eine breite Bewegung aufzubauen. Ein wichtiges Etappenziel sollte dabei ein flächendeckender Schul- und Unistreik zur Bundestagswahl 2025 sein, der sich auf Aktionskomitees in unseren Schulen und Unis stützt. Wir wollen nicht mehr passiv zuschauen, wie die blaue Säule in den Wahlauswertungssendungen immer weiter steigt und steigt. Es wird Zeit für eine eigene progressive Stimme der Jugend, die sich nicht als falsch verstandene „Einheit der Demokrat:innen“ der rassistischen Politik von Ampel, CDU oder BSW unterordnet, sondern eine unabhängige Perspektive linker Selbstorganisation bietet. Wir fordern:

1. Hundert Milliarden für unsere Schulen, Unis Jugendclubs und Krankenhäuser statt Aufrüstung – finanziert durch die Besteuerung der Reichen!

2. Gegen alle Abschiebung aus Schule, Uni und Betrieb! Außerdem gleiche Rechte und Bildung für alle!

3. Kein Raum der AfD auf Podiumsdiskussionen in unseren Schulen und Unis – Wer ein oder ausgeladen wird, entscheiden wir!

Gemeinsam können wir es schaffen zu einer Kraft werden, die sich nicht nur gegen Krise und Angriffe verteidigt, sondern auch in die Offensive übergehen kann und uns eine Welt frei von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpft!

Und jetzt direkt?

Auch wenn wir denken, dass diese Schritte notwendig sind, heißt das nicht, dass wir erst dort anfangen können. Deswegen rufen wir euch auf, am 1.-3. November nach Leipzig zu fahren und bei der Widersetzen-Konferenz euch gemeinsam mit uns für Schulstreiks einzusetzen, um auch dort Schritte hin zu einer starken Jugendbewegung zu gehen!

Wir laden jeden von euch ein, mit uns in Diskussion darüber zu treten, wie wir weiter agieren können!

mit solidarischen Grüßen

REVOLUTION

(1) https://zeitfuerwasneues2024.de/




Wessichauvinismus – Wie der Kapitalismus Deutschland geteilt hält

Von Jona Everdeen, Oktober 2024

Die sogenannte „Wiedervereinigung“, das wohl relevanteste Ereignis der letzten 50 Jahre deutscher Geschichte, jährt sich nun zum 34. Mal. Doch während dieses Ereignis heute von SPD bis AfD als nationaler Feiertag zelebriert wird, ist Deutschland in Wahrheit noch immer zutiefst gespalten. Die Lebensbedingungen in Ostdeutschland sind noch immer wesentlich schlechter als in Westdeutschland. Wenn es nach den meisten Wessis geht, sind die Ursache dafür die Ostdeutschen selber, die immer nur jammern würden, anstatt dankbar dafür zu sein, dass ihnen der Westen die Freiheit gebracht hat. Doch was hat die BRD Ostdeutschland eigentlich gebracht und was ist die wahre Ursache für die anhaltende ökonomische Teilung des Landes?

Einheit und Freiheit? Annexion und Treuhand!

Wenn heute von der „Wiedervereinigung“ gesprochen wird, dann als eine Art nationalem Mythos. Deutschland sei endlich von den Wunden seiner Vergangenheit geheilt worden und die Deutschen hätten gemeinsam die „Tyrannei“ überwunden und seien endlich „wieder“ in Freiheit vereint.

Die Wahrheit sieht anders aus. Wenn einer seine Wunden geheilt hat, dann der deutsche Imperialismus, der sich nach dem Versagen der Bürokratie des degenerierten Arbeiter:innenstaates DDR dessen Territorium einverleiben konnte und nach der kapitalistischen Restauration in den Ostblock-Staaten wieder zur größten Macht Kontinentaleuropas wurde. Eine echte Einheit, im Sinne zum Beispiel einer neuen gemeinsamen Verfassung, fand dabei explizit nicht statt und die Lebensbedingungen des Großteils der Ostdeutschen wurden nicht besser, sondern wesentlich schlechter. Die historischen Errungenschaften der DDR wurden eingestampft, die Obdach- und Massenarbeitslosigkeit kehrte zurück, das Recht auf Abtreibung wurde ostdeutschen Frauen wieder aberkannt. Die Volkswirtschaft der DDR, zwar nicht unter Arbeiter:innen- sondern Bürokrat:innenkontrolle, aber dennoch dem Wertgesetz entzogen, wurde diesem wieder untergeordnet und dabei großflächig zerschlagen. Die Treuhandanstalt verscherbelte die ostdeutsche Industrie zu Spottpreisen. Viele westliche „Investor:innen“ stampften Fabriken bewusst ein, um zu verhindern, dass diese zu Konkurrenz werden könnten. In Folge dessen verloren Millionen Menschen ihre Jobs, eine ganze Generation versank in Perspektivlosigkeit und durch massiven Wegzug, vor allem in den Westen, wurden ganze Landstriche quasi entvölkert. Es ist keine Seltenheit, dass ostdeutsche Städte ein Drittel ihrer Einwohner:innenzahl verloren haben, und in manchen besonders hart betroffenen Orten wie Frankfurt/Oder oder Eisenhüttenstadt wurde massiv Wohnraum vernichtet, da es niemanden mehr gab, der dort hätte wohnen können. Auch wenn das Jahrzehnt des kompletten Verfalls inzwischen einige Zeit zurückliegt, hat sich die Situation seitdem nicht gebessert, sondern wenn dann auf einem niedrigen Level stabilisiert. Noch immer sind die Durchschnittslöhne in Ostdeutschland wesentlich geringer und die Arbeitslosigkeit und Armut nach den meisten Parametern wesentlich höher. Auch wenn man sich die Dichte von Firmensitzen sowie Millionär:innen ansieht, wird deutlich, dass nahezu die komplette deutsche Bourgeoisie in Westdeutschland residiert und die noch vorhandene ostdeutsche Produktion von dort verwaltet wird. Die deutsche Bourgeoisie ist weiterhin die westdeutsche Bourgeoisie. Das ostdeutsche Proletariat muss meistens zu mieseren Bedingungen und schlechteren Löhnen schuften als das westdeutsche. So sieht sie aus, die kapitalistische Einheit. 

Wird Ostdeutschland national unterdrückt?

In Folge von „Wiedervereinigung“ und Treuhand entwickelte das Verhältnis Ostdeutschlands zum Westen durchaus frappierende Ähnlichkeiten mit dem einer unterdrückten Nation. Wirtschaftlich war das Land komplett fremdbestimmt. Es wurde gezielt als Folge der Massenarbeitslosigkeit – durch Zerschlagung der alten Wirtschaft – ein massiver Niedriglohnsektor angesiedelt und die Ostdeutschen somit ökonomisch vom Westen überausgebeutet.

Um Elend und Massenverarmung im Osten zu erklären und davon abzulenken, wer der wahre Schuldige war – nämlich die imperialistische Bourgeoisie der BRD, die sich wie ein Geier auf die ehemalige DDR gestürzt hatte – wurden chauvinistische Erzählungen verbreitet. Die Ostdeutschen seien selber Schuld an ihrem Elend, da sie faul wären und nur meckern könnten, anstatt dankbar zu sein, dass der Westen ihnen Freiheit und Bananen gebracht hat und sich eifriger anzustrengen für das gemeinsame Land (aka dessen Bourgeoisie).

Solche chauvinistischen Erzählungen von Wessis stellen eine Diskriminierung gegenüber Ostdeutschen dar, die angeblich nicht in der Lage wären, gleichwertig wie Wessis zu arbeiten und denen es dadurch „ganz natürlich“ schlechter gehen müsse als diesen. Diese Ideologie weist große Ähnlichkeiten auf mit den rassistischen Ideologien, mit denen nationale und imperialistische Unterdrückung gerechtfertigt wird. So wie etwa der antigriechische Rassismus rund um das Jahr 2014. Damals erzählten Springer und Co., Griech:innen wären faul und könnten nicht mit Geld umgehen, weshalb sie selber, und nicht etwa der Wirtschaftskrieg der von Schäuble geführten Troika und die von diesem aufgezwungene neoliberale Politik oder zuvor bereits die ökonomische Benachteiligung der griechischen Wirtschaft innerhalb der EU, Schuld an ihrem Elend wären.

Die Benachteiligung Ostdeutschlands geht noch immer weiter und Wessis machen sich noch immer regelmäßig über Ostdeutsche verächtlich, zum Beispiel in Form des Märchens: Dem Westen ginge es heute ökonomisch schlechter, weil er den Osten hätte aufpäppeln müssen, obwohl der einzige Wendegewinner das westdeutsche Kapital war. Allerdings stellt das Ost-West-Verhältnis in Deutschland, heute noch weniger als in den 90er Jahren, keine strukturelle gesellschaftliche Unterdrückung dar. Besonders ausschlaggebend dafür ist, dass es keine wirkliche spezifische ostdeutsche Kultur oder Sprache gibt, bzw. die vorhandenen Elemente einer ostdeutschen Kultur nicht unterdrückt werden, sondern sich höchstens, eben im Sinne von Diskriminierung, über sie lustig gemacht wird. Auch sehen wir in diesem Verhältnis keine strukturelle juristische Benachteiligung des Ostens oder staatliche Willkür gegenüber diesem.

Diese vorhandene antiostdeutsche Diskriminierung sowie vor allem die reale ökonomische Benachteiligung und Überausbeutung der Menschen im Osten, deren ideologischer Ausdruck sie ist, müssen jedoch aufgezeigt und bekämpft werden. Dabei gilt es ebenso, den, auch im Zuge des aktuellen Aufstiegs der AfD, Wessichauvinismus innerhalb der (westdeutschen) Linken entschieden abzulehnen. 

„Ossis sind halt an Diktatur gewöhnt“ – Rechtsruck und „linker“ Wessichauvinismus

Es ist offenkundig, dass populistische wie rechtsradikale Kräfte es in Ostdeutschland in der Regel leichter haben als im Westen. Und insbesondere die jüngsten Wahlen, in denen die AfD in Thüringen mit Abstand stärkste und in Sachsen und Brandenburg nur knapp zweitstärkste Kraft geworden ist, zeigen dies nochmal deutlich. Um die Anfälligkeit Ostdeutscher für den Populismus zu verstehen, ist ein Blick auf die Geschichte zwingend nötig. So ist es nur folgerichtig, dass nach falschen Versprechungen der bürgerlichen Parteien (CDU und FDP) sowie Gleichgültigkeit und Mitverwaltung des Elendes der reformistischen (SPD und PDS/Linke), die Unzufriedenheit und „Politikverdrossenheit“ im Osten noch wesentlich höher ist als im Westen.

Aufgrund der Führungskrise der Arbeiter:innenbewegung, die hier in Form von offenem Verrat durch den Reformismus sowie durch kleinere und weniger etablierte Gewerkschaften noch gravierender sichtbar wird als im Westen, ist es leicht für Populist:innen, ob rechter Spielart wie die AfD oder linker wie das BSW, mit einfachen Scheinlösungen zu punkten. Vielen Menschen erscheint alles recht, was irgendwie anders scheint als das Elend der letzten 30 Jahre. So wird auch der Boden für rechtsradikale Kräfte befruchtet, wobei deren Entstehung noch tiefer zurückdatiert werden muss. Nämlich in die Zeit direkt nach der „Wiedervereinigung“, wo Kohls geschürter Nationalismus in Kombination mit Verelendung und Perspektivlosigkeit zahlreiche Jugendliche anfällig machte für die Propaganda vor allem aus dem Westen angereister Neonazi-Aktivist:innen. Dazu mehr in anderen Artikeln, wie dem über die Wendenacht in Zerbst aus dem letzten Jahr.

Doch die realen Gründe für die Stärke der Rechten in Ostdeutschland sieht man unter Linksliberalen in Köln, Stuttgart oder Charlottenburg nicht, bzw. will sie nicht sehen. Stattdessen eignet man sich den Wesenchauvinismus an, in seiner pseudoprogressiven Form. So wären das Problem die Ostdeutschen selber, die immer nur unzufrieden sein könnten und die Demokratie nicht zu schätzen wüssten, die ihnen der Westen gebracht habe. Anstatt dankbar für dieses „Geschenk“ zu sein, sehne man sich zurück nach einer klaren Hierarchie und Autorität, da man einfach keine Demokratie gelernt habe und deshalb die Diktatur bevorzuge. Auch ein klar antikommunistischer Charakter ist hier offenkundig. Die DDR-Bürokratie wird gleichgesetzt mit einer Rechtsdiktatur oder sogar dem Faschismus.

Es wundert wenig, dass die Grünen, in deren Reihen eine solche Haltung weit verbreitet ist, im Osten kaum ankommen und in Thüringen jüngst aus dem Landtag flogen. Würde man aber anerkennen, dass nicht die „dummen Ossis“ Schuld am Rechtsruck sind und man diesen nicht mit Chauvinismus bekämpfen kann, dann müssten sie sich ja mit einer realen Lösung der gesellschaftlichen Probleme, und dazu zwangsläufig gehörend auch der Benachteiligung des Ostens, beschäftigen. Das ist aber nicht kompatibel mit den Interessen der (west)deutschen Bourgeoisie.

Was eine echte Wiedervereinigung bedeutet hätte und wie wir sie heute noch erreichen können

Während die durch Nationalismus mystifizierte Übernahme Ostdeutschlands durch das westdeutsche Kapital und mit Stigmatisierung und Ressentiments kaschierte Überausbeutung und wirtschaftliche Unterentwicklung von diesem sicher kein Grund zum Feiern ist, wäre eine echte Wiedervereinigung durchaus möglich gewesen. So war die Bewegung gegen das bürokratische DDR-Regime unter Honeckers SED ursprünglich eine fortschrittliche. Kaum einer in der Bewegung wollte eine einfache Übernahme des Staates durch die BRD, erst recht nicht in ihrer dann geschehenen Form. Auch daher kommen die Enttäuschung und Politikverdrossenheit im Osten. Viele Menschen, die 1989 auf die Straße gingen und schließlich den Fall der Berliner Mauer erkämpften, wollten das System reformieren, nicht die DDR zerschlagen. Dass schließlich die imperialistische BRD mit Nationalismus und falschen Versprechen die Bewegung kapern konnte, liegt vor allem an deren fehlender Perspektive. Was stattdessen nötig gewesen wäre, wäre die Unterstützung der westdeutschen Arbeiter:innen für die ostdeutsche Bewegung. Die Zusammenführung eines Kampfes gegen die SED-Bürokratie, die schon lange zu einem Hindernis für den Sozialismus geworden war, und gegen den BRD-Imperialismus. Ein Kampf für die Errichtung eines vereinigten Deutschlands, nicht auf kapitalistischer Grundlage, sondern auf der von Arbeiter:innenräten, die die Planwirtschaft der DDR unter demokratische Kontrolle stellen und diese durch den Sturz der westdeutschen Bourgeoisie auf das ganze Land ausweiten!

Und für diese Perspektive ist es auch heute nicht zu spät! Der Kampf gegen Krise und Rechtsruck, in Ost wie West, muss geführt werden, mit der Perspektive einer vereinigten deutschen Räterepublik. Mit der Perspektive, das Versäumte nachzuholen, eine demokratische Planwirtschaft zu errichten und Rätedeutschland an Stelle der imperialistischen BRD zu setzen!

Nur mit dieser Perspektive ist es möglich, die ökonomische Benachteiligung Ostdeutschlands, und somit auch die Wurzel für den dort verbreiteten Populismus, zu brechen und eine Perspektive auf ein besseres Leben für alle aufzuzeigen! Für ein Deutschland, in dem die Macht weder Kapitalist:innen und ihr politisches Dienstpersonal noch lediglich auf ihre eigenen Privilegien bedachte Bürokrat:innen haben, sondern die Arbeiter:innen selber! In dem die Wirtschaft nicht der Diktatur des Marktes untertan ist und auch nicht der einer undurchsichtigen, undemokratischen und häufig absurden Planbehörde, sondern dem demokratischen Plan der Produzierenden selber!




Israels Aggression in der Schule entgegenstellen!

Von Flo Weitling, 1. Oktober 2024

Seit dem brutalen Terror der Pager-Anschläge auf den Libanon vor zwei Wochen, eskaliert Israel den Krieg gegen die libanesischen Bevölkerung immer weiter. In den letzten Tagen wurden durch die Bomben der IDF mehr als tausend Menschen ermordet, mehr als eine Million sind auf der Flucht. Heute Nacht erst begann Israel mit einer Bodeninvasion die noch weiteres Elend mit sich bringen wird!

Die brutalen Bilder, die man in den sozialen Medien sieht, die Zunahme von Toten und Vertriebenen reißen uns alle mit und wir verspüren eine unendliche Trauer und Wut und viele fühlen sich unfähig dazu, irgendetwas dagegen zu unternehmen. Doch das muss nicht so sein! Wir können mehr schaffen, als wir vielleicht erst denken!

Was tun?

Dein erster Impuls, wenn du dir überlegst, was du als nächstes tun kannst, ist vielleicht auf Instagram oder TikTok etwas zu posten, um zu zeigen, dass du dich mit den Menschen im Libanon, Gaza, der Westbank und auch in Jordanien und im Yemen solidarisierst. So weit so gut, doch auch wenn Aufmerksamkeit auf dass Thema wichtig ist, um z.B. die Grundlage für Diskussionen zu legen und Klarheit gegenüber der Propaganda der Herrschenden zu schaffen, wird dass alleine nicht reichen.

Am nächsten Tag in der Schule tauschst du dich dazu mit deinen Mitschüler:innen aus und deine Lehrer:innen machen Kommentare im Unterricht, auf dem Pausenhof gibt es vielleicht sogar Diskussionen über die derzeitige Situation. Die meisten sind wahrscheinlich bestürzt von dem Terror und der Gewalt, haben vielleicht sogar Angst um ihre eigene Familie oder fühlen sich stark verunsichert in einer Welt, in der immer mehr Kriege stattfinden. Auch wenn sich nicht alle gegen den Krieg stellen werden, gibt es dir genau da einen Anhaltspunkt, um etwas zu verändern.

Denn selbst wenn die Gespräche mit deinen Mitschüler:innen dir vielleicht nicht als wichtig erscheinen oder als könnten sie irgendwas bewirken, tausende Jugendliche werden genau die selben Gespräche mit ihren Mitschüler:innen führen, werden sich genauso hilflos fühlen, werden sich auch fragen, wie man vielleicht doch etwas machen kann.

Wir alle müssen jeden Tag dorthin gehen, wo das kapitalistische System unseren aktuellen Platz sieht, sei es die Schule, die Universität, die Ausbildungs- oder Arbeitsstelle. Nicht nur wir selber, auch die Menschen um uns herum sind dazu gezwungen, sich dort aufzuhalten. Das klingt vielleicht unnötig überhaupt anzumerken, doch in dieser Realität liegt enormes Potenzial. Denn indem wir uns dort eh aufhalten müssen, bieten unsere Alltagsorte die Möglichkeit uns direkt zu vernetzten, in Kontakt zu kommen mit Menschen über die Probleme in der Welt, wie z.B. dem Genozid in Gaza und die Aggression im Libanon. Und auch darüber zu sprechen, wie wir doch etwas verändern können! Dabei kannst du deine Mitmenschen von deiner Position überzeugen und von dort aus lokale Probleme aufgreifen. Vielleicht unterstützen deine Lehrer:innen den Terror der israelischen Armee oder die Schulleitung verbietet, dass du dich mit den Opfern des Genozids solidarisierst oder sogar einfach das Tragen einer Kufiya. All das sind Sachen, gegen die man sich vor Ort zusammen tun kann, gegen die man ankämpfen kann!

Das geht natürlich nicht immer leicht und reibungslos. Meist fühlt man sich auch erst einmal alleine mit seiner Meinung und denkt die ganze Welt arbeitet gegen einen. Aber durch das Verteilen von Flyern, das Aufhängen einer Wandzeitung oder eines Banners, kannst du herausfinden, wer alles deine Ansichten teilt. Lädst du gleich noch zu einem Treffen ein, und sei es einfach nur in der ersten großen Pause am Basketballkorb, kannst du direkt mit den Menschen darüber reden, wie ihr gegen die Probleme an der eigenen Schule vorgehen könnt.

Doch worin liegt da jetzt Potenzial?

Die Frage ist natürlich berechtigt, weil niemand wird die isrealische Armee durch den Kampf gegen das Kuffiya-Verbot oder einen rassistischen Lehrer an deiner Schule direkt stoppen. Doch was man durch diese lokalen Kämpfe schafft, ist es, sich zusammenzufinden. In einer Welt in der uns beigebracht wird, wir wären alleine.

Wenn ihr euch nämlich gemeinsam an eurer Schule in einer Gruppe oder Komitee organisiert, könnt ihr euch nicht nur gegen die Strafen der Lehrerkräfte und Schulleitungen wehren und was an eurer eigenen Schule reißen, sondern schafft damit eine Kraft, die einen Teil dazu beitragen kann, grundlegend etwas zu verändern, indem ihr voneinander lernt und unpolitisierte Menschen gewinnt. Denn wenn ihr diese Gruppen habt, könnt ihr gleich gemeinsam zu der nächsten Solidaritätskundgebung oder Demonstration gehen, oder wenn es bei euch in der Stadt keine gibt, diese selber organisieren!

Wenn ihr dann noch eure Freund:innen an anderen Schulen überzeugt dasselbe zu tun, schafft ihr eine Verankerung, eine Struktur, um noch mehr zu erreichen. Darüber hinaus kann man sich vernetzten und bei der nächsten Aktion gegen Ungerechtigkeit an der eigenen Schule, die anderen gleich mit einladen. So baut man, langsam aber sicher, immer mehr Druck auf.

Doch auch wenn dass schon ein guter Schritt ist, wird die Vernetzung von ein paar Schulen leider auch nichts Gravierendes bewirken. Viel mehr müssen wir dafür eintreten, dass die Jugend im ganzen Land sich zusammentut und an ihren Schule gegen die Probleme vor Ort eintritt und so eine bundesweite Struktur schafft, die sich gegen die Ungerechtigkeit insgesamt wehren kann.

Wenn wir dann aber weiter gehen wollen, brauch es in der Tat noch mehr als nur die Vernetzung. Es braucht einen Plan. Eine Strategie, wie man mit den Komitees an den Schulen sich verbünden kann mit den Student:innen und Arbeiter:innen, welche in der Zwischenzeit hoffentlich dasselbe getan haben. Wenn nicht, ist es an uns auch diese anzustoßen sich zusammenzutun! Wir müssen dabei schauen, über welche Hebel wir etwas erreichen können, denn die Welt ist international vernetzt und auch wenn der Krieg weit weg scheint, hängt dieser mehr mit der deutschen Wirtschaft und ihrem Staat zusammen, als man denkt.

Deutsche Waffen Deutsches Geld

Die BRD ist einer der größten Waffenlieferanten für die israelische Armee und unterstützt die zionistische Besatzung auch darüber hinaus durch Vertuschung und Rückendeckung für Israels Taten, indem sie versucht, Protest hier niederzuhalten und Protestierende zu diffamieren, einzusperren und zu terrorisieren. Das zeigten uns erst jüngst die Hausdurchsuchungen, Angriffe auf Demonstrationen und Grenzkontrollen von Aktivist:innen.

Wenn wir uns gegen diese Unterstützung der BRD für Israel, gegen ihre Angriffe auf unsere Bewegung, stellen und durch Streiks den Druck auf die Regierung erhöhen, können wir es schaffen diese Unterstützung zu brechen. Können wir die Regierung, wenn sie auf unsere Forderungen nicht eingeht, durch Blockaden und Besetzungen zum Bruch zu zwingen! Somit schaffen wir es dann, der Kriegsmaschinerie Israels einen herben Schlag zu verpassen und potentiell die libanesischen und palästinensischen Menschen vor Ort vor dem Tod durch die Bomben der IOF zu schützen! So können wir den Widerstand gegen Angriffskrieg und Besatzung stärken, und einen strategischen Sieg gegen einen der engsten Verbündeten Israels erringen!

Es mag so wirken als wäre das in unendlich weiter ferne und wir wollen euch nicht belügen, der Weg ist nicht leicht und er wird steinig sein. Gleichzeitig sind wir aber davon überzeugt, wenn wir ihn mutig und entschlossen beschreiten, diese notwendigen Schritte hier gehen, dann können wir ihn erfolgreich beschreiten, dann können wir siegen!

International oder gar nicht!

Natürlich hast du Recht, wenn du jetzt sagst, dass selbst dieser Sieg, das Wegfallen der Unterstützung Deutschlands, Israel nicht stoppen wird. Es ist, und das muss uns klar sein, von Anfang an notwendig, uns mit unseren Geschwistern auf der ganzen Welt über Grenzen hinweg zusammenzutun und den Kampf gemeinsam zu führen! Doch wenn wir dass tun, ist es nicht nur möglich unser Ziel zu erreichen Israel zu stoppen und den Genozid zu beenden. Wir kommen auch einen entscheidenden Schritt näher daran, die Herrschenden aller Länder zu stürzen und den Weg zu ebnen für eine Welt, in der es nie wieder Kriege, nie wieder Genozide gibt! In der wir nicht mehr geknechtet werden, in der niemand mehr geknechtet wird! In der die Ausgebeuteten und Unterdrückten das Sagen haben und die Gesellschaft nach den Wünschen aller und nicht den Profiten weniger gestaltet wird!

Das alles klingt sehr viel, das ist uns wohl bewusst, doch soll es dir auch erst mal nur die Richtung zeigen. Das wichtigste ist es, dass wir jetzt anfangen und darauf hinarbeiten, diese Möglichkeiten zur Realität werden zu lassen! Wir verstehen voll und ganz, dass die ersten Schritte das anzugehen schwierig sind. Deswegen wollen wir dich unterstützen genau dass zu tun! Schreib uns dafür einfach eine Nachricht und lass uns darüber reden, wie du dich an deiner Schule und wir uns gemeinsam für eine bessere Welt organisieren können!




Sexualkunde und Rechtsruck: Wie hängt das zusammen?

Von Erik Likedeeler, April 2024, REVOLUTION Zeitung 2/2024

Vor Kurzem haben wir an der Christian-Morgenstern-Schule in Hamburg eine Kampagne gestartet, um dafür zu kämpfen, dass dort ein richtiger Sexualkundeunterricht eingeführt wird – denn das ist an Waldorfschulen nicht immer gegeben.

Zusammen mit der queeren Schulgruppe der CMS haben wir ein Banner auf dem Schulhof aufgehängt, mit Plakaten auf das Thema aufmerksam gemacht und auf den Toiletten Boxen aufgestellt, damit die Schüler:innen ihre eigenen Wünsche an den Unterricht auf Zettel schreiben und hineinwerfen können.

Mit dem aktuellen Rechtsruck steht die Qualität der Bildung und Aufklärung über Liebe, Beziehungen und Sexualität wieder einmal auf der Kippe, auch an den staatlichen Schulen. Aber warum ist das eigentlich so?

Welches Bild von Sexualität und Familie vertreten Rechte?

Das Bild, das Rechte von Familie und Sexualität vertreten, ist überschaubar: Sex soll am besten zwischen weißen, heterosexuellen Menschen stattfinden, die entweder verheiratet sind oder in einer ehe-ähnlichen, monoamoren (max. 2 Personen lieben sich gegenseitig) Beziehung leben. Dabei soll der Mann eine aktive Rolle ausüben und die Frau sich passiv seinen Wünschen unterordnen. Ein Recht darauf, Nein zu sagen, soll es für sie nicht geben.

Zweck ist es, die bürgerliche Kleinfamilie aufrecht zu erhalten. Das heißt: Männer arbeiten Vollzeit, während Frauen zuhause bleiben und sich um den Haushalt und die Kinder kümmern.

Sexualpraktiken, die nicht unmittelbar der Fortpflanzung dienen, werden beschämt und tabuisiert. Wenn Rechte Verhütung als Luxus bezeichnen, Abtreibungen verbieten und Konsens für Quatsch erklären, dann dient auch das diesem Idealbild.

Rechte beziehen sich auf die Vorstellung eines „Volkes“ in einem Nationalstaat, dessen Interessen es zu vertreten gälte. Auch wenn sie das nicht so offen sagen, stehen sie mit dieser Ideologie im Dienst des Kapitalismus.

Denn sowohl der Nationalstaat als auch die vergeschlechtlichte Arbeitsteilung ist für dessen Profitmaximierung notwendig. Deshalb kommt es in Zeiten von Krisen, z.B. Corona, Krieg oder Finanzkrise, immer wieder zum Erstarken rechter Kräfte, bzw. zum Rechtsruck in bürgerlichen Parteien.

Natürlich sind Rechte nicht damit einverstanden, dass sich auch all die Menschen fortpflanzen dürfen, die nicht in das Idealbild der bürgerlichen Familie passen. Queere Eltern oder Alleinerziehende soll es in ihren Augen gar nicht geben, denn die würden die angeblich „natürliche“ Rollenaufteilung infrage stellen.

Auch behinderten Menschen wird es abgesprochen, Kinder bekommen zu dürfen, da Rechte sie als Belastung für ihr „Volk“ einstufen und sie als Sündenbock nutzen, wenn das profitorientierte Gesundheitssystem an seine Grenzen kommt. Deshalb werden zahlreiche behinderte Menschen gegen ihren Willen sterilisiert.

Warum Kinder und Jugendliche Aufklärung brauchen

Rechte tun häufig so, als wären Kinder und Jugendliche reine, unschuldige Wesen, die vor der „woken“ Ideologie geschützt werden müssten. Damit meinen sie im Grunde alles, was die Diversität der Gesellschaft auf positive Weise widerspiegelt, wie zum Beispiel das Behandeln von LGBTIA+ im Unterricht. Anstatt uns über unsere eigene Sexualität bestimmten zu lassen, reden sie von „Grooming“. Mit dieser Begründung wurden in US-amerikanischen Schulen zahlreiche Bücher mit vermeintlich „frühsexualisierenden“ Inhalten verboten.

Doch die Realität sieht anders aus: Eine Menge Jugendliche haben gern Sex und probieren sexuelle Handlungen aus, völlig egal, ob sie in der Schule darüber aufgeklärt wurden oder nicht. Sex ist für viele Jugendliche ein wichtiger Teil des Lebens und ihnen Informationen darüber vorzuenthalten oder Abstinenz zu fordern, ändert daran nichts.

Das würde höchstens dafür sorgen, dass Grenzüberschreitungen begünstigt werden, weil das Konsensverständnis fehlt, oder dass es zu mehr ungewollten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Infektionen wie HPV kommt, weil die Verhütung weggelassen wird.

Außerdem ist es eine bittere Tatsache, dass auch Kinder und Jugendliche von sexualisierter Gewalt betroffen sind, sowohl durch Gleichaltrige als auch durch Erwachsene. Wenn wir die gesellschaftlichen Tabus nicht abbauen, dann werden Betroffene nicht in der Lage sein, Körperteile und Handlungen konkret und ohne Scham zu benennen. Und wie sollen sie dann jemals in der Lage sein, sich zu wehren oder um Hilfe zu bitten?

Wir sind außerdem dagegen, Kinder mit Lügen vom Storch abzuspeisen, nur, weil Lehrpersonen und Erziehungsberechtigte sich damit schwertun, Fortpflanzung kindgerecht zu erklären. Solche Märchen dienen nicht dem Kindeswohl, sondern nur dem Schamgefühl der Erwachsenen. Kinder für blöd zu verkaufen hält sie innerhalb der bürgerlichen Kleinfamilie in einer unmündigen und abhängigen Rolle gefangen.

Was muss passieren?

Um zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche unzuverlässige Informationen von Freund:innen oder aus dem Internet beziehen müssen, muss Sexualkunde ein verpflichtender Bestandteil des Unterrichts sein, an jeder einzelnen Schule!

Deshalb fordern wir einen zeitgemäßen Sexualkundeunterricht, der alles abdeckt, was Jugendliche wirklich interessiert. Dazu gehört z.B. die korrekte Darstellung der Anatomie, denn in zahlreichen Lehrbüchern ist immer noch nicht die Klitoris korrekt abgedruckt. Nur, wenn Jugendliche ihren eigenen Körper kennenlernen dürfen, können sie sich selbst und ihre Bedürfnisse verstehen und darüber tabulos kommunizieren. Aber auch verschiedene sexuelle Praktiken und entsprechende Verhütungsmethoden müssen Teil des Lehrplans sein, vor allem abseits von Heterosexualität wird momentan viel zu wenig aufgeklärt. Schüler:innen und Lehrer:innen sollten gemeinsam entscheiden dürfen, welche Themen sie im Unterricht behandeln wollen.

Letztlich muss nicht nur der Sexualkundeunterricht von Schüler:innen mitgestaltet werden, sondern es braucht eine umfassende Bildungswende, damit auch in den anderen Unterrichtsfächern keine rechten Geschlechterrollen mehr vermittelt werden.




Aufgaben der GJ-Spitze: „Zeit für was Revolutionäres!“

Von Jona Everdeen, September 2024

Am Mittwochabend verkündete der Bundesvorstand der Grünen Jugend, die Jugendorganisation der Grünen Partei, geschlossen sowohl seinen Rücktritt als auch den Parteiaustritt. Unter „Zeit für was Neues“ wollen sie nun eine neue „dezidiert linke“ Jugendorganisation schaffen. Die Gründe? Man könne sich mit der Politik der Partei nicht mehr identifizieren. Für uns als Kommunist:innen ist natürlich völlig klar, dass die Partei von Habeck und Baerbock ständig mit bauchlinken Werten in der Widerspruch geraten. Doch während diese normalerweise, mit viel vorherigen Bauchschmerzen, zu Gunsten von Parteikarrieren aufgegeben werden, lief es dieses Mal andersherum. Doch wie kam es dazu? Und welche Perspektive gibt es für ehemalige GJler:innen?

Rüstung, Abschiebungen, Lützerath

Die Ursache für die Entscheidung benannten die ehemaligen Vorsitzenden der Grünen Jugend darin, dass ihnen immer mehr klar geworden sei, dass es nicht möglich sei, gleichzeitig Teil einer Partei zu sein und für eine völlig andere Politik zu werben, als diese vertritt. Vor allem drei Beispiele nannten sie dafür: Das Sondervermögen der Bundeswehr, die Asylrechtsverschärfungen sowie die Zerstörung von Lützerath für RWEs Profitinteressen. Letztendlich kommt hier ein Widerspruch zum Ausdruck, der sich schon länger abgezeichnet hat: So galt die Grüne Partei in den Köpfen vieler, auch und gerade junger Menschen, lange Zeit als Partei für Frieden, für Menschenrechte und insbesondere eben für die Umwelt, das vor allem in Zuge von FFF. All dies tritt die Partei jedoch in der Ampelregierung mit Füßen. Sie wird zur schärfsten Verfechterin der „Zeitenwende“ und somit der Aufrüstung Deutschlands zur militärischen Großmacht, die zusammen mit der NATO gegen Russland (militärische) Stärke zeigen müsse. Sie trug sämtliche Asylrechtsverschärfungen nicht nur der EU mit, sondern setzte sich auch aktiv für weitere in Deutschland ein, teilweise „mit Bauchschmerzen“, in letzter Zeit aber immer mehr auch ganz ohne und dafür mit unverhohlenem Rassismus und Forderungen nach „Grenzen dicht machen“ und „mehr abschieben“, wie sie vor 15 Jahren nur die NPD gehabt hätte. Und einen ganz besonderen Verrat, gerade für die Grüne Jugend, stellte Lützerath dar. Während dort vermutlich hunderte Mitglieder der Grünen Jugend gegen die Zerstörung des Dorfes für Braunkohle protestierten, war es ihre eigene Partei, die für RWEs Profite die Zerstörung des Dorfes durchgewunken hatte und nun die Polizei auf die Klimabewegung hetzten.

Aus all dem folgert die Spitze der Grünen Jugend, dass sie glauben dass es bei den Grünen „mittelfristig keine Mehrheiten für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt“. Das glauben wir allerdings auch nicht! Wobei uns das freilich schon vorher klar war und sich auch ganz logisch aus dem Charakter der Grünen Partei erklärt. Trotzdem finden wir, dass ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, den der Vorstand gemacht hat. 

Die Grünen: Partei des Kapitals!

Die Grünen stellen politisch insofern eine gewisse Sonderrolle dar, als dass sie sich anders als die anderen bürgerlichen Parteien wie CDU, FDP und AfD, eine progressive Fassade geschaffen haben. Diese geht stark zurück auf die Geschichte dieser Partei, welche aus den letzten Ausläufern der 68er-Bewegung hervorgegangen ist und ursprünglich als radikale Konkurrenz zu dem verknöcherten Gefüge aus bürgerlich-konservativer (CDU), bürgerlich-liberaler (FDP) und sozialpartnerschaftlich-reformistischer (SPD) Partei auftrat. Diese Radikalität kam jedoch zu keinem Zeitpunkt aus einem proletarischen Klassenstandpunkt, auch wenn im Gründungsprozess der Partei viele subjektive Kommunist:innen beteiligt waren. Sie entstanden als eine Partei des radikalisierten urbanen Kleinbürger:innentums, bzw der urbanen Mittelschichten. Einer Subklasse die im Zuge des langen Nachkriegsbooms entstanden war und zunächst ihren Platz im traditionellen Klassengefüge finden musste. Dies ließ viel Raum führ revolutionäre Träume, auch wenn diese eben nur Träume bleiben sollte. Die Generation „Wer mit 20 kein Sozialist ist, hat kein Herz, wer mit 40 noch einer ist, keinen Verstand“ war auf der politischen Bildfläche erschienen, und bildete den Kern der Grünen Partei. Inzwischen ist das urbane Kleinbürger:innentum als eine feste, überhaupt nicht mehr rebellische Subklasse fest konstituiert. Andere Teile der ehemaligen urbanen Mittelschichten hingegen sind ins Proletariat abgerutscht und stellen heute nennenswerte Teile der Basis der Linkspartei. Heute bildet das urbane Kleinbürger:innentum einen Block mit den Teilen der deutschen Großbourgeoisie, die vor allem auf Export ausgerichtet sind und von einer Transformation der kapitalistischen Produktion im Sinne des Green New Deal profitieren würden, so wie als gesellschaftspolitisch fortschrittlich und tolerant auftreten, da sie das als vielversprechendste Strategie betrachten, ein Unterdrückungssystem möglichst reibungsfrei laufen zu lassen. Aus dem schnuckeligen Bioladen an der Straßenecke ist dabei die Bio Company geworden, der ehemalige Einwohner der Freien Republik Wendland wohnt jetzt im Loft im Prenzlauer Berg. 

Die Politik leistet dabei das Spiegelbild: Aus Pazifismus wurde der Kosovokrieg, aus sozialer Gerechtigkeit wurde die Agenda2010. Die aktuelle Entwicklung, die die Grüne Jugend Spitze zum Bruch mit der Partei brachte, ist also keineswegs ein qualitativer Bruch, sondern die Fortführung einer jahrzehntelangen Entwicklung, jüngst beschleunigt durch die kapitalistische Krise.

Wir begrüßen es daher, dass Teile der Grünen Jugend endlich erkannt haben, dass hinter der sozialen und ökologischen Fassade der Grünen, inzwischen mit Einschusslöchern übersäht und mit Kohlestaub bedeckt, nur eine weitere bürgerliche Partei steht, für die Kapitalinteressen und nicht die soziale Frage und ein „grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem“ im Mittelpunkt stehen! 

Welche Perspektive für eine breite, aber kämpferische Jugendbewegung?

Am Ende ihres Schreibens verkünden die Unterzeichner:innen, dass sie gemeinsam mit anderen Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern der Grünen Jugend eine neue linke Jugendorganisation gründen wollen, sie verkünden: „Wir wollen dazu beitragen, dass es bald wieder eine starke linke Partei in Deutschland geben kann“. In dieser Partei, schreiben sie etwas zuvor, wollen sie arbeiten mit und für Mieter:innen, Arbeiter:innen, arme Studierende und abgehängte Jugendliche auf dem Land. Das ist sicherlich ein richtiges Ziel und eines, das wir grundsätzlich unterstützen! Letztendlich muss es jedoch darauf hinauslaufen, eine Bewegung zur revolutionären Überwindung des kapitalistischen Systems zu schmieden. Allerdings denken wir, dass es wichtig ist, jetzt Antworten auf die aktuellen Probleme zu finden. Dazu denken wir sind zwei Schritte notwendig:

  1. Eine Jugendkonferenz: Dies bietet eine erste Möglichkeit, alle linken Jugendlichen und Jugendorganisationen dazu aufzurufen. Wir glauben, dass dieser Bruch, wenn er mit einer solchen Perspektive verfolgt wird, zu einem Moment der Umgruppierung für die gesamte deutsche Linke werden kann. Derzeit kursiert auch innerhalb der Jusos ein Brief, in dem Juso-Mitglieder Unterschriften sammeln und sich über die aktuelle Politik ihrer Mutterpartei empören. Dies bietet eine gute Perspektive, um in eine Debatte um eine kämpferische unabhängige Jugend zu führen. Auch sollte an die Jugendgewerkschaften herangetreten werden, um auch diejenigen ins Boot zu holen, die von den kommenden sozialen Angriffen direkt betroffen sind. Die letzten FFF-Ortsgruppen, aus denen ein Großteil der GJ hervorgegangen ist, sollten ebenfalls in diesen Prozess einbezogen werden. Auf der Konferenz kann dann gemeinsam entschieden werden, wie der Rechtsruck zurückgedrängt werden kann, wie die Krise des Kapitalismus inklusive der Angriffe auf Soziales und Bildung sowie die Umweltkrise gelöst werden können.
  2. Ein auf der Konferenz gemeinsam abgestimmtes Aktionsprogramm: Ein Aktionsprogramm hat die Hauptfunktion, auf aktuelle Krisen und Fragestellungen gemeinsame Forderungen festzuhalten. Dies ist wichtig, um gemeinsam mit geballter Kraft gegen die Krisen zu kämpfen, die auch die Unterzeichner:innen des Schreibens gut aufgelistet haben. 

Diese Schritte sind notwendig, um auch große Teile der Linken im weiteren Sinne, vor allem die Unzufriedenen, für das Aktionsprogramm zu gewinnen. Wir sollten es jedoch nicht dabei belassen, sondern die praktische Intervention an all den Orten, wo sich die Arbeiter:innen und Jugendlichen täglich aufhalten, in die Schulen, Unis und Betriebe tragen! 

Wir reichen jedem ehemaligen Mitglied die Hand, die über Organisationsgrenzen hinaus gemeinsam kämpfen wollen. Lasst uns gemeinsam Abschiebungen verhindern, die Bundeswehr aus unseren Schulen vertreiben und eine Perspektive aufzeigen, für die ökologische Transformation des Mobilitätsektors unter Kontrolle der Arbeiter:innen! Lasst uns gemeinsam Schulstreiks organisieren und für eine unabhängige Jugendorganisation, die aus einer breiten Masse kämpferisch vorangeht. Es ist höchste Zeit dafür! 




Grundlagen des Marxismus: Was ist die Einheitsfronttaktik?

aus Mai 2024, Revolution Zeitung 2/2024

Das linke und antikapitalistische Spektrum ist vielseitig in ihren Zielen und Taktiken, ihren Schwerpunkten und Organisationsstrukturen. Hin und wieder finden sich für Großaktionen wie Demos Bündnisse zusammen, aber leider scheint die Zusammenarbeit nach dem gemeinsamen Projekt oft wieder zu enden. Dabei sind nur durch die verschiedenen Gruppen, die sich den Aufwand von Organisation und Mobilisation geteilt haben, überhaupt so viele Leute aufgetaucht. Diese Großveranstaltungen sind oft die Momente, die uns zeigen wie viel wir als Klasse erreichen können, wenn wir uns zusammen anstrengen, und es sind die Erfahrungen, die uns Mut und Hoffnung geben, die uns motivieren überhaupt politisch aktiv zu sein.

Um diese Energie effektiver zu nutzen und Ziele unserer Klasse zu erreichen, wurde die Einheitsfronttaktik entwickelt. Die Einheitsfront handelt direkt und geballt und stellt einen drastischen Gegensatz zu den leeren Versprechen der reformistischen Parteien dar. Wenn ihre „Brandmauer gegen rechts“ sich tatsächlich nur als eine schöne Redewendung entpuppt und kein Handeln folgt, erkennen mehr Arbeiter:innen, dass diese Strukturen unsere Gesellschaft nicht vor Gefahren wie dem Faschismus schützen können. Deswegen geht es bei der Einheitsfronttaktik auch nicht um intensive ideologische Überschneidung mit den Bündnispartnern, sondern um das Ernstnehmen einer Bedrohung und dem zielstrebigen Handeln auf der Basis einiger Kernprinzipien, über die man sich einig ist.

Was ist eine Einheitsfront?

In einer Einheitsfront kommen verschiedene Organisationen der Arbeiter:innenklasse zusammen, um ein bestimmtes Ziel zu verfolgen und diesem mit praktischen Aktionen näher zu kommen. Dabei arbeiten die Organisationen über inhaltliche Grenzen hinweg, ohne dabei die Kritik an den Positionen der anderen zu verstecken. Das Ziel der Einheitsfront sollte es sein, möglichst große Teile der gesamten Klasse in sich zu organisieren, um eine möglichst große Schlagkraft zu haben. Ein klassisches Beispiel für Einheitsfronten sind Gewerkschaften: Sie organisieren große Teile der Beschäftigten in einem Bereich über inhaltliche Auseinandersetzungen hinweg mit dem Ziel, möglichst gute Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Für uns als Revolutionär:innen ist die Einheitsfront deshalb so zentral, weil wir damit aus unserer Isolation von der Klasse ausbrechen können und reformistische Organisationen in der Praxis als Hindernis für die Interessen der Arbeiter:innen entlarven können. Außerdem sind sie ein besonders effektives Mittel, um die Interessen der Arbeiter:innen durchzusetzen.

Getrennt marschieren, vereint schlagen!

Damit die Einheitsfront ihren Zweck erfüllt und wir uns als Revolutionär:innen nicht darin verlieren, sondern Menschen für unsere Politik begeistern können, wurden verschiedene Prinzipien der Einheitsfront entwickelt. Sie lassen sich auf die Metapher „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ herunterbrechen. Damit werden die zwei wichtigsten Punkte der Einheitsfronttaktik aufgegriffen: Organisatorische und propagandistische Unabhängigkeit und Einheit in der Aktion zur Erreichung eines Ziels. Reformistische Kräfte zeichnen sich dadurch aus, immer wieder die Interessen unserer Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer Stellung in der Gesellschaft zu verraten. Die richtige Anwendung der Einheitsfronttaktik zeigt sich dann, wenn Revolutionär:innen es schaffen, die reformistischen, anarchistischen, zentristischen, etc. Kräfte und deren Taktiken zu entlarven. Dafür ist die organisatorische Unabhängigkeit super wichtig, denn nur so können wir überhaupt ordentliche Kritik formulieren und die Reformist:innen in der Praxis entlarven. Um aber auch den Zweck der Einheitsfront zu erreichen, beispielsweise einen Rechten Aufmarsch aufzuhalten und eine linke/proletarische Perspektive entgegenzustellen, muss die Einheit in der Aktion gegeben sein.

Dass der Begriff Einheitsfront so selten fällt, obwohl es eigentlich eine notwendige Taktik ist, liegt daran, dass große reformistische Strukturen näher an bürgerlichen Parteien stehen und lieber „nach bürgerlichen Regeln spielen“ als „radikalere“ und kämpferische Alternativen in Betracht zu ziehen. Außerdem besteht die berechtigte Angst, dass die reformistischen Führungen die Kontrolle über „ihre“ Basis verlieren könnten. Es ist also unsere Aufgabe, solche Einheitsfronten aufzubauen und die reformistischen Führungen in diese zu zwingen, wenn sie nicht von sich aus mitarbeiten. Dafür müssen wir die Führung unter Druck setzen, zum Beispiel indem wir die Basis gegen sie mobilisieren. Dabei kann es von Vorteil sein, selbst in der Organisation, beispielsweise einer Gewerkschaft, Mitglied zu sein, um einfacheren Zugang zur Basis zu haben.

Aber die Einheitsfront ist nicht nur eine Taktik für abstrakte Notlagen in der Zukunft. Der aktuelle Rechtsruck in Deutschland und Europa lässt rechte Hetze hochkochen und führt in eine ungewisse Zukunft. Viele Menschen, besonders mit Migrationshintergrund oder betroffen von Armut machen sich Sorgen wie sehr sich ihre Lage noch verschlechtern wird mit dem Kurs den rechte und moderate Strömungen in Deutschland gerade anstreben. Deswegen ist es notwendig, mit einem breiteren Spektrum an Organisationen zusammenzuarbeiten, denn in der Masse liegt die Schlagfähigkeit. Außerdem zeigt uns der Rechtsruck, wie wichtig es ist, die Massen für kommunistische Politik zu überzeugen, denn nur revolutionäre Politik kann den Rechtsruck und dessen perfide Auswirkungen effektiv bekämpfen und ein für alle Mal beenden.




5 Forderungen gegen Abschiebungen

Von Urs Hecker, April 2024, Revolution Zeitung 2/2024

CDU und Ampelregierung überholen sich zurzeit mit immer drakonischeren und menschenfeindlicheren Angriffen auf Geflüchtete und deren Rechte, seien es „Abschiebeoffensiven“ oder die kürzlich eingeführte Bezahlkarte. Außerdem werden migrantisierte Menschen besonders verfolgt, wenn sie sich gegen den deutschen Imperialismus und seine Unterstützung des Genozids an den Palästinenser:innen stellen.

All das dient dazu, uns als Arbeiter:innen und Jugendliche zu spalten und Geflüchtete noch stärker auszubeuten und zu unterdrücken! Es ist höchste Zeit, dass wir uns wehren und Widerstand gegen die Abschiebepolitik und den Rechtsruck formieren! Dieser Widerstand muss zielgerichtet und geschlossen sein, wenn wir gewinnen wollen. Dafür brauchen wir zentrale Forderungen, die unserem Kampf eine Richtung geben und darauf abzielen, eben jene Verhältnisse zu umzuwerfen, die Abschiebungen, den Rechtsruck und Rassismus hervorbringt! Wir haben daher 5 Forderungen zusammengetragen, die unserer Meinung nach hierbei zentral sind:

1. Gegen die Bezahlkarte! Recht auf Arbeit und gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

Sie wurde zuerst von der CSU in Bayern eingeführt und wurde seitdem von der rassistischen Hetze ins ganze Land getragen: Die Bezahlkarte. Die Ampelkoalition hat den Weg frei gemacht, auch die angeblich „fortschrittlichen“ Parteien Grüne und SPD.

Die Bezahlkarte ist eine beschränkte Prepaid-Kreditkarte, auf der Geflüchtete ihre zum Überleben notwendigen und bereits jetzt mickrigen Sozialleistungen erhalten sollen. Dabei sollen vor allem Bargeldentnahme und Überweisungen beschränkt werden. In Bayern können Geflüchtete nur noch 50€ im Monat abheben.

Auch enge räumliche Begrenzungen der Nutzbarkeit der Karte sind angedacht, was Geflüchteten ihre eh schon eigeschränkte Bewegungsfreiheit komplett rauben würde.
Grundsätzlich werden so die zentralen Rechte und Freiheiten der BRD und jeder anderen bürgerlichen Gesellschaft für Geflüchtete abgeschafft. So viel zum Grundsatz der wirtschaftlichen Privatautonomie: Entmündigung, Entrechtung und Schikane stehen auf dem Programm!

Geflüchtete werden aus jedem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, unter Generalverdacht gestellt und öffentlich gebrandmarkt. Jedes Bekenntnis zur „Menschenwürde“ dieses Staates und seiner parlamentarischen Parteien ist reiner Hohn. Angeblich soll die Bezahlkarte Überweisungen an Freund:innen und Verwandte im Ausland verhindern, um „Anreize“ für die Flucht zu mindern.
Doch imperialistischer Krieg, Klimakrise und das dadurch entstehende Elend sind Gründe für eine Flucht, nicht die rosige Aussicht auf einen Tod im Mittelmeer oder das Dasein als ausgeschlossene und unterdrückte Gruppe in Europa. Niemand flieht freiwillig!

Generell, wo wäre das Problem, wenn Geflüchtete Geldsummen an ihre Lieben überweisen, um das Elend für diese wenigstens kurz zu mildern?
Wir können uns sicher sein, dass dieser Angriff auf weitere marginalisierte Teile unserer Klasse ausgeweitet werden wird; FDP Politiker:innen wollen sie jetzt schon auf Bürgergeldempfänger:innen anwenden.

Wir müssen die Rechte von Geflüchteten und unserer gesamten Klasse gegen jeden Angriff verteidigen! Weg mit der Entrechtung in der Wirtschaft! Für das volle Arbeitsrecht für alle Geflüchteten, mit freier Verfügung über ihr Geld!

2. Für dezentrale Unterbringung! Vollumfängliche Unterstützung auf Kosten der Reichen!

Ein weiteres Mittel zur Schikane von Geflüchteten sind die Heime und Lager, in denen sie untergebracht und eingesperrt werden. Oft sind diese abgelegen auf dem Land, oder liegen vor den Städten. Die Geflüchteten befinden sich zusammengepfercht auf einem Fleck und müssen unter sich bleiben. Eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bleibt unmöglich. In solchen Unterbringungsstätten fehlt es an vielem, vor allem an Platz.

Währenddessen schlagen Kommunen Alarm, dass sie selbst diese unwürdige Unterbringung nicht finanziell stemmen können. Oft wird gesagt, „wir“ könnten uns die Unterbringung Geflüchteter nicht leisten. Dabei gibt es freien Wohnraum und Geld (bei Reichen) zuhauf in Deutschland! Die Frage ist, für welche Interessen wir sie einsetzen. Zum Beispiel gibt es 1,7 Millionen leerstehende Wohnungen in Deutschland. Durch eine Enteignung dieser unter der Kontrolle von Mieter:innen, Wohnungslosen und Geflüchteten könnte schnell dezentraler Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung stehen! Langfristig bräuchte es natürlich einen massiven Ausbau des sozialen Wohnungsbaus.

Wie das möglich sein soll? Wir holen uns das nötige Geld bei den Reichen! Bei den Gewinner:innen von Krieg und Krise ist genug Geld vorhanden. Durch eine hohe Reichensteuer könnten wir verbesserte dezentrale Unterbringung für Geflüchtete und bessere Lebensbedingungen für unsere gesamte Klasse erkämpfen!

3. Gegen imperialistische Gesinnungstests! Antisemitismus ist kein „Importprodukt“!

Auch der vom deutschen Imperialismus unterstützte Genozid Israels in Gaza wird nach innen zum Angriff auf Geflüchtete genutzt. Sachsen-Anhalt hat als erstes Bundesland das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zur Voraussetzung für eine Einbürgerung gemacht.

Doch Antisemitismus ist kein „ausländisches Problem“. Die mit Abstand größte Gefahr für Jüd:innen in Deutschland geht von Rechten aus. Mit diesem Vorwurf gegen Geflüchtete aus dem arabischen Raum will der deutsche Staat sein Image reinwaschen und die Arbeiter:innen spalten.

Die notwendige Ablehnung des genozidalen Apartheidsstaats Israel ist jedoch kein Antisemitismus! Für Palästinenser:innen und andere Araber:innen, deren Verwandte und Freund:innen durch Israel ermordet wurden, oder die selbst Unterdrückung durch Israel erfahren haben, ist diese Haltung nur logisch.

Wenn Palästinasolidarität mit Antisemitismus einhergeht, dann ist das ein Trugschluss aus der eigenen Unterdrückung, der weiterhin bekämpft werden muss. Doch es wäre ein komplett falscher Ansatz, Jüd:innen zu schützen, indem man „Antisemit:innen aus Deutschland raushält“. Dadurch wird der Antisemitismus, der insgesamt auf der Welt existiert, ja nicht weniger, und am Ende werden Jüd:innen dadurch nicht geschützt.

Rechte für Migrant:innen in Deutschland dürfen nicht an politische Überzeugungen gebunden sein, da ihnen so fundamentale demokratische Rechte entzogen werden und vor allem Linke Repressionen erfahren würden. Also weg mit dem Gesinnungstest!

4. Geflüchtete in den DGB! Für gemeinsame Kämpfe um ein besseres Leben!

Damit Rechte für Geflüchtete erkämpft werden können, müssen sie Teil dieser Kämpfe sein. Um sich auf Basis ihres Klasseninteresses zu organisieren, müssen Geflüchtete in Gewerkschaften vertreten sein. Als Grundlage braucht es eine Solidarisierung des DGB mit Geflüchteten!

Wie wir an der Bezahlkarte sehen können, sind alle Arbeiter:innen durch diese Angriffe bedroht. Schluss mit dem Kuschen der bürokratischen Gewerkschaftsführung vor der Ampelregierung; wir brauchen eine offensive Verteidigung der Rechte für Geflüchtete durch den DGB!

Außerdem können gemeinsame Kampferfahrungen die Grundlage zur Bekämpfung der rassistischen Vorurteile innerhalb der Arbeiter:innenbewegung sein. Wer zusammen für die gemeinsamen Interessen als Arbeiter:innen kämpft, überwindet gesellschaftliche Marginalisierung und ist in der Lage, den gemeinsamen Klassenstandpunkt zu erkennen. Damit wir eine kampffähige Klasse aufbauen können, sind Geflüchtete im DGB unerlässlich!

5. Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle!

Viele Menschen auf der Flucht schaffen es nicht an ihr Ziel. Sie ertrinken im Mittelmeer, das von der EU und ihrer Grenzbehörde Frontex in ein Massengrab verwandelt wurde, oder sie werden an der Grenze abgefangen und in menschenunwürdige Lager gesteckt. Die bürgerlichen Staaten schrecken nicht davor zurück, beim „Verteidigen“ ihrer Grenzen über Leichen zu gehen.

Bewegungsfreiheit, sichere Fluchtwege und offene Grenzen sind bitter nötig! Grenzen existieren, weil sie für kapitalistische Nationalstaaten notwendig sind. Sie markieren die Grenzen des Binnenmarktes und sind der Rand des absoluten Machtbereichs der jeweiligen nationalen Bourgeoisie. Die Forderung der offenen Grenzen ist also eine Forderung gegen den bürgerlichen Nationalstaat. Sie kann nur gegen ihn durchgesetzt werden und geht auch über die Grenzen des Kapitalismus hinaus!

Bürgerliche Staaten teilen diejenigen, die sie beherrschen ein: in privilegierte Staatsbürger:innen und die, die es nicht sind. Diese rassistische Form der Diskriminierung basiert auf Herkunft oder Geburtsort. Sie besitzen kein Wahlrecht und ihr Bleiberecht ist oft unsicher, was sie zu deutlich leichter ausbeutbaren Arbeiter:innen macht. Dadurch schwächt der Staat die ganze Klasse, denn die gemeinsamen Interessen werden durch angebliche „nationale Interessen“ verdeckt und gegeneinander ausgespielt. Um die rassistische Diskriminierung endgültig zu überwinden, unsere Klasse ökonomisch zu stärken und gemeinsam kämpfen zu können, braucht es ein Kampf für gleiche Staatsbürger:innenrechte für alle!