Gi-Ga-Generalstreik am 20.9.! Warum die Gewerkschaften bisher nicht mitmachen wollen und wir sie aber dringend brauchen.

Stellt euch mal vor, die Fridays-for-Future Großaktionen am 20.9. werden noch ein bisschen anders als wir es sonst von unseren Schulstreiks am Freitag kennen. Neben den Tausenden von Schüler_innen mit bunten Schildern in den Händen könnten an diesem Tag noch einmal mindestens doppelt so viele Arbeiter_innen in grellen Warnwesten und mit den Fahnen ihrer Gewerkschaften stehen. Ein lautstarker Demonstrationszug mit hunderttausenden von Menschen könnte sich in vielen Städten gleichzeitig in Bewegung setzen. Im Unterschied zu sonst wären wir nicht nur wesentlich mehr Menschen sondern es würde auch niemand um uns herum arbeiten. Keine Straßenbahn würde an uns vorbeifahren und keine Bauarbeiter_innen würden von Gerüsten auf uns mit fragenden Blicken herabschauen. Es wäre nämlich ein Generalstreik. Mit Fridyas for Future konnten wir bereits viel Aufmerksamkeit generieren und das Klimaproblem stärker in den Fokus der öffentlichen Debatte rücken. Doch noch immer haben wir es nicht geschafft, die Politik wirklich zum Handeln zu bewegen. Das könnte sich durch einen Generalstreik am 20.9. ändern, denn wenn alles stillsteht, bleiben auch den Konzernen ihre Profite aus und die Politiker_innen sind gezwungen zu handeln. Der Generalstreik ist die stärkste Waffe, die wir als Menschen haben, die selber kein Vermögen auf dem Konto, eigene Fabriken oder große Ländereien besitzen, um für unsere politischen Ziele zu kämpfen.

„Ausstempeln“ bis zum Generalstreik?

Ist es also das, was uns am 20.9. erwartet? Mehrere Prominente wie zum Beispiel der Fernsehmoderator Joko Winterscheidt haben schließlich bereits öffentlich ihre Solidarität mit unserem Klimageneralstreik ausgedrückt und dazu aufgerufen, an den Aktionen teilzunehmen. Dazu gehört auch Frank Bsirske, der Chef der Gewerkschaft verdi, der zweitgrößten Gewerkschaft in Deutschland. Klingt also so, als ob unsere schöne Idee vom Klimageneralstreik tatsächlich Realität werden könnte. Leider gibt es da nur einen Haken: Kurz nachdem der Gewerkschaftschef seine Solidarität mit uns ausdrückte, sagte er: „Wir rufen natürlich nicht zu einem ordentlichen Streik auf, das geht nicht. […] Aber wer kann, sollte ausstempeln und mitmachen“.

Aber wer kann einfach so mal nicht zur Arbeit kommen, um an einer Demo teilzunehmen? Wer hat am Ende des Sommers noch Urlaubstage übrig, um mal eben „auszustempeln“? Damit Arbeiter_innen streiken können, ohne Angst um ihren Job oder andere Repressionen fürchten zu müssen, ist es essenziell, dass die Gewerkschaften zum Streik aufrufen. Tun sie dies nicht, bleibt nur einigen wenigen privilegierten Arbeiter_innen die Möglichkeit an den Aktionen teilzunehmen. Der Streik sollte jedoch eine kollektive und keine individualistische Aktionsform sein, denn so verliert er seine Wirkung.

Legal? Illegal? Scheißegal!

Zum anderen bleibt uns Bsirske auch eine Antwort auf die Frage schuldig, warum man denn nicht zu einem ordentlichen Streik aufrufen könne. Vermutlich würde er ähnlich wie auch Anfang des Jahres bezüglich des internationalen Frauenstreiks antworten, dass in Deutschland sogenannte „politische Streiks“ verboten seien. Gewerkschaften dürften Streiks lediglich als letztes Mittel nutzen, um Druck in Tarifverhandlungen auszuüben. Sorry Frank, aber du erzählst hier mal wieder Mist. Schließlich gibt es genug Beispiele für politische Streiks in Deutschland. Prinzipiell sind diese auch nicht von der Verfassung verboten. Es gibt lediglich eine Tradition in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, die Streiks ohne Bezug zu laufenden Tarifverhandlungen häufig mit Einschränkungen und Repression belegt. Langjähriger Präsent des Gerichtes und Architekt der arbeiter_innenfeindlichen Urteile war übrigens der NS-Jurist Hans-Carl Nipperdey, der schon unter Hitler begeistert die nationalsozialistische Einheit zwischen Angestellten und Unternehmern beschwor1. Außerdem könnte sich unser verängstigter Frank dann auch mal mit den anderen DGB-Gewerkschaften an einen Tisch setzen und zusammen überlegen, ob sie nicht weitere Streikaktionen durchführen wollen, um mögliche Finanzstrafen des Bundesarbeitsgerichtes abzuwenden.

Zum anderen ist es eigentlich auch gar nicht wichtig, ob ein Generalstreik im Einklang mit dem geltenden Recht in Deutschland steht. Die großen Generalstreiks in der Geschichte der Arbeiter_innenbewegung in Deutschland waren es zumindest auch nicht: Ob die Massenstreiks zur Beendigung des Ersten Weltkrieges, der Generalstreik der die Weimarer Republik vor einem faschistischen Putsch 1920 gerettet hat oder der Generalstreik, der uns 1948 vor dem krassesten Marktradikalismus bewahrt hat. Und trotzdem konnten sie ihre politischen Ziele einfach so entgegen dem geltenden bürgerlichen Recht durchsetzen. Was soll auch so ein Stück Papier gegen die geballte Kraft der Arbeiter_innenklasse ausrichten? Schließlich hat ein Generalstreik mit Millionen Unterstützer_innen auch eine viel höhere demokratische Legitimität als irgendein von Fascho-Juristen konstruiertes Urteil. Die Herrschenden sind dadurch gezwungen auf die Interessen der streikenden Massen einzugehen und können, sollten sie dies nicht tun, durch weitere Aktionen sogar entmachtet werden.

Die soziale Frage aufwerfen

Allen falschen Ausreden und Opportunismus von unserem verdi-Frank zum Trotz ist es dennoch schon einmal ein gutes Zeichen, wenn sich die zweitgrößte Gewerkschaft in Deutschland mit den Protesten solidarisch zeigt. Viele andere Gewerkschaften haben dies bisher nicht getan. Dabei wäre das eigentlich bitter nötig, denn die Klimakrise betrifft uns alle. Besonders uns Jugendliche und Lohnabhängige, denn die Reichen können sich viel besser vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen, während wir speziell in ärmeren Ländern seinen Folgen vorwiegend ausgesetzt sind. Die Klimakrise hat also eine soziale Dimension, eine Klassendimension, weshalb wir den Kampf dagegen auch mit der sozialen Frage, der Klassenfrage, verknüpfen müssen. So müssen wir dafür eintreten, dass die Kosten der Klimakrise nicht auf dem Rücken der Arbeiter_innen und der Jugend ausgetragen wird (z. B. durch Ökosteuern oder Massenentlassungen in umweltschädlichen Industrien). Wir müssen dafür sorgen, dass die Klimafrage und die soziale Frage nicht gegeneinander ausgespielt sondern miteinander verbunden werden. Das heißt also nicht Jobs in der Braunkohle zu retten damit weitergebaggert und verpestet wird. Vielmehr heißt das neue Jobs in der Gewinnung regenerativer Energien zu schaffen und durch Umschulungen, höhere Löhne und Arbeitszeitverkürzungen gleichzeitig für bessere Arbeit und ein besseres Klima zu kämpfen. Dafür brauchen wir jedoch auch in Fridyas for Future ein Verständnis und Sensibilität für die existenziellen Sorgen und Nöte der Beschäftigten und keine abgehobene Ignoranz, wie sie in der Debatte manchmal vorkommt. Sprüche wie „Sucht euch doch einfach nen Job in nem Öko-Startup!“ oder „Wir alle sollten einfach nur noch Bio-Produkte kaufen!“ helfen da wenig weiter und spiegeln vielmehr die privilegierte Position einiger Aktivist_innen wider.

Good old Klassenkampf is needed!

Dass jedoch heute nicht alle Arbeiter_innen und Gewerkschaftsmitglieder so Feuer und Flamme für den Aufbau einer kämpferischen Umweltbewegung eintreten und wir Schüler_innen und Studierenden es in Fridays for Future dagegen schon tun, hat viel mit den desillusionierenden Erfahrungen der Gewerkschaftsbewegung in den letzten Jahrzehnten zu tun (die wir zum Glück nicht machen mussten). So hat die Gewerkschaftsführung mit ihrer Politik der Sozialpartnerschaft (was so viel wie Kooperation zwischen Kapital und Arbeit anstelle von Klassenkampf heißt) für Vertrauensverlust, Trägheit und Passivität unter den Gewerkschaftsmitgliedern gesorgt. Und das, obwohl Umweltschutz seit dem Entstehen der Arbeiter_innenbewegung eigentlich immer ein zentrales Thema der Gewerkschaften war. Damals ging es vor allem noch um den Kampf gegen den Einsatz lebensgefährlicher Chemikalien in der Produktion, die die Gesundheit von Mensch und Natur massiv bedrohten. Im Zuge der Sozialpartnerschaft haben die Gewerkschaften dann das Umweltthema und viele andere politische Fragen nach und nach im Aktenschrank der Geschichte verstaut und sich von den Unternehmen aus der Sphäre der Politik drängen lassen, sodass sie sich heute nur noch für Tarifverhandlungen zuständig fühlen.

In diesem Aktenschrank müsste sich auch ein Schredder befinden, dem die internationale Solidarität zum Opfer gefallen ist. Mit der Sozialpartnerschaft ging nämlich auch die Entfaltung der nationalistischen Orientierung der Gewerkschaften einher, die den Ausbau Deutschlands zur Exportmacht der Solidarität mit Arbeiter_innen weltweit vorzieht. Doch da der Kampf gegen die Klimakrise global stattfinden muss, brauchen wir internationale Solidarität statt nationalistischer Spaltung. Dies wird umso deutlicher, wenn wir uns vor Augen führen, dass sich der Klimawandel auch zu einem der wichtigsten Fluchtgründe entwickeln wird. Wenn wir also die Arbeiter_innenklasse ernsthaft für Fridyas for Future gewinnen wollen, müssen wir sie davon überzeugen, die Politik der Sozialpartnerschaft zu beenden indem wir zwei Sachen von den Gewerkschaften einfordern:

  1. Hört auf euch von den Unternehmen bevormunden und mundtod machen zu lassen und fangt endlich wieder an, euch als politische Kampforgane der Klasse zu begreifen, indem ihr euch zum Beispiel entschieden gegen die Klimakrise positioniert.

  2. Brecht mit eurer nationalistischen Standortideologie, denn dem Klima sind nationalstaatliche Grenzen ziemlich egal. Zum anderen kann die Aufgabe einer ökologisch-nachhaltigen Umgestaltung der Produktion insbesondere für die deutsche Wirtschaft, die auf die Verwertung von Rohstoffressourcen und billiger Arbeitskraft im Ausland angewiesen ist, nur international gedacht werden kann. Holt euch von uns ein wenig Nachhilfeunterricht zum Thema „Klimagerechtigkeit“ ab.

Die Gewerkschaftsführungen werden sich vermutlich leider nicht so leicht von unseren Argumenten überzeugen lassen – auch wenn sie gut sind. Das liegt daran, dass sie selber viel zu tief in der Scheiße mit drinstecken und ihre eigenen Privilegien verlieren könnten. Es braucht also aktiv Druck aus der Gewerkschaftsbasis gegen die Führung, sonst machen die gar nichts. Der 20.9. kann dabei ein Startschuss sein, um die Diskussion neu zu entfachen, wie Gewerkschafts- und Umweltbewegung vereint werden können. Doch lasst uns nicht nur quatschen sondern auch machen und jede_r Arbeiter_in auf unseren Demos willkommen heißen. Ziel muss es sein, eine internationale Bewegung der Jugend und der Arbeiter_innen aufzubauen, die durch Massenstreiks und Besetzungen unser Interesse an der Rettung dieses Planeten durchsetzt.

1 Vgl. ak Nr. 651, S.23




FSJ und Bufdi: Freiwilliges Soziales Lohndumping?!

Felix Ruga

Endlich durch die Schule gekämpft und den erhofften Abschluss in der Tasche! Jetzt stellt sich die Frage: Direkt Studium oder Ausbildung oder vielleicht erstmal ein Jahr was anderes als Lernen? Für Viele ist genau hier das Angebot der Freiwilligendienste attraktiv – am prominentesten dabei das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) oder der Bundesfreiwilligendienst (BFD). Man kann etwas Erfahrung im Berufsleben aber auch im Umgang mit anderen Menschen sammeln, zeigt Engagement für Bedürftige, möchte die eigenen Stärken und Schwächen weiter kennenlernen und vor allem muss man sich nicht jetzt schon entscheiden, mit welchem Beruf man für den Rest des Lebens seine Brötchen verdienen muss. Andere werden jedoch auch vom Jobcenter gar nicht so „freiwillig“ zum Dienst gezwungen, um die Arbeitslosenstatistik zu senken. So gibt es jährlich über 100.000 Jugendliche, die einen Freiwilligendienst leisten.

Offiziell sind FSJ und BFD weder Arbeits- noch Ausbildungsverhältnisse, sondern laut Gesetz ein „Bildungsjahr“. Dies zeigt sich unter anderem in den Seminaren (25 Seminartage sind gesetzlich vorgeschrieben), in denen z.B. der Arbeitsalltag reflektiert wird oder politische Bildung stattfindet. Abgesehen von den Seminaren ist man jedoch die ganze Zeit in den Betrieben und Institutionen und leistet dort meistens unersetzliche Arbeit, ohne die der Laden den Bach runtergehen würde. Viele berichten, dass sie Aufgaben erledigen müssen, für die sie eine Ausbildung oder mehr Erfahrung bräuchten, die rein gar nichts mit sozialem Engagement zu tun haben oder sie unter krassen emotionalen Stress setzen. Man wird meistens einfach wie eine billige Arbeitskraft benutzt. Und fast alle Betriebe sind sich einig, dass es ohne all die Freiwilligen niemals gehen würde. Jedoch spiegelt sich dieser Umstand nicht im Lohn wider: Es gibt ein „Taschengeld“ von ca. 300€ und mit etwas Glück noch Geld für Verpflegung. Gleichzeitig ist es jedoch Pflicht, dass die volle Wochenarbeitszeit geleistet wird, wodurch der Stundenlohn bei gerade einmal 2,50€ liegt! Fahrtkosten werden dabei nicht bezahlt, sodass man locker ein Viertel direkt wieder los ist. Kaum ausgeglichen wird das durch kleine Zugeständnisse, wie dass es das Fachabi erleichtert, als Wartesemester beim späteren Studium anerkannt wird oder dort ein Pflichtpraktikum ersetzt.

Wir Jugendliche sollen hier als Notpflaster für den Pflege- und Bildungsnotstand herhalten, indem wir mit einigen staatlichen Zugeständnissen und dem guten Gefühl des sozialen Engagements dazu verleitet werden, für viel zu wenig Geld arbeiten zu gehen. Die Bundesregierung, die die Pflege, Gesundheit und Bildung zunehmend der Konkurrenz des freien Marktes überlässt, hat mit Sparmaßnahmen, Privatisierung und systematischer Unterbezahlung (insbesondere von weiblichen* Angestellten) ein riesiges Loch im sozialen, pädagogischen und medizinischen Bereich aufgerissen. Die Folgen sind sinkende Qualität, Überlastung, Burn-Outs und Personalmangel. Nachdem nun der Zivildienst abgeschafft wurde hat sich der Staat mit den Freiwilligendienstprogrammen eine noch kostengünstigere und langfristigere Möglichkeit einfallen lassen, Jugendliche in dieses Loch zu stopfen. Möglich ist das meist nur dadurch, dass die meisten Jugendlichen noch bei den Eltern wohnen und noch nicht wissen, wie viel sie eigentlich für ihre Arbeitskraft verlangen könnten (Dies bezeichnet man als „Überausbeutung“: Voll zu arbeiten, aber trotzdem davon nicht alleine leben zu können). Dabei sind wir nicht nur billige Arbeitskräfte, sondern drücken auch noch zusätzlich die Löhne der anderen Beschäftigten oder ersetzen sogar die Arbeitsplätze von ausgebildeten Fachkräften. Selbst bei den Ausbildungskosten wird hier gespart, da FSJler_Innen ja häufig dieselben Tätigkeiten wie die Festangestellten ausführen, ohne dass Geld für ihre Ausbildung ausgegeben werden musste.

Die Initiative und das Engagement von Jugendlichen etwas Soziales für die Gesellschaft beisteuern zu wollen sind natürlich trotzdem total cool und richtig. Der Spaß muss nur gerecht bezahlt werden und die anderen Beschäftigten dürfen nicht darunter leiden. REVOLUTION fordert deshalb:

– Senkung der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden! Festlegung der Anzahl und des Inhalts der Seminartage durch FSJler_Innen und BFDler_Innen!

– Tarifliche Bezahlung auch für FSJ und BFD sowie Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro netto! Mietzuschüsse für die, die es brauchen! Terifliche Bezahlung für alle im sozialen Bereich!

– FSJler_Innen sind nicht dafür da, die Lücke im sozialen Sektor zu stopfen! Für ein gesellschaftliches Programm nützlicher Arbeit, welches massiv die Ausbildungs- und Personalzahlen im Sozial- und Pflegebereich erhöht – festgelegt und kontrolliert durch Gewerkschaften und Beschäftigte, finanziert durch erhöhte Besteuerung von Reichen!




Fridays for Future: Wie können wir gewinnen?

Lars Keller

29.07.2019

Nach rund einem halben Jahr Fridays for Future in Deutschland sind wir nicht mehr wegzudenken! Trotz allem Gelaber von wegen wir sollen das mit der Energiewende „den Profis“ überlassen, trotz diverser Drohungen von Schulleitungen und Kultusministerien, trotz aller Angriffe die wir uns anhören müssen, bloß weil man ein „total stromfressendes Smartphone“ nutzt.

In Aachen waren wir am 21.06 beim ersten gemeinsamen europäischen Klimastreik mit rund 40.000 auf der Straße – der bisher größte Erfolg. Einen Tag später trugen wir unseren Protest direkt vor die Haustür des Rheinischen Braunkohlereviers – der größten CO² Schleuder Europas. Zusammen mit einem Teil von Ende Gelände liefen wir am Tagebau Garzweiler II entlang ins von den Baggern bedrohte Keyenberg. Es gab sogar schon Streiks die über den wöchentlichen Freitagstermin hinausgingen und einige Tage andauerten!

Aus der Bundespolitik erreicht uns angesichts der Mobilisierungserfolge von Fridays for Future nicht nur Kritik – von LINKE über Grüne und sogar bis hin zur CSU erreichen uns Komplimente von Berufspolitiker_Innen für unser „tolles Engangement“ und „Interesse an Politik“. Aber dieses ganze Geschwätz bringt uns nichts für unsere Zukunft. Das erkennen viele von uns. Immerhin ist die Untätigkeit dieser parlamentarischen Schwätzer_Innen etwas ernsthaftes gegen die Zerstörung unseres Planten und Klimas zu tun überhaupt erst der Grund, warum wir zu Tausenden auf die Straße gehen!

Diese Untätigkeit trifft auf alle Parteien im Bundestag zu. Die AfD macht es sich am einfachsten und leugnet den menschlichen Einfluss auf das Klima. Aber auch die anderen Parteien kommen nicht gut weg: Die Linke und SPD haben in Brandenburg dem Ausbau des Tagebaus Welzow zugestimmt, die Grünen die Abholzung des Hambacher Forstes abgesegnet und das unsinnige Stuttgart 21 unterstützt, die FDP und CDU erst den Ausstieg aus der Atomkraft zurückgenommen um dann nach dem Unfall von Fukushima das Ganze doch wieder umzudrehen. Außerdem beteiligten sich Grüne, SPD, CDU und FDP an dem faulen Kohlekompromiss (Ausstieg aus der Braunkohleverstromung erst 2038) – genauso wie die NGOs Greenpeace und BUND übrigens auch.

Was brauchen wir jetzt?

Viele in Fridays for Future stellen sich die Frage, wie die Bewegung weiterkommen und siegen kann – so auch wir. Doch was wollen wir überhaupt erreichen? Bundesweit tritt Fridays for Future für die Einhaltung des 1,5 Grad Zieles, Ausstieg aus der Kohle bis 2030 sowie Nettonull bis 2035 ein. Einige lokale Gruppen, wie z.B. Frankfurt am Main gehen bereits darüber hinaus und fordern die Gemeinden und Kommunen zum konkreteren Handeln auf. Es zeigt sich: Viele von uns geben sich nicht mit den wenigen bundesweiten Punkten von Fridays for Future zufrieden und treiben den Kampf auf lokaler Ebene weiter.

Weit verbreitet ist dabei das Mittel des „Klimanotstandes“. Derzeit läuft eine Petition diesen bundesweit durchzusetzten. Ziel ist, Kommunen dazu zu verpflichten, aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen. Wir finden, dass das ein nettes Symbol ist, das aber noch viel weiter getrieben werden muss! Wenn Konzerne trotz aller Mahnungen nicht bereit sind, aus der Braunkohleverstromung auszusteigen, Banken weiter in Klimakiller investieren oder Industrien weiter Verbrennungsmotoren bauen, dann müssen wir die Chefetagen leider austauschen – und zwar durch wähl- und abwählbare Komitees aus den Arbeiter_innen und Wissenschaftler_innen (sowas nennt man auch Enteignung und Kollektivierung).

Das wäre die logische Konsequenz eines Klimanotstandes. Wenn für die Reichen der Profit über dem Klima steht, dann müssen wir halt dafür sorgen, dass das Klima Vorrang bekommt! Nur so kann eine ökologische Umstrukturierung der Gesellschaft erfolgen: Wir nehmen den Profit und das Kapital der Konzerne und Industrien und kontrollieren demokratisch zusammen mit den Arbeiter_Innen dieser Industrien, wie damit zum Beispiel die schnellstmögliche Energie- und Verkehrswende erfolgen und finanziert werden kann.

Das sehen leider viele Aktivist_innen in unserer Bewegung nicht so. In Aachen zeichnete sich allerdings auch eine Polarisierung in der Bewegung ab. Neben dem Pol um die Partei die Grünen, BUND, Greenpeace, campact usw. gab es auch einen sichtbaren antikapitalistischen Pol. Wir als eine der antikapitalistischen Kräfte hielten einige Workshops ab und diskutierten dabei auch die Frage von Revolution und Sozialismus als Lösung der Klimakrise. Es gab dabei viele Kritiken an unserer Position, aber auch Zustimmung. Bedeutend war aber nicht bloß der Inhalt der Diskussion, sondern auch die Diskussion selbst. Wir denken, dass eine lebendige, breite Diskussion um die politische Ausrichtung der Bewegung entscheidend für das Weiterkommen von Fridays for Future ist. So kann die Bewegung in der Basis verbreitert werden, sich gegen politische Angriffe rüsten und für Diskussionen mit Arbeiter_Innen und Gewerkschaften aufstellen.

Um‘s konkret zu machen: Wir sind dafür, dass Debatten und Abstimmungen nicht bloß auf Ortsgruppen oder Plena beschränkt sind, sondern bereits auf den Kundgebungen und Demos oder unmittelbar danach in Versammlungen stattfinden. Dort sollten auch die bundesweiten Delegierten gewählt werden, die wöchentlich gegenüber der gesamten Bewegung Bericht erstatten, was läuft und umgekehrt die Bewegung die Möglichkeit hat, wöchentlich die Delegierten neu zu bestimmen. Das schließt auch mit ein, dass transparent offengelegt wird, ob die Delegierten auch in NGO‘s, Organisationen oder Parteien aktiv sind. So bekommt auch die Führung einen demokratisch legitimierten Charakter und wird rechenschaftspflichtig gegenüber einer breiten Basis.

Auch braucht es bei der gegenwärtigen Bewegungsdynamik häufigere, regelmäßige bundesweite Konferenzen, die für alle sozialen Hintergründe von Schüler_Innen bezahlbar sind. Wenn bei Fridays for Future tausende auf die Straße gehen und Massenaktionen wie in Aachen durchgeführt werden, so bringt das auch eine hohe Arbeitsbelastung für führende, anleitende Aktivist_Innen mit.

Bisweilen zogen sich manche auch aufgrund von Überlastung raus. Auch hier schafft eine verbreiterte Demokratie und Debatte Abhilfe und zieht mehr Aktivist_Innen in die Aufgaben. Wöchentliche Abstimmungen, Berichte und Aufgabenverteilungen an die gesamte Bewegung können dafür sorgen, dass viel besser auf die Dynamik der Bewegung reagiert werden kann.

Wir müssen uns auch überlegen, wie wir auf vermehrte Drohungen über Bußgelder und Strafen von Schulleitungen und Kultusministerien antworten wollen. Auch hier liegt für uns die Lösung in einer möglichst breiten Verankerung der Bewegung auch in den Schulen selbst. Streikkomitees an Schulen können vor Ort Aktionen gegen Angriffe vom Direx durchführen. Wenn die Schulleitung unbedingt Fächer unterrichten will, die es nur Freitags gibt, dann zwingen wir sie halt dazu, dass Fach wann anders zu machen.

Kurz gesagt: Wenn sich 10.000 statt 500 lokal an Fridays for Future beteiligen, gibt‘s auch mehr Leute, die was machen, diskutieren und vorantreiben wollen. Eben das muss sich in der Führung einer Bewegung widerspiegeln und kann auch nicht durch WhatsApp und Telegram ersetzt werden – für diese virtuellen Gruppen haben nicht alle dieselben Ressourcen und eine strukturierte Diskussion ist wegen mehreren Themen gleichzeitig oft unmöglich.

Globaler Klimastreik – aber wie?

Der nächste große Mobilisierungsschwerpunkt für Fridays for Future ist der Globale Klimastreik am 27. September. Das bietet aus unserer Sicht gleich drei positive Möglichkeiten für die Bewegung:

Erstens, weil der Klimawandel ein globales Phänomen ist und daher nicht in einem Land isoliert bekämpft werden kann. Das ist uns allen natürlich bekannt.

Zweitens ist der Klimawandel aber nicht bloß ein weltweites Problem, er hängt auch unmittelbar mit Rassismus zusammen. Warum ist das so? Nun, wenn zum Beispiel Menschen aus der Subsahara wegen Dürre fliehen müssen und dann auf die Festung Europa treffen, dann ist das Rassismus. Wenn umgekehrt reiche Länder – wir würden sagen imperialistische Länder – Produktionen in arme Länder (Halbkolonien) auslagern, Müll dorthin exportieren, Raubbau an den dortigen Ressourcen betreiben, dann verschärft das wiederum umgekehrt die dortigen schlechten Lebensverhältnisse.

Deshalb müssen wir den Kampf gegen die Klimakatastrophe mit einem Kampf gegen Rassismus verbinden und ganz klar sagen: Grenzen auf! Klimawandel ist eine Fluchtursache! Zwangsläufig muss auch das ein internationaler Kampf sein um z.B. bessere Lebensverhältnisse und gegen Überausbeutung in der halbkolonialen Welt. Hierbei stehen uns wieder jene Konzerne entgegen, die von der Überausbeutung profitieren – auch hier sagen wir: Enteignung der Konzerne, Kontrolle der Arbeiter_Innen über die Produktion und weltweiter, demokratische Plan zum Aufbau der armen Länder in Verbindung mit einem Notprogramm gegen die ökologische Katastrophe.

Drittens ist der Aufruf zum globalen Klimastreik ein Aufruf zu einem Generalstreik. Der umfasst nicht bloß Schüler_Innen, sondern vor allem auch die, die all den Reichtum der Gesellschaft produzieren: Die Arbeiter_Innen. Der Klimawandel betrifft uns alle und zusammen können wir einfach mehr Druck ausüben. Zum Beispiel haben doch auch viele Lehrer_innen bereits gesagt, dass sie unsere Proteste unterstützenswert finden, doch was wäre, wenn unsere Lehrer_innen, Sozialarbeiter_innen, Sonderpädagog_innen, Erzieher_innen und Bibliothekar_innen nicht mündlich solidarisch sind, sondern selber streiken? Dafür muss die Bildungsgewerkschaft GEW sie zum Streik aufrufen. Auch die Gesundheitsberufe sind betroffen, denn mit der globalen Erderwärmung wird eine riesige Welle von medizinischen Notfällen auf Sie zukommen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di rufen wir deshalb ebenso zum Streik auf wie alle anderen Gewerkschaften.

Nun stellt sich die Frage, wie können wir Arbeiter_Innen und ihre Organisationen für den globalen Streik gewinnen? Ein erster Schritt ist ein Aufruf einiger Linken in den Gewerkschaften, den Streik zu unterstützen. Wir können versuchen, ihn möglichst weit zu streuen und an lokale Gewerkschaftsinitiativen oder Büros zu versenden. Aber das allein wird nicht reichen. In Deutschland sind politische Streiks (also Streiks, die nicht direkt was mit Löhnen oder Arbeitszeit zu tun haben) illegal und die Führungen der Gewerkschaften sind viel zu feige dagegen anzukämpfen. Sie werden im Gegenteil versuchen, die Arbeiter_Innen vom Streik abzuhalten.

Auch die Arbeiter_Innen stehen uns teilweise feindlich gegenüber. Gerade die in der Kohleindustrie oder der Automobilbranche fragen natürlich: Wie behalte ich bei der Energiewende mein Einkommen. Da bringt‘s uns nix einfach zu rufen: „Es gibt kein Recht auf Kohlebagger fahren!“. Wir müssen uns im Gegenteil darüber klar werden, dass der schnellstmögliche Ausstieg aus der Braunkohle nur durch die Arbeiter_Innen passieren kann, wir allein als Schüler_Innen besitzen dafür leider nicht die Macht. Deswegen: Warum nicht mal eine Freitagskundgebung vor einem Braunkohlemeiler, einer Autofabrik oder einem Busdepot machen und die Diskussion suchen? Dabei müssen wir klar machen, dass wir die Bosse für die Energiewende zahlen lassen wollen und dass eine von den Beschäftigten selbst bestimmte Umstrukturierung der Produktion stattfinden soll. Oder warum nicht mal zu den Gewerkschaften gehen und sie auffordern, den Klimastreik einfach zu unterstützen und auf das eingeschränkte Streikrecht zu scheißen? Es gibt hierbei keine Garantie auf Erfolg, aber wir glauben, dass für Fridays for Futures eigene Zukunft als Bewegung entscheidend sein wird, von der Schüler_Innenbewegung zu einer Bewegung der Arbeitenden und Jugendlichen global zu werden. Also müssen wir zumindest probieren, die offensten, radikalsten, jugendlichsten Teile der Arbeiter_Innen zu gewinnen. Dass das möglich ist, beweisen die bereits jetzt schon vorhandenen Azubis und Arbeiter_Innen, die sich solidarisch mit der Bewegung zeigen.

Wir haben hier nur einige unserer Gedanken zu Fridays for Future zusammengestellt. Wenn ihr Bock habt sie mit uns zu tiefergehend zu diskutieren, schreibt uns an! Wir kommen auch gern zu Eurer Fridays for Future Aktion oder Ortsgruppe!




Fridays for Future: Welche Strategie führt zum Sieg?

Jan Hektik

Seit Fridays for Future (FFF) hunderttausende Jugendliche weltweit auf die Straße bringt, ist der Klimawandel ein Thema, das überall und vermehrt diskutiert wird. Am 24. Mai gingen allein in Deutschland wieder über 300.000 SchülerInnen und erwachsene UnterstützerInnen auf die Straße. Weltweit sollen sich 1,8 Millionen Menschen beteiligt haben. Für den 21. Juni plant die Bewegung eine europaweite Massendemonstration in Aachen samt Unterstützung der Aktionen von „Ende Gelände”. Am 20. September soll ein weiterer Klimastreik samt Aktionswoche folgen, die mit einem weltweiten Generalstreik (Earth Strike) am 27. September abgeschlossen werden soll.

Alle seriösen wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen, dass sich etwas ändern muss und zwar grundsätzlich und sehr schnell! Doch es ist auch klar, dass die etablierten Parteien – insbesondere CDU, SPD, FDP und AfD – dies weder durchsetzen wollen noch werden. Dass zumindest der Jugend dies klar ist, zeigt alleine die explodierende Bekanntheit des Videos von Rezo, welches beim Verfassen dieses Artikels 11 Millionen Views hatte. Folgerichtig mobilisiert FFF auch weiter auf der Straße und an den Schulen. Hierbei sind vor allem drei Aspekte maßgeblich für den Erfolg der Bewegung.

Aktionen auf der Straße

FFF mobilisiert die SchülerInnen aus den Klassenräumen auf die Straße und trägt den Protest sichtbar an die Öffentlichkeit. Die Jugendlichen bauen Druck auf, vernetzen sich und versuchen, die Bewegung zu verstetigen. Vor unseren Augen entsteht eine fortschrittliche neue Massenbewegung, die sich einer zentralen Überlebensfrage der Menschheit annimmt und die das Potential hat, zu einer dauerhaften, langfristig kämpfenden Bewgung zu werden. All dies verdeutlicht ihre Bedeutung.

Auch die Wahl des Mittels zeugt von einem richtigen Verständnis, wie man politische Veränderungen erkämpfen kann. Das Mittel des Streiks ist seit jeher die Waffe der Lohnabhängigen, der Ausgebeuteten, der Unterprivilegierten gegen Staat und Kapital, um wirklichen und gesellschaftlichen Druck aufzubauen. Leider richtet dieser, solange er nur durch SchülerInnen praktiziert wird, keinen wirtschaftlichen Schaden an. Solange „nur“ SchülerInnen streiken, stehen eben nicht alle Räder still. Deshalb geht es darum, auch die Lohnabhängigen und die Gewerkschaften für die Bewegung zu gewinnen – und zwar nicht nur als sympathisierende UnterstützerInnen, sondern als eine zentrale Kraft der Bewegung. Der Streik an der Schule muss zum Streik im Betrieb werden. Schon heute sind auch Tendenzen der Solidarität zu erkennen, z. B. hat die GEW dazu aufgefordert, den Streik der SchülerInnen solidarisch zu unterstützen. Entscheidend wird jedoch sein, dass sie selbst auch zum Arbeitskampf aufruft. Die gewerkschaftliche Mobilisierung, betriebliche Aktionen und Streiks beim globalen Klimastreik wären dazu ein wichtiger Schritt. Die DGB-Gewerkschaften sollten ihre Mitglieder zu einem Massenstreik an diesem Tag auf die Straße und vor die Betriebe mobilisieren!

Fokussierung auf die Jugend als Handelnde

Es ist auch besonders bedeutsam, dass es gerade die Jugend ist, die sich gemeinsam erhebt und ihren Protest auf die Straße trägt. Dies ist natürlich auch einleuchtend angesichts der Tatsache, dass sie die Folgen der Politik der „Alten“ – genauer der Regierungen und PolitikerInnen, die die Interessen des Kapitals vertreten -, ausbaden müssen. FFF legt dabei auch den Grundstein für das Entstehen einer neuen, massenhaften Jugendbewegung, die sich nicht nur der ökologischen Frage, sondern auch des gesamten Kampfes gegen Ausbeutung und Unterdrückung, gegen Rassismus, Sexismus und Imperialismus annehmen kann und sollte.

International

Die streikenden SchülerInnen haben die Notwendigkeit eines internationalen Kampfes erkannt. FFF war von Beginn an eine globale Bewegung, um ein globales Problem anzupacken. Und das ist gut so. Schließlich hält sich der CO2-Ausstoß auch nicht an Landesgrenzen. Folglich ist es auch besonders essentiell, internationale Proteste zu verbinden. Es wäre beispielsweise sinnvoll, eine internationale Aktionskonferenz einzuberufen, um die Proteste inhaltlich und aktionistisch miteinander zu verbinden und Strukturen zu schaffen, welche eine Koodination des Protestes ermöglichen. Die Mobilisierung nach Aachen stellt einen bedeutenden Schritt dar, die AktivistInnen aus verschiedenen Ländern nicht nur in einer Aktion zu verbinden, sondern auch direkte Netzwerke aufzubauen und in Aachen selbst über die Form und Notwendigkeit einer solchen demokratischen Koordinierung zu diskutieren.

Doch die Bewegung hat auch einige Schwächen, die genau wie ihre Stärken richtig erkannt und angegangen werden sollten und die es zu überwinden gilt.

Pariser Abkommen

Zunächst ist hier ihre Orientierung am Pariser Abkommen zu nennen. Sich Klimaziele zu setzen, ist zwar gut und richtig, aber absolut nicht ausreichend. Weder wird erwähnt, wie und durch wen die Ziele erreicht werden sollen. So bleiben sie – selbst wenn Länder wie die USA nicht ausgetreten wären – letztlich unverbindliche Absichtserklärungen, die ihre Grenze an den Profitinteressen des Kapitals finden. Angesichts der zunehmenden internationalen Konkurrenz und eines erbitterten Kampfes um die Neuaufteilung der Welt wollen natürlich alle bürgerlichen Regierungen dafür sorgen, dass Klimaschutz nicht auf die eigenen Kosten geht. Die Entwicklung der letzten Jahre bedeutet, dass die reichen, imperialistischen Länder denen des Südens die Kosten für den Klimaschutz aufhalsen wollen. Solange die Profitinteressen die Wirtschaft bestimmen, kann daher von einer nachhaltigen oder wirksamen „Umweltpolitik” keine Rede sein.

Die Bewahrung und Regeneration der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit, die Rettung einer lebenswerten Umwelt stößt im Kapitalismus an Systemgrenzen. Um  wirksame, globale Maßnahmen durchzusetzen, müssen die Konzerne und die großen VermögensbesitzerInnen enteignet und die Wirtschaft gemäß den Interessen der arbeitenden Menschen und den Erfordernissen ökogischer Nachhaltigkeit umgestaltet werden. Die Reichen müssen für die Rettung der Umwelt bezahlen, das kapitalistische System muss beseitigt und durch eine demokratische, sozialistische Planwirtschaft ersetzt werden.

Die Grünen

FFF scheint große Illusionen in die Grünen zu hegen. Wenn wir uns den Zusammenhang von Kapitalismus und Umweltzerstörung vor Augen halten, wird auch schnell klar, warum das problematisch ist. Mit den Grünen ist keine Politik gegen die Konzerne möglich. Sie wollen die Quadratur des Kreises und versprechen einen „Green New Deal“, der den Kapitalismus „zügeln“ und ökologisch umgestalten soll. Doch das ist eine Illusion, ein leeres Versprechen, wie die Grünen selbst beweisen, wenn sie an der Regierung sind. Die Landesregierung in Baden-Württemberg sucht den Schulterschluss mit den Automobilkonzernen, setzt auf private Elektroautos statt auf öffentlichen Verkehr – und erfreut sich der Beliebheit der Konzernchefs. In Nordrhein-Westfalen haben die Grünen an der Landesregierung der Rodung des Hambacher Forstes zugestimmt – und tun jetzt so, also hätten sie damit nichts zu tun. Und in der Kohlekommission haben sie einen faulen Kompromiss akzeptiert, der vor allem die Kohle der Kohlekonzerne vergoldet. Die Grünen haben – wie manche NGOs – auch immer wieder bewiesen, dass sie die Interessen des Kapitals über ihre Grundsätze stellen, sofern jene diesen zuwiderlaufen.

Genau deshalb ist es auch problematisch, dass viele führende Mitglieder von FFF bei den Grünen oder NGOs organisiert sind und faktisch die Kontrolle über alle wichtigen Entscheidungen ausüben. Damit untergraben sie nicht nur die Demokratie von FFF, sondern lenken auch die Bewegung in eine für das Kapital ungefährliche Richtung. Damit verunmöglichen sie, sofern sie erfolgreich bleiben, die Erreichung der Ziele, die sich FFF gesetzt hat. Dieser Bewegung zu helfen, sich von der politischen Dominanz der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräfte zu befreien, ist Aufgabe revolutionärer Kräfte. Daher braucht es eine offene politische Diskussion über die verschiedenen Programme, Strategien, Taktiken – und vor allem über die Notwendigkeit, die Bewegung gegen den Verursacher der Misere zu richten – den Kapitalismus.

Welche Klasse?

Große, ja entscheidende Teile des Kapitals haben kein Interesse an einem wirksamen Umweltschutz, da er ihre Geschäftsinteressen unmittelbar bedrohen würde. Die großen Öl-, Gas, und Bergbau-Konzerne, die Energiewirtschaft und die meisten großen Monopole setzen nach wie vor auf fossile Energieträger, weil sie fette Gewinne versprechen. Auch die Kapitale, die auf erneuerbare Energien bauen, sind in erster Linie am Profit und nicht an der Umwelt oder an Nachhaltigkeit interessiert. Schließlich führt das marktwirtschaftliche System der Umweltpolitik nicht nur zu aberwitziger Konzeptlosigkeit, sondern geradezu zu Verschwendung und zugleich dazu, dass gerade jene Länder und Bevölkerungsschichten, die am meisten von Klimawandel und anderen globalen Umweltproblemen (Wasserknappheit, Umweltverschmutzung, Müll, …) betroffen sind, über die geringsten Mittel verfügen, um etwas gegen die Probleme zu tun.

Dies liegt in der Natur des Kapitalismus, welcher durch seine Konkurrenz nur Profitstreben ermöglicht. Auch die kleinbürgerlichen Kräfte haben ein Interesse daran, die Last, die durch den Klimaschutz entstehen könnte, für die Masse der Lohnabhängigen und BäuerInnen möglichst gering zu halten.

Eigentumsfrage

Die einzige Kraft, die ein langfristiges, grundlegendes objektives Interesse am Klimaschutz hat, ist die ArbeiterInnenklasse, weil sie selber von Marktwirtschaft und Privateigentum an Produktionsmitteln ausgebeutet wird. Sie profitiert nicht von der Zerstörung der Umwelt, sondern leidet im Gegenteil sogar unter steigenden Preisen für Lebensmittel, Trinkwasser und sonstige knapp werdende Ressourcen. Sobald saubere Luft beispielsweise immer rarer wird, werden sich nur die reichsten Menschen die entsprechenden Filter oder Ähnliches leisten können. Umgekehrt stellen die Lohnabhängigen – im Bündnis mit den Ausgebeuteten auf dem Dorf – jene gesellschaftliche Kraft dar, die über das Wissen und die Kompetenz verfügt, die Produktion auf globaler Ebene sowohl im Interesse der ProduzentInnen wie im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit zu reorganisieren.

Nur die ArbeiterInnenklasse ist in der Lage, einen weltweiten Plan zur Reorganisierung der Produktion mit Blick auf die Umwelt zu ermöglichen, während die nationalen Kapitale und ihre Staaten in Konkurrenz zueinander stehen und immer darauf bedacht sein werden, bloß nicht mehr für den Klimaschutz zu zahlen als die Kapitalistenklassen der anderen Nationen. Ein solcher Plan ist aber absolut notwendig. Keine noch so tolle Subventionspolitik kann die Produktionsweise radikal genug umstellen, um die Bedürfnisse der Weltbevölkerung zu erfüllen und gleichzeitig eine weitere Zerstörung der Umwelt zu verhindern. Zudem kann sie erst recht nicht die entstandenen Umweltschäden beseitigen.

Hierfür ist es absolut notwendig, die Produktionsmittel der Konzerne entschädigungslos zu enteignen und unter die Verwaltung der ArbeiterInnenklasse zu stellen. Diese Planung darf nicht wie in den stalinistischen Staaten von einer Bürokratie bestimmt werden, welche ihre eigenen Interessen im Kopf hat, sondern muss demokratisch beschlossen und umgesetzt werden. Nur so können die Interessen der überwiegenden Mehrheit der Weltbevölkerung zum Maßstab allen Wirtschaftens geraten.




Heraus zum roten 1. Mai – keinen Fußbreit den FaschistInnen!

WARUM GERADE DER 1. MAI?

Der 1. Mai ist traditionell der internationale Kampftag der ArbeiterInnenklasse. Am 14. April 1889, zum 100. Jahrestag des Sturms auf die Bastille, wurde auf dem Gründungskongress der II. Internationale erstmals beschlossen, am 1. Mai eine internationale Manifestation der ArbeiterInnenbewegung durchzuführen, um den 8-Stunden-Arbeitstag zu fordern. Zeitgleich sollte an diesem Tag der Opfer des sogenannten Haymarket Riot von 1886 in Chicago erinnert werden.Mit der Entstehung der faschistischen Bewegung versuchte diese von Anfang an, den Kampftag der ArbeiterInnenklasse zu zerschlagen. Doch dies gelang ihr nicht durch Überfälle ihrer bewaffneten Schergen auf Kundgebungen und Demonstrationen der Gewerkschaften und der sozialistischen Parteien, sondern konnte in Deutschland erst mit dem Verbot der Organisationen der ArbeiterInnenklasse und der Zerschlagung der ArbeiterInnenbewegung als Ganzes nach der Machtergreifung der NSDAP umgesetzt werden. VEREINNAHMUNG DURCH DIE RECHTEN Seither versuchen die FaschistInnen den 1. Mai für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Gerade in den ostdeutschen Bundesländern gibt es seit Jahren eine Kontinuität bei den Versuchen, den Kampftag der ArbeiterInnenklasse politisch von rechts zu besetzen: NPD, JN, Der III. Weg und AfD inszenieren sich immer wieder an diesem Tag als angeblich soziale Alternative und als Vertreter der Interessen der Lohnabhängigen. Damit einher geht stets eine verkürzte, oftmals antisemitische, „Kritik“ am Kapitalismus. Es wird zwischen einem angeblich „schaffenden“, einheimischem Kapital und einem „raffenden“, ausländischem Kapital unterschieden. Das „raffende“ Kapital oder wahlweise auch die Globalisierung sei demnach verantwortlich für die sozialen Missstände, die vorherrschen, die willkürlich konstruierte „Volksgemeinschaft“ davon bedroht, die Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund von den „Eliten“ gesteuerte LohndrückerInnen usw. Davon, dass Arbeitslosigkeit, Armut, Niedriglöhne, Ausbeutung etc. unmittelbar mit der kapitalistischen Produktionsweise, also mit der privat organisierten Produktion für den Profit, zusammenhängen, und wir daher gemeinsam, international mit allen Lohnabhängigen, unabhängig von Herkunft und Konfession, zusammen für eine von den ArbeiterInnen kontrollierte und nach den Bedürfnissen der Menschen ausgerichteten Produktion kämpfen müssen, liest man bei den Rechten natürlich nichts. Stattdessen versuchen diese uns ArbeiterInnen mit ihrem Rassismus und Nationalismus untereinander zu spalten und gegeneinander aufzuwiegeln. Daher ist es unerlässlich, den Versuchen der Vereinnahmung des 1. Mai von rechts massenhaft und militant entgegenzutreten. FASCHISTISCHE MOBILISIERUNGEN UND AFD-WAHLKAMPFAUFTAKT Auch dieses Jahr werden bundesweit wieder etliche Aufmärsche rassistischer und faschistischer Parteien stattfinden. So will die rechtsradikale Partei „Der III. Weg“ in Chemnitz aufmarschieren. In Dresden rufen NPD und ihre Jugendorganisation JN unter dem Motto „Sozial geht nur National“ zur Demonstration auf. In Erfurt wollen die ostdeutschen Landesverbände der AfD mit einer angekündigten „Großdemonstration“ (erwartet werden bis zu 10 000 TeilnehmerInnen) ihren Wahlkampfauftakt in Sachsen, Thüringen und Brandenburg einläuten. Es ist kein Zufall, dass diese Demonstration ausgerechnet in Erfurt stattfindet. Hier wurde 2015 auch die „Erfurter Resolution“ beschlossen, woraufhin sich der völkisch-nationalistische Flügel um Björn Höcke gründete. 2015-2017 fanden in Erfurt beinahe wöchentlich AfD-Aufmärsche mit bis zu 5000 Demonstrierenden statt. Hierbei wurde auch der Schulterschluss mit offen faschistischen Kräften und Nazihools gesucht. Immer wieder kam es in diesem Zusammenhang auch zu organisierten Angriffen auf GegendemonstrantInnen.

WAS TUN?

Zum 1. Mai dürfen wir nichts unversucht lassen, um die Vereinnahmung und Instrumentalisierung unseres Tages durch NPD, III. Weg und AfD zu verhindern. Wir müssen ihre Aufmärsche blockieren und dürfen ihnen keinen Meter auf der Straße überlassen. Letztlich lassen sich organisierte faschistische Kräfte sowie der Siegeszug der AfD nur effektiv aufhalten, indem wir nicht nur am 1. Mai, sondern immer und überall, wo Rechte und RassistInnen offen auftreten, gegen diese ankämpfen. Wir müssen an den Orten, wo wir lernen, arbeiten und leben, also in der Schule, Uni, im Viertel und Betrieb antifaschistische Komitees aufbauen, uns vernetzen und Aktionskonferenzen organisieren. Um den Rechtsruck in der Gesellschaft zu stoppen braucht es die Basis und daher auch die gemeinsame Aktionseinheit aller Organisationen der ArbeiterInnenklasse, also der Gewerkschaften, linken Parteien und Organisationen. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, aber auch, um eine revolutionäre und sozialistische Perspektive gegen den Rechtsruck und die herrschenden Verhältnisse aufzuwerfen, werden wir am 1. Mai in Dresden zusammen mit anderen Jugendlichen, sozialistischen Jugendorganisationen und Parteien eine antikapitalistische Demonstration durchführen. Diese geht vom Alaunplatz, wo das Picknick der Partei DIE LINKE stattfindet, zum Gewerkschaftshaus, wo der DGB gemeinsam mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer (CDU) eine Kundgebung abhalten. Im Anschluss an unserer Demonstration werden wir uns den Protesten und Aktionen gegen den Naziaufmarsch von NPD und JN anschließen.

Zusammenfassung zum 1. Mai

Chemnitz: Aufstehen gegen Rassismus, 9:00 Uhr Karl-Marx KopfKundgebung des DGB: 10 Uhr Neumark

Dresden:Heraus zum revolutionären 1. Mai, 12 Uhr Alaunplatz

Erfurt:30.04.19 – Vorabenddemo/Mahngang „Erinnern heißt handeln“,

18 Uhr Bahnhofsvorplatz01.05.19 – Auftaktkundgebung der Gewerkschaftsdemo,

9:00 Uhr Hirschgarten/Staatskanzlei„Die AfD in die Zange nehmen“, ab 10 Uhr, Löberstr./Kaffeetrichter/Arnstädter Str.




Revo vor Ort: Bildungsstreik in Kassel

von der Kassler OG

1.000 Schüler_Innen auf die Straße – welche Stärken und welche Schwächen haben sich gezeigt?

Die Situation in den Kassler Schulen ist katastrophal. Es tropft von den Decken, die Bestuhlung ist in einem erbärmlichen Zustand; es mangelt materiell an allem. Doch nicht nur das: Zu wenig Lehrer_Innen sorgen für überfüllte Klassen und gestresstes Lehrpersonal. Die Bildungsqualität leidet darunter massiv. Deshalb sind bis zu 1.000 Schüler_Innen dem Unterricht ferngeblieben und dem Aufruf des Bündnis „Unsere Zukunft erkämpfen“ auf die Straße gefolgt. Dass die gewaltige Zahl vom Schulstreik letztes Jahr nahezu wiederholt werden konnte zeigt, dass die Probleme keineswegs gelöst wurden und Schüler_Innen verschiedenster Schulformen weiterhin bereit sind sich dagegen zu organisieren und zu kämpfen.

Nichtsdestotrotz weist der Aufruf des Bündnis erneut eine gewisse politische Schwäche auf. Die einzige Forderung die gestellt wird ist, dass die Stadt mehr Geld für Bildung ausgeben soll. Die Frage wieso der Bildungssektor chronisch unterfinanziert ist, nicht nur in Kassel, wird leider nicht gestellt. Wer genauer hinsieht erkennt, dass die Unterfinanzierung im Bildungssektor seinen Ursprung in unserem Wirtschaftssystem hat. Die Menschen sollen so schnell und billig wie möglich durch die Schulen und Unis und ausbeutbare Arbeitskräfte für die Wirtschaft werden. In einem Wirtschaftssystem, wo die gesamte Gesellschaft den Profiten der Konzerne untergeordnet ist, ist Bildung zwangsläufig unterfinanziert – denn Bildung kostet den Staat Geld und bringt nicht unmittelbar Geld ein. Dies muss unbedingt thematisiert werden, wenn man eine Perspektive über den Schulstreik hinaus aufzeigen will. Letztlich kann die Bildungsstreikbewegung nur siegreich sein, wenn sie mit ihren Forderungen über den Kapitalismus hinausgeht und den Kampf mit anderen Kämpfen z.B. für höhere Löhne, gegen Rassismus und Krieg usw. zusammenführt.

Trotz alledem freut uns die Masse an Schüler_Innen die, sich jeden Dezember in Kassel für bessere Bildung auf die Straße begeben und hoffen, dass es jedes Jahr mehr werden!




Interview eines Lohnarbeiters mit Beeinträchtigung

Menschen mit Beeinträchtigung haben es in unserer Gesellschaft besonders schwer. Das liegt nicht nur an ihren körperlichen und/oder geistigen Einschränkungen, sondern leider auch an der gesellschaftlichen Diskriminierung. So ist das Wort behindert als abwertender Begriff unter Jugendlichen gängig. Die Diskriminierung drückt sich jedoch vor allem in Hungerlöhnen und verschwindend geringen Jobchancen aus. Selbst Menschen, die Vollzeit arbeiten, haben meist keine Chance ein finanziell unabhängiges Leben zu führen. Wir haben mit einer beeinträchtigten Person aus der Arbeiter_Innenklasse gesprochen und sie zu ihrer Situation befragt.

Welche Arbeit übst du als Lohnabhängiger aus?

Ich bin in der Altenpflege, der Altenbetreuung und in hauswirtschaftlichen Tätigkeiten in einem Altenheim aktiv. Meine Wochenarbeitszeit beträgt 36 Stunden.

Welche Ausbildung hast du gemacht? Welche Weiterbildungsmöglichkeiten hast du?

Ich habe keine Ausbildung im eigentlichen Sinne gemacht. Es gibt für mich theoretisch die Möglichkeiten eine Ausbildung mit verkürztem Theorieteil zu machen. Dies Option wurde mir aber verwehrt, weil meine Vorgesetzten sagen, dass ich das nicht schaffen würde. Eigentlich wollen sie mir aber kein zusätzliches Geld bezahlen, auf welches ich als Ausgebildeter Anspruch hätte.

Wie viel Lohn bekommst du? Welche Leistungen erhältst du sonst noch vom Staat?

Ich bekomme direkt von meinem Arbeitgeber 150 € und weitere 100 € von meinem Wohnheim, über das ich angestellt bin. Außerdem bekomme ich eine eigene Wohnung in dem Wohnheim bezahlt und 430 € Grundsicherung vom Staat.

Wie erlebst du die Arbeitsbedingungen in deiner Einrichtung?

Manchmal ist es sehr stressig, auch weil die Kolleg_Innen viel schneller sind und ich die Arbeit nicht so genau wie die anderen machen kann. Deshalb kritisieren sie mich auch manchmal. Ich muss auch oft länger arbeiten, wenn zu viel zu tun ist.

Die Angehörige beschweren sich, wenn wir etwas nicht richtig machen. Allerdings sind teilweise nur drei Pfleger_Innen auf einer Wohngemeinschaft, anstatt den normalerweise nötigen Fünf.

Welche besondere Unterstützung erfährst du an deinem Arbeitsplatz?

Gut finde ich, dass mein Teamleiter immer zu mir hält und dass die Betreuung von meinem Heim immer für mich da ist, wenn es mal Stress gibt. Deshalb habe ich immer jemanden, den ich um Hilfe bitten kann. Wenn ich etwas wissen will, kann ich meine  Arbeiterkolleg_Innen fragen, die erklären mir das dann.

Welche Diskriminierung erfährst du von deinen Kolleg_Innen, welche von deinen Patient_Innen?

Ich werde aber auch oft angeschnauzt, weil ich nicht so viele Sachen gleichzeitig machen kann und auch immer mal etwas vergesse. Auch, dass ich langsamer arbeite, können manche nicht verstehen und kritisieren mich dann dafür. Von den Patient_Innen muss ich mir leider sowas auch anhören.

Welche Motivation hast du unter den Bedingungen überhaupt noch weiterzuarbeiten?

Eigentlich keine. Ich überlege mir schon seit längerem die Arbeit zu wechseln. Gerade auch, weil mir gesagt wurde, dass ich eine Ausbildung machen kann und mir das ein halbes Jahr später doch verwehrt wurde. Dass mir diese Hoffnung genommen wurde, hat mich wirklich schwer getroffen. Oft habe ich wirklich keine Lust mehr und überlege sogar den gesamten Beruf zu wechseln. Das ist aber als Mensch mit Behinderung und ohne Ausbildung kaum möglich.

Welche Maßnahmen muss deiner Meinung nach die Regierung ergreifen, um die Situation von Arbeiter_Innen mit Beeinträchtigung zu verbessern?

Es gibt eine Strafe für Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen keinen Ausbildungsplatz geben. Diese Strafen müssten aber deutlich erhöht werden, damit Menschen mit Behinderungen überhaupt eine Chance haben. Sonst ist es für Unternehmen billiger die Strafe zu zahlen und den Menschen die Ausbildung zu verwehren. Außerdem sollten alle Menschen, die in demselben Bereich arbeiten, auch dasselbe Geld verdienen. Die unfaire Behandlung macht einem wirklich zu schaffen, auch weil man dadurch merkt, dass die eigene Arbeit überhaupt nicht anerkannt wird.

Welche Perspektive siehst du im Arbeitskampf, welche in einer sozialen Revolution?

Mit Arbeitskämpfe können wir natürlich etwas verändern. Dazu muss aber der ganze Sektor streiken, nicht nur Mitarbeiter_Innen einer Einrichtung oder der Altenpflege. Eine Revolution muss natürlich das Ziel sein, um alle Lohnabhängigen, nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen, von ihrer Ausbeutung zu befreien!




Tarif deluxe – wirklich Luxus?

VON CHRISTIAN MAYER

In den aktuellen Tarifrunden fordert die ver.di-Jugend einen „Tarif deluxe“. Doch was hat es damit auf sich und was sind die Perspektiven in diesem Kampf?

„Tarif deluxe“ als bundesweite Kampagne

Die Kampagne bezieht sich auf die Tarifrunden, die in diesem Jahr stattfinden, wie etwa im öffentlichen Dienst, bei der Post oder auch der Telekom. Dabei wurden von den jeweiligen Tarifkommissionen der einzelnen Branchen verschiedene Forderungen aufgestellt, bei der die ver.di-Jugend eigene Forderungen zusätzlich speziell für Azubis, StudentInnen und junge Angestellte einbringen konnte. Diese Forderungen reichen von Erhöhungen der Ausbildungs- bzw. Praktikumsvergütung, über den rechtlich gesicherten Anspruch auf Übernahme nach dem Ende der Ausbildung in Vollzeitstellen hin zu weiteren, für die jeweiligen Fachbereiche geltende Sonderregelungen wie z.B. einem jährlichen Kostenzuschuss für Lehrmittel in Höhe von 50 € oder auch den vollen tarifvertraglich garantierten Urlaubsanspruch von 30 Tagen für alle Azubis und Student_Innen im öffentlichen Dienst (wobei Azubis in der Pflege weiterhin ihren Zusatzurlaub von 12 Tagen behalten sollen).

Zusammengefasst geht es also darum, die grundlegenden Dinge rechtlich bindend festzulegen, wie es in anderen Branchen z.B. in der Metall- und Elektroindustrie üblich ist und die IG Metall dort die Grundlagen im Manteltarifvertrag für Azubis (MTV Azubi) sogar extra in einem Tarifvertrag festgelegt hat.

Bedeutet diese Tarifrunde wirklich Luxus?

Geht man von der aktuellen Situation in den jeweiligen Branchen aus, so kann man doch schon einiges an Unterschieden feststellen. Gerade in der Pflege ist die Ausbildung ein echter Knochenjob. Durch Kürzungen und Streichungen von Arbeitsplätzen wurde die Arbeit immer intensiver und man muss mehr Patient_Innen in weniger Arbeitszeit versorgen. Oft ist die Zeit dabei so knapp, dass man nur wenige Minuten hat, um sich um eine Person zu kümmern. Dabei kommen auf eine Pflegekraft im Durchschnitt zwischen 5 und 10 Patient_Innen je nach Station. Durch den extremen Druck und Stress schaffen es viele Azubis nicht, ihre Ausbildung zu Ende zu bringen und selbst dann, wenn sie es schaffen, sind sie meistens nach wenigen Jahren körperlich und psychisch so angeschlagen, dass sie ihren Beruf aufgeben müssen. Hier wäre eine Verbesserung der Arbeits- und Ausbildungsbedingungen durchaus möglich, allerdings gibt es zu wenig Leute, die diesen Beruf erlernen wollen, was auch an der schlechten Bezahlung und den völlig überfüllten Schichtplänen liegt.

Doch wie sieht es in anderen Branchen bei ver.di aus? Eine rechtlich bindende Übernahme in den erlernten Beruf nach der Ausbildung ist auf jeden Fall das Beste, was man erreichen kann. Doch auch hier gibt es seitens der „Arbeitgeber_Innen“, oder besser gesagt den Kapitalist_Innen, Widerstand, das umzusetzen. Schließlich bedeuten mehr Arbeiter_Innen, die festangestellt sind, mehr Lohnkosten, was wiederum die Gewinnaussichten und damit die zu erzielenden Profite schmälert. Gerade bei börsennotierten Unternehmen, wie etwa der Post oder der Telekom, werden Sparmaßnahmen in Krisenzeiten immer auf dem Rücken der Beschäftigten gelöst, indem diese entlassen werden. Für Azubis bedeutet dies, dass sie nach dem Ende ihrer Ausbildung entweder gar nicht oder nur befristet übernommen werden.

Hier lohnt sich nochmals der Vergleich mit dem MTV Azubi der IG Metall: Auch hier sind grundlegende Dinge wie z.B. die rechtlich verbindende Übernahme nach Ende der Ausbildung geregelt, allerdings bleibt es den einzelnen Unternehmen überlassen, ob sie ihre Azubis komplett oder nur einen Teil unbefristet übernehmen. Je nach Unternehmen kann es auch unterschiedliche Betriebsvereinbarungen geben, in denen z.B. Quoten festgelegt werden, wie viele Azubis und Student_Innen übernommen werden müssen und wie viele davon am Ende tatsächlich unbefristet arbeiten dürfen. Uns ist zwar klar, dass Tarifverträge die grundlegenden Probleme und Bedürfnisse von Azubis und Student_Innen im Kapitalismus nicht endgültig lösen können, trotzdem fordern wir:
Tarifverträge flächendeckend für alle Berufe und Branchen und zwar ohne Ausnahmen wie Quotenregelungen!

Kampfperspektiven

„Tunnelblickgewerkschaften“ wie die IG Metall oder auch die IG BCE (Bergbau, Chemie, Energie) sind seit Jahren (eigentlich seit Jahrzehnten) nur bedingt bereit, für eine bessere Zukunft zu streiken und verfolgen nur ihre eigenen Interessen, um sich nach Abschluss der Verhandlungen für ihre eigenen Tarifergebnisse kritiklos abzufeiern, obwohl gerade die Branchen der IG Metall so wichtig für die herrschende Klasse sind, dass bei einem flächendeckenden Streik Zugeständnisse gemacht werden müssen. Daher ist es wichtig, nicht nur für mehr Streiks der sog. „Tunnelblickgewerkschaften“ einzutreten, sondern auch dafür, dass diese endliche eine Vorreiter_Innenrolle im gewerkschaftlichen Kampf einnehmen. Die unterschiedlichen Gewerkschaften müssen sich vernetzen, gegenseitig unterstützen und sich solidarisch erklären – Für die Legalisierung von Solidaritätsstreiks! Weg mit dem Verbot von politischen Streiks!

Was Arbeiter*Innen, Angestellte und Azubis in anderen Branchen machen interessiert dabei wenig bis gar nicht. Von einem solchen „Luxus“ wie der tarifvertraglich möglichen individuellen Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden/Woche, wie sie es seit diesem Jahr in der Metall-und Elektroindustrie gibt, können Arbeiter_Innen und Angestellte etwa in der Pflege oder im Gaststättengewerbe nur träumen. 45 bis 50 Wochenarbeitsstunden sind hier „Normalzustand“, eher werden es sogar mehr und die angehäuften Überstunden können gar nicht abgebaut werden.

Aber auch ver.di ist in der Hinsicht nicht wirklich besser. Zwar gibt man sich kämpferischer als die beiden genannten Industriegewerkschaften, allerdings lässt man Tarifauseinandersetzungen lieber kontrolliert eskalieren, indem man verschiedene Stufen zündet und bevor es zum Vollstreik kommt, trifft man sich eben doch mit den „Arbeitgeber_Innen“ und kommt zu einem Ergebnis.

Doch es ist möglich, gegen diesen Zustand der Gewerkschaften zu kämpfen, auch wenn dieser Kampf zäh und hart ist. Wichtig ist vor allem, dass sich die Gewerkschaftsjugend, aber auch die Arbeiter_Innen und Angestellten, gewerkschaftsübergreifend vernetzen und ihre Forderungen demokratisch selber aufstellen und diese auch mit allen Kampfmitteln bis hin zum unbefristeten Vollstreik durchsetzen. Ebenfalls ist es notwendig, dass die Verhandlungsführer*Innen demokratisch gewählt werden und der Basis jederzeit rechenschaftspflichtig sind und auch zu jedem Zeitpunkt abgewählt und durch andere ersetzt werden können. Gleichzeitig sollen die Verhandlungsführer_Innen keine Sonderrechte gegenüber den anderen Gewerkschaftsmitliedern haben und den gleichen Lohn verdienen wie ihre Kolleg_Innen.

Wir fordern daher:

• Demokratische Legitimierung der Verhandlungsführer_Innen durch eine Wahl der Basis!
• Jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit von Verhandlungsführer_Innen!
• Keine Sonderrechte und Sonderbehandlung der Verhandlungsführer_Innen – Alle sollen den gleichen Lohn bekommen!
• Erhöhung sowohl von Ausbildungs- und Praktikumsvergütung und Angleichung dieser an den Lohn von
Arbeiter_Innen und Angestellten!
• Erhöhung des Lohnes von Arbeiter_Innen und Angestellten auf 12€/Stunde bei vollem Personalausgleich!
• Für die Verteidigung von Streiks durch Streikposten. Keine Chance den Streikbrecher_Innen! Einbeziehung von
unorganisierten Kolleg_Innen sowie von Leiharbeiter_Innen und allen anderen prekär Beschäftigten!
• Verteidigung der Streiks gegen Angriffe von Bullen und Rechten! Organisierung und Durchführung von Selbstverteidigungskursen in Betriebssportgruppen, wo diese vorhanden sind!




Repression und Willkür in Sachsen

Viele kennen diese Situation: du warst auf einer Demonstration, alles verlief friedlich, du willst mit deinen Freund_Innen/deiner Bezugsgruppe nach Hause, und plötzlich greifen die Cops völlig grundlos dich und deine Genoss_Innen an – es gibt ein kurzes Gerangel, Menschen werden verprügelt und gehen zu Boden, Einzelne werden aus der Menge herausgezogen und weiter drangsaliert und auf einmal befindet man sich in einer
polizeilichen Maßnahme.

So geschah es auch am 11. März in Chemnitz. Im Rahmen des internationalen Frauenkampftages fand dort, wie auch schon im letzen Jahr, eine Solidemo der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) für die inhaftierten Gewerkschafter_Innen der dortigen JVA statt. Wir von Revolution Dresden beteiligten uns an dieser Aktion, da wir es für notwendig erachten, den Kampf für die Befreiung der Frau mit der praktischen Solidarität mit jenen zu verbinden, die besonders stark von Unterdrückung und Ausbeutung betroffen sind – wie z.B. die Gewerkschafter_Innen in der JVA Chemnitz. Im letzten Jahr fand dort ein Sitzstreik der Frauen gegen die
miserablen Zustände und eine Verschlechterung der Haftbedingungen statt. Im Nachhinein wurden sie für diesen Protest, welcher die Gefängnisleitung auch medial in Erklärungsnot brachte, von Seiten des Staates bestraft.
Im Gegensatz zum letzten Jahr, als die Demo von den Bullen brutal auseinandergeprügelt wurde (die GG/BO berichtete), konnten die über 300 Demonstrierenden die Aktion bis zur Auflösung durch die Veranstalter_Innen friedlich, aber entschlossen durchziehen. Durch kämpferische Sprechchöre und Reden konnten die gefangenen Frauen wie auch umstehende Passsant_Innen erreicht werden. Die Stimmung war gut, es wurde gesungen und getanzt (auch hinter den Gefängnismauern) und die Gefangenen waren offensichtlich sehr erfreut über die Solidaritätsbekundungen
– fast alle standen an den Fenstern, winkten, pfiffen und schrien, ja rüttelten gar so stark an den Gittern, dass dies über die Mauern hinweg bis zu uns zu hören war. Es war ein schöner, wenn auch gleichsam bedrückender Akt der Solidarität. Der eintönige, triste Gefängnisalltag und die Isolation der Frauen konnte durchbrochen werden – wenn auch nur für einen kurzen Moment.

Den Gesetzeshütern war diese praktische Solidarität wohl ein Dorn im Auge. So kontrollierten diese unter fadenscheinigen Argumenten die Insassen eines Fahrzeugs. Dieses stand direkt an der Straße der abreisenden Demonstrant_Innen, welche sich auf dem Weg nach Hause, zum Bahnhof oder zur Solikundgebung für Afrin befanden. Die
Abreisenden beobachteten natürlich die Kontrolle und solidarisierten sich mit den Genoss_Innen im Auto. Den Bullen reichte dies bereits zum Anlass, um erst durch Schubsen, später durch gezielte Schläge gegen die Umstehenden vorzugehen.

Entweder störten sich die Cops daran, bei ihrer „Arbeit“ kontrolliert zu werden, oder aber sie haben diese Situation bewusst herbeigeführt, um die Demonstration doch noch in ein schlechtes Licht rücken zu können. Auffällig ist auf jeden Fall, dass sie so lange gewartet haben, bis das Kamerateam von Frontal21 und die lokale Presse weg waren. Als sich die Lage durch das deeskalative und besonnene Verhalten der Aktivist_Innen beruhigte, griff die Polizei einen offensichtlich Blinden Genossen an, riss ihn zu Boden und schlug auf diesen ein. Es folgte, was folgen musste: zwei Menschen versuchten ihm zur Hilfe zu eilen, wurden dann aber ebenso niedergestreckt, auf der Straße fixiert und mehrere Meter über den Asphalt geschliffen. Als die Gruppe der Abreisenden weitergehen wollte, wurde diese und weitere Unbeteiligte nach 100 Metern durch herbeieilende BFE-Einheiten gekesselt und zusammengepfercht. Es folgten eine erkennungsdienstliche Behandlung und ein Platzverweis. Am Ende des Tages wurdenErmittlungsverfahren wegen versuchter Gefangenenbefreiung (ein Genosse wollte durch Anwohner_Innen gespendete Lebensmittel in den Kessel reichen) und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet, gegen alle 41 von der Maßnahme betroffenen Menschen wird wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs ermittelt.

Diese völlig unbegründeten, an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfe stellen eine neue Qualität der Repression gegen Linke in Sachsen dar. Immer wieder wird hier antifaschistisches Engagement von Seiten des Staates kriminalisiert und strafrechtlich verfolgt, Aktivist_Innen werden sinnlos schikaniert und eingeschüchtert (bspw. durch
Anzeigen wegen „Aufrufs zur Straftat“ nach Rufen von gängigen Demoparolen,willkürliche ID- und Taschenkontrollen, Faxe des VS an alle Schulen in Leipzig und Dresden, um vor uns zu „warnen“). Nun soll in den kommenden Monaten auch noch ein neues Polizeigesetz verabschiedet werden, welches es an Repressionspotential knallhart in sich hat. So enthält dieses laut einem Interview aus der SZ (welches nicht mehr auf der SZ-Seite zu finden ist) unter Anderem: Erweiterung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum, Bodycams für Polizist_Innen, Einsatz von Gesichtserkennungssoftware, mobile und feste KfZ-Kennzeichen-Scanner, Erweiterung der Telekommunikationsüberwachung, Einsatz des Staatstrojaners, elektronische Fußfesseln, Kontaktverbote für bestimmte Personengruppen („Störer“) usw. Dieses Gesetz soll offensichtlich an das neue Polizeigesetz in Bayern angelehnt sein, wo es bereits beschlossen wurde, jedoch durch eine Verfassungsklage noch nicht in Kraft getreten ist. Es ist absehbar, wo die Reise hingeht.  Bayern und Sachsen werden aller Wahrscheinlichkeit nach erst der Anfang sein, dort soll es zunächst getestet werden. Es werden mit Sicherheit nach und nach die übrigen Bundesländer folgen, bis es auf der Bundesebene durchgeboxt wird, wie es bereits auf der Siko vorgeschlagen und im neuen Koalitionsvertrag vermerkt wurde. Von diesem neuen Polizeigesetz, welches maßgeblich in die Privatsphäre eingreift und somit „sogar“ die Menschen- und Bürgerrechte dahingehend außer Kraft setzt, werden linke Aktivist_Innen besonders hart betroffen sein, aber auch Fußballfans, Sprayer, die kurdische Bewegung, Menschen mit Migrationshintergrund im Allgemeinen und insbesondere Refugees – kurz: alle, die irgendwie durch den Staat in die schwammige und nicht näher definierte Kategorie „Störer“ gesteckt werden. Der Zweck des Ganzen liegt auf der Hand: der bürgerliche Staat will seine Untertanen noch besser kontrollieren und überwachen dürfen, Menschen, die diese Gesellschaft verändern wollen oder den Herrschenden zu unbequem werden, sollen bei Möglichkei tmundtot und handlungsunfähig gemacht werden. Dass dafür bürgerliches Recht mit den Füßen getreten wird,zeigt für wen dieses Recht gilt: für die herrschende Klasse und jede_N der dieser nicht auf die Füße tritt!

Unnötig zu erwähnen, dass wir als Revolutionär_Innen im Speziellen die neuen Repressionswerkzeuge zu spüren
bekommen werden. Wir sollten auf jeden Fall keine Illusionen darin haben, dass das neue Gesetz „nur nach Augenmaß“ und im „Einklang mit den Grundrechten“ zum Einsatz kommt. Wenn die Polizei, dessen Aufgabe es ist, die Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse zu sichern, bald ohne richterlichen Beschluss Menschen vor „Großevents“ in Beugehaft nehmen kann, dann erinnert das nicht grundlos an ein besonders dunkles Kapitel der deutschen Repressionsmaschinerie und lässt es einem eiskalt den Rücken runterlaufen.

Darum ist es jetzt notwendiger denn je, Widerstand zu organisieren, Repression und das neue Polizeigesetz öffentlichkeitswirksam zu kritisieren und gegen die schleichende autoritäre Umgestaltung des bürgerlichen Nationalstaats vorzugehen!

In Dresden fand bereits ein erstes Treffen linker Gruppen statt, um über die Möglichkeit gemeinsamer Aktionen gegen das neue Polizeigesetz zu diskutieren. Dort wurde auch die Idee eines gemeinsamen Bündnisses aufgeworfen, welche wir unterstützen und voranbringen wollen. Der nächste Schritt sollte die Initiierung einer aktionsorientierten
Kampagne sein, welche für die Thematik ein Bewusstsein schafft und Druck aufbaut. Letztlich ist das neue Polizeigesetz, wenn es nach dem Willen der SPD und CDU geht,schon fest beschlossen. Die AfD wird vermutlich ebenfalls geschlossen dafür stimmen. Das heißt, es wird kaum möglich sein, den Beschluss dieses Gesetzes zu verhindern. Jedoch darf es nicht sein, dass kaum jemand hiervon weiß und wir unwissend in einem autoritären Überwachungsstaat landen. Das sollten eigentlich auch die großen Organisationen derArbeiter_Innenklasse, die Gewerkschaften, die SPD und die Partei die Linke kritisieren und bekämpfen. Nungilt es, wachzurütteln und die
Architekt_Innen in ihren Plänen zu kritisieren, um ihre Konstruktion eines Tages zu Fall
zu bringen!

Ein erster Schritt dafür kann die Organisierung von Widerstand gegen diese widerlichen Repressalien sein.
Wir müssen unsere Forderungen nicht nur an „uns“ an unsere Szene, sondern auch die erwähnten Elemente unserer Klasse stellen, wenn wir wirklich was bewirken wollen.  Wir lassen uns nicht einschüchtern, Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Wir fordern:

  • die Rücknahme des bisherigen Gesetzesentwurfes zum neuen Polizeigesetz und alleranderen Überwachungs- und Repressionsgesetze, wie die Vorratsdatenspeicherung und Umsetzung einer sofortigen Kennzeichnungspflicht für alle Polizist_Innen
  • Investitionen in Bildung und Soziales statt in Überwachung, Polizeiausbau und Militär
  • die sofortige Abschaffung aller Geheimdienste
  • die Umsetzung von Alternativen zum bestehenden Sicherheitsapparat: Die Leute sollten sich in Nachbarschaftskomitees organisieren und aus ihren Reihen Deligierte wählen (welche rechenschaftspflichtig und abwählbar sowie zeitlich begrenzt tätig sein und höchstens einen durchschnittlichen Facharbeiter_Innenlohn verdienen sollten), die selbstorganisiert für die Sicherheit im Viertel sorgen



  • G20 – die Welle der Repression geht weiter!

    Gestern Morgen um 6 Uhr wurden bundesweit 24 Objekte von der SoKo „Schwarzer Block“ durchsucht, die die Polizei Hamburg mit dem G20-Gipfel in Verbindung bringt. Besonders anzuprangern ist dabei, dass unter anderem auch die Räumlichkeiten der ver.di Jugend Bonn durchsucht wurden.

    Die Polizei hat dabei primär nach elektronischen Datenträgern und Geräten gesucht, aber auch Kleidung, und diverse andere Gegenstände wurden beschlagnahmt. Das Ziel der Polizei war es, Hintergrundinfos über Strukturen, die Kommunikationswege der autonomen Szene offen zu legen und um internationale Vernetzungen bekannt zu machen. Vorgeschobener Anlass der Durchsuchungen waren Ermittlung gegen 22 Beschuldigte im Zusammenhang mit dem Angriff der Polizei auf eine Demo am Rondenbarg während des G20 Gipfels.

    Gestern wurde im Rahmen der Durchsuchungen niemand verhaftet, jedoch muss auch beachtet werden, dass seit 150 Tagen (also seit dem G20 Gipfel) noch immer 11 Leute in Untersuchungshaft sitzen! Es laufen aktuell ca. 3000 Ermittlungsverfahren, mehrere hundert davon bereits namentlich. Im Rahmen des G20-Gipfels kam es bereits zu 24 Freiheitsstrafen, 5 davon ohne Bewährung. Die Polizei hat angekündigt, kurz vor Weihnachten eine öffentliche Fahndung zu starten, um mehr „Straftäter_Innen“ zu identifizieren.

    Hierbei werden einzelne Vorwände genutzt, um den berechtigten Protest gegen den G20-Gipfel vom Juli diesen Jahres zu verunglimpfen. In Hamburg gab es hierbei eine besondere Qualität polizeilicher Repressionen, die nachträglich durch die Gipfel-Blockadeversuche und die Freitagnacht im Schanzenviertel versucht wurden, zu rechtfertigen. Hiermit sollen auch zukünftige Gesetzesverschärfungen durchgewunken werden. Im Fokus steht hierbei auch die gezielte Einschüchterung von Aktivist_Innen.

    Dies ist ein massiver Angriff auf uns alle und der Versuch, Leute politisch zu isolieren! Doch wir lassen uns nicht spalten! Sprecht miteinander und zeigt euch besonders in euren Strukturen, aber auch generell mit allen Betroffenen solidarisch! Wir sehen diesen Angriff als einen Versuch die Bewegung, die sich rund um den G20-Gipfel gebildet hat, zu spalten und zu kriminalisieren! Wichtig ist es allen Betroffenen der Repression unsere Solidarität zu zeigen! Werdet jetzt Mitglied in der Roten Hilfe e.V. und räumt eure Wohnungen und insbesondere eure elektronischen Geräte auf! Es war ein Angriff auf wenige, aber gemeint sind wir alle! Wir fordern eine sofortige Einstellung aller laufender Verfahren und die Freilassung aller politischer Gefangenen! Lasst uns gemeinsam gegen diese Einschränkungen demokratischer Rechte Widerstand leisten!