5 Argumente, warum Schulsprecher:innen nichts verändern können, wir aber trotzdem kandidieren und du uns wählen solltest.

von Brokkoli Bittner, September 2025 – 7 Minuten Lesezeit

Gerade noch in der prallen Sonne gedüst – und jetzt geht’s schon wieder los.
Die Schule hat angefangen. Die ersten Schritte in muffige Gebäude wurden in den meisten Bundesländern schon gewagt. Die ersten Lehrkräfte hielten es schon für nötig, uns mit irgendwelchen lästigen Hausaufgaben zu nerven. Frau/Herr Schneider Schreiben Sie doch einen Aufsatz über meine Sommerferien mit mindestens 500 Wörtern selber.

Trotz einem Monat Pause: Deutsche Schulen sind immer noch wie Frau/Herr Schneider, kurz vorm Zusammenbruch. Neues Schuljahr heißt aber auch immer: Irgendwelche Leute werden für den größten Käse gewählt. Darunter auch Schulsprecher:innen. Und da sollten wir uns eigentlich aufstellen. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch, aber lies mal weiter.

1. Schule ist politisch

Unsere Schulen sind kacke, das ist klar. Lehrkräfte sind entweder rassistisch, übergriffig oder meist beides. Die korrekten such ich in meinem Stundenplan immer noch. Denn die Probleme, die sich überall in der Gesellschaft deutlich erkennbar sind, machen auch vor unserer Schule nicht halt. Wäre ja auch übel komisch, wenn überall Krise ist, aber sobald ich den Geruch von Schimmelklos vernehme, plötzlich heile Welt sein soll. Doch genau das wird uns meist in der Schule erzählt: Schule habe politisch neutral zu sein, obwohl alles an ihr politisch ist.
Oder mit anderen Worten: Deutschland steht samt seiner Schulen in Flammen, aber löschen wäre jetzt auch schon „sehr radikal“. Politische Neutralität an Schulen ist also Quatsch. Und sie stimmt halt auch gar nicht. Denn dass sexistische Lehrkräfte weiter in unseren Schulen ein und aus gehen wie in der CDU-Parteizentrale, ist eine politische Entscheidung. Wir haben dabei nicht mitzureden. Um uns optimal auf unsere Ausbeutung auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt vorzubereiten, sollen wir möglichst brav und folgsam sein, der Prüfungsstress gewöhnt uns schonmal an den Leistungsdruck im Beruf, wir hinterfragen die Anweisungen unserer Lehrer:innen nicht und haben meistens keine Ahnung, wie wir daran etwas ändern können. Quasi perfekte Arbeitskräfte. 
Also: Schule ist politisch – auch wenn uns etwas anderes erzählt wird. Und wir müssen unseren Mitschüler:innen klar machen, dass sie etwas tun können und das Gemeinsam. Ein Weg, ihnen das klarzumachen, ist, dass wir uns als Schulsprecher:in aufstellen. Und bewusst den Tag der Wahlen und den Wahlkampf in ein politisches Licht rücken, indem wir zum Beispiel mit einem kleinen Wahlprogramm antreten, in welchen wir Forderungen aufgreifen, die die Probleme in der Schule entgegenwirken.

2. Ohne gemeinsamen Kampf verändert sich nix

Nur weil unsere Mitschüler:innen wissen, dass etwas veränderbar ist, verändert sich noch gar nichts. Nur weil wir die Wahl zum Schulsprecher:in politisieren, sind die Probleme nicht gleich weg. Dabei muss uns klar sein: Das Amt der Schulsprecher:inist nicht dafür da, Dinge zu verändern. Sonst hätte jede Schule schon zehn Wasserspender und keine Hausaufgabenmehr. Und genau dieser Umstand, dass die Wahl zwar viel verspricht, die:der Schulsprecher:in jedoch keine wirkliche Macht hat, Veränderungen herbeizuführen, soll uns als Vorbereitung auf die gesellschaftlichen Verhältnisse dienen. Man tritt in ein Gremium ein, in dem ohne die Zustimmung des Schulleiters nichts entschieden werden kann und in dem man zusätzlich mit bürokratischen Hürden konfrontiert ist, die nahezu jede Verbesserung an der Schule unmöglich machen. Damit stütz die Schule am Ende die herrschenden Verhältnisse, denn nur Wählen gehe ohne mich gegen Krieg, Rassismus oder Sexismus zu organisieren, wird sich in der Gesellschaft daran wenig ändern.

Darum ist es umso wichtiger, in der Schule schon anzufangen einen aktiven Kampf gegen die Missstände aufzubauen, denn das ist der Ort, an dem wir uns Jugendliche 5mal in der Woche einfinden müssen. Der Kampf gegen die Probleme an unserer Schule muss also abseits von der Hoffnung in den:die Schulsprecher:in, aber trotzdem gemeinsam geführt werden. Damit meinen wir: Wir müssen die Wahl nutzen, um den Kampf gegen die Probleme zu stärken und Sichtbar zu machen. Das Politisieren der Wahl ist dafür der erste Schritt. Der zweite ist es, konkrete Forderungen für die Schule aufzustellen und diese im Rahmen der Wahl populär zu machen. So kann die Wahl als Podium für die politischen Interessen von uns Schüler:innen genutzt werden. Und der dritte schritt ist sich in der Schule zu organisieren und einen gemeinsamen Kampf um die Umsetzung der Forderungen zu führen, das vor allem während und nach der Wahl, egal wie diese letztendlich ausfällt. Dabei muss aber immer klar sein: Keine Schüler:innenvertretung kann diese Forderungen umsetzen. Was es braucht, sind Schulgruppen mit regelmäßigen Treffen an der Schule. Diese Aktionsgruppen müssen den Kampf für konkrete Forderungen führen z. B. indem sie Aktionen durchführen, wie Flyer verteilen, kurze Reden auf dem Schulhof oder Bannerdrops und so systematisch Druck auf die Schule erhöhen und Mitschüler:innen vom Inhalt der Wahl und dem Kampf danach auch abzuhollen und zu informieren.
Die Wahlen müssen genutzt werden, um diese Aktionsgruppen zu stärken. Denn ohne Kampf verändert sich nix.

3. Demokratische Rechte an der Schule verteidigen

Im Gegenteil: Wenn wir nichts machen, wird alles schlimmer. Gerade in einer Zeit, in der rechte so viel Zulauf haben wie seit Langem nicht mehr, spüren wir das deutlich. Parteien wie die AfD wollen selbst die wenigen demokratischen Rechte, die es an Schulen gibt, angreifen, bis sie ganz verschwinden. Das dürfen wir nicht zulassen.
Die Schule ist ein Ort der Erziehung. Doch in dieser Erziehung ist eigentlich kein Platz für freie Entfaltung. Wir sollen irgendwann fleißige Arbeitskräfte werden und bloß nicht auf die Idee kommen, dass Mitbestimmung im eigenen Betrieb das einzig Logische wäre.
Trotzdem gibt es wenige Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe an Schulen. Doch diese sind eher Schein und sollen uns darauf vorbereiten, dass die demokratischen Strukturen der Erwachsenen „ganz kompliziert“ sind wo Kompromisse gefunden werden müssen und deswegen alles irgendwie immer doof ist. Es geht also darum, uns daran zu gewöhnen, dass das Interesse der Mehrheit trotz Demokratie am Ende egal ist.
In der Schule ist es der Schulleiter, der Vorhaben stoppt, obwohl die ganze Schüler:innenvertretung dafür war. Später sind es Rüstungsfirmen, die Kriege anheizen, obwohl die meisten Menschen sie nicht wollen.

4. Scheindemokratie aufdecken!

Wenn uns Schülerinnenvertretung und Schulsprecherinnenwahl nur darauf vorbereiten sollen, die Lügen der Herrschenden zu glauben – warum sollten wir uns dann überhaupt aufstellen? Abgesehen davon, dass wir dadurch unsere Aktionsgruppen stärken können.
Es geht auch darum, das allen klar zu machen: Strukturen wie Schulsprecherin erfüllen gar nicht den Zweck, etwas zu verändern. Das kann so aussehen, dass, wenn die Schulleitung wieder einmal im Alleingang Vorhaben blockiert, die lokale Aktionsgruppe das in einem Flyer veröffentlicht und es für alle Transparent macht. Gerade wenn es an der Schule einen Kampf für bestimmte Forderungen gibt, kann man durch offene Anträge aufzeigen, dass die Schüler:innenvertretung nicht dafür da ist, Dinge zu verändern.
Wenn das klar wird, müssen wir deutlich machen, dass es echte Mitbestimmung an der Schule braucht. Keine Gruppe an der Schule ist so groß wie wir Schüler:innen und trotzdem haben wir am wenigsten zu sagen. Was soll das?
Lasst uns gemeinsam für Strukturen kämpfen, die wirklich etwas verändern können. Und um diese aufzubauen, brauchen wir wieder lokale Aktionsgruppen/Schulkomitees.

5. Bewusste Offensive

Ein Großteil der Leute ist an der eigenen Schule schon aktiv – meistens ohne es zu merken. Indem sie in Diskussionen linke Standpunkte einbringen. Indem sie über Nazis lästern oder ihre Aufkleber entfernen. Indem sie kostenlose Hausaufgabenhilfe geben. Doch das reicht nicht mehr.
Wenn Neonazis auf unseren Straßen wieder Menschen jagen. Wenn Politiker im Bundestag erzählen, wie sie Menschen das Recht rauben wollen, ihren Wohnort frei zu wählen. Wenn diese Politiker Kanzler werden wollen. Dann reicht es nicht, nur zu widersprechen, wenn man uns dran nimmt. Wir müssen in die Offensive treten.
Offensive heißt einmal Aktivität in der Schule aufbauen, aber auch: Wir fordern, was uns schon lange zusteht. Deswegen werden wir uns bundesweit zu den Schulsprecher:innenwahlen aufstellen und gemeinsam mit den Schulgruppen zeigen: Wenn wir an unseren Schulen kämpfen, können wir Dinge verbessern und unsere Mitschüler:innen gegen das System organisieren, das für diese Krisen verantwortlich ist.

Tut es uns gleich: Baut Aktionsgruppen auf und stellt euch als Schulsprecher:in mit einem politischen Programm auf! Braucht ihr Unterstützung beim schreiben solch eines Wahlprogramms, oder beim Aufbau von einer Schulgruppe? Dann schreibt uns an!




Wie kann die Linkspartei gegen Merz gewinnen?

Von Jona Everdeen, August 2025

Für uns als Arbeiter:innen und Jugendliche ist die neue Bundesregierung sicherlich kein Grund zur Freude. Mit Friedrich Merz haben wir jetzt einen Kanzler, der überhaupt keinen Hehl daraus macht, dass er Politik für „die deutsche Wirtschaft“ aka die Reichen, und damit gegen uns, machen will. Mit seiner „Agenda 2030“ plant Merz und seine Lobbyisten-Regierung einen Generalangriff, der mindestens so massiv auszufallen droht wie die Agenda 2010. Reallöhne sollen sinken, Arbeitsschutz aufgeweicht werden. Alles, was nützlich für uns ist, wird zugunsten der Deutschen Kriegstüchtigkeit weggekürzt. Doch es gibt Hoffnung! Denn bei der Wahl, die Merz zum Kanzler machte, konnte auch die Partei „die Linke“ überraschende 9 Prozent gewinnen.

Diese Wahl stand trotz alledem im Zeichen des Rechtsrucks: Die AfD holte Rekordzahlen, wurde im Osten stärkste Kraft mit zehn Millionen Stimmen. Die CDU mimte das „demokratische“ Ebenbild, SPD und Grüne wiederholten das Mantra vom „Migrationsproblem“ statt über Löhne, Krieg oder Klima zu reden. Friedrich Merz wollte mit FDP- und notfalls AfD-Stimmen ein brutales Anti-Flüchtlingsgesetz durchpeitschen und scheiterte dabei krachend an Abweichlern in den eigenen Reihen. SPD und Grüne empörten sich, buhlten aber weiterhin um Koalition und Regierungsbeteiligung auf Bundesebene mit Merz. Allein Die Linke stellte sich quer, mobilisierte auf der Straße, gewann Momentum und katapultierte sich plötzlich von 5 auf fast 9 Prozent sowie sechs Direktmandate. Wie es dazu kommen konnte? Es gelang der Partei sich zum Ventil aller zu machen, die den Rechtsruck nicht mehr hinnehmen wollten, insbesondere in der Jugend. Die Linkspartei wurde eben dafür gewählt: Einen Pol zu schaffen, der den Rechtsruck nicht nur nicht mitgeht, sondern ihm, im Parlament, auf der Straße und notfalls auch auf den Barrikaden, entgegentritt. Doch wie sieht die Realität aus? Erfüllt die Linke diese Erwartungen?

Die Linke und die Regierung Merz – Eine wenig rühmliche Zwischenbilanz

Bisher leider eher nicht. Zwar spricht sich die Linke noch immer recht deutlich gegen die Politik der Merz-Regierung aus, aber ihren Handlungen merkte man das wenig an. So als Merz im ersten Wahlgang scheiterte und es auf die Stimmen der Linken ankam, ob ein weiterer Wahlgang am selben Tag standfinden kann oder nicht. Dabei entschied sich die Linke dagegen, eine Partei des grundlegenden Widerstands zu sein und Merz tagelang zum Zappelkanzler zu machen, sondern für die „staatspolitische Verantwortung“. Daraufhin freute man sich gar darüber, dass die CDU nun doch mit einem reden musste (die CDU hat eine Unvereinbarkeit mit der Linkspartei). Noch schlimmer war die Zustimmung der Regierungsfraktionen der Linkspartei aus Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zu den 500 Milliarden Kriegskrediten für die Aufrüstung der Bundeswehr. Gegen den Beschluss der Bundestagsfraktion, diese konsequent abzulehnen. Zwar gab es dagegen viel Kritik aus der Partei, Konsequenzen blieben jedoch aus.

Der Grund hierfür ist relativ eindeutig: Zwar ist der Flügel der Regierungs“sozialist:innen“ durch die Krise der vergangenen zwei Jahre stark geschwächt, jedoch noch immer noch präsent und ideologisch stark, denn dieser Flügel bestimmt mit der Ausrichtung auf Regierungsbeteiligung und staatspolitischer Verantwortung ja das reformistische Ziel. Währenddessen reden die Bewegungslinken vor allem über angewandte Taktiken und merken ansonsten am Rande an, gerne das Korrektiv in der Opposition spielen zu wollen. Und um „regierungsfähig“ zu sein, ist man in diesem Teil der Partei bereit, sämtliche Prinzipien über Bord zu werfen. Und dazu wirft man sich dann auch Friedrich Merz, der bereit war mit der AfD zu paktieren, an den Hals so wie Grüne und SPD. Das zeigt vor allem eines deutlich: Nämlich, dass der Flügelkampf nicht vorbei ist, nicht vorbei sein darf. Im Gegenteil muss er jetzt umso härter geführt werden, damit die Linke in der Lage ist die Funktion auszuüben, für die sie gewählt wurde. Das ist ein schwieriger Weg, denn Opportunismus und Verrat ist fest integriert in den Charakter einer reformistischen Partei, deren Ziel eben nicht grundsätzlich der Sozialismus ist, sondern Reformen im Rahmen des kapitalistischen Systems. Und daraus folgt dann die Logik, dass man schon selber mitregieren muss, will man diese erreichen. Doch die aktuelle Situation bietet durchaus Chancen, damit zu brechen, denn die Linke hat die historische Möglichkeit sich grundsätzlich neu aufzustellen. Von den inzwischen über 100.000 Mitgliedern (Rekord in der Parteigeschichte) sind rund die Hälfte im letzten Jahr eingetreten. Und die meisten wohl eben nicht, um möglichst bald Teil einer etwas linkeren Ampelkoalition mit zwei roten und einem grünen Blinker zu werden. Doch das wirft eigentlich erst recht viele Fragen auf.

Was muss die Linke jetzt tun?

Zunächst einmal muss klar sein, dass der Kampf nach der Wahl nicht endet, sondern im Gegenteil erst so richtig beginnt. Es ist bereits im Organizing-Wahlkampf und im eisigen Riesa klargeworden, dass es konkrete Aktionen sind, die dafür sorgen, dass die Linke an Einfluss, hier in Form von Stimmen, gewinnt. Das muss nun auf den Parteialltag übertragen werden. Die neuen Genoss:innen müssen in Basisstrukturen organisiert werden, in ihren Vierteln und Dörfern, aber auch in ihren Betrieben, in ihren Universitäten und ihren Schulen. Wir müssen es schaffen, an diesen Orten linke Strukturen aufzubauen, die gegen das Scheißsystem von dort aus aufbegehren, wo es uns hinverweist! Und von da aus dann den Widerstand organisieren! Es gilt als Linke auf die Straße zu stattfindenden Kämpfen zu mobilisieren. Ein sehr positives Beispiel dafür ist die Basisorganisation (BO) Wedding, die eine starke Demonstration durch Berlin-Wedding initiierte, um gegen die Umstellung des Pierburg Werks auf Rüstungsproduktion zu protestieren. Auch muss die Partei sich selber in laufende Bewegungen einbringen, so wie es die LAG Palästina Solidarität in Berlin tut. Dabei mitarbeiten und die eigenen Kräfte dorthin mobilisieren, aber gleichzeitig auch aktiv versuchen, bestehende Bewegungen wie die Palästina-Solidarität, Antifaschismus oder die Klimabewegung, mitzugestalten, und zu einer gemeinsamen Bewegung gegen den Deutschen Imperialismus und seine Regierung zu vereinen! Auch muss die Linke eine starke Opposition in den Gewerkschaften aufwerfen, gegen den bürokratischen Kurs der Beibehaltung der Sozialpartnerschaft und gegen den staatstragenden Kurs. Und hin zu Gewerkschaften, die kämpfen und durch ihre Basis statt der Bürokratie getragen werden! Und zwar auch mit politischen Streiks gegen die Regierung Merz! Dabei hat die Linke die Macht, zum Motor einer ganzen Massenbewegung zu werden, was sie bereits in den Anti-AfD Protesten Anfang des Jahres ein Stück weit bewiesen hat. Sie muss ihre Kraft nur nutzen, ihre 100.000 starke Basis in den Kampf mobilisieren. Das könnte aber auch die Basis und die aktivierten arbeitenden Massen zum Motor eines neuen klassenkämpferischen Aufschwungs bedeuten, die über die kleinlauten Forderungen der Linkspartei hinauswächst.

Wenn die Linkspartei einen solchen Kurs fahren würde, dann könnte sie die Aufgabe übernehmen, die das Proletariat, die Jugend und alle Unterdrückten in Deutschland so dringend brauchen: Eine Führung im Kampf um die Macht gegen das Kapital.

Das entscheidende Problem ist hierbei jedoch das Programm der Linkspartei. Dieses ist im Kern reformistisch und damit an die enggesteckten politischen, juristischen, nationalstaatlichen und vor allem wirtschaftlichen Grenzen des Systems in der BRD gekettet. Wir dürfen uns also keine Illusionen in die Führung der Linkspartei machen, die folgerichtig kein Interesse hat, eine solche Kraft zu sein und ein solches Programm zu vertreten. Daran, dass Bodo Ramelow und Gregor Gysi das System mitverwalten und nicht stürzen wollen, besteht kein Zweifel. Und genau deshalb ist es ein revolutionäres Programm, das wir aufwerfen müssen, um in der Partei diejenigen Genoss:innen zu mobilisieren, die mehr wollen, als für Wahlen an Haustüren klingeln und dann resignieren, wenn die Parteiführung mal wieder ihre Wahlversprechen bricht, um für Sozen und Grüne „regierungsfähig“ zu sein. Wir wollen mobilisieren für eine Revolutionäre Fraktion in der Linkspartei, die für eine echte Revolutionäre Partei kämpft, die aber auch im richtigen Moment mit der Linkspartei bricht! Denn so eine Revolutionäre Partei brauchen wir, um den Kampf gegen die Regierung Merz konsequent zu führen! Und damit verbunden den Kampf gegen den gesamten Kapitalismus!




No Justice No Peace– Die Bullen schützen uns nicht

Von Urs Hecker, August 2025

Oury Jalloh, Amad Ahmad, Yaya Jabbi, Achidi John, Laye-Alama Condé, Hussam Fadl, Matiullah J, Qosay Sadam Khalaf, Lamin Touray, Mouhamed Dramé und jetzt Lorenz A.
Die Liste der migrantischen und schwarzen Menschen, vor allem Jugendlichen, die in Deutschland von der Polizei ermordet wurden, könnte noch sehr lange weiteraufgeführt werden.
Erst im April sorgte der Polizeimord an Lorenz A in Oldenburg für große Trauer und Wut.
Lorenz, ein 21 Jahre alter schwarzer Jugendlicher, wurde mit mehreren Schüssen von hinten in den Rücken und in den Kopf von der Polizei ermordet.
Zehntausende gingen und gehen seitdem in Oldenburg und in ganz Deutschland auf die Straße.
Das war kein Einzelfall:  2024 war die Zahl der durch Polizeischüsse ermordeten so hoch wie noch nie seit Beginn der statistischen Aufzeichnung.

Der Rassismus hat System

Immer wieder ermordet die deutsche Polizei also migrantische Menschen, immer wieder nimmt sie danach selbst die Ermittlungen auf, immer wieder werden daraufhin die Verfahren gegen die Mörder eingestellt. 2023 landeten von über 4500 Ermittlungsverfahren gegen die Polizei, lediglich 80 bei einem Landgericht, Statistiken zu Verurteilungen gibt es kaum, aber sie dürften sehr gering ausfallen.
Dieser Rassismus, diese Gewalt hat also System!
Dieses System heißt bürgerlicher Staat und Kapitalismus!
Das Kapital hat den Rassismus historisch geschaffen und braucht ihn auch heute.
Der Rassismus nütz ihm dazu, die Arbeiter: innen zu spalten, in dem er eine abgesonderte, entrechtete und unterdrückte Schicht schafft, die besonders stark ausgebeutet werden kann (z.B. durch Sklaverei oder Niedriglohnsektoren). Dem Gegenüber schafft er eine weitere Schicht vergleichsweise privilegierter Arbeiter:innen, die sich dem entsprechend oft mit dem Staat und seiner Herrschaft identifizieren und ein Überlegenheitsgefühl gegenüber den rassistisch Unterdrückten entwickeln.
Diese Spaltung sorgt dafür, dass zum einen rassistisch Unterdrückte besonders stark ausgebeutet werden und zum anderen, dass man sich aber auch grundsätzlich nur schlecht gegen das Kapital wehren kann, da man nicht zusammen kämpft.
Dieser Rassismus ist in jedem bürgerlichem Staat verankert, da alle einen Teil ihrer Bevölkerung als Staatsbürger:innen gegenüber einem anderen Teil, die es nicht sind, privilegieren.
Die Polizei übernimmt dabei die Rolle, die institutionalisierte rassistische Unterdrückung durchzusetzen, also die rassistischen Gesetze anzuwenden. Sie schiebt ab, kriminalisiert ganze Bevölkerungsgruppen durch Racial Profiling, terrorisiert die Wohnviertel migrantischer Menschen, verfolgt politische Organisationen der migrantischen Community und schütz die Eigentumsordnung, die den Rassismus erst hervorbringt.
Im Rechtsruck und mit zunehmender Repression spitzt sich das nochmal zu, wenn eine Abschiebeoffensive die nächste jagt, das Recht auf Asyl praktisch abgeschafft wird, Palästinademonstrationen zusammengeschlagen werden und Viertel wie Neukölln regelrecht besetzt werden.
Es ist bei diesem Aufgabenbereich also auch kein Zufall, wenn in der Polizei selbst massiver Rassismus vorherrscht und sich zum Beispiel die Spitzen der beiden Polizei- „Gewerkschaften“ regelmäßig extrem rassistisch äußern.
Diese grundlegend rassistischen Aufgaben und die damit einhergehende rassistische Einstellung innerhalb der Polizei, führen dann auch immer wieder, und im Rechtsruck immer mehr, zu rassistischen Morden der Polizei.
Die Polizei „ermittelt“ dann wie oben erwähnt selbst „gegen sich“, wobei dann so gut wie immer die eigenen Kolleg:innen geschützt werden.
Der Staat hat auch kein Interesse daran diese Morde aufzuklären, lieber schützt er seinen Schlägertrupp und den Rassismus, den er ja selbst institutionalisiert.
Deswegen würde es auch nur begrenzt nützen, eine von der Polizei unabhängige Behörde zu schaffen, die diese kontrolliert, der ganze Staat, alle seine Behörden und die gesamte kapitalistische Produktionsweise sind von Rassismus durchzogen, eine „unabhängige“ Behörde würde den Rassismus also nur abermals reproduzieren.

Wir schützen uns selbst! Abolish the Police!

Wenn der Staat uns nicht schützen kann, müssen wir das eben selber tun. Wir, das meint die migrantische Community, alle vom Rassismus Unterdrückten, die Arbeiter:innenklasse und die Jugend. Wenn wir Selbstverteidigungskomitees gegen Abschiebungen, Polizeigewalt und Gewalt durch Nazis aufbauen, können wir die rassistische Gewalt zurückdrängen. In den USA zeigen uns die Proteste gegen ICE aktuell was möglich ist, wenn wir uns zusammentun und uns gemeinsam der rassistischen staatlichen Gewalt entgegenstellen. Die Selbstverteidigungskomitees die wir aufbauen wollen, müssen dabei besonders breit sein und sich auf größere Organisationen der migrantischen Community und der Arbeiter:innenklasse stützen, deswegen müssen wir auch Gewerkschaften und Linkspartei dazu aufrufen, an ihnen teilzunehmen bzw. sie ins Leben zu rufen. Diese Komitees müssen dann demokratisch gewählt und strukturiert werden.
Dabei dürfen wir aber natürlich nicht den Rassismus unterschätzen, der aktuell in den Gewerkschaften, der Linkspartei wie in der ganzen Arbeiter:innenklasse, so auch innerhalb der radikalen Linken vorhanden ist.
Um rassistische Gewalt zu bekämpfen, müssen wir auch grundsätzlich dem Rassismus und dem Rechtsruck den Kampf ansagen. Auch in den Gewerkschaften und auch gegenüber der Linkspartei.

Letztlich können wir den Rassismus aber nur wirklich bekämpfen, wenn wir ihm seine Grundlage entziehen: Das kapitalistische System, welches uns dazu zwingt, uns tagtäglich zu Bedingungen ausbeuten zu lassen, die die Kapitalist:innen nach ihren Interessen festlegen, muss überwunden und durch ein sozialistisches und solidarisches System ersetzt werden.

Im Hier und Jetzt schlagen wir folgende Forderungen für den Kampf gegen rassistische Polizeigewalt vor:

  • Abolish the Police – Polizei abschaffen und durch Selbstverteidigungskomitees von rassistisch Unterdrückten, Arbeiter: innen und Jugendlichen ersetzen!
  • Keine Massenüberwachung z.B. durch, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung usw.!
  • Kein Racial Profiling und ein hartes Aburteilen von Bullen, die Racial Profiling anwenden!
  • Polizist:innen, die gewalttätig werden, sollen vor Volksgerichte gestellt und diese bei Bedarf abgeurteilt werden! Dafür müssen sie durch ein individuelles Erkennungszeichen identifizierbar sein!
  • Keine Militarisierung der Polizei. Sofortige Entwaffnung der Polizei, vor allem was Taser, Maschinenpistolen, Knarren und Handgranaten angeht!
  • Gemeinsamer Kampf der Arbeiter:innen aller Nationalitäten: Kein Platz für rassistische Positionen in den Gewerkschaften! Keine Rassist:innen in Gewerkschaftsfunktionen, in Betriebs- und Personalräten! Für das Recht aller Migrant:innen und Geflüchteten, den DGB-Gewerkschaften beizutreten!
  • Polizei aus dem DGB schmeißen! Bullen gehören nicht zur Arbeiter:innenklasse, sondern sind die Schlägertruppe des Kapitals!
  • Schluss mit den Abschiebungen! Volle Staatsbüger:innenrechte für alle, die hier leben wollen!



Schule nur noch mit Ariernachweis?

Brokkoli Bittner, August 2025, Lesezeit ca. 6 Minuten

Es ist Anfang Juli, die Sommerferien stehen kurz bevor, und eigentlich rechnest du mit nichts Besonderem. Doch dann schaust du aufs Handy und liest die Schlagzeile: „Prien offen für Migrationsquote an Schulen“. Spätestens in dem Moment fragst du dich: Was will diese Frau, die nicht mal CDU-Mitglieder kennen?

Der Kern ihrer Botschaft ist derselbe wie immer: Wir seien zu schlecht in der Schule, die Pisa-Studien würden es angeblich belegen. Soweit nichts Neues. Dass das deutsche Schulsystem am Limit ist, wissen wir, die dort Tag für Tag sitzen, wohl am besten. Doch Frau Prien meint jetzt, den Schuldigen gefunden zu haben: Migrant:innen. Zu wenig Deutsch auf den Schulhöfen, das sei das Problem. Als hätte nicht jahrzehntelanges Kaputtsparen unser Bildungssystem ruiniert. Jetzt seien es die migrantischen Schüler:innen, die die Schulen eigentlich überlasteten. Daher sollen pro Schule nur noch 30-40% der Schüler:innen migrantisch sein dürfen. Der Rest soll gucken, wo er bleibt, was heißt, bis zur anderen Seite der Stadt fahren zu müssen oder eben gar keinen Schulplatz in Reichweite zu kriegen. Also die nächste rassistische Schikane des deutschen Staates.

Obergrenzen und rechte Anschlussfähigkeit

Die Forderung nach Obergrenzen für „Nicht-Deutsche“ ist alt. Die AfD predigt das seit fast zehn Jahren. Und In Dänemark wurde ein ähnliches Gesetz bereits eingeführt.  Dass die CDU irgendwann ähnliche Positionen übernimmt, überrascht kaum, schließlich hat sie sich längst große Teile des AfD-Programms angeeignet. Doch entscheidend ist: Es geht hier nicht nur um irgendwelche Parteien, sondern diese Partei stellt den deutschen Bundeskanzler. Rechte Ideen finden immer stärker gesellschaftliche Anschlussfähigkeit.

So etwa beim Lehrerverband, der Priens Vorstoß zwar kritisiert, aber lediglich mit dem Hinweis, das Ganze sei „schwer umsetzbar“. Eine Kritik, die sich nicht an der rassistischen Grundidee reibt, sondern an der Bürokratie. Wenn es diesen Leuten nur um die Umsetzbarkeit geht, dann können sie auch nächste Woche den Ariernachweis einführen, damit man das dann kontrollieren kann, wie viele Deutsche tatsächlich in einer Schule sind.  Doch die Idee, Menschen aufgrund ihrer Muttersprache oder ihrem Pass den Zutritt zu einer Schule zu verwehren, ist doch in sich das Problem. In diesem System ist aber der Zugang zu Bildung essenziell. Wer Menschen Bildung verwehrt, der sorgt dafür, dass diese Menschen in den Niedriglohnsektor rutschen. Es geht in dieser Debatte also auch darum, dass dieser Staat mehr billige Arbeitskräfte will und diese Spaltung innerhalb der Arbeiter:innenklasse vor allem an ethnischen Grenzen verläuft, damit am Ende auch ja keine Zusammenarbeit stattfinden kann, denn das mit der Armut ist dann wieder nur „so ein kulturelles Problem“, spaltet die Beschäftigten also in „die von hier“ und „die von dort“. So wird der Ärger nach unten gelenkt, statt nach oben, wo in Wirklichkeit über Budgets, Löhne und Grenzen entschieden wird.

Krise des Bildungssystems

Was hier passiert, ist durchsichtig: Die fundamentale Krise des deutschen Bildungssystems soll Migrant:innen in die Schuhe geschoben werden. In Wahrheit liegt das Problem in der Logik des Kapitalismus. Bildung steckt hier in einem Dauerwiderspruch:

Einerseits sollen wir so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt gedrückt werden und unsere Vorbereitung möglichst billig sein. Denn unsere Ausbildungszeit ist eine Zeit, in der wir für Staat und Kapital vor Allem Kosten verursachen und noch nicht wirklich gut ausgebeutet werden können.

Andererseits steigen die Anforderungen an uns als Arbeitskräfte stetig: Digitalisierung, KI, internationale Vernetzung, immer kompliziertere Maschinen. Und damit müsste auch die Schule uns mehr vermitteln.

Das führt zu Lernstress, Unterfinanzierung, überlasteten Lehrkräften und einer permanenten Bildungskrise. In Krisenzeiten, wenn das Geld noch knapper wird, spitzt sich dieser Widerspruch zu und wird sichtbarer. Und weil das System selbst nicht infrage gestellt werden darf, werden Sündenböcke gebraucht: Migrant:innen bieten sich dafür in der Logik der Rechten an. Das erleben wir auch in anderen Bereichen.

Sprachtests, Quoten, Obergrenzen: All das dient nicht dazu, Probleme zu lösen, sondern Menschen auszugrenzen, die von Anfang an nicht als Teil der Gesellschaft gesehen werden sollten. Die Absurdität zeigt sich deutlich: Wer soll Deutsch lernen, wenn der Staat selbst Bedingungen schafft, die das unmöglich machen? Wer hier ankommt braucht Unterstützung, um anzukommen, und diese wird seit bald einem Jahrzehnt ständig nur weggekürzt. Wie soll das möglich sein? Dieser Staat wollte billige Arbeitskräfte, doch als es Menschen mit Familien und Geschichten waren, da begann er sie zu jagen.

Für eine andere Schule kämpfen

Klar ist: Gegen jede Form rassistischer Selektion müssen wir uns stellen – auch in der Schule. Ganz gleich, ob sie offen diskutiert oder längst praktiziert wird. Denn während über die Einführung weiterer Selektionsmechanismen noch debattiert wird, findet rassistische Ausgrenzung schon heute täglich statt. Mitschüler:innen werden in separate Klassen gesteckt, weil ihr Deutsch angeblich nicht ausreicht. Migrantische Jugendliche erhalten seltener eine Gymnasialempfehlung, und zwar nicht wegen ihrer Leistung, sondern weil man es ihnen aus Vorurteilen nicht zutraut. Rassistische Selektion passiert jetzt und genau jetzt müssen wir uns ihr entgegenstellen. Wir brauchen eine andere Schule: eine Schule, in der wir frei von Rassismus lernen können und eine, die so gestaltet ist, wie es für uns Schüler:innen am besten ist.

Doch eine solche Schule wird uns nicht geschenkt. Wer eine solidarische Bildung will, muss dafür kämpfen. Der Widerspruch, in dem sich die Bildung befindet, bleibt so lange bestehen, wie es auch der Kapitalismus tut. Aber das bedeutet nicht, dass wir uns jedem Kampf verschließen sollten, nur weil er den Kapitalismus nicht direkt als Ursache benennt. Auch Kämpfe innerhalb dieses Systems können kurzzeitig Verbesserungen erkämpfen und Mitschüler:innen mobilisieren. Wichtig ist jedoch, dass man immer klar macht, dass es mehr braucht, wenn man diese Kämpfe nach Reformen unterstützt. Denn Reformen können in Krisenzeiten oder bei einer nachlassenden Bewegung schnell wieder zurückgenommen werden. Die Herrschenden gestehen sie einem nur zu, wenn sie sich mal unter Druck sehen. Sie wollen letztendlich nicht die grundlegenden Widersprüche des Bildungssystems lösen. Wer diese nicht überwindet, kann keine Schule schaffen, die wirklich im Interesse der Schüler:innen ist.

Für den Kampf gegen Rassismus und für ein besseres Bildungssystem brauchen wir Strukturen. Das heißt: Organisationen, die Schüler:innen mobilisieren und handlungsfähig machen. Solche Strukturen braucht es an jeder Schule. Sie sollten als lokale Aktionsgruppen arbeiten, Probleme vor Ort aufgreifen, sie bekämpfen, und zugleich in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang einordnen. Diese Gruppen sind ein zentrales Element im Kampf um Veränderung.

Dabei muss klar sein: Unsere Probleme sind nicht die Migrant:innen, unser Problem ist der Kapitalismus. Nur wenn linke Antworten auf die aktuelle Krise sichtbar sind und erkämpft werden, können wir rassistische Scheinlösungen zurückdrängen.

Doch für was für eine Schule kämpfen wir überhaupt?

Wir wollen eine Schule, in der jeder so lernen kann, wie er:sie es will, deswegen fordern wir:

  • Wahlmöglichkeit zwischen Unterricht in der Muttersprache oder Unterstützung durch Deutsch als Fremdsprache-Lehrkräften und Übersetzer:innen
  • umfassende psychologische Betreuung zur Traumaverarbeitung
  • Kennenlern- und Vermittlungsangebote zwischen allen Schüler:innen (gemeinsam Fußballspielen, Musizieren, Spiele spielen…)
  • Masseninvestitionen in unsere Schule. Das Geld verwaltet durch SchülerInnen und Lehrkräfte.
  • Kleinere Klassen Jetzt!
  • Selbstverwaltete Antidiskriminierungsstelle (siehe unseren Artikel zu dieser Forderung)



Genozid in Gaza: Plötzlich waren alle immer schon dagegen

Von Sani Meier, August 2025

Seit einigen Wochen lässt sich eine Veränderung in der Berichterstattung deutscher Medien und den Äußerungen von Politiker:innen beobachten, wenn es um die aktuellen Entwicklungen in Gaza geht. Während es bislang so gut wie keine kritische Stimme in den Nachrichten von tagesschau & Co. gab und jegliches brutale Vorgehen der israelischen Regierung mit dem 07. Oktober und der Freilassung der Geiseln gerechtfertigt wurde, wird Israel seit Kurzem immer wieder zur Mäßigung aufgefordert. Es sind besonders die Berichte über das gezielte Aushungern der palästinensischen Bevölkerung, die wohl nicht länger ignoriert werden können. Warum diese neue Form der Kritik an Israel zwar auf den ersten Blick nach einem Erfolg der palästina-solidarischen Bewegung aussieht, wir uns aber dennoch nicht davon täuschen lassen sollten, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Der Genozid an den Palästinenser:innen erreicht seit Kurzem seine wohl brutalste Stufe: Eine Bodenoffensive, die von einer flächendeckenden Bombardierung aus der Luft begleitet wurde, ermordete mehrere hundert Menschen in nur wenigen Tagen. Das Ziel des Ganzen: Die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens soll in den Süden getrieben, dort konzentriert und dann zwangsumgesiedelt werden. Während so die ethnische Säuberung vorbereitet wird, setzt die israelische Regierung zusätzlich Hunger als Kriegswaffe ein, indem sie über mehrere Monate jegliche Hilfslieferungen in den Gazastreifen blockierte. Die Vereinten Nationen warnten Ende Mai davor, dass dadurch innerhalb von 48 Stunden 14 Tausend Babys verhungern könnten. Großbritannien, Frankreich und Kanada kündigten daraufhin Sanktionen gegen Israel an, und Netanyahu ließ notgedrungen 10 LKWs mit Hilfsgütern über die Grenze. Dabei gab er offen zu, dass er nur das Mindestmaß an Essen liefern würde, um die Sanktionen zu verhindern und seine Militäroffensive weiter fortführen zu können, aber keine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung zulasse.
Nach über 50 Tausend Toten, dem drohenden Hungertod von 1 Million Menschen und einem nahezu vollständig in Schutt und Asche liegenden Gazastreifen scheint das Maß nun endlich auch für deutsche Politiker:innen voll zu sein. Friedrich Merz zeigt sich verständnislos für die aktuelle israelische Offensive in Gaza und gibt zu, dass das nichts mehr mit der vermeintlichen Bekämpfung der Hamas zu tun habe. Der Vorwand der israelischen Regierung, man würde lediglich versuchen, die Geiseln zu befreien, wird immer unglaubwürdiger – besonders seitdem sie das Angebot der Hamas im April ablehnte, diese gegen eine Waffenruhe, palästinensische Gefangene und den Abzug der israelischen Truppen aus Gaza einzutauschen. Rechtsextreme israelische Politiker wie der Finanzminister Smotrich trauen sich mittlerweile ganz offen zuzugeben, dass das eigentliche Ziel der Offensive die Vertreibung der Palästinenser:innen sei. Für uns, die wir seit Jahren bedingungslos solidarisch mit dem palästinensischen Befreiungskampf stehen, stellen die Entwicklungen keine Überraschung dar, sondern eine Weiterführung dessen, was die israelische Regierung seit Jahrzehnten beabsichtigte und nun mithilfe ihrer westlichen Verbündeten verwirklicht. Ein Staat, dessen Gründung auf der Vertreibung von mehr als 750 Tausend Palästinenser:innen beruht, der sein Gebiet seitdem kontinuierlich illegal erweiterte, die palästinensische Bevölkerung in einem Freiluftgefängnis einsperrte und jegliche Ressourcen kontrollierte, kann kein Interesse an der Befreiung ebendieser Menschen haben.

Vor diesem Hintergrund erscheint es zynisch, wenn jetzt genau die Politiker:innen und Journalist:innen anfangen, Israel zu kritisieren, die diese Politik seit Jahren ermöglichten: Sei es durch die Lieferung und die Entwicklung von Waffen oder indem sie ihnen moralisch den Rücken freihielten und ihre Grausamkeiten rechtfertigten. Und selbst jetzt bleibt es bei bloßen Lippenbekenntnissen, wenn man plötzlich doch über das Leid der Palästinenser:innen sprechen kann, aber kein Wort darüber verliert, wie man in den vergangenen Monaten dazu beigetragen hat, jegliche Kritik an Israel als „(importierten) Antisemitismus“ abzustempeln und Aktivist:innen zu kriminalisieren und den Genozid und das Apartheidsregime nicht beim Namen nennt. Dabei ist es natürlich wichtig zu sagen, dass es eine gute Entwicklung ist, wenn Annika und Lukas aus deiner Schule ihre Meinung ändern und sich solidarischer mit der palästinensischen Bevölkerung zeigen – hier müssen wir auf sie zugehen und sie politisch für die Bewegung gewinnen, statt sie dafür outzucallen, warum sie das nicht schon früher eingesehen haben. Friedrich Merz kann dagegen 100 Mal das aktuelle Vorgehen der israelischen Regierung kritisieren, bleibt aber weiterhin deren Komplize, wenn er gleichzeitig nicht die Waffenlieferungen einstellen will, mit denen palästinensische Flüchtlingscamps, Schulen und Krankenhäuser bombardiert werden, und Netanyahu trotz Haftbefehl hofieren möchte. Deutschland bleibt auch weiterhin der drittstärkste Waffenlieferant und hatte die Lieferungen im letzten Jahr nochmal verzehnfacht, um seine Profite zu erhöhen und sich als moralischen „anti-antisemitischen“ Verbündeten darzustellen. Zudem verurteilen Deutschland und die G7-Staaten auch nicht die jüngsten Angriffe Israels auf den Iran, um diesen angeblich vor einem nuklearen Angriff abzuhalten, sondern nennen die eindeutige Aggression Israels immer noch „Selbstverteidigung“. Netanyahu hat damit quasi einen militärischen Freifahrtschein seiner westlichen Verbündeten bekommen.

Gleichzeitig stehen weiterhin Studierende vor Gericht, die ihre Universitäten besetzten, um auf den Genozid in Gaza aufmerksam zu machen, in Berlin werden vier von ihnen sogar abgeschoben, während der rechtliche Rahmen für politisch motivierte Exmatrikulationen geschaffen wurde. Wir dürfen also keine Hoffnung in ihre leeren Worte setzen, wenn sie Israel weiter bewaffnen und uns durch die Polizei Woche für Woche auf palästinasolidarischen Demonstrationen verprügeln lassen.
Unsere Aufgabe ist es jetzt, für eine Debatte innerhalb der Palästina-Bewegung über deren Strategie einzutreten. Was wir aktuell beobachten, ist eine Reduzierung der Demonstrationen und ihrer Teilnehmer:innen, die teilweise aus der extremen Kriminalisierung, der Erschöpfung von Aktivist:innen, aber auch der strategischen Unklarheit resultiert. Gefühlt gehen wir jedes Wochenende auf die Straße, werden noch brutaler geschlagen als beim letzten Mal und die israelische Politik wird noch grausamer als zuvor. Zwar ist es richtig, dass wir mit den Demos Aufmerksamkeit für unser Anliegen generieren, doch brauchen wir ein konkretes gemeinsames Ziel und eine Strategie, wie wir es erkämpfen können – sonst bleibt es beim richtigen, aber auch abstrakten „Free Palestine“ oder der Forderung nach einem Waffenstillstand, der wahrscheinlich nicht einmal die Zustände vor dem 07. Oktober wiederherstellen wird und keine Vision für eine wirkliche Befreiung des palästinensischen Volkes beinhaltet. Als Revolutionär:innen müssen wir für die Forderung nach einer Ein-Staaten-Lösung in Form eines säkularen, demokratischen und sozialistischen Palästinas werben, in dem sowohl Jüd:innen als auch Muslim:innen unabhängig von ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit dieselben Rechte haben. Dazu braucht es eine revolutionäre kommunistische Partei, die reaktionären Kräften wie der Hamas oder rechtsextremen israelischen Parteien die politische Vorherrschaft entreißt. Auf dem Weg dorthin können wir in den imperialistischen Zentren Unterstützung leisten, indem wir den Druck auf unsere Regierungen weiterhin erhöhen und sie dazu zwingen, ihre Solidarität mit dem israelischen Staat zu beenden – sei es in Form von Demos, Schul- und Unibesetzungen oder Streiks gegen die Waffenlieferungen. Von Deutschland bis nach Gaza – Yallah Intifada!




Ihr wollt uns für die BRD sterben sehen – wir wollen nur die BRD sterben sehen!

Jugendoffiziere im Klassenzimmer. Olivgrüne Postkarten im Briefkasten. Politiker:innen mit Waffen im Fernsehen. Deutschland will sich nach 80 Jahren wieder für den nächsten Weltkrieg bereitmachen. Das merken wir überall. Und gerade die Rufe nach Wehrpflicht schreien aus den Parlamenten wie unsere Lehrkräfte, wenn man eine Mütze im Unterricht aufhat. Pistorius plant, noch in diesem Jahr Fragebögen zur Pflicht zu machen, durch die die „Wehrfähigkeit“ der Jugend festgestellt wird. Damit wollen sie den Krieg normalisieren und uns auf die Wehrpflicht vorbereiten. Doch für uns ist klar: Wir wollen nicht für Deutschland sterben – wir wollen Deutschland sterben sehen.

Wir Jugendlichen wollen keine Wehrpflicht. Und warum, ist erst mal recht offensichtlich:
Niemand hat Bock, für die Profitinteressen des deutschen Kapitals zu sterben. Vor allem wir – die eine Zukunft haben und nicht verbittert mit 60 in der CDU hocken – wollen nicht einfach für diejenigen ohne Zukunft draufgehen.

Dazu kommt: Niemand hat Bock, gezwungen zu werden, mehrere Jahre dem deutschen Heer zu schenken. Denn gerade wenn wir aus der Schule rauskommen, haben wir kurz das Gefühl von Freiheit. Die Schule ist der Ort, an dem wir zehn Jahre lang erzogen werden, die Lügen der Ausbeuter zu glauben. Dort haben Mitbestimmung und freie Entscheidungen keinen Platz – das würde die Erziehung zu fleißigen Arbeitskräften ja noch gefährden. So wirkt die Entscheidung, von wem man sich ausbeuten lässt, wie die erste freie – auch wenn sie das nicht ist. Deshalb wollen wir nach zehn Jahren Indoktrination nicht auch noch in eure Deppen-Armee gesteckt werden, wo wir noch weniger über uns bestimmen können.

Was wir zu hören bekommen, wenn wir das sagen, ist: Wir könnten unser Leben und unsere Freiheit ruhig mal für Deutschland und unsere deutschen Werte opfern. Dabei geht es ihnen nicht um „Werte“, sondern darum, den Profit für das Kapital zu sichern und ihre Herrschaft aufrechtzuhalten. Dieser Staat dient nicht unseren Interessen. Die Aufgabe des Staates in der kapitalistischen Gesellschaft ist es, die besten Bedingungen für die Ausbeuter zu schaffen. Das heißt zum Beispiel: Sich darum zu kümmern, dass alle zur Arbeit kommen, indem Straßen gebaut werden. Denn jeder Kapitalist braucht Straßen – aber für keinen lohnt es sich, sie allein zu bauen. Doch auch wenn das harmlos und sinnvoll klingt, ist es das nicht immer.

Wir Jugendlichen und Arbeiter:innen haben Interessen, die im Widerspruch zu denen der Ausbeuter stehen. Das zeigt sich unter anderem daran, dass der Staat mit seinem Gewaltmonopol jeden Kampf von Arbeiter:innen für ein besseres Leben unterdrücken muss – sonst würden sich die Ausbeutungsbedingungen verschlechtern und das würde den Kapitalist:innen Profite kosten. Allen Fortschritt, den wir haben – wie eine parlamentarische Demokratie oder Arbeiter:innenrechte – haben wir nicht, weil Deutschland so warmherzig ist, sondern weil diese Rechte erkämpft wurden und Deutschland sie sich leisten konnte. Das heißt auch: Jeder Fortschritt fällt mit den Profitraten.

Wer also glaubt, man müsse Deutschland verteidigen, um Freiheit zu erhalten, ist auf dem falschen Dampfer. Deutschland zu verteidigen heißt in erster Linie, die Interessen der Ausbeuter zu verteidigen – und nicht unsere eigenen!

Auf die Straße gegen die Wehrpflicht!

Daraus wird klar: Wir müssen gegen diese Wehrpflicht kämpfen. Dieser Kampf muss vor allem an den Schulen geführt werden, dort sind die Leute, die morgen zu Kanonenfutter gemacht werden sollen. Wir müssen uns an unseren Schulen zusammentun und versuchen, Vollversammlungen zu organisieren – in denen klargemacht wird, was eine Wehrpflicht bedeutet. Und warum wir gegen diese kämpfen müssen. Dort können auch Abstimmungen über Forderungen gegen die Bundeswehr oder Musterungen stattfinden. Diese können lauten, dass die Bundeswehr an der eigenen Schule Hausverbot bekommt. Wenn man die Bundeswehr einlädt, gibt man ihr die Möglichkeit, sich so darzustellen, wie sie es will. Doch klar ist: Diese Leute töten für die Interessen der Herrschenden, und die stehen im Widerspruch zu unseren. Diese Normalisierung der Gewalt der Herrschenden wollen wir nicht, denn diese richtet sich hauptsächlich gegen die Ausgebeuteten und Unterdrückten.

Wir müssen uns auch bundesweit als Schüler:innen zusammentun, um alles Mögliche gegen eine Wehrpflicht zu unternehmen. Das kann zum Beispiel ein bundesweiter Schulstreik sein – oder auch bundesweite Schulbesetzungen. Dabei darf die lokale Organisierung an der Schule aber nicht leiden, sie ist Vorbedingung für einen erfolgreichen Kampf!

Deutschland angreifen!

Wenn eine Wehrpflicht trotzdem kommt, reicht es nicht, einfach nur zu verweigern. Ein solcher Pazifismus, der nicht die Notwendigkeit aufzeigt, den Krieg aktiv zu bekämpfen, bringt uns dem Frieden kein Stück näher. Selbst wenn niemand freiwillig in den Krieg zieht, würden sie uns eben zwingen. Krieg passiert nicht einfach – es gibt Leute, die ihn wollen. Die Herrschenden verdienen an unserem Sterben. Also klammern sie sich an unser Sterben – denn nicht wir entscheiden, sondern der Profit. Es braucht also mehr als reines Verweigern. Unser Kampf gegen die Wehrpflicht muss auch ein Kampf gegen die Herrschenden sein. Das müssen wir immer wieder klarmachen.

Wir müssen uns auch an die Jugend an der Front wenden – gerade dort wird ein Großteil der Jugend landen. Und nirgendwo sonst kann man der Jugend so konkret zeigen, warum eine Wehrpflicht scheiße ist. Es ist unsere Aufgabe, an der Front nicht für, sondern gegen die Herrschenden zu kämpfen. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass man massenhaft Befehle verweigert – und damit den Krieg aktiv sabotiert.

Auch in Zeiten, in denen die Waffen nicht zwischen Nationen sprechen und es in der Tagesschau heißt, es sei „Frieden“, kann es im Falle einer Wehrpflicht sinnvoll sein, sich einziehen zu lassen. Denn wieder wird ein Großteil der Jugend im Pflichtlager zum Töten gedrillt. Und genauso wie in Kriegszeiten muss man zeigen: Die Strukturen der Bundeswehr wollen uns Jugendlichen nichts Gutes. Sie dienen den Herrschenden und nicht uns. Also müssen wir sie bekämpfen wie die Herrschenden. Es braucht also im Falle einer Wehrpflicht Revolutionäre auch im Militär – um Jugendliche dort zu organisieren gegen das Militär und die Herrschenden.

Es ist davon auszugehen, dass Revolutionäre im Militär mit Repressionen überzogen werden. Im Kriegsfall kann Befehlsverweigerung wahrscheinlich sogar mit Erschießung bestraft werden. Deshalb muss Arbeit im Militär immer mit Bedacht passieren und das Ziel immer eine Massenaktion sein. Diese hohen Repressionen zeigen aber auch, dass dort eine extrem empfindliche Stelle Deutschlands liegt. Und genau diese Stelle können wir treffen – wenn wir gemeinsam die Waffen umdrehen.

Gleichzeitig müssen wir verstehen: Der Zugang zu militärischer Ausbildung und Waffen kann auch für uns nützlich sein. Was es braucht, ist nicht ein Militär – sondern Organe zur Selbstverteidigung.
Diese müssen in Betrieben, Schulen und Unis gebildet und demokratisch aufgebaut werden. Doch sie brauchen auch Erfahrung in militärischer Verteidigung. Denn Polizei und Militär greifen nur zu gern Besetzungen und Streiks an, wenn diese zu gefährlich für die Herrschenden werden. Diese Angriffe müssen unterbunden werden können.

Klar muss aber auch sein: Befehlsverweigerung und Umnutzung von Waffen dürfen keine individuellen Prozesse sein. Revolutionäre müssen den an die Waffe Gezwungenen systematisch aufzeigen, dass sie sich wehren müssen – und wie sie das tun können. Systematisch heißt: massenhaft. Das muss also auch eine Aufgabe der Massenorganisationen der Arbeiter:innenklasse sein – zum Beispiel von Parteien wie der Linken. Es braucht einen gemeinsamen Kampf aller, die im Militär die Interessen der Arbeiter:innen vertreten, um dieses Militär zu Fall zu bringen. Wir dürfen nicht beim Pazifismus stehenbleiben, sondern müssen klarmachen: Den Krieg stoppen wir nur, wenn wir gegen ihn kämpfen. Der einzige Weg, einen Krieg zu beenden, ist, diejenigen zu stürzen, die ihn wollen.




My Body, My Future: Jugendliche müssen abtreiben dürfen!

Von Blue, August 2025

Stell dir vor, du bist 16 Jahre alt und stehst kurz vor deinem Abschluss. Die kommenden Jahre hast du schon durchgeplant: Ausbildung, Studium oder Work & Travel, von Zuhause ausziehen, endlich auf eigenen Beinen stehen. Doch plötzlich der Schock: Du bist ungewollt schwanger. Sofort schießen dir tausend Fragen durch den Kopf: Will ich überhaupt ein Kind? Wie soll ich das finanzieren ohne Abschluss? Was wird aus meinen Zukunftsplänen? Was wenn es meine Eltern oder Mitschüler:innen erfahren? Darf ich überhaupt schon abtreiben?

Solche Situationen sind alles andere als Ausnahmen. Laut Forum Sexualaufklärung und Familienplanung sind über 50% der Schwangerschaften unter 20 Jahren ungewollt, und das betrifft jährlich rund 13.000 junge Frauen in Deutschland. Und selbst wenn man nicht unmittelbar betroffen ist, werden die meisten irgendwann mal die Erfahrung machen, ebenso sehr zu verzweifeln, wenn die Periode zu spät kommt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die rechtliche Lage in Deutschland und erklärt, warum unkomplizierte Zugänge zu Abtreibungen überlebenswichtig ist. Und zwar vor allem für Jugendliche!

Darf ich überhaupt abtreiben?

In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nach §218 des Strafgesetzbuches immer noch offiziell eine Straftat. Er bleibt aber unter bestimmten Bedingungen straffrei, wenn …

… vorher eine verpflichtende Beratung bei einer anerkannten Stelle erfolgt ist,

… nach der Beratung eine Wartezeit von mindestens drei Tagen bis zur Entscheidung eingehalten wurde,

… und wenn der Abbruch spätestens bis zur zwölften Schwangerschaftswoche durchgeführt wird.

Die ehemalige Regierung aus SPD, Grünen und FDP hatte angekündigt, §218 grundlegend zu überprüfen und möglicherweise zu streichen. Das würde bedeuten, dass Abtreibungen rechtlich nicht mehr als Straftat behandelt werden. Doch konservative Kräfte – allen voran CDU/CSU – stellen sich entschieden gegen solche Reformen. Jens Spahn, CDU-Fraktionsvorsitzender, sprach sich mehrfach öffentlich gegen liberalere Regelungen aus und wollte sogar Studien in Auftrag geben, die psychische Schäden durch Abtreibungen „beweisen“ sollten – trotzdem zeigt die fünfjährige Turnaway-Studie mit 956 Teilnehmerinnen, dass 95 % der Frauen auch nach Jahren überzeugt sind, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Der mittlerweile abgeschaffte §219a – das sogenannte „Werbeverbot“ für Ärzt:innen – hat lange verhindert, dass Ärztinnen öffentlich über Abtreibungen informieren durften. Auch wenn das Gesetz gestrichen wurde, herrscht in vielen Praxen weiterhin Unsicherheit. Viele Mediziner:innen haben Angst vor Angriffen oder Rufschädigung und informieren deshalb kaum öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche. Für Jugendliche bedeutet das: Sie finden schwer verlässliche Informationen – obwohl sie diese am dringendsten bräuchten.

Was bedeutet das für Jugendliche konkret?

Für Jugendliche ist die Situation besonders belastend, da die Regelungen uneindeutig sind!

Grundsätzlich gilt: Ein Mindestalter für eine Abtreibung gibt es nicht. Auch Minderjährige unter 18 Jahren haben die Möglichkeit, eine Schwangerschaft abbrechen zu lassen. Entscheidend ist dabei die „Einwilligungsfähigkeit“ der Betroffenen. Einwilligungsfähig bedeutet, dass die Reife und notwendige Einsichtsfähigkeit in die körperliche und mögliche psychische Tragweite eines Schwangerschaftsabbruchs gegeben sind. Dabei werden Jugendliche über 16 in der Regel als einwilligungsfähig eingeschätzt, bei unter 16-Jährigen kann es aber sein, dass die Ärzt:innen die Zustimmung der Eltern verlangen.

Das Problem hieran ist, dass diese Einschätzung von Menschen vorgenommen wird, die die Betroffenen nicht wirklich kennen und nur auf Basis eines Gesprächs eine Einschätzung abgeben. Für manche Betroffenen ist es aber keine Option, sich ihren Eltern anzuvertrauen und im schlimmsten Fall geben sie ihre Zustimmung nicht und zwingen ihre Kinder, ungewollt ein Kind zur Welt zu bringen.

Auch Aufklärung in Schulen ist oft ungenügend oder moralisch gefärbt. Jugendliche wissen oft gar nicht, wohin sie sich wenden können – oder schämen sich so sehr, dass sie gar nicht erst Hilfe suchen.

Psychische und physische Belastung

Die Gesellschaft vermittelt Jugendlichen oft ein Gefühl von Scham, Schuld oder sogar Isolation, da frühe Schwangerschaften immer noch verpönt sind: Sowas komme nur in „schlechten Familien“ vor und sowieso sei man ja „selbst schuld“, wenn man schon Sex hat. Noch schlimmer, wenn die eigenen Eltern eigentlich dagegen sind, dass man überhaupt schon Sex hat, was (bezogen auf Mädchen) bei einem Viertel der Eltern in Deutschland der Fall ist. Diese Erfahrungen können Betroffene in schwere psychische und emotionale Krisen stürzen. Scham und emotionaler Druck führt nicht selten dazu, dass eine Schwangerschaft erst viel zu spät erkannt wird und es dann möglicherweise rechtlich zu spät ist, noch eine legale Abtreibung durchzuführen.

Wird der legale Zugriff verwehrt, greifen jährlich schätzungsweise 3 Millionen Mädchen im Alter von 15 – 19 Jahren auf der ganzen Welt zu unsicheren Abtreibungsmöglichkeiten. Ein Beispiel: Manche Jugendliche versuchen eine Selbstabtreibung mit Medikamenten, die sie online bestellen, und zwar dann ohne ärztliche Kontrolle. Andere verwenden gefährliche Gegenstände, um einen Abbruch selbst herbeizuführen. Diese Methoden können durch starke Blutungen, Infektionen oder dauerhafte Schäden lebensbedrohlich sein. Das passiert vor allem dort, wo legale Zugänge fehlen oder junge Menschen glauben, sie hätten keine andere Wahl.

Soziale und wirtschaftliche Folgen

Wer jung ein Kind bekommt, steht vor großen Herausforderungen. Viele junge Schwangere müssen die Schule oder Ausbildung abbrechen, weil Betreuung fehlt. Häufig lehnen Eltern jede Hilfe ab oder setzen ihre Kinder unter Druck, das Kind zu bekommen (oder eben abzutreiben) ganz nach ihren Vorstellungen.

Jugendliche sind fast immer finanziell abhängig. Ohne eigenes Einkommen muss man sich auf der mehr als dürftige staatliche Hilfssystem verlassen. Frühe Elternschaft kann dazu führen, dass Lebenspläne komplett aufgegeben werden müssen. Das Risiko für Arbeitslosigkeit, soziale Ausgrenzung und langfristige Perspektivlosigkeit steigt um ein Vielfaches. Teenagermütter verlassen beispielsweise doppelt so häufig die Schule ohne Abschluss wie ihre Altersgenossinnen. Unter solchen Verhältnissen ist der Weg zu einem einigermaßen selbstbestimmten Weg unvorstellbar.

Unsere Körper gehören uns!

Diese Hürden sind kein Zufall. Sie passen zu einem System, das Frauen in klassische Geschlechterrollen als Mütter und Hausfrauen zwingen will, da sie so Sorgearbeit kostenlos im Rahmen ihrer Familie leisten und diese nicht von den Kapitalist:innen finanziert werden muss. Gleichzeitig sorgen sie damit für einen konstanten Nachschub an zukünftigen Arbeitskräften, die dann von diesen ausgebeutet werden können. Gerade konservative bis offene rechte Kräfte, die im momentanen Rechtsruck immer stärker werden, verbreiten ein solch unterdrückerisches Frauenbild. Es gibt zwar auch liberalere bürgerliche Kräfte, die halbherzig das Recht auf Abtreibung verteidigen, aber nur selten die ökonomische Dimension beachten: Finanzielle Unabhängigkeit von Familie und Partner, ein ausfinanziertes Hilfssystem und kostenlose Gesundheitsversorgung!

Wir fordern also das Recht, selbst über unsere Körper zu entscheiden – unabhängig davon, wie alt wir sind. Schwangerschaftsabbruch darf keine Frage von Geld, Angst oder Zustimmung sein. Es muss ein Recht sein, und zwar für alle!

Deshalb fordern wir:

            •          Kostenloser Zugang zu Beratung, Verhütung und Abtreibung!

            •          Keine Zustimmung der Eltern für Abtreibung oder „Pille danach“!

            •          Ärzt:innen müssen offen informieren dürfen!

            •          Mehr Hilfsangebote: Mutter-Kind-Häuser, anonyme Beratung, Schutzräume, finanzielle Unterstützung!

            •          Aufklärung an Schulen, die informiert statt zu verurteilen!

            •          Abschaffung aller Gesetze, die unsere Selbstbestimmung einschränken!

            •          Weg mit dem Druck, sich dem Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie zu beugen! Für eine Welt ohne unterdrückerische Geschlechterrollen und für die Vergesellschaftung von Haus- und Sorgearbeit!




Von „Differenziertheit“ zu Diffamierung – Kritik am Statement der Linksjugend [’solid]

von Urs Hecker, Juni 2025 – 9 Minuten Lesezeit

Die Linksjugend Solid bzw. ihr Bundessprecher:innenrat hat am 31.05 ein Statement auf ihrem Instagram-Kanal hochgeladen, in welchem sie der Palästinasolidaritätsbewegung in Deutschland strukturellen Antisemitismus unterstellt. Dabei wird – in für die deutsche Öffentlichkeit typischer Manier – keine Trennlinie zwischen „Israelhass“, Antizionismus und Antisemitismus gezogen. Anlass zum Statement war das Attentat auf zwei Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft in Washington D.C., von dem die Linksjugend Solid eine direkte Verbindung zu Parolen der Palästinasolidaritätsbewegung in „deutschen Großstädten“ zieht. Damit ist sie nicht nur klar auf Linie der deutschen Staatsräson, sie fungiert auch als Stichwortgeber von „Links“, um die Repression, welche die Palästinasolidarität aktuell massiv „in deutschen Großstädten“ erfährt, zu rechtfertigen.

Im Folgenden wollen wir uns das Statement genauer anschauen und zum einem herausarbeiten, wie gegen diese Haltung eine Opposition in der Solid aufgebaut werden könnte, und zum anderen wie sich Revolutionär:innen überhaupt gegenüber der Palästinasolidaritätsbewegung verhalten sollten.

Antizionismus oder Antisemitismus

Durch das gesamte Statement zieht sich eine Argumentationslinie in der Antizionismus, also Opposition zu Israel als siedlerkoloniales Projekt, und Antisemitismus mit einander vermischt oder in Eins gesetzt werden. Von Beginn an wird „Hass auf Israel und auf Zionist: innen“ mit Antisemitismus und antisemitischer Gewalt in Verbindung gebracht. Parolen wie „Globalize the Intifada“ und „Zionists not welcome“, welche auf Demos gerufen oder an Universitäten geschmiert werden, seien Ausdruck eines „antisemitischen Vernichtungswahns“, da die Aktivist:innen Israel und Zionist:innen als weltbeherrschend und per se als „das Böse“ ansehen würden. Solche Parolen seien sogar mittelbar für das Attentat in Washington und antisemitischer Gewalt verantwortlich.

Parolen wie „Globalize the Intifada“ oder“ Zionist not welcome“ und Antizionismus im Allgemeinen sind natürlich nicht antisemitisch, da Jüd:innen und Israel eben nicht identisch sind. Vielmehr fördert diese Vermischung der Begriffe gerade Antisemitismus und macht Jüd:innen allgemein für die Verbrechen Israels mitverantwortlich. Dass der zionistische Apartheidsstaat, der aktuell einen Genozid ausübt, gehasst und als Feind wahrgenommen wird, ist völlig richtig und legitim. Ebenso wie der Kampf gegen die Imperialist:innen, welche ihn außenpolitisch unterstützen und für ihre Interessen einsetzen.

Mit ihrer Argumentation reiht sich die Solid in die Propaganda ein, dass der Zionismus tatsächlich mit dem jüdischen Volk und Glauben identisch sei und Angriffe auf den Zionismus antisemitisch seien. Nicht nur das, auch für die deutsche rassistische Medienlandschaft und Politik, die seit jeher die Palästinasolidaritätsbewegung als antisemitisch diffamieren, um so die Repression zu rechtfertigen, liefert die Linksjugend Argumentationshilfe von „Links“. Neben Springer und Tagesschau redet jetzt auch die Linksjugend Solid von angeblich strukturell antisemitischen Demonstrationen in deutschen Großstädten, die für Attentate wie das in Washington verantwortlich seien.

Auch wenn man in Lippenbekenntnis die Gewalt Israels verurteilt, hilft man so objektiv der staatlichen und rassistischen Repression und Hetze gegen die Palästinasolidaritätsbewegung. Das alles vor dem Hintergrund des Genozids entbehrt jeglicher „Differenziertheit“.

Zum Attentat in D.C.

Als Anlass für diese Diffamierungen nimmt sich die Solid das Attentat in Washington D.C.
Der Attentäter fuhr hier von Chicago nach Washington um eine Veranstaltung für israelische Diplomat:innen auszukundschaften und daraufhin anzugreifen. Dabei tötete er zwei Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft. Das Attentat in Washington war also nicht antisemitisch, da der Täter gezielt Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft und nicht Jüd:innen per se angriff. Auch sollte hier erwähnt werden, dass eins der Opfer nicht jüdisch war.

Das Attentat stellt auch keine „Zäsur“ dar, wie die Solid behauptet, in einem Genozid, in dem Israel über 70.000 Menschen direkt ermordet hat, Hunderttausende vom Hungertod durch die israelische Blockade bedroht sind und Millionen vertrieben werden, stellt die Ermordung zweier Mitarbeiter:innen dieses Staates sicher kein neues Level an Gewalt und Verrohung dar.

Trotzdem lehnen wir den Anschlag ab. Terrorismus und Attentate liefern keine Perspektive für einen effektiven Kampf gegen Unterdrückung und haben in der Geschichte entsprechende Bewegungen geschwächt. Nur die gemeinsame bewusste Aktion der Arbeiter:innen und Unterdrückten in Palästina und im restlichen Nahen Osten, unterstützt durch die Arbeiter:innenklasse in den imperialistischen Zentren können den zionistischen Apartheidsstaat und den ihn stützenden Imperialismus bezwingen. Keine noch so entschlossene und radikale Einzelaktion kann hier eine Abkürzung liefern. Stattdessen fungieren sie als Rechtfertigung für die Repression, verbrennen die entschlossensten Aktivist:innen und führt die Bewegung in eine Sackgasse.

Dieser individuelle Aktionismus und Terrorismus ist dabei oft Ausdruck der Marginalisierung und Perspektivlosigkeit einer Bewegung in der Aktivist:innen aber unbedingt und zurecht etwas verändern wollen. Genau hier könnte die Solid ansetzen und zusammen mit der Anbindung an breitere Teile der Jugend und Arbeiter:innenklasse eine linke Perspektive für die Bewegung aufwerfen. Sie reiht sich, wie oben erwähnt, aber lieber mit Springer und dem deutschen Staat ein, um der Bewegung an sich Antisemitismus vorzuwerfen.

Palästinasoli und Antisemitismus

Wenn man tatsächlich der Palästinasolidaritätsbewegung teilnimmt und die Statements der verschiedenen Akteur:innen verfolgt, ist klar, dass diese zwar ein Sammelbecken von verschiedenen (klein-)bürgerlichen Ideologien (Nationalismus, Postkolonialismus, Islamismus) und einigen revolutionär auftretenden Kräften ist, in der Mehrheit aber klar nicht antisemitisch ist. Hass auf Israel und den Zionismus ist dabei natürlich weit verbreitet, aber auch angesichts von Generationen andauernder Unterdrückung, Vertreibung und Genozid mehr als gerechtfertigt. Wenn Antisemitismus in der Bewegung auftaucht, dann meistens aus berechtigtem Hass auf den Unterdrücker Israel, welcher dann aber falscher Weise mit Jüd:innen insgesamt in Verbindung gebracht wird. Das ist genau der gegensätzliche Zusammenhang zu Nazis, die aufgrund ihres Antisemitismus vorgeben, Palästina zu unterstützen. Dass der Antisemitismus überhaupt in der Lage ist, in der Bewegung Raum zu finden, liegt auch an der Dominanz der verschiedenen bürgerlichen Ideologien in der Palästinasolidaritätsbewegung, die nicht in der Lage sind, die Unterdrückung durch Israel in die Totalität des imperialistischen Weltsystems einzufügen. Das macht den Antisemitismus nicht weniger gefährlich, natürlich in erster Linie für Jüd:innen, aber auch für den Kampf gegen den Genozid. Zu wissen, wie er entsteht, ist dabei eine notwendige Voraussetzung, um ihn überhaupt bekämpfen zu können.

Er ist zumindest nicht so zu bekämpfen, indem man der Palästinasolidaritätsbewegung und dem Widerstand grundsätzlich die Solidarität entzieht. Der Kampf gegen Unterdrückung, Besatzung und Genozid ist gerechtfertigt und notwendig. Von dem Standpunkt der bedingungslosen Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand kann über die Ursachen der Unterdrückung, der westlichen Unterstützung und über Perspektiven im Kampf diskutiert werden. Hier kann die Einordnung ins imperialistische Weltsystem erfolgen und dabei stets die falsche Gleichsetzung von Judentum und Zionismus aufgezeigt werden. Die Linksjugend macht das genaue Gegenteil, indem sie diese falsche Gleichsetzung reproduziert, um sie gegen die Palästinasolidaritätsbewegung zu richten. Damit hilft sie nicht nur der Repression gegen die Palästinasolidarität, sondern stärkt auch antisemitische Sichtweisen in ihr.

Aufgabe Linker Kräfte

Die Aufgabe linker Kräfte im Verhältnis zur Palästinasolidaritätsbewegung ist also eine fundamental andere. Als erstes muss uns klar sein, dass es eben nicht unsere Aufgabe ist, besonders „differenziert“ von außen zuzuschauen und dabei die Aktionen der einzelnen Akteur:innen isoliert nach moralischen Maßstäben hier in Deutschland zu bewerten. Für uns muss klar sein, dass der Gewalt in Palästina ein Unterdrückungsverhältnis zu Grunde liegt, welches im imperialistischen Weltsystem und konkret im Siedlerkolonialstaat Israel begründet ist. Alle Gewalt rührt letztendlich aus diesem Unterdrückungsverhältnis. Zusätzlich sei noch die Asymmetrie im Kräfteverhältnis zwischen der Atommacht Israel plus ihrer imperialistischen Unterstützer:innen und dem palästinensischen Widerstand erwähnt und der damit verbundenen Möglichkeit, Gewalt auszuüben. Es ist Israel, das de facto einen Genozid ausübt, es ist Israel, das vernichtet.

Aus diesem Verständnis folgt, dass wir klar Stellung beziehen auf der Seite der Unterdrückten, der Palästinenser:innen. Dass wir ihr Recht auf Widerstand anerkennen, ohne diese Unterstützung dabei von der moralischen Bewertung einzelner Aktionen oder Gruppen abhängig zu machen. Diese Intervention muss aber auch erfolgen! Zum einem im Praktischen, indem wir im Rahmen unserer Kräfte Aktionen durchführen und unterstützen und so einen Beitrag zur Bewegung leisten, aber auch im Theoretischen, um die Unterdrückung im imperialistischen Weltsystem einordnen zu können und so den Weg zu ihrer Überwindung zu finden. Dabei müssen wir auch die verschiedenen bürgerlichen Ideologien, die im Widerstand und der Solidaritätsbewegung vorhanden sind, kritisieren und ihre Dominanz herausfordern. Es ist deshalb auch wichtig, Kritik an der HAMAS und ihrer fehlgeleiteten Strategie zur Befreiung Palästinas anzubringen, allerdings immer auf der Grundlage der grundsätzlichen Unterstützung des palästinensischen Widerstands.

Unser Ziel ist es also möglichst breit im Widerstand gegen den Zionismus und Imperialismus zusammenzuarbeiten. Dabei müssen wir aber gleichzeitig unsere politische und organisatorische Unabhängigkeit bewahren, um nicht unseren Klassenstandpunkt unter die verschiedenen bürgerlichen Akteure unterzuordnen. Deswegen fordern wir die antiimperialistische Einheitsfront, also die Aktionseinheit aller Kräfte, die sich gegen den zionistischen Apartheidstaat und den Imperialismus stellen, bei gleichzeitiger Freiheit der Kritik an- und untereinander.

Opposition in der Solid

Dass die Führung der Solid sich hier so opportunistisch zeigt, ist kein Zufall, sondern unter anderem Ausdruck des ideologischen Einflusses durch die Bürokratie der Linkspartei.
Dieser Einfluss führt dazu, dass die Solid, obwohl sie selbst weniger bürokratisch geprägt ist als die Linkspartei, ihr opportunistisches Schwanken zu Palästina und ihr reformistisches Programm mitträgt.

Gegen das Statement der Solid-Leitung haben verschiedene Landesverbände, Basisgruppen und der BAK-Klassenkampf Kritik veröffentlicht. Das begrüßen wir ausdrücklich und spricht sicher hunderten Genoss:innen in der Solid aus der Seele, die die Diffamierung der Palästinabewegung und die Vermischung von Antizionismus und Antisemitismus nicht mittragen wollen. Diese haben auch zahlreich Luft in der Kommentarspalte verschafft, bis sie dann geschlossen wurde. Diese Kritik ist wichtig! Zu sagen, was ist, ist immer noch die revolutionärste Tat.

Es aber auch notwendig, dem einen organisatorischen und programmatischen Ausdruck zu geben. Dazu ist es sinnvoll, sich innerhalb der Solid zu einer revolutionären Fraktion zusammenzuschließen. Das ist notwendig, um nicht nur zufällig im organisationsinternen Kampf einmal auf der einen und einmal auf der anderen Seite zu stehen, sondern um die Kräfte zu bündeln, gemeinsam zu intervenieren und einen echten inhaltlich/programmatischen Pol in der Solid bilden zu können.
Diese Fraktion muss darum kämpfen, den Opportunist:innen die Führung der Solid zu entziehen, dabei wird die Frage zum Verhältnis zur Palästinasolidaritätsbewegung eine entscheidende Rolle spielen.

Wenn ihr Mitglied bei der Linksjugend seid und unsere Kritik teilt oder auch als Basisgruppe dem zustimmt, dann kommt auf uns zu (schreibt uns einfach eine DM) und lasst uns darüber diskutieren, wie diese notwendigen Schritte im Verband gegangen werden können, um Diffamierung und Opportunismus entschlossen entgegenzutreten und die Linksjugend zu einer Kraft zu machen, welche reale Veränderung erkämpfen kann!

Hier könnt ihr den Beitrag der Linksjugend [’solid] nachlesen: https://www.instagram.com/p/DKRHaTUt62h/?img_index=1




Kann die Linkspartei den Rechtsruck aufhalten?

von Jona Everdeen, April 2025 – Lesezeit: 8 Minuten

In einem unglaublichen Comeback ist die Partei die Linke innerhalb eines halben Jahres von Umfragewerten bei ungefähr drei Prozent auf ein Wahlergebnis von fast 9 Prozent geklettert. In der gleichen Zeit hat sie ihre Mitgliederzahlen auf inzwischen über 100.000 (Rekord in der Parteigeschichte) verdoppelt. Dieser Aufstieg der Linken, die zuvor in einer tiefen Krise steckte, zeigt den Wunsch vieler, große Teile davon Jugendliche und junge Arbeiter:innen, nach einer echten Alternative zum Rechtsruck. Doch wie kann „die Linke“, deren innere Widersprüche sicher nicht überwunden sind, tatsächlich den Erwartungen an sie gerecht werden und eine entschlossene Kraft gegen den Rechtsruck bilden?

Kampf gegen Rechtsruck heißt Kampf gegen Krise!

Zuerst einmal muss, was die Partei im Wahlkampf zumindest teilweise gemacht hat, die Verbindung gezogen werden zwischen der Krise und dem Rechtsruck. So machte die Linke deutlich, dass für den Aufschwung der AfD die jüngsten Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen verantwortlich sind. Allerdings begründet die Linke das auf eine recht schematische Art und Weise. So würden Menschen, denen es ökonomisch schlecht geht, leicht empfänglich werden für rechte Propaganda, wenn jedoch eine linke Partei ihre Lebensbedingungen verbessere, sich davon wieder abwenden. Entsprechend auch ihr Wahlprogramm, das sehr ambitionierte Reformforderungen aufwirft, Forderungen, die wenn sie restlos umgesetzt werden würden, tatsächlich die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen enorm verbessern würden! Forderungen für die wir einen Kampf jederzeit unterstützen würden! Doch genau hier kommt es zum Knackpunkt, denn wie diese Forderungen zu erreichen sind, weiß die Partei „die Linke“ bisher nicht. In einer Regierungskoalition mit SPD und Grünen 2029 und mit Heidi Reichinnek als Kanzlerin, wird das sicher nicht passieren. Eine andere Perspektive hat die Partei „die Linke“ nicht, da ihr, wie für reformistische Parteien üblich, das Verständnis fehlt, wie man mit einer proletarischen Massenbewegung auf der Straße Siege erringen kann.

Nach dem Wahlkampf kommt der Straßenkampf!

Was es zunächst braucht, ist die Erkenntnis, dass der Wahlkampf nur eine Bühne ist für den eigentlichen politischen Kampf, der woanders geführt wird: Auf der Straße, in den Betrieben, in den Schulen und Universitäten! Positiv hervorzuheben sind bereits zweierlei Dinge: 1. Die Organisierung von Studis gegen Rechts an Universitäten und 2. Die Unterstützung von Streikposten in der Tarifrunde Öffentlicher Dienst (TVöD) durch Aktivist:innen und Mitglieder der Linken! Doch das kann nur der Anfang sein. So muss Studis gegen Rechts aufhören, bloß eine Plattform für Großmobilisierungen und den Wahlkampf zu sein und beginnen, aktiv auch an den Unis selber zu kämpfen. Und so braucht es auch ähnliche Strukturen an den Schulen und in den Betrieben. Es muss klar sein, dass der Kampf in erster Linie dort beginnt, wo uns das System zwingt, uns täglich aufzuhalten, wo unser Platz in diesem System ist. Denn dort befindet sich auch unser Hebel, dieses System herauszufordern!

Während es sehr lobenswert ist, dass die Linke die Streiks der Beschäftigten unterstützt, darf es nicht bloß bei rein symbolischer Solidarität bleiben. Die Linke muss ganz aktiv den ökonomischen Kampf der Arbeiter:innen verbinden mit politischen Forderungen, ihn zu einem politischen Kampf gegen die Kürzungen machen, muss dabei aufzeigen, dass nicht Migrant:innen für das Elend der deutschen Arbeiter:innen verantwortlich sind, sondern die deutsche Bourgeoisie und dass deutsche Arbeiter:innen Verbesserungen nur gemeinsam mit ihren migrantischen Kolleg:innen erkämpfen können! Und sie muss sich selber dafür einsetzen, ein Gegengewicht in den Gewerkschaften zu etablieren zur falschen Politik der Sozialpartner:innenschaft, die von der SPD-nahen Gewerkschaftsführung betrieben wird und immer wieder zum Verrat an den Beschäftigten und ihrem Kampf führt. Die Linke muss sich im Zuge ihrer Streiksolidarität aktiv gegen diesen Verrat stellen, und für eine Kontrolle der Tarifverhandlungen durch die Streikenden selber eintreten!

Ebenfalls muss sie aktiv die Kämpfe der Streikenden für mehr Lohn, gegen Entlassungen und für bessere Arbeitsbedingungen verbinden mit dem Kampf gegen Kürzungen, gegen den Rechtsruck, gegen Rassismus und den Kolleg:innen aufzeigen, warum diese miteinander verbunden sind. Letztendlich ist es die Aufgabe der Linken, dafür einzutreten, dass die Arbeiter:innen die verknöcherten Gewerkschaften umbauen zu ihren demokratisch kontrollierten Kampforganen gegen die Bourgeoisie. Und im Zuge davon den politischen Streik, im Betrieb sowie in Schule und Universität, als Kampfmittel Nummer 1 auf die Tagesordnung zu setzen!

Umverteilung reicht nicht – Das System ist das Problem!

Große Teile der Partei „die Linke“ haben erkannt, dass der Rechtsruck nur dann gestoppt werden kann, wenn es stattdessen eine linke Antwort auf die Krise gibt. Da stimmen wir zu und halten die Haltung der Linkspartei für richtig, dass die Wohnungsfrage zur Zeit eines der größten materiellen Probleme unserer Klasse darstellt. Allerdings reicht ein bundesweiter Mietendeckel genauso wenig, wie es der Berliner Mietendeckel getan hat! Stattdessen müssen Vonovia und Co. enteignet werden, und zwar im ganzen Land! Die Wohnungen müssen unter Kontrolle der Mieter:innen und Arbeiter:innen verstaatlicht werden! Das ist eine Forderung, wie sie eine starke proletarische Antwort bräuchte. Die Linkspartei schafft es aber nicht, eine kämpfende Bewegung von Arbeiter:innen und Unterdrückten aufzubauen, um schlagkräftig gegen Kürzungen und den immer stärker werdenden Rassismus anzukämpfen, somit fehlt eine linke kämpfende Massenbewegung und eine Führung innerhalb der Arbeiter:innenklasse.

Letztendlich setzt sie auf eine einfache Lösung: sozialstaatliche Umverteilung – und verkennt damit den eigentlichen Charakter der Krise. Diese liegt tief im kapitalistischen System selber, und fußt auf einer Überakkumulationskrise und dadurch verursachter sinkender Profitrate für die Kapitalist:innen. Einfach gesagt: das Kapital, das die Kapitalist:innen investieren, rentiert sich immer weniger. Entsprechend greift die Bourgeoisie nicht aufgrund einer besonders gierigen, einer besonders falschen, neoliberalen Doktrin die Arbeiter:innen an, sondern weil sie das tatsächlich aus ihrem Standpunkt heraus muss, um weiter profitabel zu sein. Gleichzeitig hat die Kapitalist:innen-Klasse de facto wenig Möglichkeiten für Zugeständnisse, weshalb auch eine linkskeynesianische (Kapitalismus mit großer staatlicher Intervention in den Markt) Politik massiver Sozialreformen, wie sie „die Linke“ fordert, zum Scheitern verurteilt ist. Denn wir haben immer wieder in der Geschichte gesehen, dass in Krisen und Kriegen, diese als erstes wieder zurückgenommen werden. So ist es auch heute nicht verwunderlich, aber bestürzend, dass die kommende Koalition den 8-Stunden-Tag aushöhlen will.

Auch wenn die Reformforderungen der Linken grundsätzlich einen guten Charakter haben und Folge richtiger Erkenntnisse sind, bekämpfen sie nur die Symptome des Problems, nicht aber seine Wurzel und sind somit zum Scheitern verurteilt. Die einzige Möglichkeit, wie man gravierende Verbesserungen für das Proletariat, für die Jugend, für alle Ausgebeuteten und Unterdrückten erkämpfen kann, ist, indem man das System selber in Frage stellt! Indem man dafür kämpft, dass die Produktion nicht mehr bestimmt wird durch die Interessen von Kapitalist:innen, sondern durch die Arbeiter:innen selber! Nur wenn wir eine solche Perspektive aufzeigen, die die Massen dazu bewegt, das Problem an der Wurzel zu packen und auszureißen, können wir eine linke Gegenoffensive starten, die den Rechtsruck zu einem hässlichen blau-brauen Vogelschiss der Geschichte macht!

Auf diesen Staat ist kein Verlass!

Doch während wir den Rechtsruck politisch bekämpfen müssen, in dem wir seine Ursachen bekämpfen, stellt sich auch die Frage, wie wir uns gegen rechte Gewalt schützen können. So wurde unser Genosse Leon von Faschisten angegriffen, als Reaktion darauf, dass er linke Organisation in seiner Schule aufbaut. Und auch Mitglieder der Partei „die Linke“ wurden immer wieder Opfer rechter Gewalt. Doch während Linke, wie Lina E. oder die Beschuldigten im Budapest Verfahren, mit hohen Haftstrafen rechnen müssen, kommen Faschist:innen meist im schlimmsten Fall mit einer Bewährungsstrafe davon. Das hat Gründe, die deutlich tiefer gehen als bloß, dass viele Polizist:innen selber ein extrem reaktionäres Weltbild teilen. Die Aufgabe des bürgerlichen Staates ist nämlich nicht der Schutz der „Demokratie“ oder gar der Bevölkerung, sondern der kapitalistischen Ordnung. Und für diese stellen Rechte keine Bedrohung dar. Im Gegenteil! Wenn die herrschende Ordnung in ernsthafter Gefahr ist, können sie als bewaffnete Terrorbande sehr nützlich sein. So die Freikorps, die mit aktiver Unterstützung des deutschen Staates Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten, und in den folgenden Jahren tausende Arbeiter:innen und Linke massakrierten. Oder auch die SA-Schlägerbanden, gegen die der Weimarer Staat nichts ernsthaft unternahm und die nach Hitlers Machtergreifung teils in den Staatsapparat integriert wurden. Die aktuelle Welle rechter Gewalt mag noch weit von Freikorps oder SA entfernt sein, allerdings zeigt sie uns bereits jetzt eines: Auf den Staat ist überhaupt kein Verlass.

Doch wenn der Staat uns nicht schützt, müssen wir uns selber schützen! Wir müssen selber Strukturen schaffen, um uns, unsere Genoss:innen sowie andere Opfer rechter Gewalt wie Migrant:innen, Queers oder Juden:Jüdinnen und Muslim:innen, vor dem Terror zu schützen. Es ist nötig, dass wir in unseren Kiezen, Städten und Dörfern sowie in den Betrieben, Schulen und Universitäten Strukturen schaffen, die in der Lage sind, sich den faschistischen Banden entgegenzustellen! Dafür muss die Partei „die Linke“, die selber mit am meisten von rechter Gewalt betroffen ist, aktiv ihre Mitgliederbasis mobilisieren und sich dafür in Gewerkschaften, Mieter:innenorganisationen etc. einsetzen! Auch muss das verbunden werden mit der Schaffung sozialer Angebote vor allem für Jugendliche, um zu verhindern, dass sich Nazibanden wie 3.Weg oder „Deutsche Jugend Voran“ Elend und Perspektivlosigkeit zu Nutze machen können! Die Aufgabe der Linkspartei sollte es jetzt sein, ihre zahlreichen (neuen) Mitglieder auf einer Aktionskonferenz gegen den Rechtsruck mit den oben beschriebenen Strukturen in Unis, Schulen und Betrieben und anderen Aktivist:innen zusammenzubringen, um gemeinsam über Forderungen und ein Aktionsprogramm gegen Rechtsruck & Krise zu diskutieren!




Kein Vergeben Kein Vergessen! Gerechtigkeit für Lorenz!

Von Yorick F., April 2025

Lorenz A. wurde nur 21 Jahre alt. Am Wochenende wurde er von Bullen durch 4 Schüsse, einen davon in seinen Kopf, ermordet. Unsere Trauer und unser Mitgefühl gilt seinen Angehörigen und Freund:Innen. Nicht einmal ein halbes Jahr nach dem Freispruch der Mörder Mouhamed Dramés hat die Polizei schon wieder einen schwarzen Jugendlichen ermordet.

Was ist passiert?

Der Mord ereignete sich in der Nacht auf Ostersonntag gegen 02:40 Uhr. Lorenz soll in einen Streit vor einem Club verwickelt gewesen sein. Die Hetzer der Springerpresse machen daraus einen „Reizgasangriff“, da er ein Tierabwehrspray bei sich getragen haben soll, und diffamieren ihn als „Disco-Angreifer“. Dazu greifen sie die Behauptungen der Polizei auf, dass er ein Messer bei sich hatte, was jedoch durch diverse Zeugenaussagen stark zu bezweifeln ist. Nachdem er von der Disco flüchtete traf er laut Polizeiaussage auf eine Streife vor der er ebenfalls davon rannte, bevor er auf eine zweite Streife traf. Diese soll er mit Reizgas angegriffen haben woraufhin die Polizei in erschossen habe. Der Obduktionsbericht beweist etwas anderes: Lorenz wurde von hinten durch 4 Schüsse ermordet, zwei davon trafen seinen Körper, einer seinen Kopf. Zeug:Innen berichten, dass dem keine Warnung vorausgegangen sei. All das steht im Widerspruch zur Aussage der Bullen, welche mit ihren Lügen wahrscheinlich versuchen wollten, ihre Tat zu vertuschen.

Die Polizei schützt uns nicht!

Gegen den 27-Jährigen Bullen der auf Lorenz geschossen hat, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet. Das ist das übliche Vorgehen bei Polizeieinsätzen mit „tödlichem Ausgang“ und wird daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu nichts führen. Das haben zahllose Verfahren derselben Art gegen die Mörder:Innen von Oury Jalloh bis Mouhamed Dramé, gezeigt. Das Verfahren wird aus „Neutralitätsgründen“ nicht von der Polizei Oldenburg, sondern von der Polizei Delmenhorst geführt. Nicht nur, dass die Polizei als bewaffneter Trupp zum Schutz des bürgerlichen Staates niemals „neutral“ sein kann, wenn es um rassistische Polizeigewalt geht, so ist die Übernahme durch die Polizei Delmenhorst eine zusätzliche Schweinerei!

Am 06.03.2021 ermordete eben diese Polizei Delmenhorst nämlich Qosay Sadam Khalaf, einen 19-Jährigen yezidischen Jugendlichen. Nachdem sie ihn beim kiffen erwischt hatten, wurde er über längere Zeit unter Einsatz von Pfefferspray und Knien auf seinem Rücken fixiert, in Folge dessen starb er in einem Krankenhaus in Oldenburg. Dort wurde u.a. ein chemischer Superabsorber in seinem Magen gefunden, ein Stoff, welcher Wasser absorbiert. Qosay fragte laut Zeugenaussagen mehrfach nach Wasser, was ihm die Bullen jedoch verwehrt haben. Ein Verfahren gegen die eingesetzten Bullen gab es erst nach Klage der Familie und auch dieses ist mittlerweile, nach ebenso „unabhängigen“ Ermittlungen der Polizei Oldenburg, von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Unter diesen Umständen von „Neutralität“ zu sprechen, ist mehr als widerlich!

Alles keine Einzelfälle!

Der Mord an Lorenz reiht sich neben dem an Qosay in eine Reihe aus rassistischen Morden in Niedersachsen ein. Vor fast genau einem Jahr wurde Lamin Touray im etwa anderthalb Stunden Autofahrt entfernten Nienburg mit 8 Schüssen ermordet. Seine Freundin hatte aus Sorge um Lamin die Polizei gerufen, da sich dieser aufgrund einer drohenden Abschiebung in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Diese brach daraufhin die Tür auf, hetzte einen Polizeihund auf Lamin und erschoss ihn schließlich mit 8 Schüssen. Kurz darauf war zu lesen, dass ein Polizist bei dem Einsatz verletzt worden sei. Jedoch wird nicht erwähnt, dass dies nicht durch Lamin sondern durch einen der 8 abgegebenen Schüssen passierte! Zeug:Innen des Einsatzes bezeichnen den Mord an Lamin als Hinrichtung.

Die Morde an unseren Geschwistern häufen sich. Das ist Ausdruck einer BRD, welche als Resultat von Rechtsruck und Krise immer autoritärer wird. Das reiht sich ein in Abschiebungsoffensiven, Abschottungspläne und innere Aufrüstung sowie die tagtägliche Unterdrückung und verstärkte Ausbeutung, welche rassistisch unterdrückte Menschen erleben müssen. Lorenz, Lamin und Quray zu gedenken, muss heißen, gegen genau diese Zustände zu kämpfen!

Besonders deutlich machen das auch nochmal die Aussagen von Patrick Seegers, dem Vorsitzenden der Deutschen Polizei“gewerkschaft“ Niedersachsens. Dieser forderte als Reaktion auf den Mord an einem 21-Jährigen durch seine Kolleg:Innen, die niedersächsische Polizei mit Tasern aufzurüsten, da diese angeblich tödlichen Schusswaffengebrauch verhindern würden. Wie widerlich das ist, zeigt nicht zuletzt, dass auch beim rassistischen Mord an Mouhamed Dramé Taser zum Einsatz kamen, kurz bevor er mit 6 Schüssen aus einer Maschinenpistole ermordet wurde!

Im Kampf gegen ihre Gewalt müssen wir aufzeigen, dass diese Morde und rassistische Polizeigewalt im Allgemeinen keine „Ausrutscher“ einzelner, sondern das Ergebnis dieser rassistischen staatlichen Ordnung sind. Die Aufgabe der Polizei kann es gar nicht sein, irgendwen vor rassistischer Gewalt zu schützen, da dieser Staat und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse, auf die er sich stützt, von Rassismus direkt profitieren, durch Überausbeutung und Spaltung von uns Arbeiter:innen und Jugendlichen. Rassistische Gewalt zählt zu ihren zentralen Aufgabenbereichen: ob als Schlägertrupp gegen Palästina-Demos, rassistisch motivierte Kontrollen oder die Durchführung meist brutaler und immer gewaltvoller Abschiebungen.

Wie müssen wir kämpfen?

Als Revolutionär:innen treten wir dafür ein, dass wir eigenen militanten Selbstschutz organisieren. Wir müssen uns selbst gegen Rassist:innen, Sexist:innen und auch Polizist:innen verteidigen können. Letztlich fordern wir, den autoritären Polizeiapparat zu zerschlagen und durch Arbeiter:innenmilizen zu ersetzen, die aufgrund ihrer lokalen Verankerung in Räten demokratisch legitimiert und rechenschaftspflichtig sind.

Aber diese Perspektive bleibt radikale Träumerei, wenn wir nicht im Hier und Jetzt anfangen uns an den Orten zu organisieren, wo uns Rassismus, Sexismus und Polizeiwillkür tagtäglich betrifft. Es braucht Verankerungen an Schulen, Unis, Betrieben, Geflüchtetenunterkünften und lokale Strukturen, die diese miteinander in den Vierteln verbinden.

Lasst uns diesen Kampf gemeinsam angehen. Von Trauer zu Wut zu Widerstand!

Wir fordern:

• Polizei aus dem DGB schmeißen! Bullen gehören nicht zur Arbeiter:innenklasse, sondern sind die Schlägertruppe des Kapitals!

• Kein Massenüberwachung z.B. durch, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung usw.!

• Kein Racial Profiling und ein hartes Aburteilen von Bullen, die Racial Profiling anwenden!

• Polizist:innen, die gewalttätig werden, sollen vor Volksgerichte gestellt und diese bei Bedarf abgeurteilt werden! Dafür müssen sie durch ein individuelles Erkennungszeichen identifizierbar sein!

• Keine Militarisierung der Polizei. Sofortige Entwaffnung der Polizei, vor allem was Taser, Maschinenpistolen, Knarren und Handgranaten angeht!

• Für demokratisch legitimierte und kontrollierte Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter:innen, Jugendlichen und allen Unterdrückten des Kapitalismus!