Genozid in Gaza: Plötzlich waren alle immer schon dagegen

Von Sani Meier, August 2025

Seit einigen Wochen lässt sich eine Veränderung in der Berichterstattung deutscher Medien und den Äußerungen von Politiker:innen beobachten, wenn es um die aktuellen Entwicklungen in Gaza geht. Während es bislang so gut wie keine kritische Stimme in den Nachrichten von tagesschau & Co. gab und jegliches brutale Vorgehen der israelischen Regierung mit dem 07. Oktober und der Freilassung der Geiseln gerechtfertigt wurde, wird Israel seit Kurzem immer wieder zur Mäßigung aufgefordert. Es sind besonders die Berichte über das gezielte Aushungern der palästinensischen Bevölkerung, die wohl nicht länger ignoriert werden können. Warum diese neue Form der Kritik an Israel zwar auf den ersten Blick nach einem Erfolg der palästina-solidarischen Bewegung aussieht, wir uns aber dennoch nicht davon täuschen lassen sollten, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Der Genozid an den Palästinenser:innen erreicht seit Kurzem seine wohl brutalste Stufe: Eine Bodenoffensive, die von einer flächendeckenden Bombardierung aus der Luft begleitet wurde, ermordete mehrere hundert Menschen in nur wenigen Tagen. Das Ziel des Ganzen: Die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens soll in den Süden getrieben, dort konzentriert und dann zwangsumgesiedelt werden. Während so die ethnische Säuberung vorbereitet wird, setzt die israelische Regierung zusätzlich Hunger als Kriegswaffe ein, indem sie über mehrere Monate jegliche Hilfslieferungen in den Gazastreifen blockierte. Die Vereinten Nationen warnten Ende Mai davor, dass dadurch innerhalb von 48 Stunden 14 Tausend Babys verhungern könnten. Großbritannien, Frankreich und Kanada kündigten daraufhin Sanktionen gegen Israel an, und Netanyahu ließ notgedrungen 10 LKWs mit Hilfsgütern über die Grenze. Dabei gab er offen zu, dass er nur das Mindestmaß an Essen liefern würde, um die Sanktionen zu verhindern und seine Militäroffensive weiter fortführen zu können, aber keine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung zulasse.
Nach über 50 Tausend Toten, dem drohenden Hungertod von 1 Million Menschen und einem nahezu vollständig in Schutt und Asche liegenden Gazastreifen scheint das Maß nun endlich auch für deutsche Politiker:innen voll zu sein. Friedrich Merz zeigt sich verständnislos für die aktuelle israelische Offensive in Gaza und gibt zu, dass das nichts mehr mit der vermeintlichen Bekämpfung der Hamas zu tun habe. Der Vorwand der israelischen Regierung, man würde lediglich versuchen, die Geiseln zu befreien, wird immer unglaubwürdiger – besonders seitdem sie das Angebot der Hamas im April ablehnte, diese gegen eine Waffenruhe, palästinensische Gefangene und den Abzug der israelischen Truppen aus Gaza einzutauschen. Rechtsextreme israelische Politiker wie der Finanzminister Smotrich trauen sich mittlerweile ganz offen zuzugeben, dass das eigentliche Ziel der Offensive die Vertreibung der Palästinenser:innen sei. Für uns, die wir seit Jahren bedingungslos solidarisch mit dem palästinensischen Befreiungskampf stehen, stellen die Entwicklungen keine Überraschung dar, sondern eine Weiterführung dessen, was die israelische Regierung seit Jahrzehnten beabsichtigte und nun mithilfe ihrer westlichen Verbündeten verwirklicht. Ein Staat, dessen Gründung auf der Vertreibung von mehr als 750 Tausend Palästinenser:innen beruht, der sein Gebiet seitdem kontinuierlich illegal erweiterte, die palästinensische Bevölkerung in einem Freiluftgefängnis einsperrte und jegliche Ressourcen kontrollierte, kann kein Interesse an der Befreiung ebendieser Menschen haben.

Vor diesem Hintergrund erscheint es zynisch, wenn jetzt genau die Politiker:innen und Journalist:innen anfangen, Israel zu kritisieren, die diese Politik seit Jahren ermöglichten: Sei es durch die Lieferung und die Entwicklung von Waffen oder indem sie ihnen moralisch den Rücken freihielten und ihre Grausamkeiten rechtfertigten. Und selbst jetzt bleibt es bei bloßen Lippenbekenntnissen, wenn man plötzlich doch über das Leid der Palästinenser:innen sprechen kann, aber kein Wort darüber verliert, wie man in den vergangenen Monaten dazu beigetragen hat, jegliche Kritik an Israel als „(importierten) Antisemitismus“ abzustempeln und Aktivist:innen zu kriminalisieren und den Genozid und das Apartheidsregime nicht beim Namen nennt. Dabei ist es natürlich wichtig zu sagen, dass es eine gute Entwicklung ist, wenn Annika und Lukas aus deiner Schule ihre Meinung ändern und sich solidarischer mit der palästinensischen Bevölkerung zeigen – hier müssen wir auf sie zugehen und sie politisch für die Bewegung gewinnen, statt sie dafür outzucallen, warum sie das nicht schon früher eingesehen haben. Friedrich Merz kann dagegen 100 Mal das aktuelle Vorgehen der israelischen Regierung kritisieren, bleibt aber weiterhin deren Komplize, wenn er gleichzeitig nicht die Waffenlieferungen einstellen will, mit denen palästinensische Flüchtlingscamps, Schulen und Krankenhäuser bombardiert werden, und Netanyahu trotz Haftbefehl hofieren möchte. Deutschland bleibt auch weiterhin der drittstärkste Waffenlieferant und hatte die Lieferungen im letzten Jahr nochmal verzehnfacht, um seine Profite zu erhöhen und sich als moralischen „anti-antisemitischen“ Verbündeten darzustellen. Zudem verurteilen Deutschland und die G7-Staaten auch nicht die jüngsten Angriffe Israels auf den Iran, um diesen angeblich vor einem nuklearen Angriff abzuhalten, sondern nennen die eindeutige Aggression Israels immer noch „Selbstverteidigung“. Netanyahu hat damit quasi einen militärischen Freifahrtschein seiner westlichen Verbündeten bekommen.

Gleichzeitig stehen weiterhin Studierende vor Gericht, die ihre Universitäten besetzten, um auf den Genozid in Gaza aufmerksam zu machen, in Berlin werden vier von ihnen sogar abgeschoben, während der rechtliche Rahmen für politisch motivierte Exmatrikulationen geschaffen wurde. Wir dürfen also keine Hoffnung in ihre leeren Worte setzen, wenn sie Israel weiter bewaffnen und uns durch die Polizei Woche für Woche auf palästinasolidarischen Demonstrationen verprügeln lassen.
Unsere Aufgabe ist es jetzt, für eine Debatte innerhalb der Palästina-Bewegung über deren Strategie einzutreten. Was wir aktuell beobachten, ist eine Reduzierung der Demonstrationen und ihrer Teilnehmer:innen, die teilweise aus der extremen Kriminalisierung, der Erschöpfung von Aktivist:innen, aber auch der strategischen Unklarheit resultiert. Gefühlt gehen wir jedes Wochenende auf die Straße, werden noch brutaler geschlagen als beim letzten Mal und die israelische Politik wird noch grausamer als zuvor. Zwar ist es richtig, dass wir mit den Demos Aufmerksamkeit für unser Anliegen generieren, doch brauchen wir ein konkretes gemeinsames Ziel und eine Strategie, wie wir es erkämpfen können – sonst bleibt es beim richtigen, aber auch abstrakten „Free Palestine“ oder der Forderung nach einem Waffenstillstand, der wahrscheinlich nicht einmal die Zustände vor dem 07. Oktober wiederherstellen wird und keine Vision für eine wirkliche Befreiung des palästinensischen Volkes beinhaltet. Als Revolutionär:innen müssen wir für die Forderung nach einer Ein-Staaten-Lösung in Form eines säkularen, demokratischen und sozialistischen Palästinas werben, in dem sowohl Jüd:innen als auch Muslim:innen unabhängig von ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit dieselben Rechte haben. Dazu braucht es eine revolutionäre kommunistische Partei, die reaktionären Kräften wie der Hamas oder rechtsextremen israelischen Parteien die politische Vorherrschaft entreißt. Auf dem Weg dorthin können wir in den imperialistischen Zentren Unterstützung leisten, indem wir den Druck auf unsere Regierungen weiterhin erhöhen und sie dazu zwingen, ihre Solidarität mit dem israelischen Staat zu beenden – sei es in Form von Demos, Schul- und Unibesetzungen oder Streiks gegen die Waffenlieferungen. Von Deutschland bis nach Gaza – Yallah Intifada!




Ihr wollt uns für die BRD sterben sehen – wir wollen nur die BRD sterben sehen!

von Brokkoli Bittner, aus der REVOLUTION Zeitung von Juli 2025, 6 Minuten Lesezeit

Jugendoffiziere im Klassenzimmer. Olivgrüne Postkarten im Briefkasten. Politiker:innen mit Waffen im Fernsehen. Deutschland will sich nach 80 Jahren wieder für den nächsten Weltkrieg bereitmachen. Das merken wir überall. Und gerade die Rufe nach Wehrpflicht schreien aus den Parlamenten wie unsere Lehrkräfte, wenn man eine Mütze im Unterricht aufhat. Pistorius plant, noch in diesem Jahr Fragebögen zur Pflicht zu machen, durch die die „Wehrfähigkeit“ der Jugend festgestellt wird. Damit wollen sie den Krieg normalisieren und uns auf die Wehrpflicht vorbereiten. Doch für uns ist klar: Wir wollen nicht für Deutschland sterben – wir wollen Deutschland sterben sehen.

Wir Jugendlichen wollen keine Wehrpflicht. Und warum, ist erst mal recht offensichtlich:
Niemand hat Bock, für die Profitinteressen des deutschen Kapitals zu sterben. Vor allem wir – die eine Zukunft haben und nicht verbittert mit 60 in der CDU hocken – wollen nicht einfach für diejenigen ohne Zukunft draufgehen.

Dazu kommt: Niemand hat Bock, gezwungen zu werden, mehrere Jahre dem deutschen Heer zu schenken. Denn gerade wenn wir aus der Schule rauskommen, haben wir kurz das Gefühl von Freiheit. Die Schule ist der Ort, an dem wir zehn Jahre lang erzogen werden, die Lügen der Ausbeuter zu glauben. Dort haben Mitbestimmung und freie Entscheidungen keinen Platz – das würde die Erziehung zu fleißigen Arbeitskräften ja noch gefährden. So wirkt die Entscheidung, von wem man sich ausbeuten lässt, wie die erste freie – auch wenn sie das nicht ist. Deshalb wollen wir nach zehn Jahren Indoktrination nicht auch noch in eure Deppen-Armee gesteckt werden, wo wir noch weniger über uns bestimmen können.

Was wir zu hören bekommen, wenn wir das sagen, ist: Wir könnten unser Leben und unsere Freiheit ruhig mal für Deutschland und unsere deutschen Werte opfern. Dabei geht es ihnen nicht um „Werte“, sondern darum, den Profit für das Kapital zu sichern und ihre Herrschaft aufrechtzuhalten. Dieser Staat dient nicht unseren Interessen. Die Aufgabe des Staates in der kapitalistischen Gesellschaft ist es, die besten Bedingungen für die Ausbeuter zu schaffen. Das heißt zum Beispiel: Sich darum zu kümmern, dass alle zur Arbeit kommen, indem Straßen gebaut werden. Denn jeder Kapitalist braucht Straßen – aber für keinen lohnt es sich, sie allein zu bauen. Doch auch wenn das harmlos und sinnvoll klingt, ist es das nicht immer.

Wir Jugendlichen und Arbeiter:innen haben Interessen, die im Widerspruch zu denen der Ausbeuter stehen. Das zeigt sich unter anderem daran, dass der Staat mit seinem Gewaltmonopol jeden Kampf von Arbeiter:innen für ein besseres Leben unterdrücken muss – sonst würden sich die Ausbeutungsbedingungen verschlechtern und das würde den Kapitalist:innen Profite kosten. Allen Fortschritt, den wir haben – wie eine parlamentarische Demokratie oder Arbeiter:innenrechte – haben wir nicht, weil Deutschland so warmherzig ist, sondern weil diese Rechte erkämpft wurden und Deutschland sie sich leisten konnte. Das heißt auch: Jeder Fortschritt fällt mit den Profitraten.

Wer also glaubt, man müsse Deutschland verteidigen, um Freiheit zu erhalten, ist auf dem falschen Dampfer. Deutschland zu verteidigen heißt in erster Linie, die Interessen der Ausbeuter zu verteidigen – und nicht unsere eigenen!

Auf die Straße gegen die Wehrpflicht!

Daraus wird klar: Wir müssen gegen diese Wehrpflicht kämpfen. Dieser Kampf muss vor allem an den Schulen geführt werden, dort sind die Leute, die morgen zu Kanonenfutter gemacht werden sollen. Wir müssen uns an unseren Schulen zusammentun und versuchen, Vollversammlungen zu organisieren – in denen klargemacht wird, was eine Wehrpflicht bedeutet. Und warum wir gegen diese kämpfen müssen. Dort können auch Abstimmungen über Forderungen gegen die Bundeswehr oder Musterungen stattfinden. Diese können lauten, dass die Bundeswehr an der eigenen Schule Hausverbot bekommt. Wenn man die Bundeswehr einlädt, gibt man ihr die Möglichkeit, sich so darzustellen, wie sie es will. Doch klar ist: Diese Leute töten für die Interessen der Herrschenden, und die stehen im Widerspruch zu unseren. Diese Normalisierung der Gewalt der Herrschenden wollen wir nicht, denn diese richtet sich hauptsächlich gegen die Ausgebeuteten und Unterdrückten.

Wir müssen uns auch bundesweit als Schüler:innen zusammentun, um alles Mögliche gegen eine Wehrpflicht zu unternehmen. Das kann zum Beispiel ein bundesweiter Schulstreik sein – oder auch bundesweite Schulbesetzungen. Dabei darf die lokale Organisierung an der Schule aber nicht leiden, sie ist Vorbedingung für einen erfolgreichen Kampf!

Deutschland angreifen!

Wenn eine Wehrpflicht trotzdem kommt, reicht es nicht, einfach nur zu verweigern. Ein solcher Pazifismus, der nicht die Notwendigkeit aufzeigt, den Krieg aktiv zu bekämpfen, bringt uns dem Frieden kein Stück näher. Selbst wenn niemand freiwillig in den Krieg zieht, würden sie uns eben zwingen. Krieg passiert nicht einfach – es gibt Leute, die ihn wollen. Die Herrschenden verdienen an unserem Sterben. Also klammern sie sich an unser Sterben – denn nicht wir entscheiden, sondern der Profit. Es braucht also mehr als reines Verweigern. Unser Kampf gegen die Wehrpflicht muss auch ein Kampf gegen die Herrschenden sein. Das müssen wir immer wieder klarmachen.

Wir müssen uns auch an die Jugend an der Front wenden – gerade dort wird ein Großteil der Jugend landen. Und nirgendwo sonst kann man der Jugend so konkret zeigen, warum eine Wehrpflicht scheiße ist. Es ist unsere Aufgabe, an der Front nicht für, sondern gegen die Herrschenden zu kämpfen. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass man massenhaft Befehle verweigert – und damit den Krieg aktiv sabotiert.

Auch in Zeiten, in denen die Waffen nicht zwischen Nationen sprechen und es in der Tagesschau heißt, es sei „Frieden“, kann es im Falle einer Wehrpflicht sinnvoll sein, sich einziehen zu lassen. Denn wieder wird ein Großteil der Jugend im Pflichtlager zum Töten gedrillt. Und genauso wie in Kriegszeiten muss man zeigen: Die Strukturen der Bundeswehr wollen uns Jugendlichen nichts Gutes. Sie dienen den Herrschenden und nicht uns. Also müssen wir sie bekämpfen wie die Herrschenden. Es braucht also im Falle einer Wehrpflicht Revolutionäre auch im Militär – um Jugendliche dort zu organisieren gegen das Militär und die Herrschenden.

Es ist davon auszugehen, dass Revolutionäre im Militär mit Repressionen überzogen werden. Im Kriegsfall kann Befehlsverweigerung wahrscheinlich sogar mit Erschießung bestraft werden. Deshalb muss Arbeit im Militär immer mit Bedacht passieren und das Ziel immer eine Massenaktion sein. Diese hohen Repressionen zeigen aber auch, dass dort eine extrem empfindliche Stelle Deutschlands liegt. Und genau diese Stelle können wir treffen – wenn wir gemeinsam die Waffen umdrehen.

Gleichzeitig müssen wir verstehen: Der Zugang zu militärischer Ausbildung und Waffen kann auch für uns nützlich sein. Was es braucht, ist nicht ein Militär – sondern Organe zur Selbstverteidigung.
Diese müssen in Betrieben, Schulen und Unis gebildet und demokratisch aufgebaut werden. Doch sie brauchen auch Erfahrung in militärischer Verteidigung. Denn Polizei und Militär greifen nur zu gern Besetzungen und Streiks an, wenn diese zu gefährlich für die Herrschenden werden. Diese Angriffe müssen unterbunden werden können.

Klar muss aber auch sein: Befehlsverweigerung und Umnutzung von Waffen dürfen keine individuellen Prozesse sein. Revolutionäre müssen den an die Waffe Gezwungenen systematisch aufzeigen, dass sie sich wehren müssen – und wie sie das tun können. Systematisch heißt: massenhaft. Das muss also auch eine Aufgabe der Massenorganisationen der Arbeiter:innenklasse sein – zum Beispiel von Parteien wie der Linken. Es braucht einen gemeinsamen Kampf aller, die im Militär die Interessen der Arbeiter:innen vertreten, um dieses Militär zu Fall zu bringen. Wir dürfen nicht beim Pazifismus stehenbleiben, sondern müssen klarmachen: Den Krieg stoppen wir nur, wenn wir gegen ihn kämpfen. Der einzige Weg, einen Krieg zu beenden, ist, diejenigen zu stürzen, die ihn wollen.




My Body, My Future: Jugendliche müssen abtreiben dürfen!

Von Blue, August 2025

Stell dir vor, du bist 16 Jahre alt und stehst kurz vor deinem Abschluss. Die kommenden Jahre hast du schon durchgeplant: Ausbildung, Studium oder Work & Travel, von Zuhause ausziehen, endlich auf eigenen Beinen stehen. Doch plötzlich der Schock: Du bist ungewollt schwanger. Sofort schießen dir tausend Fragen durch den Kopf: Will ich überhaupt ein Kind? Wie soll ich das finanzieren ohne Abschluss? Was wird aus meinen Zukunftsplänen? Was wenn es meine Eltern oder Mitschüler:innen erfahren? Darf ich überhaupt schon abtreiben?

Solche Situationen sind alles andere als Ausnahmen. Laut Forum Sexualaufklärung und Familienplanung sind über 50% der Schwangerschaften unter 20 Jahren ungewollt, und das betrifft jährlich rund 13.000 junge Frauen in Deutschland. Und selbst wenn man nicht unmittelbar betroffen ist, werden die meisten irgendwann mal die Erfahrung machen, ebenso sehr zu verzweifeln, wenn die Periode zu spät kommt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die rechtliche Lage in Deutschland und erklärt, warum unkomplizierte Zugänge zu Abtreibungen überlebenswichtig ist. Und zwar vor allem für Jugendliche!

Darf ich überhaupt abtreiben?

In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nach §218 des Strafgesetzbuches immer noch offiziell eine Straftat. Er bleibt aber unter bestimmten Bedingungen straffrei, wenn …

… vorher eine verpflichtende Beratung bei einer anerkannten Stelle erfolgt ist,

… nach der Beratung eine Wartezeit von mindestens drei Tagen bis zur Entscheidung eingehalten wurde,

… und wenn der Abbruch spätestens bis zur zwölften Schwangerschaftswoche durchgeführt wird.

Die ehemalige Regierung aus SPD, Grünen und FDP hatte angekündigt, §218 grundlegend zu überprüfen und möglicherweise zu streichen. Das würde bedeuten, dass Abtreibungen rechtlich nicht mehr als Straftat behandelt werden. Doch konservative Kräfte – allen voran CDU/CSU – stellen sich entschieden gegen solche Reformen. Jens Spahn, CDU-Fraktionsvorsitzender, sprach sich mehrfach öffentlich gegen liberalere Regelungen aus und wollte sogar Studien in Auftrag geben, die psychische Schäden durch Abtreibungen „beweisen“ sollten – trotzdem zeigt die fünfjährige Turnaway-Studie mit 956 Teilnehmerinnen, dass 95 % der Frauen auch nach Jahren überzeugt sind, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Der mittlerweile abgeschaffte §219a – das sogenannte „Werbeverbot“ für Ärzt:innen – hat lange verhindert, dass Ärztinnen öffentlich über Abtreibungen informieren durften. Auch wenn das Gesetz gestrichen wurde, herrscht in vielen Praxen weiterhin Unsicherheit. Viele Mediziner:innen haben Angst vor Angriffen oder Rufschädigung und informieren deshalb kaum öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche. Für Jugendliche bedeutet das: Sie finden schwer verlässliche Informationen – obwohl sie diese am dringendsten bräuchten.

Was bedeutet das für Jugendliche konkret?

Für Jugendliche ist die Situation besonders belastend, da die Regelungen uneindeutig sind!

Grundsätzlich gilt: Ein Mindestalter für eine Abtreibung gibt es nicht. Auch Minderjährige unter 18 Jahren haben die Möglichkeit, eine Schwangerschaft abbrechen zu lassen. Entscheidend ist dabei die „Einwilligungsfähigkeit“ der Betroffenen. Einwilligungsfähig bedeutet, dass die Reife und notwendige Einsichtsfähigkeit in die körperliche und mögliche psychische Tragweite eines Schwangerschaftsabbruchs gegeben sind. Dabei werden Jugendliche über 16 in der Regel als einwilligungsfähig eingeschätzt, bei unter 16-Jährigen kann es aber sein, dass die Ärzt:innen die Zustimmung der Eltern verlangen.

Das Problem hieran ist, dass diese Einschätzung von Menschen vorgenommen wird, die die Betroffenen nicht wirklich kennen und nur auf Basis eines Gesprächs eine Einschätzung abgeben. Für manche Betroffenen ist es aber keine Option, sich ihren Eltern anzuvertrauen und im schlimmsten Fall geben sie ihre Zustimmung nicht und zwingen ihre Kinder, ungewollt ein Kind zur Welt zu bringen.

Auch Aufklärung in Schulen ist oft ungenügend oder moralisch gefärbt. Jugendliche wissen oft gar nicht, wohin sie sich wenden können – oder schämen sich so sehr, dass sie gar nicht erst Hilfe suchen.

Psychische und physische Belastung

Die Gesellschaft vermittelt Jugendlichen oft ein Gefühl von Scham, Schuld oder sogar Isolation, da frühe Schwangerschaften immer noch verpönt sind: Sowas komme nur in „schlechten Familien“ vor und sowieso sei man ja „selbst schuld“, wenn man schon Sex hat. Noch schlimmer, wenn die eigenen Eltern eigentlich dagegen sind, dass man überhaupt schon Sex hat, was (bezogen auf Mädchen) bei einem Viertel der Eltern in Deutschland der Fall ist. Diese Erfahrungen können Betroffene in schwere psychische und emotionale Krisen stürzen. Scham und emotionaler Druck führt nicht selten dazu, dass eine Schwangerschaft erst viel zu spät erkannt wird und es dann möglicherweise rechtlich zu spät ist, noch eine legale Abtreibung durchzuführen.

Wird der legale Zugriff verwehrt, greifen jährlich schätzungsweise 3 Millionen Mädchen im Alter von 15 – 19 Jahren auf der ganzen Welt zu unsicheren Abtreibungsmöglichkeiten. Ein Beispiel: Manche Jugendliche versuchen eine Selbstabtreibung mit Medikamenten, die sie online bestellen, und zwar dann ohne ärztliche Kontrolle. Andere verwenden gefährliche Gegenstände, um einen Abbruch selbst herbeizuführen. Diese Methoden können durch starke Blutungen, Infektionen oder dauerhafte Schäden lebensbedrohlich sein. Das passiert vor allem dort, wo legale Zugänge fehlen oder junge Menschen glauben, sie hätten keine andere Wahl.

Soziale und wirtschaftliche Folgen

Wer jung ein Kind bekommt, steht vor großen Herausforderungen. Viele junge Schwangere müssen die Schule oder Ausbildung abbrechen, weil Betreuung fehlt. Häufig lehnen Eltern jede Hilfe ab oder setzen ihre Kinder unter Druck, das Kind zu bekommen (oder eben abzutreiben) ganz nach ihren Vorstellungen.

Jugendliche sind fast immer finanziell abhängig. Ohne eigenes Einkommen muss man sich auf der mehr als dürftige staatliche Hilfssystem verlassen. Frühe Elternschaft kann dazu führen, dass Lebenspläne komplett aufgegeben werden müssen. Das Risiko für Arbeitslosigkeit, soziale Ausgrenzung und langfristige Perspektivlosigkeit steigt um ein Vielfaches. Teenagermütter verlassen beispielsweise doppelt so häufig die Schule ohne Abschluss wie ihre Altersgenossinnen. Unter solchen Verhältnissen ist der Weg zu einem einigermaßen selbstbestimmten Weg unvorstellbar.

Unsere Körper gehören uns!

Diese Hürden sind kein Zufall. Sie passen zu einem System, das Frauen in klassische Geschlechterrollen als Mütter und Hausfrauen zwingen will, da sie so Sorgearbeit kostenlos im Rahmen ihrer Familie leisten und diese nicht von den Kapitalist:innen finanziert werden muss. Gleichzeitig sorgen sie damit für einen konstanten Nachschub an zukünftigen Arbeitskräften, die dann von diesen ausgebeutet werden können. Gerade konservative bis offene rechte Kräfte, die im momentanen Rechtsruck immer stärker werden, verbreiten ein solch unterdrückerisches Frauenbild. Es gibt zwar auch liberalere bürgerliche Kräfte, die halbherzig das Recht auf Abtreibung verteidigen, aber nur selten die ökonomische Dimension beachten: Finanzielle Unabhängigkeit von Familie und Partner, ein ausfinanziertes Hilfssystem und kostenlose Gesundheitsversorgung!

Wir fordern also das Recht, selbst über unsere Körper zu entscheiden – unabhängig davon, wie alt wir sind. Schwangerschaftsabbruch darf keine Frage von Geld, Angst oder Zustimmung sein. Es muss ein Recht sein, und zwar für alle!

Deshalb fordern wir:

            •          Kostenloser Zugang zu Beratung, Verhütung und Abtreibung!

            •          Keine Zustimmung der Eltern für Abtreibung oder „Pille danach“!

            •          Ärzt:innen müssen offen informieren dürfen!

            •          Mehr Hilfsangebote: Mutter-Kind-Häuser, anonyme Beratung, Schutzräume, finanzielle Unterstützung!

            •          Aufklärung an Schulen, die informiert statt zu verurteilen!

            •          Abschaffung aller Gesetze, die unsere Selbstbestimmung einschränken!

            •          Weg mit dem Druck, sich dem Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie zu beugen! Für eine Welt ohne unterdrückerische Geschlechterrollen und für die Vergesellschaftung von Haus- und Sorgearbeit!




Von „Differenziertheit“ zu Diffamierung – Kritik am Statement der Linksjugend [’solid]

von Urs Hecker, Juni 2025 – 9 Minuten Lesezeit

Die Linksjugend Solid bzw. ihr Bundessprecher:innenrat hat am 31.05 ein Statement auf ihrem Instagram-Kanal hochgeladen, in welchem sie der Palästinasolidaritätsbewegung in Deutschland strukturellen Antisemitismus unterstellt. Dabei wird – in für die deutsche Öffentlichkeit typischer Manier – keine Trennlinie zwischen „Israelhass“, Antizionismus und Antisemitismus gezogen. Anlass zum Statement war das Attentat auf zwei Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft in Washington D.C., von dem die Linksjugend Solid eine direkte Verbindung zu Parolen der Palästinasolidaritätsbewegung in „deutschen Großstädten“ zieht. Damit ist sie nicht nur klar auf Linie der deutschen Staatsräson, sie fungiert auch als Stichwortgeber von „Links“, um die Repression, welche die Palästinasolidarität aktuell massiv „in deutschen Großstädten“ erfährt, zu rechtfertigen.

Im Folgenden wollen wir uns das Statement genauer anschauen und zum einem herausarbeiten, wie gegen diese Haltung eine Opposition in der Solid aufgebaut werden könnte, und zum anderen wie sich Revolutionär:innen überhaupt gegenüber der Palästinasolidaritätsbewegung verhalten sollten.

Antizionismus oder Antisemitismus

Durch das gesamte Statement zieht sich eine Argumentationslinie in der Antizionismus, also Opposition zu Israel als siedlerkoloniales Projekt, und Antisemitismus mit einander vermischt oder in Eins gesetzt werden. Von Beginn an wird „Hass auf Israel und auf Zionist: innen“ mit Antisemitismus und antisemitischer Gewalt in Verbindung gebracht. Parolen wie „Globalize the Intifada“ und „Zionists not welcome“, welche auf Demos gerufen oder an Universitäten geschmiert werden, seien Ausdruck eines „antisemitischen Vernichtungswahns“, da die Aktivist:innen Israel und Zionist:innen als weltbeherrschend und per se als „das Böse“ ansehen würden. Solche Parolen seien sogar mittelbar für das Attentat in Washington und antisemitischer Gewalt verantwortlich.

Parolen wie „Globalize the Intifada“ oder“ Zionist not welcome“ und Antizionismus im Allgemeinen sind natürlich nicht antisemitisch, da Jüd:innen und Israel eben nicht identisch sind. Vielmehr fördert diese Vermischung der Begriffe gerade Antisemitismus und macht Jüd:innen allgemein für die Verbrechen Israels mitverantwortlich. Dass der zionistische Apartheidsstaat, der aktuell einen Genozid ausübt, gehasst und als Feind wahrgenommen wird, ist völlig richtig und legitim. Ebenso wie der Kampf gegen die Imperialist:innen, welche ihn außenpolitisch unterstützen und für ihre Interessen einsetzen.

Mit ihrer Argumentation reiht sich die Solid in die Propaganda ein, dass der Zionismus tatsächlich mit dem jüdischen Volk und Glauben identisch sei und Angriffe auf den Zionismus antisemitisch seien. Nicht nur das, auch für die deutsche rassistische Medienlandschaft und Politik, die seit jeher die Palästinasolidaritätsbewegung als antisemitisch diffamieren, um so die Repression zu rechtfertigen, liefert die Linksjugend Argumentationshilfe von „Links“. Neben Springer und Tagesschau redet jetzt auch die Linksjugend Solid von angeblich strukturell antisemitischen Demonstrationen in deutschen Großstädten, die für Attentate wie das in Washington verantwortlich seien.

Auch wenn man in Lippenbekenntnis die Gewalt Israels verurteilt, hilft man so objektiv der staatlichen und rassistischen Repression und Hetze gegen die Palästinasolidaritätsbewegung. Das alles vor dem Hintergrund des Genozids entbehrt jeglicher „Differenziertheit“.

Zum Attentat in D.C.

Als Anlass für diese Diffamierungen nimmt sich die Solid das Attentat in Washington D.C.
Der Attentäter fuhr hier von Chicago nach Washington um eine Veranstaltung für israelische Diplomat:innen auszukundschaften und daraufhin anzugreifen. Dabei tötete er zwei Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft. Das Attentat in Washington war also nicht antisemitisch, da der Täter gezielt Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft und nicht Jüd:innen per se angriff. Auch sollte hier erwähnt werden, dass eins der Opfer nicht jüdisch war.

Das Attentat stellt auch keine „Zäsur“ dar, wie die Solid behauptet, in einem Genozid, in dem Israel über 70.000 Menschen direkt ermordet hat, Hunderttausende vom Hungertod durch die israelische Blockade bedroht sind und Millionen vertrieben werden, stellt die Ermordung zweier Mitarbeiter:innen dieses Staates sicher kein neues Level an Gewalt und Verrohung dar.

Trotzdem lehnen wir den Anschlag ab. Terrorismus und Attentate liefern keine Perspektive für einen effektiven Kampf gegen Unterdrückung und haben in der Geschichte entsprechende Bewegungen geschwächt. Nur die gemeinsame bewusste Aktion der Arbeiter:innen und Unterdrückten in Palästina und im restlichen Nahen Osten, unterstützt durch die Arbeiter:innenklasse in den imperialistischen Zentren können den zionistischen Apartheidsstaat und den ihn stützenden Imperialismus bezwingen. Keine noch so entschlossene und radikale Einzelaktion kann hier eine Abkürzung liefern. Stattdessen fungieren sie als Rechtfertigung für die Repression, verbrennen die entschlossensten Aktivist:innen und führt die Bewegung in eine Sackgasse.

Dieser individuelle Aktionismus und Terrorismus ist dabei oft Ausdruck der Marginalisierung und Perspektivlosigkeit einer Bewegung in der Aktivist:innen aber unbedingt und zurecht etwas verändern wollen. Genau hier könnte die Solid ansetzen und zusammen mit der Anbindung an breitere Teile der Jugend und Arbeiter:innenklasse eine linke Perspektive für die Bewegung aufwerfen. Sie reiht sich, wie oben erwähnt, aber lieber mit Springer und dem deutschen Staat ein, um der Bewegung an sich Antisemitismus vorzuwerfen.

Palästinasoli und Antisemitismus

Wenn man tatsächlich der Palästinasolidaritätsbewegung teilnimmt und die Statements der verschiedenen Akteur:innen verfolgt, ist klar, dass diese zwar ein Sammelbecken von verschiedenen (klein-)bürgerlichen Ideologien (Nationalismus, Postkolonialismus, Islamismus) und einigen revolutionär auftretenden Kräften ist, in der Mehrheit aber klar nicht antisemitisch ist. Hass auf Israel und den Zionismus ist dabei natürlich weit verbreitet, aber auch angesichts von Generationen andauernder Unterdrückung, Vertreibung und Genozid mehr als gerechtfertigt. Wenn Antisemitismus in der Bewegung auftaucht, dann meistens aus berechtigtem Hass auf den Unterdrücker Israel, welcher dann aber falscher Weise mit Jüd:innen insgesamt in Verbindung gebracht wird. Das ist genau der gegensätzliche Zusammenhang zu Nazis, die aufgrund ihres Antisemitismus vorgeben, Palästina zu unterstützen. Dass der Antisemitismus überhaupt in der Lage ist, in der Bewegung Raum zu finden, liegt auch an der Dominanz der verschiedenen bürgerlichen Ideologien in der Palästinasolidaritätsbewegung, die nicht in der Lage sind, die Unterdrückung durch Israel in die Totalität des imperialistischen Weltsystems einzufügen. Das macht den Antisemitismus nicht weniger gefährlich, natürlich in erster Linie für Jüd:innen, aber auch für den Kampf gegen den Genozid. Zu wissen, wie er entsteht, ist dabei eine notwendige Voraussetzung, um ihn überhaupt bekämpfen zu können.

Er ist zumindest nicht so zu bekämpfen, indem man der Palästinasolidaritätsbewegung und dem Widerstand grundsätzlich die Solidarität entzieht. Der Kampf gegen Unterdrückung, Besatzung und Genozid ist gerechtfertigt und notwendig. Von dem Standpunkt der bedingungslosen Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand kann über die Ursachen der Unterdrückung, der westlichen Unterstützung und über Perspektiven im Kampf diskutiert werden. Hier kann die Einordnung ins imperialistische Weltsystem erfolgen und dabei stets die falsche Gleichsetzung von Judentum und Zionismus aufgezeigt werden. Die Linksjugend macht das genaue Gegenteil, indem sie diese falsche Gleichsetzung reproduziert, um sie gegen die Palästinasolidaritätsbewegung zu richten. Damit hilft sie nicht nur der Repression gegen die Palästinasolidarität, sondern stärkt auch antisemitische Sichtweisen in ihr.

Aufgabe Linker Kräfte

Die Aufgabe linker Kräfte im Verhältnis zur Palästinasolidaritätsbewegung ist also eine fundamental andere. Als erstes muss uns klar sein, dass es eben nicht unsere Aufgabe ist, besonders „differenziert“ von außen zuzuschauen und dabei die Aktionen der einzelnen Akteur:innen isoliert nach moralischen Maßstäben hier in Deutschland zu bewerten. Für uns muss klar sein, dass der Gewalt in Palästina ein Unterdrückungsverhältnis zu Grunde liegt, welches im imperialistischen Weltsystem und konkret im Siedlerkolonialstaat Israel begründet ist. Alle Gewalt rührt letztendlich aus diesem Unterdrückungsverhältnis. Zusätzlich sei noch die Asymmetrie im Kräfteverhältnis zwischen der Atommacht Israel plus ihrer imperialistischen Unterstützer:innen und dem palästinensischen Widerstand erwähnt und der damit verbundenen Möglichkeit, Gewalt auszuüben. Es ist Israel, das de facto einen Genozid ausübt, es ist Israel, das vernichtet.

Aus diesem Verständnis folgt, dass wir klar Stellung beziehen auf der Seite der Unterdrückten, der Palästinenser:innen. Dass wir ihr Recht auf Widerstand anerkennen, ohne diese Unterstützung dabei von der moralischen Bewertung einzelner Aktionen oder Gruppen abhängig zu machen. Diese Intervention muss aber auch erfolgen! Zum einem im Praktischen, indem wir im Rahmen unserer Kräfte Aktionen durchführen und unterstützen und so einen Beitrag zur Bewegung leisten, aber auch im Theoretischen, um die Unterdrückung im imperialistischen Weltsystem einordnen zu können und so den Weg zu ihrer Überwindung zu finden. Dabei müssen wir auch die verschiedenen bürgerlichen Ideologien, die im Widerstand und der Solidaritätsbewegung vorhanden sind, kritisieren und ihre Dominanz herausfordern. Es ist deshalb auch wichtig, Kritik an der HAMAS und ihrer fehlgeleiteten Strategie zur Befreiung Palästinas anzubringen, allerdings immer auf der Grundlage der grundsätzlichen Unterstützung des palästinensischen Widerstands.

Unser Ziel ist es also möglichst breit im Widerstand gegen den Zionismus und Imperialismus zusammenzuarbeiten. Dabei müssen wir aber gleichzeitig unsere politische und organisatorische Unabhängigkeit bewahren, um nicht unseren Klassenstandpunkt unter die verschiedenen bürgerlichen Akteure unterzuordnen. Deswegen fordern wir die antiimperialistische Einheitsfront, also die Aktionseinheit aller Kräfte, die sich gegen den zionistischen Apartheidstaat und den Imperialismus stellen, bei gleichzeitiger Freiheit der Kritik an- und untereinander.

Opposition in der Solid

Dass die Führung der Solid sich hier so opportunistisch zeigt, ist kein Zufall, sondern unter anderem Ausdruck des ideologischen Einflusses durch die Bürokratie der Linkspartei.
Dieser Einfluss führt dazu, dass die Solid, obwohl sie selbst weniger bürokratisch geprägt ist als die Linkspartei, ihr opportunistisches Schwanken zu Palästina und ihr reformistisches Programm mitträgt.

Gegen das Statement der Solid-Leitung haben verschiedene Landesverbände, Basisgruppen und der BAK-Klassenkampf Kritik veröffentlicht. Das begrüßen wir ausdrücklich und spricht sicher hunderten Genoss:innen in der Solid aus der Seele, die die Diffamierung der Palästinabewegung und die Vermischung von Antizionismus und Antisemitismus nicht mittragen wollen. Diese haben auch zahlreich Luft in der Kommentarspalte verschafft, bis sie dann geschlossen wurde. Diese Kritik ist wichtig! Zu sagen, was ist, ist immer noch die revolutionärste Tat.

Es aber auch notwendig, dem einen organisatorischen und programmatischen Ausdruck zu geben. Dazu ist es sinnvoll, sich innerhalb der Solid zu einer revolutionären Fraktion zusammenzuschließen. Das ist notwendig, um nicht nur zufällig im organisationsinternen Kampf einmal auf der einen und einmal auf der anderen Seite zu stehen, sondern um die Kräfte zu bündeln, gemeinsam zu intervenieren und einen echten inhaltlich/programmatischen Pol in der Solid bilden zu können.
Diese Fraktion muss darum kämpfen, den Opportunist:innen die Führung der Solid zu entziehen, dabei wird die Frage zum Verhältnis zur Palästinasolidaritätsbewegung eine entscheidende Rolle spielen.

Wenn ihr Mitglied bei der Linksjugend seid und unsere Kritik teilt oder auch als Basisgruppe dem zustimmt, dann kommt auf uns zu (schreibt uns einfach eine DM) und lasst uns darüber diskutieren, wie diese notwendigen Schritte im Verband gegangen werden können, um Diffamierung und Opportunismus entschlossen entgegenzutreten und die Linksjugend zu einer Kraft zu machen, welche reale Veränderung erkämpfen kann!

Hier könnt ihr den Beitrag der Linksjugend [’solid] nachlesen: https://www.instagram.com/p/DKRHaTUt62h/?img_index=1




Kann die Linkspartei den Rechtsruck aufhalten?

von Jona Everdeen, April 2025 – Lesezeit: 8 Minuten

In einem unglaublichen Comeback ist die Partei die Linke innerhalb eines halben Jahres von Umfragewerten bei ungefähr drei Prozent auf ein Wahlergebnis von fast 9 Prozent geklettert. In der gleichen Zeit hat sie ihre Mitgliederzahlen auf inzwischen über 100.000 (Rekord in der Parteigeschichte) verdoppelt. Dieser Aufstieg der Linken, die zuvor in einer tiefen Krise steckte, zeigt den Wunsch vieler, große Teile davon Jugendliche und junge Arbeiter:innen, nach einer echten Alternative zum Rechtsruck. Doch wie kann „die Linke“, deren innere Widersprüche sicher nicht überwunden sind, tatsächlich den Erwartungen an sie gerecht werden und eine entschlossene Kraft gegen den Rechtsruck bilden?

Kampf gegen Rechtsruck heißt Kampf gegen Krise!

Zuerst einmal muss, was die Partei im Wahlkampf zumindest teilweise gemacht hat, die Verbindung gezogen werden zwischen der Krise und dem Rechtsruck. So machte die Linke deutlich, dass für den Aufschwung der AfD die jüngsten Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen verantwortlich sind. Allerdings begründet die Linke das auf eine recht schematische Art und Weise. So würden Menschen, denen es ökonomisch schlecht geht, leicht empfänglich werden für rechte Propaganda, wenn jedoch eine linke Partei ihre Lebensbedingungen verbessere, sich davon wieder abwenden. Entsprechend auch ihr Wahlprogramm, das sehr ambitionierte Reformforderungen aufwirft, Forderungen, die wenn sie restlos umgesetzt werden würden, tatsächlich die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen enorm verbessern würden! Forderungen für die wir einen Kampf jederzeit unterstützen würden! Doch genau hier kommt es zum Knackpunkt, denn wie diese Forderungen zu erreichen sind, weiß die Partei „die Linke“ bisher nicht. In einer Regierungskoalition mit SPD und Grünen 2029 und mit Heidi Reichinnek als Kanzlerin, wird das sicher nicht passieren. Eine andere Perspektive hat die Partei „die Linke“ nicht, da ihr, wie für reformistische Parteien üblich, das Verständnis fehlt, wie man mit einer proletarischen Massenbewegung auf der Straße Siege erringen kann.

Nach dem Wahlkampf kommt der Straßenkampf!

Was es zunächst braucht, ist die Erkenntnis, dass der Wahlkampf nur eine Bühne ist für den eigentlichen politischen Kampf, der woanders geführt wird: Auf der Straße, in den Betrieben, in den Schulen und Universitäten! Positiv hervorzuheben sind bereits zweierlei Dinge: 1. Die Organisierung von Studis gegen Rechts an Universitäten und 2. Die Unterstützung von Streikposten in der Tarifrunde Öffentlicher Dienst (TVöD) durch Aktivist:innen und Mitglieder der Linken! Doch das kann nur der Anfang sein. So muss Studis gegen Rechts aufhören, bloß eine Plattform für Großmobilisierungen und den Wahlkampf zu sein und beginnen, aktiv auch an den Unis selber zu kämpfen. Und so braucht es auch ähnliche Strukturen an den Schulen und in den Betrieben. Es muss klar sein, dass der Kampf in erster Linie dort beginnt, wo uns das System zwingt, uns täglich aufzuhalten, wo unser Platz in diesem System ist. Denn dort befindet sich auch unser Hebel, dieses System herauszufordern!

Während es sehr lobenswert ist, dass die Linke die Streiks der Beschäftigten unterstützt, darf es nicht bloß bei rein symbolischer Solidarität bleiben. Die Linke muss ganz aktiv den ökonomischen Kampf der Arbeiter:innen verbinden mit politischen Forderungen, ihn zu einem politischen Kampf gegen die Kürzungen machen, muss dabei aufzeigen, dass nicht Migrant:innen für das Elend der deutschen Arbeiter:innen verantwortlich sind, sondern die deutsche Bourgeoisie und dass deutsche Arbeiter:innen Verbesserungen nur gemeinsam mit ihren migrantischen Kolleg:innen erkämpfen können! Und sie muss sich selber dafür einsetzen, ein Gegengewicht in den Gewerkschaften zu etablieren zur falschen Politik der Sozialpartner:innenschaft, die von der SPD-nahen Gewerkschaftsführung betrieben wird und immer wieder zum Verrat an den Beschäftigten und ihrem Kampf führt. Die Linke muss sich im Zuge ihrer Streiksolidarität aktiv gegen diesen Verrat stellen, und für eine Kontrolle der Tarifverhandlungen durch die Streikenden selber eintreten!

Ebenfalls muss sie aktiv die Kämpfe der Streikenden für mehr Lohn, gegen Entlassungen und für bessere Arbeitsbedingungen verbinden mit dem Kampf gegen Kürzungen, gegen den Rechtsruck, gegen Rassismus und den Kolleg:innen aufzeigen, warum diese miteinander verbunden sind. Letztendlich ist es die Aufgabe der Linken, dafür einzutreten, dass die Arbeiter:innen die verknöcherten Gewerkschaften umbauen zu ihren demokratisch kontrollierten Kampforganen gegen die Bourgeoisie. Und im Zuge davon den politischen Streik, im Betrieb sowie in Schule und Universität, als Kampfmittel Nummer 1 auf die Tagesordnung zu setzen!

Umverteilung reicht nicht – Das System ist das Problem!

Große Teile der Partei „die Linke“ haben erkannt, dass der Rechtsruck nur dann gestoppt werden kann, wenn es stattdessen eine linke Antwort auf die Krise gibt. Da stimmen wir zu und halten die Haltung der Linkspartei für richtig, dass die Wohnungsfrage zur Zeit eines der größten materiellen Probleme unserer Klasse darstellt. Allerdings reicht ein bundesweiter Mietendeckel genauso wenig, wie es der Berliner Mietendeckel getan hat! Stattdessen müssen Vonovia und Co. enteignet werden, und zwar im ganzen Land! Die Wohnungen müssen unter Kontrolle der Mieter:innen und Arbeiter:innen verstaatlicht werden! Das ist eine Forderung, wie sie eine starke proletarische Antwort bräuchte. Die Linkspartei schafft es aber nicht, eine kämpfende Bewegung von Arbeiter:innen und Unterdrückten aufzubauen, um schlagkräftig gegen Kürzungen und den immer stärker werdenden Rassismus anzukämpfen, somit fehlt eine linke kämpfende Massenbewegung und eine Führung innerhalb der Arbeiter:innenklasse.

Letztendlich setzt sie auf eine einfache Lösung: sozialstaatliche Umverteilung – und verkennt damit den eigentlichen Charakter der Krise. Diese liegt tief im kapitalistischen System selber, und fußt auf einer Überakkumulationskrise und dadurch verursachter sinkender Profitrate für die Kapitalist:innen. Einfach gesagt: das Kapital, das die Kapitalist:innen investieren, rentiert sich immer weniger. Entsprechend greift die Bourgeoisie nicht aufgrund einer besonders gierigen, einer besonders falschen, neoliberalen Doktrin die Arbeiter:innen an, sondern weil sie das tatsächlich aus ihrem Standpunkt heraus muss, um weiter profitabel zu sein. Gleichzeitig hat die Kapitalist:innen-Klasse de facto wenig Möglichkeiten für Zugeständnisse, weshalb auch eine linkskeynesianische (Kapitalismus mit großer staatlicher Intervention in den Markt) Politik massiver Sozialreformen, wie sie „die Linke“ fordert, zum Scheitern verurteilt ist. Denn wir haben immer wieder in der Geschichte gesehen, dass in Krisen und Kriegen, diese als erstes wieder zurückgenommen werden. So ist es auch heute nicht verwunderlich, aber bestürzend, dass die kommende Koalition den 8-Stunden-Tag aushöhlen will.

Auch wenn die Reformforderungen der Linken grundsätzlich einen guten Charakter haben und Folge richtiger Erkenntnisse sind, bekämpfen sie nur die Symptome des Problems, nicht aber seine Wurzel und sind somit zum Scheitern verurteilt. Die einzige Möglichkeit, wie man gravierende Verbesserungen für das Proletariat, für die Jugend, für alle Ausgebeuteten und Unterdrückten erkämpfen kann, ist, indem man das System selber in Frage stellt! Indem man dafür kämpft, dass die Produktion nicht mehr bestimmt wird durch die Interessen von Kapitalist:innen, sondern durch die Arbeiter:innen selber! Nur wenn wir eine solche Perspektive aufzeigen, die die Massen dazu bewegt, das Problem an der Wurzel zu packen und auszureißen, können wir eine linke Gegenoffensive starten, die den Rechtsruck zu einem hässlichen blau-brauen Vogelschiss der Geschichte macht!

Auf diesen Staat ist kein Verlass!

Doch während wir den Rechtsruck politisch bekämpfen müssen, in dem wir seine Ursachen bekämpfen, stellt sich auch die Frage, wie wir uns gegen rechte Gewalt schützen können. So wurde unser Genosse Leon von Faschisten angegriffen, als Reaktion darauf, dass er linke Organisation in seiner Schule aufbaut. Und auch Mitglieder der Partei „die Linke“ wurden immer wieder Opfer rechter Gewalt. Doch während Linke, wie Lina E. oder die Beschuldigten im Budapest Verfahren, mit hohen Haftstrafen rechnen müssen, kommen Faschist:innen meist im schlimmsten Fall mit einer Bewährungsstrafe davon. Das hat Gründe, die deutlich tiefer gehen als bloß, dass viele Polizist:innen selber ein extrem reaktionäres Weltbild teilen. Die Aufgabe des bürgerlichen Staates ist nämlich nicht der Schutz der „Demokratie“ oder gar der Bevölkerung, sondern der kapitalistischen Ordnung. Und für diese stellen Rechte keine Bedrohung dar. Im Gegenteil! Wenn die herrschende Ordnung in ernsthafter Gefahr ist, können sie als bewaffnete Terrorbande sehr nützlich sein. So die Freikorps, die mit aktiver Unterstützung des deutschen Staates Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten, und in den folgenden Jahren tausende Arbeiter:innen und Linke massakrierten. Oder auch die SA-Schlägerbanden, gegen die der Weimarer Staat nichts ernsthaft unternahm und die nach Hitlers Machtergreifung teils in den Staatsapparat integriert wurden. Die aktuelle Welle rechter Gewalt mag noch weit von Freikorps oder SA entfernt sein, allerdings zeigt sie uns bereits jetzt eines: Auf den Staat ist überhaupt kein Verlass.

Doch wenn der Staat uns nicht schützt, müssen wir uns selber schützen! Wir müssen selber Strukturen schaffen, um uns, unsere Genoss:innen sowie andere Opfer rechter Gewalt wie Migrant:innen, Queers oder Juden:Jüdinnen und Muslim:innen, vor dem Terror zu schützen. Es ist nötig, dass wir in unseren Kiezen, Städten und Dörfern sowie in den Betrieben, Schulen und Universitäten Strukturen schaffen, die in der Lage sind, sich den faschistischen Banden entgegenzustellen! Dafür muss die Partei „die Linke“, die selber mit am meisten von rechter Gewalt betroffen ist, aktiv ihre Mitgliederbasis mobilisieren und sich dafür in Gewerkschaften, Mieter:innenorganisationen etc. einsetzen! Auch muss das verbunden werden mit der Schaffung sozialer Angebote vor allem für Jugendliche, um zu verhindern, dass sich Nazibanden wie 3.Weg oder „Deutsche Jugend Voran“ Elend und Perspektivlosigkeit zu Nutze machen können! Die Aufgabe der Linkspartei sollte es jetzt sein, ihre zahlreichen (neuen) Mitglieder auf einer Aktionskonferenz gegen den Rechtsruck mit den oben beschriebenen Strukturen in Unis, Schulen und Betrieben und anderen Aktivist:innen zusammenzubringen, um gemeinsam über Forderungen und ein Aktionsprogramm gegen Rechtsruck & Krise zu diskutieren!




Kein Vergeben Kein Vergessen! Gerechtigkeit für Lorenz!

Von Yorick F., April 2025

Lorenz A. wurde nur 21 Jahre alt. Am Wochenende wurde er von Bullen durch 4 Schüsse, einen davon in seinen Kopf, ermordet. Unsere Trauer und unser Mitgefühl gilt seinen Angehörigen und Freund:Innen. Nicht einmal ein halbes Jahr nach dem Freispruch der Mörder Mouhamed Dramés hat die Polizei schon wieder einen schwarzen Jugendlichen ermordet.

Was ist passiert?

Der Mord ereignete sich in der Nacht auf Ostersonntag gegen 02:40 Uhr. Lorenz soll in einen Streit vor einem Club verwickelt gewesen sein. Die Hetzer der Springerpresse machen daraus einen „Reizgasangriff“, da er ein Tierabwehrspray bei sich getragen haben soll, und diffamieren ihn als „Disco-Angreifer“. Dazu greifen sie die Behauptungen der Polizei auf, dass er ein Messer bei sich hatte, was jedoch durch diverse Zeugenaussagen stark zu bezweifeln ist. Nachdem er von der Disco flüchtete traf er laut Polizeiaussage auf eine Streife vor der er ebenfalls davon rannte, bevor er auf eine zweite Streife traf. Diese soll er mit Reizgas angegriffen haben woraufhin die Polizei in erschossen habe. Der Obduktionsbericht beweist etwas anderes: Lorenz wurde von hinten durch 4 Schüsse ermordet, zwei davon trafen seinen Körper, einer seinen Kopf. Zeug:Innen berichten, dass dem keine Warnung vorausgegangen sei. All das steht im Widerspruch zur Aussage der Bullen, welche mit ihren Lügen wahrscheinlich versuchen wollten, ihre Tat zu vertuschen.

Die Polizei schützt uns nicht!

Gegen den 27-Jährigen Bullen der auf Lorenz geschossen hat, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet. Das ist das übliche Vorgehen bei Polizeieinsätzen mit „tödlichem Ausgang“ und wird daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu nichts führen. Das haben zahllose Verfahren derselben Art gegen die Mörder:Innen von Oury Jalloh bis Mouhamed Dramé, gezeigt. Das Verfahren wird aus „Neutralitätsgründen“ nicht von der Polizei Oldenburg, sondern von der Polizei Delmenhorst geführt. Nicht nur, dass die Polizei als bewaffneter Trupp zum Schutz des bürgerlichen Staates niemals „neutral“ sein kann, wenn es um rassistische Polizeigewalt geht, so ist die Übernahme durch die Polizei Delmenhorst eine zusätzliche Schweinerei!

Am 06.03.2021 ermordete eben diese Polizei Delmenhorst nämlich Qosay Sadam Khalaf, einen 19-Jährigen yezidischen Jugendlichen. Nachdem sie ihn beim kiffen erwischt hatten, wurde er über längere Zeit unter Einsatz von Pfefferspray und Knien auf seinem Rücken fixiert, in Folge dessen starb er in einem Krankenhaus in Oldenburg. Dort wurde u.a. ein chemischer Superabsorber in seinem Magen gefunden, ein Stoff, welcher Wasser absorbiert. Qosay fragte laut Zeugenaussagen mehrfach nach Wasser, was ihm die Bullen jedoch verwehrt haben. Ein Verfahren gegen die eingesetzten Bullen gab es erst nach Klage der Familie und auch dieses ist mittlerweile, nach ebenso „unabhängigen“ Ermittlungen der Polizei Oldenburg, von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Unter diesen Umständen von „Neutralität“ zu sprechen, ist mehr als widerlich!

Alles keine Einzelfälle!

Der Mord an Lorenz reiht sich neben dem an Qosay in eine Reihe aus rassistischen Morden in Niedersachsen ein. Vor fast genau einem Jahr wurde Lamin Touray im etwa anderthalb Stunden Autofahrt entfernten Nienburg mit 8 Schüssen ermordet. Seine Freundin hatte aus Sorge um Lamin die Polizei gerufen, da sich dieser aufgrund einer drohenden Abschiebung in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Diese brach daraufhin die Tür auf, hetzte einen Polizeihund auf Lamin und erschoss ihn schließlich mit 8 Schüssen. Kurz darauf war zu lesen, dass ein Polizist bei dem Einsatz verletzt worden sei. Jedoch wird nicht erwähnt, dass dies nicht durch Lamin sondern durch einen der 8 abgegebenen Schüssen passierte! Zeug:Innen des Einsatzes bezeichnen den Mord an Lamin als Hinrichtung.

Die Morde an unseren Geschwistern häufen sich. Das ist Ausdruck einer BRD, welche als Resultat von Rechtsruck und Krise immer autoritärer wird. Das reiht sich ein in Abschiebungsoffensiven, Abschottungspläne und innere Aufrüstung sowie die tagtägliche Unterdrückung und verstärkte Ausbeutung, welche rassistisch unterdrückte Menschen erleben müssen. Lorenz, Lamin und Quray zu gedenken, muss heißen, gegen genau diese Zustände zu kämpfen!

Besonders deutlich machen das auch nochmal die Aussagen von Patrick Seegers, dem Vorsitzenden der Deutschen Polizei“gewerkschaft“ Niedersachsens. Dieser forderte als Reaktion auf den Mord an einem 21-Jährigen durch seine Kolleg:Innen, die niedersächsische Polizei mit Tasern aufzurüsten, da diese angeblich tödlichen Schusswaffengebrauch verhindern würden. Wie widerlich das ist, zeigt nicht zuletzt, dass auch beim rassistischen Mord an Mouhamed Dramé Taser zum Einsatz kamen, kurz bevor er mit 6 Schüssen aus einer Maschinenpistole ermordet wurde!

Im Kampf gegen ihre Gewalt müssen wir aufzeigen, dass diese Morde und rassistische Polizeigewalt im Allgemeinen keine „Ausrutscher“ einzelner, sondern das Ergebnis dieser rassistischen staatlichen Ordnung sind. Die Aufgabe der Polizei kann es gar nicht sein, irgendwen vor rassistischer Gewalt zu schützen, da dieser Staat und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse, auf die er sich stützt, von Rassismus direkt profitieren, durch Überausbeutung und Spaltung von uns Arbeiter:innen und Jugendlichen. Rassistische Gewalt zählt zu ihren zentralen Aufgabenbereichen: ob als Schlägertrupp gegen Palästina-Demos, rassistisch motivierte Kontrollen oder die Durchführung meist brutaler und immer gewaltvoller Abschiebungen.

Wie müssen wir kämpfen?

Als Revolutionär:innen treten wir dafür ein, dass wir eigenen militanten Selbstschutz organisieren. Wir müssen uns selbst gegen Rassist:innen, Sexist:innen und auch Polizist:innen verteidigen können. Letztlich fordern wir, den autoritären Polizeiapparat zu zerschlagen und durch Arbeiter:innenmilizen zu ersetzen, die aufgrund ihrer lokalen Verankerung in Räten demokratisch legitimiert und rechenschaftspflichtig sind.

Aber diese Perspektive bleibt radikale Träumerei, wenn wir nicht im Hier und Jetzt anfangen uns an den Orten zu organisieren, wo uns Rassismus, Sexismus und Polizeiwillkür tagtäglich betrifft. Es braucht Verankerungen an Schulen, Unis, Betrieben, Geflüchtetenunterkünften und lokale Strukturen, die diese miteinander in den Vierteln verbinden.

Lasst uns diesen Kampf gemeinsam angehen. Von Trauer zu Wut zu Widerstand!

Wir fordern:

• Polizei aus dem DGB schmeißen! Bullen gehören nicht zur Arbeiter:innenklasse, sondern sind die Schlägertruppe des Kapitals!

• Kein Massenüberwachung z.B. durch, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung usw.!

• Kein Racial Profiling und ein hartes Aburteilen von Bullen, die Racial Profiling anwenden!

• Polizist:innen, die gewalttätig werden, sollen vor Volksgerichte gestellt und diese bei Bedarf abgeurteilt werden! Dafür müssen sie durch ein individuelles Erkennungszeichen identifizierbar sein!

• Keine Militarisierung der Polizei. Sofortige Entwaffnung der Polizei, vor allem was Taser, Maschinenpistolen, Knarren und Handgranaten angeht!

• Für demokratisch legitimierte und kontrollierte Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter:innen, Jugendlichen und allen Unterdrückten des Kapitalismus!




AfD und Krieg – falsche Friedensrhetorik

von Yorick F., April 2025 – 8 Minuten Lesezeit

Die CDU hat gemeinsam mit den Ampelparteien als eine der letzten Amtshandlungen des noch amtierenden Bundestags das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg beschlossen. Neben der Linken hat sich auch die AfD mehrfach öffentlich dagegen ausgesprochen. Letztere versucht sich seit Jahren als sogenannte Friedenspartei zu inszenieren und geht damit insbesondere in Ostdeutschland auf Stimmenfang – durchaus mit einigem Erfolg, wie die letzten Landtags- und Bundestagswahlen zeigen. So hängte sie zur Landtagswahl in Sachsen Plakate auf, welche in ihren Parteifarben auf mehreren Sprachen (Deutsch, Englisch und Russisch) das Wort „Frieden“ zeigten. Interessant ist dazu, dass sie zur letzten Bundestagswahl ihre Forderung nach Wiedereinführung der Wehrpflicht gestrichen hat (wobei sie weiterhin im Parteiprogramm steht) und Figuren wie Chrupalla und Höcke sich derzeit gegen eine weitere Aufrüstung Deutschlands aussprechen sowie die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht „zum jetzigen Zeitpunkt“ ablehnen.

Dass die AfD keine Partei ist, die einen progressiven antimilitaristischen Kampf führt, sollte linken Jugendlichen eigentlich klar sein – wie genau das Verhältnis von der AfD zum Krieg jedoch aussieht wollen wir uns deswegen in diesem Artikel anschauen.

internationale Situation

Um ihre Politik zu verstehen müssen wir uns aber zuerst mit der derzeitigen Weltlage auseinandersetzen, denn aktuell befindet sich der deutsche Imperialismus in einer äußerst schwierigen Situation. Durch die Wiederwahl Trumps in den USA gibt es nämliche eine neue Dynamik innerhalb der imperialistischen Blockbildung. Unter Biden war diese noch eindeutiger, da die USA es geschafft hatte, im Zuge des Krieges in der Ukraine die EU immer mehr in den eigenen Machtblock einzugliedern und in der Konfrontation mit Russland für sich zu nutzen. Mit Trump änderte sich jetzt die Strategie des US-Imperialismus. So nährt er sich nun Russland am, um auf der einen Seite deren Band zu China zu schwächen und die imperialistische Befriedung des Krieges in der Ukraine anzugehen. Aus dieser würden sie profitieren, in dem sie die Ukraine auspressen könnten und durch den Wegfall des militärischen Ressourcenverbrauchs sich auf den Nahen Osten und gleichzeitig die Vorbereitung der Konfrontation mit China, wahrscheinlich rund um Taiwan, fokussieren könnten. Diese stellt für die USA die Relevantere dar, da China der größte Konkurrent der Supermacht auf der Weltbühne ist.

Diese geostrategische Umorientierung Trumps geht einher mit einer immensen Schwächung des Verhältnisses zu der EU, der sogenannten transatlantischen Partnerschaft. So wurden aus Verbündeten kurzerhand wieder offene Rivalen – wobei Trump mit dem Ziel antritt die europäischen Staaten zur vollkommenden Unterordnung zu bringen. Für die EU und insbesondere Deutschland bedeutet dies eine strategische Krise: Ohne die USA als stabilen Partner treten die internen Widersprüche innerhalb der EU immer deutlicher zutage. Denn um mit den USA und China mitzuhalten, müssten sie sich der Aufgabe der politischen Vereinigung Europas stellen.

Die Widersprüche der EU

Seit ihrer Gründung steht die EU vor einem inneren Widerspruch: zum einen ist sie als Wirtschaftsraum weitgehend geeint, zum anderen politisch weiterhin in bürgerliche Nationalstaaten aufgeteilt. Dies führt dazu, dass die EU als Staatenbund v.a. den ökonomisch starken Staaten nützt, welche durch den Freihandel einfacher Extraprofite aus den schwächerer Staaten, z.B. Osteuropas ziehen können. Gleichzeitig aber auch, dass die unterschiedlichen imperialistischen Staaten v.a. Frankreich und Deutschland auch untereinander um die Vorherrschaft innerhalb der EU konkurrieren. Wobei sie zur gleichen Zeit zur Einheit gezwungen sind, da man zu schwach ist um völlig eigenständig auf der Weltbühne bestehen zu können.

Dieser widersprüchliche Charakter der EU wird sich wahrscheinlich schwierig innerhalb des Kapitalismus auflösen können, da eine europäische Vereinigung immer mit einer Absage an die vorherrschenden nationalstaatlichen Interessen einhergehen würde. Somit wird die EU selbst zu einem Hindernis für die Entwicklung der Produktivkräfte und der Lösung der großen europäischen Probleme. Die europäische Politik schwankt also zwischen den Ambitionen der Vereinigung unter deutscher, französischer und tw. auch italienischer Vorherrschaft und der Durchsetzung der nationalen Interessen der einzelnen Staaten. Hinter beiden Polen stehen auch verschiedene Kapitalfraktionen und deren Interessen, was sich ebenfalls in der Parteienlandschaft, in Pro- und Anti-EU Positionierungen ausdrückt.

So enstand 2013 z.B. die „Anti-Euro-Partei“ AfD als Ausdruck dieses Widerspruches. Diese fand (und findet auch immer noch) ihre Basis in Interessensvertreter:innen des deutschen Binnenkapitals bzw. bei „mittelständigen“ Unternehmen. Da diese Kapitalfraktion, weniger von der Überausbeutung „schwächerer“ Staaten durch die EU profitiert, (wobei auch sie aus den überausbeutbaren osteuropäischen Arbeitskräften Gewinn schlagen) sondern z.B. eher eine unabhängige deutsche Währung bevorzugen würden, lehnen diese die EU ab. Dies drückte sich bei der AfD von Anfang an in einem radikalen neoliberalen Kurs gemischt mit einem starken Nationalismus aus, welcher auf „deutsche Unabhängigkeit“ pocht. Die Untermalung dessen mit rassistischer Hetze gegen Migrant:innen macht ihre Politik aus und bringt ihr bis heute anhaltende Wahlerfolge.

Die „Antikriegsposition“ der AfD

So leitet sich auch die angeblich antimilitaristische Position der rechtspopulistischen Partei, aus diesem Verhältnis ab. Das zeigt sich beispielhaft an Höckes Argumentation gegen die Wehrpflicht: Grundsätzlich habe er nichts dagegen, jedoch sei er nicht in der aktuellen Situation dafür, da Deutschland nicht „souverän“ sei und von „Eurokraten“ in einen Krieg verwickelt werden könnte.

Das zeigt deutlich, dass für ihn und die AfD das Problem nicht darin liegt, dass Arbeiter:innen und Jugendliche für Kapitalinteressen sterben müssten – sondern lediglich darin, dass es für die falschen Kapitalinteressen geschieht. Es geht nicht um eine Ablehnung von Kriegen an sich, sondern darum, dass diese nicht im Interesse der „richtigen“ Fraktion des deutschen Kapitals geführt werden. Woraus sich auch deren Positionierung zum Ukraine-Krieg ergibt, hier hat nämlich zwar das Großkapital etwas zu gewinnen, da sich der Reichtum der Ukraine potentiell unter den Nagel gerissen werden kann, beispielsweise durch Spekulierung auf eine Eingliederung in die EU oder das Ergattern von Land wie durch Monsanto (Bayer). Das hilft jedoch dem Binnenmarkt erstmal wenig und ist somit für die AfD uninteressant. Deswegen wird von ihrer Seite aus eben auch nicht in den Chor der Demokratie-Verteidigung mit eingestimmt, sondern nach Frieden geschrien.

Diese Analyse verdeutlich auch nochmal was hinter der Politik der anderen bürgerlichen Parteien steht, welche für Unterstützung der Ukraine argumentieren – nackte Kapitalinteressen. Darüber lässt sich auch Verstehen, dass der Grund warum die CDU (welche historisch das Großkapital vertritt) wegen außenpolitischer Differenzen nicht die Koalition mit der AfD sucht, eben nicht daran liegt, dass sie ein moralisches Problem haben mit „Putinfreunden“ zusammenzuarbeiten, sondern daran, dass die Kapitalinteressen welche sie vertreten auseinandergehen. Deswegen wird solange das deutsche Großkapital, einen Nutzen in der EU sieht, eine Schwarz-Blaue-Koalition eben nur mit Eingeständnissen der AfD in Fragen der EU- und sonstigen Außenpolitik einhergehen, was jedoch dadurch, dass es gegen die Interessen ihrer Basis, dem Binnenkapital geht eher unwahrscheinlich ist.

So spekuliert (zumindest ein Teil) der AfD gerade auf ein Zerbrechen der EU an ihren inneren Widersprüchen um so den deutschen Imperialismus „unabhängiger“ zu machen, was sollte es eintreten Schwarz-Blau wahrscheinlich direkt auf die Tagesordnung setzten würde. So wäre es dann gewiss auch kein Problem mehr, sondern wahrscheinlich eins der dringlichsten Aufgaben aufzurüsten um perspektivisch einen Krieg im Interesse des deutschen Kapitals zu führen. Dies zeigt sich u.a. daran, dass die AfD die Wehrpflicht bislang nicht aus ihrem Programm gestrichen hat. Ebenfalls kritisierten sie obwohl sie finden, dass es der falsche Zeitpunkt zur Einführung der Wehrpflicht sei (Höcke), gleichzeitig dass diese zu lasch sei und forderten wenn sie kommt, diese dann auf mind. 2 Jahre anzusetzen (Weidel).

Was heißt das für uns?

Ob sich die Taktik der AfD auszahlen wird, bleibt abzuwarten. Besorgniserregend ist, dass sie mit ihrer Strategie insbesondere unter Jugendlichen an Unterstützung gewinnt. Für uns als Revolutionär:innen bedeutet das, den Kampf gegen den Rechtsruck mit dem Kampf gegen Militarisierung und Kürzungen zu verknüpfen. Diese Entwicklungen gehören untrennbar zusammen und verstärken sich gegenseitig.

Dazu gehört auch, die Linkspartei aufzufordern, nicht nur abstrakt gegen die AfD Stellung zu beziehen, sondern sich klar gegen Kriegskredite und Kürzungen zu positionieren. Die Basis der Linkspartei und vor allem die Linksjugend muss sich dafür einsetzen, dass der Verrat durch die Zustimmung zu neuen Kriegskrediten in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern sowie Aussagen von Gysi und anderen, die die Aufrüstung lediglich aus finanziellen Gründen kritisieren, offen benannt und mit klaren Konsequenzen belegt werden.

Doch auch das reicht nicht, denn wir als Jugend dürfen nicht tatenlos zusehen, während vorbereitet wird, dass wir auf Schlachtfeldern für das deutsche Kapital sterben sollen uns sich die AfD als widerständige Kraft inszeniert. In diesem Artikel haben wir theoretisch aufgezeigt, dass sie dies nicht ist – nun müssen wir es praktisch beweisen, indem wir eine reale Bewegung gegen Krieg, Krise und Rechtsruck aufbauen. Diese Aufgabe liegt ebenfalls in den Händen der Linkspartei, welche ihren Worten Taten folgen lassen muss. Doch wir sollten nicht warten bis sie diesen Schritt geht, sondern sie durch unser Voranschreiten herausfordern – in dem Wissen, dass wir die Massen die sie organisiert brauchen um wirklich Kampfkraft aufzubauen.

Der Aufbau einer Bewegung kann nur gelingen, wenn sich die fortschrittlichsten Kräfte der Jugend und Arbeiter:innenklasse an ihren Schulen, Universitäten und Betrieben organisieren. Damit können und müssen wir heute beginnen. Darüberhinaus braucht es eine bundesweites Antikrisenbündnis und eine Strategiekonferenz mit allen fortschrittlichen Kräften innerhalb und außerhalb der Linkspartei um unsere Anstrengungen zu koordinieren und das Zusammenführen dieser Kämpfe effektiv voranzubringen. Wir wissen aber, dass kann nur erfolgreich sein, wenn wir ihre gemeinsame Ursache, welche sie so untrennbar verbindet erkennen und bekämpfen: den Kapitalismus.




10 Gründe, warum wir den Tag Merz zum Desastar machen müssen!

Von Lia Malinowski, März 2025 – 9 Minuten Lesezeit

Friedrich Merz wird Kanzler – so viel steht nach der Bundestagswahl letzten Monat fest. Die Union ist mit fast 30% der Stimmen stärkste Kraft. Dahinter kommt die AfD mit über 20% und die SPD mit 16%. Die CDU kann also mit AfD und SPD koalieren, aktuell laufen schon Koalitionsgespräche zwischen SPD und CDU. Zwar ist es nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich, dass die CDU mit der AfD koalieren wird, denn Gewerkschaften und Unternehmerverbände wünschen sich beide eine kleine GroKo (Große Koalition, SPD und CDU). Die Frage, die sich nun stellt: Was will Merz und was will die zukünftige Kleine Koalition?

1. Merz will Reiche beschenken

Wenig überraschend will die Union die Unternehmenssteuer senken und den Solidaritätszuschlag streichen. In Zeiten von Haushaltskrisen, Reallohnverlusten und Massenentlassungen werden Unternehmen und Reiche entlastet und sollen für die Krise ihres Systems nichts zahlen. Dafür aber wir Arbeiter:innen und Jugendliche um so mehr.

2. Merz will das Bürgergeld abschaffen

Das Bürgergeld, welches gerademal das Existenzminimum sicherstellt, soll abgeschafft werden. Stattdessen soll eine „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ins Leben gerufen werden, die auf dem Prinzip „Fördern und Fordern“ beruhen soll. Das geht einher mit einer härteren Sanktionspolitik. So soll beispielsweise die Ablehnung von „zumutbarer Arbeit“ zu vollständigem Streichen der Leistungen führen. Zumutbar bedeutet in dem Kontext aber, dass du für Mindestlohn mehrere Stunden Hin- und Rückweg in Kauf nehmen musst. Wer also nicht nach 10 Stunden Arbeit 2 Stunden nach Hause fahren will, um danach noch Haus- und Carearbeit sowie genügend Schlaf hinbekommen zu müssen, für einen Hungerlohn von gerademal 120€ Brutto, soll kein Geld mehr vom Staat bekommen und ist so komplett auf sich selbst gestellt. Der regelrechte Krieg gegen Arbeitslose erscheint im Kontext der knapp 640.000 Stellen auf fast 3.000.000 Arbeitssuchende völlig absurd. Aber er hat einen Sinn: Ablenken, Spalten und gefügig machen. Denn mit dieser Aussicht bei Jobverlust, sollen die Arbeitenden immer schlechtere Arbeitsbedingungen und schlechtere Löhne akzeptieren ohne sich dagegen zu wehren.

3. Merz will die Abschaffung vom 8-Stunden-Tag

Die Union und die SPD sind sich einig, der vor 100 Jahren durch die Arbeiter:innenbewegung erkämpfte 8-Stunden Tag soll abgeschafft werden. Stattdessen soll eine „Wochenhöchstarbeitszeit“ eingeführt werden – wie hoch die sein soll wird nicht gesagt. Aktuell darf man nicht länger als 8 Stunden, höchstens 10 Stunden am Tag arbeiten. Nur in Außnahmefällen (Feuerwehr, Rettungsdienst etc.) darf diese Grenze überschritten werden. Das wollen die sogenannten Sozialdemokraten auf Wunsch von Merz abschaffen. Spätestens an diesem Punkt müssten die Gewerkschaften, anstatt sich für diese auszusprechen, den erbitterten Kampf gegen diese Regierung und ihre Politik führen!

4. Merz will rassistische Abschottung

Die rassistische Migrationspolitik soll noch rassistischer werden. Bisher war das offizielle Ziel die Migrationssteuerung – jetzt soll das Ziel zusätzlich die Begrenzung von Migration werden! SPD und Union sind sich einig, dass Zurückweisungen an den Außengrenzen vermehrt stattfinden sollen und den Familiennachzug wollen sie ebenfalls aussetzen. Wer vor Kriegen flüchtet soll wenn es nach der CDU geht keine Möglichkeit mehr haben, einfach nach Deutschland zu kommen. Außerdem will er für Geflüchtete Unterstützung nach dem Grundsatz „Bett, Brot und Seife“ – nur das Nötigste, um keine Leichen in Deutschland zu erzeugen. Die so erzeugten schrecklichen Lebensbedingungen, werden niemanden helfen – dass als Lösung für die Krise dazustellen, ist die ekelhafteste Form von Ablenkungspolitik, die niemandem nützt, außer den Reichen und Konzernen!

5. Merz will Abschieben, Abschieben, Abschieben…

Darin reiht sich der nächste Punkt direkt ein – Merz will eine „Rückführungsoffensive“ oder wie Olaf Scholz es gesagt hätte „im großen Stil abschieben“. Es soll der verpflichtende Rechtsbeistand vor einer Abschiebung abgeschafft werden, wer also kein Geld für einen Anwalt hat, kann einfacher abgeschoben werden. Außerdem sollen die Abschiebehaftkapazitäten ausgebaut werden, also mehr Abschiebeknäste, in denen die Menschen fast völlig entrechtet werden und nicht ohne Grund bei vielen massive psychische Probleme und Traumata entstehen. Die Kapazitäten sollen aber nicht nur ausgebaut werden, natürlich will Merz mit der SPD zusammen auch generell mehr Abschiebehäftlinge haben. Die Bundespolizei bekommt mehr Befugnisse und mehr Menschen sollen in Abschiebehaft genommen werden können. Außerdem soll die Liste von „sicheren Herkunftsländern“ erweitert werden, unter Anderem um Afghanistan und Syrien.

6. Merz will die Staatsbürger:innenschaft aberkennen

Besonders wenn es um Palästinasolidarität geht wurde das schon mehrfach diskutiert – jetzt wollen Merz und die SPD die Staatsbürger:innenschaft an die politische Gesinnung knüpfen. Was angeblich nur „Extremisten, Terroristen und Antisemiten“ drohen soll, kann faktisch alle treffen, die gegen den Genozid in Palästina kämpfen. Die Staatsbürger:innenschaft kann aberkannt werden, wenn jemand eine weitere hat. Das wirkt besonders makaber mit dem Hintergrund der Geschichte Deutschlands, mit den tausenden Rechtsextremen die Migrant:innen, Jüd:innen, Linke und Queere Menschen angreifen und einem Hubert Aiwanger, der per Du mit Söder ist. Es geht mal wieder nicht um Antisemitismus, sondern um die Kriminalisierung von Migrant:innen!

7. Merz will 500 Milliarden für Krieg

Merz steht für massive Aufrüstung. Am Dienstag den 18. März wurde ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr aufgesetzt – durchgedrückt durch den alten Bundestag statt mit den neuen Mehrheiten. 500 Milliarden (eine Zahl mit 11 Nullen!!) gehen in die Kriegsproduktion, während Merz und Co. an allen anderen Stellen sparen wollen. Die Summe, die ausschließlich dem Krieg dient, ist sogar 50 Milliarden Euro höher als der gesamte Bundeshaushalt der BRD im Jahr! Angesichts der Wirtschaftskrise und dem neu entbrandenden Kampf um die Neuaufteilung der Welt sieht sich der deutsche Imperialismus gezwungen, sich selbst Kriegstüchtig zu machen, um doch noch ein Wort bei dem imperialistischen Spiel mitreden zu können. Dabei haben wir als Jugend jedoch nichts zu gewinnen.

8. Merz will Unendliche Aufrüstung

Weil das 100 Mrd Sondervermögen und das neue 500 Mrd Sondervermögen ja nicht ausreichen, soll die Rüstung außerdem von der Schuldenbremse befreit werden. 1% des BIP in die Rüstung werden noch im Rahmen der Schuldenbremse gerechnet, alles darüber hinaus darf einfach so ausgegeben werden. Dadurch soll das Ziel von 2% – 3% des BIP für den Krieg langfristig möglich gemacht werden, ohne die Wirtschaft dabei völlig lahmzulegen. Wo sonst immer das Argument kommt, man wolle der Jugend nicht die ganzen Schulden aufbürden, ist jetzt die Vaterlandsverteidigung gegen den „bösen Russen“ wichtiger – allerdings auch nur da, für alles andere (besonders für uns als Jugend!) bleibt weiterhin kein Geld.

9. Merz will Waffenlieferungen für Krieg und Genozid

„Wir unterstützen die Ukraine mit diplomatischen, finanziellen und humanitären Mitteln sowie mit Waffenlieferungen. Sie verteidigt auch unsere Freiheit. Israel stehen wir bei seinem legitimen Kampf gegen den Terror zur Seite.“ – zu den Worten des Wahlprogramms muss nicht viel gesagt werden. Wenig überraschend soll das imperialistische Interesse Deutschlands und des Westens in der Ukraine weiterhin durchgesetzt werden und auch der Genozid gegen die Palästinenser:innen soll weiter befeuert werden. Wir müssen uns gegen ihre imperialistische Politik wehren – dass unsere Klassengeschwister durch deutsche Waffen sterben, kann nicht in unserem Interesse sein.

10. Merz will Selbstbestimmung abschaffen

Merz will das Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen, wenige Montate nachdem es in Kraft getreten ist und nicht im Ansatz ausreicht. Er lobt Trump dafür, in den USA trans Menschen zu kriminalisieren. Der Typ, der der Meinung ist, es gäbe innerhalb der Ehe keine Vergewaltigung, unterstellt jetzt, dass das Selbstbestimmungsgesetz missbraucht wird, um Frauen zu belästigen – und vergisst dabei, dass trans Menschen besonders häufig Belästigung und sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind. Dass es ihm dabei null um die Rechte von Frauen geht, zeigt sich auch daran, dass er Abtreibungen weiterhin als Straftatbestand beibehalten will und dass er die „traditionelle“ Familie stärken will – also jene Einheit der Gesellschaft, die für die Unterdrückung der Frau verantwortlich ist!

All diese Punkte ergeben natürlich aus der Sicht eines Merz Sinn, sind sie alle doch für den Kapitalismus in seiner aktuellen Krisenperiode notwendig, um die Ausbeutung und Reproduktion der Arbeitskraft weiterhin am Laufen zu halten und somit den deutschen Imperialismus zu stärken. Dabei sind diese 10 Punkte nur ein kleiner Ausschnitt seiner durch und durch reaktionären Politik, die uns zu erwarten hat, wenn wir nichts dagegen unternehmen! Deswegen sagen wir:

Wir brauchen einen Schulstreik gegen Merz!

Für uns als Jugend ist der Schulstreik das stärkste Mittel, um unserer Stimme kraft zu verleihen und Druck hinter unsere Forderungen zu stecken. Deshalb ist die notwendige Antwort auf eine Merz-Regierung ein Schulstreik an dem Tag, an dem Merz Kanzler wird! Um das zu erreichen, müssen wir an unseren Schulen Aktionskomitees aufbauen und unsere Mitschüler:innen zu dem Streik zu mobilisieren. Wir rufen dabei die Linksjugend und alle anderen Kräfte welche sich gegen die neue Rechtsregierung stellen wollen auf, gemeinsam diesen Streik mit uns vorzubereiten!

Weil ein Schulstreik alleine aber nur eine begrenzte Wirkung hat, müssen wir die Gewerkschaften des DGB und Linkspartei auffordern, mit uns zu kämpfen – und eine Bewegung aus Massenaktionen und politischen Streik gegen die Angriffe von Merz Regierung zu organisieren! Hier hat die Linksjugend die Aufgabe, diese Auseinandersetzung mit ihrer Mutterpartei zu führen und den versprochenen Kampf gegen Rechtsruck und Krise aktiv einzufordern.

In diesem Kampf müssen wir als Revolutionär:innen für einen Bruch mit dem reformistischen Bewusstsein unserer Klasse kämpfen – dass die SPD nahezu alle 10 Punkte mittragen will und die Linkspartei keine gescheite Antwort hat wie der Widerstand gegen Merz, Rechtsruck und Krise organisiert werden kann, beweist wie dringend notwendig das ist! Nur ein revolutionäres Programm wird unsere Interessen wirklich durchsetzen können.
Für eine Einheitsfront aus Schulstreiks, Massenaktionen und politischen Streiks gegen Merz, den Rechtsruck und den sozialen Kahlschlag!

Einer Bewegung gegen Rechtsruck, Krise und Merz schlagen wir folgende Forderungen vor:

  • Alle Abschiebungen stoppen! Offene Grenzen und volle Staatsbürger:innenrechte für alle, dort wo sie grade leben!
  • Kampf allen Angriffen auf Arbeits- oder Streikrecht! Statt der Abschaffung des 8-Stunden Tags braucht es eine gleitende Arbeitszeitskala, um die Arbeitszeit zu verkürzen und Arbeit zu verteilen, sowie Offenlegung aller Geschäftsunterlagen!
  • Kein Cent dem Militarismus! Stopp aller Waffenlieferungen an Ukraine und Israel, 500 Milliarden für Schulen, Jugendclubs und Gesundheit – finanziert durch Besteuerung der Reichen und kontrolliert durch Ausschüsse der Arbeiter:innen, der Jugend und der Gewerkschaften!
  • Selbstbestimmung ausbauen statt bekämpfen! Einfacher und unbürokratischer Zugang zu Namensänderung, Hormonen und Abtreibungen! Abschaffung des §218! Vergesellschaftung der Hausarbeit statt Stärkung der patriarchalen, traditionellen Familie!



Solidarität mit Leon – Wir brauchen eine antifaschistische Einheitsfront – in Hsh und überall!

März 2025, 3 Minuten Lesezeit

In Berlin Hohenschönhausen ist ein Genosse kürzlich von Nazis angegriffen worden. Ihm gilt unsere uneingeschränkte Solidarität, unser Respekt aber auch unsere Sorgen und Mitgefühl. Wir sind aber nicht nur besorgt – wir sind auch wütend!

Der Rechtsruck nimmt die Straße

Dass er körperlich nicht schwer verletzt wurde, liegt vor allem daran, dass er längst mit einem solchen Angriff gerechnet hat und daher schnell reagieren und fliehen konnte. Warum hat er damit schon gerechnet? Weil schon seit Jahren von rechter Gewalt immer größere Gefahr ausgeht. Nach jedem Wahlsieg der AfD gehen Faschos mit größerem Selbstbewusstsein auf die Straße und bedrohen vermeintliche Migrant:innen, Linke, Queers und alle anderen, die nicht in ihr chauvinistisches Weltbild passen. Für alle, die das Glück haben, dies nicht am eigenen Leib mitzubekommen: Auch die Statistik hat 2024 die meisten Übergriffe in der Geschichte der BRD gezählt.

Der Staat schützt uns nicht

Während rechte Aufmärsche und AfD-Parteitage mit Tausenden von Polizeikräften vor Gegenprotest “geschützt” werden, kam auf Leons Notruf hin eine einzelne Streife vorbei – nach einer Zeitspanne, in der alles mögliche hätte passieren können. Soll er sich glücklich schätzen, dass sein Notruf überhaupt entgegengenommen wurde? Nein, Freunde und Helfer sind das leider nicht mal dann. Und das liegt nicht nur an den rechten Netzwerken und Chatgruppen, die regelmäßig innerhalb der Polizei aufgedeckt werden. Der Staat ist es doch selbst, der vom Rechtsruck profitiert und ihn befeuert – ob durch seine rassistische Abschiebepolitik, durch Militarisierung und Aufrüstung oder wenn Bullen brutal eine Demo zum Frauenkampftag angreifen und die arabische Sprache verbieten.

Wir müssen uns selbst-verteidigen

Es gibt keine andere Wahl. Aber wie kann das funktionieren? Sich individuell oder in der Sportgruppe skills anzueignen, kann sicherlich nicht schaden, es bietet aber langfristig keine Perspektive. Es ist wichtig, dass wir uns organisieren – in Schulen, Unis und Betrieben. Ein gut organisiertes, lokales Schulkomitee kann nicht nur schnell auf Angriffe reagieren, indem es den Rechtsruck mit den konkreten Problemen an der Schule verbindet und Verbesserungen erkämpft kann es uns auch aus der Defensive hinausbefördern. Aber auch das wird nicht reichen, um flächendeckend Fortschritte zu erreichen, um Abschiebungen oder AfD-Parteitage verhindern können, vermutlich nicht einmal um unsere eigenen Demos verteidigen.

Wir brauchen letztendlich den Schulterschluss mit der Arbeiter:innenklasse und eine Massenbewegung. Nur sie wäre auch in der Lage effektive Selbstverteidigungsstrukturen aufzubauen, welche lokal verankert und einsetzbar sind, jedoch auch demokratisch kontrollierbar. Aber apropos Massen. Wie kann es eigentlich sein, dass Neonazis ungestört einen Schüler durch die Straßen einer Stadt jagen können, in der die Linke die letzte Wahl gewonnen hat?

Liebe Linkspartei, liebe Gewerkschaften,

große, kleine Anfragen und eine kritische Stimme im Bundestag reichen schon seit langem nicht mehr, um diesen Rechtsruck aufzuhalten. Was wir brauchen, ist eine Bewegung auf der Straße, an Schulen, Unis und Betrieben. Wir brauchen eine Aktionskonferenz, in dem sich alle Aktivist:innen (und nicht zuletzt eure 100.000 Mitglieder) auf gemeinsame Aktionen gegen rechts einigen und eine Strategie diskutieren können. Wir brauchen eine klare Positionierung der Streiks im öffentlichen Dienst gegen den Rechtsruck. Die Kolleg:innen von der BVG könnten Workshops und Schulungen erstreiken, wie rechte Übergriffe im ÖPNV verhindert werden können, an Schulen könnte mithilfe der GEW eine von Lehrer:innen und Schüler:innen selbstverwaltete Antidiskriminierungs- und Abwehrstelle erkämpft werden. Letztendlich könnte ein politischer Generalstreik den Rechtsruck insgesamt umkehren, den Tag für uns Jugendliche und Arbeiter:innen retten und die Ära Merz beenden noch ehe sie begonnen hat.

Lasst uns das angehen um zukünftig solche Übergriffe zu verhindern!




Hohenschönhausen: Linker Schüler wird von Rechtsradikalen durch Straßen gejagt

Pressemitteilung der Initiative Solidarität mit Leon

In der Nacht vom 7. zum 8. März wurde Leon W., der in die 11. Klasse des Grünen Campus Malchow geht, von einer ca. 15-köpfigen Gruppe Neonazis gejagt. Das Ereignis reiht sich ein in eine sich zuspitzende Bedrohungslage, der sich Leon ausgesetzt sieht, seitdem er begonnen hat, sich an seiner Schule gegen Rassismus und für mehr Mitbestimmung von Schüler:innen einzusetzen.

Dazu gehörte u.a. die Organisierung einer Vollversammlung, auf der die Schüler:innen sich über ihre Sorgen und Ängste anlässlich von Abschiebungen und eines sich verschärfenden rassistischen Klimas in der Gesellschaft austauschten. Zudem diskutierten sie über mögliche Reaktionen auf eine von ihnen wahrgenommene Kriegsgefahr und Militarisierung sowie eine – von ihnen als “Bildungskrise” bezeichnete – Situation im Schulsystem, die sich durch Kürzungen seitens der Regierung weiter verschlechtern könnte.

Leon und die anderen Aktiven haben einerseits Zuspruch und Unterstützung erfahren, andererseits hat eine lose Gruppe von Schüler:innen, denen eine Verbindung ins rechtsradikale Milieu zugesagt wird, von Beginn an ihre Gegnerschaft zu der Initiative bekundet.

Die darauf folgenden Bedrohungen und Einschüchterungsversuche richteten sich zunehmend gegen Leons Person selbst. So wurden Aushänge mit seinem Namen, seiner Telefonnummer und einem Foto von ihm verklebt, auf denen er als “Linksradikaler “ markiert wird, verbunden mit der Aufforderung, sich von ihm fernzuhalten. Zu einem öffentlichen Treffen von Leons Schulgruppe erschienen drei vermummte Personen, die sich drohend neben den sich versammelnden Schüler:innen aufgebaut haben. Ebenso haben seine Eltern beobachtet, wie Unbekannte sein Klingelschild in seiner Straße ausfindig gemacht haben. Kurz darauf entdeckte Leon selbst ein Graffito von seinem Nachnamen und der Drohung “verrecke!”.

In der Nacht von Freitag zu Samstag erreichte die Bedrohung ihren bisherigen Höhepunkt. Eine Gruppe von ca. 15 Vermummten verschiedenen Alters fing Leon in der Nähe seiner Wohnung ab.  Sie bedrohten ihn verbal und stürmten auf ihn los sowie auf zwei Schulfreunde, die ihn begleiteten.  Die Jugendlichen konnten fliehen und sich dem Angriff durch Verstecken entziehen. Sobald möglich betätigten sie den Notruf. Nachdem Leon der Leitstelle über vier Minuten die Situation schildern musste, während derer er und seine Freunde in unmittelbarer Gefahr schwebten, wurde schließlich eine einzelne Streife geschickt. Die zwei Polizeibeamten ergriffen jedoch keine unmittelbaren Maßnahmen und ließen die Mehrheit der rechten Gefährder ziehen, ohne ihre Personalien aufzunehmen.

Leon sieht sich nach diesem Vorfall nicht hinreichend durch die Polizei geschützt und fordert, dass sich Betroffene selbst zu ihrem Schutz zusammentun. Er und seine Mitstreiter:innen sagen auch, dass sie sich nicht einschüchtern lassen wollen und ab jetzt “erst recht Aktionen gegen den Rechtsruck” an der Schule organisieren möchten. Die Übergriffe und Drohungen gegen Leon sind leider kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines zunehmend rassistischen Klimas und eines Rechtsrucks im ganzen Land. Wehrt den Anfängen!

Für weitere Anfragen stehen wir gern unter inititativesolimitleon@proton.me zur Verfügung

Christoph Katzer