Deutsche Wohnen & Co Enteignen: Perspektiven & Grenzen des Volksbegehrens

Von Sani Meier

Als im
April diesen Jahres der Berliner Mietendeckel vom
Bundesverfassungsgericht gekippt wurde, hat sich wohl für viele
Berliner_Innen die Hoffnung auf bezahlbare Mieten in der Hauptstadt
vorerst erledigt. Das Gesetz der rot-rot-grünen Landesregierung
hatte die Mieten von rund 1,5 Millionen Wohnungen auf dem Stand von
Juni 2019 für die nächsten fünf Jahre eingefroren oder zu hohe
Mieten auf dieses Level abgesenkt. Nachdem CDU&FDP massiv dagegen
geklagt hatten, wurde dieser Beschluss nun vom
Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt und
Vermieter_Innen können die Mieten nun wieder ungestört erhöhen.
Die Mietdifferenzen der vergangenen Monate werden dann auch gleich in
Form von Mietrückzahlungen von ihren Mieter_Innen gefordert. Dass im
selben Zeitraum ein großer Teil der Bevölkerung durch die
Corona-Krise in Kurzarbeit gehen musste oder gleich den Job verlor
,und somit gar nicht in der Lage war die Mietdifferenz zur Seite zu
legen, spielt dabei keine Rolle. Gleichzeitig verzeichneten
Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen nicht einmal Verluste. Dass
hier einmal wieder Staat & Justiz zu Gunsten des Kapitals
entschieden haben, ist offensichtlich und verschärft die
Auswirkungen der Krise gerade für die Menschen, die sowieso schon am
stärksten von ihr betroffen sind. Wie groß die Wut der Berliner
Mieter_Innen über dieses Urteil ist, zeigte sich daran, dass noch am
selben Tag mehr als 20 000 Menschen dagegen auf die Straße gingen.
Auch hat sich ein weiteres Mal gezeigt, wie gefährlich es ist, auf
den Erfolg einzelner Reformen zu setzen, denn auch wenn der
Kapitalismus durchaus dazu in der Lage ist, zeitweise kleine
Verbesserungen für Arbeiter_Innen zuzulassen, so kann er sie genauso
schnell wieder zurücknehmen.

Die
letzte Hoffnung, auch in Zukunft eine Chance auf bezahlbaren Wohnraum
in der Hauptstadt zu haben, stellt für viele nun die Initiative
„Deutsche Wohnen & Co Enteignen“ dar. Wir wollen sie in
diesem Artikel vorstellen und ihre Perspektiven, aber auch ihre
Grenzen aufzeigen.

Enteignung?
Was ist das überhaupt?

„Deutsche
Wohnen & Co Enteignen“, kurz „DWE“, hat das Ziel, den
Berliner Senat durch einen Volksentscheid dazu zu bringen, ein Gesetz
zu erlassen, welches Wohnungen von privaten Wohnungsgesellschaften
mit mehr als 3000 Wohnungen vergesellschaftet und sie in eine Anstalt
öffentlichen Rechts (AöR) überführt. Konkret würden circa
240.000 Wohnungen von 14 Konzernen enteignet werden. Durch die
Vergesellschaftung soll die Kontrolle über die Stadt dem Markt
entzogen werden und auf die Stadtgesellschaft übertragen werden.
Privates Eigentum wird also in öffentliches Eigentum überführt,
welches dann gemeinwohlorientiert bewirtschaftet und demokratisch
verwaltet werden solle, wobei das im Sinne der bürgerlichen
Demokratie wäre – zum Vergleich: Die Berliner Verkehrsbetriebe
(BVG) sind eine Anstalt des öffentlichen Rechts, trotzdem können
wir da weder über den Fahrpreis bestimmen, geschweige denn über den
Neubau von Straßenbahnstrecken…

Dass
mit der Enteignung klingt auch erstmal utopisch im Kapitalismus. DWE
verweist aber auf Artikel 15 des Grundgesetzes als juristischer
Grundlage für dieses Vorhaben. Darin heißt es nämlich, dass Grund
und Boden „zum Zwecke der Vergesellschaftung“ in „Gemeineigentum
oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft“ umgewandelt werden
können. Gleichzeitig heißt es in Artikel 18 der Berliner
Verfassung: „Jeder Mensch hat das Recht auf bezahlbaren Wohnraum.
Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem
Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen.“ Eine
angemessene Miete darf übrigens nicht mehr als 30% des Einkommens
betragen- die Realität sieht für die meisten Bewohner_Innen
deutscher Großstädte schon seit Jahren anders aus (im Durchschnitt
beträgt die Miete heute 58% des Einkommens). Deshalb werden nun bis
Ende Juni fleißig Unterschriften gesammelt, denn mindestens 7% aller
Wahlberechtigten in Berlin müssen das Volksbegehren unterzeichnen,
damit es im Berliner Senat zur Debatte steht – Doch wie geht’s
danach weiter?

Mit
Unterschriften Vermieter_Innen den Kampf ansagen?

Dieser
Slogan klingt ein bisschen wie David gegen Goliath und kann es unter
Umständen auch sein. Denn leider setzt das Volksbegehren seine ganze
Hoffnung in ein Gesetzgebungsverfahren, welches eine Mehrheit im
Abgeordnetenhaus benötigt. Letztendlich hängt also alles von der
Gunst von SPD, Grünen und Linkspartei ab. Sollte das nicht gelingen,
gibt es keinen Plan B zur Vergesellschaftung und die Initiative wäre
Geschichte. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass DWE auch
alternative Strategien diskutiert und ermöglicht, welche die
Initiative weiterführen kann. Dazu zählt vor allem die
Notwendigkeit zum Aufbau einer Massenbewegung aus Mieter_Innen,
Arbeiter_Innen, Jugendlichen und Gewerkschaften. Dass letztere auch
jetzt schon teilweise Unterstützer_Innen von DWE sind, ist eine
optimale Grundlage, um arbeitende Teile der Gesellschaft, unter
anderem durch Streiks, massenhaft in den Wohnungskampf zu
integrieren. Nur durch eine Massenbewegung auf der Straße kann genug
Druck aufgebaut werden, um über die Frage von Wohneigentum selbst
demokratisch entscheiden zu können. Der legale Weg über Petitionen
kann dazu nur der erste Schritt, eine Mobilisierung sein. Darüber
hinaus braucht es Aktionskomitees in den Kiezen, Betrieben, Unis-
aber auch in Schulen, die z.B. auch in der Lage wären einen
Mietboykott zu organisieren. Denn vor allem die Wohnungsfrage
betrifft Jugendliche in besonderem Maße, da sie keinen Zugang zu
alten und günstigen Mietverträgen haben und mit dem Gehalt aus
Ausbildung oder Minijob fast keine Aussicht auf ein Wohnungsangebot
haben. Wer es sich nicht leisten kann ist also gezwungen auf
unbestimmte Zeit im Elternhaus zu bleiben und durch finanzielle
Abhängigkeit nicht in der Lage ein unabhängiges Leben zu beginnen.
Weiterhin muss DWE (Deutsche Wohnen und Co enteignen) breite
Schichten der Arbeiter_Innenklasse aktiv organisieren, um ein
Gegengewicht zur Macht des Kapitals darstellen zu können, denn nur
so kann perspektivisch auch die Frage des politischen Streiks für
bezahlbaren Wohnraum aufgeworfen werden.

Wir
unterstützen trotzdem die Initiative und beteiligen uns aktiv an
ihr, aber werfen auch Forderungen auf, die über sie hinausgehen:

  • Dazu
    zählt vor allem die entschädigungslose Enteignung, welche momentan
    nicht von DWE vorgesehen wird. So sollen die zu enteignenden
    Immobilienkonzerne nach der Vergesellschaftung eine
    Entschädigungszahlung enthalten, welche aus den vergesellschafteten
    Profiten finanziert werden soll. Wir halten es für absurd, dass
    milliardenschwere Konzerne letztlich auch noch entschädigt werden
    sollen, nachdem sie jahrzehntelang ihre Mieter_Innen ausgepresst und
    sich an deren existenziellen Nöten bereichert haben.

  • Stattdessen
    sollte sofort leerstehender Wohnraum beschlagnahmt werden und
    Menschen mit geringem Einkommen zur Verfügung gestellt werden oder
    für eine dezentrale Unterbringung Geflüchteter und Wohnungsloser
    genutzt werden.

  • Weiterhin
    halten wir es nicht für genug, nur 14 Konzerne zu enteignen und
    treten für eine Enteignung des gesamten Wohnungsbausektors unter
    wirklicher, direkter Kontrolle der Mieter_Innen ein, damit diese
    selbst über Wohnraum entscheiden und verfügen können, anstatt
    Bitten an die Regierung zu stellen, wie das bei einer AöR passieren
    müsste.

  • Gleichzeitig
    fordern wir bis dahin die Wiedereinführung und Ausweitung des
    Mietendeckels, natürlich bundesweit und nicht nur in Berlin, und
    eine vollständige Streichung aller Mietrückzahlungen und
    Mietschulden!
  • Auch
    darf die gesamte Enteignungskampagne nicht nur in Berlin
    stattfinden, sondern sollte von DWE auf die ganze Bundesrepublik
    ausgeweitet werden, denn nicht nur in Berlin leiden große Teile der
    Arbeiter_Innenklasse unter Wohnungsnot und Obdachlosigkeit.

In
diesem Sinne kämpfen wir für eine massenhafte Mieter_Innenbewegung
auf der Straße, in Schulen, Unis und Betrieben – und nicht bloß auf
dem Papier!




Bundestagswahl: Der deutsche Imperialismus und seine Parteien

Von Romina Summ

Der
Druck auf den deutschen Imperialismus wächst. Die Weltwirtschaft
steckt seit 2008 in einer kapitalistischen Krise, die nunmehr durch
die Pandemie extrem verschärft wurde. Hinzu kamen in der Ära Merkel
die Schuldenkrise, Schwäche der EU, Migrationsfrage, Kampf um die
Neuaufteilung der Welt und Umweltfrage. Diese strukturellen Probleme
sind miteinander verwoben, kombiniert und komplex aber vor allem
ungelöst. Jahrelang hat Angela Merkel mit der CDU in verschieden
Koalitionen die Krise gemanagt. Dieses Krisenmanagement ist jedoch
selbst in die Krise geraten. Die Bourgeoisie benötigt eine neue
Strategie, um die strukturellen Herausforderungen des deutschen
Imperialismus meistern zu können und um als Macht mithalten zu
können.

Die
unterschiedlichen Strategien zur Lösung der Krise des deutschen
Kapitals wird bei der kommenden Bundestagswahl eine entscheidende
Rolle spielen. Wir haben uns die Positionen der einzelnen Parteien
genauer angeschaut. Welche Vorschläge haben sie, um die Krise
abzuwenden und vor allem zu wessen Lasten gehen sie? Im Raum stehen
momentan eine Schwarz-Grüne bzw. Grün-Schwarze Koalition oder eine
Ampel-Koalition (Grüne, SPD, FDP). Eine Regierung aus Grüne, SPD
und Linke scheint unwahrscheinlich und die Grünen wenden sich davon
zunehmend ab.

Die
bürgerlichen Parteien

Die
Grünen

Die
Grünen sind momentan im Umfragehoch und wahrscheinlich führt in der
nächsten Regierung kein Weg an ihnen vorbei. Vieles spielt ihnen in
die Karten: Ein gesellschaftliches Bewusstsein zur Klimafrage und die
Krise der Union sowie der SPD, als auch die Stagnation von Linke und
FDP.

Die
Grünen bieten mit dem Green New Deal im Gegensatz zur CDU / CSU den
deutsche Kapitalist_Innen eine klare Strategie an, hinter der die
Partei geschlossen steht, wie sie überhaupt als einzige Partei einen
in sich geschlossenen Weg aus der Krise vorschlägt. Das Programm
spricht vor allem städtische Mittelschichten und liberale
Angestellte an, aber auch Jugendliche aus FFF sowie gut gestellte
Teile der Arbeiter_Innenklasse. Die Grünen wollen einen
„nachhaltigen Strukturwandel“, mit dem sie den Industriestandort
und die EU stärken wollen, sowie (mehr oder weniger) grüne
Technologien mit staatlichen Investitionen ausbauen wollen, betroffen
sind vor allem die zentralen Wirtschaftssektoren, Metall- und
Elektroindustrie. Letztlich geht es den Grünen dabei darum, die
deutsche Exportindustrie hinsichtlich der Green Technologies auf
einen Spitzenplatz in der Weltkonkurrenz zu heben und so im Wettlauf
mit China und den USA um die Neuaufteilung der Welt mitzuhalten, was
ohne die EU nicht geht. Dass ein kapitalistisches System niemals
nachhaltig sein kann, weil es dazu gezwungen ist, die Produktion
immer weiter auszuweiten, kommt bei den Ideen der Grünen natürlich
nicht vor.

Dass
bei den Grünen die wirtschaftlichen Interessen vor den sozialen
stehen, geben sie offen zu. So heißt es in ihrem Programm, dass die
Wirtschaftskraft zentral für den gesellschaftlichen Wohlstand ist.
Dabei sehen sie die tatsächliche Ursache von Jobverlust und
Wirtschaftskrisen nicht in der kapitalistischen Produktionsweise.
Dass soziale Programme bei ihnen hintenanstehen und nur durch eine
starke Wirtschaft möglich sind, betonen sie auch in ihrem
Wahlprogramm: „Wir können nicht versprechen, dass nach Corona
jedes unserer Projekte noch finanzierbar ist.“ Sie nehmen die Krise
als Vorwand, um eine grüne Transformation, welche im Sinne der
deutschen Bourgeoisie ist, durchzusetzen und auf den Rücken der
Arbeitenden und sozial Schwachen auszutragen.

Die
humanitäre und progressive Rhetorik der Grünen verschleiert, dass
sie im Interesse des deutschen Imperialismus handelt. Sie verbreiten
die Illusion, dass vom Green New Deal alle Klassen und Länder
profitieren würden, dahinter machen sie aber eine eindeutige und
verlässliche Politik für die deutsche Konzerne, solange diese
zumindest einen umweltfreundlichen Anschein haben. Dass Baerbock bei
den Verschmähungen gegen die revolutionäre 1.Mai-Demo mitgemacht
hat, ohne ein Wort über den offensichtlich beabsichtigten Angriff
der Polizei auf unser Demonstrationsrecht zu verlieren, zeigt
zweifellos, dass sie auch zu einer Law-And-Order-Politik gegen linken
Protest bereit ist. Das macht die Grünen zu einem perfekten
Koalitionspartner für die CDU, wie es in Hessen und
Baden-Württemberg auch schon jahrelang erprobt ist.

Junge
Menschen und die arbeitenden Massen können sich nicht viel von den
Grünen versprechen. Investitionen wird es für die Umsetzung der
grünen Transformation geben. Die Umwelt wird damit nicht gerettet,
noch weniger werden wir mehr Löhne oder eine bessere
Gesundheitsversorgung erwarten können. Profitieren werden die
Kapitalist_innen, die E-Autos herstellen.

CDU/CSU

Die
CDU als klassische Hauptpartei der deutschen Bourgeoisie verliert
immer mehr Stimmen. Die inkompetente Regierungspolitik der Union
bildet eine unmittelbare Ursache ihrer Wahlniederlage bei den
diesjährigen Landtagswahlen ab. In ihrer Corona-Politik stehen
Gesundheitsschutz der Allgemeinheit und Profitinteressen der
Wirtschaft einander gegenüber. Sie verbinden sich zu einem
inkonsequenten, in sich unschlüssigen Ganzen, zu Maßnahmenpaketen,
die weder den Erfordernissen der Bevölkerung nach Gesundheitsschutz
und sozialer Absicherung entsprechen noch die Rufe des Kapitals nach
Freiheit des Geschäfts voll befriedigen. Hinzu kommt noch der
Absturz durch Korruptionsaffären. In sich ist die Union mehr und
mehr gespalten, was sich auch im Kanzlerkandidatenclash zwischen
Söder und Laschet zeigte. Profitiert haben die Grünen.

Außenpolitisch
steht die CDU für eine starke EU unter deutscher Führung und den
Ausbau der Grenzagentur Frontex an den Außengrenzen der EU. Sie
unterstützen eine Starke NATO und die Partnerschaft zur USA, um so
gemeinsam gegen China gewappnet zu sein und deutsches Kapital vor der
chinesischen Übernahme zu schützen. Dass die CDU militärische
Interventionen gutheißt, haben wir in den letzten Jahrzehnten erlebt
und daran wird sich auch nichts ändern.

Letztlich
ist für die CDU die Grüne Partei deshalb die liebste Partnerin,
weil sie am ehestens das Gesamtinteresse der KapitalistInnen im Blick
haben und sie die sozialen Angriffe problemlos mittragen wird, das
aber mit der weniger angestaubte Begleitmusik einer Habeck-Rhetorik
und durchgesetzt von einer Führungsfigur Baerbock, gegen die Laschet
halt einfach lasch wirkt.

FDP

Von
der Schwäche der CDU kann die FDP bisher kaum profitieren, was wohl
an ihrer starken Klientelpolitik liegt. Die Grünen und die SPD sind
auf die neoliberale Partei angewiesen, wenn es um die Bildung der
Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP) gehen sollte.

Hinsichtlich
der Stellung des deutschen Kapitals in der Welt setzt die FDP auf
einen stabilen Exporthandel. Das setzt wiederum eine Souveränität
der EU voraus, damit „wichtige Bereichen wie zum Beispiel
Energieversorgung, Rohstoffimporte und digitale Technologie weniger
abhängig und verwundbar werden“, wie es im Wahlprogramm der FDP
heißt. Deutschland brauche die EU, um „einen Beitrag zur liberalen
Weltordnung zu leisten“. Auch hier wird wieder von einer
Weltordnung gesprochen, die schlichtweg die Vorherrschaft über
Halbkolonien mit Hinblick wirtschaftlicher Interessen meint. Ihre
interventionistische Politik wird offen dargelegt, wenn sie von einer
Fortsetzung des deutschen und europäischen Engagements im Nahen
Osten sprechen, von der Integration Afrikas in globale
Wirtschaftskreisläufe, vom Ausbau von Frontex oder vom Vertiefen
transatlantischer Handelsbeziehungen. Des Weiteren betonen sie die
Begrenzung von Haushaltsdefiziten, was im Rückschluss Sozialabbau
heißen wird.

Bei
der Bekämpfung des Virus setzt und setzte die FDP darauf „mit dem
Virus leben“, um ihre vehementen Forderungen nach Öffnungen der
(Mittelstands-)wirtschaft zu rechtfertigen, was heißt, den Tod
Tausender hinzunehmen. Nichts geht den Liberalen über die Freiheit
der Wirtschaft!

AfD

Die
AfD stagniert. Sie versuchte einerseits die rechte Querdenkenbewegung
abzuholen, gleichzeitig betonte sie aber auch, nicht deren
politischer Arm zu sein.

Neben
der massiven physischen Gewalt, welchen diese rassistische Partei
mitzuverantworten hat, dienen ihre rassistischen Narrative dem
imperialistischen Kampf, wie beim Krieg gegen den Terror deutlich
wurde. Die AfD spricht immer wieder von einer Rückbesinnung auf den
Nationalstaat und schürt so den Rassismus an. Gleichzeitig fordert
sie eine hohe Priorität der Außenwirtschaft. Sie fordern einen
„diskriminierungsfreien Zugang“ zu ausländischen Import- und
Exportmärkten für deutsche Unternehmen mit Zugang zu Rohstoffen und
Freiheit der Handelswege. Der Rassismus, den sie ständig
reproduzieren, dient nicht nur als Rechtfertigung für die
Abschottung des Nationalstaates, sondern auch der Legitimation von
Ausbeutung halbkolonialer Länder, auf deren Rohstoffe das deutsche
Kapital angewiesen ist. So wollen sie auch „deutsche Unternehmen
dabei unterstützen, in diese Länder zu investieren“. Die Politik
der AfD ist rechtspopulistisch und rassistisch und kann bei einer
Verschärfung der Krise einen Zuwachs für die Partei bedeuten, was
für die Arbeiter_Innenklasse und alle Unterdrückten eine weiterhin
nicht zu unterschätzende Gefahr darstellt.

Die
bürgerlichen Arbeiter_Innenparteien

SPD

Die
SPD ist jene der beiden bürgerlichen Arbeiter_Innenparteien auf dem
absteigenden Ast. Für die Krisenbewältigung setzen die
Sozialdemokrat_Innen auf Investitionen in sogenannte zukunftsfähige
Arbeitsplätze und klimaneutrales Wachstum. Auch hier sind Teile des
Green New Deals erkennbar. Sie wollen „aus der Krise gestärkt
hervorgehen“ und propagieren ein Europa, das „als selbstbewusste
Friedensmacht auftreten und so eine kooperative, multilaterale
Weltordnung mitgestalten“ soll. Doch die Weltordnung von der
gesprochen wird, bedeutet letztendlich die Unterdrückung anderer
Länder unter die herrschenden Staaten. Dabei wirbt auch die SPD für
ein Europa, das geschlossen auftritt und sich zu der neuen
US-Regierung öffnet und tritt für eine verteidigungspolitische
Eigenständigkeit der EU ein. Sie fordern auch die Stärkung der
Welthandelsorganisationen, da Deutschland auf offene Märkte
angewiesen ist. Wenn es als imperialistisches Land wieder Macht
erreichen möchte, muss es Exportüberschüsse erwirtschaften.

Die
gesamte Politik der SPD und ihre enge Verbindung zum DGB und vor
allem der IG Metall lief und läuft darauf hinaus, die deutsche
Exportindustrie mitsamt ihrem Spitzenplatz in der Welt zu stärken um
einem Teil der Arbeiter_Innenklasse ein hohes Einkommen zu
verschaffen, was damit einhergeht, einen anderen anzugreifen. Diese
Strategie der Vermittlung zwischen Kapital und gehobeneren
Arbeiter_Innen erweist sich aber als immer untauglicher. Die Krise
der SPD ist das Ergebnis.

Die
Linken wählen?

Die
Linken stagnieren trotz der Fülle drängender sozialer Themen, vor
allem da sie innerlich gespalten sind und sich daher kaum zu einer
klar antikapitalistischen oder auch nur schärferen reformistischen
Strategie entscheiden können.

Sie
wollen eine Finanzierung der Corona-Krise durch eine Vermögensabgabe.
Beim Thema Außenpolitik wollen die Linken Frieden fördern und die
Zivilgesellschafts unterstützen, „statt nur Wirtschaftsinteressen
zu dienen und Deals mit Diktatoren zu machen.“ Weiter heißt es in
ihrem Programm, dass es faire Handelsabkommen mit einem Regelwerk für
Produktionsbedingungen, ein gerechtes Lieferkettengesetz und ein
globales Arbeitsrecht geben soll. Auch den Export wollen sie
beschränken durch einen internationalen Ausgleichsmechanismus, der
die Staaten mit Exportüberschüssen auf ausgeglichene
Handelsbilanzen verpflichtet.

Auch
wenn sich die Linkspartei in ihrer Regierungspolitik in den
Bundesländern nicht wirlich von der SPD unterscheidet und sie sich
immer wieder als treue Verwalterin des deutschen Kapitalismus
erwiesen hat, hat sie andererseits auch eine reale Verbindung zu
sozialen Bewegungen wie „Deutsche Wohnen und Co enteignen“.

Doch
was heißt das für uns? Als Kommunist_Innen müssen wir die
parlamentarischen Wahlen nutzen, um für unsere Ideen zu werben und
Illusionen in den Reformismus zu bekämpfen. Das Ergebnis einer Wahl
ist für den Klassenkampf nicht egal, sondern spiegelt das
Kräfteverhältnis in der Arbeiter_Innenklasse wider.

Wir
rufen zur kritischen Wahl der Linkspartei auf, und zwar trotz ihres
Programms. Für die Punkte, die wir unterstützen, wie eine
Vermögensabgabe zur Krisenbekämpfung wollen gemeinsam mit deren
Wähler_innen und Mitgliedern kämpfen. Doch wir tun dies nicht um
die Linkspartei aufzubauen, sondern um ihre Versprechen auf den
Prüfstand zu stellen, uns als konsequenter zu erweisen und somit
Jugendliche und bewusstere Arbeiter_Innen vom Reformismus weg hin zu
einer revolutionären Politik zu bringen.




Revolutionäre Arbeiter_Innen und Jugendliche in die Gewerkschaften!

Von Leila Cheng

Solche
Slogans lesen wir immer wieder bei linken Organisationen (Spoiler:
Auch bei uns), aber

Was
sind eigentlich Gewerkschaften?

Gewerkschaften
sind seit ihrer Entstehung Kampforgane der Arbeiter_Innenklasse. Die
Arbeiter_Innen merkten schnell, dass sie allein nichts gegen die
Übermacht der herrschenden Kapitalist_Innen ausrichten konnten und
schlossen sich in ihrer ersten Selbstorganisation zusammen, den
Gewerkschaften, und begannen das Mittel des Streiks zu nutzen, um
ihre Bedingungen zu verbessern. Gewerkschaften sind somit an vielen
erkämpften Erfolgen beteiligt gewesen, z.B. die 40-Stunden-Woche,
Kündigungsschutz, Verbot von Kinderarbeit, Betriebsräte,
Arbeitsschutzbestimmungen, steigende Löhne, u.s.w.

Doch Gewerkschaften beschränkten sich von Anfang an auf den ökonomischen Tageskampf. Sie wollten die Bedingungen der lohnabhängigen Klasse, oder wenigstens Teilen dieser, verbessern, aber sie hatten an sich nicht den Anspruch, die Ausbeutung oder den Privatbesitz an den Produktionsmitteln durch die Kapitalist_Innen aufzuheben und wären allein auch nie dazu in der Lage. Das liegt daran, dass gewerkschaftliche Organisierung allein kein revolutionäres Bewusstsein erzeugt, denn dafür müssten die ökonomischen Kämpfe mit der politischen Machtfrage verbunden werden, wofür es eine Partei der Arbeiter_Innenklasse braucht, die dies beides verbindet und um eine Zerschlagung des bürgerlichen Staates und den Aufbau einer Arbeiter_Innenmacht kämpft. Gewerkschaften können dabei als „Schulen des Sozialismus“ wirken, in dem sie zum Ausgangspunkt einer Arbeiter_Innenkontrolle über Fabriken und Betriebe werden, Arbeiter_Innen lernen also vermittelst gewerkschaftlicher Organisation, selbst die Produktion zu planen. Davon sind wir heute natürlich weit entfernt…Gewerkschaftskämpfe konzentrieren sich heute vor allem auf Lohnkämpfe oder Arbeitszeitauseinandersetzungen.

Doch warum sind Gewerkschaften heute so negativ besetzt?

Die
meisten Gewerkschaften heute und hierzulande führen seit Jahren
nicht mehr als ein paar Warnstreiks, wenn es einen neuen Tarifvertrag
geben soll und speisen ihre Mitgliedschaft mit den kleinsten
Zugeständnissen ab. Es ist also kein Wunder, dass immer mehr
Menschen die Gewerkschaften verlassen. So ist in den letzten 20
Jahren die Mitgliedschaft der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund)
Gewerkschaften um 1/3 gesunken.

Doch
woran liegt das? 1918 kam es in Deutschland zur Novemberrevolution,
diese wurde auf halber Strecke von der SPD-Führung verraten und
sozialistische Revolutionär_Innen wie Rosa Luxemburg wurden
ermordet. Doch auch die Gewerkschaftsführungen machten bei diesem
Verrat mit und gingen eine langfristige Partnerschaft mit dem Kapital
ein: So zum Beispiel das Stinnes-Legien Abkommen, wonach ein
Arbeitgeber_Innenverband mit einer Gewerkschaft Tarifverträge
eingeht, und diese für eine bestimmte Zeit gelten, bis neu
verhandelt wird. Im Gegenzug sollen sich per Theorie beide Partner
als gleichberechtigt anerkennen. Die Gewerkschaften wurden somit zur
anerkannten Mitverwalter_In des Kapitalismus.

Das
passierte nicht zufällig. Für die KapitalistInnen wie Stinnes
(daher der Name des Abkommens) war es nach der Novemberrevolution
nötig, die Führungen der Arbeiter_Innenbewegung wie Ebert (SPD)
oder Legien (Gewerkschaften) in den Kapitalismus einzubinden, um den
Kapitalismus und damit ihr Eigentum vor den revolutionären Massen
der Arbeiter_Innen zu retten. Und die Kapitalist_Innen fanden in den
Arbeiterführer_Innen der SPD und den mit ihr verbunden
Gewerkschaften willige Partner_Innen, den sie waren auf dem Rücken
der Arbeiter_Innenbewegung zu einer mittlerweile privilegierten
Stellung gekommen, in der sie kein Interesse mehr an einer
sozialistischen Revolution hatten. Wir nennen diese abgehobene
Schicht deswegen Arbeiter_Innenbürokratie, die sich selbst auf einen
besser gestellten Teil der Arbeiter_Innen stützt. An dieser
grundsätzlichen Struktur änderte sich auch in der BRD nichts.

In
den Gewerkschaften sprechen wir entsprechend von einer
Gewerkschaftsbürokratie, die von der Gewerkschaft bezahlt wird, die
aber heutzutage auch oft in Aufsichtsräten von Konzernen sitzt und
nochmal fett dazu verdient, direkt aus der Tasche des Kapitals.

Und nun stecken die Bürokrat_Innen in einer Klemme: einerseits muss der Kapitalismus erhalten werden und die Kapitalist_Innen möglichst zufrieden gestellt werden, denn von ihnen hängt ihre privilegierte Gesellschaftsstellung ab, gleichzeitig können sie die Klasse nicht 100 Prozent verraten, weil ihnen sonst Arbeitskämpfe aus ihrer Kontrolle gleiten können und Arbeiter_Innen auf einmal selbst entscheiden, wann sie z.B. streiken. Sie geben also ein bisschen dem Druck der Kolleg_Innen nach, aber leiten ihn in der Regel in ungefährliche Bahnen. Wenn wir als Revolutionär_Innen oder auch einfach als wütende Arbeiter_Innen selbst den Mund aufmachen und z.B. entgegen der Gewerkschaftsführung zum Kämpfen aufrufen, kann es nicht nur sein, dass wir den Job verlieren, sondern auch aus der Gewerkschaft fliegen.

Wie kann revolutionäre Praxis dann in Gewerkschaften aussehen?

Trotz
alledem sind wir überzeugt, dass revolutionäre Arbeit in
Gewerkschaften auch heute noch möglich und notwendig ist. Aber
warum?

Gewerkschaften sind die Schule des Klassenkampfes. In ihnen machen viele Arbeiter_Innen ihre ersten Erfahrungen mit elementaren Klassenkämpfen, auch wenn diese noch nicht besonders radikal sein mögen. In ihnen lernen sie aktiv zu werden, z.B. durch Streiks (bzw. Warnstreiks), Aussperrungen (=Betriebsbesetzungen) oder Bildung von Basisstrukturen. Wir als Revolutionär_Innen haben die Aufgabe und die Pflicht, in solche Selbstorganisationen der Arbeiter_Innenklasse zu gehen und revolutionäre Politik an die Basis zu tragen. Die Gewerkschaftsbürokratie werden wir dabei natürlich nicht überzeugen, und deswegen ist es auch wichtig, keine Hoffnungen in diese zu setzten. Wir treten an die Basis heran und versuchen sie in der gemeinsamen Aktion von unserer Politik zu überzeugen. Dabei treten wir für die Selbstorganisation der Basis in z.B. wähl- und abwählbaren Streikkomitees innerhalb der Gewerkschaften und Betriebe ein. In diesen versuchen wir auch über Tarifverhandlungen hinaus Streiks und andere Basisaktionen, bis hin zu politischen Streiks zu organisieren. Dies sorgt für eine Anpolitisierung für große Teile der Mitgliedschaft, gibt ihnen nach Jahren der Stagnation neue Hoffnung und bringt die Möglichkeit, Arbeiter_Innen revolutionär zu organisieren. Gleichzeitig setzt es die Gewerkschaftsbürokratie unter Druck. Und drittens schafft es Selbstorganisierung unserer Klasse und macht sie zum handelnden Subjekt. Für uns als Organisation, die langfristig eine sozialistische Rätedemokratie anstrebt, ist die Selbstorganisation der Basis unserer Klasse auch im Hier und Jetzt schon ein wichtiges Mittel und ein wichtiger Teil in der Schule des Klassenkampfes. Aber dieser Druck von unten muss natürlich auch mit einer Opposition zur Gewerkschaftsbürokratie innerhalb dieser Gewerkschaften einhergehen, sodass solche Basisbewegungen langfristig zu einer Räteorganisation unserer Klasse führen können.

Für uns als kommunistische Jugendorganisation ist auch die Intervention und Arbeit in den Gewerkschaftsjugenden besonders wichtig. Diese sind eigentlich für die Lage von Jugendlichen, also insbesondere Auszubildenden, Studierenden, FSJler_Innen und BFDler_Innen da. Jedoch haben die Gewerkschaftsjugenden kein Recht auf Tarifverhandlungen und müssen sich allen Beschlüssen ihrer Gesamtgewerkschaft unterordnen. Wenn sie eigene Beschlüsse treffen sollten, müssen diese von der Gesamtgewerkschaft umgesetzt werden und wenn man sich die aktuellen Tarifverhandlungen anschaut, zeigt sich, dass der Gewerkschaftsbürokratie nicht sehr viel an der Lage von Auszubildenden bei Tarifverhandlungen liegt. Noch schwieriger wird es dann für die restliche arbeitende Jugend (z.B. in 450 Euro Jobs oder Praktika), für die die Gewerkschaften fast gar nichts tun. Für uns ist es wichtig, die Lage von jugendlichen Arbeiter_Innen, die oft einer noch sehr viel stärkeren Ausbeutung unterliegen, mit in den Fokus zu rücken. Denn viele erkämpfte Forderungen gelten für Jugendliche noch nicht einmal, wie z.B. bei Auszubildenden der Mindestlohn, wenn deren Betrieb nicht tarifgebunden ist. Hier müssen wir ansetzen und uns auch für die Rechte und den Kampf von Jugendlichen in Gewerkschaften stark machen.

Und wie helfen uns Gewerkschaften jetzt in der Krise?

Die aktuelle Coronapandemie, aber auch die beginnende, dadurch ausgelöste, und vom kapitalistischen System verursachte Weltwirtschaftskrise treffen uns aktuell sehr hart. Umso mehr müssten die Gewerkschaften ein Faktor im Kampf gegen anstehende und bereits beginnende Massenentlassungen, Lohnkürzungen und vieles mehr sein. Dies sind sie jedoch oft nicht. Man braucht sich nur die Tarifverhandlungen von Verdi (Deutschlands größte Dienstleistungsgewerkschaft) oder der IG Metall im letzten dreiviertel Jahr, also während der Pandemie, anschauen. So wurden zum Beispiel Forderungen, die für Teile der Klasse maßgeblich wichtig waren, wie z.B. durch Verdi mehr Personal in der Betreuung und in Krankenhäusern nicht mal aufgeworfen, und am Ende die Mehrheit der aufgeworfenen Forderungen mit einem faulen Kompromiss mit den Kapitalist_Innen abgespeist. Trotzdem brauchen wir die Gewerkschaften, um den aktuellen Kampf zu führen. Deswegen ist es für uns als Revolutionär_Innen besonders wichtig, die Gewerkschaftsführungen durch Forderungen an diese und durch Mobilisierungen ihrer Basis unter Druck zu setzen, um Arbeitskämpfe zu entfachen.

Was ist die Schlussfolgerung daraus?

Gewerkschaften sind also ein Teil unseres Kampfes für eine revolutionäre Überwindung des Kapitalismus und aller Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse. Dafür brauchen wir aber die richtige Strategie im Umgang mit Gewerkschaften. Aktuell gibt es viele Bereiche, wo wir diese anwenden sollten, ob es die Gerechte-Bildungsbewegung, die Lage von Mieter_Innen (siehe Artikel zu Deutsche Wohnen und Co Enteignen), oder die Aufforderung zu bezahlten Betriebsschließung, um wirklichen Infektionsschutz leisten zu können. Deswegen kämpfen wir für Basisorganisierung in den Gewerkschaften, politische Streiks und versuchen eine revolutionäre Praxis hinein zu tragen. Für kämpferische Gewerkschaften- Kampf der Stagnation und Bürokratie!




Wie kommen wir zu einer Bildungsbewegung? Ein Backrezept

„SCHOOL KILLS ARTISTS” steht an einer Wand in Berlin. Die meisten würden das sicherlich so unterschreiben und hätten ebenso sicherlich noch unzählige weitere Gründe hinzuzufügen, warum das Bildungssystem hier wirklich scheiße ist. Leistungsdruck, Verwertungszwang, unbändige Konkurrenz und giftiges Lernklima, dazu rassistische, sexistische, queerfeindliche Unterrichtsinhalte und ideologische Erziehung. Man könnte diese Liste ewig weiter führen, und in unserer Broschüre “Schule im Kapitalismus” haben wir sie auch noch ein wenig weitergeführt, sowie mit einer Analyse ergänzt was eigentlich dahinter steht: http://onesolutionrevolution.de/schularbeitsbroschuere/ .

Dass die Regierung das Bildungssystem zu unseren Gunsten reformieren wird, daran können wir leider spä­testens seit G8 nicht mehr glauben, anscheinend handelt sie nämlich nach anderen Interessen als nach den unseren. Wir müssen die Sache also selber in die Hand nehmen. Klar ist, dass wir dabei als Kollektiv vorgehen müssen, denn alleine besteht man ja oft nicht einmal gegen einen einzelnen Lehrer, gegen den man sich auflehnt. Daher müssen wir uns organisieren und zusammentun, mit einem Appell: Wir brauchen eine Bildungsbewegung!

Was ist eine Bewegung?

Wenn man politisch aktiv ist, dann kommt es einem manchmal so vor als käme man immer nur in ganz kleinen Mäuseschritten voran und so wird man, da Rückschläge und Krisen stets bevorstehen, niemals zu einer freien Gesellschaft kommen. Dann ändern sich die Zeiten aber plötzlich und eh man sich versieht sind Millionen von Jugendlichen für Klimagerechtigkeit auf der Straße.

Das liegt daran, dass die Probleme und Widersprüche in diesem System zwar permanent existieren, uns allen aber ein Bewusstsein anerzogen wird, das diese Probleme ignoriert oder sie als unüberwindbare Tatsachen, die man zu akzeptieren hat, darstellt. Wenn jedoch beispielsweise Krisen ausbrechen, werden die Widersprüche derart zugespitzt, dass es für viele unmöglich wird, sie noch weiter zu ignorieren oder zu akzeptieren. In solchen Situationen sprechen wir von einer Bewegung, und Fridays for Future ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür. Aber nicht nur die Umwelt kann Massen an Jugendlichen mobilisieren: Vor gut 10 Jahren gab es auch in der Bildungsfrage eine große Bewegung in Deutschland (für Ungläubige hat die faz ein paar Bilder geknipst, https:// www.faz.net/aktuell/gesellschaft/schuelerprotestebildungsblockadeneinreissen1731268.html, Seite 9 für den RevoBlock :D), die nicht nur in der Größe ihrer Mobilisierungen beeindruckend war, sondern auch was die Radikalität ihrer Forderungen und den Grad der Organisierung anging.

Erst mit einer Bewegung können überhaupt Forderungen auch umgesetzt werden, andernfalls bleiben sie ungehörte Appelle. Natürlich werden auch einer Bewegung nicht immer alle Wünsche vom Weihnachtsmann erfüllt. Wenn strategische Fehler gemacht werden, kann die Dynamik einer Bewegung auch wieder verebben, ohne dass sich wirklich etwas geändert hat, auch das haben wir bei FFF gesehen. Es werden zwar Leute in die Aktivität gezogen, dass dann die richtige Strategie entwickelt wird ist aber kein Automatismus, sondern bedarf einer bewussten Auseinandersetzung auf der Grundlage von Kritik und Propagandafreiheit. Hier einzugreifen, darin besteht die Aufgabe von Revolutionär_Innen. Die Bewegung selbst ist also nicht hinreichend für Veränderung, notwendig ist sie aber in jedem Fall.

Erste Zutat: Gesellschaftliche Dynamik und Relevanz

Wenn für eine Sache Massen aktiv werden sollen, dann muss diese Sache überhaupt erst einmal präsent sein in den Köpfen der Massen. In der Klimafrage war das nicht so schwer, da kaum jemand ernst zu nehmendes noch bestreitet, dass die kommenden Generationen von Katastrophen überrollt werden, wenn die Zerstörung unserer Lebensgrundlage weiter so fortschreitet wie bisher und die Frage wird mittlerweile auch in der Schule immer ausführlicher behandelt. Für Kritik am Bildungssystem ist in der Schule zwar nicht so viel Raum, dafür hat aber die Coronakrise Probleme wie überfüllte Klassen, Lehrkräftemangel, räudige Schulklos und Gebäude, Prüfungszwang und Unterfinanzierung unleugbar ins Licht gezerrt. Ebenso ist der Online-Unterricht für Viele unerträglich. Das Potential, um eine Bildungsbewegung aufzubauen, ist also vorhanden.

Zweite Zutat: Mobilisierungen und Druck auf [‘solid], JuSos und die Gewerkschaften/jugenden

Aktionstage #fürgerechteBildung sind eine sehr gute Idee. Man hat eine konkrete Aktion, zu der man die Schüler_Innen mobilisieren kann. Die Mobilisierung dient außerdem immer als Gelegenheit zur Vernetzung und Diskussion, sowie als Gradmesser der eigenen Stärke. Während wir von Schule zu Schule gehen, plakatieren, flyern und unzählige Diskussion führen, die Missstände immer wieder aufs Neue erklären, sollten wir aber eins nicht vergessen: Es gibt bereits eine große Anzahl an Jugendlichen, die erkannt haben, dass sich etwas ändern muss und sich daher einer Jugendorganisation angeschlossen haben, welche sich diese Veränderung auf die Fahnen schreibt. Allein [‘solid] und die JuSos haben zusammen knapp 100.000 Mitglieder. Und beide Gruppen haben in Sonntagsreden durchaus den Anspruch formuliert sich für eine bessere Bildung im Sinne der Schüler_Innen einzusetzen, wie auch SPD und Linkspartei den Anspruch haben das Interesse der Lohnarbeiter_Innen zu vertreten. Das Problem ist nur, die Führungen dieser reformistischen Organisationen haben kein Interesse daran ihre Mitgliedschaft wirklich zu mobilisieren. Für sie geht es an erster Stelle nicht selten darum die eigene Karriere in der Partei voranzutreiben, um es sich selbst später einmal nett einzurichten, während man hauptberuflich faule Kompromisse mit den Herrschenden aushandelt. Ganz ähnlich gestaltet es sich bei Berufsschulen und Unis den meisten Gewerkschaften bzw. Gewerkschaftsjugenden, die ja ganz öffentlich zur Sozialpartner_Innenschaft und zu rein ökonomischen Streiks, ohne deren politische Hintergründe zu beachten, aufrufen. All das ändert aber nichts daran, dass ihre Basis unter den gleichen Missständen leidet wie wir und diese auch sehen kann. Wenn wir es also schaffen durch unsere Mobilisierung, und z.B. durch öffentliche Aufrufe, diese Basis in Bewegung zu bringen, so ist auch die Führung zur Handlung gezwungen, will sie nicht ihr noch verbliebenes bisschen Legitimität verspielen. Das Selbe gilt bei der Ausweitung an die Unis bzw. Berufsschulen ebenso für den SDS und in geringerem Maße für die SDAJ (Jugendorganisation der DKP (Deutsche kommunistische Partei, entgegen des Namen eher programmatisch reformistisch), die auch mal ihre paar hundert Mitglieder auf die Straße bringen könnte.

Dritte Zutat: Verankerung an den Schulen

Ein Fehler, der nicht nur bei FFF, sondern immer wieder gemacht wird: Man holt die Leute für den Aktivismus aus der Schule heraus und bringt sie auf die Straße, in Plena, in Freiräume. Diese Tendenz ist sehr gut verständlich, da man ja nicht ohne Grund abgefuckt ist von der Schule und die Mitschüler_innen auch nicht immer nur cool sind. Trotzdem ist die Schule der Ort, an dem wir alle tagtäglich gezwungen sind anwesend zu sein, sie ist das unfreiwillige Zentrum unseres Lebens, würde es nicht Sinn ergeben sie auch zum Zentrum unseres Aktivismus zu machen? Es geht dabei auch darum den Alltag zu politisieren, nur so können wirkliche Massen in Aktion gebracht werden. So eine Verankerung wirkt außerdem langfristiger über einzelne Kampagnen hinaus und kann die Keimzelle für demokratische Entscheidungsstrukturen sein. Für den Aufbau einer kleinen linken Schulgruppe gibt es viele Ansatzpunkte zum Beispiel: Mobilisierung für eine Aktion, Flyern, Diskussionsveranstaltung, Vollversammlung einberufen, die SV als Podium nutzen… (ein detaillierter Leitfaden steht in o.a. Broschüre)

Und ab in den Ofen und anheizen: Schulterschluss mit der Arbeiter_Innenklasse und Antikapitalismus

Spätestens bei der Finanzierungsfrage wird klar, dass wir den Kampf nicht ganz ohne Verbündete gewinnen können. Sie fallen uns aber glücklicherweise in den Schoß. Beispielsweise sind die Lehrer_Innen in ähnlichem Maße wie wir Opfer der schlechten Corona-Politik, sie können, obwohl es manche_r Politiker_In nie geahnt hätte, nämlich auch an dem Virus sterben. Wenn man sich auch die Unabhängigkeit von den Lehrer_Innen bewahren sollte, kann es sich also schon lohnen, z.B. vorzuschlagen, dass man als Exkursion mit der ganzen Klasse/dem Kurs zum Aktionstag geht. Und gegenüber der Lehrer_Innengewerkschaft GEW sollten wir analog zum Punkt 2 handeln. Ein bisschen allgemeiner liegt eine gerechte Bildung eigentlich auch im Interesse der gesamten Arbeiter_Innenklasse, denn nur so können mündige und selbstbestimmte Menschen erzogen werden, wir sollten diese Verbindung aber selbst herstellen, z.B. indem wir Forderungen für die gesamte Klasse mit aufgreifen. Uns ist klar, dass es diesen Schulterschluss langfristig auch von unserer Seite braucht, denn eine wirkliche gerechte Bildung ohne Leistungsdruck, Konkurrenz, Unterfinanzierung von Bildung und Erziehung zu verwertbaren Untertanen des Kapitals ist im Kapitalismus nicht möglich. Deswegen ist es auch wichtig uns als Schüler_Innen mit der Arbeiter_Innenklasse international zu vernetzen und einen gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus, als Grundlage für Ausbeutung und Jugendunterdrückung zu führen.

Servieren: Kurzes Abschlussplädoyer

Lasst uns nicht nur abstrakt kleine Aktionen vor Ort organisieren. Diese bleiben meist klein und führen eher zu Desillusionierung als zur Revolution. Lasst uns die Aktionen stattdessen aktiv ausweiten, um eine Bildungsbewegung aufzubauen, die auf der Grundlage von Antirassismus, Antisexismus, Antikapitalismus und den anderen Errungenschaften der Arbeiter_Innenklasse mit aller Kraft #fürgerechteBildung kämpft!




Vater, Mutter, Kind – Bürgerliche Familie

Von Janeck
Peschel

Kennst
du das? Mama macht die Wäsche, kocht, hält die Wohnung sauber und
stemmt nebenbei noch ihre berufliche Karriere. Deine Eltern sagen dir
mit 14 du sollst 16 werden, damit sie es dir erlauben, wenn du 16
bist, 18 und wenn du 18 bist, sobald du deine Füße nicht mehr unter
ihrem Tisch hast. Ebenso wie Sätze, wie: „bist du nicht langsam in
dem Alter, wo du eine Familie gründen solltest?“ oder „Du bist
bisexuell? Ich verstehe das voll, in deinem Alter will man sich auch
mal ausprobieren“. Das alles ist bürgerliche Familie, das alles
ist das patriarchalische Familienbild, in welchem eine klare
Rollenverteilung herrscht und mit ihrer Ideologie unser Leben prägt.
Familie bedeutet in diesem System nicht nur Fürsorge,
Verbindlichkeit und Solidarität, sondern auch Zwang und
Unterdrückung. In diesem Artikel werde ich mich der Jugend- sowie
Frauenunterdrückung annehmen und klären, woher diese kommt und wie
sie sich äußert.

Frauenunterdrückung in der
bürgerlichen Familie

Ich werde im Folgenden
über die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau sprechen, wozu eine
Sache noch angemerkt ist: In welche Rolle wir gedrängt werden, hängt
letzten Endes von unserer Sozialisation ab, also wie wir erzogen
werden, und was wir tagtäglich um uns herum erleben. Diese muss
nicht mit dem biologischen und erst recht nicht mit dem empfundenen
Geschlecht zusammenfallen. Dennoch existiert diese binäre
gesellschaftliche Zuschreibung und um dessen Wirkung beschreiben zu
können, verwende ich dennoch die Begriffe Frau und Mann.

Frauen- und
Jugendunterdrückung sind ein strukturelles Problem in der
kapitalistischen Gesellschaft. Betrachten wir dazu einmal das Problem
mit der Hausarbeit, welche den Frauen in der bürgerlichen Familie
angehangen wird. Ein Mann, der weiß, wie man eine Waschmaschine
bedient oder in Elternzeit geht, ist auch in der heutigen BRD eher
noch ein Randphänomen als Standardpartner. Denn diese Unterdrückung
beschränkte sich keinesfalls auf vergangene Zeiten, wie die 50er und
60er, in denen es der Ehefrau nicht einmal erlaubt war, ohne die
Zustimmung des Ehemanns arbeiten zu gehen, geschweige denn ein
eigenes Konto zu besitzen. Sie ist trotz gewisser feministischer
Errungenschaften nach wie vor Teil dieser Gesellschaft, fußend auf
kapitalistischer Wirtschaftsweise und der sich daraus ergebenden
Ideologie. Frauen sind nunmehr durch Beruf und Hausarbeit doppelt
belastet, wobei ihnen oftmals selbst in aufgeklärten Haushalten nur
spärlich Arbeit abgenommen wird, indem z.B. der Gender Pay Gap dafür
sorgt, dass es finanziell mehr Sinn ergibt, dass die Frau den
Großteil der Hausarbeit übernimmt.

Sowohl die Monogamie als
auch die Norm der heterosexuellen Beziehung beruht auf derselben
Grundlage der Arbeitsteilung. Auch wenn (zumindest in der BRD)
„Zuwiderhandlungen“ nicht bestraft werden, läuft das bürgerliche
Gesetz auf die bürgerliche Kleinfamilie hinaus und begünstigt sie
deutlich über alternative Lebensformen, beispielsweise beim
Sorgerecht. Indem auch auf ideologischer Ebene die „klassischen
Familie“ als gesellschaftliche Norm festgelegt wird, werden
jegliche Abweichungen im besten Fall unsichtbar gemacht, im
schlimmsten Fall von Konservativen bis Rechten angegriffen.

Stellt sich nun also die
große Frage nach dem „Warum“? Wozu dient die Frauenunterdrückung
im Kapitalismus? Was ist ihr tieferer Sinn? Um zu klären, warum sich
ausgerechnet die Unterdrückung der Frau durch den Mann ergibt,
empfehle ich das Werk „Ursprung der Familie, des Staats und des
Privateigentums zu lesen“ von Friedrich Engels. In diesem Werk wird
der Ursprung von Sexismus genauer beleuchtet, wofür in diesem
Artikel kein Platz bleibt. Dafür möchte ich aber darauf eingehen,
wie der Kapitalismus und seine Ausbeutungsform der Lohnarbeit seinen
Nutzen aus Sexismus, zieht. Modellhaft ist das leicht erklärt: Der
Mann muss seine Arbeitskraft an die Kapitalist_Innen verkaufen und um
die Kraft dafür zu haben, sprich um sich reproduzieren (seine Kraft
wiederherstellen) zu können, braucht es die Frau, welche kostenlos
die Hausarbeit übernimmt und die Kinder umsorgt. Der Kapitalismus
braucht diese klare aufgabenbezogene Rollenverteilung, um einerseits
den Nachwuchs neuer Arbeitskräfte und andererseits die Reproduktion
und somit die Wiederverwertbarkeit der Arbeitskraft zu garantieren,
ohne dass dabei die Hausarbeit ebenfalls entlohnt wird, also ohne
selbst Profitverluste dadurch machen zu müssen. Diese
Rollenverteilung ist heutzutage keinesfalls gelöst, da sie sich
jeher ideologisch fortpflanzt und ihren Nutzen findet.

Jugendunterdrückung

Ebenso wird die Jugend in
dem bürgerlichen Familienbild stark benachteiligt. Finanzielle
Abhängigkeit von den Eltern und rechtliche Bevormundung sind hier
die Hauptproblempunkte. Als Jugendliche_r kann man sich meist bereits
eine Meinung bilden und eigene Ziele im Leben setzen, ist aber an die
Eltern gebunden. Wohnort, Kleidungsstil und generelle Lebensplanung
sind in vielen Fällen vom elterlichen Reichtum abhängig. Die dazu
kommende rechtliche Benachteiligung, wie das Verbot, Verträge unter
18 Jahren abschließen zu können, verschafft den Eltern gegenüber
ihren Kindern ein starkes Machtverhältnis, was nicht allzu selten in
Manipulation endet.

Dass Jugendlichen nicht
alle Rechte zustehen, weil sie noch nicht arbeiten, wird zwar oft als
Argument angeführt, ist aber etwas zu kurz gedacht: Einerseits
werden Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls diskriminiert und
nicht vollwertig für ihre Tätigkeiten bezahlt (es gilt in der
Ausbildung oder unter 18 kein Mindestlohn). Anderseits sollte die
eigene Persönlichkeitsentwicklung nicht von der eigenen Arbeitskraft
und dem finanziellen Stand abhängen. Aber genau dieses Bild einer
Gesellschaft, welches auf Leistungsdruck aufbaut, führt zu einer
Herabwürdigung derer, welche noch nicht in den Arbeitsprozess
eingebunden sind, als nutzlose und unselbständige. Vielmehr sollte
das Ideal der Solidarität und größtmöglichen Entfaltung aller
gelten!

Was ist der Sinn der
bürgerlichen Familie und was sind ihre Auswüchse?

Der Sinn ist also die
Reproduktion von Arbeitskraft und Erziehung von neuen Arbeitskräften
ins Private zu verlagern, damit das Kapital Kosten sparen kann.
Weiterhin werden Jugendliche und Kinder in so einem Familiensystem
schon früh zu Gehorsam und Unterordnung erzogen, was sie später
ihrer/m Kapitalist_In zeigen sollen. Außerdem dient die bürgerliche
Familie in der herrschenden Klasse immer noch dem, was die monogame
Familie seit ihrer Entstehung in jeder Klassengesellschaft leisten
sollte: der Vererbung von Privateigentum innerhalb genetischer
Abstammungslinien, also dem Erhalt der herrschenden Klasse als
Besitzende.

Somit schafft es die
bürgerliche Familie ein klares Rollenbild zu vermitteln und dem Mann
eine höhere Stellung zu verleihen, gemäß dem patriarchalen Aufbau
dieses Familiensystems. Alles zu dem Zweck, eine geordnete
Arbeitsteilung im Rahmen der Familie zu haben, damit der Fortbestand
des Systems und der kapitalistischen Ausbeutung auch durch die
Familie geschützt wird. Die Bevorteilung des Mannes, welche sich vor
allem finanziell stützt, setzt ihn als Familienoberhaupt ein, sodass
dieser tonangebend gegenüber Frau und Kindern wird. Nicht selten
mündet dieses strukturelle hervorgebrachte Privilegium auch in
häuslicher Gewalt, worunter Frauen und Jugendliche jahrelang leiden
und tiefe psychische Verletzungen davontragen können. Gerade durch
den Lockdown hat diese nochmal erheblich zugenommen, da die Familie
nunmehr den einzigen Rückzugsort ohne Einschränkungen darstellt.
Dabei stellt der Lockdown aber nicht die Hauptursache dar, sondern
verschärft, was im System bereits grundlegend vorzufinden ist.

Was können wir
dagegen tun?

Kurzum, die bürgerliche
Familie ist patriarchal, diskriminierend gegenüber Frauen,
Jugendliche und den LGBTIAQ*-Menschen; sie ist aber auch überwindbar.
Ein Lösungsansatz für die Enthebung des Patriarchats ist unter
anderem die Vergesellschaftung der Hausarbeit, sodass dieses Problem
der Reproduktion ein gesellschaftliches wird, welches nicht durch den
einzelnen Hausstand geregelt werden muss. Hierbei muss es mehr
Möglichkeiten im öffentlichen Raum geben, um anderen Menschen bei
ihren alltäglichen Arbeiten zu helfen, wie kostenlose Kitas, Mensen
und Wäschereien. Am Rande bemerkt ist dies sogar
ressourcensparender, da nicht jeder Haushalt für sich alleine zig
Geräte hat, die die meiste Zeit nicht genutzt werden. Ein weiterer
wichtiger Punkt ist es, Akzeptanz gegenüber alternativen
Beziehungsformen zu erreichen, sowie den Betroffenen von häuslicher
Gewalt mehr Schutz und Gehör zu verleihen. Außerdem sollten
gemeinschaftliche Selbstverteidigungskomitees gegen Gewalt und
Übergriffe gegen Frauen und LGBTIAQ* aufgebaut werden. Zur
Beendigung der finanziellen Abhängigkeit müssen wir einerseits
gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit durchzusetzen und
andererseits Jugendlichen mit einem garantierten Mindesteinkommen und
gute Alternativen zu ihrem Elternhaus ihre Freiheit und
Selbstbestimmung zurückgeben.

Die
bürgerliche Familie ist weder ewig noch alternativlos, sondern
entsteht aus der konkreten kapitalistischen Gesellschaft. Daher lässt
sich das Patriarchat sehr wohl lösen, indem der Kapitalismus
zusammen mit dem Privateigentum fällt und eine Vergesellschaftung
der Produktionsmittel uns den Weg in den Sozialismus ebnet, der
unsere Klasse, die Arbeiter_Innenklasse, von dem Joch der Ausbeutung
des Menschen durch den Menschen befreit. Nur durch die Aufhebung
wirtschaftlicher Ungleichheit lässt sich eine Gleichheit der
Menschen aus emanzipatorischer Sicht erreichen. Wenn wir die private
Kontrolle über die Produktion aufheben, und gemeinschaftlich als
Arbeiter_Innen bestimmen, was die Gesellschaft braucht und was
produziert werden muss, wird es auch möglich sein die Reproduktion
der Arbeitskraft aller gemeinschaftlich und frei von privater
Überbelastung zu organisieren (=Vergesellschaftung der Hausarbeit).
Dafür wird, auch die private Vererbung und die private Erziehung
aufgelöst, und zu einer Aufgabe der Gemeinschaft gemacht werden. So,
dass keine Frau, kein Jugendliche/r, keine LGBTIAQ* Person mehr
Unterdrückung erleiden muss. Lasst uns gemeinsam das Patriarchat
zerschlagen!




Argumente gegen Impfgegner_Innen

Von Leonie Schmidt

Mittlerweile ist es für immer mehr
Menschen in Deutschland möglich, sich impfen zu lassen, aber
gleichzeitig keimen auch immer mehr Argumente gegen das Impfen auf.
Aber nicht nur aus dem klassischen Querdenker_Innen- Spektrum,
sondern auch von ganz „normalen“ Menschen. Manche von uns erleben
Diskussionen darüber sogar im eigenen Familien- und Bekanntenkreis:
Die Impfung sei schädlich, nicht ausreichend erforscht und
gefährlich. Leider ist es
Deutschland nicht gelungen, eine ordentliche Impfkampagne zu
erstellen und dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung
angemessen aufgeklärt und nicht verunsichert ist. Denn die Impfung
ist eine der Maßnahmen, die nötig sind, damit diese Pandemie
endlich beendet werden kann. Dafür ist es wichtig, dass möglichst
viele Menschen möglichst schnell geimpft werden – aber nur ca.
50-65% (je nach Altersgruppe) wollen sich impfen lassen. Um eine
Herdenimmunität gegen Covid-19 zu erreichen, müssten sich
allerdings zwischen 60-80% der Bevölkerung impfen lassen. Was sind
die klassischen Argumente und wie können sie entkräftet werden?

Argument: „Der Impfstoff ist doch noch gar nicht ausreichend erforscht!“

Da es das Covid-19-Virus erst seit ca.
2 Jahren offiziell so gibt, gehen manche davon aus, dass der
Impfstoff ungenügend erforscht sei. Er wäre nur innerhalb von 18
Monaten entwickelt wurden, wohingegen andere Impfstoffe erst nach ca.
10-15 Jahren zugelassen würden. Aber das stimmt so nicht, denn
einerseits werden Covid-Viren schon länger erforscht und
andererseits auch die sogenannten mRNA-Impfstoffe, zu denen auch die
Corona-Impfungen gehören. Es ist zwar eine neuere Methode, jedoch
wird an der RNA schon seit mehr als 20 Jahren geforscht, an den
RNA-Impfstoffen seit über 8 Jahren. Auch zum Thema Erbgut machen
sich viele Menschen Sorgen, da der Impfstoff auf Geninformationen des
Coronavirus basiert, jedoch geht die RNA gar nicht in den Zellkern,
wo die DNA und somit die Geninformation ist, kann diese also auch
nicht ändern. Des Weiteren sind viele wegen der möglichen
Nebenwirkungen verunsichert, insbesondere bei AstraZeneca. Da es da
einige Thrombose-Fälle gab, wurden die Impfungen damit auch
kurzzeitig gestoppt. Jedoch ist diese Nebenwirkung äußerst selten
und es ist mal wieder sehr interessant, wie das gehandhabt wird. Die
Antibabypille beispielsweise, welche massenhaft Thrombosefälle
auslöst, wird ohne große Aufklärung verschrieben und da
interessiert es auch niemanden – Frauenärzt_Innen drängen sogar zur
Einnahme. Des Weiteren sind die bekannten Fälle verschwindend gering
und die Nebenwirkungen sind größtenteils mit normalen
Grippeimpfungen zu vergleichen. Zusätzlich werden junge Frauen,
welche hauptsächlich an Thrombosen erkrankten, ohnehin mittlerweile
mit einem der anderen Impfstoffe geimpft.

Argument: „Die Impfungen sollen nur Profite für die Finanzeliten bringen!“

Wenngleich die Impfung für die
Pharmaindustrie eine wahre Goldgrube ist, so ist es doch
verschwörungstheoretischer Quatsch, zu behaupten, dass es ihn nur
deswegen gebe. Sicher bekommen die führenden Pharmaunternehmen einen
riesigen Profit dadurch (ca. 50 Milliarden zusätzlich für dieses
Jahr wurden prophezeit), aber die Impfung wäre auch immer noch
notwendig, wenn sie nicht von der Pharmaindustrie bereitgestellt
werden würde. Trotzdem stecken hinter dem Impfstoff keine ominösen
Finanzeliten, sondern offen auftretende Kapitalist_Innen, die die
Gesetze der kapitalistischen Wirtschaft für sich nutzen – Also
eigentlich nix Neues. Zu kritisieren ist dabei nicht das Impfen an
sich, sondern, dass daraus Profit gemacht werden kann. Dadurch
variieren die Preise der Impfstoffe stark, manche Unternehmen bieten
es zum Selbstkostenpreis an, andere für deutlich profitablere
Preise. Es ist eindeutig eine Klassenfrage, wenn man sich anschaut,
dass insbesondere die Länder, die viel Geld haben, zuerst an
Impfstoffe kommen, während Halbkolonien wahrscheinlich Jahre
brauchen werden, bis sie ausreichend Impfstoff für ihre Bevölkerung
bekommen. Weiterhin ist es typisch für den Kapitalismus, dass die
Bourgeoisie hohe Gewinne einfahren wird, und nicht die
Arbeiter_Innen, die den Impfstoff produzieren und verimpfen. Daher
treten wir auch dafür ein, dass die Pharmabetriebe von den
Arbeiter_Innen kontrolliert und geführt werden und dafür, dass die
Patente veröffentlicht werden, damit alle Länder in der Lage sind,
günstig und schnell an Impfstoff zu kommen bzw. ihn zu produzieren.

Argument: „Ich bin eh zu jung, um schwer an Covid zu erkranken!“

20% der 18-39-Jährigen gaben an, sie
würden sich auf keinen Fall impfen lassen. Viele von ihnen machen
sich keine Sorgen, da sie davon ausgehen, eine Corona-Infektion mit
einem leichten Verlauf und wenig Einschränkung zu überleben.
Allerdings gibt es auch bei leichten Verläufen die Möglichkeiten
für Langzeitfolgen, welche noch unerforscht sind, beispielsweise für
„Long Covid“ (also Einschränkungen, die auch nach Ende einer
milden Infektion weiterhin auftreten, zum Beispiel Müdigkeit,
verringerte Herzleistung oder Geschmacksverlust). Des Weiteren ist es
auch für die Herdenimmunität sehr wichtig, dass junge Leute sich
impfen lassen, da sie den Virus ja weiterhin übertragen können,
beispielsweise wenn sie ohne Symptome ansteckend sind. Ebenfalls
beachtet werden muss die Möglichkeit, dass die Mutationen auch für
jüngere Personen schädlicher sein können und sich schneller
übertragen lassen, und das wird bei der britischen Mutation der
Covid-Viren schon beobachtet. Also, auch wenn junge Menschen bei der
Impfpriorisierung vieler Orts noch nicht an der Reihe sind, sollten
sie auf jeden Fall die Möglichkeit wahrnehmen, sich impfen zu
lassen. Denn bereits in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass
schon Krankheiten wie die Masern oder Diphterie nur ausgerottet
werden konnten, indem sich große Teile der Gesellschaft dagegen
impfen ließen.




Lokführer_Innenstreik: Wer ist schuld, wenn meine Bahn nicht kommt?!

Von Lars Keller

Gründe, warum wir auf
dem Bahnsteig stehen und vergeblich auf unseren Regio oder die S-Bahn
warten, gibt‘s ja viele. Mal sind es die ominösen Verzögerungen
im Betriebsablauf, mal ist der Zug kaputt, dann eine Weiche oder es
fehlt einfach an Personal, also an Lokführer_Innen. Das ist alles
nichts Neues, bei einer Bahn, die als Erstes Gewinn machen soll und
erst als Zweites gut funktionieren soll. Personal ausbilden, Signale
schnell entstören, Züge rechtzeitig reparieren, das alles kostet
und bringt keinen Gewinn. Also schauen wir auf die Anzeigetafel und
ärgern uns: „Heute ca. 15 Minuten später.“ oder gleich „Zug
fällt aus.“. Übrigens gilt für die Deutsche Bahn ein
ausgefallener Zug nicht als verspätet…so kann man sich die eigene
Zuverlässigkeit natürlich auch schön rechnen.

Demnächst kann es
allerdings sein, dass wir auf dem Bahnsteig stehen, der Zug nicht
kommt und der Blick auf die Anzeigetafel uns verrät:
„+++GDL-Streik+++Zug fällt aus+++“. Vielleicht ist dir genau das
auch schon passiert, entweder, weil du beim letzten großen
Lokführer_Innenstreik 2015 auch schon betroffen warst oder weil neue
Streiks stattgefunden haben, seitdem wir die Zeitung gedruckt haben.
Das ärgert dich vielleicht, und du fragst dich:

Warum streiken die denn? Und das auch noch ausgerechnet jetzt!

Die Gewerkschaft
Deutscher Lokomotivführer (GDL) verhandelt mit der Deutschen Bahn
(DB) derzeit um einen neuen Tarifvertrag, also darüber, wie viel
Lokführer_Innen und andere Arbeiter_Innen bei der Bahn demnächst
verdienen sollen, wie viel sie arbeiten müssen und noch vieles mehr.
Bisher wird darüber nur im Hinterzimmer zwischen GDL und DB
verhandelt (öffentlich wäre natürlich besser), aber wenn sich aus
den Bossen der Bahn kein gutes Angebot heraushandeln lässt, kann die
GDL versuchen, durch Streiks mehr Druck zu machen.

Die Forderungen der GDL
solltest du auf jeden Fall unterstützen. Warum? Es geht z.B. um 4,8
% mehr Lohn, was dringend nötig ist, wenn wir uns anschauen, wie
Mieten explodieren oder Lebensmittelpreise steigen. Außerdem soll‘s
eine Coronaprämie von 1300 Euro geben für die, die während der
Krise den Schienenverkehr aufrecht gehalten haben, damit Menschen
ohne Auto auch weiterhin zur Arbeit kommen konnten.

Die Deutsche Bahn wirft
der GDL vor, dass sie mit ihren Forderungen die Verkehrswende
aufhalte. Aber das Gegenteil ist der Fall! Wer einen guten
Schienenverkehr will, braucht auch gut bezahlte Zugbegleiter_Innen
und Lokführer_Innen! Nicht die Lokführer_Innen sind es, die die
Verkehrswende ausbremsen, sondern die Deutsche Bahn AG und der
deutsche Staat sind es. Beweis? In den letzten 25 Jahren wurden in
Deutschland 6000 km Gleise abgebaut und ungefähr genauso viele
Bundesstraßen und Autobahnen gebaut, außerdem wurden Tausende Jobs
gestrichen und die Arbeitsbedingungen der Lokführer_Innen wurden um
einiges schlechter.

Klingt ja, als würden
die alles richtig machen?!

Naja, nein. Die
Forderungen der GDL sind schon richtig, aber das heißt nicht, dass
sie alles richtig machen. Beispielsweise tat die GDL bei vergangenen
Streiks wenig dafür, die Fahrgäste miteinzubeziehen und das, obwohl
es von allen Seiten die widerlichste Hetze hagelte, vor allem aus
jenen dreckigen Fingern der BILD-Zeitungsredaktion. Das wird sicher
wieder passieren.

Die GDL könnte auf die
Fahrgäste zugehen, indem in einer ersten Stufe des Streiks
Lokführer_Innen die Züge zwar weiterfahren, aber angekündigt keine
Ticketkontrollen mehr durchführen (ein indirekter Aufruf zum
kostenlosen ICE fahren). Oder dass der Fokus des Streiks auf den
Güterverkehr gesetzt wird, was bei den deutschen Autoindustrien und
anderen Großindustrien schnell zu derart großen wirtschaftlichen
Problemen führen würde, dass ein großer Druck auf die
Bundesregierung und den Staat als Eigentümer der Deutschen Bahn
daraus hervorgehen würde. Am Ende ist aber natürlich auch ein
Streik im Personenverkehr legitim, gepaart mit einer Kampagne unter
den Fahrgästen. Unserer Ansicht nach sollten die Kolleg_Innen das
selbst durch Streikkomitees demokratisch entscheiden und
kontrollieren, wie sie was bestreiken und es nicht einfach dem
Gewerkschaftsvorstand überlassen.

Denn letztlich verdient
die GDL auch dafür Kritik, dass sie den Vorstoß der Grünen
(richtig, die Partei, die Wälder für Autobahnen fällen lässt)
unterstützt, die Deutsche Bahn zu zerschlagen, also für mehr
Konkurrenz („Wettbewerb“) auf der Schiene zu sorgen.
Erfahrungsgemäß führt das zu einer noch beschisseneren
Betriebsqualität, also mehr „15 Minuten später“ oder „Zug
fällt aus“ oder generell Fahrpläne die gar nicht zusammenpassen.
Der Grund ist einfach der, dass mehr Wettbewerb auch mehr Kosten
einsparen bedeutet, womit wir wieder bei nicht reparierten Zügen und
unterbezahltem Personal wären…

Demgegenüber sollten wir
und alle, die es ernst meinen mit der Verkehrswende und dem
Klimaschutz, dafür eintreten, dass der gesamte Transportsektor
entschädigungslos enteignet und verstaatlicht wird und von
Arbeiter_Innen, Pendler_Innen usw. demokratisch kontrolliert wird.
Denn die Eisenbahn soll keinen Gewinn machen, sondern uns nachhaltig
und sicher von Hier nach Dort bringen!




Beispiel Impfstoffproduktion: Kann der Markt die Pandemie beenden?

Von Felix Ruga

Das letzte bürgerliche Versprechen um
aus der Pandemie raus zukommen ist die massenhafte Impfung begleitet
mit einem halbgaren Freizeitlockdown, um das Gesundheitssystem und
die Wirtschaft am Laufen zu halten. Angela Merkel machte zum
Startschuss der Impfkampagne das vollmundige Versprechen, dass es
jetzt ganz schnell gehen wird und vielleicht schon zu Ostern alles
wieder etwas entspannter sein darf. Daraus wurde offensichtlich
nichts.

Denn die Impfkampagne kam vier Monate
nicht in Gang. Verglichen mit Großbritannien, den USA und Israel ist
die Impfgeschwindigkeit in der EU und dementsprechend auch
Deutschland ziemlich langsam, ganz zu schweigen vom Großteil der
wirtschaftlich schwächeren Länder, die trotz großer Versprechen
wohl frühstens massenhaft impfen werden, wenn es die
imperialistischen Zentren bereits hinter sich haben. Entscheidend für
die Impfgeschwindigkeit ist die Versorgung mit dem Impfstoff selbst
und die wird für Deutschland vor Allem über die EU geregelt. Dort
wird ständig darum gezankt, wer wie viel kriegt, aber eigentlich ist
den Verantwortlichen klar, dass dabei bloß ein Mangel verwaltet
wird. Zum einen ist die Produktion ohnehin viel zu schwach, dann gibt
es immer wieder Probleme, weil andere imperialistische Länder
entweder Impfstoffe oder deren Bestandteile nicht liefern, um sich
erst mal selbst zu versorgen, und die hiesigen Unternehmen haben
lange Zeit nur Bruchteile der versprochenen Mengen geliefert.

Der Chaos der privaten Produktion

Dass das aber gar nicht so sein müsste,
wird von vielen und auch bürgerlichen Kräften kritisiert.
Deutschland hätte mehr anfordern müssen, heißt es da zum Beispiel,
oder auf mehr Marken hätte setzen sollen. Dass aber selbst die zu
geringen Zahlen nicht eingehalten wurden oder dass sowohl BioNTech,
AstraZeneca als auch Moderna alle nicht ihre versprochenen
Liefermengen gehalten haben, spricht für sich. Technische Probleme,
Zulassungsverfahren, Lieferschwierigkeit, unerwartete Komplikationen
führten dazu, dass Deutschland erst jetzt so langsam aus dem Quark
seiner Impfkampagne kommt.

Das Hauptproblem ist aber, dass die
Impfstoffkonzerne und deren Herstellung nicht primär darauf
ausgelegt sind, möglichst sinnvoll alle Menschen zu versorgen. Es
geht darum, durch die Produktion
möglichst viel Schnapp zu machen. Und
damit kommt das größte Hindernis für eine effektive
Impfstoffproduktion ins Spiel: die Patente. Weil, da alle
Pharmakonzerne es jetzt auf fette Gewinne anlegen, teilen sie ihr
Wissen nicht mit anderen möglichen Produzenten und deswegen sichern
sie ihr Impfstoffrezept mit dem Patentrecht. Es zeigt zudem, dass der
Wettbewerb eben nicht möglichst schnell zum Impfstoff führt. Denn
jetzt ist die Arbeit von Biolog_Innen, Pharmazeut_Innen usw. auf
unterschiedliche Konzerne verteilt anstatt dass gebündelt zusammen
geforscht und produziert wird. So kocht jeder Hersteller eben sein
eigenes MRNA- oder Vektor- oder LmaA-machen-wir-viel-Profit-Süppchen.

Außerdem ist es ein großes Problem,
dass es zig einzelne Projekte und Unternehmen sind und jeweils nur
dem eigenen Profit oder den Geldgeber_Innen verantwortlich sind. Der
Impfstoffnationalismus tut sein Übriges und heraus kommt eine
heftige weltweite Ungleichverteilung und Lieferhindernisse.
Beispielsweise fasst die USA den „Defence Production Act“, also
ein Gesetz für Eingriffe in die Produktion im Kriegsfall von 1950,
mittlerweile so auf, dass alle Stoffe zur Bekämpfung von Corona
erstmal in den USA bleiben soll. Das bedeutet jedoch auch, dass
wichtige Rohstoffe für die Impfstoffproduktion nicht mehr geliefert
werden, was weltweit in diversen Standorten die Herstellung
ausbremst, unter anderem in Indien und der EU.

Unsere Gesundheit darf keine Ware
sein!

Eingriffe in die Produktion sind dabei
jedoch ganz grundsätzlich der richtige Ansatz, denn in solch
schwierigen Momenten zeigt sich am stärksten, dass wir uns auf den
Markt nicht verlassen können! Private Unternehmen haben kein
Interesse daran gesamtgesellschaftliche Belange in Betracht zu
ziehen. In der Konkurrenz ist das nachrangig und nur hinten
angestellt werden dabei unsere Bedürfnisse gestillt. Der bürgerliche
Staat will auch nur ungern eingreifen, wenn es darum geht, sinnvolle
Preise oder eine notwendige Umstellung der Produktion aufzuerlegen,
immerhin, der Markt ist heilig und dürfe nicht angetastet werden.

Deswegen müssen wir als Bewegung von der Straße und in den
Betrieben darum kämpfen, dass die Produktion nicht mehr dem Profit,
sondern unserer Gesundheit folgt! Wir können den Staat unter Druck
setzen, zum Beispiel in dem wir ihn auffordern die Impfstofflizenzen
auf gesetzlichem Weg freizugeben und das Patentrecht abzuschaffen.
Außerdem fordern wir die Unternehmen zu enteignen und demokratisch
über sie zu bestimmen und sie durch die Arbeiter_Innen zu
kontrollieren. Und das am besten in allen Ländern! Dadurch wird die
Konkurrenz außer Kraft gesetzt und die hergestellten Impfstoffe nur
noch dazu da, dass wir uns nicht mehr anstecken und die Pandemie
überwinden, nicht um Profit zu machen. Selbstverständlich gäbe es
dann auch keine Notwendigkeit mehr für Patente,
Exklusivitäten einzelner Länder oder Verträge, die am Ende eh
nicht eingehalten werden. Wir bündeln somit die Produktivkräfte und
könnten sie sinnvoll und gerecht einsetzen, um Corona weltweit
möglichst schnell ein Ende zu setzen!




Die Lügen der Polizei – oder: wovor sich die Herrschenden fürchten

Wir veröffentlichen hier die gemeinsame Pressemitteilung des Bündnisses zur Vorbereitung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration

Die Darstellung der Berliner Polizei zur Auflösung der Revolutionären
1.-Mai-Demonstration kommt einer politischen Märchenstunde gleich, die
vor allem der Rechtfertigung der willkürlichen, aber gezielten Auflösung
der Demonstration dient.

Hier einige Fakten und Richtigstellungen zur Demonstration und deren gewaltsame Auflösung durch die Berliner Polizei.

Schon im Vorfeld des 1. Mai ließen Sprecher*innen der Polizei
verlauten, dass sie mit einer möglichen Eskalation rechnen, und stellten
auch mögliche Auflösungsszenarien in den Raum. Und das, obwohl das
Demonstrationsbündnis immer wieder das politische Ziel betonte, die
Bevölkerung Neuköllns und Kreuzbergs zu ermutigen, sich der
Demonstration anzuschließen. Schon vor deren Beginn gab es erste
Schikanen wie eine späte Absperrung der Straßen, sodass die
Auftaktkundgebung nicht pünktlich beginnen konnte.

Das Bündnis und die Teilnehmer*innen versuchten von Beginn an, die
Regeln des Infektionsschutzgesetzes zu beachten. Faktisch trugen alle
Masken. Die Demonstrationsleitung, die Ordner*innen und die
Lautsprecherwagen wiesen immer wieder darauf hin und konnten die
Einhaltung der Regeln weitgehend sicherstellen, vor allem sobald die
Demonstration zu laufen begann.

Wie auch Journalist*innen und Vertreter*innen der Medien – so zum
Beispiel der RBB in der Abendschau – berichten, war die Demonstration
lautstark, kämpferisch, antikapitalistisch, aber auch entspannt,
friedlich und nach eigenen Aussage des RBB-Reporters trugen 99 Prozent
der Teilnehmenden eine Mundnasenbedeckung und versuchten, die Abstände
einzuhalten.

Dennoch spaltete die Berliner Polizei ohne vorherige Warnung und ohne
die Versammlungsleitung zu informieren, die Demonstration gegen 20:00
Uhr in der Karl-Marx-Straße in zwei Hälften, kesselte mehrere Blöcke und
Personengruppen und drängte diese auf einem durch Baustellen ohnehin
schon engen Raum weiter zusammen. Nachdem der Anmelder bereits im
Kooperationsgespräch darauf gedrängt hatte, auf der Route Parkverbote
aufzustellen, um die Hygieneregeln besser einhalten zu können, die
Polizeiführung dies aber rigoros abgelehnte, verhinderte die Polizei
selbst mit der Abtrennung und Kesselung großer Teile der
Teilnehmer*innen das Einhalten des Infektionsschutzgesetzes.

Die Polizei wollte damit offensichtlich einen Keil zwischen „gute“
Demonstrant*innen im ersten Block und „böse“ Teilnehmer*innen in den
folgenden treiben. Auf diesen Spaltungsversuch ließen wir uns nicht ein –
und werden wir uns auch zukünftig nicht einlassen.

Das Bündnis und die Versammlungsleitung hielten die Demonstration an,
nachdem sie von der Abtrennung der Hälfte der
Demonstrationsteilnehmer*innen erfahren hatten, und verlangten, dass
sich alle wieder dem Demonstrationszug anschließen können. Die Polizei
verweigerte indes jedes Gespräch darüber und entzog faktisch Tausenden
Menschen ihr Recht auf Versammlungsfreiheit.

Stattdessen begannen die Polizeikräfte, die Teilnehmer*innen zu
traktieren und anzugreifen. Demonstrant*innen wurden eingeschüchtert,
willkürlich festgenommen und der gesamten Demonstration mit der
Auflösung durch die Polizei gedroht, weil Schaulustige und
Anwohner*innen auf den engen, zugeparkten Straßen die Abstandsregeln nur
schwerlich einhalten konnten. Erst nach den Angriffen der Polizei auf
verschiedene Teile der Demonstration eskalierte die Lage.

In diesem Zeitraum „verschwanden“ auch die unerfahrenen und
offensichtlich überforderten Verbindungsbeamten der Polizei spurlos.
Etwas, was in den vielen Jahren zuvor noch nie passiert war. Das Bündnis
und die Versammlungsleitung wollten die Situation deeskalieren und
Demonstration ohne Repression durch die Polizei mit allen
Teilnehmer*innen fortsetzen. Doch Verbindungsbeamte und Einsatzleitung
waren für die Versammlungsleitung bis zur Beendigung der Demonstration
nicht mehr erreichbar.

Die Polizei begann ab 20.30 Uhr, den abwartenden Demonstrationszug
anzugreifen, und nahm Hunderte Menschen fest. Polizeieinheiten gingen
brutal gegen Träger*innen von Transparenten und Fahnen vor, um die
Fortsetzung des Aufzugs zu unterbinden. Gegen 21.00 Uhr war die
Demonstration faktisch von der Polizei zerschlagen worden. Erst danach
lösten die Veranstalter die Demonstration auf.

Die Berliner Polizeipräsidentin verbreitete letztlich die von
zahlreichen Medien ohne weitere Überprüfung übernommene Falschmeldung,
der Versammlungsleiter habe die Demonstration für beendet erklärt,
nachdem er selbst aus der Menge heraus angegriffen worden sei. Diese
Behauptung ist schlicht und einfach falsch. Der angebliche Angriff fand
nie statt und der Versammlungsleiter erfuhr davon auch erst aus den
Medien.

Wie diese Falschmeldung fabriziert wurde, entzieht sich unserer
Kenntnis. Wohl aber tritt ihr politischer Zweck klar zutage. Rund 25.000
Menschen, die gegen Rassismus und Sexismus, gegen Ausbeutung und
Wohnungsnot, gegen Kapitalismus und Imperialismus auf die Straße gingen,
sollen politisch diffamiert und als verantwortungslose diskreditiert
werden – und mit ihnen die klassenkämpferischen und revolutionären
Ziele, die sie vertreten.

Das Vorgehen der Polizei zeigt, dass sie nie vorhatte, die
Demonstration bis nach Kreuzberg ziehen zu lassen. Sie hat bewusst eine
Eskalation in Neukölln forciert, um uns vor den Augen der Bevölkerung
und der Presse zu diskreditieren und uns zu spalten. Denn es gibt
nichts, was die Herrschenden mehr fürchten als unsere Einheit und unsere
Solidarität. Daher wollen sie gezielt verhindern, dass wir uns im Kampf
zusammenschließen, innerhalb der Linken und mit der Bevölkerung. Das
wird ihnen nicht gelingen. Jetzt erst recht: Yallah Klassenkampf!

Berlin, 3. Mai 2021




Der Erste Mai 2021: Die klassenkämpferische und revolutionäre Linke muss ihre Chance ergreifen!

Gemeinsamer Auswertungsartikel von REVOLUTION und Gruppe ArbeiterInnenmacht

Der Erste Mai 2021 könnte der Auftakt zu einem Game Changer für die radikale, klassenpolitische, migrantische und internationalistische Linke in Deutschland werden. In vielen Städten schlossen sich Tausende klassenkämpferischen und revolutionären Demonstrationen und Blöcken bei den Gewerkschaftsdemos an. Noch weit mehr beteiligten sich an Kundgebungen, Fahrradkorsos und anderen vielfältigen Aktionen gegen Mietwucher und Umweltzerstörung. Den bundesweiten Höhepunkt des Tages bildete zweifellos die Berliner revolutionäre Erster-Mai-Demonstration mit 25.000 TeilnehmerInnen.

Trotz Einschüchterungen und medialer Hetze, trotz Provokationen und
brutaler Angriffe, trotz einer geplanten und gezielten gewaltsamen
Auflösung der Demonstration durch die Polizei stellt sie einen
politischen Erfolg nicht nur des Bündnisses, sondern für die gesamte
radikale, klassenkämpferische und internationalistische Linke dar.

1. Breite Mobilisierung

Erstens mobilisierte die Demonstration gut 25.000 Menschen, die dem
Ruf nach Einheit im Kampf gefolgt sind. Die Rednerinnen und Redner sowie
Sprechchöre brachten immer wieder eines zum Ausdruck: Ob im Krankenhaus
oder in der Autofabrik, ob in der Geflüchtetenunterkunft oder im
Jobcenter, ob in der Schule oder im Haushalt, überall stehen wir
Lohnabhängige, unabhängig von Nationalität, Alter, Geschlecht und
sexueller Orientierung vor denselben Problemen. Wir sollen für die
Kosten von Krise und Pandemie zahlen!

Die Aufhebung des Mietendeckels durch das Bundesverfassungsgericht
mobilisierte viele weitere Menschen. Angesichts dieses Skandalurteils
drohen 1,5 Millionen Berlinerinnen und Berlinern Mieterhöhungen,
Nachzahlungen oder Räumungen.

Auf den Straßen Berlins und auch in vielen anderen Städten formierte
sich praktisch die Einheit von migrantischen ArbeiterInnen, von prekär
Beschäftigten aus den Lieferdiensten, von KrankenpflegerInnen und
MieterInnen, von SchülerInnen und Studierenden.

Der Revolutionäre Erste Mai in Berlin stellt dabei natürlich kein
singuläres Ereignis dar. Schon in den letzten Monaten häuften sich
Massendemonstration nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen
Städten. Auch revolutionäre Erster-Mai-Mobilisierungen wie in
Frankfurt/Main zogen Tausende Menschen an. Die Berliner Demonstration
bündelte sichtbarer, größer und deutlicher eine Wut und eine Veränderung
der Stimmung und teilweise auch des Bewusstseins unter breiteren
Schichten der ArbeiterInnenklasse und der sozial Unterdrückten.

2. Antikapitalismus und Internationalismus

Die Demonstration zog diese Vielfalt, die im Grunde die
Vielschichtigkeit der ArbeiterInnenklasse selbst widerspiegelt, an, weil
sie inhaltlich radikal war. Revolutionäre Parolen, Kritik am
Kapitalismus, die Forderungen nach Enteignung von Immobilienhaien wie
Deutsche Wohnen, der KrisengewinnerInnen in der Exportindustrie, der
Pharmakonzerne und privater Krankenhäuser stellten kein Hindernis für
die Mobilisierung dar, sondern stärkten diese. Die Forderungen der am
stärksten ausgebeuteten migrantischen ArbeiterInnen, von geschlechtlich
und sexuell Unterdrückten, der marginalisierten Teile der Lohnabhängigen
und der Jugend stellen ganz um Gegensatz zur populistischen und
chauvinistischen Vorstellungswelt einer Sahra Wagenknecht keine
„Marotten“ oder Hindernisse für die Einheit der Klasse dar, sondern
bilden vielmehr einen integralen und unverzichtbaren Bestandteil des
Befreiungskampfes der ArbeiterInnenklasse selbst.

Das Verbindende bildet eben die Kritik am Kapitalismus als globalem,
umfassenden System, das revolutionär überwunden werden muss. Diese
Kritik wurde natürlich am Ersten Mai nicht neu erfunden, aber die
Verhältnisse selbst drängen immer mehr Menschen genau in diese Richtung.

Die riesige revolutionäre Erster-Mai-Demonstration in Berlin, aber
auch die vielen gut besuchten klassenkämpferischen und revolutionären
Demonstrationen oder Kundgebungen verdeutlichen dieses Potential.

Es handelt sich dabei zwar noch um eine Minderheit unserer Klasse,
aber zugleich um eine wachsende, dynamische Strömung, die es zu einer
Einheit in der Aktion, im Kampf gegen Pandemie und Krise, gegen
Rassismus und Imperialismus zusammenzuführen gilt. Diese Menschen können
die gesellschaftliche Basis für eine breite, schlagkräftige
Massenbewegung gegen die Krise in ihren vielfältigen Ausformungen
werden.

3. Breites Bündnis

Auf den Straßen Berlins formierten sich Wut und Widerstand in einem
breiten Bündnis, das der migrantisch-internationalistische Block
anführte. Dahinter folgten der Enteignungsblock, den Gruppe
ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION mit organisierten, der
klassenkämpferische Block und jener der Interkiezionale.

Die Mobilisierung von 25.000 Menschen spiegelt auch die Breite eines
Bündnisses wider, das im Grunde alle Strömungen der radikalen Linken
Berlins, also aller links von Linkspartei und Gewerkschaftsapparaten
umfasste. Diese Einheit und dieser Erfolg stellen keine
Selbstverständlichkeit dar. Dass sie zustande kamen, ist ein Verdienst
aller beteiligten Gruppierungen. Besondere Anerkennung verdienen dabei
aber die GenossInnen von Migrantifa Berlin, ohne deren Initiative und
Wirken die Demonstration nicht so groß und stark gewesen wäre.

Zweifellos haben wir im Bündnis auch Fehler gemacht. Aber, wer
erfolgreich so viele Menschen trotz der Gegnerschaft von Kapital, Senat,
Abgeordnetenhaus und Polizei auf die Straße bringt, muss auch einiges
richtig gemacht haben und dies gilt es fortzusetzen und zu
verallgemeinern.

Ein wichtiger Faktor für die Solidarität unter den beteiligten
Gruppen stellte erstens der Konsens dar, dass wir die lohnabhängige
Bevölkerung, insbesondere die migrantischen ArbeiterInnen mit unserer
Mobilisierung erreichen und gewinnen wollen. Zweitens die Solidarität
gegen jede Provokation und Spaltungsversuche von Seiten der Polizei, der
bürgerlichen Politik und Medien, gegen Verleumdungsversuche aller Art.
Diese Solidarität müssen wir unbedingt beibehalten.

Die Einheit in der Aktion und die Breite des Bündnisses müssen und
wollen wir über den 1. Mai hinaus praktisch fortsetzen und auch in
anderen Städten verbreitern. Das beinhaltet einerseits eine
Schwerpunktsetzung auf gemeinsame Aktivitäten und klare Forderungen zu
politischen und sozialen Kernproblemen unserer Klasse. Andererseits
müssen wir auch eine engere Zusammenarbeit mit bestehenden Initiativen
und Kämpfen insbesondere auf gewerkschaftlicher und betrieblicher Ebene
herbeiführen. Dass es auch hier Bewegung und viele Überschneidungen der
teilnehmenden Gruppierungen und Demonstrierenden gibt, wurde z. B. in
Berlin bei der Demonstration „Nicht auf unserem Rücken – Gewerkschaften und Lohnabhängige in die Offensive!“ ebenso sichtbar wie bei „Von der Krise zur Enteignung!“ oder auch bei MyGruni deutlich.

Um diese Einheit auf der Straße, im Betrieb, im Stadtteil
weiterzuführen oder überhaupt erst zu schaffen, brauchen wir in Berlin,
aber auch in vielen anderen Städten eine Diskussion über die Grundlagen
einer Antikrisenbewegung, ihre Forderungen, ihren Aktionsplan. Dazu
schlagen wir eine Diskussion in verschiedenen Bündnissen oder
gewerkschaftsoppositionellen Strukturen wie der VKG, in Kampagnen wie
#ZeroCovid und die Durchführung eine bundesweiten Aktionskonferenz vor.

4. Politischer Gradmesser

Die Haltung zur Berliner Erster-Mai-Demonstration bildet auch einen Gradmesser dafür, wo welche politische Kraft steht.

Dass die Berliner Polizei von Beginn an plante, die Demonstration
anzugreifen, zu spalten und aufzulösen, wird mit jedem Tag klarer. Unter
dem Vorwand des Infektionsschutzgesetzes trotz Masken aller
Teilnehmenden und trotz des Bemühens der OrdnerInnen, Abstände
einzuhalten, erzeugte die Polizei selbst jene Lage, die sie angeblich zu
verhindern suchte. In einem Interview in der Berliner Abendschau
rechtfertigte der Berliner-SPD-Innensenator Geisel nicht nur den
Einsatz und die Gewaltexzesse der Polizei. Er selbst verteidigte den
Zeitpunkt des Angriffs auf die Demonstration auch damit, dass
polizeilich Aktionen bei Tageslicht leichter durchzuführen wären als bei
Dunkelheit. Dann wäre – von wegen Infektionsschutz – die „taktische
Herausforderung“ noch größer gewesen.

Für CDU, FDP und auch AfD war selbst das brutale Vorgehen der Polizei
nicht genug und sie kritisieren Geisel von rechts, fordern noch mehr
Bullen und noch repressiveres Vorgehen gegen DemonstrantInnen –
QuerdenkerInnen und Corona-LeugnerInnen natürlich, vor allem von der
AfD, ausgenommen. Dabei zeigten Parties von Corona-LeugnerInnen am 1.
Mai einmal mehr, dass die Bullen – ähnlich wie bei den QuerdenkerInnen
in Kassel und Stuttgart – keinen Finger rühren, wenn es darum geht, das
Infektionsschutzgesetz gegen die Rechten durchzusetzen. Der Chef der
Berliner Abgeordnetenhausfraktion der CDU, Burkard Dregger, will gar
einen „Kuschelkurs mit der linken Szene“ beim Senat ausmachen.

Das – nicht die brutale Einschränkung demokratischer Rechte – empört
die SPD-Oberen wie Innensenator Geisel und Bürgermeister Müller. Dabei
werden die Mini-Noskes aus der Sozialdemokratie nicht müde, sich hinter
„ihre“ Polizei zu stellen und jede Schweinerei zu rechtfertigen. Doch
Undank ist bekanntlich der herrschende Klasse und der „echten“
Konservativen und Liberalen Lohn.

Der innenpolitische Sprecher der Berliner Grünen, Benedikt Lux, steht
voll auf Geisel-Linie. Die Spitzenkandidatin der Partei, Annalena
Baerbock, stimmt in den Chor der ScharfmacherInnen ein und diffamiert
die Demonstration gar als „kriminell“.

Niklas Schrader von der Linkspartei kritisiert das Verhalten der
Polizei als taktisch „nicht gelungen“ und zeigt damit, aus welcher
Perspektive aus er die Sache beurteilt – nämlich nicht von Seiten der
DemostrantInnen, sondern der Regierung, die den Polizeieinsatz
mitzuverantworten hat. Schließlich sind die SenatorInnenposten der
Linkspartei allemal wichtiger als 25.000 Menschen, die von einer Polizei
angegriffen werden, die zumindest auf dem Papier ihrer Koalition
untersteht. Dieses Rumlavieren der Linkspartei zeigt mal wieder, dass
der Kurs der Partei, sich als Freundin der sozialen Bewegungen zu
präsentieren aber gleichzeitig mitregieren zu wollen, in Momenten der
Krise nicht funktioniert.

Im Windschatten der großen Politik und der bürgerlichen Medien kochen
schließlich auch sog. Antideutsche wie die Zeitung Jungle World und
andere ihr rassistisches Süppchen.

Diese „Linken“ bewiesen damit erneut, dass sie nicht auf der Seite
der Protestierenden stehen, sondern auf der von Regierung und Polizei.
Alle gemeinsam blasen sie ins selbe Horn und unterstellen der
Demonstration Antisemitismus, weil sie sich mit dem palästinensischen
Widerstand und der antizionistischen Linken in Israel solidarisierte.
Die Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus wird bekanntlich
durch ständige Wiederholung nicht weniger falsch und reaktionär und
führt nur dazu, den deutschen Imperialismus von „links“ zu flankieren.

Die Haltung zur revolutionären Erster-Mai-Demonstration zeigt
freilich, wo welche politische Kraft steht. Die skandalöse Haltung der
Spitzen der Grünen und der SPD sollte uns ebenso wenig wundern wie das
halbherzige Rumeiern der Linkspartei, die letztlich ebenfalls, wenn auch
„kritisch“ hinter dem Polizeieinsatz steht.

Wo bleibt der DGB?

Wie schon 2020 verlagerte der DGB seine „Aktionen“ vor allem ins
Internet. Auch wenn in etlichen Städten Demonstrationen oder
Kundgebungen stattfanden, so trugen sie zum Teil reinen Alibicharakter
oder wurden von linkeren Gruppierungen und vielen migrantischen
Organisationen zahlenmäßig dominiert. Die hohe Präsenz dieser Strömungen
stellt ein positives Zeichen dar.

Die Haltung der Gewerkschaftsführungen hingegen kommt einem weiteren
politischen Skandal gleich, wenn auch keinem verwunderlichen. Die
Tarifrunden und Auseinandersetzungen wurden von der Bürokratie vor allem
befriedet und ausverkauft. Klar, bei dieser Bilanz ist auch am Ersten
Mai wenig zu erwarten. Die Pandemie bot so sicher
Gewerkschaftsvorständen und Apparat einen Vorwand, erst gar nicht zu
versuchen, die Masse der ArbeiterInnen zu mobilisieren. Zieht man die
linken und migrantischen Organisationen ab, so stellen viele
DGB-Kundgebungen am 1. Mai ein Funktionärstreffen unter freiem Himmel
dar, bei denen staatstragende Reden gehalten werden und die
GewerkschaftsfunktionärInnen kaum von den Spitzen aus SPD, Grünen oder
selbst CDU, die als GastrednerInnen eingeladen wurden, unterscheidbar
sind.

Das Fazit gestaltet sich also sehr einfach. Von den
Gewerkschaftsführungen und ihrem bürokratischen Apparat ist eine
Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse, ein Kampf gegen Kapital und
Regierung in den kommenden Monaten nicht zu erwarten. Ebensowenig von
den Spitzen der SPD, die bis zum Ende der Großen Koalition die Treue
hält und im Wahlkampf vielleicht so tun wird, als wäre sie nicht dabei
gewesen. Und die Führung der Linkspartei versucht die Quadratur des
Kreises – nicht nur am Ersten Mai. Einerseits hängt sie in den
Landesregierungen in Berlin, Thüringen und Bremen fest, betreibt dort
bürgerliche Politik und garniert sie mit etwas gebremstem Sozialschaum.
Andererseits will sie sich im Bund als Opposition zur kommenden
Regierung präsentieren, da eine grün-rot-rote Koalition auf Bundesebene
aufgrund der Haltung der Grünen, aber auch der SPD wohl ausgeschlossen
ist.

Aufgaben der revolutionären und klassenkämpferischen Linken

Für RevolutionärInnen und für die klassenkämpferische Linke, die am
Ersten Mai sichtbar wurde, stellen die Passivität der
Gewerkschaftsführungen, die bürgerliche Politik von SPD und Linkspartei
eine Chance, aber auch eine politische Herausforderung dar.

Die Chance besteht darin, dass die Passivität der Apparate Menschen
nicht automatisch zu kleinbürgerlich-reaktionären Kräften wie den
Corona-LeugnerInnen treibt, sondern auch ein politisches Vakuum auf der
Linke schafft, Raum für eine Bewegung und Mobilisierung, die
Lohnabhängige und Unterdrückte anziehen und zu einer politischen und
gesellschaftlichen Kraft formieren können. Dass z. B. etliche Menschen
an den linksradikalen, klassenkämpferischen und revolutionären
Demonstrationen am 1. Mai teilnahmen, die bisher unorganisiert waren und
sind, verdeutlicht das.

Umgekehrt stellt die Blockade durch die reformistischen und vor allem
gewerkschaftlichen Apparate aber auch ein Problem dar. Vor allem die
Kontrolle der Bürokratie über die organisierte ArbeiterInnenklasse in
den Betrieben gerät zu einem effektiven Mittel, den Klassenfrieden in
den Unternehmen zu sichern, die Menschen ruhigzustellen und diejenigen
zu isolieren, die dagegen ankämpfen wollen.

Wenn die klassenkämpferische Minderheit, die am Ersten Mai sichtbar
wurde, zu einer Massenkraft werden soll, die die Mehrheit unserer Klasse
mobilisieren kann, muss sie einen Weg finden, diese Blockade zu
überwinden. Dazu ist es nötig, Forderungen aufzustellen, um die
Mitglieder, AnhängerInnen und WählerInnen der „linken“ Parteien zu
mobilisieren und die der Gewerkschaften in die Aktion zu bringen. Das
heißt, sie muss eine Politik der Einheitsfront gegenüber den Millionen
Mitgliedern, WählerInnen und UnterstützerInnen dieser Organisationen
verfolgen, die sich an die Basis, aber auch an die Führungen der
reformistischen Organisationen richtet – nicht, weil wir in letztere
politische Illusionen hätten, sondern weil wir die Hoffnungen und
Illusionen ihrer Basis dem Test der Praxis unterziehen müssen. Da die
objektive Lage den Spielraum für Kompromisse zwischen den Klassen
einschränkt, vergrößert sich auch die Kluft zwischen Basis und Führung
und damit auch die Möglichkeit für RevolutionärInnen, diese taktisch zu
nutzen.

Dies erfordert nicht nur ein Verständnis von Einheitsfrontpolitik. Es
erfordert auch, die strategische, politische und programmatische
Schwäche der „radikalen“ Linken anzugehen, die mit großen
Mobilisierungen noch längst nicht gelöst ist und allein aus diesen
heraus auch nicht zu lösen sein wird.

Kurzum, es fehlt an einer Strategie in der Linken. Eine solche müsste
nämlich von einem Verständnis der Totalität, der Gesamtheit der
aktuellen Krise und Problemstellungen ausgehen. Politisch-programmatisch
müsste sie dabei jedoch eine Methode verfolgen, die objektive Situation
mit ihren aktuellen, konkreten Problemen und Ansätzen von Widerstand
mit einer revolutionären Antwort darauf zu verbinden. Kurz sie braucht
ein Aktionsprogramm, das der gegenwärtigen Lage entspricht. Die Aufgabe
der antikapitalistischen und klassenkämpferischen Linken bestände darin,
eine weiterführende Perspektive aufzuzeigen, die nicht nur die
unmittelbare Not, sondern auch ihren wesentlichen Kern aufzeigt und
Tageskämpfe mit dem für eine andere, sozialistische Gesellschaft
strategisch vermittelt.

Was die Berliner Linke mit Blick auf den Ersten Mai geschafft hat,
gilt es nun auf die nächste Ebene zu heben. Es braucht eine
Aktionskonferenz, auf der die verschiedenen Programme und Strategien der
radikalen Linken diskutiert und konkrete Aktionen geplant werden, um
den Angriffen des Kapitals eine antikapitalistische und
internationalistische Anti-Krisenbewegung entgegenzustellen