Nach SPD-Parteitag: Das Ende der Groko?

Alex Metzger

Anfang Dezember hat die SPD eine neue
Parteispitze gewählt. Dabei wurde dem neoliberalen Kurs der
Befürworter_Innen der Großen Koalition, also dem traditionell
rechten Flügel eine Absage erteilt. Eindeutig war das Ergebnis aber
nicht. Von den gerade einmal 54% der Mitglieder, die überhaupt an
der Abstimmung teilgenommen haben, schaffte es das Duo Saskia Esken
und Norbert Walter-Borjans gerade einmal auf knapp 115.000 Stimmen,
gegen die gut 98.000 Stimmen für Scholz/Geywitz. Dass das Ergebnis
trotzdem eine massive Niederlage für die etablierte Führungsriege
darstellt, ist mehr als offensichtlich. So hatten die meisten
prominenten Mitglieder der SPD, so wie die Mitglieder des
Regierungskabinetts, für die konservative Ausrichtung Stimmung
gemacht und sind damit gescheitert.

Zum Parteivize wurde Kevin Kühnert,
Vorsitzender der Jusos, gewählt. Auch er steht für einen
regierungskritischen Kurs, hat nach der Bundestagswahl eine Kampagne
gegen den Eintritt der SPD in die Bundesregierung angeführt und
konnte sich so in der Parteibasis einen Namen machen (zumindest
stimmten damals 30 % gegen den Eintritt in die Regierung, wobei die
Parteiführung sich stark dafür aussprach). Gleichzeitig zeigt er
sich versöhnlerisch und reicht dem Konservativen Flügel mit
Kommentaren wie „Ich nehme nicht wahr, dass irgendjemand in der
sozialdemokratischen Partei eine Oppositionssehnsucht in sich trägt“
die Hand. Praktisch sieht dass dann so aus, dass neben Kühnert auch
Hubertus Heil als Vize gewählt wurde. Um weiteren politischen
Kämpfen zu entgehen, wurde das Gremium kurzerhand aufgestockt.

Diese Wahl kann durchaus als
Aufforderung zu einem eindeutigen Kurswechsel der Politik der SPD
verstanden werden. Schließlich sind seit knapp 20 Jahren jene Kräfte
in der SPD an der Spitze, die sich für die unsoziale Politik der
Agenda 2010, also für Leih- und Zeitarbeit, für Hartz 4, die
Erhöhung der Mehrwertsteuer und für Kriegseinsätze ausgesprochen
haben und letztlich dafür verantwortlich, dass die SPD bei der
letzten Bundestagswahl lächerliche 20,5 Prozent einfuhr, das
schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob
die neue Führung bereit ist, gegebenenfalls den Bruch mit der großen
Koalition und damit einhergehende Neuwahlen durchzuziehen, oder ob
sie doch vor der etablierten Führungsriege der Partei kuschen und
den versprochenen Kurswechsel auf die Zeit nach der nächsten
Bundestagswahl verschieben.

„Nikolaus ist Groko aus“ ?

Auch wenn Esken und Walter-Borjans auf
der Seite der Regierungsgegner_Innen stehen, konnten sie sich bis
jetzt erfolgreich um eindeutige Aussagen über den Verbleib in der
Bundesregierung drücken. Dem unmittelbaren Austritt aus der
Regierung wurde auf dem Parteitag Anfang Dezember erstmal eine Absage
erteilt. Die flügelübergreifende Argumentation war, dass man
zunächst auf die Verhandlungen der „Halbzeitbilanz“mit der CDU
warten wolle. Je nach Ausgang wird der Austritt dann entweder
durchgezogen oder eben nicht.

Die „Halbzeitbilanz“ war ein
Kompromiss, den der linke Flügel der Gesamtpartei nach den
langwierigen Verhandlungen um die Groko abringen konnte.

Diese uneindeutige Positionierung wird
aber zumindest von einigen guten Inhalten begleitet. So machte das
neue Führungsduo mit der Forderung nach einem Mindestlohn von 12
Euro, eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und dem Ende der
„schwarzen Null“, also dem de facto Investitionsstopp der
Regierung in die soziale Infrastruktur, auf sich aufmerksam.
Weiterhin stimmte die Partei darüber ab, in Städten mit hohem
Wohnkosten Mieten für die nächsten 5 Jahre einzufrieren oder
Mieterhöhungen zumindest an das Inflationsniveau zu koppeln.

In Sachen Umweltpolitik ist auf diesem
Parteitag wenig konkretes zustande gekommen. Die Partei sprach sich
dafür aus, das Klimapaket nachzubessern. Im Leitantrag des
Parteitages wird ein sozialdemokratischer „Green New Deal“, der
einen ökologischen
Umbau der Gesellschaft sozial Verträglich gestalten soll. Ein
Auszug, der den Kern dieser Dealpolitik gut beschreibt: „Wenn wir
die Transformation richtig gestalten, wird aus ihr eine neue Phase
der Prosperität hervorgehen“, die Ausrichtung auf
Wirtschaftswachstum und den Erhalt der Profite der Industrie bleibt
immer im Blick. Letztlich werden durch staatliche
Investitionsprogrammen die Kosten für den Kampf gegen die
ökologische Krise auf die Arbeiter_Innenklasse abgewälzt. Ein
klassenkämpferischer Ansatz, der Industrie und Kapital selbst für
Ihre Krise aufkommen lässt, fehlt völlig.

Wohin der Kurs führt, wird direkt
damit zusammenhängen, ob sich der linke Flügel mit dem Austritt aus
der Regierung durchsetzt, oder ob die guten Ambitionen in faulen
Kompromissen untergehen. Indes ist eindeutig, wofür sich Medien,
aber auch die Bürokratie in den Gewerkschaften positionieren: für
die Bundesregierung, für den neoliberalen Kurs, für ein „weiter
so“, unabhängig davon, was dieser Kurs für die SPD für die
nächste Bundestagswahl bedeutet.

Wo steht die Partei?

Die SPD befindet sich in einer
historischen Krise. Neoliberale Agenda-Politik, Waffenexporte,
fehlende Solidarität in der Grenzpolitik und der militaristische
Ausbau der EU und damit auch die Militarisierung hier in Deutschland
sind in den letzten 20 Jahren von ihr mitgetragen oder sogar
initiiert worden. Die Konsequenzen, wie massive Stimmenverluste zu
den letzten Bundestagswahlen und das fehlende Vertrauen der Millionen
von Arbeiter_Innen, die unmittelbar unter der „Verarmungspolitik“
der SPD leiden müssen, sind mehr als offensichtlich.

Natürlich führt das auch innerhalb
der Partei zu massiven Bruchpunkten. Der ständige Führungswechsel
der letzten Jahre hilft dabei wenig, das Vertrauen in die Partei zu
bestärken. Im Gegenteil: Die letzten SPD Vorstände seit Sigmar
Gabriel, der die Partei mit seinem rechten Kurs von 2009 bis 2017
anführte, gab es schon 2 gescheiterte Parteiführungen, Andrea
Nahles und Martin Schulz. Beide waren weniger als ein Jahr im Amt und
mussten als Bauernopfer für die schlechten Wahlergebnisse der SPD so
wie ihren halbherzigen Linksruck herhalten.

Die Fortführung der Regierungspolitik
der SPD bei gleichzeitiger inhaltlicher Stagnation, wie es in den
letzten Jahren geschehen ist, werden dabei garantiert dazu führen,
dass die SPD in der Bedeutungslosigkeit versinkt und bei der nächsten
Wahl von der AfD und den Grünen überholt wird.

Sehenden Auges wird das von der alten
Führungsriege, dem Parteiapparat und ebenso von der DGB Führung in
Kauf genommen. So äußerten sich DGB Chef Hoffmann: „Die
Menschen brauchen Sicherheit im Wandel.“ SPD und Union müssen
gemeinsam darüber reden, „welche neuen Perspektiven in Angriff
genommen werden“

Ähnlich äußert sich IG-BCE-Chef
Michael Vassiliadis, der betont in einem offenen Brief an seine
Gewerkschaftsführung die Notwendigkeit einer funktionierenden
Regierung für den Standort Deutschland.

Auch der ver.di-Vorsitzende Wernecke bezieht sich positiv auf die
Koalition: „Die Halbzeitbilanz der Regierung kann aus Arbeitnehmer-
und Arbeitnehmerinnensicht sowie gesamtgesellschaftlich in mehreren
Punkten Positives vorweisen.“

In einem Ton mit den großen Nachrichtenhäusern, „Es wird mit
einem Wimmern enden“(Zeit), „Sozialdemokraten geben die „Mitte“
auf“(FAZ), „Gut gemacht, Genossen!“(Zeit), zerreißen sich
stellvertretend für die CDU Kramp-Karrenbauer und Merz die Mäuler.
Während AKK alle Pläne der SPD zumindest verbal sofort an sich
abprallen lässt „Wir können nicht wieder bei Null anfangen“,
hier ging’s um die Nachbesserung des Klimapakets, oder bezüglich der
Abkehr von der „schwarzen Null“: „Es mangelt doch nicht an
Geld!“. Auch im Bezug auf die 12 Euro Mindestlohn Pläne erteilte
sie eine klare Absage. Merz bleibt dabei weit unsachlicher und sieht
die Sozialdemokraten „in der letzten suizidalen Phase ihrer
Existenz als Volkspartei“ fragt weiter „Leben die eigentlich noch
in der Wirklichkeit dessen, was zurzeit in Deutschland, in Europa und
in der Welt passiert?“. Das erinnert schon eher an
Stammtischrhetorik als an einen ernstzunehmenden Kommentar.

Was sagen die Jusos?

„Nikolaus ist Groko aus“, zumindest wurde das von den Jusos
auf Ihrem letzten Bundeskongress Ende November abgestimmt. In einem
vierseitigen Grundsatzpapier erklären sie ihre Haltung zur aktuellen
Politik der SPD und ihre Vorstellungen
von einer gerechten Sozialdemokratie. Im dabei vertretenden Anspruch
setzen sie sich ein hohes Ziel:„50
Jahre nach der Linkswende der Jusos im Dezember 1969 wollen wir jetzt
die SPD auf Links wenden“, im Aufwind der studentischen Bewegung
der 60er Jahre rückten sie nach links und fanden viele
Anhänger_Innen in den mehrheitlich reformistischen Teilen der
Bewegung. So konnten sie bis in die Mitte der 70er auf 300.000
Mitglieder anwachsen (heute sind es 80.000). Was bedeutet das heute?

Mit einer linken
Ausrichtung und als Teil kämpfender Bewegungen schafften es die
Jusos Massen hinter sich zu organisieren. „Ein Bruch mit einer
Koalition, die nur unzureichende Antworten auf die großen
Zukunftsherausforderungen liefert, bietet uns damit eine Chance
diesen Abwärtstrend zu beenden.“ („Zeit für Zukunft“-Papier,
abgestimmt vom Bundesvorstand Ende November 2019). Diesen Bruch mit
der Koalition wollen sie schnellstmöglich erreichen: „Spätestens
im Jahr 2021“, also zu den nächsten Bundestagswahlen.

Wie auch schon in
der „No Groko“-Kampagne stellen die Jusos sich klar auf die Seite
des linken Flügels der SPD und reden offen über sozialistische
Transformation (kommt zwar Sozialismus drin vor, bleibt aber trotzdem
eine zahnlose Formel). Gleichzeitig heben sie die Notwendigkeit
hervor, diesen Kampf gemeinsam mit den rechteren Teilen der Partei zu
führen und verbleiben dabei in der Logik gefangen, dass in der
Politik Kompromisse gemacht werden müssen.

Anstatt selbst
einen „Green New Deal“-Vorschlag mitzutragen, müssten die Jusos
die Kapitalist_Innen auffordern, für Ihre Krise zu zahlen. Statt
gegen „sinkenden Lohnquoten“ einzustehen, könnten sie für eine
4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich einstehen. Anstatt im
Nahverkehr „hin zum ÖPNV“ zu kommen, könnten sie diesen
kostenlos für alle fordern, finanziert aus den Taschen der Reichen.

Der Parteitag der
SPD hat gezeigt, dass der alte Parteiapparat rechts von der Basis der
SPD steht. Die Mehrheiten für progressive Positionen wurden trotz
der massiven Gegenpropaganda seitens der Medien und seitens des alten
Parteiapparats errungen. Jetzt könnten die Jusos einen politischen
Kampf um Ihren Kurs unter der Bedingung führen, aus der Groko
auszutreten.

Juso-Vorsitzender
Kevin Kühnert ließ aber schon vor der Wahl zum Vize der SPD die
Luft raus: „Wer eine Koalition verlässt, gibt einen Teil der
Kontrolle aus der Hand, das ist doch eine ganz nüchterne
Feststellung. Auch das sollten die SPD-Delegierten bei ihrer
Entscheidung berücksichtigen.“

Aufgepasst,
Jusos! Ihr müsst Eure Führung mit einer breiten programmatischen
Kampagne der Basis dazu zwingen sich an den Beschluss über ein
schnellstmögliches GroKo-Aus zu halten! Keine Kompromisse…der
Verrat hat schon wieder begonnen!




Ende Gelände – der militante Teil der Umweltbewegung?

Wilhelm Schulz/Martin Suchanek

Zwischen
Freitag, dem 29. November, und Sonntag, dem 1. Dezember 2019, fanden
erneute Aktionstage des Bündnisses „Ende Gelände“ (EG) statt.
Diesmal führten sie ins Lausitzer Braunkohlerevier. An den
vielfältigen Aktionen und Blockaden beteiligten sich rund 4.000
Menschen, denen es für einige Stunden gelang, in die Kohlegruben
einzudringen, Bagger zu besetzen und Bahngleise zu blockieren. Der
Abbau wurde so zeitweilig gestoppt oder wenigstens verringert.

Auf
dieser symbolischen Ebene waren die Aktionen trotz massiver Hetze der
regionalen und lokalen Medien, Politik, WirtschaftsvertreterInnen und
auch der Gewerkschaften ein politischer Erfolg.

In
den Kohlerevieren im Rheinland begrüßte, ja unterstützte die
Mehrheit der Bevölkerung die Besetzung des Hambacher Forstes.
Letztlich war es diese Bewegung, die sich immer wieder in
Massendemonstrationen äußerte und eine zeitweilige Aussetzung der
Rodung des „Hambi“ erzwang.

Vorfeld

Anders
in der Lausitz. Die Mehrheit steht dort EG, wie allen anderen Kräften
der Umweltbewegung, skeptisch bis offen feindlich gegenüber – was
sich auch im Vorfeld auf verschiedene Weise äußerte.

Es
ist kein Zufall, dass sich in der Lausitz mehr und mehr die AfD als
angebliche Verteidigerin einer Heimat breitmacht, die von den Baggern
abgetragen werden soll. In ihr und ihrem Umfeld tummeln sich offen
Nazi und RassistInnen, die mit physischen Angriffen auf AktivistInnen
von EG drohten und drohen.

Die
Bilder und Postings von Bullen unter dem Motto „Stoppt Ende
Gelände“ stießen nicht nur auf weitere Verbreitung unter Rechten
und mediales Aufsehen. Sie verdeutlichen einmal mehr, wie verbreitet
rechtes und rechtsradikales Gedankengut bei den „Sicherheitskräften“
nicht nur in Brandenburg und Sachsen sind.

Bei
den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen verbuchten zwar die
Grünen den Einzug in die Koalitionsregierung mit CDU und SPD als
„Erfolg“, der freilich auf Kosten der Bewegung erkauft wurde.
Beide Landesregierungen sprachen sich klar und deutlich gegen EG aus.
Die Grünen distanzierten sich offen von ihren WählerInnen. Sie
verteidigen den sog. „Kohlekompromiss“, der ein Ende der
Kohleverstromung bis 2038 (!) vorsieht. An dem soll nicht gerüttelt
werden – auch nicht von der einstigen WählerInnenschaft.

Von
der SPD erwartet in Brandenburg und Sachsen ohnedies niemand, dass
sie sich mit Kapitalinteressen anlegt. In Cottbus einigte sich auch
die „oppositionelle“ Linkspartei mit allen Fraktionen des
Stadtparlaments (außer den Grünen) auf eine gemeinsame
Entschließung. Am Mittwoch, den 27. November, votierten sie
gemeinsam mit der AfD für ein Papier, das mit  „Kohlekompromiss
umsetzen, Meinungen respektieren, gewaltfrei debattieren“
überschrieben ist und die „Gewalt“ verurteilt, die von EG
ausginge. Die nachträgliche Distanzierung von VertreterInnen der
Brandenburger Linkspartei kann hier nicht darüber hinwegtäuschen,
dass sich ihre Cottbusser „GenossInnen“ mit dem Rechtspopulismus
gemein machten.

Und
natürlich darf auch die kapitalhörige IG BCE nicht fehlen, wenn es
darum geht, für den vermeintlich „eigenen“ Konzern die Kohlen
nicht nur aus der Grube zu holen, sondern sich auch schon für deren
Profite stark zu machen, so dass noch einige Jahre „Zusammenarbeit“
abfallen.

All
dieses zeigt, wie sehr sich reformistische und grüne Parteien, aber
auch die Gewerkschaften dem Rechtsruck und „ihren“ Unternehmen
unterordnen und anpassen. Sie mögen damit hoffen, die Basis in der
Bevölkerung nicht zu verlieren – in Wirklichkeit erreichen sie
genau das nicht.

Eine
klassenpolitische Antwort müsste auf Forderungen wie die
entschädigungslose Enteignung der Energiekonzerne, Umbau der
Industrie unter ArbeiterInnenkontrolle, Aufteilung der Arbeit auf
alle Hände durch radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn-
und Personalausgleich und ein Programm gesellschaftlich nützlicher
Arbeiten, finanziert aus Profiten und Großvermögen, konzentrieren.
So könnte auch eine Brücke zur Umweltbewegung, zu
antikapitalistischen AktivistInnen von EG geschlagen und diese auch
dafür gewonnen werden, in den ArbeiterInnen Verbündete zu sehen und
nicht bloß passive Betroffene, denen auch bestenfalls geholfen
werden soll.

Auch
wenn dieses Händeschütteln, ähnlich wie im Hambi, von beiden
Seiten nicht stattfindet – all das verdeutlicht die qualitativ
anderen Voraussetzungen des Protests in der Lausitz. Das spricht
keineswegs gegen EG und andere Protestierende aus der Umweltbewegung.
Der Kampf gegen die Klimakatastrophe sowie für das schnellstmögliche
Ende der Braunkohleverstromung samt einer Energieproduktion, die sich
auf fossile Träger stützt, muss auch dort thematisiert werden. Es
war daher richtig, auch in der Lausitz ein Zeichen zu setzen und vor
dem öffentlichen Druck, der Hetze und selbst physischen Drohungen
Rechter nicht einzuknicken.

Vor
Ort

Als
REVOLUTION und ArbeiterInnenmacht entschieden wir uns, zu den
Protesten zu mobilisieren. So nahmen GenossInnen aus Berlin, Hessen,
Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen an den Aktionen teil. Hier
beteiligten wir uns vor allem an der von Fridays for Future und
einigen NGOs ausgerufenen Demonstration in Jänschwalde. Ebenfalls
schickten wir ein Kontingent von AktivistInnen zu den zentralen
Protestaktionen von EG, somit in die Tagebaue.

Die
Blockadeaktionen von EG wurden aus drei Städten organisiert (Berlin,
Dresden, Leipzig). Von hier aus sollten unterschiedliche Orte in und
um die vier aktiven Braunkohleabbaugebiete im Revier organisiert
werden. Neben den jeweils lokalen Fingern, die in verschiedene
Unterstrukturen aufgeteilt waren, gab es auch einen inklusiven
(bunten) und einen feministischen (lila) Finger. Kurz zuvor wurde ein
weiterer Finger, die sogenannten AntiKohleKidz (Slogan „AKK positiv
besetzen“), der sich scheinbar stärker aus SchülerInnen aus FFF
zusammensetzte, ausgerufen. Dieser war rund um das Kraftwerk
Jänschwalde aktiv. Allein der rote Finger aus Berlin, neben dem noch
Teile von AKK, der bunte und der lila Finger anreisten, teilte sich
in drei Teile auf.

Auch
die Polizei war vor Ort. Diese griff zwar vereinzelt AktivistInnen an
– insgesamt war es jedoch leicht, an den PolizistInnen vorbei auf
das Gelände zu kommen. Offenkundig wollten Landesregierungen und
LEAG/MIBRAG Bilder prügelnder PolizistInnen und Massenfestnahmen
vermeiden – und nahmen dafür einen kurzzeitigen Produktionsausfall
und einen symbolischen Erfolg von EG in Kauf. So wurden insgesamt 29
Strafanzeigen gestellt. Auch versuchte die Polizei schnellstmöglich,
Gewalt darstellende Bilder auf ihre Echtheit zu überprüfen. Was
nicht bedeutet, dass unsere Delegation nicht eindeutig
unterschiedliche Formen der Polizeigewalt vor Ort sehen und erleben
musste.

Schwäche

Das
sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch einer
selbstkritischen Bilanz von EG selbst bedarf.

Anders
als bei den Aktionen im Rheinland und der letzten Besetzungsaktion in
der Lausitz wurde diesmal kein Camp organisiert, von dem aus die
Aktionen vorbereitet oder koordiniert wurden. Ein möglicher Grund
dafür war jedoch nicht fehlende Logistik oder finanzielle
Ressourcen, sondern scheinbar die Angst vor Nazis und noch schlimmer
vor der lokalen Bevölkerung. Diese war deutlich auch bei der Aktion
spürbar. So appellierten viele von EG bei der Abfahrt aus der
Kohlegrube in den LEAG-Bussen (!) zum Bahnhof an die Polizei, dass
diese DemonstrantInnen vor etwaigen rechten Übergriffen schützen
müsse. Hier kippte der „staatskritische“ Protest in den Hilferuf
an die Staatsgewalt um.

Dies
spiegelt das Fehlen einer politischen Konzeption, von Forderungen
wider, wie die Beschäftigten und die Bevölkerung einer
krisengeschüttelten, benachteiligen Region für einen gemeinsamem
Kampf gewonnen werden können.

Ohne
eine solche Orientierung, die Klimaschutz und den Kampf für die
Klasseninteressen der Beschäftigen zu verbinden versucht, müssen
notwendigerweise alle Erklärungen an die Beschäftigen in der
Kohleindustrie, an die lohnabhängige Bevölkerung, an
Hartz-IV-EmpfängerInnen, ArmutsrenterInnen oder perspektivlose
Jugendliche als rein moralisierende Kritik rüberkommen.

Eine
Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, in der Interviews mit
LEAG-Beschäftigten geführt wurden, zeigt eindrucksvoll auf, dass
die Arbeiter_innen um ihre Jobs fürchten und sich vom Kohlekonzern
und der Lokalpolitik gegen die Umweltbewegung in Stellung bringen
lassen1.
Mit Blick auf den aktuellen nationalistischen Freudentaumel der
30-Jahre Mauerfall Feierlichkeiten wird deutlich, dass sich die
Beschäftigten noch gut an die massive De-Industrialisierung ihrer
Region erinnern können. Es ist deshalb unsere Aufgabe, den
Beschäftigten in der Braunkohle eine Perspektive aufzuzeigen, indem
wir die soziale Frage fest in unsere Klimaforderungen integrieren.
Unkonkrete Floskeln vom „sozialverträglichen Kohleausstieg“, wie
sie bei EG üblich sind, werden da nicht ausreichen. Ebenso nicht der
Verweis auf die weitaus schlimmeren Folgen des Klimawandels für
Menschen im globalen Süden, verglichen mit den sozialen Folgen einer
Schließung der Tagebauten für die Lausitzer_Innen2.

EG
steht zwar – und darin unterscheidet es sich positiv von anderen
Teilen der Umweltbewegung – für Antikapitalismus. Aber dieser
scheint ohne Klassensubjekt auskommen zu wollen. Das drückt sich
auch in der Aktionsform des zivilen Ungehorsams aus. Gegenüber
Methoden Klassenkampfes wie zB. dem Streik stellt der zivile
Ungehorsam keine Form der Selbstermächtigung dar, sondern verkörpert
lediglich einen symbolischen Apell an den bürgerlichen Staat, dessen
Existenz allgemein akzeptiert wird. Auch wenn von Massenblockaden die
Rede ist, so wird sich der Aufbau der Bewegung als Addition von
Individuen und Kleingruppen (Bezugsgruppen) vorgestellt. Es ist
natürlich durchaus sinnvoll, sich in Aktionen in Bezugsgruppen
aufzuteilen – aber eine Klassen- und damit eine Massenbewegung kann
nie eine von Kleingruppen oder eine bloße Addition von Individuen
sein. Sie stützt sich immer auch auf politische Organisationen,
gewerkschaftliche oder soziale Massenorganisationen oder Kampforgane
wie Räte, Aktionskomitees, die die Integration, Repräsentation und
koordinierte Aktion großer Massen ermöglichen.

Ihre
Demokratie muss daher notwendigerweise eine sein, die sich auf
Massenversammlungen, Entscheidungen, Wahl, Abwählbarkeit und
Rechenschaftspflicht stützt.

Das
System der Bezugsgruppen, der Delegiertenplena wie der
Pseudo-Klandestinität von EG hingegen entspricht nicht einer
Massenbewegung, sondern einer größeren Ansammlung entschlossener
EinzelaktivistInnen, wie es in radikaleren Formen des „zivilen
Ungehorsams“ zum Ausdruck kommt. Aus dieser Perspektive erklärt
sich auch, wieso eine derartige Geheimhaltungspolitik bezüglich der
konkreten Blockadepunkte existierte. Diese sind, bis auf einen
unbekannten Kreis, bis zur konkreten Blockadeaktion geheim geblieben.
Eine Unterstützung dieser war nur für Anreisende aus den jeweiligen
Städten möglich.

Perspektive
der Bewegung

Die
Aktionen von EG, der Aktionswoche von XR wie auch die Streiks von
Fridays for Future verdeutlichen die Notwendigkeit einer politischen
und strategischen Diskussion in der Umweltbewegung. Gerade angesichts
der kommenden Wirtschaftskrise erlangt die Verbindung von
Klimaschutz, Antikapitalismus und ArbeiterInnenklasse gegen die Krise
eine strategische Bedeutung. Gelingt der Schulterschluss in der
gemeinsamen Aktion nicht, so droht die Umweltbewegung in eine
Sackgasse zu geraten und die Kluft zwischen ihr und gewichtigen
Teilen der Lohnabhängigen vertieft zu werden.

Zweifellos
bringen die Bündnisse und Bewegungen wie EG, FFF und XR dabei auch
enorme Stärken ein, allen voran einen grenzübergreifenden
Charakter. Es mangelt jedoch an verbindlicher globaler Vernetzung zum
koordinierten Widerstand, der über einzelne Aktionstage hinausgeht.
Zweitens muss die Klassenfrage mit der Umweltbewegung verbunden,
genauer, der Kampf gegen die Zerstörung der natürlichen
Lebensgrundlagen der Menschheit als integraler Teil des
Klassenkampfes begriffen werden.

Um all dies zu leisten, benötigen wir ein Aktionsprogramm, das an Schulen und Unis, vor allem aber auch in Betrieben und das heißt auch in den Gewerkschaften verankert ist. Dafür müssen AntikapitalistInnen aktiv werden, dazu bedarf es Aktionskonferenzen und Foren des Austausches und Beschlussfassung, ähnlich den Sozialforen zu Beginn des Jahrhunderts. So kann die Bewegung gestärkt aus einer strategischen Diskussion hervorgehen.

Quellen:
1 Vgl. Rosa-Luxemburg-Stiftung (Hrsg.): Nach der Kohle. Alternativen für einen Strukturwandel in der Lausitz. Berlin 2019. [Online im Internet:] https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Studien/Studien_4-19_Nach_der_Kohle.pdf
2 Vgl. junge welt, 29.11.19. [Online im Internet:] https://www.jungewelt.de/artikel/367752.aktionen-f%C3%BCr-klimagerechtigkeit-es-gibt-nach-wie-vor-ein-gro%C3%9Fes-potential.html




Warum Ziviler Ungehorsam nicht radikal ist.

Nahezu alle, die sich für die Radikalisierung der Umweltbewegung einsetzen, von XR über Ende Gelände zu einer Großzahl der Aktivist_Innen in der antikapitalistischen Plattform Changeforfuture (CFF), haben eins gemeinsam: die Berufung auf das Konzept “Ziviler Ungehorsam“. Wir als Revolutionäre freuen uns natürlich über jede_n, die angesichts der faulen Kompromissvorschläge seitens der Regierung den Widerstand verstärken wollen, anstatt sich mit bloßer Aufmerksamkeit zu begnügen. Mit Zivilem Ungehorsam befinden sich jene Verbündete unseres Erachtens allerdings in einer Sackgasse, weshalb wir unter diesem ein wenig provokanten Titel hier eine politische Kritik formulieren wollen und einen Vorschlag, wie wir tatsächlich gewinnen können.

Was ist Ziviler Ungehorsam und woher kommt er?
Ideengeschichtlich wird der Ursprung des Begriffs dem Liberalisten und Selbstverwirklicher Henry D. Thoreau zugeordnet, der im 19. Jahrhundert eine (!) Nacht im Gefängnis verbrachte, da er sich geweigert hatte Steuern zu bezahlen und daraufhin seinen Akt des „zivilen Ungehorsams“ zum politischen Prinzip erklärte. Dazu schrieb er seinen berühmten Essay „Civil Disobedience“ (auf deutsch „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“). Später wurde das Konzept noch von anderen Theoretiker_innen wie Hannah Arendt und Jürgen Habermas aufgegriffen.

In der Theorie handelt es sich bei Zivilen Ungehorsam um einen angekündigten Regelübertritt, mit dem man auf einen gesellschaftlichen Missstand aufmerksam machen will. Sobald diese Aufmerksamkeit erzeugt ist, kümmern sich die gesellschaftlichen Mechanismen dann darum, den Missstand zu beheben. Plakatives Beispiel: Ein Mensch kettet sich an einen Kohlebagger, wird zwar sofort davon losgeschnitten und verhaftet, die Medien und die „Politik“ bemerken allerdings wie wichtig dieser Person das Thema mit der Kohle war, kommen darüber ins Grübeln, dass das mit der Kohleverstromung doch nicht so die beste Idee war und schwuppdiwupp – Climate Justice. Da es hauptsächlich um die erzeugte Aufmerksamkeit geht, ist es auch nicht notwendig Gewalt dabei einzusetzen, im Gegenteil erscheint es sogar oft als vorteilhaft sich mit „gewaltfrei“ zu labeln, um die Öffentlichkeit leichter auf der eigenen Seite zu halten. In jedem Fall aber ist es nicht vorgesehen, den Staat anzugreifen, da man ja nur durch diesen symbolischen Regelübertritt eine Öffentlichkeit schaffen will und die dafür vorgesehen Strafe sogar akzeptiert. „Im Gegensatz zum Revolutionär“, schreibt dazu der bürgerliche Theoretiker Carl Cohen, „akzeptiert der zivile Gehorsamsverweigerer den Rahmen der bestehenden Autorität und die generelle Rechtmäßigkeit der Rechtsordnung.“

Zu Grunde liegt der ganzen Theorie ein sehr idealistisches Verständnis vom bürgerlichen Staat. Demnach sei dieser eine Art Kompromiss der Interessen seiner „Bürger“, der jedoch nur dann zufriedenstellend gelinge, wenn jedes Individuum den Staat nach seinen eigenen moralischen Vorstellungen zu gestalten versuche. Der Zivile Ungehorsam bezeichnet dabei den Ausgleich zwischen dem Individuum als Staatsbürger und als moralisches Subjekt: Der_die einzelne Bürger_In soll durch ggf. ungehorsames Verhalten den Staat im Sinne der eigenen moralischen Überzeugungen beeinflussen. Somit soll die Staatsgewalt zu einem wahrhaft ausgeglichenen System ergänzt werden.

Was ist daran problematisch?
Es ist wichtig zu verstehen, dass im Kapitalismus die Dinge nicht einfach passieren, weil sie „sinnvoll“ sind. Es wäre sinnvoll niemanden hungern zu lassen, statt 2/3 der Lebensmittel wegzuschmeißen. Es wäre sinnvoll niemanden im Mittelmeer ertrinken zu lassen oder in Lager zu sperren. Es wäre sinnvoll den Planeten nicht zu zerstören. Die Dinge passieren im Kapitalismus aus genau zwei Gründen: Entweder es bringt Profit oder wir haben es erkämpft. Entweder es liegt im Interesse der herrschenden Klasse oder die Unterdrückten haben es ihnen abgerungen. Warum reden wir jetzt schon wieder davon? Weil es nicht ausreicht, darauf aufmerksam zu machen, dass etwas nicht sinnvoll ist. RWE kennt doch selbst die eigenen Bilanzen am besten, weiß doch ganz genau, dass ihr Geschäft die Erde zu Grunde richtet, aber ihr Geschäft ist ihnen alles, deswegen ist es egal.

Es ist auch eine falsche Vorstellung, dass der Staat schon macht was er soll, wenn man es ihm nur sagt. Der Staat steht im Kapitalismus nämlich nicht über den Klasseninteressen, im Gegenteil ist genau er dafür verantwortlich, dass die Herrschaft des Kapitals mit Gewalt aufrecht erhalten und der Widerstand dagegen unterdrückt wird. Wenn wir Freiheit und Klimagerechtigkeit wollen, müssen wir diesen Staat also kaputt machen und dürfen uns nicht mit Bitten an ihn begnügen.

Was wäre eigentlich radikal?
Radikal heißt die Dinge an der Wurzel packen. Die Wurzel des Klimawandels liegt unserer Meinung nach im Kapitalismus und insbesondere im Privateigentum an den Produktionsmitteln. Zur Überwindung dessen, müssen wir die Lohnabhängigen dafür gewinnen, die Kapitalist_Innen zu enteignen und die Produktion gemeinsam nach unseren Bedürfnissen und im Sinne des Planeten zu gestalten. Das würde mehr bedeuten als nur einen Missstand im System beheben, der Staat würde sich gegen uns stellen, wir müssten mit allen Mitteln für unsere Freiheit kämpfen.

Statt nur Aufmerksamkeit zu erzeugen und uns darauf zu verlassen, dass die Herrschenden handeln werden, müssen wir unsere Ziele erzwingen, durch Streiks, Besetzungen, Enteignungen. Uns fehlt nicht eine Sitzblockade vor dem Supermarkt, uns fehlen koordinierte Streiks der Beschäftigten in der Lebensmittelindustrie. Uns fehlt nicht eine Menschenkette vor dem Flughafen, uns fehlt die durch die Gewerkschaften getragene Forderung nach kostenlosem Schienenverkehr für alle. Uns fehlt nicht der halbjährliche Ausflug in die Kohlegrube, uns fehlt ein Generalstreik, der die demokratische Kontrolle über die Strom- und die gesamte Produktion erkämpft.

Der Streik trifft dieses System in seinem Herzen, dem Profit. Wo gestreikt wird, kann kein Profit mehr fürs Kapital produziert werden, es wird gezwungen, den Streik zu zerschlagen oder auf unsere Forderungen einzugehen. Gleichzeitig werden wir in die Lage versetzt die Betriebe zu besetzen und auf eine wirklich nachhaltige Art und Weise für uns selbst zu produzieren.

Militant oder gewaltfrei? Kollektiv oder individuell?
So schön es andernfalls auch wäre: Dass der Staat bereit ist, sich regenden Widerstand mit aller Kraft zu zerbrechen, hat er uns oft genug bewiesen. Dabei ist es nicht ausschlaggebend wie der Protest selbst agiert, auch Sitzblockierer_Innen werden mit Schmerzgriffen abtransportiert und im Sichtschutz von Bullenwagen zusammengeschlagen. Wir müssen uns also verteidigen, selbst wenn wir nur grundlegende Rechte wie unsere Versammlungsfreiheit wahrnehmen wollen. Wichtig dabei ist es kollektiv vorzugehen, denn durch Aktionen kollektiver Selbstermächtigung gelangen wir sogar in die Situation, dass große gesellschaftliche Veränderungen wie Enteignungen usw. auf einmal möglich werden. In dieser Hinsicht muss man auch zwischen verschiedenen Akteur_Innen Zivilen Ungehorsams unterscheiden, da Massenaktionen wie Ende Gelände viel mehr Potential haben als individuelle Steuerverweigerung.

Führungskrise der Arbeiter_Innenbewegung
Dass Ziviler Ungehorsam für viele so attraktiv ist, hat auch damit zu tun, dass die eigentliche Arbeiter_Innenbewegung hier sehr schwach geworden ist und planlos umherirrt. Schlimmer noch, die Führung der Lohnabhängigen, also die Spitzenposten von SPD, Linkspartei und den Gewerkschaften, haben sich mit ihren Privilegien und hohen Gehältern ganz gut eingerichtet mit diesem Schweinesystem und verraten mit ihrer „Sozialpartnerschaft“ ihre Klasse. Das hat aber auch dazu geführt, dass Streiks und andere ursprünglich revolutionäre Kampfformen der Arbeiter_Innenklasse neuen Aktivist_Innen gar nicht mehr so radikal vorkommen und sie sich dem modern wirkenden Zivilen Ungehorsam anschließen. Unser Ziel muss es aber sein, diese Führungskrise mit einem revolutionären Programm aufzuheben, denn die Macht einer organisierten Arbeiter_Innenklasse wäre heute größer als je zuvor.

Warum wir trotzdem alle zu Ende Gelände müssen
Große Mobilisierungen sind oft stärkende Momente der dahinterstehenden Bewegung. Die Entschlossenheit, mit der wir bei Ende Gelände vorgehen, gibt uns auch die Erfahrung, dass wir Erfolge auch gegen den Staat prinzipiell erreichen können. In der gemeinsamen Tat können wir dabei über unsere verschiedenen Ansätze diskutieren und sie an der Praxis überprüfen. Fahrt also alle mit uns nach dem Global Strike am 29.11. in die Lausitz und lasst uns dieses Zeichen setzen, auch wenn wir nicht dabei stehen bleiben!

 




„Schule ohne Rassismus“ – doch nicht so antirassistisch?

Resa Ludivine


An vielen deutschen Schulen hängt mittlerweile ein Schild mit der Aufschrift „Schule ohne Rassismus (SOR)- Schule mit Courage“, egal wie antirassistisch es innen drin abgeht.


Was Sache is?


Die Initiative ergreifen, Farbe bekennen- super Sache! Theoretisch. Mittlerweile gibt es 2.500 sog. Courage-Schulen in Deutschland.
Man unterschreibt einmal eine Liste, sucht ein_
E Pat_In und macht einmal im Jahr einen Projekttag. Außerdem erhofft man sich ein „antirassistisches“ Image, nicht weil der Großteil hinter Idealen wie Gleichheit steht oder Diskriminierung einfach scheiße findet, sondern weil niemand zugeben will das Diskriminierung wie Rassismus oder Sexismus allgegenwärtig sind und das auch an ihrer Schule gang und gebe ist.


Es ist also ein nettes Logo für die Schule, welches die Außenwirkung verbessert. Meint es die
erste Generation vielleicht noch gut und will sich wirklich in dem Themenfeld engagieren, heißt das trotzdem noch lange nicht, dass sich alle Lehrer_Innen noch alle Schüler_Innen auch dahinter stellen. Und auch dem sind Grenzen in Form der SOR-Koordnierung gesetzt, die lieber Themen und Aktionsformen vorgeben, als Eigenitiative unterstützen. Ganz nach dem Motto: im Bereich Schule kann es niemand geben der antirassistischer ist als sie. Sie versuchen den Maßstab zu setzen.

Die nachfolgenden Generationen, die damals nicht miterlebt haben wie 80% der Schule sich für das Label SOR ausgesprochen hat, haben es dann noch schwerer, wenn es überhaupt Menschen gibt, die sich für das Thema interessieren. Ebenso ist kritisch zu sehen, dass es oft eher eine Möglichkeit für die Lehrer_Innen ist, sich zu engagieren. Schüler_Innen bleiben eher außen vor und passiv. Zusätzlich sind Lehrer_Innen, zumindest in Berlin, zumeist auch nur Angestellte, sprich sie können in ihrem Engagement auch nur so weit gehen wie es die Schulleitung unterstützt, da sie sonst ihren Arbeitsplatz riskieren.

Insgesamt verschleiert es aber das Problem an vielen deutschen Schulen und das ist ein immanentes Problem. Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit usw. sind keine Probleme, die aus einem reinen rechtsextremen Weltbild entstehen, sondern überall. So auch an Schulen. Ein, oftmals auch noch von der Schulleitung, initiiertes Programm- in Form von SOR- wird dem auch keine Abhilfe schaffen. Nur fundierte Basisarbeit kann in der Schule dem entgegentreten. Denn es sind nicht nur Schüler_Innen, die Sprüche wie „Scheiß Schwuchtel“ raushauen, sondern auch Lehrer_Innen, die aufgrund rassistischer oder sexistischer Vorurteile Noten vergeben. Wie soll SOR dagegen etwas tun, wenn es doch nur eine von oben aufgezwungene und kontrollierte Form von Antidiskriminierung ist?

Was tun?

Baut unabhängige Basiskomitees an der Schule auf! Lehrer_Innen können hilfreich sein, aber die Arbeit vorort auch sehr hemmen. Daher ist eine unabhängige Arbeit wichtig. Außerdem bringt es viel mehr von Schüler_In zu Schüler_In das Thema anzugehen, Veranstaltungen oder Protest zu organisieren. Gerade wenn es Lehrer_Innen sind, die diskriminieren oder Rechtsextremismus verschweigen, um dem Ansehen der Schule nicht zu schaden. Dazu ist eine Debatte in der Schüler_Innenschaft viel lebendiger und nachhaltiger- mal ehrlich könnt ihr euch noch an all die „guten“ Ratschläge aus dem Ethikunterricht der 7. Klasse erinnern? Kontroverse Debatten und Aktionen von Schüler_Innen schaffen eine lebendige Diskussionskultur an der Schule zu schaffen und bringen inhaltlich viel mehr Input als irgendein Schild.




Die Bewegung XR (Extinction Rebellion) -Programm, Vorteile und Probleme

Sichtweise eines XR-Mitgliedes

Berlin in der Woche vom 07.10-12.10.2019. Ein Ausnahmezustand, etwa 2200 XR-Aktivisten blockieren die Stadt (siehe: Berliner Zeitung). Einige Tage liegen wichtige Verkehrsknotenpunkte, wie der große Stern an der Siegessäule oder der Potsdamer Platz, still.

Extinction Rebellion, die Rebellion gegen das Aussterben, sorgt seit einiger Zeit mit Aktionen zivilen Ungehorsams weltweit für Aufsehen. Dazu gehören Straßenblockaden und Swarmings (7-minütige Blockaden), sowie künstlerische Aktionen (z.B. Die-Ins (Todstellen)), als auch besonders riskante Aktionen, wie die des Festkettens (Log-Ons), mit dem zentralen Ziel für Aufsehen zu sorgen und Verhaftungen zu provozieren. Gegründet wurde die Bewegung in Großbritannien, wo AktivistInnen bereits letztes Jahr die Stadt blockierten und die Regierung zum Ausrufen des Klimanotstandes zwingen konnten. Als Mitglied von Extinction Rebellion möchte ich die positiven Seiten der Bewegung beleuchten, aber auch auf mögliche Wiedersprüche und Probleme eingehen.

Die drei Forderungen von Extinction Rebellion

Die erste Forderung lautet: „Die Wahrheit sagen: Die Regierung muss die Wahrheit über die ökologische Krise offenlegen und die Dringlichkeit eines sofortigen Kurswechsels kommunizieren.“ Dieser Kurwechsel, der hier angesprochen wird, muss eine Abwendung von dem kapitalistischen, gewinnen-orientieren Streben nach immer mehr Wirtschaftswachstum sein. Doch da sich Extinction Rebellion nicht auf eine antikapitalistische Ansicht festlegen möchte, fragt man sich wie dieser Kurswechsel sonst aussehen sollte.

Die zweite Forderung meint: „Jetzt handeln: Die Regierung muss jetzt handeln, um das Artensterben zu stoppen und um die Treibhausgasemission bis zum Jahr 2025 auf Netto-Null zu senken“ Auch dies ist eine sehr wichtige Forderung. Trotzdem wäre es gut konkreter auf die Maßnahmen einzugehen, die die Regierung durchführen soll, um das Ziel zu erreichen.

Doch dies tut XR auch, in ihrer dritten Forderung: „Politik neu leben: Die Regierung muss eine BürgerInnen-Versammlung (mit aus der Bevölkerung gelosten Vertretern) einberufen, die die notwendigen Maßnahmen für Klimagerechtigkeit und gegen die ökologische Katastrophe erarbeitet, und sich verpflichten deren Beschlüsse umzusetzen.“ Dies ist meiner Meinung nach, die wichtigste Forderung, weil sie nicht nur auf das Aufhalten der Klimakatastrophe, sondern auch auf mehr direkte Demokratie anspielt. Daher ist es aber schwierig solch eine wichtige Aufgabe nur gelosten Vertretern aus der Bevölkerung zuzuschreiben, auch wenn man positiv erwähnen muss, dass diese aus unterschiedlichen Regionen und gesellschaftlichen Schichten ausgelost werden sollen. Ein weiteres Problem, was bei XR nochmal zu Sprache kommen sollte, ist wie man sicherstellen will, dass die PolitikerInnen die Beschlüsse der BürgerInnen-Versammlung auch wirklich umsetzten, denn wie man am Pariser Klimaabkommen sieht, hält sich unsere Politik momentan noch nicht einmal an ihre eigenen Ziele.

Die Frage nach mehr sozialer Gerechtigkeit und wie man den Klimawandel sozial gerecht gestalten möchte wird jedoch bei den Forderungen größtenteils offengelassen.

Die positiven Seiten der Bewegung

Als ich neu bei XR war begeisterten mich vor allem die neuen, spannenderen Aktionen,- also die zivilen Ungehorsams-, die zur Beteiligung an den Schulstreiks von Fridays for future hinzukamen. Wichtig ist natürlich aber, dass die Streiks neben den Aktionen zivilen Ungehorsams ihre enorme Wichtigkeit nicht verlieren, denn sie treffen die Großkonzerne, die die Umwelt am meisten ausbeuten, am härtesten.

Auch mit dem Staat in direkte Konfrontation zu treten und dazu noch feste Forderungen zu haben, die die Rebellion bestimmen, fand ich von Anfang an äußerst wichtig. Hierbei ist es vor allem positiv zu erwähnen, dass klarere Forderungen, als zum Beispiel bei Fridays for future, aufgestellt wurden.

Extinction Rebellion hat eine stark wachsende Mitgliedszahl und konnte bereits sehr viele Menschen für die Rebellion gewinnen. So erreichte es die Bewegung weltweit aktive Mitglieder in über 50 Ländern auf sechs Kontinenten mit über 340 Ortsgruppen zu mobilisieren. Nach XR-Deutschland gibt es hier in etwa 5.500 Rebell_Innen in über 100 aktiven Ortsgruppen. (siehe MDR Sachsen, 8.10.2019) Das zeigt wie viele Menschen dieses Konzept auf der ganzen Welt und auch in Deutschland bereits begeistert hat.

Diese Tatsache liegt wahrscheinlich auch an der starken Unterstützung der Rebell_Innen untereinander und durch die OGn (Ortsgruppen). Es war für mich beispielsweise nicht schwer mich auf Aktionen vorzubereiten und ich musste keine Angst davor haben, denn das notwendige Vorwissen und alle Zweifel konnte ich in freiwilligen Aktionstrainings klären. Dort wurde auch das Agieren in der Gruppe und Bezugsgruppen (für Aktionen) geübt, also der Zusammenhalt in der Gruppe gestärkt.

Weiterhin gefiel mir die konsequente Gleichberechtigung aller Mitglieder. Im Gegensatz zu Fridays for future, gibt es nicht ein Gremium, das für die Masse entscheidet. Jedes Mitglied kann sich am Entscheidungsprozess beteiligen. Auch wenn es einzelne Arbeitsgruppen gibt, wird am Ende alles Wichtige im Gesamtplenum abgestimmt und entschieden. So kann man von Anfang an Aktionen mitplanen und Entscheidungen treffen. Das liegt auch daran, dass alle Treffen öffentlich beworben werden (im Gegensatz zu denen von FFF).

Den schon zuvor erwähnten Arbeitsgruppen können Mitglieder frei je nach Können und Bestreben beitreten. Dabei wird nicht nur eine praktische Arbeitsteilung, nach z.B. Aktionsplanung, Medienplanung und Bildung (und weiteren Bereichen) vorgenommen, sondern auch dafür gesorgt, dass man seine Aktivitäten frei wählen kann. Das sorgt für Selbstbestimmtheit und Freiheit innerhalb einer Gruppe in der die Mitglieder gleichberechtigt agieren können.

Ein weiterer Punkt, der nicht außer Acht zu lassen ist, ist die finanzielle Unabhängigkeit von Extinction Rebellion, die dafür sorgt, dass die Bewegung nicht benutzt oder gekauft werden kann. Sie finanziert sich nicht über Mitgliedsbeiträge, sondern allein über Spenden. Das sorgt einerseits dafür, dass Mitglieder mit einem höheren Einkommen mehr zahlen können, ohne einen höheren Einfluss zu erlangen, was auch der Klasse der Lohnabhängigen eine Mitgliedschaft ermöglicht. Andererseits müssen so manche Aktionen von Rebellen aus eigener Tasche bezahlt werden.

Probleme im Aufbau von XR

Mit der Zeit fielen mir jedoch auch einige Probleme der Bewegung auf. Die Grundsätze des Programms beispielsweise wurden nur ein einziges Mal von den Aktivist_Innen in Großbritannien festgelegt. Sie sind nicht wandelbar und wurden nicht von der gesamten internationalen Organisation festgelegt, was vor allem mit der Dezentralität im Aufbau einhergeht. Diese sorgt auch für ein unterschiedliches Verständnis des Programms in den unterschiedlichen Ländern, und sogar Städten. Die Grundsätze werden daher auch nach außen hin unterschiedlich vertreten, was für viele Meinungsverschiedenheiten und die Schwierigkeit als internationale bzw. nationale Bewegung aufzutreten, sorgt. Um dieses Problem zu beheben wären folgende Veränderungen notwendig:

– mehr nationale und internationale Vernetzung der Ortsgruppen

– Erarbeitung allgemeingültiger, internationaler Grundsätze, an der alle Mitglieder teilhaben können

– Wahl von Delegierten, die das Programm/ die Meinung ihrer OG (Ortsgruppe) auf Treffen auf nationaler und internationaler Ebene vertreten

Wiedersprüche in den allgemeinen Grundsätzen von Extinction Rebellion

Bei uns kann man auch ein bisschen rassistisch und sexistisch sein“, meinte der XR-Gründer Roger Hallams. Ich bin sicher, die meisten Rebell_Innen sehen das anders. So ist die Akzeptanz aller Menschen, unabhängig von Religion, Herkunft, Aussehen, u. s. w., sowie die Vermeidung von Beleidigung und Ausgrenzung in den Grundsätzen festgeschrieben. Gleichzeitig sollen aber alle politischen Richtungen akzeptiert werden, was also auch rechte und fremdenfeindliche Positionen beinhalten kann. Hierbei wird der erste Wiederspruch deutlich.

Ein weiterer Punkt ist die schon zuvor erwähnte Kritik am kapitalistischen System. Diese wird oft bei XR, mit dem Argument: “Wir sind nicht alle antikapitalistisch!“, abgetan. Und bei möglichen Diskussionen wird dann auf den Grundsatz der politisch neutralen Organisation verwiesen. Das ist in einer demokratischen Gruppe, in der der mit Abstand größte Teil antikapitalistisch denkt aber sehr problematisch. Indem man den Mitgliedern verbietet ihre Meinung öffentlich zu äußern, mag es auch sein um von der Presse nicht als linksradikal oder von vornerein negativ abgestempelt zu werden, schränkt man dennoch ihre Meinungsfreiheit ein und das ist ganz und gar undemokratisch. Außerdem ist die Zustimmung zur Profitmaximierung der Großkonzerne alles andere als hilfreich für die Bekämpfung des Klimawandels. Es ist der zentrale Grund für die Klimaerwärmung, denn Umweltverschmutzung und Ausbeutung von Ressourcen werden vor allem dadurch verursacht. Die Kritik an der Politik reicht nicht aus. Es braucht diese Kritik am gesellschaftlichen System, dem Kapitalismus, in welchem die Macht bei den Konzernen liegt. Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele, wie XR in Paris (Frankreich), welches mit mehreren hundert Menschen (unter anderem auch Aktivist_Innen der Gelbwestenbewegung) ein Einkaufszentrum, als Zeichen gegen den Kapitalismus, besetzte. Dieses Beispiel zeigt jedoch auch wieder die unterschiedliche Auffassung des Programms in den einzelnen Ländern und Regionen auf.

Mit dem Thema einhergehend ist auch die teilweise vorhandene Ablehnung der Kooperation mit anderen linken Gruppen. Natürlich gibt es dort oft Unterschiede in den Programmen, aber muss dort wirklich jeder Punkt übereinstimmen? Um so viele Menschen wie möglich gegen den Klimawandel zu mobilisieren, bedarf es Kooperation und Kompromissbereitschaft und nicht Ablehnung aufgrund (zum Teil nur kleiner) programmatischer Unterschiede und negativen Reaktionen durch die Presse. Diese Unterschiede kann man ja im gemeinsamen Kampf immer noch diskutieren und dabei vielleicht an der Praxis sehen, welche Konzepte sich als besser herausstellen.

Die grundsätzlichen Forderungen von XR weisen noch ein weiteres Problem auf. Extinction Rebellion möchte sich offiziell nur zu Themen, die den Klimawandel direkt betreffen positionieren. Es kommt also zu einer Nicht-Positionierung zu anderen außenpolitischen und internationalen, sowie teilweise sogar gesellschaftlichen Themen. So solidarisiert sich zum Beispiel XR Dresden nicht offiziell mit den Kurd_Innen in Rojava, weil dies nicht dem Grundthema entspreche. Weiterhin wird als Begründung angebracht, dass man nicht genügend Menschen erreichen und gegen den Klimawandel mobilisieren könne, wenn man sich bei diesen Themen festlege. Das ist ein großer Irrtum. Erstens die Tatsache, dass die Menschen in Rojava abgeschlachtet werden und Solidarisierung gegen einen Völkermord keineswegs den Grundsätzen wiederspricht. Hinzu kommt die Forderung nach mehr direkter Demokratie und der Grundsatz der Gleichberechtigung, die nur mit dem kurdischen System in Nordsyrien vereinbar sein können. Zweitens ergibt die Argumentation auch im Generellen keinen Sinn. Wie kann man politisch aktiv sein und etwas bewegen, wenn man keine klare Meinung zu politischen Themen hat? Eine politische Gruppe kann nicht zu jedem außenpolitischen Thema neutral sein! Abgesehen davon sorgt eine immer abweisende politische Haltung auch für Ablehnung in der Bevölkerung. Lässt sich gut an Fridays for future sehen, die sich mit den Kurd_Innen solidarisieren und trotzdem einen enormen Zulauf haben. (Auch wenn dieser gerade durch die Form des Streiks verstärkt wird.)

Auch die Gewaltfrage weist gewisse Probleme auf. XR lehnt Gewalt prinzipiell ab. Allerdings wird das Wort “Gewalt“ und was es für die Organisation bedeutet, nicht klar definiert. So sehen manche Menschen sogar den zivilen Ungehorsam schon als Gewaltform an und das würde dem Grundsatz wiedersprechen. Auch wenn im Rebellionskontext steht, dass wichtig ist, was die Medien als Gewalt ansehen, ist diese Gewaltfrage nicht geklärt. So herrscht in den Medien doch eine sehr unterschiedliche Auffassung. Außerdem wird eine Rebellion gegen das System, wenn sie größeren Einfluss bekommen sollte, automatisch durch die Medien, geächtet werden. So sind auch nicht alle Rebell_Innen mit dem Gewaltkontext einverstanden, was gut an der Abspaltung der Gruppe zur sogenannten Heathrow-Pause deutlich wird. Dabei schlossen sich einige XR-RebellInnen zusammen um mit Spielzeugdrohnen den Londoner Flughafen Heathrow stillzulegen. (siehe Zeitung: der Freitag)

Nun noch zum Grundsatz des Verhaftens. Dieser ist gerade für benachteiligte Menschen, wie Personen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, schwer durchsetzbar. Außerdem kann es auch vereinzelt zu Problemen bei den zukünftigen Jobs für SchülerInnen und Studierende kommen. Daher beteiligen sich bei XR auch viel weniger SchülerInnen, als beispielsweise bei Fridays for Future. Glücklicherweise gibt es allerdings auch immer weniger gefährliche Aktionen, wie die Die-ins, und Aufgaben in der Planung und Bildung.

Mein letzter Punkt ist die Kooperation mit der Polizei. So gaben in London Aktivisten vor der Aktion Daten der Blockierenden an die Polizei weiter, damit diese schneller verhaftet werden konnten. In Berlin applaudierten Rebell_Innen der Polizei nachdem sie weggetragen wurden und bedankten sich herzlich. Und das, obwohl diese Polizei nicht ganz legaler Weise (also ohne Zustimmung des Innenministeriums) in London ein Demonstrationsverbot gegen Extinction Rebellion ausrief und in Hamburg gewalttätige Schmerzgriffe gegen (zum Teil) Minderjährige AktivistInnen anwandte. Eine Gruppe, die mit illegalen Aktionen das System verändern will, kann sich nicht mit der Exekutive dieses Systems solidarisieren und dann darauf hoffen weniger Repressionen zu bekommen!

Daher fordern wir:

– Umformulierung des Programms um sexistische und rassistische Meinungen nicht zu tolerieren

– Mehr Freiheit der Mitglieder in antikapitalistischen Meinungen (denn sie dominieren die – Bewegung = Meinung der Masse)

– Akzeptanz antikapitalistischer Aktionen

– Kooperation mit anderen linken Gruppen (keine Ablehnung dieser aufgrund von kleinen programmatischen Unterschieden)

– Bessere Definition des Gewaltkontextes

– Keine Vergabe der Daten vor Aktionen an die Polizei, Sicherheit der AktivistInnen gewährleisten

– Bessere Einbindung von minderjährigen AktivistInnen und der Klasse der Lohnabhängigen (Arbeiter_Innenklasse) durch z.B. Kooperation mit Gewerkschaften und Organisationen von Streiks neben den Aktionen zivilen Ungehorsams

 




Bericht: Antirassistische Demonstrationen zum 5. Jahrestag von PEGIDA

Am 20.10. hat das völkisch-nationalistische, islamophobe Bündnis PEGIDA in Dresden eine Kundgebung zur „Feier“ ihres 5-jährigen Bestehens abgehalten. Es wurde im Vorhinein mit bis zu 7000 TeilnehmerInnen gerechnet. Tatsächlich beteiligten sich höchstens „nur“ 2000 Menschen an dem rassistischen Stelldichein. Auch dieses Jahr haben verschiedene Bündnisse und Organisationen, wie Herz statt Hetze, Dresden Nazifrei und Leipzig nimmt Platz zum Gegenprotest aufgerufen. Es gab insgesamt drei Demonstrationen, die allesamt zur zentralen Gegenkundgebung in Hör- und Sichtweite auf dem Neumarkt führten. An der Demonstration, die vom Hauptbahnhof aus losging, nahmen etwa bis zu 1000 Menschen Teil. An der Demonstration am Bahnhof Neustadt beteiligten sich ca. 500 AntifaschistInnen. Die kleinste Gegendemonstration war die am Bahnhof Mitte. Hier beteiligten sich vor allem Gewerkschafter und Mitglieder der Parteien DIE LINKE, SPD und Grüne und ihrer Jugendorganisationen. Obwohl diese Demo es schaffte, im Aufruf den Kampf gegen Rassismus mit dem Kampf gegen Sozialabbau und Mietenwahnsinn zu verbinden, war diese wohl die kraftloseste, ja fast schon langweilig wirkende Aktion an diesem Tag. Hieran nahmen lediglich etwa 100 AktivistInnen teil, statt Parolen zu rufen wurde überwiegend lieber den poppigen Tracks, die vom Lauti aus schallten, gelauscht.

Auf dem Neumarkt standen schließlich den 2000 RassistInnen insgesamt gerade mal 1000 GegendemonstrantInnen gegenüber. Der längst vollzogene Schulterschluss zwischen PEGIDA, Identitäre Bewegung und AfD war auch hier wieder anhand der zahlreichen Fahnen der NeofaschistInnen mit dem schwarz-gelben Lambda-Symbol und der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ klar erkennbar. Neben allerlei gewohnt rassistischen Inhalten, die in den Reden verbreitet wurden, gab es auch wieder einmal zwei Buttersäureanschläge, die in Form von kleinen Ampullen über den Sichtschutz der PEGIDA-Kundgebung auf den Protest in Hör- und Sichtweite geworfen wurden. Die fehlende Bereitschaft der Polizei vor Ort, den Angriffen tatsächlich nachzugehen und den mutmaßlichen Wiederholungstäter zu fassen (in den vergangenen Jahren wurden regelrecht ständig Buttersäureampullen auf die Gegendemos geworfen), zeigt sehr deutlich auf, dass wir uns im antirassistischen Kampf nicht auf den Staat und seine Institutionen verlassen dürfen. Wir müssen uns als Lohnabhängige und Jugendliche selbst organisieren und dürfen den antifaschistischen Selbstschutz nicht dem Zufall überlassen. Gegen Angriffe von RassistInnen und FaschistInnen werden uns der bürgerliche Staat und seine von Rechten durchsetzten Organe nicht helfen. Ganz im Gegenteil stehen diese zu Teilen der PEGIDA-Bewegung nachweislich sehr nahe und fassen in Dresden selbst Holocaust-LeugnerInnen mit Samthandschuhen an.

Um PEGIDA ein Ende und dem gesellschaftlichen Rechtsruck etwas entgegen zu setzen, reichen zaghafte Demonstrationen in Hör- und Sichtweite nicht aus. Hierfür braucht es eine Bewegung, die in der ArbeiterInnenklasse verankert ist und die Mitglieder ihrer Organisationen auf ihrer Seite weiß. Wir müssen eindeutig noch mehr werden, uns organisieren und entsprechende Strukturen aufbauen, um das Fundament für eine Bewegung zu errichten, die dem Rechtsruck tatsächlich etwas entgegensetzen kann. Wir als unabhängige, kommunistische Jugendorganisationen wollen auch weiterhin unseren Teil hierzu beitragen. Darum werde auch du bei uns aktiv!

Kampf dem Rassismus bedeutet Kampf dem Staat und Kapital! One Solution: Revolution!




#Berlinblockieren (XR) – ein Bericht von den Blockaden

#Berlinblockieren, unter diesem Slogan besetzen Aktivist_Innen der
Kampagne Extinction Rebellion (XR) in den letzten Tagen
Verkehrsknotenpunkte des Landes Berlin. Im Rahmen dessen fand gestern
eine Blockade des Kurfürstendamms Ecke Joachimsthaler Straße statt.
Unter dem Slogan „Shut Down KuDamm“ blockierten etwa 1.000 Menschen
gestern die Kreuzung. Auch wir von REVOLUTION beteiligten uns an dieser
Aktion, die von der XR Youth Berlin organisiert wurde.

Zu Beginn zogen sich die Aktionen etwas hin. Das lag daran, dass es im
Vorfeld bei den Anmeldegespräche scheinbar ein ungenauer Ort der
Kundgebung verhandelt wurde. Dies ermöglichte es der Polizei uns auf dem
Bürgersteig abzustellen, mit Hamburger Gittern zu ummauern und die
Blockadeaktionen hinauszuzögern. Erst deutlich später gelangten
Aktivist_Innen auf die Kreuzung und die Besetzung konnte stattfinden.
Scheinbar befreit die integrative Politik von XR gegenüber der Polizei,
diese nicht vor ihren Manövern. Leider konnten wir aufgrund dessen
unsere mit der XR Youth abgesprochene Rede nicht halten, da die Bühne
außerhalb der Blockade stand und wir es für falsch hielten, die
Aktivist_Innen von der Straße weg zu holen, um sich mit unseren Inhalten
auseinanderzusetzen.

Trotz der solidarischen Aufforderung in den Packlisten von XR, was auf
eine solche Blockade mitzubringen sei, forderten die Ordner_Innen vor XR
linke Kräfte auf, ihre Banner einzurollen. So geschehen gegenüber der
Revolutionären Kommunistischen Manifest-Gruppe (Europa), mit der wir uns
solidarisierten und mit den Ordner_Innen darüber stritten, warum wir
diese politische Zensur ablehnen, uns ihr widersetzen. Sie verhindert
nämlich eine offene Diskussion über die Perspektive der Klimabewegung.
Sollte das politische Programm der Führung hierbei falsch sein und nicht
zum Erfolg führen, dann verbrennen wir nicht nur eine ganze Generation
neuer politischer Aktivist_Innen, sondern auch unsere natürliche
Lebensgrundlage. Sollte ihre Position richtig sein, dann sollte sie doch
auch die offene Auseinandersetzung nicht scheuen. Selber eine Gruppe von
PoC’s (People of Color), die ein Transparent hatte, dass auf die
ermordeten Klimaaktivist_Innen aus dem Globalen Süden hinwies, sollte
versteckt werden. Hier bekommt der Slogan „Sagt die Wahrheit“ eine ganz
andere Bedeutung.

Insgesamt häuft sich aktuell die Kritik in der Linken an der Bewegung.
Auch wir haben vor Ort unter dem Slogan „Massenstreik oder ziviler
Ungehorsam“ die Frage des Programms der Klimabewegung und der Taktik im
Kampf aufgeworfen und haben eine Kritik an der Bewegung in unserer
aktuellen Zeitung
(http://onesolutionrevolution.de/extinction-rebellion-ziviler-ungehorsam-als-antwort-auf-die-klimakrise/).
Die Kritik an der Bewegung ist auch in weiten Teilen berechtigt, jedoch
dürfen wir als Revolutionär_Innen nicht nur kritisierend daneben stehen,
während die Bewegung Kreuzungen blockiert. Wir müssen den Protest
solidarisch unterstützen und gleichzeitig offen unsere Kritik
einbringen, notfalls auch gegen die Linie der Ordner_Innen. Dafür werden
wir uns weiterhin einsetzen!




Rojava: Kampf dem türkischen Überfall!

Lorin Dilara

Aktuell marschiert die Türkei unter dem Vorwand für „Sicherheit und Schutz“ zu kämpfen in Nordsyrien ein, aber es geht vielmehr darum jegliche Formen von kurdischer Selbstestimmung zu zerstören und die eigene Vormachtstellung im Nahen Osten zu stärken. Die Kurd_Innnen kämpfen schon seit mehreren Jahrzehnten für Selbstbestimmung, demokratische Rechte und autonome Gebiete in der Türkei, sowie Syrien, Iran und Irak und werden aufgrund dessen in allen vier Staaten unterdrückt und bekämpft. Dass die Kurd_Innen in Nordsyrien das Gebiet Rojava unter eine Selbstverwaltung kurdischer Streitkräfte brachten ist dem türkischen Regime schon lange ein Dorn im Auge, denn Rojava bestärkt auch die Kurd_Innen in der Türkei.

Das ist nicht das erste Mal, dass die Türkei mit einem Krieg in Nordsysrien droht. Bereits im August 2016 und im Januar 2018 marschierte die Türkei mit verbündeten islamischen Milizen in Afrin (eine Stadt in Nordsyrien/Rojava) ein und löste damit eine humanitäre Katastrophe aus. Weit über hunderttausend Menschen mussten fliehen.

Machtinteressen

Durch den Einmarsch in Nordsyrien führt die Türkei einen offenen Krieg gegen die Kurd_Innen. Erdogan versucht mit Kriegsgeheul von den inneren Problemen des Landes abzulenken. So wird zum Beispiel die Wirtschaftskrise in der Türkei auf Arbeiter_Innen und Jugendliche abgewälzt und ärmeren Teile der Arbeiter_Innen fragen sich täglich, was sie sich für den Hungerslohn leisten kann. Es gibt den nationalistischen und patriotischen Kräften einen starken Nachschub.

Natürlich stehen auch wirtschaftliche Interessen dahinter. Die Türkei ist dafür bekannt mit den „Toki“ Häusern, die von staatlichen Bauunternehmen gebaut werden, den Bausektor wieder zum boomen zu bringen und damit die staatlichen Kassen wieder zu füllen – wo zerstört wird, wird auch aufgebaut.

Außerdem gibt es seit dem Einmarsch der türkischen Armee in Afrin Pläne Fakultäten der Gaziantep Universität in den von Kurd_Innen besiedelten Gebiet in Rojava zu errichten. Die Sprache der Kurd_Innen sowie ihre Identität soll weiter vernichtet werden.

Außerdem will Erdogan in diesem Gebiet bis zu 2 Millionen Geflüchtete zwangsansiedeln und das passt wiederum super in den Kram der EU. Erst letzte Woche trafen sich Seehofer, der Außenminister der Türkei und Griechenland um den „Flüchtlingsdeal“ auszubauen und weiter Gelder in die Türkei zu stecken, damit ja keine Geflüchteten nach Europa gelangen. Mehrere Milliarden Euro sollen weiterhin in die Türkei fließen auch die Waffenexporte von Deutschland in Türkei haben sich massiv erhöht.

Erdogan verfolgt bereits seit einigen Jahren mit dem Krieg gegen die Kurd_Innen innen- wie außenpolitisches Kalkül. Die Unterdrückung der HDP-Partei und der innere „Krieg gegen den Terror“ wurden vorangetrieben, damit sich Erdogan in der Türkei als „Stabilisator des Chaos“ präsentieren kann. Im Zuge des Gegenputsches 2016 mündete das alles in der Errichtung einer Präsidialherrschaft mit weitreichenden Befugnissen. Außenpolitisch unterstreicht die Türkei ihre Regionalmachtsambitionen sich als stabiler Pol im Nahen Osten für die Imperialist_Innen unverzichtbar zu machen. Trump hat das mit Abzug der US Truppen aus Nordsyrien vor einigen Tagen faktisch anerkannt. Die EU hält sich Erdogan ohnedies als Bastion gegen Geflüchtete und lässt ihn gewähren.

Falsche FreundInnen der KurdInnen

Dass die USA die Kurd_Innen nun fallen lassen zeigt: Kein Vertrauen auf imperialistische Länder! Jahrelang wurden die Kurd_Innen gegen den IS unterstützt, doch war der IS erst mal niedergeworfen, wurden die Kurd_Innen fallen gelassen, dem türkischen Staat ausgeliefert und eine Massenvertreibung und Säuberung der Kurd_Innen, und anderen Bevölkerungen steht bevor. Es ist niemals im ernsthaften Interesse Amerikas, der Europäischen Union oder Russlands gewesen, dauerhaft eine fortschrittliche, kurdische Autonomie in der Region zuzulassen. Zu groß ist die davon ausgehende Gefahr für die (Un-)Ordung der Imperialist_Innen in der Region. Eine Revolution oder ein anderes Gesellschaftssystem wie in Rojava kann niemals auf dem Schutz von imperialistischen Staaten basieren!

Verlierer_Innen des Krieges sind die Arbeiter_Innen, auf deren Schultern die Kosten des Einmarsches abgewälzt werden, es sind die Jugendlichen, die zur Armee einberufen werden, es sind die Geflüchteten, die wie ein Ball zwischen den Mächten hin und her geschubst werden.

Für ein einen Erfolg dürfen die Kurd_Innen keine Hoffnungen in imperialistische Länder setzen – die Verbündeten sind die Lohnabhängigen und Jugendlichen der Region und in den imperialistischen Ländern!

Vor allem in der Türkei ist es gerade wichtig eine Antikriegsbewegung und Solidarität mit den Kurd_Innen und dem selbstverwalteten Rojava zu stärken! Solange die Türkei die Kurd_Innen unterdrückt werden auch die türkischen Arbeiter_Innen nicht frei sein vom Erdogan-Regime. Es braucht Massenstreiks der Gewerkschaften und eine Blockade der Kriegsinfrastruktur. Die Arbeiter_Innenbewegung in Europa, den USA und Russland müssen die Verladung von Kriegsgut in die Türkei verweigern und sich an den jetzt einsetzenden Protesten der kurdischen Bewegung beteiligen! Der Gegner ist hierzu Lande die deutsche Regierung, die Erdogan jetzt gewähren lässt, ihn mit Waffen versorgt und ihn sich Wächter der EU-Außengrenzen hält!

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

Hoch die Internationale Solidarität!

Für ein Abzug aller Armeen!

Gegen die Hoffnung auf imperialistische Armeen!

Für eine breite massenhafte Arbeiter_Innen- und Jugendbewegung, die gegen den Krieg und in Solidarität mit den Kurd_Innen steht!




Fridays For Future: Stell dir vor, es ist Klimastreik und alle gehen hin

Wilhelm Schulz, Artikel zuerst erschienen auf arbeiterinnenmacht.de

Millionen

Der Auftakt der #WeekForFuture am 20. September war ein voller Erfolg. Schätzungsweise 4 Millionen Menschen aus 161 Staaten beteiligten sich an 5.800 Aktionen. Allein in Deutschland sind den VeranstalterInnen zufolge rund 1,4 Millionen Menschen auf den Beinen gewesen. In Australien waren es mindestens 300.000. In Kapstadt sollen es rund 2.000 AktivistInnen gewesen sein, in New York 250.000. In London sammelten sich etwa 100.000.

Auch am 27. September zum Abschluss der Aktionswoche konnten wir beeindruckende Menschenmassen sehen. Hier kam es laut VeranstalterInnen zu rund 6.000 Aktionen in 170 Staaten. Allein in Italien demonstrierten schätzungsweise eine Million Menschen, in Österreich rund 150.000, in Neuseeland 170.000, in Chile mehrere Zehntausend. Im kanadischen Montreal versammelten sich eine halbe Million Menschen.

Bereits im Vorfeld kam es zu einer erneuten Zunahme von Mobilisierungen der Klimabewegung. So fanden vom 13.-15. September in Frankfurt am Main Proteste gegen die Internationale Automobilausstellung (IAA) statt. Unter dem Titel „Sand im Getriebe“ mobilisierten hierzu unterschiedliche NGOs, die Grünen und die Linkspartei sowie Teile der radikalen Linken. Laut VeranstalterInnen nahmen rund 25.000 Menschen teil. Ebenso wie das restliche politische Programm der Bewegung schreckte auch der Protest hier vor der Eigentumsfrage und der Notwendigkeit der gesellschaftlichen Veränderung der Produktion, weg von der individuellen hin zur kollektiven Mobilität, zurück.

International handelt es sich bei der #WeekForFuture um die größte koordinierte Mobilisierung seit dem Irakkrieg. Hier gingen im Februar 2003 weltweit etwa 20 bis 30 Millionen Menschen auf die Straße. An dieser Stelle möchten wir betonen, dass sich an den Generalstreiks in Indien in den letzten Jahren mehrfach 150 bis 200 Millionen beteiligten, ein Aufgebot an Widerstand, zu dem die Bewegung den Schulterschluss suchen muss.

Momentan verfügt sie jedoch vor allem in den imperialistischen Nationen über Schlagkraft. So gingen beispielsweise am 20.9. in Thailand etwa 250 Menschen und in Afghanistan rund 100 auf die Straße. Hier bildet Brasilien eine gewisse Vorbildfunktion. Dort besteht nicht nur mit den Bränden im Amazonas eine Dringlichkeit, sondern schon seit Monaten existiert eine Massenbewegung gegen das Regime Bolsonaros, der nicht nur auf der Ebene des Umweltschutzes einen Generalangriff fährt. Hier sehen wir eine Verbindung mit den Kämpfen der Landlosen, der indigenen Bevölkerung und den kämpfenden Beschäftigten.

Dabei sind es momentan vor allem die halbkolonialen Länder, die mit den Folgen der systematischen Umweltzerstörung leben müssen. So erleben wir gerade massive Proteste in Indonesien, u. a. gegen die massiven Brandrodungen der Regenwälder, die Verschärfungen des Strafrechts und die Zunahme giftigen Smogs. Hier produziert beispielsweise der deutsche Konzern HeidelbergCement. Nach der Zerschlagung der Proteste und dem Klimapaket der Bundesregierung, welches den CO2-Ausstoß bei der Zementproduktion mit keinem Cent besteuert, steigt die Aktie des Konzerns wieder kräftig. Hier müssen InternationalistInnen im Kampf ansetzen.

Wer kämpft?

In erster Linie haben wir es hier mit einer Massenbewegung von SchülerInnen zu tun. Jedoch handelt es sich dabei nicht um eine sozial einheitliche Gruppe, sondern eine gemäß der Klassenherkunft ihrer Familie differenzierte. Die Gruppen, die das Außenbild der Bewegung prägen, sind vor allem sozial besser gestellte Jugendliche, die aus der lohnabhängigen Mittelschicht, dem BildungsbürgerInnentum, dem KleinbürgerInnentum oder der ArbeiterInnenaristokratie stammen. Aus diesen beiden Faktoren entsteht ein Spannungsverhältnis. Die soziale Vorherrschaft von Mittelschichten und KleinbürgerInnentum drückt sich ideologisch auch im Programm, in den Zielsetzungen und im Bewusstsein der Bewegung aus.

Hieraus folgt für RevolutionärInnen, dass wir nicht einfach nur die Bewegung aufbauen, sondern auch für einen proletarischen Klassenstandpunkt kämpfen müssen.

Welche Hürden überwinden?

Auf der einen Seite kämpft die gesamte Bewegung dafür, die Regierung zum Einlenken in der Klimafrage zu bewegen. Sie will von der herrschende Klasse und dem Kapital Maßnahmen erzwingen und die bürgerliche Politik selbst entlarven. Sie hegt reale Illusionen darin, dass die Bundesregierung bzw. die auf dem UN-Gipfel versammelten Staats- und RegierungschefInnen von einer „vernünftigen“, im Interesse alle Klassen liegenden Klimapolitik überzeugt werden könnten.

So ist der wohl kämpferischste Auszug aus der Rede von Greta Thunberg vor dem UN-Klimagipfel folgender: „Ihr sagt, dass Ihr uns ‚hört‘ und dass Ihr die Dringlichkeit versteht. Aber egal wie traurig und wütend ich bin, will ich das nicht glauben. Wenn Ihr die Situation wirklich verstehen würdet und uns immer noch im Stich lassen würdet, dann wärt Ihr grausam und das weigere ich mich zu glauben.“ (The Guardian, 23. September 2019)

Er verdeutlicht sinnbildlich die Widersprüche der Bewegung. Zum einen klagt Thunberg die Herrschenden offen für ihre Weigerung zu handeln, für ihre hohle „Klimapolitik“ an. Zum anderen weigert sie sich verbittert, aber auch umso sturer zu akzeptieren, dass diese tatsächlich auf der anderen Seite stehen.

Hartnäckig stellt sie das Problem so dar, als ginge es darum, dass „die Politik“ dessen Dringlichkeit endlich richtig verstehen müsse. Ansonsten wäre sie nämlich „grausam“. Letztlich präsentiert sie also die Frage rein moralisch. Die Regierenden müssten nur richtig zuhören, die Lage akzeptieren, wie sie ist – und alsdann handeln.

Der systemische Charakter des Kapitalismus fällt vollkommen aus dem Blickfeld. Die objektiven Klasseninteressen, die den FunktionsträgerInnen des Kapitals in den Konzernen wie in den bürgerlichen staatlichen Institutionen vermittelt über die Konkurrenz bestimmtes Handeln ganz unabhängig vom Bewusstsein oder der Vernunft des Einzelnen aufzwingen, werden erst gar nicht zur Kenntnis genommen.

Daher auch der beeindruckende moralische Impetus der Rede von Thunberg einerseits, der andererseits eine hoffungslose und ohnmächtige Perspektive entspricht – der ständig wiederholte Appell an die Mächtigen der Welt, doch endlich ihr Herz und Hirn zu gebrauchen und die Menschen nicht weiter im Stich zu lassen.

In Wirklichkeit zwingt die kapitalistische Produktionsform samt ihrer freien Konkurrenz die einzelnen ProduzentInnen, ohne Rücksicht auf ihren Ressourcenverbrauch oder ihre Abfallerzeugung zu wirtschaften, da sie sonst verdrängt werden könnten. Nachhaltigkeit ist für sie in erster Linie ein Kostenfaktor, der ihre Profite nicht weiter schmälern soll. Wir müssen die Unvereinbarkeit von Nachhaltigkeit und kapitalistischer Produktion verdeutlichen.

Generalstreik und Klassenfrage

Mit dem Aufruf zum 20. und 27. September hatte die Bewegung einen Schritt vorwärts gemacht, insofern sie zu einem globalen Generalstreik aufrief. Allerdings wurde und wird darunter nicht eine kollektive, organisierte Arbeitsniederlegung der Lohnabhängigen und ihrer Gewerkschaften verstanden, sondern eher eine individuelle Entscheidung einer/s Einzelnen. Wer – ob nun während der Arbeitszeit oder am arbeitsfreien Tag – zur Demonstration kommt, „streikt“. Es streiken Beschäftigte ebenso wie Unternehmen, die, ob aus Solidarität oder Werbezwecken, ihr Geschäft für einen Tag oder einige Stunden schließen.

Auch das entspricht der vorherrschenden kleinbürgerlichen Ideologie der Bewegung. Diese kommt umgekehrt auch den Gewerkschaftsführungen gelegen, die einen politischen Streik, also eine echte Konfrontation mit Kapital und Kabinett fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Die Führung der Bewegung wiederum will – insbesondere hier in Deutschland – den Gewerkschaftsapparat nicht verschrecken und lehnte daher mehrheitlich ab, die Generalstreiksforderung an die Organisationen zu richten, die ihn durchführen hätten können. Diese riefen nicht zum Streik, sondern höchstens zum Ausstempeln auf.

Dies erleichterte es zugleich einer Reihe von Parteien und Unternehmen, Greenwashing zu betreiben, während der Kampf beim reinen Protest stehenbleiben muss. Allein in Deutschland erklärten sich 2.800 Unternehmen solidarisch.

Hieraus folgt, dass die ArbeiterInnen zumeist aus „Nettigkeit“ ihrer Unternehmen an diesem Tag demonstrieren konnten. In Berlin und New York wurde weiten Teilen der öffentlichen Beschäftigten an diesem Tag frei gegeben, was die Größe der Demonstrationen erklärt.

Heute erscheint vielen in der Bewegung dieser klassenübergreifende Charakter der Proteste, der Aktionen und ihrer Ziele als Stärke. In Wirklichkeit besteht darin ihre größte Schwäche.

Antikapitalismus

Deshalb müssen wir uns als  AntikapitalistInnen in den Protesten für eine offene Debatte um die Perspektive des Kampfes gegen den Klimawandel einsetzen. Er kann nur erfolgreich sein, wenn er die Eigentumsfrage ins Zentrum rückt. Ohne entschädigungslose Enteignung der großen Konzerne, ohne Kontrolle über Forschung und Wissenschaft durch die ArbeiterInnenklasse und die Masse der Unterdrückten sind effektive Klimaschutzmaßnahmen unmöglich, da diese vor allem eine Veränderung der Produktion, die ökologische Nachhaltigkeit mit der Befriedung der Bedürfnisse der großen Masse der Menschheit verbindet, erfordern.

Die notwendigen Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen und zur Umstellung der Ökonomie sind undenkbar ohne einen international koordinierten Plan, sozialistischen Umbau der Wirtschaft. Bauen wir daher gemeinsam einen revolutionären, klassenkämpferischen Pol in der Bewegung auf!




Die Grünen – Links blinken, rechts abbiegen…

…und dabei noch Erfolg haben – Wie geht sowas?

Christian Mayer

Eigentlich ist es ja so: Wenn man im Straßenverkehr nach links abbiegen will, dann gibt man ein entsprechendes Zeichen. Beim Fahrradfahren durch einen ausgestreckten Arm, beim Autofahren mit dem linken Blinker. Wer dagegen das Gegenteil macht, muss mindestens mit einer Ermahnung rechnen. Da wir uns aber mit der politischen Landschaft in Deutschland beschäftigen, ist es ein klein wenig anders. Hier scheinen irgendwie andere Regeln zu gelten. So kann man problemlos links blinken und rechts abbiegen, ohne einen Unfall zu bauen.

Ok, und was hat das jetzt mit den Grünen zu tun? Gute Frage, die Antwort kommt im weiteren Text.

Das Parlament – ein Ort, wo andere Regeln gelten

Scheinbar kann man im Parlament, anders als im Straßenverkehr, so fahren, wie man will, ohne ernste Nachteile befürchten zu müssen. Anders kann man so manche politische Irrfahrt nicht erklären. Oder doch? Im Parlament vertreten die Parteien scheinbar die Interessen derjenigen, die sie dort erst hingebracht haben und nicht ihre eigenen. Wenn wir uns nun aber den ganzen Politbetrieb im Parlament etwas genauer anschauen, können wir feststellen, dass das nicht so ist. Das fängt bereits damit an, dass alle Parteien, mit Ausnahme der Linkspartei, von großen Firmen beträchtliche Spenden erhalten und dafür werden aber auch entsprechende Gegenleistungen erwarten, z.B. in Form von Gesetzen, von denen sie profitieren, auch genannt „Lobbyismus“. Auch die Grünen haben ein paar Firmen, von denen sie Geld erhalten, um die Interessen dieser Firmen durchzusetzen. Dazu gehören „Gesamtmetall“, „Wirtschaftsvereinigung Stahl“ und der „Sparkassen- und Giroverband“.

Links blinken…

Die Grünen gehen in ihren Ursprüngen aus der Anti-Atomkraft-Bewegung und aus verschiedenen linken Gruppen hervor. Recht schnell hat sich dabei ein Kampf zwischen rechteren „Realos“ (Realpolitik mit Regierungswunsch) und linkeren „Fundis“ (Fundamentalopposition, lieber klare Kritik als Regierung) entwickelt, was heute noch in der Doppelspitze wiederzufinden. Obwohl die beiden Lager heute noch existieren, haben die Realos immer weiter an Boden gewonnen und spätestens durch die Fusion mit dem deutlich rechteren „Bündnis90“ haben sie den Sieg errungen. Sie konnten in ihrer Geschichte immer wieder von Bewegungen auf der Straße profitieren und so tun sie es heute auch mit der Umweltbewegung und allen voran Fridays for Future. Sie stellen auch progressive Forderungen auf: Auf die Klimakrise antworten sie mit weniger Fleisch und Müll, mehr Ökostrom und Nahverkehr. Außerdem wollen die Grünen die Mieten wieder auf bezahlbares Niveau zurücksetzen, sich für Vielfalt allgemein und die Rechte von Geflüchteten im Besonderen stark machen und für Frieden ist man natürlich auch. Alles natürlich richtige Ideen! Aber sobald sich die Grünen an einer Regierung beteiligen, werfen sie ihre Ideale wieder über den Haufen.

und rechts abbiegen

Dass Wahlprogramm und Regierungspraxis nicht unbedingt zusammen passen, zeigen ja auch die anderen Parteien immer wieder. Bei den Grünen ist dieser Widerspruch nun besonders krass: Ob es in früheren Jahren darum ging, Kriegseinsätzen zuzustimmen (was ihrem eigenen Grundsatzprogramm widersprach) oder vor drei Jahren der restlichen Abholzung des Hambi grünes Licht in der Landesregierung in NRW erteilt wurde – den Grünen war sowas letztlich egal. So wurde auch ein zentrales Versprechen nach dem anderen in den Jamaika-Koalitionsverhandlungen fallen gelassen.

Genauso egal ist es einem Winfried Kretschmann, immerhin erster und bis heute einziger grüner Ministerpräsident, was die eigene Parteimehrheit beschließt. „Wir sind gegen den Mega-Bahnhof Stuttgart21? – Das interessiert mich nicht, ich unterstütze das trotzdem. Der Käs‘ isch gessa! (schwäbisch für: Das hat sich erledigt.)“, scheint sich Kretschmann gedacht zu haben. Auch ist es ihm egal, dass sich die eigene Parteimehrheit sowohl gegen die Verschärfung des Abschieberechts oder die Betrügerei der Autoindustrie bei den Abgasmessungen bei Dieselmotoren stellt – Kretschmann ist das Paradebeispiel dafür, dass die Grünen in der Regierung den gleichen Käse machen wie alle anderen auch. Oder: Sie biegen rechts ab, obwohl sie ja eigentlich nach links fahren wollten.

Erfolgswelle

Im Europawahlkampf haben die Grünen auch massiv davon profitiert, dass linke Parteien die drängenden Themen Ökologie und Migration geschickt im Wahlkampf ausgeklammert haben. Die Unfähigkeit der Linken verhalf den Grünen dazu, sich als glaubwürdigste Alternative gegenüber der AfD darstellen zu können. Das geht sogar soweit, dass sie inzwischen mit der CDU/CSU im manchen Umfragen gleichauf liegen (beide bei 26%, je nach Datum und Umfrageinstitut). Dass ihre Erfolgswelle soweit gehen würde, dass sogar schon manche Medienhäuser die Grünen ins Kanzler_Innenamt schreiben, hätten die Grünen selbst letztes Jahr wohl selber nicht für möglich gehalten.

Und wie wird’s dann mit Kanzler Habeck?

Seit dem Verrat der Rot-Grünen-Regierung auf Bundesebene (inklusive Krieg und Sozialabbau) haben sich die Struktur und die Machtverteilung innerhalb der Grünen nicht gewandelt und ihre Grundlage ist weiterhin rein pro-kapitalistische Politik, jedoch mit Linksblinker. Einige Teile des Kapitals haben erkannt, dass auch ihre Profite davon bedroht sind, wenn die Lebensgrundlage des Menschen kontinuierlich weiter zerstört wird. In den Grünen sehen sie eine Hoffnung, die Umwelt ein Stück zu schonen und trotzdem weiter wachsen zu können. Mit ihrem Eintreten für E-Autos (die nebenbei gesagt überhaupt nicht das Klima schonen!) öffnen die Grünen ferner interessante neue Absatzmärkte und geben den Monopolkonzernen keinen Grund zu Sorge, dass sie die deutsche Exportwirtschaft schwächen könnten. Letztens hat sogar der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie, also der Oberkapitalist_Innenverein) ihre Unterstützung für die Grünen in einer neuen Bundesregierung ausgesprochen. Also können wir auch von den Grünen nichts erwarten, was den Wirtschaftsstandort Deutschland also insbesondere die Auto- oder die Rüstungsindustrie schwächt! So werden die Grünen ihren hehren Ziele sicher nicht gerecht, denn Klima geht nur gegen die Autoindustrie und Frieden nur gegen die Rüstungsindustrie!