FSJ und Bufdi: Freiwilliges Soziales Lohndumping?!

Felix Ruga

Endlich durch die Schule gekämpft und den erhofften Abschluss in der Tasche! Jetzt stellt sich die Frage: Direkt Studium oder Ausbildung oder vielleicht erstmal ein Jahr was anderes als Lernen? Für Viele ist genau hier das Angebot der Freiwilligendienste attraktiv – am prominentesten dabei das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) oder der Bundesfreiwilligendienst (BFD). Man kann etwas Erfahrung im Berufsleben aber auch im Umgang mit anderen Menschen sammeln, zeigt Engagement für Bedürftige, möchte die eigenen Stärken und Schwächen weiter kennenlernen und vor allem muss man sich nicht jetzt schon entscheiden, mit welchem Beruf man für den Rest des Lebens seine Brötchen verdienen muss. Andere werden jedoch auch vom Jobcenter gar nicht so „freiwillig“ zum Dienst gezwungen, um die Arbeitslosenstatistik zu senken. So gibt es jährlich über 100.000 Jugendliche, die einen Freiwilligendienst leisten.

Offiziell sind FSJ und BFD weder Arbeits- noch Ausbildungsverhältnisse, sondern laut Gesetz ein „Bildungsjahr“. Dies zeigt sich unter anderem in den Seminaren (25 Seminartage sind gesetzlich vorgeschrieben), in denen z.B. der Arbeitsalltag reflektiert wird oder politische Bildung stattfindet. Abgesehen von den Seminaren ist man jedoch die ganze Zeit in den Betrieben und Institutionen und leistet dort meistens unersetzliche Arbeit, ohne die der Laden den Bach runtergehen würde. Viele berichten, dass sie Aufgaben erledigen müssen, für die sie eine Ausbildung oder mehr Erfahrung bräuchten, die rein gar nichts mit sozialem Engagement zu tun haben oder sie unter krassen emotionalen Stress setzen. Man wird meistens einfach wie eine billige Arbeitskraft benutzt. Und fast alle Betriebe sind sich einig, dass es ohne all die Freiwilligen niemals gehen würde. Jedoch spiegelt sich dieser Umstand nicht im Lohn wider: Es gibt ein „Taschengeld“ von ca. 300€ und mit etwas Glück noch Geld für Verpflegung. Gleichzeitig ist es jedoch Pflicht, dass die volle Wochenarbeitszeit geleistet wird, wodurch der Stundenlohn bei gerade einmal 2,50€ liegt! Fahrtkosten werden dabei nicht bezahlt, sodass man locker ein Viertel direkt wieder los ist. Kaum ausgeglichen wird das durch kleine Zugeständnisse, wie dass es das Fachabi erleichtert, als Wartesemester beim späteren Studium anerkannt wird oder dort ein Pflichtpraktikum ersetzt.

Wir Jugendliche sollen hier als Notpflaster für den Pflege- und Bildungsnotstand herhalten, indem wir mit einigen staatlichen Zugeständnissen und dem guten Gefühl des sozialen Engagements dazu verleitet werden, für viel zu wenig Geld arbeiten zu gehen. Die Bundesregierung, die die Pflege, Gesundheit und Bildung zunehmend der Konkurrenz des freien Marktes überlässt, hat mit Sparmaßnahmen, Privatisierung und systematischer Unterbezahlung (insbesondere von weiblichen* Angestellten) ein riesiges Loch im sozialen, pädagogischen und medizinischen Bereich aufgerissen. Die Folgen sind sinkende Qualität, Überlastung, Burn-Outs und Personalmangel. Nachdem nun der Zivildienst abgeschafft wurde hat sich der Staat mit den Freiwilligendienstprogrammen eine noch kostengünstigere und langfristigere Möglichkeit einfallen lassen, Jugendliche in dieses Loch zu stopfen. Möglich ist das meist nur dadurch, dass die meisten Jugendlichen noch bei den Eltern wohnen und noch nicht wissen, wie viel sie eigentlich für ihre Arbeitskraft verlangen könnten (Dies bezeichnet man als „Überausbeutung“: Voll zu arbeiten, aber trotzdem davon nicht alleine leben zu können). Dabei sind wir nicht nur billige Arbeitskräfte, sondern drücken auch noch zusätzlich die Löhne der anderen Beschäftigten oder ersetzen sogar die Arbeitsplätze von ausgebildeten Fachkräften. Selbst bei den Ausbildungskosten wird hier gespart, da FSJler_Innen ja häufig dieselben Tätigkeiten wie die Festangestellten ausführen, ohne dass Geld für ihre Ausbildung ausgegeben werden musste.

Die Initiative und das Engagement von Jugendlichen etwas Soziales für die Gesellschaft beisteuern zu wollen sind natürlich trotzdem total cool und richtig. Der Spaß muss nur gerecht bezahlt werden und die anderen Beschäftigten dürfen nicht darunter leiden. REVOLUTION fordert deshalb:

– Senkung der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden! Festlegung der Anzahl und des Inhalts der Seminartage durch FSJler_Innen und BFDler_Innen!

– Tarifliche Bezahlung auch für FSJ und BFD sowie Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro netto! Mietzuschüsse für die, die es brauchen! Terifliche Bezahlung für alle im sozialen Bereich!

– FSJler_Innen sind nicht dafür da, die Lücke im sozialen Sektor zu stopfen! Für ein gesellschaftliches Programm nützlicher Arbeit, welches massiv die Ausbildungs- und Personalzahlen im Sozial- und Pflegebereich erhöht – festgelegt und kontrolliert durch Gewerkschaften und Beschäftigte, finanziert durch erhöhte Besteuerung von Reichen!




Extinction Rebellion: Ziviler Ungehorsam als Antwort auf die Klimakrise?

Jan Hektik

29.07.2019

Extinction Rebellion ist bekannt als radikaler Teil der Umweltbewegung und als enger Bündnispartner von FridaysforFuture. Gerade in Großbritannien und den USA sind sie im Fokus der öffentlichen Debatte. Doch wofür stehen sie? Was sind ihre Taktiken? Und was ihre Stärken und Schwächen? Mit diesen Fragen möchte sich dieser Artikel auseinandersetzen.

Was macht Extinction Rebellion?

XR ist eine auf öffentlichkeitswirksame Aktionen abzielende Bewegung, die vor allem in Großbritannien viele Anhänger_Innen und große Protestaktionen organisiert hat. Auch in Deutschland existieren ca. 30 Ortsgruppen von XR. Zunächst einmal muss man positiv hervorheben, dass durch XR viele Jugendliche aktiv auf die Straße gehen und in Konflikt mit dem bürgerlichen Staat treten, gegen den wir letztlich die Rettung unserer Lebensgrundlagen durchsetzten müssen. Weiterhin hat XR es geschafft, zumindest in Großbritannien eine große Öffentlichkeit zu erreichen und so die öffentliche Debatte maßgeblich zu beeinflussen. Dies geschieht vor allem in Aktionen zivilen Ungehorsams wie Straßenblockaden aber auch in künstlerischen Protestformen wie z. B. „Die-Ins“ (sich an öffentlichen Orten massenweise totstellen). In Großbritannien erreichten die Aktionen teilweise eine Größe von 6000 Teilnehmer_Innen und führten inzwischen zu hunderten, wenn nicht tausenden, Verhaftungen. Laut XR ist es sogar das Ziel Verhaftungen zu provozieren, um eine größere Öffentlichkeit zu schaffen. Weiterhin soll gewaltfrei agiert werden, damit die Öffentlichkeit sich eher mit den Protesten solidarisiert.

Die Positionen von XR

Bevor wir uns mit den Aktionsformen auseinandersetzen, geben wir zunächst die Forderungen von XR wieder:

1. Tell the Truth (Sprecht die Wahrheit)!

Die Regierung solle den Ernst der Lage anerkennen und einen „Klimanotstand“ ausrufen statt den Klimawandel zu leugnen oder das Problem herunterzuspielen. Außerdem solle in den Massenmedien darüber aufgeklärt werden.

2. Act Now (Jetzt Handeln)!

Die Regierung solle Maßnahmen ergreifen, um den Verlust an Biodiversität zu verhindern und einen Nettotreibhausgasausstoß von 0 bis zum Jahr 2025 zu erreichen.

3. Beyond Politics (Jenseits von Politik)!

Dies stellt darauf ab Bürger_Innenversammlungen einzuberufen, welche die Entscheidung über die Frage der Umweltpolitik treffen sollen und diese Entscheidung als Empfehlung an die Regierung aussprechen sollen.

Probleme der Taktik

So beachtenswert der Aktivismus ist, er hat auch Grenzen, denn diese Taktik kann momentan nur von einem begrenzten, privilegierten Kreis von Aktivist_Innen angewandt werden. Insbesondere Menschen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus können es sich schlicht nicht leisten, verhaftet zu werden. Auch Menschen in bestimmten Berufen, mit offenen Verfahren oder auf Bewährung sind von solchen Aktionen ausgeschlossen.

Andererseits drückt sich in den Aktionen des zivilen Ungehorsams und den Forderungen eine Scheinradikalität aus. Die Aktionen wirken radikal und aufopfernd aber ersetzen bei XR konkrete Lösungsvorschläge. Diese werden dann doch der Öffentlichkeit, den Investor_Innen und Regierungen überlassen. „Beyond Politics“ bewegt sich unterm Strich völlig im Rahmen der bestehenden kapitalistischen Politik und die ersten zwei Forderungen gehen über Bitten an die Politik der Regierungen nicht einmal hinaus. Weiterhin ist die dritte Forderung undemokratisch, denn Bürger_Innenversammlungen stellen keine demokratisch gewählten Vertreter_Innen dar. Was wie breite Beteiligung wirkt, ist in Wirklichkeit eine Verschleierung der Kräfteverhältnisse im kapitalistischen Staat. Die Frage, welche Klasse den Ton im Staat angibt, wird ausgeklammert.

Es sind die Eigentümer_Innen von Stromkonzernen, Autokonzernen und Transportunternehmen, die in unserem System herrschen und deren Macht in der parlamentarischen Demokratie verschleiert wird. Sie haben insofern kein Interesse daran einen effektiven Klimaschutz zu schaffen, sobald er ihren Profitinteressen entgegensteht. Die heutige Klimakrise geht auf ihre Kappe – genauso wie auf die Kappe der Regierungen, die XR um eine Lösung der Klimakrise bittet.

Weiterhin ist die Umweltzerstörung ein globales Problem, welches nur international gelöst werden kann. Solange sich die Weltwirtschaft in den Händen konkurrierender kapitalistischer Blöcke befindet, wird keine internationale Zusammenarbeit beim Klimawandel möglich sein. Wir müssen die großen Energie-, Verkehrs- und Verschmutzungsindustrien enteignen und demokratisieren, ihre technischen Befugnisse und Vermögenswerte zusammenführen, um den Übergang zur nachhaltigen Produktion zu beschleunigen, ja überhaupt erst zu ermöglichen.

Welche Aktionsform?

Daher fordern wir massenhafte, kollektive Aktionsformen, die den Kern der verantwortlichen Industrien treffen: Streiks, Besetzungen, Massendemonstrationen. Auch eine Platzbesetzung wie sie XR in London ausgeführt hat kann sinnvoll sein. Es braucht aber vor allem demokratisch gewählte Organe von Arbeiter_Innen, Unterdrückten und Jugendlichen, welche die im Rahmen von FFF und XR begonnen Aktionen verstärkt international koordinieren und daraus Räte und Komitees entwickeln, die die Umstrukturierung der Industrie selbst vornehmen.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage der Gewaltfreiheit. Da es hierbei um das Überleben der Menschheit geht, ist eigentlich klar, dass im Notfall leider Gewalt angewendet werden muss. In der Tat ist die Alternative dazu es weiter zuzulassen, dass Klimakiller unsere Umwelt zerstören, alles andere als gewaltfrei. Sie bedeutet nämlich massenhafte Vertreibung und letztlich die Zerstörung der Lebensgrundlage vieler Millionen Menschen.

Die Frage ist, welche Art von Gewalt und Aktionsform für uns sinnvoll ist. Sicher können „Die-Ins“ genauso wie die Aktionen von Ende Gelände kurzzeitig einen Ablauf in der Industrie oder im öffentlichen Leben stören und ein medienwirksames Symbol darstellen. Wirklich unter Druck setzen wird dies aber weder Regierung noch Konzerne. Erst eine massenhafte militante Streikaktion kann das tun. In diesem Sinne sollten die Schulstreiks fortgeführt werden und die Verbindung zu Arbeiter_Innen suchen. Die Polizei wird nicht dazu geneigt sein, solche Aktionen mit Samthandschuhen und Humor zu behandeln – aber diese können organisiert und kollektiv verteidigt werden.

Wie gehen wir mit XR um?

Wir glauben, dass es notwendig und richtig ist sich solidarisch mit XR zu zeigen, denn sie kämpfen für ein richtiges und notwendiges Ziel. Sie schaffen es tausende Jugendliche anzusprechen, zu politisieren und in einen Konflikt mit dem herrschenden System und seinen Repressionsorganen zu bringen. Wir fordern: Keine Repression gegenüber den Aktivist_Innen! Fallenlassen aller Verfahren und Freiheit für die politischen Gefangenen!

Gleichzeitig denken wir, dass andere Aktionsformen notwendig sind, um den Kampf gegen Umweltzerstörung weiterzutreiben. Es braucht nicht nur eine Radikalität in Aktionen, sondern vor allem in Losungen und Forderungen, wie wir einige oben angerissen haben. Deshalb bieten wir mit diesem Artikel XR und allen anderen Interessierten eine Diskussion über Aktionsformen und politische Ausrichtung an.




Fridays for Future: Wie können wir gewinnen?

Lars Keller

29.07.2019

Nach rund einem halben Jahr Fridays for Future in Deutschland sind wir nicht mehr wegzudenken! Trotz allem Gelaber von wegen wir sollen das mit der Energiewende „den Profis“ überlassen, trotz diverser Drohungen von Schulleitungen und Kultusministerien, trotz aller Angriffe die wir uns anhören müssen, bloß weil man ein „total stromfressendes Smartphone“ nutzt.

In Aachen waren wir am 21.06 beim ersten gemeinsamen europäischen Klimastreik mit rund 40.000 auf der Straße – der bisher größte Erfolg. Einen Tag später trugen wir unseren Protest direkt vor die Haustür des Rheinischen Braunkohlereviers – der größten CO² Schleuder Europas. Zusammen mit einem Teil von Ende Gelände liefen wir am Tagebau Garzweiler II entlang ins von den Baggern bedrohte Keyenberg. Es gab sogar schon Streiks die über den wöchentlichen Freitagstermin hinausgingen und einige Tage andauerten!

Aus der Bundespolitik erreicht uns angesichts der Mobilisierungserfolge von Fridays for Future nicht nur Kritik – von LINKE über Grüne und sogar bis hin zur CSU erreichen uns Komplimente von Berufspolitiker_Innen für unser „tolles Engangement“ und „Interesse an Politik“. Aber dieses ganze Geschwätz bringt uns nichts für unsere Zukunft. Das erkennen viele von uns. Immerhin ist die Untätigkeit dieser parlamentarischen Schwätzer_Innen etwas ernsthaftes gegen die Zerstörung unseres Planten und Klimas zu tun überhaupt erst der Grund, warum wir zu Tausenden auf die Straße gehen!

Diese Untätigkeit trifft auf alle Parteien im Bundestag zu. Die AfD macht es sich am einfachsten und leugnet den menschlichen Einfluss auf das Klima. Aber auch die anderen Parteien kommen nicht gut weg: Die Linke und SPD haben in Brandenburg dem Ausbau des Tagebaus Welzow zugestimmt, die Grünen die Abholzung des Hambacher Forstes abgesegnet und das unsinnige Stuttgart 21 unterstützt, die FDP und CDU erst den Ausstieg aus der Atomkraft zurückgenommen um dann nach dem Unfall von Fukushima das Ganze doch wieder umzudrehen. Außerdem beteiligten sich Grüne, SPD, CDU und FDP an dem faulen Kohlekompromiss (Ausstieg aus der Braunkohleverstromung erst 2038) – genauso wie die NGOs Greenpeace und BUND übrigens auch.

Was brauchen wir jetzt?

Viele in Fridays for Future stellen sich die Frage, wie die Bewegung weiterkommen und siegen kann – so auch wir. Doch was wollen wir überhaupt erreichen? Bundesweit tritt Fridays for Future für die Einhaltung des 1,5 Grad Zieles, Ausstieg aus der Kohle bis 2030 sowie Nettonull bis 2035 ein. Einige lokale Gruppen, wie z.B. Frankfurt am Main gehen bereits darüber hinaus und fordern die Gemeinden und Kommunen zum konkreteren Handeln auf. Es zeigt sich: Viele von uns geben sich nicht mit den wenigen bundesweiten Punkten von Fridays for Future zufrieden und treiben den Kampf auf lokaler Ebene weiter.

Weit verbreitet ist dabei das Mittel des „Klimanotstandes“. Derzeit läuft eine Petition diesen bundesweit durchzusetzten. Ziel ist, Kommunen dazu zu verpflichten, aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen. Wir finden, dass das ein nettes Symbol ist, das aber noch viel weiter getrieben werden muss! Wenn Konzerne trotz aller Mahnungen nicht bereit sind, aus der Braunkohleverstromung auszusteigen, Banken weiter in Klimakiller investieren oder Industrien weiter Verbrennungsmotoren bauen, dann müssen wir die Chefetagen leider austauschen – und zwar durch wähl- und abwählbare Komitees aus den Arbeiter_innen und Wissenschaftler_innen (sowas nennt man auch Enteignung und Kollektivierung).

Das wäre die logische Konsequenz eines Klimanotstandes. Wenn für die Reichen der Profit über dem Klima steht, dann müssen wir halt dafür sorgen, dass das Klima Vorrang bekommt! Nur so kann eine ökologische Umstrukturierung der Gesellschaft erfolgen: Wir nehmen den Profit und das Kapital der Konzerne und Industrien und kontrollieren demokratisch zusammen mit den Arbeiter_Innen dieser Industrien, wie damit zum Beispiel die schnellstmögliche Energie- und Verkehrswende erfolgen und finanziert werden kann.

Das sehen leider viele Aktivist_innen in unserer Bewegung nicht so. In Aachen zeichnete sich allerdings auch eine Polarisierung in der Bewegung ab. Neben dem Pol um die Partei die Grünen, BUND, Greenpeace, campact usw. gab es auch einen sichtbaren antikapitalistischen Pol. Wir als eine der antikapitalistischen Kräfte hielten einige Workshops ab und diskutierten dabei auch die Frage von Revolution und Sozialismus als Lösung der Klimakrise. Es gab dabei viele Kritiken an unserer Position, aber auch Zustimmung. Bedeutend war aber nicht bloß der Inhalt der Diskussion, sondern auch die Diskussion selbst. Wir denken, dass eine lebendige, breite Diskussion um die politische Ausrichtung der Bewegung entscheidend für das Weiterkommen von Fridays for Future ist. So kann die Bewegung in der Basis verbreitert werden, sich gegen politische Angriffe rüsten und für Diskussionen mit Arbeiter_Innen und Gewerkschaften aufstellen.

Um‘s konkret zu machen: Wir sind dafür, dass Debatten und Abstimmungen nicht bloß auf Ortsgruppen oder Plena beschränkt sind, sondern bereits auf den Kundgebungen und Demos oder unmittelbar danach in Versammlungen stattfinden. Dort sollten auch die bundesweiten Delegierten gewählt werden, die wöchentlich gegenüber der gesamten Bewegung Bericht erstatten, was läuft und umgekehrt die Bewegung die Möglichkeit hat, wöchentlich die Delegierten neu zu bestimmen. Das schließt auch mit ein, dass transparent offengelegt wird, ob die Delegierten auch in NGO‘s, Organisationen oder Parteien aktiv sind. So bekommt auch die Führung einen demokratisch legitimierten Charakter und wird rechenschaftspflichtig gegenüber einer breiten Basis.

Auch braucht es bei der gegenwärtigen Bewegungsdynamik häufigere, regelmäßige bundesweite Konferenzen, die für alle sozialen Hintergründe von Schüler_Innen bezahlbar sind. Wenn bei Fridays for Future tausende auf die Straße gehen und Massenaktionen wie in Aachen durchgeführt werden, so bringt das auch eine hohe Arbeitsbelastung für führende, anleitende Aktivist_Innen mit.

Bisweilen zogen sich manche auch aufgrund von Überlastung raus. Auch hier schafft eine verbreiterte Demokratie und Debatte Abhilfe und zieht mehr Aktivist_Innen in die Aufgaben. Wöchentliche Abstimmungen, Berichte und Aufgabenverteilungen an die gesamte Bewegung können dafür sorgen, dass viel besser auf die Dynamik der Bewegung reagiert werden kann.

Wir müssen uns auch überlegen, wie wir auf vermehrte Drohungen über Bußgelder und Strafen von Schulleitungen und Kultusministerien antworten wollen. Auch hier liegt für uns die Lösung in einer möglichst breiten Verankerung der Bewegung auch in den Schulen selbst. Streikkomitees an Schulen können vor Ort Aktionen gegen Angriffe vom Direx durchführen. Wenn die Schulleitung unbedingt Fächer unterrichten will, die es nur Freitags gibt, dann zwingen wir sie halt dazu, dass Fach wann anders zu machen.

Kurz gesagt: Wenn sich 10.000 statt 500 lokal an Fridays for Future beteiligen, gibt‘s auch mehr Leute, die was machen, diskutieren und vorantreiben wollen. Eben das muss sich in der Führung einer Bewegung widerspiegeln und kann auch nicht durch WhatsApp und Telegram ersetzt werden – für diese virtuellen Gruppen haben nicht alle dieselben Ressourcen und eine strukturierte Diskussion ist wegen mehreren Themen gleichzeitig oft unmöglich.

Globaler Klimastreik – aber wie?

Der nächste große Mobilisierungsschwerpunkt für Fridays for Future ist der Globale Klimastreik am 27. September. Das bietet aus unserer Sicht gleich drei positive Möglichkeiten für die Bewegung:

Erstens, weil der Klimawandel ein globales Phänomen ist und daher nicht in einem Land isoliert bekämpft werden kann. Das ist uns allen natürlich bekannt.

Zweitens ist der Klimawandel aber nicht bloß ein weltweites Problem, er hängt auch unmittelbar mit Rassismus zusammen. Warum ist das so? Nun, wenn zum Beispiel Menschen aus der Subsahara wegen Dürre fliehen müssen und dann auf die Festung Europa treffen, dann ist das Rassismus. Wenn umgekehrt reiche Länder – wir würden sagen imperialistische Länder – Produktionen in arme Länder (Halbkolonien) auslagern, Müll dorthin exportieren, Raubbau an den dortigen Ressourcen betreiben, dann verschärft das wiederum umgekehrt die dortigen schlechten Lebensverhältnisse.

Deshalb müssen wir den Kampf gegen die Klimakatastrophe mit einem Kampf gegen Rassismus verbinden und ganz klar sagen: Grenzen auf! Klimawandel ist eine Fluchtursache! Zwangsläufig muss auch das ein internationaler Kampf sein um z.B. bessere Lebensverhältnisse und gegen Überausbeutung in der halbkolonialen Welt. Hierbei stehen uns wieder jene Konzerne entgegen, die von der Überausbeutung profitieren – auch hier sagen wir: Enteignung der Konzerne, Kontrolle der Arbeiter_Innen über die Produktion und weltweiter, demokratische Plan zum Aufbau der armen Länder in Verbindung mit einem Notprogramm gegen die ökologische Katastrophe.

Drittens ist der Aufruf zum globalen Klimastreik ein Aufruf zu einem Generalstreik. Der umfasst nicht bloß Schüler_Innen, sondern vor allem auch die, die all den Reichtum der Gesellschaft produzieren: Die Arbeiter_Innen. Der Klimawandel betrifft uns alle und zusammen können wir einfach mehr Druck ausüben. Zum Beispiel haben doch auch viele Lehrer_innen bereits gesagt, dass sie unsere Proteste unterstützenswert finden, doch was wäre, wenn unsere Lehrer_innen, Sozialarbeiter_innen, Sonderpädagog_innen, Erzieher_innen und Bibliothekar_innen nicht mündlich solidarisch sind, sondern selber streiken? Dafür muss die Bildungsgewerkschaft GEW sie zum Streik aufrufen. Auch die Gesundheitsberufe sind betroffen, denn mit der globalen Erderwärmung wird eine riesige Welle von medizinischen Notfällen auf Sie zukommen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di rufen wir deshalb ebenso zum Streik auf wie alle anderen Gewerkschaften.

Nun stellt sich die Frage, wie können wir Arbeiter_Innen und ihre Organisationen für den globalen Streik gewinnen? Ein erster Schritt ist ein Aufruf einiger Linken in den Gewerkschaften, den Streik zu unterstützen. Wir können versuchen, ihn möglichst weit zu streuen und an lokale Gewerkschaftsinitiativen oder Büros zu versenden. Aber das allein wird nicht reichen. In Deutschland sind politische Streiks (also Streiks, die nicht direkt was mit Löhnen oder Arbeitszeit zu tun haben) illegal und die Führungen der Gewerkschaften sind viel zu feige dagegen anzukämpfen. Sie werden im Gegenteil versuchen, die Arbeiter_Innen vom Streik abzuhalten.

Auch die Arbeiter_Innen stehen uns teilweise feindlich gegenüber. Gerade die in der Kohleindustrie oder der Automobilbranche fragen natürlich: Wie behalte ich bei der Energiewende mein Einkommen. Da bringt‘s uns nix einfach zu rufen: „Es gibt kein Recht auf Kohlebagger fahren!“. Wir müssen uns im Gegenteil darüber klar werden, dass der schnellstmögliche Ausstieg aus der Braunkohle nur durch die Arbeiter_Innen passieren kann, wir allein als Schüler_Innen besitzen dafür leider nicht die Macht. Deswegen: Warum nicht mal eine Freitagskundgebung vor einem Braunkohlemeiler, einer Autofabrik oder einem Busdepot machen und die Diskussion suchen? Dabei müssen wir klar machen, dass wir die Bosse für die Energiewende zahlen lassen wollen und dass eine von den Beschäftigten selbst bestimmte Umstrukturierung der Produktion stattfinden soll. Oder warum nicht mal zu den Gewerkschaften gehen und sie auffordern, den Klimastreik einfach zu unterstützen und auf das eingeschränkte Streikrecht zu scheißen? Es gibt hierbei keine Garantie auf Erfolg, aber wir glauben, dass für Fridays for Futures eigene Zukunft als Bewegung entscheidend sein wird, von der Schüler_Innenbewegung zu einer Bewegung der Arbeitenden und Jugendlichen global zu werden. Also müssen wir zumindest probieren, die offensten, radikalsten, jugendlichsten Teile der Arbeiter_Innen zu gewinnen. Dass das möglich ist, beweisen die bereits jetzt schon vorhandenen Azubis und Arbeiter_Innen, die sich solidarisch mit der Bewegung zeigen.

Wir haben hier nur einige unserer Gedanken zu Fridays for Future zusammengestellt. Wenn ihr Bock habt sie mit uns zu tiefergehend zu diskutieren, schreibt uns an! Wir kommen auch gern zu Eurer Fridays for Future Aktion oder Ortsgruppe!




Iran-Krise: Vor einem neuen Krieg?

Jonathan Frühling

18.07.2019

Hintergrund der aktuellen Krise

Als Trump an die Regierung kam hat er den sogenannten „Iran-Deal“, der eine atomare Aufrüstung des Iran verhindern sollte, aufgekündigt. Damit ist im sogenannten „Nahen und Mittleren Osten“ ein alter Krisenherd wieder neu entflammt. Die USA hat die 2015 aufgehobenen Sanktionen wieder eingeführt und droht jedem Land ebenfalls mit Sanktionen, welches mit dem Iran Handel treiben will.

Der Iran ist der USA seit 1979 ein Dorn im Auge, nachdem nämlich eine religiöse Bewegung die USA-treue Regierung unter dem letzten iranischen Shah hinwegfegte und eine islamische Republik errichtete. Bis heute ist das rohstoffreiche Land mit einer jährlichen Wirtschaftsleistung von 430 Mrd. US-Dollar (BIP) ein regionaler Machtfaktor, der den US-Interessen entgegensteht. Durch ein gezieltes Eingreifen in regionale Konflikte konnte der Iran mehr und mehr Einfluss gewinnen, sodass sich die bestehende Ordnung im „Nahen Osten“ zu Ungunsten der USA verändern könnte. So hat der Iran tausende Soldaten in Syrien stationiert, die das mit den USA verfeindete Assad-Regime im Krieg unterstützen und mit der libanesischen Hisbollah zusammenarbeiten. Zudem unterstützt der Iran die Huthi-Rebellion gegen das US-gestützte Regime von Hadi im Jemen. Auch der bis 2011 von den USA besetzte Irak droht Trump mehr und mehr außer Kontrolle zu geraten. Gerade auch durch die „Popular Mobilization Forces“, die im Kampf gegen den IS wiedergegründet wurden, kann der Iran im Irak an Einfluss gewinnen. Mit seinen zahlreichen Öl- und Gasfeldern hat der Iran ferner auch eine wichtige geostrategische Bedeutung: So könnte der Iran z.B. die Meerenge von Hormus schließen, durch die ein Großteil des Öls aus der gesamten Region abtransportiert wird.

Neue Blockbildung

Der Iran nervt die USA aber nicht nur wegen seiner regionalen Interventionen sondern weil er auch zu den engen Verbündeten des größten US-amerikanischen Konkurrenten zählt. Denn schaut man auf die Import- und Exportzahlen, zeigt sich ein reger Handelsaustausch zwischen dem Iran und China. 27,4% der Exporte gehen nach China, 27,8% der Einfuhren kommen daher. Öl, Gas und auch die Relevanz des Irans in Chinas „Seidenstraßenprojekt“, also den Ausbau von Handelswegen, in den „Nahen Osten“ und bis nach Europa, spielen dabei eine entscheidende Rolle. Gerade jetzt in Zeiten der verschärften Konkurrenz zwischen den wichtigsten imperialistischen Akteuren steigt deshalb auch der Druck. So kam es bereits zu einer offiziellen Warnung an die USA seitens der chinesischen und russischen Regierungen.

Der Iran wird damit also auch zum Schauplatz im Konflikt zwischen der USA and England auf der einen und China und Russland auf der anderen Seite. China und Russland stellen dabei keinesfalls „die Guten“ dar. Sie sind letztlich nur die andere Seite der imperialistischen Medaille. Das zeigt sich auch daran, dass z.B. Russland ebenso bereit ist, ganze Länder für seine Interessen zu zerstören, wie man momentan in Syrien sehen kann. Eine russische Militärintervention im Alleingang ist in diesem Konflikt allerdings unwahrscheinlich, weil eine ernstzunehmende Intervention wohl die schwachen wirtschaftlichen Kräfte Russlands übersteigen würde. Auch eine chinesische Intervention scheint unwahrscheinlich, weil deren ganze Politik und Propaganda momentan darauf ausgerichtet ist, auf „friedliche“ Weise Imperialismus zu betreiben. Das heißt vor allem bilaterale Verträge (Verträge nur zwischen zwei Ländern) und Investitionen.

Die EU agiert als dritter Player in diesem Game. Sie und insbesondere die BRD waren eigentlich Fans des „Iran-Deals“ und haben in der Zeit der Aussetzung der Sanktionen auch ordentlich in den Iran investiert. Die einseitige Aufkündigung des Abkommens, die Wiedereinführung von Sanktionen und eine erneute Zuspitzung des Konfliktes passen ihr folglich gar nicht in den Kragen. Um die US-Sanktionen zu umgehen und weiter mit dem Iran Handel treiben zu können, hat die EU hat im Januar eine Zahlungsmethode unter dem Namen „Instex“ etabliert. Die europäischen Konzerne haben nämlich sowohl ein Interesse daran, das iranische Öl auszubeuten, als auch den Iran als Absatzmarkt zu z.B. für Maschinen zu nutzen. Dem Iran ist das bisherige Vorgehen der EU aber zu zaghaft, weil ihr System den Handel mit Erdöl bisher nicht mit einschließt. Bis das passiert, wird der Iran den Atom-Deal schrittweise missachten. Der erste Schritt ist die höhere Anreicherung von Uran.

Die EU traut sich bisher nicht der USA mit ihrer geballten Handelskraft entgegenzutreten. Die Drohung der USA hohe Zölle bei der Einfuhr von Autos aus der EU zu verlangen, dürfte dabei sicher eine entscheidende Rolle gespielt haben. Ein aktives Eingreifen gegen die US-Kriegspläne, sofern sie denn Realität werden, ist also nicht zu erwarten.

Ähnlich wie in der Ukraine zeigen sich auch in diesem wichtigen Konflikt die unterschiedlichen Interessen innerhalb des sogenannten „Westens“. Wo die USA und Westeuropa früher noch gemeinsam „die westlichen Werte verteidigt haben“, gehen die Wirtschafts- und Militärinteressen in den aktuellen Krisenzeiten wieder weiter auseinander und der Block könnte daran zerbrechen.

Die aktuelle Lage

Jüngst dreht sich die Eskalationsspirale wieder schneller: Nachdem am 13. Juni zum wiederholten Male Öltanker unweit der Straße von Hormus angegriffen wurden, beschuldigen sich beide Seiten des Vorfalls. Um die Frage zu klären, wer hinter den Angriffen steckt, sollte man sich überlegen, wem die Angriffe nützen. Dabei ist es naheliegender, dass die USA oder einer ihrer Verbündeten die Angriffe durchgeführt hat, um eine mögliche Invasion zu rechtfertigen. Übrigens hat die USA eine lange Geschichte von gefälschten Angriffen auf Boote, um Kriege zu rechtfertigen. Eine Provokation durch den Iran und damit ein Kräftemessen mit der gesamten NATO käme für den Iran einem Selbstmordkommando gleich. Zumal die innenpolitische Situation im Iran äußert instabil ist und das Mullah-Regime die Massen durch ein solches Kamikaze-Manöver nicht noch mehr gegen sich aufbringen wollen kann.

Gut eine Woche später wurde eine US-amerikanische Drohne durch den Iran abgeschossen. Daraufhin planten die Hardliner in der US-Regierung, wie Außenminister Pompeo und Sicherheitsberater Bolton, einen Vergeltungsschlag, der von Trump kurz vorher abgeblasen wurde. Trump hat jedoch 1000 zusätzliche Soldaten in die Region geschickt und die Sanktionen weiter verschärft. Momentan spitzt sich die Krise von Tag zu Tag immer weiter zu; Die Kriegsgefahr ist real!

Ein Krieg zwischen dem Iran und der USA und ihren Verbündeten (vor allem Saudi Arabien, Israel und Vereinigte Arabische Emirate, ggf. auch England) würde die gesamte Region ins Elend stürzen und könnte auch die gesamte Weltwirtschaft in eine Krise stürzen, weil sich der Ölpreis massiv erhöhen würde. Das Schicksal des Iraks soll hier ein Beispiel sein, welcher seit der US-Invasion 2003 von Bürgerkriegen, Terror und wirtschaftlicher Desorganisation geprägt ist. Zwar war der Irakkrieg (wie übrigens auch der Afghanistan Krieg 2001) für die USA ein Desaster, jedoch hat sich gezeigt, dass die USA bereit ist, riskante und zerstörerische Kriege zu führen.

Gemeinsam gegen Krieg!

Einen neuen Krieg gilt es unbedingt zu stoppen! Da sich die Regierungen für irgendwelche Resolutionen und Beschlüsse gerade in Zeiten verschärfter internationaler Konkurrenz herzlich wenig interessieren (wie man beispielsweise auch am Klimaabkommen sieht), können wir uns dabei nicht auf die UNO verlassen. Wir müssen schon selber aktiv werden! Im Falle eines Angriffes der USA müssen wir uns auf die Seite des Irans stellen, um weitere Katastrophen wie im Irak- oder Afghanistankrieg zu verhindern. Gleichzeitig ist natürlich auch das Mullah-Regime alles andere als eine fortschrittliche Kraft. Deshalb müssen wir ebenso dafür eintreten, die Islamist_innen vom Thron zu stoßen. Das heißt aber nicht Regime-Change mit einem pro-amerikanischen Bürokraten an der Spitze, wie es sich Trump wünschen würde, sondern eine demokratische und säkulare Regierung der Lohnabhängigen und Bäuer_innen aufzubauen.

Die Streiks im öffentlichen Sektor in Folge der Verschärfung der Krise beweisen, dass auch dies ein mögliches Szenario ist. Letztes Jahr wurden wir außerdem zu Zeug_innen einer gewaltigen Streik- und Protestbewegung im Iran, die vor allem von der Jugend getragen wurde. Es gibt also millionen Menschen, die die nationalistische Politik der iranischen Regierung ablehnen und bereit sind, auch dagegen zu kämpfen. Die US-Sanktionen werden die Kampfbereitschaft der Massen nur noch weiter anheizen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 15,4 % und steigt weiter. Die Inflation betrug 2018 31,2% und wird 2019 wohl 37,2% betragen.

Auch hier müssen wir unsere Solidarität mit den Protesten im Iran gegen eine US-Aggression praktisch machen. Selbst hier in Europa könnten wir großen Druck auf die USA ausüben. Nicht nur mit Massendemonstrationen, sondern auch mit direkten Aktionen gegen die amerikanischen Militärbasen z.B. in Deutschland und natürlich mit politischen Streiks! Dabei kann die Jugend, ähnlich wie im Iran, eine führende Rolle in den Protesten einnehmen. Momentan zeigen hunderttausende junge Menschen innerhalb der Fridays-for-Futures-Bewegung, dass sie bereit sind, sich für eine bessere Welt zu organisieren. Für eine bessere Welt kämpfen heißt auch sich gegen Krieg stark zu machen! Außerdem zählen militärische Konflikte global zu den größten CO²-Verursachern. Unsere Stimmen gegen den Krieg müssen wir an unsere Schulen, Unis, Betriebe und natürlich auf die Straßen tragen. Nur so können wir der US-Aggression im Iran die Stirn bieten.




Zeitung 2019.01




Wieso ist der Rechtsruck im Osten besonders stark?

von Jonathan Frühling

„Der Rechtsruck ist bloß ein Phänomen des Ostens!“ wäre wohl die Folgerung aus den ständigen Witzen und Beiträge über die Rechte in Ostdeutschland. Das entspricht jedoch nicht der Wahrheit, denn auch im Westen gibt es wachsende Probleme mit Nazis, AfD & Co! Hingegen stimmt es aber, dass die Rechten in Ostdeutschland stärker als in Westdeutschland sind. So hatte die AfD bei den Bundestagswahlen 2017 im Osten (ohne Berlin) jeweils um die 20% der Stimmen bekommen; im Westen waren es „nur“ um die 10%. In Dresden ist die PEGIDA-Bewegung ansässig, die zu Spitzenzeiten zehntausende Rassist_Innen auf die Straße brachte. Bis die AfD kam, saß die NPD sogar in Mecklenburg-Vorpommern im Landtag. Ebenso sind Nazikameradschaften und rechte Fußballfankultur vermehrt im Osten anzutreffen und die rechte Gewalt ist in den östlichen Bundesländern pro Einwohner oft 3-5 mal höher als im Westen. Woher kommt das?

Wirtschaftliche Lage im Osten

Die Wiedervereinigung war für die Wirtschaft in der DDR eine totale Katastrophe. Profitieren sollte davon nämlich vor allem der Westen. Genauer gesagt: Die westdeutsche Bourgeoisie. Sie eignete sich die profitablen Firmen an und erschloss mit ihren Produkten den Absatzmarkt in Ostdeutschland. Selbst profitable Unternehmen, wie z.B. das Kohlekraftwerk „Schwarze Pumpe“ wurden abgerissen, damit Firmen aus dem Westen den Markt bedienen konnten. Die Wirtschaftsleistung der DDR sank deshalb Anfang der 90er um ca. 35%. Dies befeuerte die Abwanderung aus dem Osten massiv und sorgte dafür, dass bis Mitte der 90er Jahre 1,4 Millionen Leute aus dem Osten in den Westen gingen.Bis heute hat sich Ostdeutschland nicht von diesem wirtschaftlichen Schock erholt. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 9,2 % immer noch fast doppelt so hoch wie im Westen (5,7%). Auch die Armut wächst in Ostdeutschland schneller als im Westen. Die Zahl der Erwerbstätigen im Osten hat erst 2004 ihren Tiefpunkt erreicht und konnte bis heute nicht mehr auf das Niveau der DDR steigen. Die Löhne sind ca. 20% niedriger als in den alten Bundesländern. Selbst die Lebenserwartung ist im Osten geringer als im Westen. Doch die Stärke der Rechten muss auch politisch erklärt werden. Der Stalinismus war vielen in der DDR verhasst. Die offensichtlichen Privilegien der Bürokrat_Innen und die gesellschaftliche Kontrolle durch die Polizei taten dort ihren Dienst. Nach dem Zusammenbruch wandten sich die Menschen trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage von der DDR ab, da diese eben auch auf der ökonomischen Ebene abgewirtschaftet hatte. Zudem wurde der Nationalismus von der Wiedervereinigung befeuert, woran sich die Leute in ihrer verzweifelten Situation klammerten. Dies ist auch der Weg, mit dem die AfD und andere rechte Gruppen auch heute noch versuchen, die Menschen um sich zu scharren.

Schwäche der Linken

Bis zum heutigen Tage findet aber auch noch eine zweite wichtige politische Entwicklung im Osten statt: Das Versagen des Reformismus. In den beiden rot-roten Regierung in Berlin von 2001-2011 wurden die Schulden der Bankengesellschaft Berlin auf die Steuerzahler_Innen umgelegt, massiven Angriffe auf den öffentlichen Dienst gefahren und massenweise staatliche Wohnungen abgestoßen. Momentan erleben wir übrigens eine Wiederauflage dieser Politik. In Brandenburg hat die Linkspartei ihre Oppositionspolitik wie so oft als Regierungspartei in ihr Gegenteil verkehrt. Gegen Braunkohleabbau und repressive Polizeigesetze wetterte man in der Opposition, führte jedoch beides weiter, sobald man an der Regierung war. Deshalb wird die Linkspartei im Osten schon seit Jahren als keine richtige Alternative gesehen. Ähnliches gilt für die SPD. Gerade auch durch die Regierung Schröder verlor die SPD massiv an Rückhalt im Osten, sodass sie in den neuen Bundesländern in dieser Zeit teilweise fast 16% einbüßte. Grund waren die Kriege im Kosovo und Afghanistan, die Fortsetzung der Nutzung von Atomstrom und die Einführung der Agenda 2010, die die Anzahl der Armen in Deutschland explodieren lassen hat. Auch die Gewerkschaften haben in der DDR abgewirtschaftet. Nach der Wende traten die Hälfte der Arbeiter_Innen in den DGB ein. Da der DGB aber nicht viel gegen den wirtschaftlichen Verfall ausrichten konnte, traten fast die Hälfte der 4,2 Millionen Mitglieder nach kurzer Zeit wieder aus dem DGB aus. Seitdem haben die Gewerkschaften unzählige Male die Schließung von Werken mitgetragen oder verkauften Streiks. Eine weitere große Austrittswelle musst der DGB nach dem abgebrochenen Kampf um die 35-Stunden-Woche 2003 hinnehmen. 2012 lag der Organisierungsgrad der Beschäftigten im Osten nur noch bei 17,2 %. Da also die reformistische Linke so kläglich scheiterte, haben die Rechten leichtes Spiel, mit ihren rassistische Erklärungen für diese miserable Lage Erfolg zu haben und den Wut der Menschen zu bündeln, ohne dabei wirklich ihre Lage verbessern zu können oder zu wollen! Der massive Rechtsruck in den neuen Bundesländern ist also keine Entwicklung, die nur an der Vergangenheit während der DDR festgemacht werden kann oder daran liegt dass die Leute „dümmer“ sind. Entscheidend ist vielmehr die Vergangenheit Ostdeutschlands seit der Wiedereinführung des Kapitalismus, von dem sich die Region nicht wieder erholt hat. Ebenso hat der jahrelange soziale Ausverkauf  dazu geführt, dass die Menschen den Glauben an die politischen Kräfte verloren haben. Deshalb kann nur ein entschlossene revolutionäre Linke, die hält, was sie verspricht, eine Perspektive gegen die Misere seit der Einheit darstellen!

 

 

 

 




Frauen in LGTBIA*-Zusammenhängen

Flora, REVOLUTION Österreich, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Innerhalb einer Gesellschaft, die von Unterdrückung und Ausbeutung profitiert, erfahren Frauen viel Sexismus, von Alltagsdiskriminierung bis hin zu gewalttätigen schweren frauenfeindlichen Übergriffen. Aber auch innerhalb verschiedener Gemeinschaften, die sich der Diversität verschrieben haben wie z. B. der LGTBIA*-Community, hören Sexismus und die Unterrepräsentation von Frauen nicht einfach auf. Auf diese Problematik wird in diesem Artikel eingegangen.

Warum werden Mitglieder der LGTBIA*-Community unterdrückt?

Im Kapitalismus wird das Idealbild der bürgerlichen Kleinfamilie propagiert. Diese ist in Büchern, Filmen oder Werbung stets präsent und auf gesetzlicher Ebene bevorteilt. Dies liegt daran, dass diese Form der Familie mehrere Funktionen erfüllt. Während sie für die herrschende Klasse die Weitergabe von Besitz durch Vererbung klärt, dient sie für die Arbeiter*Innenklasse als Ort zur Reproduktion. Das ist für die Kapitalist*Innen sehr günstig – denn sie müssen die Kosten für die Arbeit der Essenszubereitung, beim Wäsche Waschen, der Kindererziehung oder auch der emotionalen Arbeit nicht bezahlen. Die Rolle der Frau ist dabei sehr klar, sie kümmert sich um den Nachwuchs und verrichtet unbezahlte Hausarbeit. Immer noch ist der Großteil der in Teilzeit Beschäftigten Frauen und sie können somit nicht in finanzieller Unabhängigkeit leben. Gerade durch diese Doppelbelastung ist es ihnen erschwert, sich zu organisieren und Räume für sich einzunehmen. Angehörige der LGTBIA*-Community werden deswegen abgelehnt, da sie dieses Konzept der bürgerlichen Kleinfamilie objektiv infrage stellen. Sie produzieren entweder keinen Nachwuchs und tragen so nicht zur Systemerhaltung bei oder stellen durch ihr Zusammenleben die klassische geschlechtliche Arbeitsteilung in Frage.

Doch wie äußert sich diese Unterrepräsentierung?

In der Gesellschaft allgemein wird die weibliche Sexualität so dargestellt, dass sie zur Befriedigung der männlichen Lust dient. Das führt beispielsweise dazu, dass lesbische Orientierung nicht ernst genommen, nur als „Phase“ abgetan wird, während man Bisexualität als „Plus“ für Männer darstellt. Darüber hinaus wird nicht wenigen jungen Mitgliedern der LGTBIA*-Community abgesprochen, dass sie in jungen Jahren bereits über ihre Geschlechtsidentität und zu wem sie sich hingezogen fühlen, Bescheid wissen können. Frauen hören zudem nicht selten Aussagen wie, sie hätten ja nur noch nie richtig guten Sex mit einem Mann gehabt, oder werden auf andere Arten sexualisiert. So ist es kein Wunder, dass es wenige Darstellungen von homo- oder bisexuellen Frauen gibt. Beispielsweise zeigt die 2017 veröffentlichte Studie „Media, Diversity & Social Change Initiative“ der USC Annenberg School for Communication and Journalism (Los Angeles), dass von den 100 populärsten Filmen Hollywoods 2016, in denen 4.544 Charaktere ausgewertet wurden, nur 51 (1,1 %) LGTBIA*- Charaktere waren. Von diesen waren 36 schwule Männer, 9 Lesben und 6 bisexuell. Keine Transgenderperson kam in diesen Filmen vor. Auch zu erwähnen ist, dass 79,1 % weißer Hautfarbe waren und nur 20,9 % unterrepräsentierten Gruppen angehörten. Dies könnte mitunter daher kommen, dass in dem Zeitraum von 9 Jahren, in denen die Studie geführt wurde, nur 4,1 % der Produktionen von Regisseurinnen geleitet wurden. Das ist ein Grund warum immer nur der männliche Blickwinkel auf die verschiedensten Themen gezeigt wird. Daneben haben Produktion und Filmförderung kein Interesse daran, eine authentische Repräsentation von diskriminierten Gruppen zu zeigen, weil sie keinen profitablen Absatzmarkt darin sehen. Dies sind nur einige Zahlen aus der westlichen Filmindustrie. Ähnliche Zahlen gibt es auch in der Kunst- und Musikszene. Besonders treffen diese mangelnden Darstellungen Transfrauen und Women of Colour. Ihnen wird der Zugang zum Gesundheitssystem erschwert, teilweise sogar verwehrt. Auch in vielen anderen Lebensbereichen werden sie diskriminiert und die Lebenserwartung von zum Beispiel Transwomen of Colour in den USA wird auf 35 Jahre geschätzt.

Warum ist das so?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind in unserer Gesellschaft weiße, heterosexuelle Cismänner (also Menschen, die männlich geboren wurden und sich auch so fühlen) privilegiert. Zwar erfahren Männer aus der Arbeiter*Innenklasse Unterdrückung, da sie ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Gleichzeitig haben sie es in vielen Punkten einfacher, da sie nicht von anderen Diskriminierungen betroffen sind. So ist es kein Wunder, dass homo- oder bisexuelle Männer in der LGBTIA*Community ebenfalls präsenter sind, da Unterdrückungsmechanismen nicht einfach verschwinden, nur weil man sich in einer politischen Organisation oder einer Community befindet.

Doch was muss nun passieren, um Frauen in der LGBTIA*-Community mehr Gehör zu verschaffen?

Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass man in Organisationen Strukturen und Mechanismen schaffen muss, die mit existierender Unterdrückung umgehen. So ist das Caucusrecht eine Möglichkeit für gesellschaftlich Unterdrückte, sich gesondert von der Organisation zu treffen, um Probleme und politische Ideen in einem geschützteren Rahmen diskutieren zu können. In diesen können auch LGTBIA*-spezifische Themen besprochen und ausgearbeitet werden. Daneben bedarf es aber auch anderer Mittel wie quotierter Redner*Innenlisten oder gezielter Förderung von Frauen durch Entlastung von technischen Aufgaben. Aber auch die Auseinandersetzung mit männlicher Sozialisierung, tradierten Rollenbildern und einer kritischen Reflexion der heteronormativen Zweierbeziehung gehört dazu. Aber nachdem sich die Unterdrückung von Frauen auf den Kapitalismus und die historisch gewachsene Rolle der Frau in der Familie zurückführen lässt, kann auch die Unterrepräsentation von queeren Frauen nicht aus dem Kontext genommen und erst recht nicht gelöst werden, ohne etwas an den Herrschaftsverhältnissen zu ändern. Für die Befreiung der Frau ist die Zerschlagung der Vorherrschaft des Mannes über Frauen, diese wird von patriarchalen Strukturen gestützt, unabdingbar. Dies kann nur durch eine Revolution durch das Proletariat erreicht werden, in der die Frauen in vorderster Reihe kämpfen. Denn letztlich kann nur durch die Zerschlagung des kapitalistischen Systems und die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft die komplette Befreiung aller unterdrückten Menschen erreicht werden.

  • Für rechtliche und sonstige Gleichstellung sowie Freiheit der Ausübung aller Formen der Sexualität! Verbot der Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder sexueller Orientierung!
  • Zurückdrängung aller Formen von Rollenklischees, Diskriminierung und Ausgrenzung in der Jugend und innerhalb der Arbeiter_innenklasse! Für Caucusrechte von Unterdrückten und angemessene Aufklärung über LGTBIA*-Orientierung an Schulen, Unis und Betrieben!

 

 




Welchen Antisexismus brauchen wir?

Jaqueline Katherina Singh, REVOLUTION, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung, März 2019

Wir leben in unruhigen Zeiten. Rechte Populist_Innen und Reaktionär_Innen gewinnen an Popularität. Mit ihnen wird rassistische Hetze wieder salonfähig sowie neoliberale Kürzungspolitik Alltag. Emanzipation wird ersetzt durch tradierte Rollenbilder und das konservative Bild der bürgerlichen Familie. Begleitet wird dies mit einer Zunahme an internationalen Spannungen: Handelskriege, zunehmende kriegerische Auseinandersetzungen und fortschreitende Militarisierung.

Doch so düster das Ganze aussieht, so erleben wir, wie auf der ganzen Welt Frauen für ihre Rechte demonstrieren und streiken. So gingen am 8. März 2018 in über 177 Ländern Menschen für die Rechte der Frauen auf die Straße. Allein in Spanien streikten 6 Millionen Frauen gegen sexuelle Gewalt, für gleiche Löhne und das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. In der Türkei demonstrierten mehrere Tausende trotz der großen Repression seitens des Erdogan-Regimes. Darüber hinaus gab es in den letzten Jahren immer wieder große Proteste: Ob nun im Rahmen des Women’s March in den USA, des „schwarzen“ Protests gegen das Verbot von Abtreibungen in Polen, von Ni Una Menos in Lateinamerika – überall auf der Welt demonstrierten Millionen Frauen für ihre Rechte.

Als Revolutionär_Innen müssen wir uns die Frage stellen: Welche Perspektive haben die Proteste? Wie können wir uns gegen die Angriffe der Rechten wehren? Kurzum stellt sich die Frage: Welchen Antisexismus brauchen wir?

Ursprung der Frauenunterdrückung

Um diese Frage gut zu beantworten, müssen wir verstehen, woher eigentlich Frauenunterdrückung kommt. Schließlich wollen wir nicht nur gegen Auswüchse des Problems kämpfen, sondern es gleichzeitig an seiner Wurzel packen, um es für ein alle Mal zu beseitigen!

Als Marxist_Innen gehen wir davon aus, dass die Unterdrückung der Frau nicht in der Biologie oder „Natur des Menschen“ wurzelt. Weder wohnt es Frauen von „Natur aus“ inne, unterdrückt zu werden, noch Männern, Gewalt gegenüber Frauen auszuüben.

Vielmehr müssen die Wurzeln der Jahrtausende alten Unterdrückung der Frauen selbst in der Geschichte, in sozialen Entwicklungen gesucht werden. In seinem Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ setzt sich Friedrich Engels nicht nur systematisch mit der Frage auseinander, er skizziert auch eine materialistische Erklärung der Unterdrückung der Frauen, des Patriarchats und seines Wandels in der Geschichte.

Engels weist darauf hin, dass Frauen nicht immer unterdrückt oder das „schwache“ Geschlecht waren, sondern – wie auch die moderne Forschung belegt – erst ab einem bestimmen Zeitpunkt der Entwicklung der Menschheit die Unterdrückung der Frauen beginnt und nach einer langen Periode systematische Formen annimmt.

Kurz zusammengefasst: Frauenunterdrückung gab es nicht schon immer und ist auch nichts Natürliches. Erst als Menschen sesshaft wurden und anfangen, mehr zu produzieren, als sie ein Mehrprodukt erzeugten und sich Privateigentum herauszubilden beginn, fing das Problem an. Dies passierte zur Zeit der Jungsteinzeit. Während es vorher Stammesgemeinschaften gab, bei denen es auch keine unterdrückerische geschlechtsspezifische Arbeitsteilung gab, veränderten sich in dieser Zeit die Strukturen des Zusammenlebens. Denn mit dem entstehenden Privatbesitz an Grund und Boden setzten sich auch patriarchale Vererbungsstruktur, systematische Ausbeutung und Unterdrückung durch (Sklaverei, Unterdrückung der Frau).

Damit die Vaterschaft gesichert und das väterliche Erbe auf die eigenen, leiblichen Kinder übergehen konnte, musste die Frau monogam leben. Im Laufe der Zeit, also über die Sklavenhaltergesellschaften der Antike hin zum Feudalismus verfestigten sich diese Strukturen und wurden gemäß der jeweils vorherrschenden Produktionsweise modifiziert. So wurde beispielsweise im feudalen Europa die Unterdrückung der Frau durch das Christentum ideologisch unterfüttert.

Der Kapitalismus hat das schon bestehende Unterdrückungsverhältnis den Erfordernissen der Ausbeutung der Lohnarbeit angepasst. Die herrschende Klasse profitiert von der Frauenunterdrückung und ihr System ist eng mit ihr verwoben. Beispielsweise ist die Familie erhalten geblieben, auch wenn sich ihre Funktion für die arbeitende Klasse gewandelt hat. Im bäuerlichen Haushalt der Feudalzeit war sie auch Ort der Produktion – der notwendigen Lebensmittel für die Familien der Bauern und Bäuerinnen wie des Überschusses, des Mehrprodukts für den Grundherrn, dessen Familie und Hofstaat. Dies wurde aber aufgrund der Industrialisierung überflüssig, da die LohnarbeiterInnen über keine eigenen Produktionsmittel verfügen, sondern ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen mussten und bis heute müssen. Dennoch blieb die Familie bestehen, denn im Kapitalismus dient sie dazu, die Arbeitskraft zu reproduzieren, die im Haushalt vor allem von den Frauen ohne Entlohnung erledigt werden muss. Zugleich werden über die Familie und die ihr zugrunde liegende Arbeitsteilung nach Generationen und Geschlechtern auch gleich die sozialen Rollen vermittelt.

Unterschiedliche Interessen

Insgesamt ist wichtig herauszustreichen, dass zwar alle Frauen von Unterdrückung betroffen sind, aber wie und wie stark das der Fall ist, hängt von ihrer Klassenzugehörigkeit ab. So sind die Frauen der Bourgeoisie auch Angehörige der ausbeutenden Klasse – und haben somit ein materielles Interesse an der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems und ihrer damit verbundenen Privilegien. Die Frauen aus dem Kleinbürger_Innentum und den Mittelschichten nehmen – wie diese Klassen selbst – eine widersprüchliche Stellung ein. Einerseits sind sie viel härterer Unterdrückung ausgesetzt als die Frauen der herrschenden Klasse. Sie müssen – wie die proletarischen Frauen – Beruf und Kindererziehung unter einen Hut bringen oder werden in den halbkolonialen Ländern von ihren Männern an den Haushalt gefesselt. Während viele dieser Frauen noch vor einigen Jahrzehnten (v. a. in den westlichen Ländern) sozial aufsteigen konnten, Karriere machten und einer Gleichberechtigung nahezukommen schienen, so sind sie heute oft auch massiv von Angriffen durch Sozialabbau (Kürzungen bei Kitas, Privatisierung, …) bedroht, die ihre Unterdrückung verschärfen.

Doch ähnlich wie kleinbürgerliche Ideologien oder auch der Reformismus erkennen sie den engen Zusammenhang von Kapitalismus und Privateigentum mit der Frauenunterdrückung nicht. Sie erblicken vielmehr in deren ideologischen Ausdrucksformen (Stereotypen, Geschlechterrollen, sexuellen Vorurteilen, Heterosexismus, …) die Ursache der Unterdrückung. Ihre Strategie erschöpft sich in verschiedenen Formen des radikalen oder reformistischen Feminismus, was ihre relativ privilegierte Stellung als Kleineigentümer_Innen oder Akademiker_Innen (Bildungsbürger_Innen) gegenüber der Masse der werktätigen Frauen widerspiegelt.

Die Arbeiter_Innenklasse als Ganze hingegen hat ein objektives materielles Interesse daran, das Kapitalverhältnis und damit die innerhalb der Lohnarbeit reproduzierte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wirklich zu überwinden und abzuschaffen – die proletarischen Frauen darüber hinaus auch ein brennendes, unmittelbares, subjektives. Konsequenter Antisexismus ist daher notwendigerweise Teil des revolutionären Klassenkampfes des Proletariats, weil er die Ausbeutung abschafft und die Produktion um der Reproduktion des unmittelbaren Lebens der Produzent_Innen willen umgestaltet, statt sie auf die Mehrarbeit für den Reichtum der Ausbeuterklasse auszurichten. Eine Frauenbewegung, die an die Wurzeln der Unterdrückung geht, kann nur eine proletarische, eine sozialistische Frauenbewegung sein, weil nur sie für den revolutionären Sturz des Kapitalismus, die Machtergreifung der ArbeiterInnenklasse als notwendigen Schritt zu einer klassenlosen Gesellschaft eintritt.

Kurze Kritik der Feminismen

Um nicht nur gegen die Auswirkungen der Frauenunterdrückung zu kämpfen, sondern diese zu beenden, bedarf es einer Analyse ihrer Ursachen. Diese ist besonders wichtig, da wir aus ihr Schlüsse ziehen können, mit welchen Mitteln wir gegen Sexismus kämpfen müssen. Deswegen haben wir als Marxist_Innen auch Kritik an Theorie und Programm der verschiedenen feministischen Strömungen. Auch wenn der Begriff „Feminismus“ heute im Alltagsgebrauch oft mit „Gleichberechtigung der Frauen“ gleichgesetzt wird (und in diesem Sinn alle Menschen, die für diese kämpfen als „feministisch“ betrachtet werden könnten), so unterscheiden sich die verschiedenen feministischen Theorie untereinander wie auch von einem marxistischen Verständnis der Frauenunterdrückung erheblich.

Zweifellos haben verschiedene feministische Theorien und Bewegungen zum Kampf um Gleichberechtigung viel beigetragen und wir unterstützen diese. Aber wir halten Teile ihrer Schlussfolgerungen wie die Methode ihrer Analysen für politisch falsch und glauben, dass die Kampfmittel nicht ausreichend sind, um an das gemeinsame Ziel zu kommen. Um dies zu skizzieren, setzen wir uns kurz mit einigen feministischen Strömungen auseinander, denn ähnlich wie z. B. beim „Antifaschismus“ gibt es viele unterschiedliche Strömungen, die oftmals unter einem Begriff zusammengeworfen werden.

Am deutlichsten wird das beim bürgerlichen Feminismus. Dieser beschränkt sich heute in seinen Forderungen meist darauf, Frauen das gleiche Recht einzuräumen wie Männern. Dabei fokussiert er sich aber überwiegend auf die Bedürfnisse von Frauen aus der herrschenden oder kleinbürgerlichen Klasse. Dies zeigen beispielsweise Institutionen wie Womens20, die im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg tagte. Dort sprachen Frauen wie Ivanka Trump, Angela Merkel und Vertreterinnen von Firmen und diskutierten, wie die „Förderung von weiblichem Unternehmertum sowie Zugang zu Kapital- und Finanzdienstleistungen für Frauen“ praktisch aussehen kann. Dass dies nur zur Verbesserung der Lage von Frauen beträgt, die aus gehobeneren Schichten kommen, sollte klar sein.

Der radikale Feminismus, der in der zweiten Welle der Frauenbewegung in den 1960er und 1970er Jahren entstand, beanspruchte hingegen ähnlich wie heute der Queer-Feminismus, die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst in Frage zu stellen. Für beide liegt die Wurzel der Frauenunterdrückung allerdings nicht in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Klassengesellschaft. Der Radikalfeminismus erblickt sie in einer allenfalls neben/quer zu dieser verlaufenden, überhistorischen Unterdrückung der Frauen durch die Männer aller Klassen. Der Queer-Feminismus und die dekonstruktivistischen Theorien erblicken die Ursache der Unterdrückung im Diskurs, in einer „heteronormativen Matrix“. Demzufolge bilden nicht die materiellen Verhältnisse (geschlechtsspezifische Arbeitsteilung) die Ursache der Frauenunterdrückung, sondern es sind vielmehr sexistische Ideologien, Vorstellungen, Sprechweisen, Diskurse, die zu Machtverhältnissen und Unterdrückung führen. Daher unterscheidet sich auch das Programm der Befreiung grundlegend. Während Marxist_Innen erkennen, dass Sexismus und Heteronormativität – wie jede reaktionäre Ideologie – nur dann endgültig verschwinden können, wenn ihre materielle Grundlage beseitigt ist, so erblickt der Queerfeminismus im Kampf um diskursive Deutungen den Kern der Auseinandersetzung. Dieser unterschiedlichen strategischen Ausrichtung entsprechen verschiedene Klassenstandpunkte. Der Queerfeminismus (und vor ihm der Radikalfeminismus) bringt jenen des Kleinbürger_Innentums und der Mittelschichten zum Ausdruck, der Marxismus jenen der proletarischen Frauen wie der gesamten Arbeiter_Innenklasse.

Ein heute eher marginales Dasein fristet der „sozialistische Feminismus“. Dieser versuchte in den 1970er Jahren, Feminismus und Marxismus zu verbinden und stellte zweifellos die linkeste Strömung innerhalb des Feminismus dar. Doch auch dieser war nicht in der Lage, die Schwächen v. a. des radikalen Feminismus zu überwinden, sondern kombinierte sie auf theoretischer Ebene nur mehr oder weniger zusammenhangslos mit marxistischen Vorstellungen (siehe beispielhaft den Artikel zur Debatte um „Lohn für Hausarbeit“ in dieser Ausgabe).

Aber was für einen Antisexismus brauchen wir dann?

Wir kämpfen für eine internationale, multiethnische, proletarische Frauenbewegung, die sich weltweit vernetzt und ihre Kämpfe mit einer antikapitalistischen Perspektive verbindet. Dabei sagen wir klar, dass es einen gemeinsamen Kampf von arbeitenden Frauen und Männern braucht. Das leitet sich daraus ab, dass die Angehörigen der Arbeiter_Innenklasse ein gemeinsames historisches Interesse haben, den Kapitalismus zu stürzen – im Gegensatz zu Frauen aus der Bourgeoisie, aber auch aus dem Kleinbürger_Innentums und den Mittelschichten. Daneben kann nur ein gemeinsamer Kampf, also beispielsweise Streiks, Demonstrationen genügend Druck auf- und bestehende Spaltungsmechanismen langsam abbauen. Dafür einzutreten, bedeutet aber auch einen konsequenten Kampf gegen Sexismus, Chauvinismus und Machismus in der Arbeiter_Innenklasse selbst zu führen.

Dies geht in einem gemeinsamen Kampf besser. Wir wissen aber auch, dass „die Männer“ in den Gewerkschaften, im Betrieb und nicht zuletzt in der „Partner_Innenschaft“ nicht ohne Druck auf ihre Privilegien verzichten werden. Ein Mittel sind dazu verpflichtende antisexistische Reflexionsrunden, Awarenessteams auf Veranstaltungen und die Schaffung von Strukturen, bei denen man übergriffiges Verhalten melden kann. Für Frauen bedarf es des Rechts auf Schutzräume, in denen man sich gesondert treffen kann, gezielter politischer Förderung und einer Entlastung von technischen Aufgaben.

Darüber hinaus ist Aufgabe einer internationalen, multiethnischen, proletarischen Bewegung, die unterschiedlichen Probleme, die Frauen auf der Welt haben, zu thematisieren und eine Perspektive für alle aufzuwerfen: ob nun von der Muslima, die das Recht hat, ihren Glauben so zu praktizieren, wie sie es möchte, über schwarze Frauen, die nicht länger der massiven Polizeigewalt und rassistischen Angriffen in den USA ausgesetzt sein wollen bis hin zur pakistanischen Arbeiterin, die nicht länger für einen Hungerlohn arbeiten will.
Egal ob für geflüchtete Frauen, lesbische, bi-, trans- oder asexuelle oder Frauen aus Halbkolonien oder Industrienationen: Aufgabe ist es, für die unterschiedlichen Situationen die Gemeinsamkeiten in der sexistischen Unterdrückung herauszustellen, aber auch die Unterschiede aufzuzeigen, und wie sie mit der Unterdrückung, die man als Frau erfährt, sowie mit anderen Faktoren zusammenhängen. Betrachtet man dies genauer, kommt heraus, dass überall auf der Welt Frauen mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind.

1. Volle rechtliche Gleichstellung und Einbeziehung in den Produktionsprozess!

Auch wenn gefeiert worden ist, dass nun überall auf der Welt Frauen wählen dürfen (dass dies z. B. in Saudi-Arabien nur für Kommunalwahlen gilt, wird außer Acht gelassen), haben Frauen vielerorts nicht die gleichen Rechte. Das bedeutet praktisch beispielsweise erschwerte Scheidungsmöglichkeit oder keine politische Teilhabe. In der gleichen Situation befinden sich auch alle Frauen, die sich auf der Flucht befinden und deswegen an ihrem Aufenthaltsort nicht die Staatsbürger_Innenrechte in Anspruch nehmen können. Insgesamt sorgt das dafür, dass Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt und durch ihre Isolation entmündigt werden. Ein Verbot, arbeiten zu gehen oder dies nur von zu Hause aus tun zu können, bedeutet vollkommene ökonomische Abhängigkeit von dem Partner oder der Familie. Dort wo dies nicht gegeben ist, müssen wir die Gewerkschaften dazu auffordern, eben jene in unsere Reihen aufzunehmen. Dies ist ein wichtiger Schritt, der deutlich macht, dass auch sie Teil der Arbeiter_Innenklasse sind, ähnlich wie Arbeitslose.

2. Gleiche Arbeit, gleicher Lohn!

Während Reaktionär_Innen versuchen, den Lohnunterschied damit zu erklären, dass Frauen einfach in weniger gut bezahlten Berufen arbeiten, weil sie angeblich körperlich „nicht so hart arbeiten können“ wie Männer, ist für uns klar: Der Unterschied in der Lohnhöhe folgt aus der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die der Kapitalismus reproduziert. Der Lohn der Frau erscheint bis heute in den meisten Ländern als „Zuverdienst“ zum Mann. Der Lohnunterschied manifestiert a) die Rolle der Frau in der Familie, denn wenn sie weniger verdient, ist sie es, die „natürlich“ zu Hause bleibt, um auf Kinder oder pflegebedürftige Personen aufzupassen; b) die Abhängigkeit vom Partner. Dadurch werden Frauen auch „leichter“ aus der Arbeit gedrängt oder noch stärker in prekäre, schlecht bezahlte Arbeit oder Teilzeitjobs. Deswegen müssen wir gemeinsam dafür kämpfen, dass es keine Spaltung innerhalb der Arbeiter_Innenklasse durch Geschlecht oder Nationalität gibt. Denn diese fördert die Konkurrenz und Abstiegsängste untereinander und schwächt somit auch die gemeinsame Kampfkraft. Daher treten wir für gleiche Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen ein, um die Auswirkungen der Konkurrenz wenigstens zurückzudrängen!

3, Selbstbestimmung über den eigenen Körper!

Ob durch religiöse Vorschriften, rassistische Hetze oder Abtreibungsgegner_Innen: Überall auf der Welt sind Frauen damit konfrontiert, dass man versucht, über ihre Körper zu bestimmen. Deswegen treten wir dafür ein, dass Frauen selbstständig entscheiden können, was sie tragen oder ob sie schwanger werden/bleiben wollen.

4. Recht auf körperliche Unversehrtheit!

Ob nun sexuelle Grenzüberschreitungen, Vergewaltigungen oder reine Gewalt aufgrund des Geschlechtes wie bei Femiziden: Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig! Dabei ist herauszustellen, dass dies ein internationales Problem ist und nicht auf bestimmte Regionen bzw. Religionen beschränkt ist, wie manche Reaktionär_Innen behaupten. Für uns ist klar: Es gibt keine Religion, die mehr oder weniger böse ist als andere Religionen. Es ist vielmehr eine Frage der gesellschaftlichen Basis und politischen Bedingungen, wo und wie stark religiöse Vorstellungen zur Ideologie rückschrittlicher Bewegungen werden und Einfluss gewinnen. Doch essentiell ist es, die Forderung nach Selbstverteidigungskomitees im Schulterschluss mit anderen Unterdrückten aufzuwerfen ähnlich wie die Gulabi-Gang, nur demokratisch organisiert, also mit direkter Wähl- und Abwählbarkeit und in Verbindung mit der Arbeiter_Innenbewegung. Der Vorteil solcher Strukturen besteht darin, dass man Frauen nicht als passive Opfer darstellt, sondern ihnen auch die Möglichkeit gibt, sich aktiv gegen Unterdrückung zu wehren. Daneben ist die Forderung nach Selbstverteidigungskomittees für Marxist_Innen wichtig, denn es bedeutet, keine Hoffnung in Polizei oder Militär zu setzen und ein Gegengewicht gegen ihr Gewaltmonopol bzw. gegenüber dem des bürgerlichen Staates allgemein zu schaffen.

5. Vergesellschaftung der Hausarbeit

Dies ist eine essentielle Forderung, um die Doppelbelastung von Frauen zu beenden und letzten Endes auch einer der Schritte, die die geschlechtliche Arbeitsteilung -und mit ihr die Stereotype beenden. Grundgedanke ist es, die Arbeit, die wir tagtäglich verrichten, um uns zu reproduzieren (essen, Wäsche waschen, Kindererziehung), nicht länger im stillen Kämmerlein alleine zu absolvieren, sondern sie kollektiv zu organisieren und auf alle Hände zu verteilen. Dies kann dann beispielsweise in Form von Kantinen oder Waschküchen ablaufen, an denen sich beispielsweise alle aus dem Bezirk beteiligen. Dadurch muss man dann nicht jeden Tag kochen oder jede Woche Wäsche waschen und es wird klar, dass eben diese Aufgaben nicht nur reine „Frauensachen“ sind. Im Kapitalismus findet so was nicht statt (oder nur in Ausnahmesituationen wie Kriegen), da kein Interesse herrscht, die Kosten für die Reproduktion staatlich zu organisieren.

Wie kommen wir zu so einer Bewegung?

Wie bereits geschrieben, erleben wir in der aktuellen Situation international viele Kämpfe. Ein Weg, bestehende Kämpfe zusammenzuführen, bedeutet, Solidarität zu zeigen. Dabei hat diese viele Ebenen: So ist es beispielsweise positiv, dass das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung in Berlin immer Redner_Innen aus anderen Ländern wie Polen oder Irland die Möglichkeit gibt, zu reden und darüber hinaus die Proteste sichtbar zu machen durch beispielsweise eigene Demoblöcke. Das ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Doch dabei dürfen wir es nicht belassen. Solidaritätsbekundungen sind gut, Solidaritätsaktionen sind besser! Diese sorgen nämlich dafür, dass das Bewusstsein, dass wir zusammen kämpfen müssen, um erfolgreich zu sein, steigt.

Damit diese nicht nur den Kreis an Menschen erreichen, der sich eh schon für die Thematik interessiert, ist es wichtig, Antisexismus auch an den Orten, an denen wir uns tagtäglich bewegen müssen, zu thematisieren: also den Schulen, Universitäten und Betrieben. Dies kann durch Veranstaltungen oder Vollversammlungen passieren. Geschieht das Ganze im Zuge einer Aktion, so ist es wichtig, im Zuge deren Aktions- und Streikkomitees zu gründen, damit jene, die aktiv bleiben wollen, sich koordinieren und ihren Protest demokratisch organisieren können. Daneben macht es Sinn aufzuzeigen, wo gemeinsame Berührungspunkte bestehen, und Kämpfe miteinander zu verbinden. Denn der Kampf gegen repressive Abtreibungsgesetze in Argentinien hat die gleichen Ursachen wie die in Polen, El Savador, Irland oder Deutschland. Damit mehr Berührungspunkte aufkommen, macht es auch Sinn, solche Diskussionen mit Problemen, die vor Ort existieren, zu diskutieren wie beispielsweise sexistische Übergriffe oder Bemerkungen oder mangelnde Debatte über Abtreibungsaufkärung. Doch damit eine Bewegung erfolgreich wird, ist es wichtig, bereits existierende Organisationen zu beteiligen. In Deutschland wären das Gewerkschaften, die SPD oder Linkspartei, also Organisationen, die eine Anbindung zur Arbeiter_Innenklasse haben. Dabei bedeutet Beteiligung nicht nur, dass man unter einem Demoaufruf steht, sondern offen die eigene Mitgliedschaft zu Aktionen mobilisiert und diese motiviert, Aktions- und Streikkomitees aufzubauen. Alles andere ist halbherzig. Damit das passiert, müssen wir Druck ausüben und Organisationen offen dazu auffordern. Um den Protest international zu verbinden, braucht es darüber hinaus Aktionskonferenzen, ähnlich der Weltsozialforen, wo Organisationen zusammenkommen und gemeinsam über die Programmatik, Forderungen und gemeinsame Aktionen diskutieren. Denn nur wenn wir eine Bewegung sind, die ihre Basis auf der Straße hat und nicht nach einem Tag verschwunden ist, können wir unsere Forderungen durchsetzen. Schließlich und nicht zuletzt braucht es eine revolutionär-kommunistische Frauenbewegung als Sammlung der Arbeiter_Innenavantgarde, als Struktur der und in Verbindung mit einer neuen revolutionären Weltpartei der Arbeiter_Innenklasse – der (aufzubauenden) Fünften Internationale!




Hausarbeit und Frauenstreik

Stefan Katzer, ArbeiterInnenmacht, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Wenn feministische Organisationen am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, auch in Deutschland zum „Frauenstreik“ aufrufen, folgen sie damit dem Vorbild von Millionen Frauen weltweit. Diese legten bereits letztes Jahr unter anderem in Argentinien, Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Indien, Iran, Italien, Kolumbien, auf den Philippineninseln, in der Republik (Süd-)Korea, im mehrheitlich kurdisch bevölkerten nordsyrischen Kanton Afrin sowie in der Türkei und in Uruguay die Arbeit nieder und gingen aus Protest gegen ihre gesellschaftliche Unterdrückung auf die Straße. Sie forderten dabei unter anderem ein Ende der Gewalt gegen Frauen, das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung, die Abschaffung prekärer Arbeitsverhältnisse sowie eine faire Aufteilung der Haus- und Betreuungsarbeit. Die aufrufenden Gruppen konnten dabei zum Teil enorme Mobilisierungserfolge erzielen wie etwa in Spanien, wo zeitweise ca. sechs Millionen Frauen und Männer für einige Stunden in den Ausstand gingen.

Der „Frauenstreik“, der als politische Kampfform in den letzten Jahren vermehrt wiederentdeckt wurde, ist jedoch bedeutend älter. Er kann als eine Erfindung der zweiten Welle der Frauenbewegung betrachtet werden, die Ende der 1960er Jahre vor allem in den USA und (West-)Europa entstand. Der „autonome Frauenkampf“, den Teile dieser Bewegung propagierten und theoretisch zu legitimieren versuchten, kann dabei auch als politische Reaktion auf die Ignoranz der reformistisch geführten Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, aber auch der meisten Gruppen aus der „radikalen Linken“ für die Probleme der (Haus-)Frauen verstanden werden. Der Einfluss kleinbürgerlicher Ideologien auf den neu aufkommenden Feminismus soll nicht geleugnet werden. Die Trennung von Frauen- und Klassenkampf ist jedoch ebenso Folge der Unfähigkeit der Organisationen der ArbeiterInnenklasse, eine politische Kampfperspektive zu vermitteln, welche den Kampf gegen patriarchalische Unterdrückung und kapitalistische Ausbeutung als gemeinsamen versteht. Wenn wir uns im Folgenden mit diesen Theorien auseinandersetzen, so in der Absicht, dessen Notwendigkeit und seine politischen Perspektiven aufzuzeigen. Inwiefern hierfür der Bezug auf das Proletariat nach wie vor zentral ist, soll auch in Auseinandersetzung mit der „Wert-Abspaltungskritik“ von Roswitha Scholz geklärt werden.

 (Haus-)Frauenstreik

Theoretisch begründet wurde die Idee des Frauenstreiks von Mariarosa Dalla Costa und Selma James, die mit ihrer Schrift „Die Macht der Frauen und der Umsturz der Gesellschaft“ die Debatte um das Thema Hausarbeit in den 1970er Jahren entscheidend prägten. Dalla Costa und James, die sich anschickten, die marxsche Theorie von ihren „blinden Flecken“ zu befreien und durch die Einbeziehung der Reproduktionsarbeit in die Analyse der kapitalistischen Produktionsweise die Ausbeutung der Frau in der Familie sichtbar zu machen, diskutierten in diesem Zusammenhang auch die Frage des „Frauenkampfes“. Dabei sahen sie in der kollektiven Verweigerung der Hausarbeit eine geeignete politische Kampfform, um die Isolation der Frauen im Haushalt zu durchbrechen und ihren Kampf um die Befreiung von patriarchalischer Unterdrückung mit dem gegen die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse zu verbinden. Sie betrachteten den Frauenkampf somit als ein geeignetes Mittel im Kampf der (Haus-)Frauen gegen die Ausbeutung in der Familie, konzipierten ihn aber von Anfang an zugleich als „Teil des Kampfes, den die Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Arbeit führt“ (Dalla Costa/James, S. 42).

Ihr Vorwurf lautete, Marx sei für wesentliche Formen der Unterdrückung und ökonomischen Ausbeutung blind gewesen. Für sie war die in der Familie geleistete Hausarbeit eine Form produktiver Arbeit wie die in der Industrieproduktion, die Mehrwert für den/die Kapitalistin schafft. Zugleich bildete diese Tatsache nach ihrer Ansicht die ausschlaggebende materielle Grundlage für die Möglichkeit eines „autonomen Frauenkampfes:“ „Diese Möglichkeit des Kampfes auf gesellschaftlicher Ebene entsteht eben aus dem gesellschaftlich produktiven Charakter der Tätigkeit der Frau im Haus.“ (S. 43) Oberflächlich betrachtet erscheine die Hausarbeit zwar als eine persönliche Dienstleistung für den Ehemann, tatsächlich aber gehe sie direkt in die Mehrwertproduktion des Kapitals ein, indem nämlich die Hausarbeit die Ware Arbeitskraft des männlichen Arbeiters hinter dem Rücken der industriellen Produktion, also in verschleierter Form, ohne Lohn reproduziere. Dadurch sorge sie für die Vergrößerung der Mehrwertproduktion, sei also produktive, Mehrwert erzeugende Arbeit. Da die kapitalistische Produktionsweise ohne die Reproduktion der Ware Arbeitskraft nicht funktionieren könne, sei zudem die Familie als die hauptsächliche Stütze der kapitalistischen Organisation der Arbeit zu betrachten (S. 42). Ebenso sei die Konsumtion, die in der Familie stattfinde, produktive Konsumtion und auch dadurch die Hausarbeit Moment der kapitalistischen Mehrwertproduktion. Halten wir zunächst fest, dass „produktive“ Hausarbeit im o. a. Sinne nur in der LohnarbeiterInnenfamilie geleistet werden und somit nicht die Arbeit aller Hausfrauen umfassen kann.

Zwei wesentliche Konzepte bilden somit die Grundlage für diese Theorie im Fall der proletarischen Hausfrauen: ihre Produktion von Arbeitern/Arbeitskraft (d. h. Kindererziehung, Dienstleistung am Ehemann/Arbeiter) und ihre Rolle bei der „Konsumtion als Teil der Produktion“, also Einkaufen, Kochen, Putzen, Pflegen usw. Die Behauptung, diese beiden Aspekte der Hausarbeit brächten Mehrwert hervor, ignoriert allerdings zwei wesentliche Unterschiede, nämlich 1) den zwischen industrieller und privater Konsumtion (d. h. Verbrauch von Lebensmitteln in der Familie) und 2) den Unterschied zwischen produktiver Arbeit unter dem Kapitalismus, d. h. Lohnarbeit für eine/n KapitalistIn zur Erzeugung von Mehrwert, und einfacher Arbeit, die „nur” einen Gebrauchswert erzeugt.

Zum Unterschied zwischen industrieller und privater Konsumtion schreibt Marx:

„Die Konsumtion des Arbeiters ist doppelter Art. In der Produktion selbst konsumiert er durch seine Arbeit Produktionsmittel und verwandelt sie in Produkte von höherem Wert als dem des vorgeschoßnen Kapitals. Dies ist seine produktive Konsumtion. Sie ist gleichzeitig Konsumtion seiner Arbeitskraft durch den Kapitalisten, der sie gekauft hat. Andrerseits verwendet der Arbeiter das für den Kauf der Arbeitskraft gezahlte Geld in Lebensmittel: dies ist seine individuelle Konsumtion. Die produktive und die individuelle Konsumtion des Arbeiters sind also total verschieden. In der ersten handelt er als bewegende Kraft des Kapitals und gehört dem Kapitalisten; in der zweiten gehört er sich selbst und verrichtet Lebensfunktionen außerhalb des Produktionsprozesses.“ (Marx: Das Kapital, Bd. 1, 21. Kapitel, S. 596f.; Hervorhebung durch d. Red.)

Zwar wird auch der private Verbrauch, von den KapitalistInnen berücksichtigt, da er zur Aufrechterhaltung und Reproduktion der Arbeitskraft notwendig ist, somit ein notwendiges Moment des Produktionsprozesses darstellt. Aber da der/die ArbeiterIn außerhalb des Produktionsprozesses nicht dem/r KapitalistIn, sondern sich selbst gehört, kann er/sie dies getrost dem Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungstrieb der ArbeiterIn überlassen. Die Tatsache, dass es notwendig ist zu essen, zu leben und sich fortzupflanzen, macht die (ArbeiterInnen-)Familien somit nicht zu einem „Zentrum gesellschaftlicher Produktion”. Diese Dinge finden vielmehr ungeachtet der gesellschaftlichen Produktionsform statt. Individuelle Konsumtion zu Hause ist keine kapitalistische Produktion, da dem/r KapitalistIn die Familie nicht gehört. Der/die ArbeiterIn gehört vielmehr weiterhin sich selbst und verkauft dem/r KapitalistIn lediglich stundenweise seine/ihre Arbeitskraft. Die Ware Arbeitskraft wird also in der ArbeiterInnenfamilie nicht als Ware produziert, sondern als solche im kapitalistischen Produktionsprozess verkauft. Somit ist auch der „Produktionsprozess“ der Ware Arbeitskraft im Haushalt selbst nicht kapitalistisch. Er steht vielmehr außerhalb des Lohnarbeit-Kapital-Verhältnisses, welches die systematische Grundlage der Klassen- und Ausbeutungsverhältnisse darstellt. Auch geht die (notwendige Reproduktions-)Arbeit nur dann als wertbildende Arbeit in diese besondere Ware ein, wenn diese in Form von bezahlten Dienstleistungen erbracht wird. Die Arbeitskraft wird durch Verbrauch materieller Dinge (Essen, Kleidung) und Dienstleistungen (medizinische Versorgung, Ausbildung) geschaffen. Der Gesamtwert dieser Mittel zum Lebensunterhalt ist der Wert der Arbeitskraft. Die zur Aufbereitung dieser Verbrauchsgüter von den Hausfrauen geleistete Hausarbeit wird bei dieser Summe nicht berücksichtigt. Hausarbeit fügt der Ware Arbeitskraft somit auch keinen Wert hinzu, sie schafft „lediglich“ Gebrauchswert für die individuelle Konsumtion. Ihr Gebrauchswert für den/die KapitalistIn besteht dagegen erst in ihrem industriellen Konsumtionsprozess, der Erzeugung von Mehrwert.

Das bedeutet umgekehrt aber nicht, dass Frauen zu Hause nicht arbeiten oder ihre Arbeit – im normativen Sinne – „nichts wert“ sei. Es bedeutet lediglich, dass diese häusliche Schufterei keine kapitalistische Produktion ist und sie genau aus diesem Grund bei der Analyse kapitalistischer Produktionsverhältnisse von Marx nicht berücksichtigt wird. Dass Marx die im Haushalt geleistete Arbeit nicht als „produktive Arbeit“ fasste, hat also nichts mit seiner Blindheit gegenüber sexistischen Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnissen zu tun. Es liegt vielmehr daran, dass diese Arbeit unter kapitalistischen Produktionsbedingungen vom Produktionsprozess wirklich ausgeklammert ist und „privat“ stattfindet – obwohl sie als notwendige Arbeit für die Reproduktion der Gesellschaft zugleich unerlässlich ist. Wenn Dalla Costa und James also behaupten, dass Frauen Menschen „produzierten“, dann ist das im biologischen Sinne sicherlich richtig, bedeutet aber nicht, dass man deshalb schon von produktiver Arbeit – für eine/n KapitalistIn – sprechen kann. Genau dies war der theoretische Fehlschluss, der letztlich auch zu falschen politischen Forderungen führte.

„Lohn für Hausarbeit!“ – eine Forderung, viele Probleme

Eine, die mit der Kampfform des (Haus-)Frauenstreiks erkämpft werden sollte, lautete: „Lohn für Hausarbeit“. Sie begegnet uns heute zum Teil in der etwas schwammigeren Forderung nach einer „Wertschätzung der Hausarbeit“ wieder und wird auch vom Bündnis „Frauen*streik“ vertreten. Im „Aufruf zum Streik“ erklärt es dazu u. a. Folgendes: „Wir wollen streiken, … weil wir in einer Welt leben wollen, in der jede Arbeit wertgeschätzt wird. … weil wir uns nicht länger ausbeuten lassen, weder zu Hause, noch auf der Lohnarbeit. … weil unsere Zeit uns gehört und wir selbst bestimmen wollen, wann und wie wir arbeiten. […].“ (Aufruf Frauenstreik 2019) Die Forderung nach „Lohn für Hausarbeit“ ist nicht alleine deshalb problematisch, weil sie auf einer falschen Analyse beruht (eine solche kann sinnvoll und unterstützenwert sein), sondern vielmehr, weil sie auch politisch-strategisch einige Probleme aufwirft. Dalla Costa und James haben eines selbst diskutiert. Sie erkannten, dass die Forderung Gefahr läuft, „so ausgelegt zu werden, als ob wir die Situation der Hausfrau institutionalisierten und damit verfestigten wollten“ (Dalla Costa/James, S. 42), während ihr eigentliches Ziel darin bestehe, „die gesamte Hausfrauenrolle zu zerstören“ (S. 43). Wenn es auch keinen Grund dafür gibt, die Aufrichtigkeit der Autorinnen bezüglich ihrer revolutionären Intention zu bezweifeln, ist es doch so, dass die soziale Logik einer Forderung und deren materielle Auswirkungen nicht automatisch dem entsprechen, was sich der/die Fordernde dabei subjektiv „eigentlich“ denkt oder wünscht. Denn diese Forderung zielt gerade nicht auf die Überwindung der Trennung von produktiver und reproduktiver/Gebrauchswert bildender Arbeit ab. Sie schreibt sie und die ihr zugrunde liegende sexistische Arbeitsteilung vielmehr fest. Darüber hinaus zeugt sie von einem falschen Verständnis des (bürgerlichen) Staates. Dieser ist Staat des Kapitals und steht nur scheinbar über den Klassengegensätzen. Er sichert zugleich die Voraussetzungen der kapitalistischen Ausbeutung und schützt diese auch mithilfe seines Gewaltmonopols, dient somit in erster Linie der herrschenden Klasse als Mittel zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft. Ein revolutionäres Programm, das die Aufhebung aller Formen der Ausbeutung und Unterdrückung zum Ziel hat, muss dementsprechend auf die Zerschlagung des bürgerlichen und auf die Errichtung eines proletarischen Halbstaates abzielen, um die notwendigen gesellschaftlichen Umwälzungen vollziehen und absichern zu können.

Die Neuaufteilung der Hausarbeit, d. h. die Aufhebung der sexistischen Arbeitsteilung, erfordert deshalb eine umfassende revolutionäre Strategie und ein ihr entsprechendes Programm, welches unter anderem die Forderung nach einem Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten enthält und die gesamte ArbeiterInnenklasse als Subjekt der revolutionären Umwälzung benennt. Denn nur diese ist objektiv dazu in der Lage, eine bewusste Vergesellschaftung des Arbeits- und individuellen Reproduktionsprozesses und der darauf aufbauenden Verkehrsformen vorzunehmen.

Entlohnung? Vergesellschaftung!

Die Forderung nach einem/r „Lohn/Wertschätzung für Hausarbeit“ sollte deshalb ersetzt werden durch die nach deren Vergesellschaftung. Diese muss entsprechend ihrer Bedeutung und ihrem Zusammenhang mit anderen Bereichen der Produktion in ein umfassendes Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten integriert werden. So kann die Frage nach der demokratischen Planung der gesamten gesellschaftlichen (Re-)Produktion und der Verteilung der hierfür notwendigen Gesamtarbeit auf alle arbeitsfähigen Hände und Köpfe gelöst werden. Es geht dabei um die bewusste Organisation des gesellschaftlichen Zusammenhangs von Produktion und den darauf aufbauenden gesellschaftlichen Verkehrsformen durch die in Räten organisierten ProduzentInnen selbst. Die Verbindung mit den Kämpfen der ArbeiterInnenklasse und die Integration einzelner Forderungen in ein revolutionäres Übergangsprogramm sind  auch deshalb notwendig, weil die Hausfrauen in keinem direkten Verhältnis zum Kapital stehen und dementsprechend auch kein direktes ökonomisches Druckmittel haben, das sie nutzen könnten, um ihre Forderungen durchzusetzen. So waren auch bisher jene „(Haus-)Frauenstreiks“ am erfolgreichsten, welche die Lohnabhängigen integrierten und dazu brachten, ihre Arbeit ebenfalls niederzulegen. Dass dies auch vom Bündnis „Frauen*streik“ angestrebt wird, ist deshalb zu begrüßen. Allerdings ist die Klärung der hierfür notwendigen Strategie und der jeweils konkret anzuwendenden Taktiken etwa gegenüber den reformistischen geführten ArbeiterInnenorganisationen damit noch nicht sehr weit gediehen. (Siehe Artikel zum Frauenstreik 2019 in dieser Ausgabe!)

Roswitha Scholz und die Theorie der Wert-Abspaltung

War es noch das erklärte Ziel der „sozialistischen FeministInnen“, die Kämpfe der Frauen mit dem Klassenkampf des Proletariats zu verbinden, haben Teile der sich auf Marx beziehenden feministischen TheoretikerInnen danach eine explizite Abkehr vom Proletariat vollzogen. Eine davon, deren Einfluss auf Teile der (post-)autonomen Linken nicht zu unterschätzen ist, ist Roswitha Scholz. Scholz rechnet zum Kreis der WertkritikerInnen um die „EXIT!“-Gruppe („EXIT“ ist der Name ihrer Theoriezeitschrift), deren bekanntester Vertreter der verstorbene Robert Kurz war. Ihre Theorie der Wert-Abspaltung zielt laut eignem Bekunden auf die Analyse des Zusammenhangs von „Rasse“, Klasse, Geschlecht und postmoderner Individualisierung, ihre hauptsächliche Kritik auf den von ihr so genannten „Arbeiterbewegungsmarxismus“. Sie versteht ihre Theorie als Weiterentwicklung der „fundamentalen Wertkritik“, deren blinde Flecken in Bezug auf Fragen sexistischer und rassistischer Diskriminierung sie mit ihrer Theorie der „Wert-Abspaltung“ zu überwinden trachtet. Ihr geht es dabei aber nicht darum, mittels revolutionärer Theorie und Praxis das Proletariat von kapitalistischer Klassenherrschaft zu befreien. Scholz’ Anstrengungen zielen vielmehr darauf, die marxistische Theorie vom Proletariat zu „befreien“. Hierfür bedarf es grundlegender theoretischer Revisionen – welche sie auch tatsächlich vornimmt.

Die grundlegende unter ihnen in Bezug auf die Kritik der politischen Ökonomie besteht in der Bekämpfung der so genannten „Ontologie der Arbeit“. Arbeit ist etwa für den „Vater“ der Wertkritik, Moishe Postone, lediglich eine für den Kapitalismus gültige Kategorie:

„Den Kern aller Varianten des traditionellen Marxismus bildet der transhistorisch gefasste Arbeitsbegriff. Die Marxsche Kategorie Arbeit wird dabei als zielgerichtete gesellschaftliche Tätigkeit verstanden, die zwischen Mensch und Natur vermittelt und dabei spezifische Güter produziert, um bestimmte menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Arbeit, so verstanden, ist der ,Urgrund‘ allen gesellschaftlichen Lebens. Sie konstituiert die soziale Welt und ist Quelle allen gesellschaftlichen Reichtums. Doch diese Auffassung schreibt der Arbeit als transhistorisch zu, was Marx als historisch spezifische Eigenschaft der Arbeit im Kapitalismus verstanden hat“. (Postone, S. 28)

Lassen wir beiseite, dass Marx 1875 in der Kritik am Gothaer Programm der deutschen Sozialdemokratie ebenso sehr die Natur als Quelle allen menschlichen Reichtums betrachtete wie die Arbeit. Ungeachtet der Tatsache, dass einige der von Postone aufgeführten Bestimmungen des angeblich vom traditionellen Marxismus verwendeten Arbeitsbegriffs tatsächlich unzutreffend sind, ist die Stoßrichtung seiner Kritik doch eindeutig: Arbeit ist für ihn eine auf die kapitalistische Produktionsweise beschränkte Kategorie.

Scholz’ Aussagen in dieser Richtung sind ambivalenter. Mit dem Allgemeinplatz, dass „Gesellschaft ein historischer und dynamischer Prozess ist“ (Scholz 2005, S. 13), der sich „definitorischen (und ontologisierenden) Zugriffen“ (ebd.) verweigere, scheint sie sich der Sichtweise Postones, auf den sie sich auch ansonsten positiv bezieht, anzuschließen. Ihr scheint aber auch klar zu sein, dass die Menschen doch immer irgendwie irgendetwas tun müssen, um nicht zu verhungern. So spricht sie in ein und demselben Satz davon, dass es sich bei der Arbeit „in anderer Hinsicht“ nicht um eine „überhistorische Angelegenheit“ handle, sie aber dennoch, „wenngleich vielleicht auch in unterschiedlicher Weise, alle Gesellschaftsformationen durchzieht“ (S. 21). In welcher Hinsicht Arbeit keine „überhistorische“ Kategorie darstellt und ob sich dies lediglich auf die Form der Arbeit bezieht, wird nicht klar. Eindeutiger hingegen ist ihr „negativer“ Bezug auf den Wertbegriff, den sie nur für den Kapitalismus gelten lässt.

Um dies zu begründen, muss Scholz die Aufmerksamkeit vom Begriff des Kapitals, das bei Marx letztlich als ein gesellschaftliches Verhältnis gedacht war und im Zentrum seiner Kritik der politischen Ökonomie stand, auf den Wertbegriff umlenken und sich diesen dabei zugleich zurechtbiegen. Dieser erscheint nicht mehr als reflexives Verhältnis der einzelnen Arbeit zur Gesamtarbeit, sondern gewissermaßen als „Substanz“ der „abstrakten Herrschaft“ im Kapitalismus und damit als das eigentliche Übel dieser Produktionsweise. Dies alles „leistet“ die Wertkritik, indem sie sowohl vom grundlegenden Doppelcharakter der Arbeit sowie von deren Naturbedingtheit abstrahiert und diese letztlich auf die Verausgabung von abstrakter Arbeit reduziert. Diese Verkürzungen ergeben sich aus dem Unverständnis der Bedeutung der abstrakten Arbeit im Allgemeinen und ihrer Funktion im Kapitalismus im Besonderen. Damit schaffen sich die WertkritikerInnen jene Theorie, die ihre kleinbürgerliche politische Praxis und ihre Abkehr vom Proletariat rechtfertigt.

Doppelcharakter der Arbeit

Marx hat ihn als den „Springpunkt“ seiner Analyse der Ware im Kapitalismus bezeichnet: den Doppelcharakter der Arbeit. Die abstrakte Arbeit ist neben der konkreten Arbeit nach Marx ein Moment des Doppelcharakters aller Arbeit, unabhängig von ihrer konkreten gesellschaftlichen Form. Der Begriff „abstrakte Arbeit“ bezieht sich dabei auf die Gesellschaftlichkeit der Arbeit, d. h. auf die gemeinsame, gesellschaftlich gleiche Verausgabung von menschlicher Arbeitskraft und die dadurch erzeugte Beziehung aller Arbeitsprodukte untereinander und zur gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Abstrakte Arbeit spielt qua dem „Gesetz der Ökonomie der Zeit“ in allen Gesellschaftsformationen eine wichtige Rolle, und zwar bei der proportionalen Verteilung der Gesamtarbeit auf einzelne Zweige. Insofern von jeder konkreten Eigenschaft der besonderen Arbeitsprodukte und der sie produzierenden Einzelarbeiten real abstrahiert wird, gelten sie als gleiche menschliche Arbeit. Die abstrakte Arbeit ist somit eine allgemeine Eigenschaft aller konkret-nützlichen Arbeiten und in allen Gemeinwesen werden diese zugleich als abstrakt-menschliche Arbeiten aufeinander bezogen. Abstrakte Arbeit, als Verausgabung menschlichen Arbeitsvermögens im Verhältnis zur gesellschaftlichen Gesamtarbeitskraft, existiert dem Prinzip nach also unter allen Gesellschaftsformationen.

„Nicht ,abstrakte Arbeit‘ an sich ist also ein gesellschaftliches ,Konstrukt‘, das nur dem Kapitalismus eigen ist, … sondern die spezifisch kapitalistische, gesellschaftliche Konstruktion ist es, dass Arbeit, reduziert auf abstrakte Arbeit, schon als solche zu gesellschaftlicher Arbeit wird. […] Die spezifisch-historische gesellschaftliche Kategorie, die abstrakte Arbeit in der Wertform zur Erscheinung bringt, besteht […] in der Auflösung der naturwüchsigen gesellschaftlichen Zusammenhänge von Arbeit und Bedürfnisbefriedigung, in der unmittelbaren Gesellschaftlichkeit von ,bloß verausgabter Arbeit‘, deren gegenständliches Resultat sich im Nachhinein seinen Bedarf zu suchen hat. Hinter dem Rücken der Akteure entsteht dabei eine ,zweite Natur‘: eine scheinbar ,naturwüchsige Beziehung‘ zwischen Arbeit und vergegenständlichten Wertformen, die zum eigentlichen Zweck und gesellschaftlichen Akteur des ökonomischen Prozesses zu werden scheinen. Diese zweite Naturwüchsigkeit macht die Gewalt der Fetischcharaktere der verschiedenen Wertformgestalten aus.“ (Lehner 2008, S. 133)

Moishe Postone geht hingegen davon aus, dass die abstrakte Arbeit spezifisch kapitalistisch sei und in anderen Gesellschaftsformationen keine Rolle spiele (vgl. Postone 2003, S. 233). Zudem sei die „Objektivierung“ der abstrakten Arbeit in einer den Individuen gegenüber verselbstständigten Sphäre die spezifisch kapitalistische Form „abstrakter Herrschaft“ und diese vom Proletariat und durch dessen Verausgabung abstrakter Arbeit letztlich selbst erzeugt und aufrechterhalten. Die der Entfremdung und Subsumtion (Unterordnung) der lebendigen unter die tote (vergangene, im Kapitalvorschuss enthaltene) Arbeit zugrundeliegende Klassenherrschaft der – äußerst lebendigen – Bourgeoisie wird von den WertkritikerInnen hingegen ausgeklammert. Die Kontrolle der besitzenden Klassen über die von ihnen bewegte Arbeit erscheint aber an der Oberfläche der Gesellschaft lediglich als die Herrschaft von „objektiven“, „naturhaften“ Gewalten der „Markt- und Kapitalbewegungen“:

„Durch die Ablösung des Fetischs und des ,automatischen Subjekts‘ von dieser gesellschaftlichen Basis wird dem Fetisch sein eigentlicher gesellschaftlicher Zweck genommen – er wird quasi wörtlich genommen. Tatsächlich verschleiert er jedoch als sachliches Verhältnis, das doch eigentlich ein ganz handgreiflich gesellschaftliches ist, die Herrschaft einer Klasse über eine andere.“ (Lehner 2003, S. 116; Fehler stillschweigend korrigiert, d. Red.)

Die WertkritikerInnen sind somit nicht in der Lage zu erkennen, dass die gesellschaftliche Form der Arbeit von den gegenständlichen Bedingungen der Arbeit und der Distribution der Produktionsmittel abhängt. Doch nur dann, wenn vom Arbeitsprozess als Einheit seiner subjektiven und objektiven Bedingungen ausgegangen wird, wenn also von der Naturbedingtheit der Arbeit nicht abstrahiert und wenn sie nicht auf die Verausgabung von abstrakter Arbeit reduziert wird, kann überhaupt wahrgenommen werden, dass das Eigentum an den gegenständlichen Arbeitsbedingungen eine Bedingung der Arbeit ist und dass die gesellschaftliche Form der Arbeit von dieser Bedingung abhängt. Eine Theorie hingegen, die diesen Zusammenhang unterschlägt, muss letztlich zu allerhand Mystizismus führen – wie die Texte der Wertkritik verdeutlichen.

Auch Roswitha Scholz behauptet, die abstrakte Arbeit sei überhaupt erst im Kapitalismus „entstanden“ (Scholz 2005, S. 19). Sie spricht gar vom „System der ‚abstrakten Arbeit‘“, bei dem es gar nicht um eine „subjektiv-private Aneignung von etwas Positivem qua Privateigentum an den Produktionsmitteln“ (S. 17) gehe, sondern das „Privateigentum nur eine sekundäre Erscheinungsform des Mehrwerts als eines negativen gesellschaftlichen Selbstzwecks“ darstelle (S. 17f.). Was immer man unter einem „negativen Selbstzweck“ zu verstehen hat, Mehrwert und Verausgabung abstrakter Arbeit sind gegenüber dem Privateigentum an Produktionsmitteln für sie das bestimmende Moment.

Die gesellschaftliche Form der Arbeit wird von ihr von deren gegenständlichen Bedingungen getrennt. Statt ihren inneren Zusammenhang zu analysieren, wird „der Wert“ bzw. die „Wert-Abspaltung“ als „zentrales gesellschaftliches Basisprinzip“ (S. 21) und zugleich als „Metastruktur“ (S. 23) konzipiert, die nirgends in der empirischen Realität mehr begründet scheint. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen und Vermittlungen der „Selbstverwertung des Werts“ in der Produktionssphäre werden ausgeklammert. Die Verselbstständigung der Wertform ist aber abhängig von der Einverleibung der „freien Arbeitskraft“ in die Warenwelt – und das nicht nur historisch, sondern auch logisch. Erst dadurch – das heißt durch das Privateigentum an Produktionsmitteln, welches die Eigentumslosigkeit der ArbeiterInnen und somit deren Abhängigkeit begründet – entsteht überhaupt die Möglichkeit dafür. Doch auch Scholz kann die historische Genese des Kapitalismus und dessen Voraussetzungen nicht völlig ausblenden. Dementsprechend benennt sie die Verwandlung der Arbeitskraft in eine Ware als eine seiner Voraussetzungen (vgl. S. 18). Sie erklärt aber Klassengegensätze für die sich auf den eigenen Grundlagen reproduzierende kapitalistische Produktionsweise als zweitrangig bzw. vollkommen obsolet. Die Verselbstständigung der Wertform ist für sie vielmehr eine Frage des Charakters – und zwar des „Selbstzweckcharakters des Werts“ (ebd.). Damit verdinglicht sie ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen Individuen und Klassen zu einem Ding mit quasi-menschlichen Eigenschaften. Das Subjekt der gesellschaftlichen Reproduktion wird von den empirischen Individuen und den materiellen Verhältnissen abgelöst und die Wert-Abspaltung entsprechend zu einer „Metastruktur“ stilisiert, welche sich auf die „Metalogik“ (S. 182) der sozialen Reproduktion beziehe, deren Widerspiegelung in der Theorie der Wert-Abspaltung „auf einem hohen Abstraktionsniveau angesiedelt“ (S. 22) sei. Das „hohe Abstraktionsniveau“ gründet dabei aber nicht in einem über den gesellschaftlichen Verhältnissen schwebenden „Formprinzip“, sondern in der Abstraktion von den materiellen gesellschaftlichen Verhältnissen seitens der Theoretikerin.

Zwischenfazit: Alle menschlichen Gesellschaften kennzeichnet der doppelte Charakter Ihrer Arbeit. Einerseits ist diese als konkrete Art der Tätigkeit zweckgerichtet, erfüllt ein bestimmtes Bedürfnis, andererseits ist sie stets ohne deren Unterschied abstrakte Verausgabung von Nerven, Hirn und Muskeln sowie auch in dem Sinne abstrakt, dass sie stets Teil eines gesellschaftlichen Ganzen bleiben muss, da die Menschen nur in Gesellschaft leben können.

Was den Kapitalismus dagegen als einzigartig kennzeichnet, ist, dass er abstrakte Arbeit als Wert darstellt und sie in ihm misst, weil er eine universelle Warenproduktionsweise ist. Die Lohnarbeit ist die einzige „freie“ Arbeitsform der Menschheitsgeschichte, in der den ProduzentInnen die Verfügung über die gegenständlichen Bedingungen ihrer Arbeit (Produktionsmittel) abhanden gekommen ist, sie nur über ihr subjektives Arbeitsvermögen verfügen, das sie als Ware Arbeitskraft verkaufen, genauer: stundenweise vermieten müssen.

Das Klassenverhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital ist also entscheidend dafür, dass Arbeitskraft (subjektives Arbeitsvermögen) und Kapital (objektive Arbeitsbedingungen, abstrakter Reichtum zum Zwecke seiner stetigen Vermehrung) in deren Werten eine scheinbar dingliche Gestalt annehmen. Die „Wertkritik“ dagegen entfernt Ausbeutung, Klassen und Menschen aus der Geschichte und verwandelt den Kapitalismus in ein Reich der Herrschaft von Sachen, abstrakter Arbeit. Sie sitzt damit selbst dem von ihr falsch kritisierten Wertfetischismus als Motor der Produktionsweise auf. Die Produktionsweise verwandelt sich in ein Perpetuum mobile von Sachzwängen, das von der ArbeiterInnenklasse nicht mehr angehalten werden kann.

Der ohnehin schon falschen Vorstellung der WertkritikerInnen, wonach sich „die gesellschaftliche Totalität in der Moderne aus der fetischistischen Selbstbewegung des Geldes und der ‚abstrakten Arbeit‘ als tautologischem Selbstzweck [konstituiert]“ (S. 19), fügt Scholz die Vorstellung einer „geschlechtsspezifischen Abspaltung“ hinzu. Diesen Begriff zieht sie in der Folge heran, um die verschiedenen Formen gesellschaftlicher Unterdrückung auf das kapitalistische „Basisprinzip“ der Wert-Abspaltung zurückzuführen. Alles, was nicht in der Wertform „aufgehe“, werde von dieser abgespalten und gesellschaftlich abgewertet. Die Idee dabei ist, dass der Wert die Gleichsetzung der verschiedenen (konkreten) Arbeiten zur Voraussetzung habe. Alles, was sich dieser Gleichsetzung nicht füge, darin „nicht aufgehe“, werde abgespalten. Dieses „Formprinzip“ strukturiere die gesamte gesellschaftliche Ordnung und reproduziere sich auch auf symbolischer und sozialpsychologischer Ebene – unter anderem in der Abwertung des „Weiblichen“, des „Anderen“ und allem damit Assoziierten. Nachdem sich Scholz eine solche, über allen konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen schwebende „Metalogik“ konstruiert hat, geht es ihr in der Auseinandersetzung mit anderen TheoretikerInnen nur noch darum, die Bestimmtheit der vielfältigen Diskriminierungs- und Unterdrückungserscheinungen durch dieses „Basisprinzip“ zu behaupten. Solchermaßen bastelt sich Scholz eine scheinbar umfassende Theorie der kapitalistischen Totalität, indem sie das übergreifende Moment auf eine von den materiellen Verhältnissen und dem Handeln der Subjekte scheinbar unabhängige und sich selbst begründende „Metastruktur“ zurückführt.

Da Ausbeutung für Scholz nur eine sekundäre Erscheinungsform darstellt und es den KapitalistInnen gar nicht um die „subjektiv-private Aneignung von etwas Positivem qua Privateigentum an den Produktionsmitteln“ (sprich: Ausbeutung) gehe, kann sie sich scheinbar auch nicht vorstellen, dass Sexismus und andere Formen der Unterdrückung durchaus eine gesellschaftliche Funktion im Interesse einer Klasse erfüllen – und etwa dazu dienen, die Reproduktionskosten der Ware Arbeitskraft, den Wert der weiblichen Ware Arbeitskraft und dadurch auch das Lohnniveau im Allgemeinen zu senken – Stichwort: sexistisch delegierte und ins Private abgedrängte Hausarbeit.

Zur Bewertung der Hausarbeit durch die Wert-Abspaltungstheorie

Während MarxistInnen argumentieren, Hausarbeit im Kapitalismus sei keine produktive, aber gesellschaftlich notwendige, Gebrauchswert bildende Arbeit, möchte Scholz mit Bezug auf Haushaltstätigkeiten wie Kinder erziehen und Pflegetätigkeiten ausführen überhaupt nicht von „Arbeit“ sprechen (vgl. Scholz 2005, S. 19f.). Da diese Tätigkeiten „nicht der politökonomischen Rationalität gehorchen wie die ‚abstrakte Arbeit‘“ (ebd.), könnten „die weiblichen Reproduktionstätigkeiten auch nicht mit der Arbeitskategorie belegt werden.“ (S. 20) Die im Haushalt ausgeführten „Tätigkeiten“ stellten vielmehr die Kehrseite der sich im Wert ausdrückenden „abstrakten Arbeit“ dar. Ebendeshalb sei auch dem Versuch zu widerstehen, diese Tätigkeiten „auch noch in Arbeit umzudefinieren“ (Scholz 1992), da die (abstrakte) Arbeit ja „gewissermaßen selbst die ,Wurzel allen Übels‘“ (ebd.) sei. Deshalb müsse „ein dritter Begriff gesucht werden, mit dem die traditionelle Tätigkeit der Frau im Reproduktionsbereich genauer theoretisch bestimmt werden kann, da auch der Terminus ,Tätigkeit‘ zu diffus ist und einen zu großen Allgemeinheitscharakter besitzt […]. Diese – keineswegs irrelevante – Problematik kann hier jedoch nicht weiter verfolgt werden. Solange eine derartige Klärung nicht erfolgt ist, bediene ich mich deshalb weiterhin des unbefriedigenden Begriffs ,Tätigkeit‘, wenn von der ,Arbeit‘ im Reproduktionsbereich die Rede ist.“ (ebd.)

Es bleibt die Frage, von welchem höheren Wesen sich Scholz diese Klärung verspricht, wenn sie auch nach mehr als zehn Jahren noch immer den zuvor von ihr selbst als zu diffus bezeichneten Begriff der „Tätigkeit“ verwendet. Hier präsentiert sie scheinbar ungewollt die Grenze ihrer eignen Theorie – als „Unmöglichkeit“, diese „Problematik hier weiter zu verfolgen“ und einen präzisen Begriff der Hausarbeit zu entwickeln. Es scheint sich bei diesem Problem – das Scholz in späteren Texten schon gar nicht mehr als solches benennt, wo sie ohne weitere Kommentare den Begriff der („Haushalts‘- bzw. „Reproduktions“-) Tätigkeiten verwendet (Scholz 2005, S. 20; Scholz 2017a und b) –, um ein theorieimmanent-begriffliches Problem zu behandeln, welches bedingt ist durch die „fundamentale“ und „radikale“ Verwirrung der Wert-Abspaltungskritik bezüglich der Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie.

Da das Proletariat als potentielles revolutionäres Subjekt bei den WertkritikerInnen nicht mehr vorkommt, bleibt ihre gesamte politische Strategie notwendigerweise diffus und abstrakt.

So soll sich die „praktische Gesellschaftskritik“ ganz direkt gegen die „Grundform der Wert-Abspaltung als solche“ (Scholz 2005, S. 265) richten. Dieses Basisprinzip gelte es „in Frage zu stellen“ und zu „überwinden“ (ebd.). Gegenüber der Notwendigkeit, Bündnisse mit nicht näher definierten anderen Gruppen einzugehen, beharrt die Wertkritik zugleich darauf, „dass heute ein radikal kritischer Neubezug auf ein gesellschaftliches (fragmentarisches) Ganzes, auf ein negatives Wesen stattfinden muss; gerade auch in der unmittelbar praktischen gesellschaftskritischen Aktion“. (S. 12) Was immer man sich unter einem „Bezug auf ein negatives Wesen“ vorzustellen hat – es klingt jedenfalls mehr nach Okkultismus als nach revolutionärer politischer Praxis.  Da dieses „negative Wesen“ als „abstrakte Metalogik“ zugleich nirgendwo zu fassen ist, bezieht sich Scholz dann auch unvermittelt auf den „inhaltlich-spezifischen Kontext vor Ort“, auf „vortheoretisch erfahrene Lebens- und Gesellschaftsprobleme“ (ebd.) als Bezugspunkte politischer Praxis.

Politische Perspektiven

Aufgrund ihres falschen Verständnisses des Kapitalverhältnisses entsorgen Scholz und die „Wertkritik“ nicht nur die ArbeiterInnenklasse als Subjekt gesellschaftlicher Veränderung, sondern natürlich auch die organisierte proletarische Frauenbewegung. Zum Schluss möchten wir noch kurz auf die politischen Perspektiven zu sprechen kommen, die sich aus der Analyse des Kapitalismus ergeben.

Das Proletariat, auf welches sich der revolutionäre Marxismus nach wie vor bezieht, wird von diesem nicht (nur) als eine gegebene Objektivität begriffen, sondern muss „vom Endpunkt seiner revolutionären Klassenbildung her, von den weltgeschichtlichen Perspektiven der proletarischen Bewegung, gefasst werden“ (Lehner 2010, S. 13). Es ist diejenige ProduzentInnenklasse, die alle gesellschaftlich notwendigen Arbeiten auf entfremdete Weise in sich zusammenfasst und deshalb als einzige objektiv dazu in der Lage ist, die notwendigen gesellschaftlichen Umwälzungen –  die rationale Aneignung der totalen gesellschaftlichen Produktion, (von welcher die derzeit ins „Private“ abgeschobene Hausarbeit einen Teil darstellt) –, bewusst gesellschaftlich vorzunehmen. Um den Prozess der Herausbildung des Proletariats zum revolutionären Subjekt aktiv zu befördern, sind deshalb sowohl die Ausarbeitung einer revolutionären Klassentheorie, der Aufbau einer revolutionären Organisation nötig wie auch der Kampf um besondere Formen der Organisierung der Unterdrückten, darunter der für eine proletarische Frauenbewegung.

Dies soll der Tatsache Rechnung tragen, dass Lohnarbeit und Kapital als Widerspruchsverhältnis nicht nur die Negation der beiden Seiten umfasst, sondern zu seiner Reproduktion auch das Moment der Identität. Diese stellt selbst eine materielle Grundlage für reformistisches Bewusstsein in der ArbeiterInnenklasse dar und bedeutet auch, dass revolutionäres Bewusstsein nicht spontan entstehen kann. Es bedarf hierfür einer revolutionär-kommunistischen Organisation, die um dieses Bewusstsein in der gesamten Klasse kämpft. Der Bezug auf den Begriff des Proletariats entspricht dabei nicht nur der tatsächlich vor sich gehenden Vereinheitlichung der besonderen Arbeits- und Lebensbedingungen, die durch den kapitalistischen Akkumulationsprozess selbst zunehmend dem allgemeinen Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital subsumiert werden, sondern erfüllt auch eine wichtige Funktion im revolutionären Kampf gegen die alte Ordnung, indem es das Lager der objektiv Lohnabhängigen über all seine Streitungen hinweg ausgehend von der Basis einer differenzierten, realistischen Klassenanalyse funktional polarisiert.

 

 

Literatur:

Aufruf Frauenstreik 2019: < https://frauenstreik.org/aufruf/>

Dalla Costa, Mariarosa/ James, Selma: Die Macht der Frauen und der Umsturz der Gesellschaft, (Internationale Marxistische Diskussion, Heft 36), Berlin/W. 1973, Merve-Verlag

Lehner, Markus (2003): Die „Kritik der Arbeit“ und das Rätsel der Systemüberwindung, in: Revolutionärer Marxismus 33, Berlin 2003, global red, S. 89–122

Ders. (2008): Finanzkapital, Imperialismus und die langfristigen Tendenzen der Kapitalakkumulation, in: Revolutionärer Marxismus 39, Berlin 2008, global red, S. 129–208

Ders. (2010): Arbeiterklasse und Revolution. Thesen zum
marxistischen Klassenbegriff, in: Revolutionärer Marxismus 42, Berlin 2010, global red, S. 7–99

Marx, Karl: Das Kapital. Erster Band, Berlin/O. 1971

Postone, Moishe: Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft, eine neue Interpretation der kritischen Theorie von Marx, Freiburg/Breisgau 2003, ça ira Verlag

Scholz, Roswitha (1992): Der Wert ist der Mann. Thesen zu Wertvergesellschaftung und Geschlechterverhältnis, in: Krisis. Kritik der Warengesellschaft, Erlangen 1992, Selbstverlag; https://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=autoren&index=30&posnr=25&backtext1=text1.php

Dies. (2005): Differenzen der Krise – Krise der Differenzen. Die neue Gesellschaftskritik im globalen Zeitalter und der Zusammenhang von „Rasse“, Klasse, Geschlecht und postmoderner Individualisierung, Unkel 2005, Horlemann B.

Dies. (2017 a): FEMINISMUS – KAPITALISMUS – ÖKONOMIE – KRISE. Wert-Abspaltungs-kritische Einwände gegenüber einigen Ansätzen feministischer Ökonomiekritik heute, 2017. Online (07.02.2019): https://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=autoren&index=30&posnr=517&backtext1=text1.php

Dies. (2017 b): Wert-Abspaltung, Geschlecht und Krise des Kapitalismus. Interview von Clara Navarro Ruiz mit Roswitha Scholz (Constelaciones. Revista de Teoria Critica, 2017), 18.12.2017: http://www.palim-psao.fr/2017/12/wert-abspaltung-geschlecht-und-krise-des-kapitalismus.interview-von-clara-navarro-ruiz-mit-roswitha-scholz.html




Abtreibungsparagraphen wegstreiken!

Svea Hualidu, Revolution Deutschland, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Kaum ein Thema sorgt für mehr Diskussionsstoff als dieses. Gerade Abtreibungsgegner_Innen instrumentalisieren dieses Thema emotional, während Befürworter_Innen versuchen, die Thematik rational zu betrachten. In der Debatte steht dabei immer die Frage der Legalisierung im Vordergrund. Denn in vielen Ländern sind Abtreibungen, geschweige denn die Aufklärung darüber, noch verboten. In Ländern wie Chile, Malta oder der Dominikanischen Republik dürfen unter keinen Umständen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Deshalb sind viele Frauen dazu gezwungen, kilometerweit in andere Städte oder sogar Länder zu fahren, um dort abzutreiben.

Insgesamt finden schätzungsweise jährlich 56 Millionen statt. Knapp die Hälfte davon ist aufgrund von Gesetzeslage oder finanzieller Situation illegal.

Deutschland

Selbst in Deutschland, welches immer als das Paradebeispiel für legale Abtreibungen hingestellt wird, haben wir noch einen weiten Weg vor uns, bis Frauen wirklich ohne jegliche Hürden selbst über ihren Körper entscheiden können.

Denn ob eine Frau sich hier gegen ein Kind entscheidet, muss bis zur 12. Schwangerschaftswoche feststehen – danach ist eine Abtreibung illegal (sog. Fristenlösung).

Direkt mit der Empfängnis geht der eigentliche Stress für die Frau jedoch bereits los, da laut Paragraph 219a Ärzt_Innen keine „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche machen dürfen. Werbung bedeutet jedoch schon, dass sie auf ihrer Homepage nicht angeben dürfen, selbst Abtreibungen durchzuführen, wie sich im Fall Kristina Hänel zeigte. Die Gießener Ärztin tat nämlich genau das und wurde dafür zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro (noch nicht rechtskräftig) verurteilt. In Bayern werden beispielsweise von der Landesregierung öffentliche Beratungsstellen darauf hingewiesen, keine Adressen von Abtreibungsärzt_Innen weiterzugeben. Im Medizinstudium wird der praktische Abbruchprozess gar nicht erst behandelt. Wieviele Ärzt_Innen in Deutschland Abtreibungen genau ermöglichen, ist aufgrund der Gesetzeslage nicht ermittelbar. Aber eines lässt sich konstatieren: Die Zahl ist sehr gering. Gerade in ländlichen Regionen müssen Frauen rund 100 km fahren, um zu einem/r entspr. Arzt/Ärztin zu kommen. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen bieten viele kirchliche Kliniken Abtreibungen nicht an, zum anderen sinkt aufgrund von Privatisierungen die Zahl der Kliniken allgemein. Ein häufiges Argument ist dann, dass sich Abtreibungen häufen würden, wenn der Zugang dazu zu leicht ist. Die Niederlande beweisen jedoch das Gegenteil: Dort kommen Frauen leicht an Informationen, dürfen legal abtreiben und haben einfachen Zugang zu Verhütungsmitteln.

Wem bringt das Verbot etwas?

Wie immer im Kapitalismus müssen wir uns fragen: Wozu das alles, wer hat etwas von diesen Verboten? Die Behinderung des Rechtes auf Abtreibung bedeutet die Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts über den weiblichen Körper. Diese nutzt in erster Linie der herrschenden, besitzenden Klasse. Denn die bürgerliche Familie, die Monogamie und geschlechtliche Arbeitsteilung mit sich bringt, hat für sie die Aufgabe, Eigentum zu vererben. Dass sich Frauen dieser Aufgabe verweigern, soll unterbunden werden. Das hat aber auch Auswirkungen auf die Arbeiter_Innenklasse. In der Regel haben diese wenig zu vererben, aber gleichzeitig haben die Kapitalist_Innen Interesse an immer mehr Nachwuchsarbeitskräften, die für sie arbeiten. Nicht zufällig stammt der Artikel 219a aus dem Jahr 1933. Vor allem aber geht es darum, dass die auf geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung basierende Unterdrückung der Frau in der Familie durch  repressive Sexualmoral, Geschlechternormen, Einschränkungen der Kontrolle über den eigenen Körper, Fixierung der weiblichen Sexualität auf das Gebären von Kindern usw., kurz gesagt, die repressiven, frauenfeindlichen Strukturen auch in der ArbeiterInnenklasse reproduziert werden.

Es gibt einen weiteren Klassenunterschied in der Abtreibungsfrage: Während Frauen der herrschenden Klasse es sich leisten können, in andere Länder zu fahren, um den Eingriff durchführen zu lassen, müssen die Arbeiter_Innen diesen in der Illegalität über sich ergehen lassen. Besonders hart trifft die repressive Abtreibungsgesetzgebung jugendliche und junge Frauen, da diese nicht nur ökonomisch und sozial abhängig, sondern als Jugendliche auch noch rechtlich benachteiligt sind.

Gegenwehr

Doch es gibt auch Gegenwind. Im September gingen mehr als 5.000 Menschen in der Republik Irland zum sogenannten „March of Choice“ für die Aufhebung des Artikels 40.3.3 (8. Zusatzartikel zur Verfassung) auf die Straße. Dieser besagt, dass das Leben eines ungeborenen Kindes genauso viel wert ist wie das der Mutter. Das irische Parlament sah sich nach einem Volksentscheid am 25.5.2018 gezwungen, am 13.12.2018 ein Gesetz zu verabschieden, welches Abtreibungen bis zur 12. Schwangerschaftswoche und bei bestimmten medizinischen Gründen darüber hinaus erlaubt. In Spanien wurde das Land am 8. März 2018 durch Frauenstreiks lahmgelegt. Knapp 6 Millionen demonstrierten für ihre Rechte, denn auch dort gibt es immer wieder Gesetzesvorlagen für Verschärfungen des Abtreibungsrechts. Im Februar 2018 wurden im Bundestag 3 Gesetzesentwürfe zur ersatzlosen Streichung bzw. Abschwächung vorgestellt – auch auf Druck aus der Gesellschaft. Aber dieses Gesetz wurde von der Großen Koalition blockiert. Die SPD wollte mit dem Koalitionspartner CDU/CSU keinen weiteren Konflikt riskieren – und stimmte daher trotz gegenteiliger Versprechungen gegen Millionen Frauen. Somit zeigt sich mal wieder, dass wir uns auch in dieser Frage nicht auf bürgerliche Vertreter_Innen oder reformistische Parliamentarier_Innen verlassen können, sondern selbst Proteste organisieren müssen. Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung organisiert zwar wichtige Kampagnen und stellt in dieser Hinsicht einen Schritt in die richtige Richtung dar. Wir müssen hierbei jedoch kritisch sehen, dass es ihm mehr um das „Überzeugen“ der Herrschenden denn um eine Mobilisierung auf der Straße und in den Betrieben geht. Aber wir als Arbeiter_Innen müssen uns selbst Strukturen schaffen, die über die Zusammenhänge zwischen Abtreibungsverboten und dem kapitalistischen System aufklären, und dafür kämpfen, dass auch ArbeiterInnen und Armen Verhütung und Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen und ohne Zwangsberatung möglich sind.

  • Hände weg von unseren Körpern! Raus mit der Kirche und anderen Religionen aus Gesundheitssystem und Gesetzgebung! Für Abschaffung der Abtreibungsparagraphen sowie der Beratungspflicht!
  • Für den flächendeckenden Ausbau an Beratungs- und Behandlungsstellen! Vollständige Übernahme der Kosten für eine Abtreibung, egal in welchem Monat, und aller Kosten für Verhütungsmittel durch den Staat!
  • Für die Abschaffung von Fristen, bis zu denen abgetrieben werden darf! Für die ärztliche Entscheidungsfreiheit, lebensfähige Kinder zu entbinden!
  • Gegen Zwangselternschaft für so geborene Kinder! Der Staat soll für sie aufkommen und sich um sie kümmern! Adoptionsvorrang für Vater und/oder Mutter, falls sie das Kind später großziehen wollen!
  • Für den Ausbau von Schutzräumen für Opfer sexueller Gewalt, Schwangere und junge Mütter!